10
Der lange Schatten der Akazie Fenster ins Wadi Abu Dom Meisterwerke aus Afrika

Der lange Schatten der Akazie Fenster ins Wadi Abu Dom ... 2_2012... · Wadi Muqqadam und das Wadi Abu Dom. Das Wadi Muqqadam war eine der wichtigsten Handelsrouten im Altertum, hat

  • Upload
    others

  • View
    23

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Der lange Schatten der Akazie Fenster ins Wadi Abu Dom ... 2_2012... · Wadi Muqqadam und das Wadi Abu Dom. Das Wadi Muqqadam war eine der wichtigsten Handelsrouten im Altertum, hat

Der lange Schatten der Akazie

Fenster ins Wadi Abu Dom

Meisterwerke aus Afrika

Page 2: Der lange Schatten der Akazie Fenster ins Wadi Abu Dom ... 2_2012... · Wadi Muqqadam und das Wadi Abu Dom. Das Wadi Muqqadam war eine der wichtigsten Handelsrouten im Altertum, hat

Editorial

„Erinnern, erschließen, bewahren und fördern“ – unter diesem Motto könnte dierecht bunte Mischung der in diesem Kurier versammelten Beiträge stehen. EineAusstellung im Landesmuseum Burgenland im österreichischen Eisenstadt, in derauch Leihgaben des Heinrich-Barth-Instituts e.V. zu sehen sind, erinnert an einender Pioniere der Erforschung der Libyschen Wüste, an den auf Burg Bernstein ge-borenen Grafen Ladislaus E. Almásy. Durch Buch und Film ist er einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden als „Der Englische Patient“. Die Ausstellung be-gibt sich nun auf Spurensuche und beleuchtet die zahlreichen Facetten dieser historischen wie fiktiven Figur. Auch Naumburg an der Saale ehrt einen berühm-ten Sohn der Stadt in einer Sonderausstellung: Karl Richard Lepsius, einen derGründerväter der Ägyptologie. Zum Besuch anregende Lektüre auf nachfolgen-den Seiten.

Vor dem Erinnern und Bewahren – u. a. die Aufgabe von Museen in Ausstellungen– steht immer das Erschließen und die Förderung dieser wissenschaftlichen Arbeit.Eben dies ist der Auftrag des soeben begonnenen Projekts „African ArchaeologyArchive Cologne“. Es dient, finanziert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft(DFG), der Aufarbeitung sämtlicher Grabungs- und Dokumenta tionsunterlagen,die im Laufe der Jahrzehnte an der Forschungsstelle Afrika des Instituts für Ur-und Frühgeschichte der Universität zu Köln zusammengekommen sind; sie allesollen digitalisiert werden und anschließend in einem offenen Online-Archiv derWissenschaft zur Verfügung stehen.

Eine weitere Investition in die Zukunft, deren Wurzeln in der jahrzehntelangen hie-sigen Afrikaforschung gründen, stellt die Einrichtung eines neuen Studiengangs„Environmental Archaeology“ dar, der demnächst in Kooperation mit der Univer-sität zu Köln an der Universität Kairo angeboten wird.

Dies und mehr, darunter eine aktuelle archäologische Spurensuche im Nordsudanund nicht zuletzt die geradezu abenteuerlich anmutende Affäre um die botanischeBezeichnung „Acacia,“ stellen wir Ihnen in diesem Heft vor.

