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Der 31. März Tag eines Genozids an Aserbaidschanern

Der 31. März - uni-potsdam.de · 4 Bilder von ermordeten Menschen: Kinder, Frauen und Männer. Die Bilder dokumentieren grausame und kaltblütig durchgeführte Morde. Wir kennen

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Der 31. März

Tag eines Genozids an Aserbaidschanern

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Der 31. März

Tag eines Genozids an Aserbaidschanern

Ajdyn Sultanow, Wilfried Fuhrmann © Dr. Ajdyn Sultanow Prof. Dr. Wilfried Fuhrmann Potsdam 2006; ISSN 1433-920X Adresse: Universität Potsdam WiSo-Fakultät Makroökon. Theorie und Politik August-Bebel-Str. 89 D - 14482 Potsdam Tel./ Fax.: + 49 (0)331 97732 -20/-23 http://www.uni-potsdam.de/u/makrooekonomie

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Bilder von ermordeten Menschen: Kinder, Frauen und Männer.

Die Bilder dokumentieren grausame und kaltblütig durchgeführte Morde. Wir kennen leider viele derartige Bilder aus verschiedenen Ländern.

Aber es sind stets unschuldige Menschen – Menschen wie Sie, Du und ich. Fragen wir nach diesen Menschen.

Wer sind sie? Wo lebten sie? Aus welchem Land stammen die Opfer?

Es sind Aserbaidschaner. Die Menschen kommen also aus Aserbaidschan, einem Land am Kaukasus und Kaspischen Meer.

Und stammen diese Bilder aus einer grauen Vorzeit?

Nein, diese Bilder sind noch keine 20 Jahre alt! Sie stammen aus dem Jahre 1992, also kurz nach der Wiedervereinigung Deutschlands.

Und wer waren die Täter?

Es waren Armenier.

Und war es ein „denkwürdiges“ Einzelereignis, eine Art von Irrtum in der Geschichte?

Leider nein! Es gab wiederholt derartige Morde seit 1905, wie im März 1918 oder hier am 26.2.1992

– doch hoffentlich, wenn wir uns alle dafür einsetzen, nie wieder in der Zukunft!

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Seit 1998 gedenkt das aserbaidschanische Volk der Toten am 31. März als den Tag des Genozids an Aserbaidschanern. Die tragischen Ereignisse am 31. März 1918 haben sich tief in das Bewusstsein des aserbaidschanischen Volks gegraben. Die Ermordungen von schätzungsweise 2,5 Mio. Menschen, die Repressalien und Vertreibungen der Aserbaidschaner aus ihren Heimatorten durch Armenier gehören nicht nur zu den schrecklichsten (geschichtlichen) Ereignissen Aserbaidschans, sondern der Weltgemeinschaft.

Historischer Rückblick1

Aserbaidschan ist eine der ältesten Regionen und damit auch Wiege der Zivilisation, ein Land mit reicher Kultur und langer Geschichte. Die Entdeckung einer der ältesten Siedlungen der Menschheit aus der Steinzeit in der Asychhöhle auf dem Territorium Aserbaidschans ist nur eine vorn vielen Zeugnissen bzw. Bestätigungen. Die Entwicklung des Staatswesens in Aserbaidschan hat ihre Wurzeln und Anfänge in den Staaten: Mannai (bis Ende 7. Jh. v. Chr.), Kleinmedien bzw. Midia (bis 500 v. Chr.), Atropatene und im nördlichen Teil: Albania2 (2.-3. Jh. vor bis 6.-7. Jh. nach Chr.). Zu den kulturellen und gesellschaftlichen Meilensteinen gehören die Verbreitung des Christentums, die Entwicklung des Albanischen Alphabets im 5. Jh., die Eroberung und Eingliederung in das Arabische Kalifat, die Verbreitung des Islams zu Beginn des 8. Jh. n.Chr. sowie die Entstehung und Entwicklung von Staaten wie: Kara-Koyunlu und Ag-Koyunlu und der Sefewiden. Im 18. Jh. entstanden im Gebiet von Aserbaidschan3 einige selbständige und autonome Staatsformen, so genannte Chanate wie bspw. das Bakuer-, das Karabacher-, das Guba-, das Schemacha-, das Scheki-, das Eriwan-, das Nachtschiwan- und das Lenkoranchanat.

1 Stand Dezember 2006. Vertreibung und Massenmorde finden natürlich nicht an einem (Gedenk-) Tage statt.

2 Dieses historische Albanien im Kaukasus ist nicht zu verwechseln mit dem heutigen Albanien in Südeuropa. 3 Das Territorium der heutigen Republik Aserbaidschan ist sehr viel kleiner als dieses alte (Siedlungs-) Gebiet Aserbaidschans.

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Schicksalhaft waren für das aserbaidschanische Volk im 18. und 19. Jh. die imperialen Kriege um Aserbaidschan zwischen Russland, dem Iran (bzw. Persien) und der Türkei. Nach dem Friedensschluß von Nistadt zwischen Russland und Schweden im Jahre 1721 konzentrierte der russische Zar (Kaiser) Peter I. seine Eroberungspolitik auf den Kaukasus und die Vorkaspiregion. 1723 belagerten russische Truppen Baku und nahmen es ein. Um den Widerstand der Bevölkerung, die größtenteils moslemischen Glaubens war, zu brechen, begann Zar Peter I. „um jeden Preis in Gilan, Mazandaran, Baku und Derbent Armenier und Christen“ anzusiedeln. Seine Nachfolger setzten diese Politik fort. Kaiserin Katharina II. nahm per Erlaß von 1768 die Armenier unter ihren besonderen Schutz und Zar Alexander I. schrieb 1802 dem Befehlshaber der russischen Truppen im Kaukasus (General Sisianow): „Um jeden Preis müssen die Armenier in einigen Aserbaidschanischen Chanaten verwendet werden“. Und die Armenier, die einerseits ein Instrument dieser Politik waren, nutzten andererseits die imperialistischen Ziele Rußlands für sich zur Gründung eines eigenen Staats auf dem Gebiet Aserbaidschans.

Annexionen, staatliche Umsiedlungen, erste Massenmorde

Die Verträge von Gülistan vom 12. Oktober 1813 und von Türkmentschaj vom 10. Februar 1828, die jeweils nach einem Krieg zwischen Russland und dem Iran unterzeichnet wurden, wirken sich katastrophal auf das aserbaidschanische Volk aus. Es waren mit Teilungen verbundene Okkupationen von Aserbaidschan: Den Norden vereinnahmte sich Russland und den Süden gliederte sich der Iran ein. Gleich nach dem Vertrag von Türkmentschaj verfügte Zar Nikolaus I. per Erlaß vom März 1828 die Gründung eines "armenischen Gebiets " in den Chanaten Nachtschiwan und Eriwan mit der Stadt Eriwan4, in der die Aserbaidschaner mit 7.331 die große Mehrheit bildeten bei 2.369 Armeniern. Gemäß § I5 des Vertrages von Türkmentschaj erfolgte eine Massenumsiedlung von Armeniern aus dem Iran in die Chanate, Eriwan, Karabach und Nachtschiwan. Die in den Dörfer und Orten dieser Chanate lebenden Aserbaidschaner wurden vertrieben. Derartige Massen- bzw. Volksvertreibungen, heute würde man von sog. ethnischen Säuberungen sprechen, erfolgten auch nach den Kriegen zwischen Russland und der Türkei in den Jahren 1828-29 und 1877-78. So wurden, belegt durch historische Quellen, in den Jahren 1829-30 rd. 40000 iranische und 84600 türkische Armenier nach Aserbaidschan in die Chanate Eriwan, Nachtschiwan und Karabach, d.h. in die Grenzregionen auf der russischen Seite umgesiedelt. Gleichzeitig mit den Umsiedlungen und Vertreibungen aus diesen angestammten Gebieten durch die neue Staatsmacht wurden Hunderte von aserbaidschanischen Siedlungen zerstört und Tausende von Aserbaidschanern getötet.

