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Albrecht v. Graefes Arch. klin. exp. Ophthal. 186, 105--109 (1973) by Springer-Verlag 1973 Der Milchs/iuregehah im Glask6rper des Kaninchenauges w/ihrend und nach Druckisch/imie H. WeiB und B. Kosmath I. Universit/its-Augenklinik Wien, Abteilung fiir experimentelle Ophthalmologie (Vorstand: Prof. Dr. K. tIruby) Eingegangen am 6. November 1972 Lactic Acid in the Vitreous ttumour of Rabbit's Eyes during and after Pressure Isehaemia Summary. In the present study the lactic acid content of the vitreous humour of rabbit's eyes was estimated after 1 h of pressure ischaemia. During pressure ischaemia the lactic acid content increased, mostly during the first 30 minutes. The excretion rate of lactic acid was determined after 1 and 2 h of pressure ischaemia and after intravitreal injection of 1000 y lactic acid. The various courses of excretion led to the conclusion that the vitreous barrier had been damaged by the pressure. Zusammen/assung. In der voliegenden Arbeit wird nach einer einstiindigen Druckischamie am Kaninchenauge das Verhalten der Milchsaure im Glask6rper bestimmt. Es zeigt sieh w~ihrend der Druckisch~mie eine Zunahme des GehMtes an Milchsi~ure; dieser Vorgang bleibt vorwiegend auf die ersten 30 rain beschr~inkt. Die Ausscheidungsgeschwindigkeit der Milchsaure wurde nach ein- bzw. zweistfindiger Druckisch~mie sowie nach intravitrealer Injektion yon 1000 y Lactat gemessen. Die verschiedenen Verlaufsformen der Milchs~iureausscheidung lassen auf eine Sch~- digung der Glask6rperbarriere durch den Druckanstieg schliegen. Einleitung Die Beziehungen zwisehen Netzhautstoffweehsel und Glask6rper spiegeln sich unter anderem im intravitrealen Milehs/~uregehalt wider. Angaben fiber diesbez/igliche Wcrte liegen yon Sfillmann, De Vineentiis und Auricchio vor. Reddy et al. stellten beim normalen Tier lest, dab die Milchs/~urekonzentration im GlaskSrper hSher ist als im Plasma und Kammerwasser. Sic geben den entsprechenden Quotienten Glask6rper: Plasma mit ca. 2.65, do Vincentiis mit 2,6 bzw. 4,3 an. Als Grund wird die F/~higkeit der Netzhaut zur anaeroben Glykose angeffihrt. Besitzl+ die Retina diese Anlage nicht, so ist nach Do Vincentiis der Gehalt an Milch- s/~ure in Glask6rper und Plasma gleich hoch. Die in der Literatur vor- liegenden Angaben betreffen vorwiegend den normalen Netzhautstoff-

Der Milchsäuregehalt im Glaskörper des Kaninchenauges während und nach Druckischämie

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Albrecht v. Graefes Arch. klin. exp. Ophthal. 186, 105--109 (1973) �9 by Springer-Verlag 1973

Der Milchs/iuregehah im Glask6rper des Kaninchenauges w/ihrend und nach

Druckisch/imie

H. WeiB und B. Kosmath

I. Universit/its-Augenklinik Wien, Abteilung fiir experimentelle Ophthalmologie (Vorstand: Prof. Dr. K. tIruby)

Eingegangen am 6. November 1972

Lactic Acid in the Vitreous t t u m o u r of Rabb i t ' s Eyes during and after Pressure Isehaemia

Summary. In the present study the lactic acid content of the vitreous humour of rabbit's eyes was estimated after 1 h of pressure ischaemia. During pressure ischaemia the lactic acid content increased, mostly during the first 30 minutes. The excretion rate of lactic acid was determined after 1 and 2 h of pressure ischaemia and after intravitreal injection of 1000 y lactic acid. The various courses of excretion led to the conclusion that the vitreous barrier had been damaged by the pressure.