Renate Eichholz und Frank Förster

2 Editorial

Page 3: Der lange Schatten der Akazie Fenster ins Wadi Abu Dom ... 2_2012... · Wadi Muqqadam und das Wadi Abu Dom. Das Wadi Muqqadam war eine der wichtigsten Handelsrouten im Altertum, hat

Das Wadi Abu Dom Itinerary (W.A.D.I.)Ein Survey-Projekt in der Wüste Bayuda im Nordsudan

Wadi Abu Dom 3

Die Region im großen Bogen des Nils, in etwa zwischen den Städten Omdurmanund Korti, wird Bayuda genannt (Abb. 1). Die Entfernung zwischen dem nörd-lichsten Punkt der Kurve und dem Südende der Bayuda beträgt etwa 400 km, dieOst-West-Ausdehnung etwa 250 km. Dieses wüstenhafte Gebiet ist vor allemdurch Geröll- und Felsareale sowie ausgedehnte Sandflächen gekennzeichnet. Inder Mitte der Bayuda befindet sich eine beeindruckende Vulkanregion; von hierund einigen anderen Gebirgszügen entspringen Wadis, die das jährliche Regen-wasser in den Nil transportieren. Die bedeutendsten dieser Talrinnen sind dasWadi Muqqadam und das Wadi Abu Dom. Das Wadi Muqqadam war eine derwichtigsten Handelsrouten im Altertum, hat aber im Mittelalter an Bedeutungverloren. Der Fokus unseres Projektes liegt auf dem Wadi Abu Dom, das etwassüdlich der Vulkanregion entspringt und dann in etwa von Südost nach Nordwestzum Nil verläuft.

Das Wadi Abu Dom – eine Reiseroute durch

die Bayuda?

Für das Königreich von Kusch (9. Jh. v. – 4. Jh.n. Chr.) sind uns zwei Zentren überliefert,deren Funktion, soweit man heute beurteilenkann, unterschiedlich war. Das administrativeZentrum mit Regierungssitz und Residenz lagim Süden des Reiches, in Meroe, etwas nörd-lich des 6. Nilkataraktes. Hier sind auch die Begräbnisse der Könige der späteren, meroi-tischen Periode des Reiches (3. Jh. v. – 4. Jh. n.Chr.) auf den Friedhöfen von Begrawiya Südund Nord zu finden. Am Jebel Barkal, demalten heiligen Ort im Norden (etwas südlichdes 4. Kataraktes), blieb das sakrale Zentrummit Tempeln und Paläs ten bis mindestens indie mittelmeroitische Zeit bestehen. In dieserRegion lagen die königlichen Friedhöfe derAhnen sowie der früheren napatanischen Periode (9. – 4. Jh. v. Chr.) des Reiches vonKusch (El Kurru, Nuri, Jebel Barkal). Hier lagauch die Stadt Napata, die bis heute nicht ein-wandfrei archäologisch identifiziert, jedoch inTexten häufig genannt ist. Der kuschitischeKönig, der sich mehreren Textquellen zufolgeals Thronanwärter in Meroe aufhielt, musstezu seiner Krönung nach Napata reisen. Der

SUDAN

Amri El Kirbekan

4th Cataract

NuriUmm Ruweim

QuweibSanam

GhazaliUmmKhafour

Jebel Barkal

El Kurru

Zuma

Debba

El Meragh

Wadi A

bu Dom

B A Y U D A

Mograt

Kurgus

El Usheir5th Cataract

Atbara

Fura Wells

Gabati

MeroeEl Hobagi

El KadadaShendi

Musawwarat es Sufra

Wadi el Hawad

Naqa6th Cataract

Geili

Wadi Awateb

Kadero

KhartoumOmdurman

Wadi M

uqqadam

100 km0

Korti

Mograt

E

SUDAN

Jebe

S

W

Zuma

El Kurru

el Barkal

UmmGhazali

SanamQuweib

Umm RuweimNuri

Cataractth4

El KirbekanAmri

Cataractth5El Usheir

Kurgus

an

ataract

Debba

adi Muqqadam

W

YB A

moDubbu

AA

b

iddiaad

El Meragh

KhafourUmm

Korti

Gaba

ellsFura W e

Y U D A

ati

Atbara

m

Geili

6

wateb

H

adi A Aw

W

eili

Cataractth Naqa

adi el Haw

WWa

Musawwarat es Sufra

ShendiEl Kadada

El HobagiMeroe

awad

e

Omdurman Khar

Kad

rtoum

dero

0 1

100 km

Abb. 1 Karte der Bayuda (Nordsudan).