4 Deutschen wird Eriwan zumindest infolge der Witze von „Radio Eriwan“ bekannt sein. Zu beachten ist, dass infolge der Einführung der englischen (Schrift-) Transkription in Aserbaidschan im Jahre 1991aserbaidschanische Texte statt Eriwan heute „Irevan“ schreiben, welches dann allerdings auch die englische Aussprache erfordert oder aber in deutschsprachigen Texten ist Irevan durch Irewan bzw. Eriwan zu ersetzen.

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Mit der Tötung sowie Vertreibung von Teilen der aserbaidschanischen Bevölkerung in Verbindung mit der Ansiedlung von Armeniern verfolgte bspw. das zaristische Russland auch das geopolitische Ziel, die strategisch5 bedeutsame Region für immer Russland einzuverleiben und mit einer Bevölkerung zu besiedeln, die in Folge von Privilegien und ihres Glaubens6 zusammen mit Russen die Aserbaidschaner kontrollieren und „ruhig stellen“ würden. Diese Privilegierung der insbes. durch Zuwanderung wachsenden Anzahl von Armeniern entwickelte bald eine nationale Eigendynamik. So wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jh. die Idee eines "Großarmenien“ entwickelt und es wurden erste politische Organisationen und Strukturen aufgebaut, mittels derer im Zeitablauf immer stärker versucht wurde, ein Großarmenien durch Eroberung und Besiedelung bestimmter Gebiete und Regionen in der Türkei, in Georgien und im jeweils verbliebenen aserbaidschanischen Gebiet durchzusetzen. Im Ausland wurden Unterstützungsvereine gegründet wie bspw. 1887 in Genf die "Gntschag“, in Tiflis 1890 die "Daschnakztjun" und in New York 1895 der "Bund armenischer Patrioten". Ungeachtet all dieser Versuche war das Gouvernement/ Chanat Eriwan das drittgrößte hinter dem von Baku und dem von Elisawetpoler, dem Gendschiner Gouvernement. Die erste Volkszählung in Russland im Jahre 1897 ergab, dass im Eriwaner Gouvernement immer noch 313.178 Aserbaidschaner lebten. Damit aber waren, wie die Entwicklung im 20. Jh. leider zeigte, die weiteren Tragödien des aserbaidschanischen Volkes quasi vorgezeichnet. Vertreibung und Massenmorde Eine erste zur Massenvertreibung und –ermordung „genutzte“ Gelegenheit boten die allgemeinen Unruhen in Russland in den Jahren 1905 -1907. Sie betrafen Aserbaidschaner in Baku, Schuscha, Sangesur, Nachtschiwan, Eriwan, Ordubad, Etschmiedsin, Dschavanschir und Gasach. Beispielsweise wurden in den Jahren 1905 -1906 von Armeniern 200 aserbaidschanische Dörfer in den Gebieten Eriwan und Nachtschiwan sowie 75 Dörfer in den Regionen von Schuscha, Dschabrail und Sangesur vernichtet. Zur Bewahrung dieser traumatischen Erinnerung sowie zur Mahnung wurde das getan, was unterdrückten Völkern überhaupt nur möglich ist.7 Aufbauend auf historischen Ereignissen und Augenzeugenberichten wurde eine „Verarbeitung“ in der Literatur vorgenommen.

5 Die besondere strategische Bedeutung damals lag im Zugang zum Kaspischen Meer, in der Kontrolle des Kaukasus als Grenze zwischen Asien und Europa sowie in der Kontrolle der sog. Seidenstraße und der Handelswege bspw. nach Indien und Vorderasien. Die Kaukasusregion hat auch heute geopolitische Bedeutung, d.h. es gibt bspw. eigene strategische Interessen und Vorstellungen bezüglich dieser Region in Rußland, in den USA, in europäischen und asiatischen Ländern. 6 Die christlichen Armenier sollten konzeptionell eine Art von Insel im überwiegend moslemischen Südkaukasus und zugleich eine Art von christlichem Bollwerk gegen die moslemischen Turkvölker bilden. 7 Es ist selbsterklärend, daß die Unterdrückten keine Untersuchungen, Bestrafungen oder auch nur statistischen Ermittlungen bzw. Erhebungen durchsetzen konnten oder ihnen selbst dieses auch nur im Ansatz erlaubt wurde. Entsprechend sind Statistiken kaum vorhanden oder zugänglich, so dass die Literatur als das Gedächtnis eines Volkes besonders bedeutsam ist.

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Von den zeitgenössischen Autoren bzw. Werken sind zumindest bekannt: M. S. Ordubadi "Die blutigen Jahre " und M. M. Navvab "Armenisch-muslimischer Krieg 1905-1906". Auch nach 1905-06 wurde die Politik der Neuansiedlung in Verbindung mit Massenmorden und Vertreibungen fortgesetzt. So war beispielsweise die Bevölkerungszahl im Jahre 1916 in Relation zum Jahre 1831 in den 5 Kreisen des Gouvernements Eriwan um das 40 fache gestiegen, d.h. von 14.300 auf 570.000. Dabei stieg aber die Anzahl der Aserbaidschaner nur um das 4,6 fache auf 246.600. Oder aber: In den Jahren 1886 - 97 wuchs die Bevölkerung absolut um 40 Tsd., aber in den Jahren 1905 - 06 waren es nur 17 Tsd., obwohl die Bevölkerung 1916 anzahlmäßig um 61 Tsd. höher war als 1886. Der Weg zur Staatenbildung, hier: Armenien Planvoll betrieben wurde eine Politik der Veränderung der Bevölkerungsstruktur entsprechend der Zielsetzung von armenischen Nationalisten: die Schaffung eines Armeniens ohne Türken und Aserbaidschaner.8 Auch in den Jahren der russischen Revolution sowie des realen Bolschewismus setzten einflussreiche armenische Kreise diese Politik fort. So begann die Bakuer Kommune unter dem Vorwand des Kampfes gegen konter- bzw. antirevolutionäre Elemente mit der systematischen Liquidierung von Aserbaidschanern. Die von Armeniern in jenen Tagen begangenen grausamen Verbrechen und die damit schweren Leiden haben die die Seele und das Gedächtnis des aserbaidschanischen Volkes geprägt. Schließlich wurden Tausende von Aserbaidschanern und zwar Männer wie Frauen und Kinder, selbst Säuglinge allein wegen ihrer nationalen Identität ermordet. Zu den Grausamkeiten jener Tage gehört u.a., daß Armenier Häuser ansteckten und so die Bewohner bei lebendigem Leibe verbrannten. Vernichtet werden sollten aber auch die geschaffene Kulturlandschaft und die das Siedlungsgebiet prägende aserbaidschanische Kultur mit ihren Zeugnissen. Ein Gebiet soll bei derartigen „Umsiedlungen“ geräumt werden von allen Zeugnissen und Erinnerungen an die Zeit vor der Neubesiedlung. Entsprechend wurden Bauten, Schulen, Krankenhäuser, Moscheen sowie ein großer Teil der Altstadt von Baku zerstört. Ermordung und Zerstörung erfolgten Hand in Hand.

