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16o SHORT COMMUNICATIONS, PRELIMINARY NOTES VOL. ll (1953) DER EINFLUSS DES MB-FAKTORS AUF DIE KONTRAKTION DES FASERMODELLS von WILHELM HASSELBACH UND HANS HERMANN WEBER Physiologisches Institut der Universit~it T~bingen (Deutschland) Q~ 0.1 100~ 50% MARSHz entdeckte, dass der Muskel einen Faktor enth~lt, der die Superpr~tcipitation yon frischem Muskelbrei in komplizierter Weise modifiziert, und BENDALL ~,3 steltte fest, dass dieser Faktor die ATP-Kontraktion yon Bfindeln Wasser-Glycerin-extrahierter Muskelfasern verhindert und solche Fasern zur Erschlaffung bringt, wenn sie bereits kontrahiert sind. Wir best~tigen diese Ergeb- nisse BENDALL'S und merken an, dass diese Erschlaffung dutch den Faktor -- im Gegensatz zu der Erschlaffung durch Salyrgan*--vollkommen und auch ideal reversibel ist. Wit nennen diesen II Ill \ \ \ \ \ o I \ ~..2 1 Fig. I. Der Einfluss des MB-Faktors auf die ATP- Spaltung. Abszisse: ATP-Konzentration, Ordi- nate:/2 Mol P/rag EW.Min. Kurve i. Spaltung ohne MB-Faktor. Kurve 2. Spaltung mit MB- Faktor. T ---- 2o ° C, pH = 7.o, /2 = o.Ii. \ "'.\2 \ '\ ~ \ \ \ \ tO "-~ 2 # 10 ~ 2 4 S 8 to~ M ~rP Fig. 2. Die Abh~ngigkeit der Superpr~cipitation mit und ohne MB-Faktor von der ATP-Konzen- tration. Ordinate: SuperprXcipitation in % der max. Superpri~cipitation. Abszisse : ATP-Konzen- tration. Kurve Iund 2 : Ohne MB-Faktor, Kurve z Obei o.14/2, Kurve 20 bei 0.25/z. Kurve 3 und 4: Mit MB-Faktor, Kurve 3mbei o.14/2, I{urve 4 [] bei 0.25/2. V Spa]tung in % der max. Spal- tung; sonst wie Kurve 3. T ~ 20 ° C, pH = 7.0. Faktor MB-(MARSH- BENDALL-) Faktor. BENDALI. erklXrt die Kontraktionshemmung auf Grund yon Befunden yon MARSH aUS einer ATPase- Hemmung. Er sah deshalb den Faktor als einen physiologischen Inhibitor an, vergleichbar mit dem unphysiologischen Salyrgan. Es hat sich inzwischen gezeigt, dass der MB-Faktor durch einen ganz anderen Mecha- nismus wirksaln wird als Salyrgan und die fiblichen Inhibitoren. Er hemmt weder die ATP- Spaltung (Fig. i) noch die ATP-Kontraktion (Fig. 2), wenn die ATP-Konzentration geniigend klein ist. Auf der anderen Seite ist schon lange bekannt, dass hohe ATP-Konzentrationen (auch ohne MB-Faktor) etwa zwischen M/ioo und M/3o die Aktomyosin-ATPase und die Akto- myosinkontraktion hemmen und unterdriicken (sogenannte tiberoptimale ATP-Konzentratio- nen)~, s. Ausserdern gilt, dass dieser tiberoptimale Bereich mit umso kleinerer ATP-Konzentration beginnt, je h6her die Ionenst~rke ist (vgl. Fig. 2) und je h6her -- bei gegebener Ionenst~rke -- die Mg-Ionenkonzentration gewAhlt wird s. Die Wir- kung des Faktors besteht nun darin, dass er diesen fiberoptimalen Bereich in der Richtung auf kleinere ATP-Konzentrationen stark ausdehnt. Es hangt yon der Konzentration des Fak- tors ab, wie weir die Grenze des fiberoptimalen Bereichs nach unten verschoben wird. Mit sehr guten L6sungen des Faktors wird unter phy- siologischen Bedingungen (Ionenst~rke ~ o. 18 it) die Kontraktion und Spaltung bereits unter- drtickt, sobald eine ATP-Konzentration yon 2-2. IO 3 M iiberschritten ist. Der ATP-Bereich der Hemmung h~ngt aus- serdem yon der IonenstArke ab: Mit wachsender IonenstArke wird die ATP-Konzentration, bei der Spaltung und Kontraktion noch m6glich sind (Fig. 2), immer kleiner. Dies geht aus Fig. 2 hervor, wenn als Mass der Kontraktion der Umfang der Superpr~cipitation (= Verkiirzung suspendierter Fibrillen) angegeben wird. (Die Spannungsentwicklung yon Modellfasern verh~lt sich grundsXtzlich ebenso.) Fig. 2 zeigt ausser- dem, dass sich unter Wirkung des Faktors der - - ~ Quecksilberkomplexsalz des Salicylallylamid-essigsauren Natriunl.

