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Aus dem physiologischen Xnstitut tier kgl. Tiergrztlichen Hoc, hschule zu Dresden. (Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Ellenberger.) Der Einfluss des Jodkalium auf die Cataracta incipiens. Von Privatdozent Dr. v. Pflugk, Augenarzt in Dresden. Mit Taf. VIII--X, Fig. 1--9. I. Anatomischer Teil. Die Resultate, welche Badal auf Grund mehrji~hriger Beobach- tung in der Anwendung yon Jodpr~paraten bei der Behandlung yon Linsentrtibungen erhalten hatte und fiber welche er an verschiedenen Orten berichtet hat (Badal 1~ 2, 3, 4, 5), warden naeh ihrer Ver- 5ffentlichung bald yon mehreren Seiten bestgtigt und erweitert [Du- fourt(6), Eti6vant(7), Verderau(8, 9, 10), Picqugnard(11), Boisseuil(12), Lafon(13)]. Nachdem Badal anfkngs nur davon gesprochen hatte, dass es mSglich ist, durch Jodkaliumgaben das Vorschreiten der Cataracta incipiens hinauszuschieben [(3) S. 426: On remarquera d'ailleurs, clue je n'ai jamais parl6 de la gugrison de ]a cataracte, bien que la chose ne paraisse pas impossible, mais seulement d'un arrgt clans l'6volution de cette maladie], gingen seine Naehiblger weiter und erstreckten ihre therapeutischen Versuche auf Fitlle, welche scheinbar rettungslos dem Messer des Operateurs ver- fallen schienen. Verderau(9) war tier erste, der bei welt vorge- schrittener Katarakt eine ganz auffallende Besserung der Sehschi~rih. beobaehtete und verSffentlichte. Ich babe die Jodkaliumbehandlung der Cataracta incipiens beim ~Ienschen seit dem Jahre 1904 verwendet and in Heidelberg 1906. eine Diskussionsbemerkung (1~), sowie einige Wochen spi~ter auf An- regung einiger Kollegen die yon mir welter entwickelte Injektions- technik ausfiihrlich in den lZlbfischen Monatsbli~ttern ffir Augen- heilkunde verSffentlicht (15); einen Uberblick tiber die hier n~her

Der Einfluss des Jodkalium auf die Cataracta incipiens

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Page 1: Der Einfluss des Jodkalium auf die Cataracta incipiens

Aus dem physiologischen Xnstitut tier kgl. Tiergrztlichen Hoc, hschule zu Dresden. (Direktor: Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Ellenberger.)

Der Einfluss des Jodkalium auf die Cataracta incipiens.

Von

Privatdozent Dr. v. P f l u g k , Augenarzt in Dresden.

Mit Taf. VIII--X, Fig. 1--9.

I. A n a t o m i s c h e r Teil.

Die Resultate, welche B a d a l auf Grund mehrji~hriger Beobach- tung in der Anwendung yon Jodpr~paraten bei der Behandlung yon Linsentrtibungen erhalten hatte und fiber welche er an verschiedenen Orten berichtet hat (Bada l 1~ 2, 3, 4, 5), warden naeh ihrer Ver- 5ffentlichung bald yon mehreren Seiten bestgtigt und erweitert [Du- four t (6) , E t i 6 v a n t ( 7 ) , V e r d e r a u ( 8 , 9, 10), P i c q u g n a r d ( 1 1 ) , Bo isseu i l (12) , Lafon(13)]. Nachdem B a d a l anfkngs nur davon gesprochen hatte, dass es mSglich ist, durch Jodkaliumgaben das Vorschreiten der Cataracta incipiens hinauszuschieben [(3) S. 426: On remarquera d'ailleurs, clue je n'ai jamais parl6 de la gugrison de ]a cataracte, bien que la chose ne paraisse pas impossible, mais seulement d'un arrgt clans l'6volution de cette maladie], gingen seine Naehiblger weiter und erstreckten ihre therapeutischen Versuche auf Fitlle, welche scheinbar rettungslos dem Messer des Operateurs ver- fallen schienen. V e r d e r a u ( 9 ) war tier erste, der bei welt vorge- schrittener Katarakt eine ganz auffallende Besserung der Sehschi~rih. beobaehtete und verSffentlichte.

Ich babe die Jodkaliumbehandlung der Cataracta incipiens beim ~Ienschen seit dem Jahre 1904 verwendet and in Heidelberg 1906. eine Diskussionsbemerkung (1~), sowie einige Wochen spi~ter auf An- regung einiger Kollegen die yon mir welter entwickelte Injektions- technik ausfiihrlich in den lZlbfischen Monatsbli~ttern ffir Augen- heilkunde verSffentlicht (15); einen Uberblick tiber die hier n~her

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beschriebenen Untersuchungsreihen babe ich auf der diesj~hrigen Na- turforscherversammlung in Dresden, September 1907, kurz vorgetragen (16). Bevor ieh jedoch fiber die yon mir behandelten und beobaeh- teten F~lle berichte (H. Teil dieser Abhandlung), halte ieh es ffir notwendig, die anatomischen Grundlagen und Beobachtungen aus- einander zu setzen, welche uns berechtigen, mit ether gewissen Wahr- scheinlichkeit anzunehmen, dass die bis jetzt yon EinzelnCn bereits anerkannten therapeutischen Erfolge der Jodkaliumbehandlfing, nieht wie yon mancher Seite noeh jetzt behauptet wird, Selbstti~schungen stud, sondern auf Ver~nderungen beruhen, welehe sich dureh das Tierexperiment beweisen lassen.

Der erste, der Tierversuche zur Kl~irung der Frage der Jod- wirkung auf die Cataracta inc~piens anstellte, war Verderau in Barcelona; in zwei Arbeiten beriehtet er kurz darfiber (8 U. 9)~ ana- tomische Untersuehungen sind yon Verderau nicht ange~tellt wor- den, jedenfalls schildert er in beiden Arbeiten nur das klin~sche Bild tier ,Aufhellung der Linsentrfibungen". Verderau w~ihlt~ zur Er- zeugung der Linsentrfibungen teils das sogenannte Jocqsische Ver- fahren, teils durch Discission mit der Nadel erzeugte tra:umatische Katarakte. Das Jocqssehe Verfahren besteht wie bekahnt darin, dass er ,ganz durchsichtige Linsen dadurch zur Trfibun]g bringen wollte, dass er mit der Pravazspritze in die Kammer eing~ng, etwas Kammerwasser auhog, dann in die Linse einstach und das i Kammer- wasser in diese auspresste" [die Operation eitiert nach Czer!mak (17)].

Naeh einigen Stunden nimmt die, sofort nach der Ei~hspritzung zart einsetzende Triibung zu und im Verlauf einiger Ta~e ist die Startriibung fast gleichm~issig fiber die Linsenoberfl~che verbreitet. In diese discidierten, bzw. in die mit dem Jocqsschen Verfahren getrfibten Linsen spritzte Verderau an mehreren Tagen ein kleines Quantum 5°/o JodkaliumlSsung [,,unas euantas gotas de unja solucion esterilizada de yoduro potassico ai 5 par 100" Verderau(8), S. 31]; schon am folgenden Tage nach der Jodkaliumeinspritzun~ trat eine Aufhellung der Katarakt ein, bis fast die gauze Trfibung sich auf- 15ste [al dia siguiente la opaeidad ha disminuido algua tanto, con- tinuardo cada dia con dichos inyecciones y logrando vCr desapa- recida cast del todo la opacidad Verderau (8), S. 3!]. Leider gingen infolge eines unaufgekl~rten Zwischenfalles s~mtli~he Augen der Versuchstiere an Infektion ein.

Ich babe im Verlauf tier yon mir angestellten Versuehe mehr- fach reich bemiiht, mit dem Jocqsschen Yerfahren Linsentrfibungen

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beim Kaninchen zu erzeugen, um sie mit Jodkalium zu behandeln, ich babe aber aus mehreren Griinden yon dieser Methode abgesehen. Ob die yon V e r d e r a u beobachtete Kl~rung tier Linsentriibungen in- folge der Jodkahumeinspritzungen als wirkliche Linsenregenerationen aufzufassen sind, erscheint mir mehr als fraglich, denn schon nach dem Einlegen einer normalen Kaninchenlinse in 5°/o Jodkalium- 15sung tritt fast momentan Triibung tier ~ussersten Linsenschichten ein (die sich iibrigens im Verlaufe einiger Stunden wieder aufhellt), mit Untergang des Kapselepithels.

Kaninehen 85. Gewieht 650g.

Breehende Medien Mar, Pupillenreflexe normal. In Athernarkose wurden in die Linse des rechten Auges bei Atropinmydriasis 2 Teilstriche 5°]o Jodkaliumlt~sung eingespritzt. Die Linse trttbt sieh augenblicklieh in tier Umgebung der Einstichstelte, T steigt sofbrt auf --~ 2, das Kammer- wasser trabt sich, die Cornea wird hauchig, t~ach ~]9 Stunde ist die Spannung wieder fast normal, die Pupille sehr eng and erweitert sich auch nach starken Atropingaben im Laufe des nt~chsten Tages nut bis mittlere Weite. 24 Stunden nach der Injektion wird das Tier get6tet. Beide Linsen werden sorgf~ltig auspr~pariert und ftir 2 Tage in 5 °/o Formalin getegt. In der Umgebung der Einstichstelte in der reehten Linse ist die Iris mit der Linsenkapsel verklebt, eine grosse Floeke getrabten Linseninhaltes ist aus der Einstieht~ffnung hervorgequoUen. ]Saeh 2 Tagen wird die Linsenkapsel vorsiehtig abgezogen, ihr Inhalt einige Stunden in 60°/o Alkohol gelegt und mit scharfem Rasiermesser ein halber Quadrant yon der Gegend der Einstiehstelle ausgeschnitten, ein entsprechend grosses Stack wird auch aus der Linse des linken Auges entfernt; unter der Lupe werden die obersten Schichten der Linsenfasern der ausgeschnittenen Stacke mit t~adeln zerzupft und in 1]2 °/o Pikrinst~ure geft~rbt. Bei mittlerer VergrSsserung zeigen sieh die Fasern der linken Linse fast in ihrer ganzen L~nge wohlerhalten, wahrend diejenigen der rechten (Jodkalium)-Linse zum Teil in BrSckel zerfallen sind; die noeh vorhandenen Reste derselben sind nut zum kleinen Teit intakt: ihr bei weitem grSsserer Teil erscheint wie angenagt und yon massenhaften Vakuolen durehl6chert. Das Epithel der Linsenkapsel des linken Auges ltLsst sich mit Borax- karmin gut farben, das Epithel des Jodkalium-Auges wird nur wenig gefarbt, die Kerne sind in allen Zonen der Kapsel verwaschen, so dass die Kernstruktur nieht mehr zu erkennen ist.