Page 4: Der lange Schatten der Akazie Fenster ins Wadi Abu Dom ... 2_2012... · Wadi Muqqadam und das Wadi Abu Dom. Das Wadi Muqqadam war eine der wichtigsten Handelsrouten im Altertum, hat

4 Wadi Abu Dom

konkrete Reiseverlauf ist dabei leider nie be-schrieben. Der Nil ist in seinem nördlichenBogen kaum mit Schiffen zu befahren, dennder 5. und der 4. Katarakt sowie die schroffeLandschaft behindern das Reisen. Aus die-sem Grund und sicher auch wegen der kür-zeren Strecke wurde eine Verbindung aufdem Landweg quer durch die Bayuda ge-wählt, um zu dem jeweils anderen Zentrumzu gelangen.

Da die Mündung des Wadi Abu Domdem Jebel Barkal gegenüber liegt – und damitauch gegenüber der vermuteten Lage vonNapata – , wird generell angenommen, dassdas letzte Drittel der Reiseroute durch diesesWadi führte. Außerdem ist die Wasserversor-gung durch relativ hoch liegende unterirdi-sche Abflüsse und dementsprechend viele

Brunnen unkompliziert, und nicht zuletzt zeichnet sich der Weg als ein nahezu zu-sammenhängendes Vegetationsband gut von der Wüste ab und ist also kaum zuverfehlen. Daher ist es ein Ziel des Projektes W.A.D.I., Strukturen oder ganz all-gemein Hinterlassenschaften zu dokumentieren, die mit einer möglichen Reise-route des kuschitischen Königs in Verbindung stehen. Wir sind deshalb auf derSuche nach Karawansereien, Brunnen, Speichern, Kontrollpunkten etc. – nachallem, was auf eine sowohl von Königen als auch Händlern genutzte „Straße“ hin-weisen könnte.

Von 2009 bis 2012 konnten wir ca. 20 km des Wadi Abu Dom begehen, wobeiunser Startpunkt allerdings nicht am Nil war, sondern erst 7 km im Landesinne-ren. Dies ist dem nilnahen Fruchtland, einem neuen und großflächigen Bewässe-rungsprojekt sowie einer bereits in der Wüste befindlichen Air Force-Station unddem großen Umspannwerk für die Verteilung des aus dem neuen Staudamm am4. Katarakt gewonnenen Stromes geschuldet. An beiden Ufern des Wadis begingenwir je nach topographischer Situation eine Strecke von 2–4 km in das Landesinnere.Darüber hinaus folgten wir einzelnen Seitentälern bis zu ihrem Ursprung, umeinen Vergleich der Hinterlassenschaften zum Hauptwadi zu haben. Bisher konn-ten wir allerdings keine Befunde feststellen, die eindeutig einem Fernverkehrswegzuzuordnen sind. Sicherlich liegt noch eine lange Strecke vor uns, jedoch müssenwir damit rechnen, für die Frage nach der Organisation der „Bayuda-Straße“ keinepositiven Aufschlüsse zu erhalten. Dass es diese Straße gegeben hat, ist unzwei-felhaft – möglicherweise ist sie jedoch nicht durch das Wadi Abu Dom verlaufen.

Die zeitliche Tiefe der Fundpunkte

Mit dem Unterschreiben einer Survey-Lizenz verspricht man, nicht nur die Relikteder für das aktuelle Projekt interessanten Zeitstufe aufzunehmen, sondern sämt-liche vorislamischen Hinterlassenschaften in diesem Gebiet zu kartieren. Da wirdas Gelände sehr engmaschig zu Fuß abschreiten, werden auch kleinste Merk-male menschlicher Präsenz wie einzelne Steinkreise oder zerscherbte Gefäße kar-tiert. So haben wir mittlerweile weit über 1000 Fundpunkte, wobei der Großteilaber zu diesen Einzelfunden zu zählen ist.

