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Magnesium Der Einfl uss des Gießwalzprozesses auf die Eigenschaften des Dünnbands Die bei Raumtemperatur eingeschränkte Umformbarkeit derzeit verfügbarer Magnesium- bleche und die damit einhergehenden aufwendigeren Produktionsprozesse sind Hindernisse, die in zahlreichen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten bearbeitet werden. In den vergan- genen Jahren ist es gelungen, über legierungstechnische Maßnahmen die mikrostrukturellen Eigenschaften von Magnesiumblechen derart zu beeinflussen, dass erstmals eine Einflussnahme auf die mechanischen Eigenschaften und auf das Umformvermögens möglich ist. M oderne Leichtbau-Konzepte im Fahrzeugbau sind die Vor- aussetzung, das Fahrzeuggewicht zu reduzieren. Vor diesem Hintergrund kommt der Entwicklung neuer Magnesiumle- gierungen und deren Einsatz in industriellen Anwendungen eine be- sondere Bedeutung zu. Der Einsatz zum Beispiel von Magnesiumble- chen in der industriellen Praxis stellt einen konsequenten Schritt zur Nutzung des Leichtbaupotenzials des metallischen Werkstoffs Mag- nesium dar. Die bei Raumtemperatur eingeschränkte Umformbarkeit derzeit verfügbarer Magnesiumbleche und die damit einhergehen- den aufwendigeren Produktionsprozesse sind jedoch Hindernisse, die in zahlreichen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten bearbeitet wur- den und werden. In den vergangenen Jahren ist es gelungen, über le- gierungstechnische Maßnahmen die mikrostrukturellen Eigenschaf- ten von Magnesiumblechen derart zu beeinflussen, dass erstmals eine zielgerichtetere Einflussnahme auf die mechanischen Eigenschaften und auf das Umformvermögens möglich ist. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass Mg-Knetlegierungen eine sehr starke Anisotropie der mechanischen Eigenschaften aufweisen, die durch eine ausgeprägte kristallografische Textur, also einer be- vorzugten kristallografischen Ausrichtung der Körner des polykristal- »Aluminiumhaltige und aluminiumfreie Magnesiumbleche weisen mit unterschiedlicher Textur auch ein unterschiedliches temperaturabhängiges Umformverhalten auf.« Dr.-Ing. Gerrit Kurz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Magnesiumknetlegierungen des Magnesium Innovation Center am Helmholtz-Zentrum Geesthacht. 52 PRODUKTIONS UND FERTIGUNGSTECHNIK www.lightweight-design.de

Der Einfluss des Gießwalzprozesses auf die Eigenschaften des Dünnbands

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Magnesium

Der Einfl uss des Gießwalzprozesses auf die Eigenschaften des Dünnbands

Die bei Raumtemperatur eingeschränkte Umformbarkeit derzeit verfügbarer Magnesium-

bleche und die damit einhergehenden aufwendigeren Produktionsprozesse sind Hindernisse,

die in zahlreichen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten bearbeitet werden. In den vergan-

genen Jahren ist es gelungen, über legierungstechnische Maßnahmen die mikrostrukturellen

Eigenschaften von Magnesiumblechen derart zu beeinflussen, dass erstmals eine Einflussnahme

auf die mechanischen Eigenschaften und auf das Umformvermögens möglich ist.

Moderne Leichtbau-Konzepte im Fahrzeugbau sind die Vor-aussetzung, das Fahrzeuggewicht zu reduzieren. Vor diesem Hintergrund kommt der Entwicklung neuer Magnesiumle-

gierungen und deren Einsatz in industriellen Anwendungen eine be-sondere Bedeutung zu. Der Einsatz zum Beispiel von Magnesiumble-chen in der industriellen Praxis stellt einen konsequenten Schritt zur Nutzung des Leichtbaupotenzials des metallischen Werkstoffs Mag-nesium dar. Die bei Raumtemperatur eingeschränkte Umformbarkeit derzeit verfügbarer Magnesiumbleche und die damit einhergehen-den aufwendigeren Produktionsprozesse sind jedoch Hindernisse, die

in zahlreichen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten bearbeitet wur-den und werden. In den vergangenen Jahren ist es gelungen, über le-gierungstechnische Maßnahmen die mikrostrukturellen Eigenschaf-ten von Magnesiumblechen derart zu beeinflussen, dass erstmals eine zielgerichtetere Einflussnahme auf die mechanischen Eigenschaften und auf das Umformvermögens möglich ist.Die Forschungsergebnisse zeigen, dass Mg-Knetlegierungen eine sehr starke Anisotropie der mechanischen Eigenschaften aufweisen, die durch eine ausgeprägte kristallografische Textur, also einer be-vorzugten kristallografischen Ausrichtung der Körner des polykristal-