Ganz abgesehen aber yon den ZerstSrungen im Innern der Linsenkapsel, welche yon der elngespritzten Jodkaliuml5sung erzeugt werden~ halte ich die t i ig l ich erfolgende Perforation der Kapsel aueh mit der feinsten Nadel nicht fiir belanglos; wenn auch im allgemeinen beim Kaninehen eine auffallende Tendenz fiir die Heilung yon Lin- senkapselwunden besteht, so wird wohl eine mehrfache Wiederholung

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der Einstiche nicht ohne Einfluss auf das Eindringen des Kammer- wassers in die Linse bleiben.

Als wesentliche Bedingung fiir die Kontrolle der Jodkalium- Wirkung auf die erkrankende Linse ist die Erzeugung eines Krank- heitsbildes zu fordern~ das ohne irgend welche chirurgischen Mass- nahmen am Auge insbesondere an der Linsenkapsel abl~uft. Ftir hervorragend geeignet zum Studium des Ablaufs der Linsentriibungen und vielleicht zu erwartender Ver~nderungen derselben unter dem Einfluss der Jodkaliumbehandlung hielt ich deshalb den Naphthalin- star der Kaninchenlinse und zwar aus folgenden Griindeu:

1. Durch die vielen ausgezeichneten Arbeiten ist der Vertauf der Naphthalinintoxikation auf das Kaninchenauge hinl~nglich be- kannt. {Lit. bei Hess, Pathologie und Therapie des Linsensystems Graefe.-Saemisch, IL Auflage, S. 331.)

2. Es besteht ein anerkannter Parallelismus zwischen Naphthalin- star und Altersstar des Menschen.

3. Der Naphthalinstar beim Kaninchen ist ausserordentlich leicht zu erzeugen, das erforderliche Tiermaterial ist miihelos zu beschaf~ fen, und

4. war mir durch friihere eigene Arbeiten (meine Dissertation ,0ber die ersten Stadien der Naphthalinkatarakt", Leipzig 1891, aus dem physiologischen Institut unter C. Ludwigs Leitung) der Ver- lauf der Naphthalinerkrankung der Linse des Kaninchens und Meer- schweinchens vertraut, was sich zumal bei der Beobachtung der Lin- senver~inderungen in den ersten Stunden nach der Verabreichung des ~Naphthalins yon Vorteil zeigte.

Das Naphthalin wurde wie bei meinen friiheren Versuchen den Tieren in Form einer (10°/0 Naphthal. puriss, subtil, pulver, enthalten- den) Emulsion durch die Magensonde verabreicht. Neuerdings haben Kl ingmann(18) , Helbron(19) u.A. das Naphthalin in Paraffinum liquid, gelSst und den Tieren per os beigebracht, sie konnten nach zwSlf Stunden die ersten Erscheinungen nachweisen. (,,Die yon Magnus ausfiihrlich beschriebenen glashellen, v511ig transparenten Streifen habe ich erst nach 28--30 Stunden nach der Fiitterung yon 2 g Naphthalin beobachtet" (18, S. 16). Salffner(20) hat 20% :Naphthalinemulsion verwendet und h~lt diesen Weg nach Priifung der verschiedenen Methoden der Applikation ftir den ,bequemsten und zugleich am sichersten fiir die Entstehung der Katarakt" (20, s. 525).

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Bei allen wichtigeren Versachen warden sorgfiiltig vor tier Ver- abreiehung der Naphthalinemulsion das Gewicht der Tiere bestimmt~ die breehenden Medien mit seitlieher Beleuchtung und mit dem Spiegel untersucht und die Reaktion der Pupille auf LichteinfalI ge- priif~. Alle Tiere mit nicht normalem Augenbefund wurden sofort ausgeschaltet und sind in der Reihe nicht mit gez~hlt. Das Jod- kalium wurde bei einigen Kaninchen zum Studium der Wirkung auf die Cornea und Linse in Substanz pulverisiert oder auch in Krystall- form in den Bindehautsack gebracht; ausnahmslos sehien diese Ap- plikation sehr schmerzhaft zu sein~ wie auch durch den ausserordent- lich starken, naeh wenigen Minuten entstehenden Reizzustand er- t~utert wurde.

[ch habe ausdriicklieh darauf verzichtet zu untersuchen, welchen Einfluss Eintr~ufelungen und Biider mit JodkaliumlSsungen nach den Badalschen Vorschriften auf das erkrankende Linsenepithel zeigten. Ich hielt es fiir den Tierversuch fiir notwendig, in erster Linie ge- nau dosierte Jodkaliummengen zu verwenden, zumal dureh die Unter- suchungen yon Ovio u.A. i~stgestetlt worden ist 7 dass das Jodkalium in Form subeonjunctivaler Einspritzungen schon mit Sicherheit zehn Minuten nach dieser Einspritzung in Glask5rper and Kammerfltissig- keit nachzuweisen ist.

Die Jodkaliumeinspritzungen wurden sfimtlich unter die Bindehau~ ausgefiihrt and zwar in verschiedenen Konzentrationen. Nachdem sich in einigen Vorversuehen herausgestellt hatte, dass dureh 5 und 10°]o starke Jodkaliumeinspritzungen das Linsenepithel gesch~idigt werden kann, legte ich den Tierversachen die yon mir in dreij~ihriger Erfahrung am Menschen als zweckdienlich beobaehteten Jodkalium- mengen zugrunde und zwar in folgender Weise: Wie ich schon im vorigen Jahr (Klin. Monatsbl~tter) verSffentlicht babe, benutze ich nicht die urspriinglieh yon Verde rau angewendete 5O/o - - sondern nur 1°7o JodkaliumlSsung: Nimmt man als Durchschnittsgewieht etwa 75 kg f ~ die yon mir eingespritzten Patienten an, so ergibt die dabei verbrauehte Tagesdosis yon einer Spritze ~ 0,01 Jodkaliumsubstanz auf 750 g KSrpergewicht des etwa 6--8wSchigen Kaninchens ~--- 070001 Jodkalium (das ist ein Teilstrich einer l/loO/oJodkaliumlSsung ). Die Einspritzungszeit der JodkaliumlSsung nach Verabreichung der ]:;~aphthalinemulsion wnrde ausserordentlich variiert.

Die Jodkatiumliisung wurde eingespritzt: zugleich mit der Naphthalinftitterung bei Tier 19, 99~ 36,

10 Minuten nach ,, ,, . . 17 7

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t]2 Stunde nach der Naphthalinfiltterung bei Tier 50~ 52, 1 , , , , , , 18, 44, 52, 60, 61, 64,

5t: 69, 11 38~ 40, 42, 43, 47, 48,

49, 53, 54~ 55, 59~ 2 Stunden . . . . . 21~ 28, 31, 76~ 3 . . , , , , 25~ 33~ 4 . . . . . . 11~ 12, 13~ 23~ 5 ,, . . ,, . . 22~ 32~

24 ,, ,, . . . ,, 14, 15~ 30 ,, ,, ,, . . . . ,, 45.

Im ganzen wurden bei den fiber ein Jahr sich erstreckenden Untersuchungen folgende Tiere der •aphthalin- oder der Jodwirkung oder Naphthalin- und Jodwirkung unterworfen und untersucht: 96 Kaninchen, 14 Katzen, 6 Hunde, 5 Meerschweinchen, 3 Affen, 81 FrSsche. Eine Anzahl der Bulbi wurde friseh untersucht, ein anderer Teil aber nach Fixierung durch die bekannten Methoden (Farmalin 5°]o, 10°]o Mfi l le r - und F l e m m i n g s e h e L~sung, Salpeter- s~iure usw.) eingebettet und in Serien gesehnitten und gefiirbt.

Naehdem S a l f fne r (20) dutch seine Wiigungen yon Naphthalin- ]insert naehgewiesen, dass das Naphthalin (oder vielmehr seine bisher noah unbekannten Derivate) die ersten nachweisbaren Ver~nderungen auf die Kaninehenlinse etwa zwei Stunden naeh der Aufnahme der Emulsion in den Magen auszuiiben anfangt, und da bekannt ist, dass sich sehon nach wenigen - - 41]~ his 5 - - Stunden starke Ver- ~nderungen der Linsenepithelien der Versuchstiere naehweisen lassen, erschien m i r - analog den Bada l sehen Erfahrungen der giinstigen Wirkung der Jodpriiparate auf beginnende mensehliehe Stare - - alas Studium der Jodeinspritzungen auf die e r s t e n Linsenveriinderungen am wiehtigsten. Es wurde deshalb ganz besonders dieses Stadium der beginnenden Linsentriibung beim Kaninchen wiihrend tier ersten fiinf Stunden besonders eingehend gepriift. Von einer grossen Reihe yon T i e r b u l b i - etwa 100 Kaninehen-, 54 Frosch-, t8 Katzen-~ 10 Hunde> 4 Meersehweinehen-, 3 Affenaugen, 1 Menschenauge - - wurden die Linsenkapseln in toto abgezogen und als Fl~iehenpr~parate untersueht. Da diese Untersuehung beim Kaninchen eine m. W. noch yon keiner Seite ~er~ffentlichte Beobaehtung ergab~ will ich die yon mir verwendete Technik ausffihrlieh beschreiben.

