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Aus dem Zentrallaboratorium des Sahlgrenschen Krankenhauses, Goteborg. Der Einfluss der Mandelsiiure auf die Sauer- stoffaufnahiiie und Animoiiiakbildung im Nieren- und Lebergewebe. Von BIRGER HERNER. (Eingereicht am 4. April 1942.) Einleitung. Im Jahre 1935 lancierte ROSENHEIM Ammoniumamygdalat als Azidose erzeugendes Blittel in die Zystopyelitistherapie. Die Mandelsaure (im folgenden abgekiirzt Mds) ist seither sehr vie1 verwendet worden, besonders in Gestalt' von Kalziumamygdalat und die reichhaltige Literatur hieriiber umfasst gegenwartig iiber 150 Arbeiten. Diese befassen sich hauptsachlich mit dem Einfluss der Mds auf den Sauregrad des Hams und der hiervon abhangigen Wirkung auf die Bakterienflora. Auch einige Untersuchungen uber die Giftigkeit sehr grosser Dosen von Mds fur Versuchstiere liegen vor; u. a. von SCHOVANEC, STOLZ und ZADINA (1939). Beobach- tungen iiber die Bedeutung der Mds fur das Saure-Basenverhaltnis im Organismus mittels Untersuchung der Alkalireserve des Blutes beziehungsweise von dessen aktuellem Kohlensauregehalt kenne ich bloss von GISSELSSON (1940), der die Wirkung einer dreitagigen Behandlung mit Kalzium- bzw. Natriumamygdalat am Menschen untersucht hat. Es liegen indessen Beobachtungen vor, die darauf deuten, dass eine langerdauernde Behandlung mit Mds ernstlich in die Saure- Basenregulierung des Korpers eingreift. So veroffentlichte NIEL- SEN (1941) einen Fall, in dem langdauernde Azidosentherapie mit u. a. Mds zu einer hochgradigen Entkalkung des Skelettes fiihrte. ODIN beobachtete in einem Fall von Zystopyelitis am Sahl, men-

Der Einfluss der Mandelsäure auf die Sauerstoffaufnahme und Ammoniakbildung; im Nieren- und Lebergewebe

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Page 1: Der Einfluss der Mandelsäure auf die Sauerstoffaufnahme und Ammoniakbildung; im Nieren- und Lebergewebe

Aus dem Zentrallaboratorium des Sahlgrenschen Krankenhauses, Goteborg.

Der Einfluss der Mandelsiiure auf die Sauer- stoffaufnahiiie und Animoiiiakbildung

im Nieren- und Lebergewebe. Von

BIRGER HERNER.

(Eingereicht am 4. April 1942.)

Einleitung.

Im Jahre 1935 lancierte ROSENHEIM Ammoniumamygdalat als Azidose erzeugendes Blittel in die Zystopyelitistherapie. Die Mandelsaure (im folgenden abgekiirzt Mds) ist seither sehr vie1 verwendet worden, besonders in Gestalt' von Kalziumamygdalat und die reichhaltige Literatur hieriiber umfasst gegenwartig iiber 150 Arbeiten. Diese befassen sich hauptsachlich mit dem Einfluss der Mds auf den Sauregrad des Hams und der hiervon abhangigen Wirkung auf die Bakterienflora. Auch einige Untersuchungen uber die Giftigkeit sehr grosser Dosen von Mds fur Versuchstiere liegen vor; u. a. von SCHOVANEC, STOLZ und ZADINA (1939). Beobach- tungen iiber die Bedeutung der Mds fur das Saure-Basenverhaltnis im Organismus mittels Untersuchung der Alkalireserve des Blutes beziehungsweise von dessen aktuellem Kohlensauregehalt kenne ich bloss von GISSELSSON (1940), der die Wirkung einer dreitagigen Behandlung mit Kalzium- bzw. Natriumamygdalat am Menschen untersucht hat.

Es liegen indessen Beobachtungen vor, die darauf deuten, dass eine langerdauernde Behandlung mit Mds ernstlich in die Saure- Basenregulierung des Korpers eingreift. So veroffentlichte NIEL- SEN (1941) einen Fall, in dem langdauernde Azidosentherapie mit u. a. Mds zu einer hochgradigen Entkalkung des Skelettes fiihrte. ODIN beobachtete in einem Fall von Zystopyelitis am Sahl, men-

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DER EINFLUSS DER MANDELSAURE. 77

schen Krankenhaus in Gotenburg gemass personlicher Mitteilung eine erstaunlich geringe Ainmoniakproduktion bei langdauernder, intensiver Mds-Behandlung. Es besteht also Anlass zu dem Ver- dach t, die Ammoniakabwehr sei bei Mds-Azidose nicht wirksnm genug, und der Organismus miisse daher andere Basen mobilisieren.

Als Ursache dieser ungenugenden Ammoniakabwehr lasst sich eine Vergiftung der desaminierenden Enzyme im Organismus denken. Mds wiirde also die Enzyme vergiften, die unter normalen Verhaltnissen die Aminosauren an dem der COOH-Gruppe nachst- gelegenen, also an dem in a-Stellung zu ihr befindlichen, Kohle- atom angreifen. Hier fangt gewohnlich der Abbau der Amino- sauren mit einer Desaminierung an. Aus Versuchen von LEHMANN (1938) uber die Yahigkeit gewisser Hefezellen Milchsaure zu oxy- dieren, ging hervor, dass Mds eine wesentliclie Hemmung ausiibte, und da erwiesen ist, dass die Oxydation der Milchsaure beim a-Kohleatom beginnt, konnte dies also die Annahme stiitzen, dass Mds eine Tendenz zeigt enzymatische Prozesse, die an dieser Stelle angreifen, zu storen. Die Erklarung hierfiir kann darin zu sehen sein, dass die Mds im Organismus offenbar selbst zuerst beim u-Kohleatom abgebaut wird und sie deshalb die hier an- greifenden Enzyme belegt.

Betreffend das Verhalten der Mds in1 Organismus liegen Ver- suche von SCHOLZ (1937) und MONTENBRUCK (1940) vor, die beide ihre Vei-suchspersonen Mds einnehmen liessen und dann den H a m untersuchten. Sie fanden darin ungefahr 70 % der Mds unver- andert wieder, etwa 15 yo als Phenylglyoxylsaure (Benzoyl- ameisensaure) sowie bis zu ungefahr 13 yo Benzoesaure. MONTEN- BRUCK konnte iiberdies eine geringere Menge Phenylaminoessig- saure nachweisen.