Der einfluss des MB-faktors auf die kontraktion des fasermodells

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Page 1: Der einfluss des MB-faktors auf die kontraktion des fasermodells

16o SHORT COMMUNICATIONS, PRELIMINARY NOTES VOL. l l (1953)

D E R EINFLUSS DES MB-FAKTORS AUF D I E K O N T R A K T I O N

DES FASERMODELLS

von

W I L H E L M HASSELBACH UND HANS H E R M A N N W E B E R

Physiologisches Institut der Universit~it T~bingen (Deutschland)

Q~

0.1

100~

50%

MARSH z entdeckte, dass der Muskel einen Faktor enth~lt, der die Superpr~tcipitation yon frischem Muskelbrei in komplizierter Weise modifiziert, und BENDALL ~,3 steltte fest, dass dieser Fak to r die ATP-Kont rak t ion yon Bfindeln Wasser-Glycerin-extrahier ter Muskelfasern verhindert und solche Fasern zur Erschlaffung bringt, wenn sie bereits kont rahier t sind. Wir best~tigen diese Ergeb- nisse BENDALL'S und merken an, dass diese Erschlaffung dutch den Fak tor - - im Gegensatz zu der Erschlaffung durch S a l y r g a n * - - v o l l k o m m e n und auch ideal reversibel ist. Wit nennen diesen

II Ill

\ \

\ \

\ o

I \ ~ . . 2

1

Fig. I. Der Einfluss des MB-Faktors auf die ATP- Spal tung. Abszisse: ATP-Konzent ra t ion , Ordi- na te : /2 Mol P/rag E W . M i n . Kurve i. Spal tung ohne MB-Faktor . Kurve 2. Spa l tung mi t MB-

Faktor . T ---- 2o ° C, p H = 7.o, /2 = o . I i .

\ " ' . \2

\ '\ ~ \ \ \ \

tO "-~ 2 # 10 ~ 2 4 S 8 to~ M ~rP

Fig. 2. Die Abh~ngigkeit der Superpr~cipitat ion mit und ohne MB-Faktor von der ATP-Konzen- trat ion. Ordinate: SuperprXcipitation in % der max. Superpri~cipitation. Abszisse : ATP-Konzen- trat ion. Kurve I u n d 2 : Ohne MB-Faktor , Kurve z Obe i o.14/2, Kurve 2 0 bei 0.25/z. Kurve 3 und 4: Mit MB-Faktor , Kurve 3mbei o.14/2, I{urve 4 [] bei 0.25/2. V Spa]tung in % der max. Spal- tung; sonst wie Kurve 3. T ~ 20 ° C, p H = 7.0.

Fak to r MB-(MARSH- BENDALL-) Faktor. BENDALI. erklXrt die Kon t r ak t ionshemmung auf Grund yon Befunden yon MARSH aUS einer ATPase- Hemmung . Er sah deshalb den Faktor als einen physiologischen Inhibi tor an, vergleichbar mit dem unphysiologischen Salyrgan.