Zur Isolierung der Linsenkapsel wird der sofort nach dem Tode des Tieres vorsichtig entnommene Bulbus auf den Hornhautscheitel gelegt~ mit der Pincette am Sehnervstumpf gefasst and mit einem Rasiermesser

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]eicht angeschnitten, so dass sich nine GlaskSrperperle einstellt. In diese Skleraliiffnung wird mit einer stumpfen gebogenen Schere eingegangen und der Balbus im Aquator halbiert. Mit einem vorsichtigen Scherea- sehlag ging ich dann veto ~qaator aas bis an den Linsenrand un4 umschnitt denselben, so dass ~'on gem Balbus nur Cornea, Iris, Linse und etwas Saran haftender G]askSrper tibrig bleibt. Dana wird die Linse auf die Glask6rperseite gelegt, auf eine Unterlage yon Fliesspapier~ nnd Cornea und Iris abgehoben. Wenn man diese versichtig mit 2 Pincetten am Pupillenrand fasst und einreisst~ geliug¢ es nach einiger Ubung, die Linse ~,51tig frei zu pr~parieren, ohne dass ein einziges Instrument die Linsenkapsel bertihrt bi~tte. Ich habe darauf ausserordentliches Gewicht geIegt, da ja bekannt ist, dass man Salz- und andere Linsentrfibungen dureb Streiehen der vorderen Linsenfasern mit stumpfen Instrumenten teilweise fortmassierea kann. Die so freipri~parierten Linsen werden dana vorsicbtig an dem GtaskSrperrest gefasst und in 3112 °/o Satpeter- s~ure ftir 30 Minuten gelegt. Nach kurzem hbspiilen kommen sin in absoluten Alkohol auf die gleiche Zeit and darauf kurze Zeit in Wasser, wodurch die Linsenkapsel meist blasenfSrmig ~7on dem zu einem weissen Kern geschrumpften Linseninhalt sich abhebt. Die jetzt fixierte Linse wird nun in die yon den Spitzen yon Dauraen~ Zeige- und Mitielfinger der linked Hand gebildete kleine HH6hlung gelegt, so dass die Gegend des vorderen Linsenpoles freiliegt. Mit einem Rasiermesser wird dann durch einell Kreuzschnitt die hintere Linsenkapsel geOffnet und bis in die ~quatorgegend durebgescbnitten. Die 4 so entstandenen Zipfel der Linsenkatosel werden mit feingezahnter Pincette nach dem vorderea Linsen- pol zu umgesehlagen~ veto Linseninhalt vorsiehtig abgehoben und die am Aquator meist anhaftenden Resin der Linsenfasern durch Umsehiitteln im Wasser entfernt. Dana F~trbung: Boraxkarmin, Alaunkarmin~ tti~ma- toxylin IIansen (2--10 Minuten)~ Dela f ie ld , Eosin~ Bismarckbrann, B e n d a - H e i d e n h a i a usw. - - W e a n man die so gef~rbten ned far Dauer- priiparate vorbereiteten Liasenkapseln dana ausbreitet~ ist es m(iglieb, nine tiberraschend gate Ubersicht fiber die Linsenkapsel mit ihrem ZeIl- belag zn erhaIten. Sehwaehe VergrOsserung gibt dann ansgezeiehaete Ubersichtsbilder~ so dass es m6glieh ist, die verschiedenen Arten der Linsenepithelzellen genau zu iibersehen and nach Nekrosen: Mitosen usw. zu forschen. (Siehe Tar. VIII~ Fig. 1,)

In den Lehrbiichern werden die Epithelzellen der Linsenkapsel als im wesentlichen gleichartig geformt dargestellt and zwar in der Weise, class die unter dem vorderen Linsenpol liegenden Zellen die diinnsten and breitesten sind. ]~Tach dem ~quator zu nehmen sin an Dickendurchmesser ab, an f=[Shendurchmesser zu, so dass im all- gemeinen tier Voluminhait einer Epithelzelle ann~hernd der gteiche ist, ob sin vora vorderen Pol stammt oder vor dem Aquator liegt [vgl. dazu (22)]. Die Lehrbiieher stimmen darin iiberein, class die Anordnung der Epithetzetlen der Linsenkapsel nine, bis zu einem gewissen Grade~ regelm~ssige is~. ,Schon bei m~ssiger VergrSsserung

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sieht man, dass die Kerne die Neigung haben, sich in bestimmter Weise zu gruppieren, so dass sie fSrm]iehe Nester bilden. So wenig sicher aber auch die Regelmiissigkeit .in der Anordnung tier Zellen bier ist, so entschieden tritt sie wieder an der Epithelgrenze hervor. Unmittelbar hinter der Streeke, in welcher die Zellen am dichtesten stehen, fi)lgt wieder die Zone der meridionalen Reihen. Sie grenzt sich naeh hinten an abgezogenen Epithelfetzen dureh eine gerade Linie ab~ w~hrend sie naeh vorn in das ungeordnete Epithel iiber- geht"[(23) III, S. 36 u. 37]. Die etwa der III. Salffnerschen Zone entsprechenden Epithelzellen betrachten l~abl und mit ibm alle mir bekannten anatomischen Lehrbiicher als anatomiseh gleiehartig. Wenn man nun in der oben besehriebenen Weise die Linsenkapsel eines Kaninchenauges abzieht, f~rbt und sorgfi~ltig ausbreitet, wobei vor allem darauf zu achten ist~ dass Faltenbildung und Risse in der Kapsel und ihrem Epithelbelag vermieden werden, so sieht man am auffallendsten mit schwaehen VergrSsserungen (Z e is s Obj. a~ 0c. 1 oder 2), dass yon den scheinbar regellos auf der Kapsel ausgebreitet liegen- den Epithelzellen~ etwa der Mitre der Kapsel entspreehend, eine Anzahl Zellen sieh dutch eigenartige Form und Fi~rbung nach Be- handlung mit H~motoxylin oder Boraxkarmin auszeichnen. Wie bekannt, tritt auf der sofort nach der Enucleation herauspr~parierten Kaninchenlinse alsbald nach dem Einlegen in die Fixierungsfliissig- keit eine Linie besonders hervor, die vordere Linsennaht. Sie f~rbt sieh in der Salpeters~ure fast momentan weisslich, wi~hrend die ganze Umgebung noch ungef~rbt erseheint. Wenn man nun an einer Linse in dem Moment, wo sich diese Linie in der Fixierungsfliissigkeit scharf ab- hebt, mit einer guten Nadel am oberen und unteren Ende der Linsen- naht einen kleinen Stieh ausfiihrt, die Kapsel nach beendeterFixierung abzieht (was dureh die Nadelstiehe in keiner Weise erschwert wird) und in der iiblichen Weise f~rbt, so sieht man, dass die zwischen den zwei Nadelstiehen liegenden Zellen sieh yon der Umgebung mehr oder weniger deutlieh abheben. W~hrend sonst in der Umgebung des vorderen Poles die einzelnen Kerne bei F~,rbung mit Boraxkarmin ziemlieh dicht aneinander stehen, treten die auf der markierten Linie befind- lichen Kerne wesentlieh weiter voneinander ab, so dass ihr Abstand voneinander fast das doppelte betr~gt wie derjenige der iibrigen Zellen. Die Epithelzellen sind hier wesentlich breiter, das Protoplasma mehr ausgebreitet~ die Zellkerne um 1]8--1]4 grSsser als die in tier Umgebung. Dureh vergleichende Messung ist es mSglich, ein deutliehes Bild yon dem gegenseitigen Abstand der in der Gegend des vorderen Poles liegen-

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den Epithe]zellen zu erhalten. Wenn man mit einem Zeissokular- mikrometer die Abst~inde der einzelnen Keme des mit Boraxkarmin gef~rbten Epithels voneinander abmisst, in der Weise~ dass man durch Drehen des Oku]ars den Abstand des Xernes an dera n~ehst- liegenden Zellkern misst, so finder man, dass der Abstand der Kerne im allgemeinen etwa 45 tt ist, wghrend der Abstand der Zellkerne in der Linsennaht fast 80,~ voneinander betrggt, l~brigens habe ich bei den verschiedenen Kaninehen die Zellen fiber der Linsennaht verschieden entwickelt gefunden. W~hrend bei einzelnen Tieren der Abstand der Zellen_ in der Linsennaht voneinander so auffaIlend war, dass man die betreffende Stelte bei geringer Vergrosserung as.f den ersten Bliek in seh~irfster Weise sieh abheben sah, war bei andern Kapseln tier Abstand der Zellen in der Linsennaht so w~enig hervor- steehend, dass man diese Linie wenig oder fiberhaupt nicht land. So ergab z. B. eine Durchsicht aller yon mir geprfifter Kapseln mit im wesentliehen gut erhaltenem Epithelbelag in Dguerpdiparaten, dass yon 86 Linsenkapseln bei 48 die Naht auf den ersten Btiek zu sehen war. Ieh mSchte also empfehlen~ bei der Nachpriifung eine kleine Reihe yon Kapseln durchzusehen, vielleieht ffinf oder sechs, und nach der yon mir gewonnenea Erfahrung wird man bei sechs Pr~iparaten mit Sicherheit auf einige gut ausgebildete Bilder der Linsennahtepithelien auf den Kapseln reehnen kSnnen (vgl. dazu Tar. VIII, Fig. 2). Dass es sich nun, wie es vielleicht scheinen kSnnte, bei dieser Beobachtung nicht um Kunstprodukte (Zerrung, Fattung der Linsenkapsel) handelt, geht aus dem folgenden Kontrollversueh hervor. Wenn man eine Kaninehenlinse unter der oben beschriebenen Vorsicht auspr~pariert, auf den hinteren Pol in ein Glasseh~ilchen left und dort mit einigen Tropfen wassrig a]koholischer Methylen- blaulSsung tibergiesst, so fiirben sieh nach etwa drei Minnten die Epithelzellen so ausgezeichnet, dass man sie an der noeh unerSffneten Linse auch mit stgrkeren Systemen untersuchen kann (Zeiss DD), durch die nut wenig blau gef~rbte Kapsel hindurch. Es ist da- bei nur notwendig, die Linse nach der F~rbung gehSrig abzu- spfilen und dann yon Zeit zu Zeit mit Wasser oder isotonischer KochsalzlSsung zu betupthn, um ein Anstrocknen der Linsenober- fl~che zu verhiiten. An solchen frischen, mit Methylenblau ge- f~rbten Linsen kann man die abweichende Form der fiber der vor- deren Linsennaht Iiegenden EpithelzelIen bei durchfallendem Licht ausgezeichnet studieren. Die durch das Auseinandertreten der Zellen ausgepr~igte Linie babe ich fast niemals gestreckt gefunden, sondern,

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wie bekannt, entsprechend der Linsennaht~ in leichtem, meist nach vorn konvexem Bogen. Tar. VIII, Fig. 3 gibt die Bilder wieder, die sich bei Durchsicht der oben genannten ~8 Linsenkapseln fanden. Wenn man auch bei einer Anzahl der Figuren annehmen k~nnte, (lass die yon mir an den 48 Kapseln best~itigte Beobaehtung eine Zerrungserseheinung wiire, so geht doch z. B. aus der Linsennaht yon Kaninchen 38 hervor, dass eine Kapselzerrung niemals derartige Bilder hervorrufen kann. Die yon K u s c h e l (33, S. 333) wieder erw~ihnten Stomata: ,,Vor dem ~_quator liegen drei kreisrunde, seharf yon Epithelien begrenzte Liicken. Verbindet man sie durch Linien, dann bilden diese ein Dreieck. Ihre Lage in der N~he des Ansatzes der Zonulafasern und die scharfe regelm~tssige Umwandung erweeken den Gedanken, dass es sich bier um die vermuteten Stomata in den Vorderkapseln haudeln kSnne", babe ich bei keiner tier weit iiber hundert yon mir durchgesehenen Linsenkapsela gefunden, wie ich reich auch bei keinem der yon mir lmtersuchten Tiere yon der Existenz yon KapselSffnungen an irgend welchen Liusensehnitten iiberzeugen konnte. Kusche l s Stomata sind vielleieht ausgebroehene Epithelien~ wie sie fiberall in der Naphthalin- ode," Jodlinsenkapsel, besonders aber in tier Linsennaht sich fanden, z. B. massenhaft auf den Kapseln der Tiere 46 uud 49.