Abb. 2 Kermazeitlicher Tumulus.(© W.A.D.I.-Project)

Page 5: Der lange Schatten der Akazie Fenster ins Wadi Abu Dom ... 2_2012... · Wadi Muqqadam und das Wadi Abu Dom. Das Wadi Muqqadam war eine der wichtigsten Handelsrouten im Altertum, hat

Wadi Abu Dom 5

Bisher konnten wir zwei mittelpaläolithische Steinbearbeitungsplätze identifizie-ren. Einzelne paläolithische Artefakte wie Klingen oder Zweiseiter sind immerwieder an Abhängen zu finden; allerdings war die Dichte an diesen zwei Stellenso hoch und so signifikant um Gesteinsgänge gehäuft, dass wir auf die Relikteeines Produktionsprozesses schließen.

Das Neolithikum ist, insbesondere in Höhenlagen, durch Scherben und Stein-artefakte vertreten. Neben stellenweise Unmengen von Abschlägen fanden wirauch eine kleine Steinaxt.

Die Periode des Kerma-Reiches, also etwa 2500 – 1500 v. Chr., ist ebenfalls ver-treten; hier sind es vorrangig Tumuli, die auf Höhenrücken wie Perlen aufgereihtstehen (Abb. 2). Sie sind konisch aus etwa faustgroßen Steinen aufgeschichtet undmessen bis zu 4 m im Durchmesser. Nahezu alle Grab-Tumuli sind gestört; siesind an der Spitze aufgebrochen, und das Füllmaterial sowie Knochensplitter undauch einige wenige Scherben liegen verstreut.

Die napatanische Periode ist für uns derzeit nur durch wenige sog. cleft burialsfassbar, das sind Bestattungen in abgedeckten Felsspalten und -nischen. Auch hierkönnen wir nur anhand von Scherben bei gestörten cleft burials die Zuordnungzur ersten Hälfte des 1. Jt. v. Chr. vornehmen. Sehr häufig ist aber überhauptnichts – und somit auch kein Hinweis auf eine Zeitstellung – zu finden. Alleinaufgrund der Grabform werden solche Bestattungen vorerst als napatanisch eingestuft, möglicherweise könnten hier gezielte Ausgrabungen Aufschluss bringen.

Bisher konnte kein Fundplatz der meroitischen Periode zugeordnet werden.Da wir derzeit einen reinen Oberflächensurvey machen, werden Funde nur vonder Oberfläche aufgesammelt, und so kann es möglich sein, dass dieses Fehlender meroitischen Epoche dem Überlieferungszufall zuzuschreiben ist. Anderer-seits erstaunt es, dass nach einem sehr kleinteiligen Survey von ca. 70 km2 keineSpuren der meroitischen Zeit entdeckt werden konnte. Unsere Überlegungengehen dahin, dass wir hier nicht die aus dem Niltal bekannte Elitevariante derKultur erwarten können, sondern vielmehr eine der dünnen und bäuerlichen Be-siedlung des Hinterlandes angemessene bodenständige Variante. Da wir in un-serem Untersuchungsgebiet mit einer Unmenge von Spuren konfrontiert sind,die in die eigentlich nur 300 Jahre dauernde postmeroitische Zeit datiert werden,versuchen wir derzeit, das chronologische Gerüst „meroitisch“ und „postmeroi-tisch“ durch ein kulturhistorisches „elitär-meroitisch“ und „rural-meroitisch“ zuersetzen.