»Aluminiumhaltige und aluminiumfreie Magnesiumbleche

weisen mit unterschiedlicher Textur auch ein unterschiedliches

temperaturabhängiges Umformverhalten auf.«

Dr.-Ing. Gerrit Kurz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Magnesiumknetlegierungen

des Magnesium Innovation Center am Helmholtz-Zentrum Geesthacht.

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linen Materials, und das Verformungsverhalten hexagonaler Struktu-ren bedingt ist. Zum Beispiel weisen Magnesiumbleche ausgeprägte Unterschiede der Dehngrenzen und Bruchdehnungen in Walz- und Querrichtung auf [1]. Bei Magnesiumblechen kann einerseits mit ei-ner Legierungsmodifikation qualitativ und quantitativ Einfluss auf die resultierenden kristallografischen Texturen und damit auch auf die resultierenden mechanischen Eigenschaften genommen wer-den, Bild 1 [1, 2, 3]. Tiefziehversuche zeigen, dass aluminiumhaltige und aluminiumfreie Magnesiumbleche mit unterschiedlicher Textur auch ein unterschiedliches Umformverhalten in Abhängigkeit der Temperatur aufweisen [2, 3, 4, 5].Ein anderer Einflussfaktor zur Steuerung optimierter Mikrostrukturen und Texturen liegt in der Prozessführung beim Walzen der Magnesi-umbleche. Möglichkeiten zur Steuerung und zum Einstellen des Ei-genschaftsprofils der entstehenden Bleche finden sich entlang der vollständigen Prozesskette der Blechherstellung.Für die Herstellung von Blech- und Bandwerkstoffen aus Magnesi-umlegierungen gibt es zwei verschiedene Prozessrouten [6, 7]. Bis vor wenigen Jahren erfolgte die industrielle Produktion ausschließ-lich auf konventionellem Weg durch das mehrfache Abwalzen von stranggegossenen Brammen. Daneben wurde in den letzten Jahren

die Technologie des Gießwalzens von Magnesium entwickelt. Beim Gießwalzprozess wird schmelzflüssiges Magnesium durch eine Dü-se direkt in den Spalt zwischen zwei gegenläufig rotierende Walzen vergossen und dort mit hohen Abkühlgeschwindigkeiten zur Erstar-rung gebracht. Noch während der Erstarrung erfährt das Material zwischen den Walzen eine erste Umformung. Als Ergebnis entsteht ein 3 bis 7 mm starkes Dünnband, das dann in wenigen weiteren Walzstichen auf die gewünschte Enddicke reduziert werden kann.

G I E S S W A L Z E N V O N M A G N E S I U M D Ü N N B Ä N D E R NErstmals wurde das Gießwalzverfahren 1948 von Hunter Engineering für die Herstellung von Aluminiumblechen vorgestellt [8]. Die ersten Versuche zum Gießwalzen von Magnesiumlegierungen wurden in den 80er Jahren in den USA gemeinsam vom Anlagenhersteller Hun-ter Engineering Corporation und der Dow Chemical Company un-ternommen. Systematische Untersuchungen zum Gießwalzen von Magnesiumknetlegierungen wurden unter anderem neben zahlrei-chen Arbeiten in Korea (Posco, University of Seoul and Pohang) [4-13] auch in Deutschland am Helmholtz-Zentrum in Geesthacht und bei der Firma MgF – Magnesium Flachprodukte GmbH, Freiberg und