Die ganz auf~allende Tatsache mSchte ich schliesslich noch hier anschliessen, dass ich die so eigenartigen, der Linsennaht entsprechen- den Zellen nur an Kaninchenlinsen gefunden habe~ nicht aber an den Linsen der yon mir untersuchten Katzen, tlunde, Affen, FrSsche.

Ich habe bei diesem yon mir gefundenen besonderen anatomi- schen Bau der fiber der vorderen Linsennaht des Kaninchens liegen- den Epithetzellen der Linse solange verweilt, weil sie meines Erach- tens nicht nur in anatomischer Hinsicht sich auszeichnen gegeniiber den sonstigen Kapselepithelzellen, sondern, und vor allem, well sie eine g~nz besondere Stellung in klinischer und wohl auch in physio- logischer Beziehung einnehmen.

Unsere Kenntnis yon der Erniihrung der Linse ist bei weitem noch nicht abgeschlossen. Nach der jetzt woM allgemein angenom- menen Anschauung ist sie die folgende: Lebe r (S. 434): ,,Die ern~ih- rungsbediirftigen Linsenelemente werden ihren Bedarf iiberall heraus- nehmen, wo der Stoffzutritt zur Linse frei ist, also vermutlich nicht nur yore _~quator, sondern auch yon der hinteren Fliiche her, w~h- rend der Anteil der vorderen Fl~che zweifelhaft bleibt". Lebe r be-

y. Graefe's Archiv ff~r Ophthatmologie. LXVIL 2. 19

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trachtet im allgemeinea die viel erSrterte Frage naeh den Ein~ritts- pforten der N~hrstoffe in die Linse als fast nebens~ehlich~ ,da die Langs~mkeit, mit der sieh der Stoffweehsel auf diesem Wege (Endos- mose) vollzieht~ dem Ern~hrungsbedilrfnis geni~gt". Mit Recht scheint mir aber Hess(25~ S. 25) auf die Vorderfl~ehe der Linse als Ein- trittsstelle der N~ihrstoffe in die Linse hinzuweisen. Verschiedenartige Erfahrungen haben gezeigt, dass das intakte Linsenepithel eine ge- wisse Sehutzwirkung fiber die Linsenfasern ausfibt nnd dass dem Untergang der Linsenepithelien (z. B. beim NaphthMin-, Blitz-, Massage- star usw) Gewichtszunahme, d. i. Fliissigkeitsaufnahme, in die Linsen folgt. Auch Leber sehreibt S. 4A1: ,Wenn aueh in bezug auf die bier er0rterten Verh~ltnisse noch vieles aufzukl~ren bleibt, so scheint mir doch die sehfitzende Wirkung, die das Epithel der Linse gegen die Que]lung dutch das Kammerwasser gew~hrt, zum mindesten sehr wahrseheinlich zu sein."

Ich stimme RSmer, der auf Grund seiner Serumforschung fol- gert, dass dem intakten Linsenepithel eine gewisse Schu~wirkung auf die Linse zuzuschreiben ist; vollkommen zu. Ieh bin aber der ~Tberzeugung auf Grtmd meiner Untersuchungen, dass dem Linsen- epithel noch ein besonderer Einfluss fiir die Erhaltung der Lebens- ffi.higkeit der norm~len Linse einzur~umen ist. Das Linsenepithel ist nicht nur als Sehutzschieht der Linse aufzuf~ssen, sondern hat, wie aus der Beschaffenheit tier Zellen zu fotgern ist, noch andere Funk- tionen, ~bgesehen yon seiner Bedeutung fiir die Bildung der Linsen- fasern~ n~mlich die Vermittlung der Ern~hrung der Linse, so dass es in dieser Beziehung gewissermassen als ein den osmotischen Strom vermittelndes Filter ffir die Ern~hrungsfl~issigkeit anzusehen ist; es ist de shalb aueh der Vorderfliiche der Linse ein hSherer Wert ffir die Ern~hrung der Linse Ms dem ~quatorialen Tell und der Hinterfl~che derselben zuzuerkennen.

Fiir diese meine Anschauung spreehen aueh die Beobaehtungen, die ich an den allerersten Stadien der Naphthalinver~nderungen der Kaninehen machen konnte. N~ehdem Sal f fner durch seine W~- gungen mit Naphthalin behandelter Kaninehenlinsen schon yon der zweiten Stunde naeh der Fiitternng grosser Dosen die Linse an Ge- wieht und Volumen zunehmen sah, ersehien es mir notwendig, vor diesem Zeitpunkt die Linsen naeh anatomisehen Ver~nderungen zn untersuchen. Sa l f fne r besehreibt Kapselver~nderungen an Linsen, die 41]~--5 Stunden naeh der Ffitterung untersueht wurden. Um nun die ersten Ver~nderungen bei Naphthalinfiitterung kennen zu lernen,

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habe ich eine Reihe yon Tieren unt.ersucht, die in den erstea Stunden nach der Naphthatinffitterung getStet wurden. Von allen diesen Tieren wurde mindestens yon einem Auge das Fl~chenpr~iparat der Linsenkapsel untersucht. Es zeigte sich nun, dass bei diesen Linsen- kapseln die ersten Ver~nderungen nicht ausschtiesslich im Bereich der zweiten und dritten Sa l f fnerschen Zone sich fandea, sondern mit grSssLer Regelm~ssigkeit fanden sich die st~rksten Ver~nderungen des Linsenkapselepithels im ~Bereich der der vorderen Linsennaht ent- sprechenden Zellen. Beim Vergleich mit normalen Linsenepithelien zeigten sich auch die fibrigen Epithelzellen entsprechend uagef~hr der zweiten und dritten Sal f fnerschen Zone ver~ndert, aber wesentlich geringer als diejenigen fiber der Linsennaht. Wie bekannt, bestehen die Naphthalinver~nderungen des Linsenepithels in Vakuolenbildung im Protoplasma, sp~ter auch in den Kernen, in Schrumpfung der Keme, Quellung der Zellen sowie der Kerne und LoslSsung der Epithelien yon ihrer Unterlage (vgl. dazu Taf. X, Fig. 10). Mit dem Fortschreiten der Giftwirkung des Naphthalins auf die Linse ver- wischt sich die anfangs ausserordentlich deutlich ausgepr~gte strich- fSrmige Nekrosenzone der Epithelien 7 und die Epithelien der zweiten und dritten Zone erscheinen gleichm~ssig ver~ndert. Sehr bald wurde es dann auch unmSglich, das Epithel im Zusammenhang mit tier Kapsel abzulSsen, denn es reisst auch beim vorsichtigsten Versuch, die Kapsel vonde r Linse zu trennen, ein und bleibt an den Linsen- fasern h~ngen. Wenn man dann auch mit der Nadel oder Pincette einzelne Fetzen der Epithelien im Zusammenhang mit den Linsen- fasern abreissen und untersuchen kann, so geht doch bei den ver- schiedenen notwendigen BKdern, die mit der F~rbung und Einbettung der Pr~iparate untrennbar verbunden sind, jede 0~sbestimmung ver- loren und man muss sich beschr~nken auf eine allgemeine Kontrolle der anatemischen Ver~nderungen der Epithelzellen fiberhaupt. -Wie zu erwarten war~ und wie auch die Satf fnerschen W~geversuche ergeben haben, zeigten sich bei einer Reihe yon Kontrollversuchen die Naphthalinver~nderungen stets auf beiden Augen gleichm/issig entwickelt, so dass ich mich im allgemeinen ffir berechtigt halte, die Naphthalinwirkung auch dann als gleichwertig anzunehmen, wenn ich mit den beiden Linsen desselben Tieres verschiedene •ntersuchungen anstellte. Nach den S alffn er schen Untersuchungen hat sich gezeigt, dass in mehreren W~gungen diese Voraussetzung - - (beide Linsen des- selben Tieres sind gleich gross und gleich schwer) - - best~tigen und ergaben, dass die Differenz bei den gesunden Linsen ~usserst gering

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is L und sowoht hinsichtlich des Gewichtes wie des Volumens 0,110to nicht iibersteigfi (S. 524).