Abb. 3 Postmeroitischer Tumulus

(mit „Nase“) .(© W.A.D.I.-Project)

Page 6: Der lange Schatten der Akazie Fenster ins Wadi Abu Dom ... 2_2012... · Wadi Muqqadam und das Wadi Abu Dom. Das Wadi Muqqadam war eine der wichtigsten Handelsrouten im Altertum, hat

6 Wadi Abu Dom

Diese sogenannten „postmeroitischen“ Zeugnisse sind wieder vor allem Gräberund dazugehörige Keramikscherben. Bei den Gräbern handelt es sich um sehrflache, aber mit 5–15 m Durchmesser recht große Tumuli; manche von ihnenhaben „Nasen“ im Osten oder Süden (Abb. 3). Diese „Nasen“ sind dreieckigeVorsprünge in der äußeren Umrahmung des Tumulus, die häufig im Gegensatzzur feinkörnigen Innenfläche aus größeren Steinen gelegt ist. Im Unterschied zuden Tumuli der Kerma-Zeit sind diese in der Ebene lokalisiert.

Die chronologisch letzte von uns aufgenommene Kulturstufe sind die christ-lichen Hinterlassenschaften. Diese sind insbesondere am westlichen Ende desWadis, in der Region um das mittelalterliche Kloster Ghazali, konzentriert. Dabeihandelt es sich – neben Kloster, Kirche und Stadt Ghazali – vor allem um Fried-höfe. Diese bestehen aus bis zu 200 sogenannten box graves, rechteckige aus Lesesteinen gemauerte Kisten, die im Falle von Ghazali ursprünglich auch mitGrabsteinen versehen waren. Diese Grabsteine wurden bereits im 19. Jh. und danach abtransportiert. Auch an anderen Stellen an den Ufern des Wadi AbuDom fanden wir solche Gräber, meist einige wenige als kleinen Friedhof, jedochauch immer wieder einzelne Begräbnisse. Grabsteine konnten wir jedoch niefeststellen.

Die Landnutzung im Wadi Abu Dom

Bereits bei den Vorbereitungen erkannten wir mithilfe von Google Earth tief ein-gefurchte Wege, häufig über Pässe in Hügelketten, aber auch Verbindungen zwi-schen zwei Seitentälern etc. Im Gelände sahen wir dann, dass an diesen Wegenzuweilen – in unserem Konzessionsgebiet aber insgesamt seltene – Felskunst zufinden ist (Abb. 4). Auch stießen wir immer wieder auf einzelne Scherben aus denunterschiedlichsten Zeitstufen, was uns zeigte, dass diese Wege schon alt sindund traditionell immer wieder begangen wurden (Abb. 5). Vor allem im Hinter-land dokumentierten wir Fesselsteine, das sind größere Steine, in die Kerben ge-hauen sind, um daran ein Seil zu befestigen. An diesen Steinen wurde (und wird!)wertvolles Vieh wie z.B. ein trächtiges Kamel angebunden.

Abb. 4 Felskunst aus verschiedenen Perioden:Rind aus dem 1. Jt. v. Chr. (?),christliche Darstellungen, rezente (?) Kamele.(© W.A.D.I.-Project)

20 cm0 20 cm0

Page 7: Der lange Schatten der Akazie Fenster ins Wadi Abu Dom ... 2_2012... · Wadi Muqqadam und das Wadi Abu Dom. Das Wadi Muqqadam war eine der wichtigsten Handelsrouten im Altertum, hat

Wadi Abu Dom 7

Die Beobachtung, dass Wege und Rastplätze (an denFelsen sind Felsbilder aus unterschiedlichen Epochenzu finden) in der Antike und bis heute genutzt werden,führte dazu, dass wir verstärkt den Kontakt mit derheute dort lebenden Bevölkerung suchten. Heute woh-nen im Wadi Abu Dom weit verstreut einzelne Fami-lien, die vor allem Gartenbau betreiben. Sie pflanzenauf kleinen Feldern Tomaten, Zwiebeln, Melonen undGurken an. Als Wohnbauten dienen Hütten aus unge-brannten Lehmziegeln oder stabile Reethütten. Nebendieser sesshaften Bevölkerung wird die Bayuda von Ka-melnomaden genutzt. Diese ziehen mit ihren Herdenumher und richten punktuell Stationen ein für kürzereoder längere Aufenthalte. Dazu errichten sie ein tem-poräres Lager aus Planen, wobei sie die hölzernen Stüt-zen und Planen jeweils weitertransportieren, währenddie großen Steine, die zum Beschweren oder als Grund-lagen für Bettroste dienen, am Ort verbleiben. Ebensosind diese Camps an Feuerstellen und vor allem an hin-terlassenem Abfall zu erkennen.