Die Formeln dieser Stoife haben folgend~s Aussehen:

C,H, * CH(OH) * COOH C,H, * CO * COOH C,H5 * COOH Maiidelsaure Phenylglyoxylsanre Benzoesaure

C,H, * CH(NH,) * COOH Phen ylaminoessigsaure

Es zeigt sich, dass die obigen Unisetzungsprodukte der Mds gerade den Abbauprodukten entsprechen, die man vom enzym- chemischen Standpunkt aus fur sie erwarten mochte, Ebenso wie die Milchsaure, mit der sie die CH(OH) COOH-Gruppe gemein- Sam hat, wird Mds zunachst am a-Kohleatom oxidiert und dann in analoger Weise weiter abgebaut.

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78 BIRUER HERNER.

Die entsprechenden Umsetzungsprodukte der Milchsaure sind die folgenden:

CH, * CH(0H) * COOH CH, * CO . COOH CH, * COOH Milchsiiure Brenztraubensaure Essigsiiure

Wir sehen also, dass vieles dafiir spricht, dass der Abbau von Mds am a-Kohleatom beginnt. Die von MONTENBRUCK nachge- wiesene Phenylaminoessigsaure bildet sich wahrscheinlich in der Niere durch sogenannte Umaminierung, indem eine NH,-Gruppe aufgenommen wird.

Aus den oben referierten Versuchen von SCHOLZ und MONTEN- BRUCK geht hervor, dass Mds im Organismus bis zu einem gewissen Grad umgesetzt wird. Es schien daher von Interesse, in Gewebe- atmungsversuchen, vor allem mit Niere und Leber, zu unter- suchen, welche Organe imstande sind Mds zu oxydieren. Durch diese Versuche muss weiterhin die etwaige toxische Wirkung der Mds sowohl auf die Desaminierung als auch auf die Oxydation der Aminosauren erkennbar werden. In erster Linie ist eine Unter- suchung des Sauerstoffverbrauchs geeignet, Aufklarung hieriiber zu verschaffen. Der Abbau der Aminosauren im Organismus wird in der Regel durch eine Desaminierung eingeleitet, die eine Keto- saure ergibt, welche sodann oxydiert und dekarboxyliert wird. Unveranderter Sauerstoffverbrauch vor und nach Zusatz von Mds im Versuch muss demnach fur ungestorte Desaminierung wie auch fur ungestorte Oxydation sprechen. Erhalt man dagegen einen verminderten Sauerstoffverbrauch nach Zusatz von Mds, SO kann dies auf einer Storung des einen der beiden Vorgange oder gleich- zeitig beider beruhen. Eine nahere Lokalisation muss auf dem Wege der Analyse einerseits der Desaminierungs-, anderseits der Oxyda- tionsprozesse moglich sein.

Diese Fragestellungen wurden nun in Versuchen studiert, die im folgenden beschrieben werden. Die angefuhrten Versuche sind typische Beispiele, deren Ergebnisse durch eine Anzahl gleich- artiger Versuche bestatigt wurden.

I. Versuche uber die Einwirkung yon Mandelsaure auf den Sauerstoffverbrauch in verschiedeuen Geweben.

Versuchstechlzilc. Als Versuchsobjekt wurden Organe von weis- sen Ratten verwendet. Die Tiere wurden dekapitiert, worauf in

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DER EINFLUSS DER MANDELSXURE. 79

unmittelbarer Folge die Organe entnommen und in einer in Eis- wasser stehenden Schale gekiihlt wurden. Piir die Versuche wurden Gewebsschnitte, Gewebsbrei und Extrakt von Gewebsbrei verwen- det. Die Xchnitte wurden in gewohnlicher Weise mit dem Rasier- messer angefertigt. Sie wurden in eisgekiihlte KREBS-RINGER- Losung (1932) gelegt und vor der Wagung durch Abtrocknen auf Filtrierpapier von freier Pliissigkeit befreit. Der Brei wurde durch Feinschneiden mit der Schere bis zu homogener, zahfliissiger Kon- sistenz hergestellt. Die Praparation erfolgte auf eisgekuhlter Un- terlage. Das Gewebsbreiextrakt ist i m grossen und ganzen nach BERNHEIM (1934) bereitet worden: Die Organe wurden feinge- schnitten, wie eben angegeben; in den Versuchen mit Leber- und Muskelextrakt wurden gleiche Mengen von Organbrei und KREBS- RINGER-Losung gemischt; in den Nierenextraktversuchen wurde halb soviel Brei verwendet. Die Mischung wurde einige Minuten zusammen rnit feingemahlenem Glas im Achatmorser gerieben und ciann durch eine doppelte Lage Gaze filtriert. Bis zur Ver- wendung in den Versuchen wurde das Extrakt bei 0" C auf- bewahrt.

Die Versuche wurden rnit Warburg-Res~iralioasgefdssen. von ca 16 ml Rauminhalt und mit Luft als Sauerstoffquelle ausgefiihrt. Die Fliissigkeitsmenge in den Gefassen, einschliesslich der Ver- suchsgewebe, war 3.00 ml. In den Einsatzen wurde 0.20 mI5%-ige Kalilauge verwendet. Der Zusatz verschiedener Stoffe im Lauf des Versuchs erfolgte von der Birne aus, die sich an der Seite der Gefasse befindet. Die Wassertemperatur im Brutschrank war 37" C. Um Temperatur- und Gasgleichgewicht in den Gefassen zu erreichen, wurden diese im Brutschrank 15 min geschuttelt, ehe die Hahne geschlossen wurden und die Ablesung anfing. Die Frequenz beim Schiitteln war ungefahr 120 Schlage in der Minute und die Amplitude ca 4 em.