Durch die Untersuchungen yon Ovio(21, S. 104) fiber das Ein- dringen yon subconjunctivaI verabreichter Jodk~liumlSsung ist fest- gestellt, dass es schon zehn Minuten darauf im Kammerwasser und der GlaskSrperfliissigkeit nachzuweisen ist. In der Linse konnte es yon Ovio nach dieser Zeit nut in drei yon zehn F~llen gefunden werden. O t to l engh i (27) konnte das unter die Haut yon Kanin- chert gespritzte Jodkalium nach ungef~hr zehn Minuten in der Tr~nen- fliissigkeit, dem Kammerwasser und dem GlaskSrper nachweisen, in der Linse jedoch nicht. D e u t s c h m a n n (26, S. 227) hat es beim Kaninchen etwa drei Stunden nach Verabreichung yon Jodkalium- 15sung per os nachgewiesen und zwar: ,Es zeigte sich nun mit Jod- kalium impr~igniert: am st~rksten die subkapsulare Eiweissschicht unter der hinteren Linsenkapsel und die n~chst angrenzende Partie der hinteren Corticalis sowie der ganze Linsen~quator; schw~cher auf das Palladiumchloriir reagierend: die subkapsulare Schicht unter der vor- deren Kapsel, gar nicht Linsenkern und die vordere Corticalis." Da sich im Laufe der Untersuchungen bald ein gewisser Einfluss der Jodkaliumeinspritzungen auf den Verlauf der Naphthalinwirkung bei der Kaninehenlinse zeigte, suehte ich die Eintrittsstelle des Jodkaliums in die Linse festzustellen. Es wurden deshalb erst die Bulbi, sp~ter die isolierten Linsen de rmi t Jodkalium eingespritzten Kaninchen mit dem Gei?iermikrotom gefroren, halbiert and in diesem Zustand mikro- chemiseh auf die Anwesenheit yon Jodkalium gepriift. Zum Nach- weis des Jods bediente ich reich der in der anatytischen Chemie viel verwendeten Reaktion mit Palladiumammoniumchloriir [die auch A. Th. L eber (28) verwendete], die wohl als die empfindlichste aller Jod- reakfionen bekannt ist. Als Reagens zur Bestimmung der Anwesen- heir yon Jod dient dabei die br~unliche 2°]o LSsung yon Palla- diumammoniumchloriir (welter in dieser Arbeit kurz mit P.-Reaktion bezeichnet). Bei Anwesenheit yon Jod entsteht ein schwarzer Nieder- schlag, der sich in Jodkalium im Uberschuss wieder 15st. In der letzten Auflage yon T r e a d w e l l ist Natriumpalladiumchloriir als Reagens empfohlen. [ T r e a d w e l l (29, S. 255): Palladiumehloriir (man verwendet am besten das Natriumpalladiumehloriir ([PdCl~]Na~), fSllt aus verdiinnten LSsungen eines Jodides schwarzes Palladiumjodiir (Untersehied yon Brom und Chlor):

[PdCl4J2v~ ~ + 2 K J ~ 2.NaC1 + 2.KC1 + PdJ~ sehr leieht 15slich im Uberschuss yon Jodkalium.] Ich habe dasselbe

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in 20]0 LC~sung yon M e r c k bezogen, die Reaktion zeigte genau dieselben Resultate wie die welter unten beschriebenen mit der 2°]o P.-LSsung. Im allgemeinen ergab die Prfifung des Jodkalium- gehattes in der Linse nach subeonjunctivMer Verabreiehung einiger Teilstriche einer 50/0 Jodkaliuml5sung am Kaninehen Uberein- stimmung mit dem D e u t s c h m a n n s c h e n Resultat insofern, als die intensivste sehwarzbraune F~irbung bei der P.-Reaktion am Aquator und in der Gegend des hinteren Linsenpoles sieh zeigte, sowie in fast gleiLchm~issiger Schicht in dem Kapselepithel in der ~q~the des vorderen Poles. Ganz auffallend und vSllig abweichend yon der D e u t s e h m a n n s c h e n Beobachtung aber war die Jodre~ktion in dem Linsengebiet fiber der vorderen Linsennaht.

Versuch- Ein albinotisches Kaninchen erh~It subconjunctival ftinf Striche einer 5°]o JodkaliumlSsung unter die Bindehaut des rechten Auges. ~ach ¥erlauf yon einer Stunde ist die JodkaliumlSsung zum kleiaen Teil resorbiert, die anfanglich durch die Einspritzungsfitissigkeit 'hoch empor gewSlbte Bindehautblase ist verbreitert nna umfasst etwa ein Drittel des Bulbusumfanges. Das Tier wird durch h~ackenschlag getStet. Sofort wird jetzt das linko Auge enueleiert und vom Gehilfen in der gleich weiter zu beschreibenden Weise behandelt. Hierauf wird das rechte Auge vorsiehtig aus der AugenhShle entfernt und alles am Bulbus haftende, Bindegewebe, Bindehautreste, Fettgewebe, Muskelans~tze, entfernt. Der am Optikusstumpf gefasste Balbus wird dann in 3real gewechseltem destillierten Wasser kr~ftig abgespt~It.

I n s t r u m e n t e n w e c h s e l . Der Bulbus wird in der ~xquatorgegend mit dem Rasiermesser erSffnet~ so dass eine GlaskSrperperle sich einstellt und halbiert. Ein Seherenschlag geht dann yore 3_quatorbulbi bis in die Ciliargegend, we die Linse mit dem Linsenfiquator folgenden Scheren- schlhgen mit allen Augenhauten umschnitten wird.

i n s t r u m e n t e n w e c h s e l . Die Lins% an welcher vorn Iris had Cornea, hinten ein Teil des Glask6rpers hSngt, wird mit der Pincette am Cornealral~d gefasst, der anh~ngende GlaskSrperrest wird dicht am hinteren Linsenpol mit einem Scherenschlag abgekappt und die Linse saint Cornea und Iris in 3real gewechseltem destillierten Wasser tt~chtig abgespalt~ dann wird mit einer 2. Pincette die ]riswurzel gefasst und die Cornea, die nur durch einige zarte Fadchen an der Iriswurzel gehalten wird, abgehoben, die Iris wird dann dnrch Fassen am Pnpillenrand vor- sichtig yon der Linse abgezogen, der Pupillenrand wird eingerissen; die Iris ]Sst sich jetzt ohne Schwierigkeiten yon der Linse. Am ~quator der Li~se stehen dann nur noch einige kleine Restchen der Citiar- fortsatze~

l n s t r u m e n t e n w e c h s e l . Mit einer feinen Pineette wird jetzt die Linse an einem der Ciliark6rperrestchen gefasst~ in einer grSsseren Sehale mit destilliertem Wasser geschwenkt and in ein UhrschMchen gelegt, wo sofort mit einem Glasstabchen 15 Tropfen des 2°]o P.-Reagens aufgetr~ufelt

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werden~ ohne die Linse mit dem St~ibchen zu berahren. Nach 5 Minuten wird das P.-Reagens mit einem kr'~ftigen Strahl Aq. dest. abgespalt and die Linse unter das Mikroskop gebracht. An der Stelle der Linsennaht erscheiat eine haarscharfe zarte Linie, tiefsehwarz gegen den hellbeleuch- teten LinsenkSrper sich abhebend. Nach und naeh trittum diese Linsen- nahtlinie ein heller Hof ein, and die ganze vordere Linsenfl~ehe erseheint zart hellgraubraun~ getfipfelt dureh F~rbung der R~ader der Linseaepithel- zellen (vgl. dazu Tar. IX, Fig. 7). In der ~quatorialen Zone erscheint die Linsenkapsel bei starkerer Jodwirkung zart streifig, diese F~rbung ist aber, wie schon ~on 0r io nachgewiesen, oberfl~chlich und nicht durch starkere Farbung der Epithelzellen bedingt. Wenn man diese Linse in aberschtlssige 5°/0 Jodkaliuml0sung legt, so tritt im Verlauf einiger Stunden die graue P.-Reaktion wieder zurfiek und die Liusenoberflache erscheint zart gelblieh.

Die Linse des linken Auges~ mit der gleichen Quantit~t P.-Reageus betraufelt and nach 5 Minutea tachtig abgespalt, zeigt nur einen ausser- ordentlich zartea Reflexstreifen in der Gegend der Linsennaht~ und aueh dieser wird nur beim Drehen des Beleuehtungsspiegels sichtbar (vgl. Taf. IX~ Fig. 6. Vgl. dazu auch die Reaktion bei der Katz% Taf. IX, Fig. 8 u. 9).

Dureh diese P.-Reaktion wird die Auihahme des Jodkaliums in das Linseninnere bewiesen and zwar erfblgt die Aufnahme dureh Osmose in erhShtem Masse in der Linie der vorderen Linsennaht. Ob diese Jodanwesenheig durch aktive elektive Tatigkeit der in dera Gebiet der Linsennaht liegenden anatomisch besonders charakteri- sierten Epithelzellen zu erkliiren ist, oder ob sie auf einer besonderen chemisehen Affinit~t der unter der Linsennaht liegenden Linsenfasern zu dem im Kammerwasser suspendierten Jodkalium beruht, kann ieh nicht entscheiden, vielleicht entsteht aueh diese letztere erst dureh Alteration der in besonderem Grade empfindlichen Epithelzellen im Gebiete der Linsennaht. Weitere Untersuchungen werden hierin erst Klarkeit schaffen mtissen. Die eben beschriebene Jodkaliumreaktion mit Hitfe des P.-Reagens ist yon mir im ganzen an 38 Kaninchen- linsen angestellt worden und zwar ausnahmslos mit positivem Erfolg. Aus dieser Reaktion geht hervor, dass das im Kammerwasser suspen- dierte Jodkalium nicht nur am hinteren Linsenpol, am Aquator und gleichm~ssig durch die ganze Vorderfl~ehe in die Linse eintritt, son- dern in besonders hohem Grade in der Linie, die wir als vordere Linsennaht bezeichuen; es wird also aus dieser Beobaehtung eine wesentliche Anderung unserer Anschauung fiber die Eintrittsstelle yon flit die Linse sch~dliehen Stoffen getblgert werden m[issen. Es sei bei dieser Gelegenheit an Beobachtungen erinnert, die sieh in der Literatur ausserordentlich h~ufig finden, n~mlieh das besondere Her- vortreten der Linsennaht bei einer g~nzen Reihe yon Erscheinungen;

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z. B. Hess (25, S. 3): ,,Dass der Linsenstern beim Einlegen der Linse in die Konservierungsfliissigkeit meist bald deutlieh hervor- tritt usw. usw."