BILD 1 Einfluss der Textur auf die mechanischen Eigenschaften

BILD 2 Vergleich der Herstellrouten für Bleche

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am Institut für Metallformung der TU Bergakademie Freiberg durch-geführt [14-18].In Bild 2 ist die konventionelle Technologie zur Herstellung von Mag-nesiumblechen der Blechherstellung durch das Gießwalzen schema-tisch gegenübergestellt. Durch die Einsparung von Fertigungsschrit-ten, Energie und Zeit beim Gießwalzen sollen vor allem die Produk-tionskosten gesenkt werden. Weitere Vorteile liegen in der positiven Beeinflussung der Blecheigenschaften, wie beispielsweise eines ho-mogenen feinkörnigen Gefüges. Durch die Ausbildung einer schwa-chen kristallografischen Textur während des Gießwalzens wird die anschließende Verformung auf der Warmwalze erleichtert. Durch die Einflussnahme auf die Prozessparameter des Gießwalzens werden Möglichkeiten geschaffen, gezielt Einfluss auf die Entwicklung der Mi-krostruktur und der mechanischen Eigenschaften zu nehmen.Bild 3 zeigt das Prinzip des Gießwalzens. Die gekühlten Stahlwalzen führen zu einer gerichteten Wärmeabfuhr und damit zu einem ge-richteten Gefüge während der Erstarrung. Das Gussgefüge entsteht durch Erstarrung, die an den Walzen beginnt und sich in den mittle-

ren Bereich der Schmelze fortsetzt. Das anschließende Keimwachs-tum hängt vor allem von der Anzahl der Keime in der Schmelze, der Richtung der Wärmeabfuhr und der Abkühlgeschwindigkeit ab, die 100 bis 1000 °C/s erreicht [19]. Das Kornwachstum findet um 180 °C entgegengesetzt zur effektiven Wärmeabfuhr statt, wie es in Bild 4 zu sehen ist [20].Die Walzgeschwindigkeit sowie die Temperatur der Schmelze bezie-hungsweise die Gießtemperatur beeinflussen maßgeblich die Lage der Erstarrungsfront. Die Erstarrungsfront der Schmelze liegt innerhalb des Bereichs zwischen dem Ausgang der Gießdüse und dem schmals-ten Bereich zwischen den Walzen, auch Engpunkt oder Kissing Point genannt, Bild 3.Mit zunehmender Walzgeschwindigkeit verschiebt sich die Erstar-rungsfront in Richtung des Kissing Points, da sich bei höheren Walz-geschwindigkeiten die Kontaktzeit an der Walze verringert und da-her weniger Wärme aus der Schmelze in die gekühlte Walze abge-geben wird, Bild 3 (a). Bei niedriger Bandgeschwindigkeit erhöht sich die Kontaktzeit an der Walze, mehr Wärme wird abgegeben und die

»Möglichkeiten zur Steuerung und zum Einstellen des

Eigenschaftsprofils der entstehenden Bleche finden sich entlang

der vollständigen Prozesskette der Blechherstellung.«

Dr. rer. nat. Jan Bohlen arbeitet in der Abteilung Magnesiumknetlegierungen

im Magnesium Innovation Center am Helmholtz-Zentrum Geesthach.

BILD 3 Prinzip des Kristallwachstums

während der Erstarrung aus der Schmelze

in Abhängigkeit der Lage der Erstarrungs-

front bei a) höherer Temperatur und

b) niedriger Temperatur der Schmelze

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Erstarrungsfront wandert in Richtung Gießdüse, Bild 3b. Die Tempe-ratur der Schmelze beeinflusst die Lage der Erstarrungsfront in ähn-licher Weise. Bei hohen Schmelzetemperaturen findet die Erstarrung später statt, daher befindet sich die Erstarrungsfront eher am Kissing Point der Walzen. Der umgekehrte Effekt tritt bei geringen Schmelze-temperaturen auf.