Die zu den Versuchen verwendete Mds ( SCHERING-KAHL- BAUMS ))Acidurn amygdaIicuin fur wissenschaftliche Zweckea) wurde rnit Natronlauge neutralisiert und somit in Gestalt von Natriumainygdalat verwendet. Kalziumamygdalat, das, wie er- wahnt, in klinischen Versuchen verwendet worden ist, schien fur Gewebsversuche ungeeignet, weil Kalziumjonen in starkerer Kon- zentration storend auf die Oxydation der Zellen wirken. Die ver- wendeten Aminosauren. waren Mercks dl-Manin und dl-Prolin von Hey1 und Co, beides Analysenpraparate.

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80 BIRQER HERNER.

1. Der Sauerstoffverbrauch im Nierengewebe mit und ohne Zueate von MandelsBure.

N i e r e n s c h n i t t (Versuch 1 und Figur 1). Reaktionsgemisch: 2.66 ml KREBS-RINGER-Losung (von nun an

K-R-Los.) + 0.30 ml 1 mol bzw. 0.1 mol Natriumamygdalat in den Birnen. Nierenschnitt 0.05 g.

140 I

10 7.0 30 40 50 60 70 80 90 100 I10 120

Fig. 1 xeigt die Spontanatmung sowie den Einfluss von Mandelshure versche- dener Konzentration auf den Sauerstoffverbrauch im Nierenschnitt.

Der Pfeil gibt an wenn Mds zugesebzt wurde. Atmung ohne Zusatz von Mds. x - - - - - - x . . . . . . . . . . . . . - ~ . bei Zusatz von 0.01 mol Mds . . . . . . . . .

bei Zusatz von 0.1 mol Mds . . . . . . . . . +---+

In diesem wie auch in allen folgenden Versuchen wurde ein Versuch iiber die Spontanatmung gemacht, wobei Mds durch die- selbe Menge K-R-Los. ersetzt wurde.

Aus dem Versuch geht hervor, dass der Sauerstoffverbrauch bei einer Mds-Konzentration von 0.1 mol im Reaktionsgemisch erheb- lich sinkt, wogegen eine Konzentration von 0.01 mol keine sichere Abweichung von der Spontanatmung ergibt. Ebensowenig erga- ben Versuche mit 0.001 mol eine klare Abweichung.

N i e r e n b r e i (Versuch 2 und Figur 2). Reaktionsgemisch: 2.63 ml K-R-Los. + 0 . 3 0 ml 1 mol bzw.

0.1 mol Natriumamygdalat in den Birnen. Nierenbrei 0.07 g. Technik im ubrigen wie in Versuch 1.

Das Versuchsergebnis stimmt mit dem beim Nierenschnittver- such erhaltenen uberein.

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DER EINFLUSS DER MANDELSAURE. 81

to 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 t u )

Fig. 2 zeigt dic Spontanatmung sow ie den Einfluss von Mandelsaure \. erschie- dener Konzentrotioii auf den Sauerstoffverbrauch im Nivcnbrci.

Der Pfeil gibt an wenn AIds zugesetzt wurde. x y- - - _ _ -

-1-

Atmung ohne Zusatz von Mds. . . . . . . . . . . . . bei Zusatz von 0.01 mol Blds .~ bei Zusatz \on 0.1 rnol &Ids -~

. . . . . . . . .

. . . . . . . . .

36d

Fig. 3 zeigt die Spontanatmung sowie den Einfluss von Mandelsaure verschie- dener Konzentration auf den Saurrstoffverbrauch im Nierenextrakt.

bei Zusatz von 0.01 mol &Ids . . . . . . . . . .- bei Zusatz von 0.1 m 1 hlds . . . . . . . . . t ~- +

Atmung ohne Zusatz von Mds. x - - - - - - x . . . . . . . . . . . .

6 -422195. Beta phys . Scandinac. T70l. 4.

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82 BIRGER HERNER.

N i e r e n e x t r a k t (Versuch 3 und Figur 3 ) . Keaktionsgemisch: 1.70 ml K-R-Los. + 0.30 ml 1 mol bzw.

0.1 mol Natriumamygdalat in den Birnen. Nierenextrakt 1.00 ml. In diesem Versuch zeigt sich eine betrachtliche Mehrung des

Sauerstoffverbrauchs bei einer Mds-Konzentration von 0. 1 und 0.01 mol im Reaktionsgemisch. Die schwachere Mds wirkt anfangs stiirker anregend als die starkere, aber nach 2 std ist ihre Wirkung vorbei, und der Sauerstoffverbrauch lauft fernerhin parallel mit dem im Spontanatmungsversuch. Die stimulierende Wirkung der stiirkeren lids-Konzentration dagegen bleibt iiber die 4 std der Versuchsdauer erhalten. Die Kurven in Fig. 3 haben einen mehr bogenformigen Verlauf als die in Fig. 1 und 2 bei Schnitt und Brei. Dies deutet darauf, dass im Lauf des Versuchs der Stoffwechsel im Nierenextrakt kontinuierlich abnimmt, was seine Erklarung darin finden durfte, dass die Nahrstoffe der Zellen, die im Extrakt ja verdunnt vorliegen, aufgebraucht werden und vielleicht auch darin, dass im Laufe des Versuchs eine Enzymzerstorung statt- finden konnte. I m Extrakt sind ja auch die fur einen anhaltenden, ungestorten Stoffwechsel notigen Enzyme nicht in der selben Konzentration und nicht im selben gegenseitigen Verhaltnis vor- handen wie in Schnitt und Brei.

Die Ergebnisse dieser drei Versuche konnen f olgenderniassen zusaminrngefasst werden: I n Versuchen mit Nierenschnitt und Nierenbrei hemmt eine &Ids-Konzentration von 0.1 mol die Gewebe- atmung betrachtlich, wiihrend eine Konzentration von 0.01 mol nicht mit Sicherheit eine hemmende Wirkung hat. Im Nierew eztraktversuch stimuliert eine Mds-Konzentration von 0.0 1 mol die Gewebeatmung stark, wahrend eine Konzentration von 0.1 rnol sowohl eine hemmende als auch eine stimulierende Wirkung aus- zuiiben scheint. Die Bedeutung dieser Ergebnisse sol1 spater im Zusammenhang mit den ubrigen Versuchsergebnissen besprochen werden.

2. Der Sauerstoffverbrauch in Nierengewebe bei Anwesenheit von Alanin und Prolin sowie von Mandelsfiure

in verschiedener Konzentration.