Es war mir nun yon hSehstem Interesse, die Linsenniihte einiger anderer Tiergattungen auf ihre Durchl~ssigkeit fiir subconjunctival eingespritztes Jodkalium zu priifen. Zuvor wtlrden jedoch die naeh der oben besehriebenen Methode abgezogenen Linsenkapseln einer genauen Durchsieht unterworfen, es fanden sich bei keiner der gleich zu nennenden Tiergattungen Zellreihen oder Zellgruppierungen~ die an die Linsenn~hte der Kaninchenaugen erinnerten. Es wurden die Epithelien folgender Tiere sorgf~ltigst untersucht (Fixierung in Salpetersgure und F~irbung mit Boraxkarmin oder Hgmatoxylin Hansen) :

11 Katzen~ 5 Hunde, 5 Meersehweinehen, 3 Affen (Maeacus), 54 Froschbulbi.

Trotzdem fiel die Jodreaktion nach Einspritzung yon 5°/o Jod- kaliumlSsung subconiunctival unzweifelhaft in der oben beschriebenen Weise, streng der Form der vorderen Linsennaht folgend positiv aus bei:

5 Katzenaugen~ 4 Hundeaugen, 4 Meerschweinchenaugen. Fast vollst~ndig negativ war dagegen die Untersuchung auf die

Anwesenheit eines fiir Jodkalium besonders durehg~ngigen Epithel- streifens in der Linse yon drei Maeaeusaugen und einem Mensehen- auge, das bei fast durchsichtiger Linse infoige eines Oberkieferear- cinoms wegen unstillbarer Schmerzen entfernt worden war. Nach der k]inischen Erfahrung seheint mir aber doch beim Menschen die Gegend des vorderen Linsenpoles andere physiologisehe~ bzw. patho- ]ogisch Yer~inderte Funktionen zu haben, wie die zwisehen den Stern- linien befindlichen Stveifen der Linsenoberiliiche. Bei den Macacus- augen trat nach mehrstiindiger Einwirkung des Reagens fast genau in der Gegend des vorderen Linsenpoles (also in der, yon der Linsen- figur freien Zone) eine zarte Grauf~rbung in Form eines Y auf, so class mir an dieser Stelle eine Eintrittsstelle des Jodkaliums in die Macacuslinse zu liegen schien. Dass aber auch beim Menschen die Gegend des vorderen Linsenpoles ein fiir den Durehtritt yon Linsen- seh~digungen geeignetes Gebiet darstellt, dafiir scheint u. a. das Auf- treten vorderer Polarsterne zu sprechen bei Augen~ in welehen hie- reals eine Beriihrung yon Hornhaut und Linsenkapsel stattgefunden hat, bei denen aber nach iiberstandenem Hornhautgeschwiir ein ,-or- derer Polarstar nicht selten in Form eines Punktes, eines Y oder

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einer Sternfigur auftraten. (Vgl. dazu aueh R. T e r t s e h : Ein Bei- trag zur Entwieklung der ~,orderen Polarkatarakt, und G. H u w a l d : Kliniseh und histologiseher Befnnd bei Yerletzungen der Cornea dureh Bienenstiehe.)

In ganz besonders deutlieher Weise lgsst sieh die Palladium- Jodreaktion aneh an der Frosehlinse naehweisen. Bei der Durehsieht des Epithelbelages an einer Anzahl yon ungef~hr 20 abgezogenen normaten Frosehlinsenkapseln zeigte sieh keine Andeutung einer Zeieh- nung der vorderen Linsennaht, wie ieh sie yon den 48 Linsenkapseln tier Kaninehenlinsenepithelien abgebildet babe. Die Epithelzetlen der Frosehlinsen liegen in diehtem, regellosem Mosaik ausgebreitet; in der ~iquatorialen Zone fhnd ich aueh beim vSllig normaten, aus- gewaehsenen Froseh fast stets einige Mitosen, die naeh F~rbung mit Boraxkarmin deutlieh hervortraten, in ganz ausgezeiehneter Weise abet nach Farbung der Kapsel naeh B e n d a - H e i d e n h a i n . Bei der Entstehung tier Jodkaliumkatarakt (naeh Einlegen yon Jodkalium in Substanz in den Bindehautsaek des Frosehes), die sieh infolge ihres ausserordenttieh sehnellen Ablaufes unter der Lupe leicht beobaehten tiisst, spielt die vordere Linsennaht eine gegeniiber dem iibrigen Linsengebiet auffallende Rolle.

P ro toko l l : Ein grosser Froseh yon 12 em L~nge, Nasenspitze bis Steiss, erhalt in den Bindehautsaek des reehten Auges 10 nag Jod- kalium pulverisiert, mit einem klein wenig Wasser zu einem steifen Brei verrahrt. Es tritt augenblieklieh eine telehte Trgbung der Niekhaut ein, so dass es nieht mehr mSglieh ist, die Einzelheiten der Iriszeichnang dureh die Niekhaut zu erkennen. In der unteren Hit/fte der Hornhaut zeigt sich nach 1 Minute eine zarte oberfl~ehliche hauchige Trabung. Zwei Minuten nach dem Einlegen des Salzes in den Bindehautsack trtibt sich bereits die Linse in der Gegend des vorderen Poles, und zwar in der Weise, dass die, die Pupillen6ffnung senkrecht in 2 anniihernd gleiche Teile zerschneidende Linsennaht als l[~mm breiter, durchsichtiger dunkler Streifea sich you der rechtei1 und liuken zart weisslichen Liusenober- flache abhebt. Nach und nach nimmt die Linsentrtibung zu und die dunkle Linsennaht wird schmaler, so dass sie naeh 8 Minuten wesentIich weniger deutlich gegen die helle iibrige LinsenoberflAche abstieht. Nach 15 Minuten ist der im Pupillengebiet siehtbare Tell der Froschlinse fast papierweiss, die Linsennaht noch schwach erkennbar, 5 Minuten spitter hebt sie sich kaum noeh yon der iibrigen Linse ab. 25 Minuten nach dem Einleiten dieses Versuches erh~ilt das linke Auge die gleiche Dosis Jodkalium. Die Trfibung der Linsenkapsel und der darunter liegemen Linsenschicht schreitet in derselben Weise fort, wie am rechten Auge beschrieben. Nach 10 Minuten werden die Bindehautsacke beider Augeu durch einea kr~ftigen Wasserstrahl (Aq. dest,) durchgespritzt~ indem die

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Nickhaut mit der Pincette so weit als mOglich yore Bulbus abgehalten wird. bTach der auf Seite 285 beschriebenen Methode werden alsdanu die Linsen herauspriip~riert und mit je 12 Tropfeu P.-Reagens betupft. ~,Iach 3 Minuten Einwirkung wird die Linse kri~ftig abgespiitt und unter dem Mikroskop bei schwacher Vergr0sserung beobachtet. Bei dem linkea Auge zeigt sich in der Richtung der Linsennaht eine ausserordentlich zarte, aber vSllig sichere schwarze Jodreaktiou~ die Grenzen der Epithel- zellen im Bereiche der Startrtibang und dariiber hinaus sind sehr zart gr~u gefarbt. Die Linsennaht des rechten huges hebt sich in Form eines dicken breiten schwarzlichen Streifens yon der Umgebung ab. Die ein- zelnen Epithelzellen sind mit stfirkeren Systemen ausserordentlich scharf zu sehen, da ihre gegenseitigen Abgrenzungen deutlich gef~rbt sind. Einzelne auf der Linsenoberfiiiche verstreut liegende Epithelzellen sind offenbar ganz mit Jodkalium imprfigniert, denn sic sind durch die Ein- wirkung des Reagens schwarzbraun. Bei beiden Linsen ist die P.-Reaktion in der J~quatorgegend nicht deutlich abstechend gegen die Umgebung. In der prfifiquatorialen Zone sieht man entsprechend etwa dem Ansatzstrich der Zonulafasern eine grau% zart streifige oberflachliche Farbung (0rio). Die Gegend des hinteren Linsenpoles ist an dem linken Auge n ich t dutch das Reagens gefarbt, der hi~tere Pol an dem rechten Auge da- gegen zeigt intensive Jodkaliumreaktion, etwa in Form eines Y.

Aus diesem Versuch geht hervor, dass das in den Bindehaut- sack ge]egte Jodkalium in Substanz nach 10 ~iinuten dutch die vor- dere Linsennaht seinen Eintri t t in die Linse nimmt. Zugleich damit aber durchdringt das Jodkalium auf demselben endosmotischen Weg die Kapsel und ist an den Bewegungen der Linsenkapselepithelien, am deutlichsten im Bereich der Triibungszone nachzuweisen.

Versuche: I. Kleiner Frosch~ 4 cm lang, erhiilt nnter die Rtickenhaut 1 Spritze

5o]o JodkaliumlSsung~ nach 1 Stunde getStet: Die Linsen werden wie frfiher auspriipariert, abgesptilt und mit 10 Tropfen P.-Reagens betrttufelt. Nach 3 Minuten wird das Reagens abgesptilt, mit Zeiss a s Oc 8 ist keine Jodreaktion in beiden Linsen zu sehen.

II. Ein gleich grosser Frosch erhalt eine Spritze (also 0~05) 5°/0 Jodkaliumliisung unter die Rtickenhaut. Nach 11]~ Stunden werden die Linsen aus dem kurz vorher geffiteten Tiere nach der oben beschriebenen Technik ausprfipariert und nach gehSriger Abspiilung mit dem P.-Reagens betraufelt. Es zeigt sich keine Jodreaktion nach der Einwirkung des P.-Reagens.

IlL Grosser Frosch Nr. 77, Lfinge 91/~ cm~ erbi~lt unter die Rticken- haut 3 Spritzen 5°/o JodkaliumlSsung. iNach 3 Stunden get0tet. Die Linsen werden ausprlipariert~ abgesptilt and mit 10 Tropfen P.-Reagens betri~ufelt. ]Nach 3 Minuten Abspfilung des Reagens. Der Befund unter der LupenvergrSsserung (Zeiss ae Oce) ist wie folgt: Die Linsennaht ist sehr zart, aber sigher durch schwarzes Palladiumjodtir kenntlich. An

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keiner Stetle der ganzen Linse findet sich sonst noeh eingetretenes Jodkalium.

IV. Ein Frosch, 121]~ cm Nase-Steiss, erh~It 5 Striche 5O[o Jodkalium- lOsung unter die 0berlider beider Augen in das orbitale Gewebe ein- gespritzt. Nach i0 Minuten wird der Frosch get6tet, die Linsen werden, entsprechend der Technik auf Seite 2857 ausprapariert und mit P.-Reagens betraufelt. Es erscheint nach kurzer Zeit die vordere Linsennaht beider Augen graugelb, Reaktion also positiv.