8 Strittig sind Motive für dieses Vorgehen in dem Sinne, ob es mehr nationalstaatliche Motive oder mehr religiöse oder kulturelle Abgrenzungsmotive oder gar ethnische Motive waren. Die Diskussion ist auch heute von vielen Nationalismen sowie nationalen bzw. staatlichen Interessen geprägt – und geht über die Begriff-lichkeiten (Genozid, planmäßiger Massenmord, Massenmord , unglückliche Ereignisse, Umsiedlungen, Vertreibungen, Zwangsassimilierungen, ethnische Säuberungen usw.) sowie über die Frage der gegenseitigen Anerkennung bzw. Nichtanerkennung von Dokumenten, Beweisen usw. und die Frage der richtigen Aufarbeitung (bspw. durch Kommissionen aus Wissenschaftlern oder aus Politikern, usw.) und dazwischen auch über persönliche, „unseriöse“ Mittel. So wurde durchaus die Bekämpfung der Aserbaidschaner gleichgesetzt mit der Bekämpfung der Türken, wie bspw. im zaristischen Russland (s. den Krieg gegen die Osmanen/ Jung-Türken), aber durchaus auch durch Iraner und Armenier. Dazu mag in Verbindung mit Demagogie schon die Zugehörigkeit zu einer Sprachengemeinschaft, hier der Turk-Sprachen genügen. Aber prinzipiell gilt: Jeder Genozid, jeder Massenmord verstößt gegen das Menschen- und Völkerrecht. Dieses gilt erst recht für solche aus vermeintlicher Rache oder Vergeltung. Es ist international geächtetes Unrecht. WF

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Wieder wütete also der Genozid in den Landkreisen von Baku, Schemacha, Guba, Karabach, Sangesur, Nachtschiwan und Lenkoran mit Massenmord und Vertreibung sowie der Zerstörung von Gebäuden, Denkmälern usw. In den beiden Monaten März-April 19189 wurden allein in Baku, Schemacha, Guba, Mugan und Lenkoran über 50 Tsd. Aserbaidschaner ermordet, davon in Baku fast 30 Tsd. und im Kreis Schemacha 7 Tsd. Menschen, davon 1 653 Frauen und 965 Kinder. Es wurden Dörfer ausradiert in Schemacha 53, im Kreis Guba 122, in Berg Karabach über 150, in Sangesur 115, im Kreis Eriwan 211 und in Kars 92. In einem der vielen aserbaidschanischen Hilferufe aus Eriwan hieß es, daß in Eriwan und unmittelbarer Umgebung 88 Dörfer vernichtet, 1920 Häuser abgebrannt und am schlimmsten: 131 970 Menschen ermordet wurden. (Vgl. Aschchadavor, Nr. 231, 2.11.1919). Ein deutscher Emigrant schrieb in sein Tagebuch: "Plötzlich fielen die armenischen Soldaten in Baku ein, töteten einfach alles, Frauen und Kinder wurden mit Lanzen und Schwertern aufgespießt". Die Stadt war umstellt von Soldaten, die mit Gewehren und Handgranaten zum Einsatz bereitstanden. Eine Flucht der Bevölkerung aus Baku war nicht möglich. Die armenische Armee ging extrem grausam vor. Es wurden Hunderte von Leichen von Kindern, Frauen und Männer in Brunnen und Höhlen entdeckt. Man fand sie mit abgetrennten Nasen, Ohren und Brüsten, mit herausgerissenen Eingeweiden und entfernten Geschlechtsteilen. Frauen wurden vor ihrem Tod massenweise vergewaltigt. Ein mit 2000 Patienten belegtes Krankenhaus in Baku wurde einfach von den Soldaten angesteckt. (Vgl. u.a. Neue Brücke, Heft 1, 2004, S. 22). 1918 - Gründung der Republik Aserbaidschan Vor der Gründung der Aserbaidschanischen Demokratischen Republik am 28. Mai 1918 waren also viele Opfer zu beklagen. Mit der Staatsgründung10 schrieb der Vorsitzende des Ministerrates F. Chojski an den Außenminister M. Hadschinski: "Mit den Armeniern haben wir alle Streitigkeiten beendet, sie werden das Ultimatum annehmen und den Krieg beenden. Wir haben im Gegenzug Eriwan abgetreten". Es wurden drei souveräne Republiken in Transkaukasien gegründet. Dabei betrug das armenische Staatsgebiet 17.500 englische Quadrat Meilen mit einer Bevölkerung von 1.510.000, davon 795 Tsd. Armenier, 575 Tsd. Aserbaid-schaner und 140.000 Angehörige anderer Nationalitäten. Aber armenische Nationalisten verfolgten die Idee eines "Großarmenien“ weiter, ignorierten internationale Verträge sowie Abmachungen und erhoben Anspruch auf die Gebiete von Achalkalaki und Bortschali in Georgien sowie auf die Regionen von Karabach, Nachtschiwan und den südlichen Teil des Elisawetpoler Gouvernements in Aserbaidschan.

9 An dieses Massaker wird am 31.März eines jeden Jahres durch den „Tag des Genozids an Aserbaidschanern“ erinnert.

10 Der Gründung ging ein erbitterter Kampf voraus: Mit der russischen Oktober-Revolution übernahmen die Bolschewisten unter Führung von Stalin die Macht in Baku. Es ging auch die Ölfelder. Die Bürgerlichen errangen mit türkischer und später mit deutscher Hilfe 1918 den Sieg und verloren die Macht 1919/20 wieder Vgl. dazu Essad Bey, Flüssiges Gold, Ein Kampf um die Macht, 1933; insb. S. 198 ff.

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Der Versuch einer gewaltsamen Annektion dieser Gebiete führte zum Krieg mit Georgien (Dezember 1918) und zu einem langanhaltenden, blutigen Krieg mit Aserbaidschan, in dessen Verlauf die Bevölkerungszahl in manchen Kreisen um 70 bis 90 % auf 10-30% sank. In den Jahren 1918-1920 wurden von den 575 Tsd. Aserbaidschanern, die auf dem Gebiet des neu gegründeten Staates Armenien lebten, 565 Tsd. entweder getötet oder vertrieben. „Der Daschnakenregierung nach betrug die Zahl der türkischen (d.h. hier der aserbaidschanischen) Bevölkerung nicht mehr als 10 Tsd. Nach der Rückkehr von 60 Tsd. Flüchtlingen betrug die Zahl der Aserbaidschaner 1922 hier wieder 72.596 Menschen" (vgl. S. Korkodjan. "Bevölkerung Sowjetarmeniens 1831-1931). Auf der Konferenz in Tiflis (Georgien) Anfang April 1920 über die gemeinsame Verteidigung gegen eine Sowjetisierung erklärten die armenischen Delegierten, dass sie mehr als das Eriwaner Gouvernement beanspruchten und bis zur Erfüllung aller ihrer Gebietsforderungen nicht zur Zusammenarbeit bereit seien. Für diese Position wurde Armenien später durch die russischen Bolschewisten bzw. durch „Moskau“ belohnt. So musste N. Narimanow, das Oberhaupt des Sowjets Aserbaidschans am 1. Dezember 1920 die Deklaration verkünden, in der 9.800 km2, die „Sangesurer und Nachtschiwaner Kreise zum integralen Teil von Sowjetarmenien" erklärt wurden.

Die Politik während der Herrschaft Stalins

In den Jahren 1930-1937, aber auch darnach wurden die in Sowjetarmenien an der türkischen und iranischen Grenze lebenden 50 Tsd. Aserbaidschaner nach Kasachstan und Sibirien deportiert.11

In den Nachkriegsjahren unter der Sowjetherrschaft, insbesondere in den Jahren 1948-53 setzten die Armenier dann die Vertreibung von Aserbaid-schanern aus dem Territorium der Armenischen SSR12 und zugleich die territoriale Ausdehnung zu Lasten seiner Nachbarn fort. Dabei vermittelten die Armenier, auch die Ausland lebenden in der Öffentlichkeit den Eindruck einer inneren Geschlossenheit und Einigkeit mit zentraler Koordination bzw. einer einheitlichen, umfassenden Strategie zur Umsetzung des Anspruches von Großarmenien. Zeitlich vor dieser Vertreibungswelle hatten im Jahre 1943 die in der Diaspora lebenden Armenier die Konferenz von Teheran 1943 genutzt und die Genehmigung des Außenministers der UdSSR W. Molotow zur Über-siedlung von Armeniern aus dem Iran in die Sowjetunion erwirkt. Diese letztlich von Stalin erteilte Zustimmung zur Zuwanderung dieser Armenier bedeutet den faktischen Beginn von Massendeportationen von Aserbaid-schanern aus der SSR Armenien in den Jahren 1948-53.