N i e r e n s c h n i t t + A 1 a n i n (Versuch 4 und Figur 4). Reaktionsgemjsch: 2.35 ml K-R-Los. + 0.30 ml 1 mol bzw.

0.1 mol Natriumamygdalat + 0.30 ml 0. i mol Alaninlosung (= 2.67 mg) in den Birnen. Nierenschnitt 0.05 g.

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DER EINFLUES DER MANDELBXURE.

140

I20

I00

80

60

40 20

83

10 20 30 40 50 60 70 80 90 I10 120

Fig. 4 zeigt die Spontanatmung sowie den Einfluss von Alanin ohne und bci Zusatz von Mandelsaure verschiedener lionzentrxtion auf den Sauerstoffver-

brauch im Nierenschnitt. Atmung ohne Zusatz von Alanin und nlds . . . . . . . x - - - - - - X

a bei Zusatz von 0.01 mol Alanin. . . . . 1 . . A- --- G von 0.01 niol Alanin + 0.01 niol &Ids A- ---A G von 0.01 mol Alanin + 0.1 rnol JIds A------A

bei Zusa bei Zusa

I60

140

I20

I00

80

60

40

20

CJ 0

e v

1

10 20 30 40 50 60 70 80 90 I00 I10 120

Fig. 5 zeigt die Spontanatmung sowie den Einfluss von Prolin ohne und bei Zusatz von Mandelsaure verschiedener Konzentration auf den Sauerstoffverbrauch

im Nierenschnitt. Atmung ohne Zusatz von Prolin und Mds . . . . . . . X - - - - - - x

bei Zusatavon 0.01 in01 Prolin . . . . . . . . up--- -0 bei Zusatz von 0.01 mol Prolin 0.01 mol Mtls .------. be] Zusatz von 0.01 rnol Prolin f 0.1 11101 &Ids &-- - -H

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84 BIRGER HERNER.

N i e r e n s c h n i t t + P r o 1 i n (Versuch 5 und Figur 5). Dic selben Vcrsuchsanordnungen, die Alaninlosung jedoch durch

0.30 ml 0.1 mol Prolinlosung (= 3.45 mg) ersetzt. Die Versuchsergebnisse zeigen, dass sowohl Alanin als aucli

Prolin die Tenderiz haben, den Xauerstoffverbrauch zu stimulieren. Gleichzeitiger Zusatz von Mds in einer Konzentration von 0.01 mol scheint den Xauerstoffverbrauch etwas zu mindern. Das Ergebnis ist jedoch nieht vollig eindeutig. Bei einer Mds-Bonzen- tration von 0.1 niol lgsst sich eine weitere Hemmung des Xauer- stoffverbrauehs feststellen, die zwar auch nicht besonders stark ausgepragt ist, immerhin aber deutlich tiefer liegt als bci den Ver- suchen mit ausschliesslich Aminosaurezusatz.

520

480

440

400

360

320

280

240

200

I60

120

90

40

Fig. 6 zeigt die Spntana tmung sowie den Einfluss von Alaiiin ohne und bei Zusatz voii RIandelsaure verschiedener Konzentration auf den Sauerstoffver-

brauch im Nierenextrakt. x

bei Zusatz von 0.01 mol Alanin . . . . . . . . --A bei Zusatz von 0.01 mol Alanin $- 0.01 Inol Jlds A--- -A bei Zusatz von 0.01 mol Alanin + 0.1 mol &Ids A Q

Atmung ohne Zusatz \-on Alanin und IIds . . . . . . . x---

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DER EINFLUFS DER MANDELSAURE. s5

Tu’ i e r e n e x t r a k t + A 1 a n i n (Versuch 6 und Figrir 6). Reaktionsgemisch: 1.40 ml K-R-Los. f- 0.30 ml 1 mol bzw.

0.1 mol Natriumamygdalat + 0.30 ml 0.1 mol Alaninlosung in den Birnen. Nierenextrakt 1.00 ml.

N i e r e n e x t r a k t + P r o 1 i n (Versuch 7 und Figur 7).

Fig. 7 zeigt die Spontanatmung sowie den Einfluss von Prolin ohne und bei Zusatz von hlandelsaure verschiedener Konzentration auf den Sauerstoff%er-

brauch im Nierenextrakt. Atmung ohne Zusatz yon Prolln und Mds. . . . . . . x Y

be1 Zusatz von 0.01 mol Prolin. . . . . . . . L _ 7. ~~ p be1 Zusatz %Ton 0.01 mol Prolln + 0.01 rnol Mds bei Zusatz von 0.01 rnol Prolln + 0.1 nzol Mds m-- I3

.-- Die selben Versuchsanordnungen, Alanin jedoch ersetzt durch

Prolin. Aus den Versuchen geht hervor, dass Alanin und Prolin je fur

sich den Sauerstoffverbrauch wesentlich stimulieren. Bei Ablesung nach 4 std zeigt sich eine Steigerung von ungefahr 80 bzw. 50 yo. Gleichzeitiger Zusatz von Mds in einer Konzentration von 0.01 mol

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86 BIROER HERNER.

zum Reaktionsgemisch stimuliert den Sauerstoffverbrauch noch mehr. Dieser wird durch die angegebene Mds-Konzentration unge- fahr ebenso stark gesteigert wie in Versuch 3, wo der Mds-Effekt fur sich studiert wurde. Die beiden Stoffe scheinen also einen additiven Effekt zu haben. Eine Mds-Konzentration von 0.1 niol scheint anfangs eine recht deutlich henimende Wirkung auszu- uben, verglichen mit Versuchen mit 0.01 rnol Mds. Verglichen mit ausschliesslich Aminosaurezusatz zeigen Versuche rnit Alanin und Prolin + 0.1 mol Mds nach 3 bzw. 1.5 std einen starkeren Sauer- stoffverbrauch. (Die Kurven kreuzen sich). Dies deutet darauf, dass Rlds auch in dieser Konzentration dazu beitrug, den Sauer- stoffverbrauch anzuregen, aber zu diesem Zeitpunkt in geringerem Masse als in Versuchen mit 0.01 mol Mds.

3. Der Sauerstoffverbrauch im Lebergewebe rnit und ohne Zusatz von Mandelstlure.

Die Resultate der Versuche rnit Lebergewebe stimmen der Hauptsache nach niit den Nierengewebsversuchen uberein; sie wurden daher nicht graphisch, sondern tabellarisch (Tab. 1) wiedergegeben.