Naehdem diese Versuehe mit Einspritzungen yon Jodkalium- ]Ssung unter die Bindehaut und die Beobaehtungen des Jodkalium- eintrittes in die Linse naeh dem Einlegen des Jodkaliumbreies in den Bindehautsack tier Fr~sehe gezeigt hatten, dass alas in der Augen- fliissigkeit gelSste Jodkalium an denselben Stellen in die Linse ein- tritt, wie das vom Nagen aus resorbierte Naphthalin (am Mchtesten kontrollierbar an der unberiihrten vorderen Linsennaht der Tiere), so wurden durch systematische Einspritzungen yon JodkaliumlSsungen unter die Bindehaut an mit Naphthalin gefiitterten Kaninchen unter- sucht, ob die Ver~nderungen an den Linsenepithelien, welehe wir als Fo]ge der Naphtha]inintoxikation aufzufassen gewShnt sind~ sieh durch die in das Augeninnere iibergehenden geringen Jodkalium- mengen beeinflussen liessen. Alle hierbei zu gewinnenden Erfolge warden uns bereehtigen, sie bis zn einem gewissen Grade Ms Priifung der yon Bada l nnd den anderen Autoren beobachteten Besserungen der Sehsch~rfe und der Linsentriibungen dureh godkaliumbehandlung beim Mensehen anzusehen.

Von vornherein erschien es wahrscheinlich, dass die Wirkung der Jodkaliumeinspritzungen nur im wesentlichen sieh auf die Epi- thelien erstrecken wiirde, da die Naphthalinkatarakt beim Kaninehen ausserordentlieh starmisch verl~uft, and da anzunehmen war, dass die Naphthalinintoxikation sehr bald die Jodkaliumwirkung erdracken wiirde. Wie schon auf Seite 276 geschildert ist, wurden im ganzen 39 Kaninchen der Jodkaliumeinspritzung unterworfen. Da nun nach t:tikida(32) u. A. bekannt ist, dass durch Fixierung der Linsen selbst mit den besten Fixierungsmethoden wesentliche Alteration der Gewebe durch die Fixierungsfliissigkeiten und den Fixierungsvorgang in den ~usseren Linsenschichten und im Zusammenhang zwischen Epithel und Linsensubstanz stattfinden, so wurde, urn die zum Tell unvermeidlichen Fehlerquellen soviel als mSglich zu vermeiden, bei der yon mir vorgenommenen Untersuchungsreihe besonderes Gewicht auf Fl~chenpr~parate der Linsenkapseln gelegt. Durch die Fixierung

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Der Einfiuss des Jodkalium auf die Cataracta incipiens. 291

der Linse mit 31/2°/o Salpeters~ure lassen sich, wie oben beschrieben, nach einiger Ubung recht gute Pr~parate der Kapseln mit ihrem Epithel erhalten und ausserordentlich gtinstig mit versehiedenen Ver- grSsserungen untersuchen, zumal eine nacb dem Abziehen der Kapsel vorgenommene F~rbung (Boraxkarmin, tt~matoxylin), wenn sie mit Vorsieht eingeleitet wird, wie yon allen Seiten anerkannt wird (0. B e cke r, SchlSsser , Seh i rmer , Hess), die anatomisehen Ver~nderungen der Kapselepithelien gut erh~lt. Ein Tell der mit Jodkalium behandelten Augen yon Naphthalinkaninehen wurde in toto eingebettet, gesehnitten und untersucht. Von den abgezogenen Linsenkapseln konnten je paarweise zusammengestellt werden ira ganzen die Augen yon 26 Kaninehen. Aus ausseren Grtinden (Zerreissungen der Kapsel oder des Epithelbelages eines der beiden Augen bei der Prgparation, Fgrbungen mit Arg. nitr. zum Studium der Zellgrenzen usw.) war es aber trotz der grossea Zahl der untersuehten Tiere nur mSglich, 32 einwandfreie Linsenkapseln zusammenzustellen ~on 16 Naphthalin- tieren. Diese 32 fast vollstgndigen tadellosen Kapselprgparate mit gut erhaltenem Epithelbelag wurden nun einer genauen mikroskopi- schen Untersuehung unterworfen und zwar mit Zeiss a2, AA, DD bzw. mit ()limmersion zum Vergleieh der Vergnderungen der Epithel- zellen und ihrer Kerne. Vor dem Beginn dieser Kontrolle tier mi- kroskopischen Praparate wurde nicht Rticksicht genommen auf die Behandlung, welehe mit dem Tier vor dem Tode ~orgenommen worden war, sondern erst naeh der Durchsicht der Kapselpr~parate wurden die Krankenjournale der einzelnen Tiere nachgesehen, um die ans dem mikroskopisehen Bild sieh ergebenden Resultate zu vergleichen. Von diesen 16 Tieren waren 14, das ist 87o]o, nieht ungiinstig durch die Jodbehandlung beeinflusst und zwar die Tiere 31, 32, 33, 42, 43, 44, 48, 49, 50, 51, 54, 55, 60~ 61. 5 Tiere (31°/0) zeigten ganz her- vorragende Besserungen der NaphthalinzerstSrungen infolge der Jod- kaliumbehandlung.

Kaninchen 4~2. 3. IX., vorm. 8 Uhr 30 Min., Gewieht 620 g, erhalt 1 g Naphthalin in Emulsion. - - Vorm. 10 Uhr rechts 2 Striche 1/jo°/o JodkaliumlSsung unter die Bindehaut. ~ ¥orm. 11 Uhr 30 Min. zwei Striche i]~o°/o JodkaliumlSsung. - - GetStet nachm. 1 Uhr 30 Min. Sat- peters~ure~ Boraxkarmin.

Mikroskopischer Befund der Kapseln: Linkes Auge: Linsen- naht stark verbreitert, sehr viel geschrumpfte Kerne, viele Mitosen. In der II. Zone viele gequollene, vereinzelte geschrumpfte Kerne.

Rechtes Auge: Linsennaht und Zellen darin fast normal, in der II. Zone vereinzelte geschrumpfte Kerne.

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K a n i n e h e n 43. 4. IX., vorm. 8 Uhr .15 ~in., Gewicht 630 g, erh~ilt 1 g Naphthalin in Emulsion. Vorm. 9 Uhr 45 Min. rechts zwei Striehe Jodkalium 1/lo°/o LOsung, vorm. |1 Uhr 15 Min. rechts zwei Striche Jodkalium 111o% LSsung. - - GetOtet 1 Uhr 45 Min. Salpeter- saure, Boraxkarmin.

M i k r o s k o p i s e h e r Befund : Linkes Auge: In der Linsennaht fast alle Kerne gequollen~ in der II. und III. Zone viele geschrumpfte Kerne.

Reehtes Auge: VOllig normales Epithel,

K a n i n c h e n 49 (Tar. X, Fig. 10 u. 11). 7. 1X., vorm. 9 Uhr, Gewieht 910 g~ erh~It 1 g Naphthalin in Emulsion. Vorm. 10 Uhr 30 Min. rechts 2 Striche Jodkaliumli~sung :t]lo°]o , 12 Uhr 2 Striche I/lo°]o. - - ~et(~tet 2 Uhr. Salpeterstture, Boraxkarmim

M i k r o s k o p i s c h e r Befund : Linkes huge: In der Linsennah~ viele ausgebrocheue und viele geschrumpfte Kerne. In der IL Zone viele geschrumpfte Kerne.

Rechtes huge: In der Linsennaht sehr wenig ausgebrochene, ver- einzelte geschrumpfte Kerne~ der ganze Epithelbelag erscheint fast normal.

Kan inchen 61. 11. IX., nachm. 3 Uhr 30 Min., Gewicht 660g, erhalt 2 g Naphthalin in Emulsion. - - Nachm. 4 Uhr 80 Min. 2 Striche Jodkalium ~/lo°/o. - - 5 Uhr 30 Min. get0tet. - - Salpeters~ture, Borax- karmin.

M i k r o s k o p i s c h e r Befund: Linkes Auge: In der Linsennaht sehr viele geschrumpfte und ausgebrochene Kerne.

Rechtes Auge: Linsennaht vSllig normal.

K a n i n c h e n 32. 25. VIII., vorm. 9 Uhr, Gewicht l 1 2 0 g , erh~tt 21]~ g N~phthalin in Emulsion. ~ Mittags 1 Uhr 30 Min., links 21/~ Striche 1]~o°/o Jodkaliuml6sung unter die Bindehaut, abends 10 Uhr t Strich 111o°/o.

26. Viii., vorm. 8 Uhr 1 Strich 1/~o°]o Jodkaliuml6sung links, abends 9 Uhr 15 Min. 1 Strich 1/lo°/o JodkaliumlSsmlg.

28. VIII., abends 9 UiJr 2 Striche 111o°]o Jodkalium]Ssung. 29. YIlI.~ vorm. 10 Uhr 30 Min. get6tet . . - - Fixierung der Linse

in 3112°]o Salpetersiiure. Ffirbung: Boraakarmin. M i k r o s k o p i s e h e r Befund: Rechtes Auge: Enorme Zellwucherung.

Die g~nze Kapsel ist mit einer mehrschichtigen Epithe]lage bedeckt. Linkes Auge: Eiuzelne kleine :Nester yon Epithetwucherungen. Der

gvSsste Tell der Kapsel ist in einschichtiger Zellage mit normalen Zellen belegt.

Sechs Tiere (37°]0) zeigten Unterschiede zwisehen den Epithe- fien der beiden Linsenkapseln in der Weise, dass alas mit Jodkalium behandelte Auge dieNaphthalinver~inderungen, aber wesentlich weniger ausgesprochen, als auf dem andern bot: Kaninchen 33, 44, 48, 5L 54, 60. Kein Unterschied im Epithelbefund beider Augen war bei den Tieren: 31, 50, 55 (d. i. 19°/o). Diese drei Tiere zeigten trotz

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Der Einfluss des Jodkalium auf die Cataracta incipiens. 293

24-, 5- und 61/2stiindiger Naphthalin- und Jodkaliumwirkung f~tst keine

Epithelveriinderung auf b e i d e n Augen (wohl zu erkl~iren durch die auch yon anderer Seite best~itigte, nicht seltene Widerstandsfiihig- keit der Tiere gegeniiber der Naphthaliniutoxikation):

Kaniuchen 31. 6. ¥IH., vorm. 8 Uhr 15 Min., 1470g, erhiilt 3 g Naphthalin in Emulsion. - - Mittags 12 Uhr 20 Min. 3 Striche lllo°[ o Jodka]ium in das rechte Auge, abends 9 Uhr rechts l i/e Striche i]io°]o JodkaliumlSsung. Am 7. VIII. wiihrend der Naphthalinverabreichung an Lungen0dem gestorben.