Genau diese Situation spiegelt sich im archäolo -gischen Kontext wider. Wir fanden die Grundstruk -turen von Hütten, meist an etwas höher gelegenen Stellen und sehr vereinzelt (Abb. 6). Andererseits stießen wir auf Spuren von Lagerplätzen; auch hiermarkieren einige größere Steine, selten Feuerstellenund vor allem Keramikscherben die Anwesenheit von Menschen (Abb. 7). Wirkönnen daher darauf schließen, dass auch in der Antike zwei Bevölkerungs-gruppen in der Bayuda lebten: einige wenige sesshafte, möglicherweise von Oasenwirtschaft lebende Gartenbauern sowie nomadi sierende Viehzüchter, diesich nur temporär an festen Stationenaufhielten.

Wir konnten allerdings einen deutli-chen Unterschied zwischen den ufer-nahen Bereichen des Wadi Abu Domund dem weiter im Landesinneren lie-genden Hinterland erkennen. Im ufer-nahen Bereich fanden wir vor allem direkt auf den Uferterrassen, insbeson-dere an Mündungen von Seitentälern,temporäre Lagerplätze, etwas erhöhtdann die wenigen Hüttenstrukturen.Im Hinterland, in dem keinerlei Was-serressourcen zu erwarten sind unddaher auch kaum Pflanzenbewuchs

Abb. 6 Hüttengrundrisse.

(© W.A.D.I.-Project)

Abb. 5 Trampelpfad mit Hindernis

und Scherben. (© W.A.D.I.-Project)

Page 8: Der lange Schatten der Akazie Fenster ins Wadi Abu Dom ... 2_2012... · Wadi Muqqadam und das Wadi Abu Dom. Das Wadi Muqqadam war eine der wichtigsten Handelsrouten im Altertum, hat

8 Wadi Abu Dom

herrscht, sind lediglich die Trampel-pfade zu erkennen. Da sind es nur einzelne Feuerstellen und Fessel-steine direkt an ausgetretenen Pfa-den, die uns sagen, dass das Hinter-land als Durchzugsgebiet diente. Hierwurde für eine Nacht Halt gemacht,dabei ein Feuer entfacht und einwertvolles Tier angebunden, jedochnicht länger Station gemacht. Dieses„Land zum Reisen“ setzt sich auch imarchäo logischen Befund sichtbar vom„Land zum Wohnen“ ab.

Ein methodisches Problem ist jedoch die noch offene Frage der Zeitstellungen der einzelnen Katego-rien Hüttengrundriss, Rastplatz undNachtlager im Hinterland. Da es sichum einen Oberflächensurvey handeltund wir bisher keine Ausgrabungen

durchgeführt haben, können wir nicht feststellen, wie die chronologischen Ver-hältnisse beschaffen sind. Vor allem die Hüttengrundrisse sind fundleer; bei denLagerplätzen haben wir dagegen reichlich Keramik aus der Zeit des ersten vor-christlichen und ersten nachchristlichen Jahrtausends gefunden. An den Tram-pelpfaden entdeckten wir sogar Hinterlassenschaften vom 2. Jt. v. Chr. bis in dieheutige Zeit. In Analogie zur Gegenwart kann auf eine Gleichzeitigkeit, also dasNebeneinander von Sesshaften, Nicht-Sesshaften und Durchreisenden, geschlos-sen werden. Auf der anderen Seite kann es sich um lokale kurzfristige Anpassun-gen an den Lebensraum (z.B. bei längeren Trockenzeiten) oder langsame und groß-räumige Veränderungen handeln. In diesem Fall könnten beide Formen vonSiedlungsresten von der gleichen Bevölkerungsgruppe stammen, die nach einersesshaften Phase saisonale Wanderungen unternahm oder auch in kürzeren Wech-seln sich den jeweiligen (ökologischen?, politischen?) Situationen anpasste.