L e b e 1: s .c h n i t t (Versuch 8). Reaktionsgemisch: 2.60 ml K-R-Los. + 0.30 ml 1 rnol bzw.

0.1 mol Natriumamygdalat in den Birnen. Leberschiiitt 0.10 g.

L e b e r e x t r a k t (Versuch 9). Reaktionsgemisch: 1.70 ml K-R-Los. + 0 . 3 0 ml 1 mol bzw.

0. i in01 Natriumamygdalat in den Birnen. Leberextrakt 1.00 ml. Die Versuche mit Leberschnitt und -Extrakt ergaben ahnliche

Resultate wie gleichartige Versuche mit Niere.

Leberbrei. In Versuchen mit Leberbrei als Substrat wurden keine befriedi-

genden Ergebnisse erzirlt, da der spontane Sauerstoffverbrauch des Gewebes allzurasch reduziert wurde.

4. Der Sauerstoffverbrauch im Lebergewebe bei Anwesen- heit von Alanin und Prolin sowie Mandelshre

in verschiedener Konzentration.

L e b e r s c h n i t t + A 1 a n i n (Versuch 10). Reaktionsgemisch: 2 . 3 5 nil K-R-Los. + 0.30 ml 1 mol bzw.

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DER EINFLUES DER MANDELSAURE. 87

0.1 mol Natriuniamygdalat + 0.30 ml 0.1 mol Alaninlosung in den Birnen. Leberschnitt 0.05 g.

L e b e r s c h n i t t Die selben Versuchsanordnungen, Alanin jedoch durch Prolin

ersetzt. Auch bei diesen Versuchen stinimen die Ergebnisse im Yrinzip

mit denen entsprechender Niereiiversuche iiberein, mit einer klaren Hemniung des Sauerstoffverbrauchs in Versuchen rnit der star- keren Mds-Konzentration.

+ P r o 1 i n (Versuch 11).

L e b e r e x t r a k t + d l a n i n (Versuch 12). Reaktionsgeniisch: 1.40 nil R-R-Los. + 0.30 ml 1 mol bzw.

0.1 mol Natriuniamygdalat + 0.30 ml 0.1 mol Alaninlosung in den Uirnen. Leberextrakt 1.00 ml.

L e b e r e x t r a k t + P r o l i n (Versuch 13). Die selben Versuchsanordnungen, Blanin jedoch durch Prolin

ersetzt. Auch aus diesen Versuchen geht, w-ie aus entsprechenden Nie-

renversuchen, die additive Wirkung der BTds und der Amino- sauren auf die Sauerstoffaufnahme hervor, sowie auch die starker anregende Wirkung der schwacheren Mds in den ersten Stunden.

5. Der Sauerstoffverbrauch im Muskelgewebe rnit und ohne Alanin und Mandelsaure in verschiedener Konzentration.

I n Versuchen rnit einerseits Brei, anderseits Extrakt wurde bei gleicher Versuchsanordnung wie der fiir Niere und Leber beschrie- benen sowohl bei Spontanatniungsversuchen als auch bei Ver- suchen mit Alanin uiid Mds-Zusatz ein sehr geringer Sauerstoff- verbrauch festgestellt. Es liessen sich deshalb aus dem Einfluss dieser Stoffe auf den Sauerstoffverbrauch keine sicheren Schliisse ziehen.

6. Der Sauerstoffverbrauch im Hirngewebe rnit und ohne Mandelsaure in verschiedener Konzentration.

In Versuchen rnit Hirnextrakt - angeordnet wie die zuvor beschriebenen Versuclie - ergab sich bei Zusatz von 0.1 mol &Ids zum Reaktionsgemiseh eine kraftige Hemmung. Der Sauerstoff- verbrauch in Versuchen ohne Mds war nach 4 std 209 mm3, in Versuchen mit 0.1 mol &Ids 128 mm3.

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85 BIRGER HERNER.

59 64

Tnbelle 1.

I)er Suuerstof fcerbruuch im Lebergeuiebe mit und ohne Mandelsaure i n Konzentrution won 0.1 und 0.01 mol, sowie mit und ohne AlunirL

bzw. Prolin.

78 90

I 1 Panerstoffverbranch in cmm nach I S u b s t r a t I I -

10.5 stdj 1 std

I ' I 1 S. Lebersehiai t t :

I Spontanatmnnq (sp) . . . . .

B + 0.01-m &Ids . . > + 0.1-m Mds . .

9. L e b c r e x t r n k t : ~ s p . . . . . . . . . . . . . . .

sp + 0.01-m Mds . . . . . . . . sp + 0.1-m Mds . . . . . . . .

~ 10. .T,eberscltnitt + Alanin: . . . . . . . . . . . . .

l sp + Alanin . . . . . . . . . . I sp + Alanin + 0.01-m Mds , . . 1 sp + Alanin + 0.1-m Mds . . .

11. L e b e r s c h n i t t + Pvolin: sp . . . . . . . . . . . . . . .

22 24 24 29

2 1 sp + Prolin . . . . . . . . . . 26 sp + Prolin + 0.01-m Mds . . . I 25 sp + Prolin + 0.1-m Nds . . . . 25

1 ~

12. L e b e r e x t v a k t + Alanin: s p . . . . . . . . . . . . . . . . 40

53 sp + Alanin + 0.01-m Mdd . . . 1 60 sp + Alanin + 0.1-m Mdi . . . 56

sp -t Alaniii . . . . . . . . . . ' 13. L e b e r e x t r a k t i- Prolin:

. . . . . . . . . . . . . . 32 s p sp + Proliii . . . . . . . . . . , 65 sp + Prolin + 0.01-m Wds 65 sp + Prolin + 0,1-m Mds . . .