Es ha t sich inzwischen gezeigt, dass der MB-Faktor durch einen ganz anderen Mecha- nismus wirksaln wird als Salyrgan und die fiblichen Inhibi toren. Er h e m m t weder die ATP- Spaltung (Fig. i) noch die ATP-Kont rak t ion (Fig. 2), wenn die ATP-Konzent ra t ion geniigend klein ist. Auf der anderen Seite ist schon lange bekannt , dass hohe ATP-Konzent ra t ionen (auch ohne MB-Faktor) e twa zwischen M / i o o und M/3o die Aktomyosin-ATPase und die Akto- myosinkontrakt ion hemmen und unterdriicken (sogenannte tiberoptimale ATP-Konzentra t io- nen)~, s. Ausserdern gilt, dass dieser tiberoptimale Bereich mit umso kleinerer ATP-Konzent ra t ion beginnt, je h6her die Ionenst~rke ist (vgl. Fig. 2) und je h6her - - bei gegebener Ionenst~rke - - die Mg-Ionenkonzentra t ion gewAhlt wird s. Die Wir- kung des Faktors besteht nun darin, dass er diesen fiberoptimalen Bereich in der Richtung auf kleinere ATP-Konzentra t ionen s tark ausdehnt .

Es hang t yon der Konzentra t ion des Fak- tors ab, wie weir die Grenze des fiberoptimalen Bereichs nach unten verschoben wird. Mit sehr guten L6sungen des Fak tors wird unter phy- siologischen Bedingungen (Ionenst~rke ~ o. 18 it) die Kont rak t ion und Spal tung bereits unter- drtickt, sobald eine ATP-Konzent ra t ion yon 2-2. IO 3 M iiberschrit ten ist.

Der ATP-Bereich der H e m m u n g h~ngt aus- serdem yon der IonenstArke ab: Mit wachsender IonenstArke wird die ATP-Konzentra t ion, bei der Spal tung und Kont rak t ion noch m6glich sind (Fig. 2), immer kleiner. Dies geht aus Fig. 2 hervor, wenn als Mass der Kont rak t ion der Umfang der Superpr~cipitat ion ( = Verkiirzung suspendierter Fibrillen) angegeben wird. (Die Spannungsentwicklung yon Modellfasern verh~lt sich grundsXtzlich ebenso.) Fig. 2 zeigt ausser- dem, dass sich un te r Wirkung des Faktors der

- - ~ Quecksilberkomplexsalz des Salicylallylamid-essigsauren Natriunl .

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VOL. 11 (1953) SHORT COMMUNICATIONS, PRELIMINARY NOTES 161

U m f a n g der Superpr~cip i ta t ion und die Gr6sse der A T P - S p a l t u n g s r a t e v611ig gleichart ig ~ndern . Und schliesslich f indcn BENDALL* und wir, dass die H e m m w i r k u n g des Fak to r s aucb durch Magnes iumionen s ta rk verbesser t wird.

Die \Vi rkung des M B - F a k t o r s b e r u h t also offensichtl ich au f einer Sensibi l i s ierung des Akto- myos in gegentiber ATP: Physiologische, vo rhe r op t ima le A T P - K o n z e n t r a t i o n e n werden durch den Fak to r zu t iberopt inla len K o n z e n t r a t i o n e n gemach t , die A T P - S p a l t u n g lind A T P - K o n t r a k t i o n hen lmen und unterdr i icken . (Der M e c h a n i s m u s der H e m m u n g durch den F a k t o r k a n n vorauss ich t l i ch ve r s t anden werden, sobald gekl~.rt sein wird, w a r u m die ATPase - 'Wi rkung u n d K o n t r a k t i o n von A k t o m y o s i n ohne F a k t o r du rch i iberopt imale K o n z e n t r a t i o n e n g e h e m m t werden.)

Der M B - F a k t o r erkl~irt, w a r u m der lebende Muskel t ro tz (oder besser: gerade wegen} der Anwesenhe i t einer phys io logischen A T P - K o n z e n t r a t i o n mechan i sch inl R u h e s t a n d ist und kein A T P spal te t .