11 Stalin ließ auch Mitglieder anderer Nationalitäten deportieren wie bspw. die Deutschen, so dass viele, im Zeitablauf gewachsenen kulturellen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Aserbaidschanern und anderen Ethnien zerstört wurden. 12 SSR ist die Sowjetische Sozialistische Republik.

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Dabei wurden mehr als 100 Tsd. Menschen umgesiedelt bei gleichzeitiger Zuwanderung von nur 10 Tsd. Armeniern aus dem Ausland. Für viele aus den Bergregionen vertriebene Menschen wurde das schwül-heiße Klima der Talregionen zum Verhängnis. Die Bitten der Umgesiedelten und der Regierung der SSR Aserbaidschan, zumindest in andere Bergregionen Aserbaidschans, wie bspw. nach Berg Karabach ziehen zu dürfen, wurden abgelehnt. Stalins Tod stoppte diese „Umsiedlung“ genannte Vertreibung. Etliche kehrten in ihre Heimatorte zurück. Dort aber erfolgte eine massive Diskriminierung. Die aserbaidschanische Kultur wurde bspw. in Schulen einfach „ignoriert“, Aserbaidschaner in leitenden Positionen wurden generell durch Armenier ersetzt usw. Diese Politik der Armenisierung erreichte (zufällig?) ihren Höhepunkt im Jahre 1965. Perestrojka und Glasnost

Die 90-er Jahre des 20. Jh. mit der russischen Perestrojka und Glasnost gingen einher mit einer neuen Wellen antiaserbaidschanischer Propaganda und territorialer Ansprüche. Es begann erneut mit einer Vertreibung, diesmal aus der SSR Armenien und der Region Berg Karabach. Im Jahre 1988 wurden durch Drohungen, Gewaltanwendung, Ermordung und Pogrome - wie bspw. in Gukark mit 70 Ermordeten (darunter 26 Frauen und 6 Kinder) und mit 40 in Wardenis - 250 Tsd. Aserbaidschaner gezwungen, das Gebiet der SSR Armenien zu verlassen. Die Vertreibung verlief prinzipiell wieder nach den früheren Mustern. Auch Frauen, Kinder und Alte mußten durch verschneite Bergpässe fliehen. Viele Kinder, Alte und Schwache erfroren. Wie 1948-53 dürften die Flüchtlinge auf Anordnung der Zentralregierung in Moskau wieder nicht ins nahe gelegene Berg Karabach, sondern sie mussten in Zeltlager in der Ebene. Mit der Vertreibung der Einwohner des letzten aserbaidschanischen Dorfes Nüwedi am 8. August 1991 wurde Armenien zu einem monoethnischen Staat. Die armenischen Nationalisten hatten durch Mord und Vertreibung ein „Armenien ohne Aserbaidschaner" erreicht. Der 20. Januar wird von Aserbaidschanern in jedem Jahr als ein besonderer Tag des Gedenkens begangen. Am 20.01.1991 marschierten russische Truppen in Baku ein und verübten ein fürchterliches Massaker. Der 24. Februar wird von Aserbaidschanern in jedem Jahr als ein zweiter besonderer Tag des Gedenkens begangen. Am 24. 02.1992 vernichteten Armenier die Stadt Chodschaly (vgl. die Darstellung im Anhang). Infolge dieser Politik hält Armenien seit dem Jahr 1988 mehr als 20% des aserbaidschanischen Territoriums okkupiert. Diese Politik hat Städte und Dörfer dem Erdboden gleichgemacht, mehr als eine Mio. Menschen wurden zu Flüchtlingen, es gab über 30 Tsd. Tote und eine noch erheblich höhere Zahl an Verwundeten, Verstümmelten und Behinderten.

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Dieses sind die Folgen der armenischen Politik bzw. der von ihnen betriebenen sog. ethnischen Säuberung. So sehen letztlich die Folgen jeder sog. ethnischen Säuberung aus.

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Das Völker- und das Menschenrecht Dabei scheint die Weltgeschichte zu zeigen, daß ein politisches System, dem eine ethnische Säuberung gelungen ist, auf dieses Gewaltpotential letztlich nie verzichtet bzw. daß eine das Völkerrecht und insbesondere die Menschenrechte mißachtende (i.d.R. nationalistische) Politik ohne eine gravierende Systemänderung diese Rechte latent und irgendwann wieder aktiv aggressiv missachten wird. Die Menschen in Aserbaidschan haben diesbezügliche Ängste angesichts armenischer Aufrufe zur Annexion eines weiteren aserbaidschanischen Gebietes und der jüngsten großflächigen Brände in bereits besetzten Gebieten zur Zerstörung der dort von Aserbaidschanern geschaffenen Kulturlandschaft. Derartige Aufrufe in Armenien zielen auf eine Annexion von Nachtschiwan. Auch wenn die Weltgemeinschaft und Verhandlungen eine derartige Aggression nicht mehr akzeptieren, Ängste sind durch diese Erwartungen nicht zu besiegen. Der armenische Genozid an Aserbaidschanern erfolgte im 20. Jh. auch vor den Augen der zivilisierten Welt. Kein Genozid ist zu rechtfertigen oder gerecht! Kein Volk oder Land hat das Recht, einen Genozid auszuüben – auch dann nicht, wenn ein Volk selbst einmal einen grausamen Massenmord oder gar Genozid (durch wen auch immer) erlitt und schon gar nicht im Sinne einer Art von Aufrechnung oder vermeintlichen Vergeltung.

Zur politisch-rechtlichen Bewertung

Zum ersten Mal standen die Märzereignisse von 1918 zur Diskussion nach der Gründung der Aserbaidschanischen Republik.

Der Ministerrat beschloß am 15. Juli 1918 die Bildung eines Ausschusses zur Untersuchung dieser tragischen Ereignisse. Der Ausschuß untersuchte die Märzereignisse, in erster Linie die Grausamkeiten der Armenier im Schemacha und im Eriwaner Gouvernement. Der Ministerrat schuf ein Amt zur Information der Weltöffentlichkeit über die wahren Ereignisse.

Die Aserbaidschanische Demokratische Republik beging in den Jahren 1919 und 1920 den 31. März als Tag der Trauer. Die Bemühungen, die Politik des Genozids gegen das aserbaidschanische Volk und die 50 Jahre andauernde Okkupation durch die UdSSR, politisch zu beurteilen, scheiterten infolge des Unterganges der Aserbaidschanischen Republik. Die Aufgabe einer politisch-rechtlichen Bewertung des Genozids gegen das aserbaidschanische Volk übernahm später die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion entstandene unabhängige Aserbaidschanische Republik.13

13 Die offizielle Bezeichnung lautet „Azerbaycan Respublikasi“ und in deutscher Übersetzung des Auswärtigen Amtes „ Republik Aserbaidschan“. Es sei nur auf die folgende Problematik der Namensgebung bei der Staatsgründung hingewiesen: Der Iran verwies u.a. darauf, dass auch im Iran eine Region Aserbaidschan existiert (vgl. die o.g. Kriege) und dass die völkerrechtliche Bezeichnung so zu wählen ist, dass aus dem Namen der unabhängigen Republik kein (völkerrechtlicher) Vertretungsanspruch auch für die im Iran lebenden Aserbaidschaner und damit das Ziel einer Vereinigung beider von Aserbaidschanern bewohnten Gebiete bzw. Territorien abgeleitet werden kann.