Die Ruinen im Wadi Abu Dom

Bei einer Reise durch die Bayuda entdeckten H.N. Chittick und P.L. Shinnie imJahre 1951 neben der bereits bekannten Anlage von Ghazali vier größere Struk-turen im Wadi Abu Dom. Von dreien fertigten sie eine Skizze an, die Beschrei-bung beschränkte sich aber auf wenige Absätze. Sie sind nun unter den NamenUmm Ruweim I und II, Quweib und Umm Khafour bekannt. 1989 wurde durchPatrice Lenoble, Ossama El-Nur und Hassan Bandi eine kleine Sondage in UmmRuweim I und eine weitere in Quweib angelegt, außerdem publizierten sie eineverbesserte Skizze. Doch noch immer wusste man weder um Zeitstellung nochFunktion dieser Anlagen. So sehen wir es nun als unsere Aufgabe an, die vierStrukturen zu erforschen. Im Zuge des Survey-Projektes kann das nur am Randegeschehen, so dass eine partielle Ausgrabung im Anschluss an das W.A.D.I.-Pro-jekt geplant ist. In den beiden letzten Kampagnen konnten aber alle vier Struktu-ren durch einen Architekten zeichnerisch und fotografisch dokumentiert werden,um mit einem Grundrissplan weitere Aktivitäten planen zu können. Dabei wur-

Abb. 7 Alter Lagerplatz. (© W.A.D.I.-Project)

Page 9: Der lange Schatten der Akazie Fenster ins Wadi Abu Dom ... 2_2012... · Wadi Muqqadam und das Wadi Abu Dom. Das Wadi Muqqadam war eine der wichtigsten Handelsrouten im Altertum, hat

Wadi Abu Dom 9

den kleine Sondagen angelegt, umdie absolute Mauerhöhe feststellen zukönnen. Diese erbrachten in UmmRuweim I auch Holzkohleproben, diemittlerweile alle in den Zeitraum240 –330 n. Chr. datiert werden kön-nen. Leider haben die anderen Struk-turen kein datierbares Materialerbracht, so dass wir noch nicht sagenkönnen, ob alle Ruinen gleichzeitigbestanden oder nicht.

Beispielhaft soll im Folgenden diekomplexeste dieser Strukturen, UmmRuweim I, vorgestellt werden; auf dieanderen drei wird nur kurz einge-gangen.

Umm Ruweim I besteht aus zweiineinander gesetzten rechteckigenRaumkränzen, in deren Zentrum einquadratisches Gebäude steht (Abb. 8;9). An jeder Seite des äußeren Raum-kranzes ist ein L-förmiger Eingangsichtbar, jedoch sind drei dieser Ein-gänge verblockt worden und nur deröstliche ist als Zugang offen geblie-ben. Der innere Raumkranz und derZentralbau haben nur je einen Zu-gang, der ebenfalls im Osten liegt. DieRäume sind langgestreckt, einer er-reicht sogar eine Länge von 30 m. AlleRäume haben Öffnungen zum Hof,doch auch hier konnten wir wiederfeststellen, dass viele dieser Öffnun-gen verrammelt wurden. Der Groß-teil der Räume im inneren Raum-kranz wurde zudem verfüllt, so dasseine fast umlaufende Terrasse ent-stand. Es ist anzunehmen, dass diesegrundlegende Veränderung derRaumstruktur auch mit einer Verän-derung der Funktion einherging. DerZentralbau besteht aus nur wenigenRäumen, die um einen kleinen Hofgruppiert sind. In diesem steht einquadratischer, massiv aus Steinen ge-bauter Block, dessen Funktion uns