E I N F L U S S D E R S C H M E L Z E T E M P E R A T U R A U F M I K R O S T R U K T U R U N D T E X T U R V O N M A G N E S I U M D Ü N N B Ä N D E R NDer Einfluss der Schmelzetemperatur auf Gefüge und Textur der Dünnbänder wurde zunächst in Gießwalzversuchen mit der Bench-mark-Magnesiumlegierung AZ31 ermittelt. Das Gießwalzen erfolgte mit einer 350 mm breiten Gießdüse bei Gießtemperaturen von 715 °C und 650 °C. Das Gefüge der gießgewalzten Dünnbänder weist beson-ders bei der höheren Temperatur von 715 °C eine deutlich dendritische Struktur in den Randbereichen auf, infolge der späten Erstarrung und dem damit verbundenen freien Wachstum von Kristallen vom Rand des Bands in den mittleren Bereich der Schmelze. Zudem wird durch die nicht vollständig erstarrten Bereiche, vor allem in der Bandmitte, während des Walzprozesses lediglich eine geringe Verformung in das Dünnband eingebracht.Beim Vergleich der Gefüge des bei höheren, Bild 4, und des bei niedri-geren Temperaturen gegossenen Bands, Bild 5, sind somit bei höherer Schmelztemperatur deutlich größere Körner zu finden. Die stark hete-rogene Struktur des bei höheren Temperaturen gegossenen Magne-siumbands zeigt grobe Körner mit einer mittleren Korngröße von 250 μm im Inneren und bis zu 1500 μm lange dendritische Körner, die sich von der Oberfläche des Bands zur Bandmitte erstrecken. Zu sehen sind

DER GIESSWALZPROZESSDer Prozess des Gießwalzens star tet mit dem Einführen von Magne-siummasseln in die Masselnvorwärmung, in der sie auf Temperatur unterhalb der Schmelztemperatur vorgeheizt werden, um einerseits die Feuchtigkeit zu entfernen und andererseits, um im Schmelzofen die Temperatur des bereits geschmolzenen Magnesiums nicht zu stark zu senken. Die vorgewärmten Magnesiummasseln werden im Schmelzofen aufgeschmolzen, und die Schmelze wird anschließend in den Feinreinigungsofen transferier t. Dort setzen sich auf Grund unterschiedlicher Dichten Verunreinigungen und Schlacken an der Ober f läche beziehungsweise am Boden ab.Aus dem Reinigungsofen gelangt die Schmelze über ein Transfer-rohr in den Gießofen. Bei Erreichen einer definier ten Füllhöhe der Schmelze im Gießofen f ließt die Schmelze durch die horizontal an-gebrachte Gießdüse zwischen zwei entgegengesetz t rotierenden Stahlwalzen. Das nach dem Walzen erzeugte Dünnband wird an-schließend durch eine Blechschere auf passendes Format getrennt, um die Handhabbarkeit zu verbessern. Das Stapeln der variabel zu-geschnit tenen Bänder er folgt schließlich auf der dafür vorgesehe-nen Abstapeleinheit.

BILD 4 Mikrostruktur und Textur des

bei 715 °C gegossenen Dünnbands

Schematische Darstel-

lung des Aufbaus der

Gießwalzanlage am HZG

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zudem Verunreinigungen in der Mitte, die von den erstarrenden Den-driten in die Mitte des Dünnbands geschoben werden.In Bild 4 ist gut erkennbar, dass die Körner entgegengesetzt zur Wärme-abfuhr ausgerichtet sind. Der Grund hierfür ist der gerichtete Wärme-transfer von der Schmelze zur Walzenmitte. Das bei 650 °C gegossene Band weist, durch die höhere Verformung hervorgerufen, deutlich klei-nere Körner mit einer mittleren Korngröße von 300 μm auf. Dies lässt die Interpretation zu, dass eine frühere Erstarrung im Dünnband in größe-rer Entfernung vom Kissing Point zu einem effektiv erhöhten Umform-grad führt, sodass das Gefüge des Bands bereits Merkmale eines typi-schen Knetprodukts, hier eines Blechs, aufweist. Auch hier sind Verun-reinigungen im mittleren und unteren Bereich zu finden.Mithilfe eines Röntgentexturgoniometers konnte die Verteilung der Vor-zugsrichtung einzelner Körner (Kristallite) in einem typischen Probenko-ordinatensystem gemessen werden. Typische Ergebnisse dieser Orien-tierungsverteilung werden in den Bildern 4 und 5 als Polfiguren der Ba-salebenen {00 2} und Prismenebenen {10 0} dargestellt. Die Pol figuren in Bild 4 des bei 715 °C gegossenen Dünnbands zeigen eine nahezu re-