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Der Erlaß des aserbaidschanischen Präsidenten Heydar Aliyev vom 26. März 1998, der am Vortag des 80. Jahrestages der tragische Ereignisse unterzeichnet wurde, war der Ausdruck der politisch-rechtlichen Verurteilung der Grausamkeiten der Armenier am aserbaidschanischen Volk durch die wieder erstandene Republik. Dieser Erlaß wurde eine Art von Dokument und Programm für das nationale Gedächtnis, also für die gegenwärtige und die zukünftigen Generationen, mit dem Ziel der weltweiten Verurteilung, der Beseitigung der Folgen (kein Genozid darf sich ökonomisch und politisch „lohnen“) und der Verhinderung zukünftiger Genozide. Das aserbaidschanische Parlament, der Milli Medschlis wandte sich 1998 an die UNO, das Zwischenparlamentarische Bündnis, die OSZE, den Europarat, die GUS und andere internationale Organisationen sowie an Parlamente und Regierungen der Mitgliedsländer mit der Bitte um Unterstützung. Auf die entsprechende UNO-Resolution u.a. mit der Verurteilung der Okkupation und andere internationale Dokumente sei nur verwiesen,14 ohne sie in Einzelheiten darzustellen. Der "Tag des Genozids an Aserbaidschanern " wird seit dem in jedem Jahr am 31. März in der Hoffnung vom aserbaidschanischen Volk begangen, die Weltöffentlichkeit aufmerksam zu machen auf - die heute immer noch andauernden Folgen, - den trotz der UNO-Resolutionen nicht erfolgten Rückzug der Armenier

aus Berg Karabach, - das Fehlen jeglicher Entschädigung und Entschuldigung seitens

Armeniens. Die Hoffnung des aserbaidschanischen Volkes liegt in der nachhaltigen Sensibilisierung der Staatengemeinschaft und Weltöffentlichkeit sowie in der Hoffnung auf ihre Hilfe angesichts dieses nicht vergessenen Genozids mit seinem materiell nicht wieder gutmachbaren, unbeschreiblichen Leid und mit den nur zu einem Teil materiell wieder gutmachbaren Schäden und Zerstörungen (alte Kulturgüter und Landschaften sind unwiderruflich zerstört und verloren – und auch nur noch rudimentär heute dokumentierbar) sowie angesichts der Gefahren neuer Aggressionen in der Zukunft. Neben den Bemühungen um Rückgabe der okkupierten Gebiete und um eine Wiedereingliederung in das aserbaidschanische Staatsgebiet hofft dennoch die große Mehrzahl der Aserbaidschaner auf eine friedliche Entwicklung ihres Landes sowie der gesamten Kaukasusregion und zwar in guter Nachbarschaft und ohne Haß.

14 Vgl. u.a. die UNO-Resolutionen aus 1993: Nr. 822 (30.4.), 853 (29.7.), 874 (14.10.) und 889 (12.11.).

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Anhänge und Literaturhinweise

Einige Beispiele der von Armeniern verübten Grausamkeiten am Ende des 20. Jahrhunderts

angelehnt an: N. Ateshi; Karabach: Chronik eines Konfliktes, in: Neue Brücke, 2004, 4. Ausg., S. 10f. Die Chocali-Tragödie 1992, 25.-26. Februar Die Stadt zählte in diesen Jahren ca. 7000 Einwohner. Die kommende Tragödie wurde ausgeführt von der 366. russischen Einheit, einer Elitetruppe der russischen Armee, und der armenische Militäreinheit „Azach National Freiheits Armee" (AMAO) unter Führung von armenischen Generälen. Sie marschierten mit modernsten Waffen in die Stadt ein: In dieser Nacht waren 613 Opfer und 487 Schwerverletzte zu beklagen, viele Familien wurden über Nacht ausgelöscht, 230 Kinder verloren ihre Eltern, 1275 Menschen wurden gefangen genommen und brutal gefoltert; 200 Menschen verfroren auf der Flucht die Beine, 150 Einwohner blieben vermisst. Danach gestanden die Armenier ein, dass das Ziel die Ver-nichtung Chocalis (bzw. geschrieben: Chodschaly oder auch Khodjaly) war, um freien Weg zu anderen strategisch wichtigen Regionen wie Eskeren und Chankendi zu erhalten. Fazit der armenischen Aggression gegen Aserbaidschan sind 30 Tsd. getötete Aserbaidschaner, 1,2 Millionen heimatlose Flüchtlinge, eine anhaltende Besetzung von 20 % des aserbaidschanischen Staatsgebietes bei einer Zerstörung von 876 Wohngebieten, 150 000 Wohnhäusern, 7000 landwirtschaftlichen und Industriebetriebe, 989 Bildungseinrichtungen, 719 Kulturhäuser wie Kinos, Theatern und Clubs, 825 Bibliotheken, 26 Museen und Galerien, 643 medizinische Einrichtungen, 4 Flughäfen, 130 km Eisenbahntrassen, 450 km Autobahnen, 110 Brücken, 35 000 Telefonstationen, 14 000 km elektrische Leitungen, 2300 km Wasserleitungen, 2000 km Gasleitungen, 160 Wasseraufbereitungsanlagen und mehr als 3 000 Nutztiere. Märkische Allgemeine Zeitung, 4.11.1993, S. 2: BM/AP Genf, 3. Nov.: Nach UNO Angaben sind in dieser Offensive 1993 mehr als 50 000 Aserbaidschaner vor den armenischen Kämpfer nach Iran geflohen, dabei ertranken mehr als 100 Flüchtlinge - vor allem Kinder – bei dem Versuch, den reißenden Grenzfluß Arax zu durchqueren. Unbeschreiblich waren die Grausamkeiten dieses verübten Genozids (wie jedes Genozids). Nur zwei Beispiele: Der Bauer Suleiman Abdulajew aus Gari-Gyschlag, einem Dorf im Korridor zwischen Karabach und Armenien, beobachtete, wie eine armenische Einheit einen wegen Benzinmangels liegen gebliebenen Autobus mit 43 Frauen, Kindern und alten Männern überfiel. "Kein Sprit?" rief der Kommandeur. "Wir helfen euch." Er ließ im Bus zwei Kanister Benzin ausschütten und anzünden. Wer aus dem brennenden Autobus zu fliehen versuchte, wurde erschossen. In Karabach wurde nach der Erstürmung von aserbaidschanischen Orten die zurückgebliebene Zivilbevölkerung, vorwiegend Alte und Kinder, gruppenweise mit Kälberstricken zusammengebunden und dann mit Maschinengewehren erschossen. Die armenische Strategie der verbrannten Erde, so heißt es beim Uno-Flüchtlings-kommissariat, habe 900 000 Aseri aus Armenien, Berg-Karabach und den westlichen und südlichen Randgebieten entwurzelt. (Vgl.: Erich Wiedemann, Reportage aus der Kriegsregion „Kaukasus“, in: Der Spiegel, Nr. 42 vom 18.10.1993.)

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AZERBAYCAN BOTSCHAFT DER RESPUBLIKASININ ASERBAIDSCHANISCHEN SEFIRLIYI REPUBLIK

Berlin, den 24.02.2004

PRESSEMITTEILUNG

Am 26. Februar 1992 wurde das Massaker von Khodjaly in die Reihe solcher Tragödien des 20. Jahrhunderts, wie von Chatyn, Hiroschima, Nagasaki, Songmi eingeschrieben. Vor 13 Jahren wurde die aserbaidschanische Stadt Khodjaly mit sieben tausend Einwohnern von armenischen Streitkräften dem Erdboden gleich gemacht. Tausende unschuldige und unbewaffnete Zivilisten wurden ermordet. Dabei wurden die Frauen, Kinder und Alte nicht verschont und sogar die Leichen wurden verstümmelt und entehrt.