. I

36 45 46 45

36 40 43 41

56 so 101 77

80 180 181 122

2 std - 1.5 std)

122 101 42

(2 std) 106 130 140

79 89 94 76

79

90 84

106

78 113 147 125

134 252 280 204

3 std - - - -

133 164 3 92

115 129 138 99

115 154 132 117

90 131 182 163

160 293 352 294

-~

4 std -

- - -

154 193 240

145 163 174 105

154 195 171 145

102 149 210 197

190 320 370 320

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DER EINPLUSB m w , MANDELSXURE. 89

Diskussion. Aus den Versuchen ohne Zusatz von dminosauren geht hervor,

dass &Ids in einer Konzentration von 0.1 mol die spontane Oxyda- tion im Nierenbrei, Nierenschizitt und Leberschnitt wesentlich hemmt. I n versuchen mit Extrakt von hltere und Leber lasst sich dagegen sowohl bei einer Mds-Konzentration von 0.1 als auch bei einer solchen von 0.1 in01 eine Mehrung der Oxydation beobach- ten. Bei der starkeren Konzentration tritt allerdings, verglichen mit der schwaeheren, eine anfangliche Hemmung der Oxydation auf, aber dies ist vielleicht nur einer Salzwirkung zuzuschreiben. Die Mehrung des Sauerstoffverbrauchs, die bei den Extraktver- suchen auftritt, durfte auf einer Verbrennung der ziigesetzten Mds beruhen. Der Anlass dazu, dass diese Verbrennung sich nur in den Extraktversuchen geltend macht, nicht aber in den Ver- suchen mit Xchnitt und Brei, kann moglicherweise darin zu sehen sein, dass diese Gewebe einen weniger gestorten Zugang zu Nahr- stoffen haben. I n den Extrakten liegen namlich, wie erwahnt, veranderte Verhiiltnisse vor, insofern als die natiirlichen Nahr- stoffe verdiinnt sind, weshalb die Mds hier in hoherem Masse als Ersatznahrstoff auftreten kann. Inwieweit die Mds gleichzeitig hemmend auf die Oxydation anderer Stoffe im Gewebe wirkt, lasst sich aus diesen Versuchen nicht ersehen, da der erhohte Sauerstoffverbrauch durch die Oxydation der Mds vielleicht eine Hemmung in anderen Oxydationsprozessen uberdeckt. Der Sauerstoffverbrauch scheint von der Mds in Nierenversuchen starker als in Leberversuchen angeregt zu werden, was dafiir spricht, dass die Niere Mds leichter verbrennt.

Aus den Versuchen mit Nierenextrakt (3, 6, 7) scheint hervor- zugehen, dass die Mehrung des Sauerstoffverbrauchs, die durch 0.01 mol Mds im Reaktionsgemisch hervorgerufen wird, sich bei ungefahr 100 n1n13 Mehraufnahnie stabilisiert. Zum Abbau der zugefiigten Menge Mds (0.03 millimol) bis auf das als nachstes ange- nommene Abbauprodukt, Phenylglyoxylsaure, sind fur die Oxyda- tion ungefahr 325 mm3 Sauerstoff erforderlich. Unter der Vor- aussetzung, dass die Oxydation nicht weiter schreitet als bis zur Phenylglyoxylsaure, sind also etwa 30 yo der zugesetzten Menge Mds oxydiert worden.

Es scheinen also vor allem Niere und Leber zu sein, die die nach friiheren Versuchen von SCHOLZ und MONTENBRUCK im Organis- mus stattfindende Verbrennung von Mandelsaure besorgen.

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90 BIRQER HERNER.

Aus den Versuchen mit Schnitten und Brei von Niere und Leber ging, wie bereits gesagt, hervor, dass Mds eine Oxydationshem- mung verursachte. Es ist indessen nicht moglich, an Hand dieser Versuche allein mit Sicherheit zu bestimmen, welche Stoffe es sind, deren Oxydation durch Bids gehemmt wird. I n der Ein- leitung wurde jedoch hervorgehoben, dass Anlass zu der Ver- mutung bestehe, die Afds hemme den Abbau der Aminosauren. Es ist somit denkbar, dass die Minderung der Sauerstoffauf- nahme in den Versuchen wenigstens teilweise durch eine Blockie- rung des Abbaus der Aminosauren verursacht wird. Um dies zu untersuchen sind daher Versuche mit Zusatz von Aininosauren angestellt worden. Hierzu wurden sowohl Alanin als auch Prolin gewahlt, weil diese beiden Aminosauren im Organismus auf ver- schiedene Weise abgebaut werden ( BERNHEIM 1934) und deshalb vielleicht sich erganzende Aufschlusse daruber geben konnen, wo die Hemmung seitens der Mds einsetzt. Alanin wird namlich euerst am a-Kohleatom abgebaut, furs erste in Gestalt einer Desaminierung und nachher in der einer Oxydation, wahrend Prolin nicht desaminiert, sondern nur oxydiert wird, nach BERN- HEIM (1936) an der NH- und tler daneben sitzenden CH,-Gruppe.

I

I CH(NH2)

COOH Alanin

H,C CHaCOOH \/

NH Prolin

Eine Hemmung der Sauerstoffaufnahme bei Alanin-Mds-Ver- suchen kann somit eine Blockierung der Dessminierung beim a-Kohleatom und eine dadurch ebenfalls blockierte Oxydation oder bloss das letztere bedeuten. Eine Hemmung der Sauerstoff- aufnahme bei Prolin-Mds-Versuchen kann dagegen bedeuten, dass Mds die Oxydation auf andere Weise blockiert.

In den Versuchen mit Nieren- und Leberschnittefi wird die Xauer- stoffaufnahme durch Zusatz von sowohl Alanin als auch Prolin etwas gemehrt. Sie wird jedoch gemindert durch gleichzeitigen Zusatz von Mds, obwohl im Vergleich zur Spontanatmung weder Mds von 0.1 nodi von 0.01 mol eine ausgesprochene Hemmung zustandebringt. Die Versuche sprechen aber dafiir, dass Mds ihre Hemmung auf die Oxydation der Aminosauren ausubt. Da die Hemmung ebensowohl in Alanin- als auch in Prolinversuchen

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DER EINFLUSS DER MANDELSAURE. 91

auftritt, spricht dies, wie eben angedeutet, dafur, dass Mds nicht ausschliesslich Prozesse, die am a-Kohleatom der Aminosauren stattiinden, vergiftet.