gellose Verteilung der entsprechenden Gitterebenen. Die geringen Ma-ximalintensitäten mit dem 1,9-fachen einer Zufallsverteilung in der {10 0}-Prismenpolfigur und dem 2,1-fachen einer Zufallsverteilung in der {00 2}-Basalpolfigur deuten auf keinen Einfluss einer vorhandenen Verfor-mungskomponente in der Gefügeentwicklung hin, sodass geschlossen werden kann, dass es sich hier um ein Gussgefüge handelt, das durch den Verformungsprozess nahezu unbeeinflusst ist.Hingegen resultiert eine leicht ausgeprägte Basaltextur mit einer Vor-zugsorientierung der Basalebenen in der Bandebene aus der höhe-ren Verformung während des Gießwalzens bei 650 °C. Die maximale Intensität beträgt 4,1. Derartige Ergebnisse werden erlangt, wenn im Knetprozess bereits eine Verformungskomponente wirkt, sodass inter-pretiert werden kann, dass dieses Gefüge auf einer Umformung des bereits weitgehend erstarrten Bands im Walzprozess beruht. Es ist zu bemerken, dass diese Textur und das feinkörnigere Gefüge des bei 650 °C gegossenen Dünnbands auf ein verbessertes Verformungsverhal-ten bei Raumtemperatur schließen lassen.Andererseits zeigen sich Walzversuche mit dem gießgewalztem Dünnband, dass der Herstellprozess des Bleches und die Vormaterial-herstellung, wie zum Beispiel das Gießwalzen, einen starken Einfluss auf die Mikrostruktur und Textur haben. Bild 6 zeigt die Blechtextu-ren der Magnesiumlegierung AZ31 konventionell aus der Bramme und isotherm aus gießgewalztem Dünnband gewalzt. Es wird deut-lich, dass sich über die verschiedenen Herstellrouten auch deutlich unterschiedliche Blechtexturen einstellen lassen, was auch einen Ein-fluss auf die sich einstellenden Umformeigenschaften hat.

Z U S A M M E N F A S S U N GDie Variationen der Prozessparameter sowohl beim Gießwalzen als auch beim Walzen zeigen ein großes Potenzial zur Einflussnahme auf die Blecheigenschaften. Für den industriellen Einsatz von Magnesium-blechen in Fahrzeugen müssen künftig der Gießwalz- und Walzprozess zielgerichtet hinsichtlich einer verbesserten Umformbarkeit der resul-tierenden Bleche optimiert werden. Sowohl technische als auch wirt-schaftliche Vorteile des Gießwalzprozesses, wie die Einsparung von Fertigungsschritten, der verkürzten Prozessdauer und die Reduzierung

»Bei hohen Schmelzetemperaturen findet die Erstarrung

später statt, daher befindet sich die Erstarrungsfront eher

am Kissing Point der Walzen.«

Dr. rer. nat. Diemar Letzig leitet er die Abteilung Magnesiumknetlegierungen

am Helmholtz-Zentrum Geesthacht.

BILD 5 Mikrostruktur und Textur des bei 650 °C gegossenen Dünnbands

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von Herstellungskosten werden den Einsatz von Magnesiumlegierun-gen im Alltag erweitern. Durch die Verbesserung der Eigenschaften auf Grund der schnellen Erstarrung des Magnesiums, der homoge-nen und feinen Struktur sowie die Verfeinerung von Ausscheidungen gilt das Gießwalzen als zukünftige Methode zur Blechherstellung. ●

L I T E R A T U R H I N W E I S E[1] Bohlen, J.; Nürnberg, M; Senn, J.W.; Letzig, D.; Agnew, S. R.: The texture and anisotropy of magnesium-zinc-rare earth alloy sheets, Acta Materialia 55 (2007), S. 2101-2112

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[20] Masoumi, M. et al.: Alleviation of basal texture in twin-roll cast Mg-3Al-1Zn alloy. In: Scripta Materialia, Nr. 62, Elsevier, 2010

Die Autoren

DR.ING. GERRIT KURZ ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Magnesiumknetlegierungen des Magnesium Innovation Center am Helmholtz-Zentrum Geesthacht.

DR. RER. NAT. JAN BOHLEN arbeitet in der Abteilung Magnesiumknetlegierungen im Magnesium Innovation Center am Helmholtz-Zentrum Geesthach.

DR. RER. NAT. DIETMAR LETZIG leitet er die Abteilung Magnesiumknetlegierungen am Helmholtz-Zentrum Geesthacht.

BILD 6 Einfluss des isothermen

Walzprozesses auf die Blechtextur bei

der Legierung AZ31

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