In der Nacht vom 25. zum 26. Februar 1992 überfielen die Einheiten der armenischen Streitkräfte mit vollem Einsatz des zur ehemaligen UdSSR gehörenden und damals in der Stadt Chankendi stationierten 366. Schützenregiments die Stadt Khodjaly. Schon 4 Monate lang war die Stadt Khodjaly von den armenischen Militäreinheiten belagert. Die Stadt litt unter medizinischer- und Lebensmittelknappheit. Die armenischen Soldaten und die involvierten Söldner haben die Gräueltaten in Khodjaly verübt und damit ein Verbrechen, das für die ganze zivilisierte Welt ein Schandfleck ist.

Infolge des von den Soldaten der armenischen Armeeeinheiten gegen das aserbaidschanische Volk verübten Genozids in Khodjaly wurden über 600 Menschen umgebracht, 1275 Menschen Geisel genommen, 150 Menschen sind bis heute vermisst, über 1000 Einwohner verkrümelt worden. 106 Menschen von den Opfern sind Frauen, 76 kleine Kinder und 70 alte Menschen. 83 Opfer waren minderjährige Jungen und Mädchen.

Infolge dieses von den armenischen Räuberbanden mit besonderer Brutalität verübten Verbrechens wurden sechs Familien total vernichtet, 25 Kinder haben ihre beiden Eltern und 1 30 Kinder einen der Elternteile verloren. 56 Opfer wurden mit besonderer Brutalität und Grausamkeit lebendig verbrannt und skalpiert. Diesen Opfern wurden die Köpfe vom Körper abgeschnitten, die Augen ausgestochen, den schwangeren Frauen wurden die Bäuche mit Bajonette mehrmals zerstochen.

Die unbegründeten territorialen Ansprüche und die Politik der ethnischen Säuberungen Armeniens gegen Aserbaidschan waren mit dem Genozid von Khodjaly nicht zu Ende. Armenien hat 20 Prozent des aserbaidschanischen Staatsterritoriums besetzt und eine Millionen Aserbaidschaner wurden aus ihren ständigen Wohnorten vertrieben. Infolge dieser Aggression Armeniens sind dreißig Tausend Menschen ums Leben gekommen und über fünf tausend sind spurlos verschwunden. Der Republik Aserbaidschan angerichteter Schaden wird je nach Berechnungen bis auf 60 Milliarden USD geschätzt.

Wir rufen die Weltöffentlichkeit auf, angesichts der Tragödie unseres Volkes nicht gleichgültig zu bleiben, die Tragödie von Khodjaly nach völkerrechtlichen Normen eindeutig zu verurteilen und uns in unserem Engagement, das Karabach Problem friedlich zu lösen, zu unterstützen.

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AUGENZEUGEN LEONID KRAVEC, Major der russischen Streitkräfte „...am 26. Februar brachte ich mit meinem Hubschrauber die Verwundeten aus Stepanakert (Chankändi) heraus und kehrte durch das askeranische Tor zurück. Von unten sprangen irgendwelche helle Flecken in die Augen. Ich ging auf niedrige Höhe herunter und mein Bordmechaniker schrie: „Sehen Sie, dort sind Frauen und Kinder“. Ich sah auch selbst ungefähr 200 Getötete, die hinter den Abhang geworfen waren, dazwischen schlenderten Leute mit Waffen...Wir flogen und versuchten Leichen zu bergen. Bei uns war der hiesige Chef der Miliz, ich habe seinen Namen vergessen. Er fand dort seinen vierjährigen Sohn mit zertrümmertem Schädel und verlor den Verstand. Bei einem anderen Kind, das wir bergen konnten, bevor sie (die Armenier) anfingen, uns zu beschießen, war, wie sich herausstellte, der Kopf abgeschlagen. Überall habe ich grausam verstümmelte Körper von Frauen, Kindern und Alten gesehen...“

DAUD KHEYRİYAN („ For the sake of Cross...“(„Um des Kreuzes willen „…) Seite 24, veröffentlicht von „Ash – Sharg“ (Ost) Agentur in Beirut)

„ Manchmal geschah es, dass wir über tote Körper schritten. Um einen Sumpf nahe Dashbulag zu überqueren, hatten wir uns einen Weg über Leichen zu bahnen. Ich weigerte mich über die Toten zu marschieren. Da befahl mir Oberst Oganyan mich nicht davor zu schrecken. Das ist eines der Militärgesetze. Ich habe einen Fuß auf die Brust eines verwundeten Mädchens von 9 oder 10 Jahren aufgesetzt und marschierte... Meine Beine, meine Fotokamera standen in Blut...“

DAUD KHEYRİYAN („For the sake of Cross...“ Seiten 62 und 63) “…die Armenische Gruppe “Gaflan“ (die sich mit Leichenverbrennung befasst), haben 100 Leichen von Türken (Aserbaidschanern) eingesammelt und auf einem Platz ein Kilometer von West-Chodschali am 2. März verbrannt... Ich sah ein 10 jähriges Mädchen, das an den Händen und am Kopf verwundet war, am letzten Karren liegen. Sein Gesicht war bereits blau. Aber es lebte noch trotz Hunger, Kälte und Wunden. Es atmete ein wenig. Ich kann seine Augen, die mit dem Tod rangen, nicht vergessen... Plötzlich erfasste ein Soldat namens Tigranyan

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diesen Körper und warf ihn zu den anderen Leichen... Dann haben sie die toten Körper verbrannt. Es schien mir als schreie jemand im Feuer bei den Leichen... Nach all dem konnte ich nicht weitergehen. Aber ich wollte Schuscha sehen... Ich kehrte zurück. Und sie setzten die Schlacht um des Kreuzes willen fort...“ JEAN YVES JUNET, Journalist aus Frankreich „...wir wurden Zeugen der Chodschaliner Tragödie. Wir sahen Hunderte von Körpern friedlicher Leute, Frauen, Kinder, Alte und der Verteidiger Chodschalis, die umgekommen waren. Man stellte uns einen Hubschrauber zur Verfügung, und wir nahmen aus der Vogelperspektive alles auf, was wir um Chodschali herum sahen. Jedoch die Armenier begannen unseren Hubschrauber zu beschießen und so konnten wir die Aufnahmen nicht beenden. Es war ein schreckliches Bild. Ich habe viel gehört über Kriege, über die grausamen Faschisten, aber die Armenier haben das noch übertroffen. Sie töteten 5-6jährige Kinder, friedliche Bevölkerung. Wir sahen viele Verwundete in den Krankenhäusern, Eisenbahnwaggons, sogar in den Räumen von Schulen und Kindergärten.“

CHATIRA TELMAN ORUDSCHOWA, 8 Jahre alt... Narben bleiben ewig in der Seele eines kleinen 8 Jahre alten Mädchens, dass es einen Stein erbarmen kann...Sie erinnert sich an diese schreckliche Nacht... „Wir schliefen. Plötzlich hörten wir ein seltsames Gedröhne... Im selben Moment bemerkten wir, dass das Haus des Nachbarn in Flammen aufgegangen war... Wir rannten hinunter zu den Tunneln. Mein Papa, Mama und vier Kinder waren da. Meine Tante Sevil war bei uns. Zwei Nachbarn und ihre zwei Kinder... Dann kam ein Mann namens Shaig herauf und sagte, dass die andere Seite der Nachbarschaft brenne, geht weg zum Wald und wir rannten dorthin. Meine kleine Schwester Chäjalä war an Mamas Hand und die andere Schwester wurde von meinem Papa getragen. Es war Nacht im Wald. Papa sagte, stelle Deine Uhr auf sechs. Wir wurden in Nakhichevanik aufgehalten. Die Führer waren vorausgegangen, um nach einem Weg zu fragen, aber sie bekamen keine Antwort. Wir blieben im tiefen Wald. Als die Sonne aufging, schossen sie auf meine Mutter. Dann erreichten die Kugeln meine Tante. Sie war siebzehn Jahre alt. Ihr Name war Ssevil. Meine Mutter Irada war sechsundzwanzig Jahre alt. Ich weiß nicht das Alter meines Vaters. Sein Name ist Telman Orujov.