I n Versuchen mit sowohl Nieren- als auch Leberextrakt bei gleich- zeitigem Aminosaure- und Mds-Zusatz entsteht eine kraftige, offenbar additive Mehrung des Sauerstoffverbrauchs. Dies macht es unmoglich, aus der Grosse des Sauerstoffverbrauchs Schliisse auf das Vorliegen einer Hemmung hinsichtlich des Abbaus der zugesetzten Aminosauren zu ziehen. Um bier den Dingen auf den Grund zu kommen, ist in den folgenden Versuchen das im Verlauf eines jeden gebildete Ammoniak bestimmt worden, da dieses, wie erwahnt, was Alanin betrifft, zuerst abgespalten wird, noch ehe eine Oxydation stattfinden kann. Ahnliche Versuche wurden auch mit Prolin ausgefiihrt.

11. Gewebsversuch e iiber den Einfluss der Mandelsaure auf den SauerstoffTerbrauch sowie auf

die Ammoniakbildung.

Die Sauerstoffversuche wurden in derselben Weise ausgefiihrt wie die zuvor beschriebenen Versuche mit Nierenbrei und -Extrakt sowie mit Leberschnitten und -Extrakt. I m Anschluss an diese Versuche wurden ausserdem Ammoniakbestimmungen vorge- nommen.

Die Bestimmung wurde nach der Diffusionsmethode von CON- WAY (1933) ausgefiihrt, wenn auch in etwas abgeanderter Form. Die von CONWAY verwendeten Diffusionskammern sind namlich fur diese Versuche nicht geraumig genug. Die Ammoniakbestim- mung muss j a am ganzen Inhalt des Warburg-Gefasses vor- genommen werden, der aus 3 ml Analysenflussigkeit und iiberdies 2 ml Spiilwasser besteht. CONWAYS Kammern sind aber nur fur hochstens 3 ml Analysenfliissigkeit berechnet. Es wurden deshalb Diffusionskammern ilus einer grosseren Petrischale von 60 mm Durchmesser und 12 mm Tiefe sowie einer kleineren von 40 bzw. 7 mm angefertigt. Die beiden Schalen wurden mit einer dunnen Paraffinschicht zusammengeschniolzen, die kleine in der grossen, worauf die ganze Kammer inwendig paraffiniert wurde. Die Diffusionskammern wurden standardisiert fur 5 ml Analysen- fliissigkeit in der Aussenkammer, 5 ml 0.01-n Salzsaure in der Innenkammer sowie weiterhin 1 ml gesattigte Natriunikarbonat- losung in der Aussenkammer, dazu bestinimt, das Ammoniak frei-

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92 BIRGER HERNIR.

zumachen. Um das vori der Salzsaure gebundene Ammoniak zu bestimmen, wurden, je nach der Ammoniakkonzentration, 1-3 ml Saure nesslerisiert (Probe + 0.2 ml Einascherungslosung + Was- ser auf 7 ml + 3 ml Nesslers Reagens). Die Bestimmungen wurden in PULFRICHS Photometer mit Pilter S 50 bei 1 cm Schichtdicke gemacht. Die erhaltenen Extinktionswerte wurden nach einem Diagramm, das nach bekannten Mengen dmmoniumsulfats her- gestellt worden war, in entsprechende IVlilligramm Ammoniak verwandelt. Bei den Standardisierungsversuchen zeigte es sich, dass bei Zimmertemperatur eine Diffusionszeit von 4 std fur quantitativen Austausch genugt. Die Pehler uberstiegen hierbei niernals 4 %. I m allgemeinen war jedoch in den Versuchen die Diffusionszeit bedeutend langer, ungefahr 12-16 std.

Urn zu kontrollieren wieviel von dem wlihrend des Sauerstoff- versuches gebildeten Ammoniak vom Reaktionsgemisch bei pH 7.4 gebunden wird, wurden Kontrollversuche angestellt. Ein ml Ammoniumsulfatlosung mit entsprechender Ammoniakmenge wie in den Extrakten ersetzte diese in den Warburg-Gefassen. Die Gefasse wurden dann im Brutschrank 4 std geschuttelt. Un- mittelbar zu Anfang des Versuchs sowie nach 2 und nach 4 std wurde 1 ml Flussigkeit aufgenommen, nesslerisiert und ana- lysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass kein Ammoniakverlust ent- steht, sondern dass alles Ammoniak gebunden in der Flussigkeit bleibt. Bei einem der Versuche ergaben sich folgende Werte: 0.132; 0.123; 0.135 mg Ammoniak nach bzw. 0, 2 und 4 std.

Die Reaktionsgemische und Gewebemengen waren dieselben \vie bei den entsprechenden, fruher beschriebenen Versuchen.

Bei den verschiedenen Versuchsserien wurden vergleichende Ammoniakanalysen vorgenommen in Versuchen mit und ohne Zusatz von Mds in verschiedener Konzentration. Zu Beginn jeder Versuchsserie wurde nach der Temperatureinstellung eine Probe analysiert, urn so einen Blindwert fur die schon von vorn- herein im Reaktionsgemisch (im Gewebe) vorhandene Ammoniak- menge zu erhalten. I m allgemeinen liefen die Versuche schon 4 std, ehe die Ammoniakbestimmungen vorgenommen wurden; in einzelnen Versuchen wurde j edoch die Ammoniakbildung Stunde fur Stunde untersucht. Es schien unzweckmassig, die Versuche uber langer als 4 std auszudehnen, da sick dabei eine Bakterien- wirkung geltend machen konnte.

In unterstehender Tabelle sind die verschiedenen Versuche zu- sammengestellt. Die Ergebnisse zeigen die Wirkung von 0.1 mol

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DER EIKPLUES DER MANDELSAURE. 93

Mds-Konzentration auf die Ammoniakbildung in verschiedentw Versuchen mit und ohne Alanin und Prolin. Bus Kontrollver- suchen geht hervor, dass die Resultate innerhalb 10 yo repro- duzierbar sind.

Tnbelle 2.

1

Versuchs- snhstrat

Nierenbrei . . . Leberschnitt . . Nierenextrakt +

Alanin . . . Lcherextrakt +

dlanin . . . Nierenextrakt +

Prolin . . . Leberextrakt +

Prolin . . .