Der M B - F a k t o r 1Asst es dagegen als RXtsel er- scheinen, class der lebende Muskel in der Lage ist, ak t iv zu werden, m i t sehr hoher R a t e A T P zu spa l t en und sich zu kon t rah ie ren . Schon MARSH UND ~ENDALL zeigten, dass der M B - F a k t o r n ich t m e h r wirkt , sobald er Calc ium binder. Wir finden, dass berei ts lO -4 M Ca ++ geniigt , u m die H e m m u n g des F a k t o r s teihveise au f zuheben und dass berei ts bei 7" lO-4 M Ca ++ der A k t o m y o s i n f a k t o r k o m p l e x v611ig e n t h e m m t ist. Es ge- ni igen offenbar sehr geringe Calc ium-Verschiebungen, unl den K o m p l e x aus A k t o m y o s i n u n d M B - F a k t o r zwischen R u h e und Aktivit~.t b in und her pende ln zu lassen. Es ist zu ve rmu t en , dass die Ca lc ium-Empf ind- l ichkeit des M B - F a k t o r - K o m p l e x e s den Angr i f f spunk t fiir die Koppe lung zwischen der M e m b r a n e r r e g u n g u n d tier K o n t r a k t i o n der lebenden Faser dars te l l t - - e t w a im Sinne der fdber legungen yon SANDOW s oder H. H. V'~EB E R ? .

Die Abhgng igke i t der W i r k u n g des M B - F a k t o r s yon der A T P - K o n z e n t r a t i o n , der Calc ium- und Magne- s i u m - K o n z e n t r a t i o n beweist , dass die besonderen Er- gebnisse yon BOZLER 6 mi t sehr kurz ex t rah ie r t en Faser- model len au f der Anwesenhe i t von F ak t o r r e s t en nach unvollst~.ndiger E x t r a k t i o n beruhen .

Der M B - F a k t o r h e m m t n ich t alle Wechselwir - k u n g e n zwischen A T P und Ak tomyos in . Die Weich- m a c h e r w i r k u n g bleibt voll e rhal ten . Sic wird anders als m i t Sa ly rgan auch n ich t du rch Dena t u r i e rungsvo r -

40~

300

200

100

glcm ~

100 II0

Fig. 3. Die Abhgng igke i t der S p a n n u n g von der Liinge u n t e r dem Einfluss des MB- Fak to r s in Anwesenhe i t und Abwesen- he i t von ATP. Ord ina te : S p a n n u n g g/cm~. Abszisse: Re la t ive L~nge I o o . L / L o. Lo ist die GleichgewichtslAnge ohne A T P ; Gleichgewichts lgnge ~ 0 .7-0 .8 der Liinge in situ. T = 2o°C. /z = o.11, 7 . I o - 3 M Mg++, p H = 7.0, MB-Fak to r , a. ohne ATP. b. m i t 6 , 1o -3 M ATP. Die Fase r wird in zwei S tu fen gedehnt . Die Pfeile geben den SpannUngsabfa l l nach jeder

D e h n u n g s s t u f e an.

g~nge gest6r t , so dass eine Modellfaser m i t F a k t o r in Gegenwar t yon A T P ebenso welch u n d p las t i sch ist wie die r uhende lebende Muskel faser (Fig. 3), wenn sie du rch vo rhe rgehende Re i zung nach HILL verki irzt ist. Der F ak t o r allein beeinf luss t dagegen den D e h n u n g s w i d e r s t a n d der Modell- faser nicht .

L I T E R A T U R

1 I~. B. MARSH, Biochim. Biophys. Acta, 9 (1952) 247. 2 I. R. BENDALL, Proc. roy. Soc., B I39 (1952) 523 . 3 I. R. BENDALL, im Druck. 4 E. HEINZ UND F. HOLTON, Natur/orschung, 7 b (1952) 386. 5 A. SANDOW, The Yale Journal o/Biol , and Med., 25 (1952) 176. 6 E. BOZLER, Am. J. Physiol., 168 (1952) 760. ? H. H. WEBER UND H. PORTZEHL, Prog. in Biophysics, 4 (I953), The Trans fe rence of Muscle E n e r g y

in t he Cont rac t ion Cycle. 8 \¥ . HASSELBACH, Natur]orschung, 7 b (1952) 163.

E ingegangen den 25. M~rz 1953

* Pers6nl iche Mit tei lung.