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Als die Armenier auf mich schossen, war meine Mutter nahe bei mir. Durch ihre Verwundung konnten wir nicht davon laufen. Ich lag am nächsten bei meiner Mutter. Wir verloren unseren Papa im Wald. Dann plötzlich fühlte ich, wie mich ein Mann nach Agdam trug.“

MÜSCHFIG ALYMÄMMÄDOW, Einwohner von Chodschali Nachdem er aus der Stadt geflüchtet war, wurde er verwundet und im Schnee 2 Tage lang liegengelassen. „...Wir hatten Gewehre, Maschinengewehre, Büchsen, Schrotflinten. Wir hatten keinerlei Munition oder Nahrung. Wir waren von der langandauernden Blockade erschöpft. Am 25. Februar um Mitternacht begannen die Armenier zu schießen, bewaffnete Kräfte in grauen Fahrzeugen starteten den Angriff.. Zuerst nahmen sie den Flughafen ein und brannten ihn nieder. Sie schonten niemanden, weder Alte noch Frauen und Kinder. Viele Leute wurden lebend verbrannt in ihren Häusern besonders nahe dem Flughafen. Ein furchtbarer Geruch von verbranntem Fleisch verfolgt mich sogar jetzt... Die meisten Stadtverteidiger wurden im Gefecht getötet. Die Überlebenden versuchten in die Wälder am Weg in das Dorf Shelli zu entkommen und so nach Agdam durchzubrechen. Sie wurden aus dem Hinterhalt überfallen nahe dem armenischen Dorf Nakhichevanik am Weg nach Agdam. Viele Leute wurden aus dem Hinterhalt nahe dem Dorf getötet. Der Leiter des Flughafens, Hadschijew, wurde hier getötet. Er war dort, um Frauen zu retten. Er war derjenige, der die Organisationsarbeit am Flughafen durchführte. Die Armenier hatten vorher bereits unter sich eine Belohnung für sein Leben versprochen.“

MINESCH ÄLIJEWA, 50, Einwohnerin von Chodschali „...Wir wanderten die Wälder entlang, wobei wir in den tiefen Schnee einsanken. Als wir die Strasse überquerten, bohrte sich eine Kugel in meinen Arm. Ich fiel nieder und konnte mich nicht erheben. Da begann ein sehr intensives Schießen aus dem Wald und dem Schutzraum. Alif packte mich und begann mich auf die rückwärtige Straße zu ziehen. Dann rannte er zu den Büschen, um sich zu decken und begann mit Vergeltungsschüssen auf die bewaffneten Armenier. Das Schießen aus den Wäldern hörte eine Zeit lang auf. Alif begann nach den Frauen zu rufen, die auf der anderen Seite der Straße lagen und befahl ihnen die Straße so schnell wie möglich zu überqueren. Er schoss

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dazwischen sporadisch und jedes Mal stellten die Armenier das Schießen ein. Über 20 Frauen gelang es über die Straße zu laufen. Als Alif das Patronenrohr umzustellen begann, schossen die Armenier zur Vergeltung. In diesem Moment wurde er durch die Stirne geschossen. Es war ein furchtbarer Anblick.“

CHANLAR HADSCHIJEW, der Chef des Ärztedienstes des Aserbaidschanischen Verteidigungsministeriums

„...Hier konnte man die wahre Seite dieses grausamen und sinnlosen Krieges sehen. Den Soldaten mit seinem von Granaten herausgefetztem Darm, die auf der Flucht zu Tode gefrorenen Frauen, ein drei Jahre altes Kind mit dem einbandagierten Stumpf seines amputierten Beines. Das Kind wurde von einem schweren Maschinengewehr geschossen.. Das Mädchen mit seinem vom Messer zerfurchten Gesicht... Sogar unsere Leute in Baku, konnten sich nicht vorstellen, was sich hier zugetragen hatte. Unser Ärztezug wurde zu dem Schauplatz entsandt, weil die örtlichen Ärzte nicht imstande waren, so viele verletzte Menschen zu behandeln. Alle Ärzte waren Freiwillige. Sie waren auf alles vorbereitet, aber was sie sahen schockierte sie... ...Es gab eine Menge zu Tode gefrorener Menschen. Sie waren in der Regel flüchtige Chodschali -Einwohner, die in die Wälder und als Geiseln entkommen sind und aus der Gefangenschaft zurückkehrten. Ich sah die Art und Weise, wie einige Leute aus der Gefangenschaft zurückgekommen sind, barfüßig mit erfrorenen Füssen, und sie hatten ihre Empfindlichkeit verloren. Viele Leute mussten nach ihrer Freilassung operiert und ihre Füße mussten amputiert werden.“ SÄNUBÄR ÄLÄKBÄROWA, Einwohnerin von Chodschali „...Hässänabad, Mehdikänd, Bozdaghi – von allen Seiten schossen sie. Die Erde erzitterte unter den Panzern der Infanterie, als sie in Chodschali einrückten. Zuerst versteckten sich die Frauen und Kinder in den Kellern. Dann kam der Chef der Kommandatur Elman Mamedov und sagte, wir müssten uns retten, sonst würden alle vernichtet. Der Leiter des Flughafens, Alif Hadschijew führte uns durch den Wald auf der Seite von Aghdam. In der Nähe der Siedlung Nachitschewanik gerieten wir in einen Hinterhalt. Das was ich dort gesehen habe, werde ich nie vergessen: Ein Berg von Leichen entstand. Sie erschossen meine Mutter. Meine Tochter Sewindsch und Hidschran wurden