I 0.021' 0 047 0.025 0.026 0.01: I ' 0.040 0.021 0.023

0.G70 0 2 2 5 0.100 0.155

0.052' 0 092 0.058' 0.040

1 '

0.0401 0.05i i 0.0451 0.01T

543

196

406

'298

+ 21

+ 32

-t 56

- 7

Aus der Tabelle geht hervor, dass Mds in einer Konzentration von 0.1 niol cine betrachtliche Hemmung auf die Ammoniak- bildung ausiibt, und , zwar nicht bloss auf die spontane, sondern auch auf die durch Alaninzusatz gesteigerte. Die Hemmung liegt bei ungefahr 80 yo. Auch in den Prolinversuchen zeigt sich cine schwache Ammoniakbildung, die sicherlich von Ammoniakbil- dung im Extrakt und nicht vom zugesetzten Prolin herriihren diirfte. Sic stimmt namlich gut uberein init der Ammoniakmenge, die in Spontanversuchen ohne jeden Aminosaurezusatz entstand.

Ein Vergleich der Ammoniakbildung im Nieren- und Leber- extrakt mit Alanin-zusatz zeigt cine bedeutend stlrkere Desa- ininierung bei Niere als bei Leber, obwohl das Nierenextrakt, wie gewohnlieh, aus ungefahr der halben Menge Organgewebe bereitet wurde, verglichen niit dem Leberextrakt. ~~

BIit 0.01-m Mds war der Verbranch 368 cmm. Im Vcrhaltnis hierzu ergibt sich eine Blehmng des Sauerstoffverbranchs von + 15%.

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94 BIRGER HERNER.

Ein Vergleich zwischen der Hemmung einerseits in der Ammo- rziakbildung, anderseits im Xauerstoffverbrauch, wie sie in den Ver- suchen mit Nierenbrei und Leberschnitt beobachtet wurden, zeigt, dass die Ammoniakbildung, prozentual gesehen, bedeutend star- ker gehemmt ist als die Oxydation. Dies kann dafiir sprechen, dass wirklich eine massige Oxydation der Mds stattfindet und die durch Mds gehemmte Verbrennung etwas kompensiert. Die Ver- haltnisse konnen auch dafiir sprechen, dass die Oxydations- prozesse, die von der Mds gehemmt werden, einen geringeren Teil des gesamten Sauerstoffverbrauchs des Gewebes ausmachen, dass aber diejenigen, die gehemmt werden, namlich die Oxydation der Aminosauren, stark gehemmt werden.

I n den Extraktversuchen liegt in der Regel eine Mehrung der Oxydation bei Anwesenheit von Mds vor, was bereits besprochen wurde. Nur im Versuch mit Leberextrakt und Prolin findet sich eine leichte Minderung, die jedoch im gleichen Versuch mit schwacherer &Ids nicht auftrat. Sie darf daher als eine in die Lange gezogene initiale Hemmung der starkeren Mds-Konzentration gedeutet werden; auch dies wurde schon oben behandelt.

Um die Hemmung zu untersuchen, die Mds in schwacherer Konzentration auf die Ammoniakbildung ausiiben kann, wurden diesbeziiglich Versuche mit Nierenextrakt und Alanin angestellt. Wie aus Tabelle 3 hervorgeht, macht die Hemmung schon bei einer Konzentration von 0.01 mol ungefahr 20 yo aus und steigt allmahlich mit dem Steigen der Mds-Konzentration.

Tnbelle 3.

Spontan- Spontan- Spontan- Spontan- versuch + versnch + versuch + versnch +

0.05-mol Mds 0 025-ma1 Mds 0.01-mol Mds

1 p g r H e m - I M3N mung , H,N , mnng H,N mung B,N mung mg l%Hem- mg %Hem-

In dieseni Versuch war die Animoniakmenge in der Blind- probe 0.060 mg; dieser Wert murde abgezogen, um die in der Tabelle angegebenen Werte zu erhalten.

Als Schlussergebnis dieser Versuche kann also angegeben werden, dass Mandelsaure die Oxydation sowohl im Nieren- als auch im Lebergewebe hemmte, und dass diese Hemmung mindestens teil-

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DER EINFLUBS DER MANDELSAURE. 95

weise durch eine Hemmung der Desaininierung gewisser Amino- sauren verursacht wird. Es ist indessen denkbar, dass Bfandel- saure auch auf andere Prozesse vergiftend wirkt, wofiir z. B. ihre Hemmung der Prolinoxydation in Versuchen rnit Nieren- und Leberschiiitt spricht. Bus den Versuchen geht nicht hervor, ob die Mandelsaure oder etwa eines oder einige ihrer Abbauprodukte dabei wirksam sind. Diese Pragen sind zur Behandlung in weiteren Versuchen aufgenommen.

Die in der Einleitung gebrachte Annahme, bei Mandelsaure- therapie sei die Ammoniakabwehr nicht geniigend wirksam, wird also durch die angestellten Versuche gestiitzt. Auch diese Prage betreffend mussen aber noch erganzende Versuche, vor allem an Gewebe von menschlichen Organen, gemacht werden, wenn eine sicherere Antwort moglich werden soll.

Zusammenf assung.

Einleitend wird besprochen, dass Anlass zu dem Verdacht be- steht, Mandelsaure hemme die Desaminierung gewisser Amino- sauren und damit auch deren Oxydation. Dies konnte eine Er- klarung dafiir bilden, dass in gewissen Fallen bei intensiver Mandelsauretherapie eine nur geringe Ammoniakbildung beobach- tet wird.

I n vor allem Nieren- und Lebergewebe von weissen Ratten wird mit Warburg-Technik die Oxydation mit und ohne Mandel- saure in verschiedener Konzentration sowie rnit und ohne die Aniinosauren Alanin und Prolin untersucht. Weiterhin wird die Desaminierung rnit Hilfe von Bestimmung des wahrend der Ver- suche gebildeten Ammoniaks studiert.

Die Untersuchungen haben gezeigt 1.) dass Mandelsaure so- wohl von Nieren- als auch von Lebergewebe verbrannt wird, je- doch starker vom Nierengewebe; 2 . ) dass Mandelsaure die spon- tane Oxydation sowohl im Nieren- als auch im Lebergewebe und ebenso die Oxydation von zugesetztem Alanin und Prolin hemmt; sowie 3.) dass Mandelsaure als ein starkes Desaminierungsgift wirkt.

Literatur.

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96 BIRGER HERNER.

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