Abb. 8  Die Ruine Umm Ruweim I (Drachenfoto © H. Paner)

Abb. 9 Die Ruine Umm Ruweim I (Zeichnung:

D. Eigner, © W.A.D.I.-Project)

P

20 m0 10

Fenstervermauerte Öffnung

Wegeleitung in die Struktur Treppe, RampeVerfüllungP Plattform

Page 10: Der lange Schatten der Akazie Fenster ins Wadi Abu Dom ... 2_2012... · Wadi Muqqadam und das Wadi Abu Dom. Das Wadi Muqqadam war eine der wichtigsten Handelsrouten im Altertum, hat

10 Wadi Abu Dom

völlig unklar ist. Kann es der Rest eines Altares sein odereine Plattform, die als Unterbau für eine weitere Struktur– etwa einen Baldachin oder einen Thron – diente?

An allen vier Innenecken des äußeren Raumkranzessowie an dreien im Inneren und auch am Zentralbau sindTreppen bzw. Rampen nachzuweisen. Die Treppen imäußeren Ring der Höfe enden in einer Plattform von etwa2,00 m x 2,00 m Größe in nur etwa 1,70 m Höhe über demvermutlichen Hofniveau. An einen Zugang zu einem etwaigen Obergeschoss kann daher nicht gedacht wer-den; die Funktion dieser Treppen bleibt daher vorerstnoch im Dunkeln.

In vielen Mauern sind kleine Öffnungen zu sehen, dievermutlich als „Fenster“ für Belüftung und Licht dienten(Abb. 10). Sie sind sogar in später verblockten Durchgän-gen zu finden. Das aus roh behauenen Steinen errichteteTrockenmauerwerk war verputzt – in einer Sondagekonnten wir feststellen, dass es sogar zwei Phasen derVerputzung gab. Alles in allem wirkt diese Anlage durch-aus „bewohnenswert“.

Grundsätzlich sind die drei anderen Ruinen in ähnlicherWeise errichtet, jedoch viel weniger komplex. Quweibbesteht aus einem rechteckigen Raumkranz mit einemZugang im Osten; die zwei anderen Bauten sind heute

nur noch als nahezu quadratische Umfassung mit je zwei Eingängen sichtbar.Gerade hier konnten aber die geophysikalischen Unter suchungen der letztenKampagne heute Unsichtbares sichtbar machen: in beiden Umfassungen hat esLehmziegeleinbauten gegeben.

Die Funktion aller dieser Ruinen ist noch völlig unklar. Da wir nur aus Umm Ruweim I exakte Daten haben, können wir nicht einmal sagen, ob alle vier zeit-gleich waren (und dann wohl unterschiedlichen Funktionen dienten) oder ob sienacheinander errichtet wurden und – auch wenn das äußere Erscheinungsbildunterschiedlich ist – vielleicht die gleiche Funktion innehatten. Darüber hinausliegen eine weitere ähnliche Struktur ca. 25 km nördlich des Wadi Abu Dom imKhor Shingawi und noch eine sehr viel weiter südlich im mittleren Wadi AbuDom bei Et Tuweina vor. In den nächsten Kampagnen planen wir, auch diese beiden Bauten zu dokumentieren, und hoffen, dass wir nach Abschluss des Sur-vey-Projektes zumindest partiell Ausgrabungen durchführen können. Dies solltedann zuletzt Aufschluss über Datierung und Funktion der Steinbauten im WadiAbu Dom geben.

Angelika Lohwasser

Angelika Lohwasser ist Professorin am Institut für Ägyptologie und Koptologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Als Expertin für Archäologie und Geschichtenubischer Kulturen leitet sie seit 2009 das Projekt „Wadi Abu Dom Itinerary (W.A.D.I.)“ imNordsudan.

Abb. 10 „Fenster“ in einer Mauer in Umm Ruweim I. (© W.A.D.I.-Project)