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verwundet. Ich wäre auch beinahe von einer Kugel getroffen worden. Junge Frauen und Kinder wanden sich im Todeskampf im Schnee. Wir hatten ein Funkgerät bei uns. Wir bettelten um Hilfe. Aber Hilfe kam nicht...“ DSCHÄMIL MÄMMÄDOW, Einwohner von Chodschali „Als sie in die Stadt einrückten, zerstörten die Panzer und Mannschaftswagen die Häuser und zermalmten die Menschen. Hinter den russischen Soldaten kamen die armenischen Einheiten. Ich nahm meinen 5jährigen Enkel und 14 Tausend Rubel und flüchtete in den Wald. Damit das Kind in der Nacht nicht erfror, nahm ich meinen Mantel und hüllte es darin ein. Aber das half nicht viel. Ich wühlte mich mit meinem Kleinen in den Schnee ein. Am Morgen begriff ich, dass der Kleine es nicht durchhalten würde und ging in Richtung der armenischen Siedlung Nachtschiwanik, wo wir auf bewaffnete Armenier trafen. Ich flehte sie an, das Geld zu nehmen und mich mit dem Kind nach Aghdam durchzulassen. Zur Antwort haben sich mich beschimpft, verprügelt und beraubt, dann führten sie mich zum Kommandanten des Dorfes. Er befahl, uns in einen Stall einzuschließen, wo sich schon aserbaidschanische Frauen und Kinder befanden. In diesem Stall hielten sie uns vier Tage fest und gaben uns nichts zu essen und trinken. Er war kaum auszuhalten. Aber es kam noch schlimmer. Nach vier Tagen brachten sie mich in die Gegend von Askeran. Im Vergleich zu dem, was dort geschah, kam mir der Stall von Nachtschiwanik wie das Paradies vor. Fremde Söldner (ich verstehe Armenisch und kann einen hiesigen Armenier von einem Zugereisten unterscheiden) rissen sie mir die Nägel von den Zehen. Afrikaner (Fremdenlegionäre, die von dem Armeniern gemietet wurden), die sich unter den Armeniern befanden, sprangen hoch und traten mich mit den Füssen ins Gesicht. Nach der Folter, die mehrere Stunden dauerte, tauschten sie mich gegen einen Armenier aus. Meinen Enkel haben sie mir weggenommen, und auch vom Schicksal von meiner Frau und meiner Tochter weiss ich nichts.“ SÄRIJÄ TALIBOWA, Einwohnerin von Chodschali „...sie brachten uns auf einen armenischen Friedhof. Es fällt mir sehr schwer über das zu sprechen, was hier geschah. Vier junge Turk-Mescheten (in den Jahren der Perestroika aus Usbekistan vertrieben, hatten sie in Aserbaidschan ein neues Zuhause gefunden – Red.) und drei Aserbaidschaner wurden als Opfer genommen. Am Grab eines armenischen Soldaten wurden den Armen die Köpfe abgeschlagen. Danach begannen die Soldaten vor den Augen der Eltern deren Kinder zu foltern und zu töten. Dann haben sie die Leichen mit einem Bulldozer

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in ein Loch geschüttelt. Die blutrünstigen Monster in Menschengestalt haben danach zwei Aserbaidschaner in Uniform der Nationalarmee die Augen mit Schraubenziehern ausgestochen.“ JURIJ JACHOWITSCH, Soldat des 366. Motorschützenregiments „...sie (Armenier – Red.) haben uns eingeredet, daß wir Christen sind und gegen die Moslems kämpfen müssen. Sie haben uns unter menschenwürdigen Bedingungen gehalten. Wir konnten das alles nicht aushalten und mussten das Regiment verlassen und in Chodschali überlaufen...“ DSCHAHAN ORUDSCHOW, Einwohner von Chodschali „...wir versuchten durch den Wald nach Aghdam durchzubrechen, aber in der Nähe der Siedlung Nachtschiwanik trafen wir auf die Feuersalven der Soldaten und Kämpfer. Viele Frauen und Kinder wurden vernichtet. Sie haben meinen Sohn erschossen. Er war 16 Jahre alt. Sie haben meine 23jährige Tochter, die schwanger ist, gefangen genommen. Ich flehe euch an, rettet sie...“ ELMAN MÄMMÄDOW, Oberbürgermeister von Chodschali „...der Sturmangriff auf die Stadt begann mit Artilleriebeschuss, welcher ca. 2 Stunden andauerte. Die armenischen Einheiten schossen aus Panzern, Panzerkampfwagen mit Geschossen der Marke „Alasan“. Wir waren von allen Seiten eingeschlossen, offen war nur die askeranische Seite. Als die armenische Infanterie angriff, war in Chodschali bereits alles zerstört. Viele der Einwohner waren umgekommen. Wir hielten dem Angriff nicht stand, und die Bevölkerung begann den Rückzug. Nachdem wir den vereisten Fluß überquert hatten, entkamen wir auf der Seite der Ketijiner Berge. Nicht wenige der Leute kamen auf der Flucht um, in den Wäldern, wo sie erfroren sind. Wir gingen bis 7 Uhr morgens, wir gerieten hinaus auf ein Feld in der Nähe der armenischen Siedlung Nachitschewanik. Dort warteten auf uns die armenischen Maschinenpistolenschützen, Maschinengewehrschützen und Panzerkampfwagen. Es begann eine Massenerschiessung unbewaffneter Menschen, die unter dem starken Beschuß fielen. Hier kamen viele Kinder und Frauen um. Ein Teil der Leute geriet auf die Seite der Siedlung Gülably, dort wurden ungefähr 200 Leute von den Armeniern als Geiseln genommen. Den Rest der überlebenden Bevölkerung der Stadt konnten wir schützen. Einige von ihnen schlugen sich nach Aghdam durch. Ich

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und sieben Gefährten konnten nicht aus der Umzingelung ausbrechen, es war aber spät, wir hatten Glück, wir fanden ein Versteck. Von 9 Uhr morgens bis 8 Uhr abends blieben wir dort, und erst abends, als Schnee fiel, konnten wir dort herauskommen und gelangten am 27. Februar nach Aghdam.“ TSCHINGIZ MUSTAFAJEW, Korrespondent des aserbaidschanischen Fernsehens. Er war der Erste, der den Chodschali-Völkermord in die Kamera aufgenommen hatte und 3 Monate nach diesen Ereignissen auf einem Schlachtfeld nahe der Siedlung Nachtschiwanik getötet wurde, als er seine Journalistenaufgabe erfüllte... „Unzählige Erschossene (in den meisten Fällen aus der Nähe in den Kopf), Kinder im Alter von 2 bis 15 Jahren, Frauen, Alte...Die Stellung der Toten bezeugt, daß die Täter kaltblütig und berechnend getötet haben. Keine Zeichen von Kampf oder Flucht. Viele wurden zusammen mit ihren Familien vernichtet. Bei einigen Leichen waren mehrere Wunden zu sehen, eine davon immer im Kopf; d.h. sie haben den Verwundeten den Todesstoß versetzt. Die Kamera nahm einige Kinder mit abgeschnittenen Ohren auf. Bei einer alten Frau hatten sie die Haut von der linken Gesichtshälfte geschnitten. Die Männer hatten sie skalpiert. Leichen mit eindeutigen Zeichen der Schändung. Das erste Mal waren wir am 28. Februar in Begleitung zweier Hubschrauber am Ort der Schiessereien. Aus der Luft sahen wir Platz von ungefähr 500 m. Radius, der fast völlig von toten Leibern übersät war. Die Piloten fürchteten aufzusetzen, weil das Territorium von den armenischen Kämpfern kontrolliert wurde. Aber als wir dann trotzdem landeten, begann die Schießerei. Die uns begleitenden Milizionäre sollten die Leichen für den Transport zu den Angehörigen aufladen. Es gelang ihnen nur vier der Getöteten in den Hubschrauber zu laden. Wir alle hatten einen Schock. Viele würgten vor Übelkeit... Das gleiche Bild zeigte sich am 2. März, als wir mit ausländischen Journalisten hinüberflogen. Viele Körper waren in noch übler zugerichtetem Zustand. Sie hatten sie im Laufe von ein paar Tagen verspottet und verhöhnt...“

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Kinderopfer des Chodschali-Völkermordes Aghayev Allahverdi, 10 Jahre alt Aghayarova Sevinge, 7 Jahre alt Aghayev Nabi, 11 Jahre alt Aghayarov Rahman, 6 Jahre alt Abyshov Chingiz, 7 Jahre alt Abyshova Chinare, 10 Jahre alt Allahverdiyev Bahram, 16 Jahre alt ... weiter hier: http://www.chodschali.com/kinderopfen.htm

Liste der getöteten Frauen und Männer (Die Liste ist unvollständig.)

Abdulov Ali Abdulali Ogly Abdulova Ramida Mikail Gyzy Abdulova Samira Imamverdi Gyzy Abdulov Seymur Imamverdi Ogly Allahverdiev Salah Imamgulu Ogly Allahverdieva Valida Aslan Gyzy Allahverdieva Irada Aslan Gyzy ... weiter hier: http://www.chodschali.com/liste.htm

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