Kani[nchen 50. 8. IX, mittags 12 Uhr 15 Min., Gewicht 610 g, erhlilt i/2 g Naphthalin in Emulsion. - - Mittags 12 Uhr 45 Min. rechts 2 Striche 1/lo°/o, nacbm. 3 Uhr 15 Min. 2 Striche Jodkalium 111o°/o . Nachm. 5 Uhr 15 Min. getiitet.

K a n i n c h e n 55. 10. IX., vorm. 11 Uhr 45 Min., Gewicht 540 g, erhiilt 1 g Naphthalin in Emulsion. - - Mittags 1 Uhr 15 Min. rechts 2 Striche Jodkalium 1 °]o , nachm. 2 Uhr 45 Min. 2 Striche Jodkalium I ° ] o . - - Get6tet nachm. 6 Uhr 15 Min.

¥ ie r Linsenkapseln, die yon Tier 46 und 59 (12°]o) stammten, zeigten ganz auffallende Verschlechterungen des Epithelbefundes auf dem mit Jodkaliumeinspritzung behandelten Auge. Die Kranken- geschichten ergaben bei der Durchsicht~ dass bei diesen beiden Tieren a b s i c h t l i c h e Uberschwemmung der Augen mit JodkaliumlSsung vorgenommen worden war.

T i e r 46. 5. IX., vorm. 9 Uhr, Gewicht 600 g, erhlilt 1,25 g Naphthalin in Emulsion. - - ¥orm. 10 Uhr 30 Miu. rechts 1"]~ Striche !]i o °/o Jodkaliumliisung, 12 Uhr dasselbe, 2 Uhr dasselbe, 4 Uhr dasselbe, 6 Uhr dasselbe. - - 7 Uhr get0tet. Salpetersiure, Boraxkarmin.

) i i k r o s k o p i s c h e r Befund : Das Epithel des mit Jodkalium be- handelten Auges ist fast im Verlauf der ganzea Linsennaht ausgebrochen.

T i e r 59. 11. IX., vorm. 9 Uhr, Gewicht 1180 g, erh~tlt 2ill g Naphthalin in Emulsion. - - V o r m . 10 Uhr 30 Min. rechts 2 Striche ~]iQ °]o Jodkaliumliisung, 12 Uhr dasselb% 6 Uhr dasselbe, 9 Uhr drei Striche JodkaliumI0sung.

12. IX., frllh 8 Uhr 3 Striche Jodkalium. ~ Frtih 9 Uhr get0tet. Salpetersiure, Boraxkarmin.

M i k r o s k o p i s c h e r Befund: Wie bei 46

Durch die S a l f f n e r s c h e n Untersuchungen ist bekannt~ dass die ersten Linsensch~idigungen etwa zwei Stunden nach der Verabreichung des Naphthalins zu finden sind; da es gelungen ist (Ovio) nachzu- weisen, dass subconjunctival eingespritzte JodkaliumlSsung bei Ka- ninchen nach zehn Minuten schon im Kammerwasser sich findet, so

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294 v. Piiugk

wurde bei den meisten Versuchen das Jodka!ium etwa 1~]~ Stuade naeh der Naphthalingabe eingespritzt, so dass das eingedrungene Jodkalium etwa zugleich mit den Naphthalinderivaten die Linse be- r~ihren musste. Diese 11]2---2 Stunden naeh der Naphthalingabe ein- gespritzte KatiumtSsung iibte fast jedesmat einen giinstigen Einfluss auf das Linsenepithel der eingespritzten Augen aus; im mikrosko- pisehen Bild ist der g~instige Einfluss zu erkennen: durch das Fehlen der au~gequollenen oder gesehrumpften Kerne, sowie dadurch, dass auf Ubersichtspr~paraten die Epithelien ihre feste Verbindung mit ~hrer Untertage, der Linsenkapsel, gehalten haben, und nicht sich yon ihrem Mutterboden ablSsten. Einen wesentlichen Einfluss auf den kl inischen Verlauf der Linsentr~bungen zeigte die Jodkalium- behandlung im allgemeinen nicht; es ist jedoch in den Kranken- gesehichten einzelner Tiere notiert, dass der Eintritt der Bildung der ersten glashellen Linsenspeichen um einige Stunden durch die Jod- kaliumbehandlung hinausgeschoben wfirde, oder dass w~hrend der Jodkaliumbehandlung auf dem mit Jodkalium behandelten Auge bei nur einmaliger Naphthalingabe die Katarakt etwas schneller ablief, d.h. dabs die Kl~rung der getr~ibten Linse sich rascher einstetlte. Durchgreifende Unterschiede, so etwa, wie sie z.B. in den Kapsel- pr~paraten der Tiere 32, 42, 4=3, 4=9, 61 auf den ersten Bliek im Mikroskop (vgl. dazu die Tar. X) auffallen, habe ich im grobanato- misehen Verlauf der Linsentriibungen nieht gefunden. Es liegt dies offenbar in der ungeheueren Ubersehwemmung der Augen mit dem, den Bestandteilen der Linse so ausserordentlieh sch[~dliehen Naph- thalin, und dem ausserordentlich rasehen Eintritt der Ver[inderungen der Linsenihsern infolge des Durchtritts der Naphthatinderivate durch die ihres EpitheIschutzes beraubte Linsenkapsel.

Unter den iibrigen Kaninchen, die bei diesen 16 Tieren nicht mitgerechnet sind, befindet sich noch eine grosse Anzahl yon durch die Jodkaliumeinspritzungen zum Tell ausserordentlich giinstig be- einttussten Linsen~ z.B. 7, 9~ 19, 20, 24=, 35~ 37, 38, 40, 4=1, da es aber nicht gelungen war, die Epithelien der beiden Linsen dieser Tiere vollstgndig ohne Defekte abzuziehen, habe ich sie in der Sta- tistik nieht mitgez~hlt. Eine Durchsicht der Prgparate ergab, dass die Epi the l ien fast al ler Naphtha l in l insen , denen zu thera- peut isehen Zweeken die Jodka l iumlSsungen in der nStigen Verdi innung beigebracht worden war, sich in ger ingerem Grade ve rgnder t zeigten, als die Epi the l ien der n ieht mit Jodka l ium behande l tea andern Augen derselben Tiere.

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Der Einfluss des Jodkalium auf die Cataracta incipiens. 295

Es hat sich gezeigt, dass kleine Dosen Jodkalium, in nicht zu engen Zwisehenr~umen eingesetzt, eine deutliehe Sehutzwirkung auf alas Linsenepithel ausiibten~ dass aber eine Uberschwemmung der Augen mit JodkaliumlSsung (Tier 46 und 59 Einspritzungen von, wenn aueh schwaehen Konzentrationen in zweistiindigen Pausen) Seh~digung fiir alas Linsenepithel bedeutete. Der Frage, welche Einwirkung die Einspritzungen yon JodkaliumlSsungen auf die Lin- senfasern ausfiben, konnte aus fiusseren Griinden nieht n~herge- treten werden; klinische Erfahrungen beim Menschen (vgl. dazu den IL Teil dieser Abhandlung) haben bewiesen, dass es wohl mSglieh ist, dass auch Linsenspeichen - - die nicht anders als auf anatomische Ver~nderungen der Linsenfasern bezogen werden kSnnen - - unter der Jodkaliumbehandlung sich beeinfiussen lassen. F[ir derartige Untersuchungen seheint mir das Naphthalin-Emulsionsexperiment mit Kaninehen nicht geeignet zu sein, da der ganze Verlauf der Linsen- triibungen infolge der Naphthalin-Intoxikaticn beim Kaninehen viel zu stiirmisch sieh abspielt; meine Untersuehungen fiber diesen Punkt werden jedenfalls weitergefiihrt werden. Vielleicht kann man durch Verabreichung des Naphtha]ins in Paraffinum liquidum die Linsen- trfibungen so langsam hervorrufen und ablaufen lassen, dass es mSg- heh ist, dlureh die Jodkaliumtherapie den Einfluss des Naphtha]ins auf die Linsenfasern selbst zu gewinnen und der mikroskopisehen Untersuchung zug~nglieh zu machen.

Tafe l .

Die Epithelreihen entsprechend der vorderen Linsennaht der Kaninchen- linsen yon den fixierten, gef~rbten Linsenkapseln mit Zeiss Obj. a~, Oc 1 und Z. Ze~chenapparat nach Abbe gezeichnet und photographisch verkleinert. Die Zahlen sind die Nummern der Krankenjournale. R. ~ rechtes, L. linkes. Auge.

3 5 L. 10 L. 16 R. 22 R. normal Naphthalin Naphthalin Naphthatin Naphth. u.Jodk.

22 L. 33 L. 35 37 38 Naphthalin Naphthalin normal hTaphthalin Naphth. u.Jodk.

39 40 R. 41 R. 41 L. 42 R. Jodkatium Naphth. u.Jodk. Naphthalin Naphthalin Naphth. u.Jodk.

42 L. 43 L. 44 R. 44 L. 45 R. Naphthalin Naphthalin Naphth. u.Jodk. Naphthalin Naphth. u.Jodk.

45 L 46 R. 46 L. 49 L. 50 L. Naphthalin Naphth. u.Jodk. Naphthalin Naphthalin Naphthalin

54 R. 54 L. 55 R. 55 L. 56 ~aphth.u. Jodk. Naphthalin, Naphth. u.Jodk. Naphthalin normal

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296 v. Pflugk

58 59 R. 59 L. ~-',0 R. 60 L. normal Naphth. u.Jodk. Naphthalin ~aphth. u.Jodk. ~'aphthalin

61 L. 65 R. 66 67 R. 67 L. Naphthalin Jodkalium normal Naph. u. Kochs. Naphtha]in

68 R. 6~ L. 71 76 R. 80 R. normal normal normal Naphthalin Jodkalium

8~ 85 R. 85 L. Jodkalium Jodkalium normal

L i t e r a t u r v e r z e i c h n i s .

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v. Graefe~s Archiv fiir Ophthalmologie. LXVIL 2. 20

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v. Graefe's Archiv. Bd. LXVIL

Naphth. Kaninchen 49. L. Auge.

Qegend der vorderen Linsennaht.

Tar X.

x" kinsennaht

Fig. 10. Zeiss DD Oc. 2

-~- Linsennaht

Naphth. Kaninchen 49. R mit J K behandeltes Auge.

rzk. 11.

Oegend der vorderen Linsennaht.

Zeiss DD 0%

Verlag yon Wilttelm Eng'ehnann in Leipzig.