Zusammen/assung. In der voliegenden Arbeit wird nach einer einstiindigen Druckischamie am Kaninchenauge das Verhalten der Milchsaure im Glask6rper bestimmt. Es zeigt sieh w~ihrend der Druckisch~mie eine Zunahme des GehMtes an Milchsi~ure; dieser Vorgang bleibt vorwiegend auf die ersten 30 rain beschr~inkt. Die Ausscheidungsgeschwindigkeit der Milchsaure wurde nach ein- bzw. zweistfindiger Druckisch~mie sowie nach intravitrealer Injektion yon 1000 y Lactat gemessen. Die verschiedenen Verlaufsformen der Milchs~iureausscheidung lassen auf eine Sch~- digung der Glask6rperbarriere durch den Druckanstieg schliegen.

Einleitung Die Beziehungen zwisehen Netzhautstoffweehsel und Glask6rper

spiegeln sich un te r anderem im in t ravi t rea len Milehs/~uregehalt wider. Angaben fiber diesbez/igliche Wcrte liegen yon Sfillmann, De Vineentiis und Auricchio vor. Reddy et al. stell ten beim normalen Tier lest, dab die Milchs/~urekonzentration im GlaskSrper hSher ist als im Plasma und Kammerwasser . Sic geben den entsprechenden Quot ienten Glask6rper: Plasma mit ca. 2.65, do Vincentiis mi t 2,6 bzw. 4,3 an. Als Grund wird die F/~higkeit der Ne tzhau t zur anaeroben Glykose angeffihrt. Besitzl+ die Re t ina diese Anlage nicht, so ist nach Do Vincentiis der Gehalt an Milch- s/~ure in Glask6rper und Plasma gleich hoch. Die in der Li tera tur vor- l iegenden Angaben betreffen vorwiegend den normalen Netzhautstoff-

106 H. WeiB und B. Kosmath:

wechsel und seinen Einflul~ auf den Glask6rper . I m R a h m e n einer gr6Be- t en Untersuchungsre ihe fiber die Folgen der Druckischi imie wurde u .a . der Milchsi iuregehalt im GlaskSrper bei Umste l lung des Netzhauts tof f - weehse]s auf die anaerobe Glykolyse untersucht . I n diesem Zusammen- hung haben wir folgende 3 F ragen gestel l t und zur Grundlage unserer E x p e r i m e n t e gemaeh t :

1. Bewirk t die Druckischi imie einen Anst ieg der Milchs~ure im Glas- kSrper ?

2. I n welchem Ze i t r aum wird diese zuss Milchs~ure nach Abse tzen der Druckisch~mie wieder ausgesehieden ?

3. I s t die El iminierungsgeschwindigkei~ der Milehsi~ure aus dem Glas- kSrper yon der Dauer der Druckischs abhiingig ?

Material und Methodik Als Versuchstiere dienten Kaninchen beiderlei Gesch|echts vonder l~asse ,, Gelb-

Silber" mit einem Durchschnittsgewicht yon 2--2,5 kg. Alle Eingriffe erfolgten je- weils am rechten Auge, das Partner~uge diente zur Kontrolle. Der intraoculare Druck wurde in INembut~Inarkose (30 mg/kg i.v.) mittels eines geeigneten Systems fiber die Vorderkammer auf 170--180 mm Hg erhSht. Nur die Dauer der Druck- erhShung wurde variiert, der Druck selbst konstant gehal~en. Die Versuche wurden nach 5, 10, 15, 20, 30, 50, 90 und 120 rain beendet und die Milehs~ure mit dem Lactat-UV-Test yon Boehringer (15972 TLAA) in 0,1 ml homogenisiertem Glas- kSrper bestimmt. Bei der Gewinnung des GlaskSrpers wurde zuerst das rechte und 15 rain sp~ter das linke Auge pr~pariert. Die bTormalwerte der GlaskSrpermilch- s~iure bei einer durchschnittlichen Pr~parationsduuer yon 5 rain betrugen 1700 ~= 250 y. Die Bestimmung der ~ilchsgure im GlaskSrper normuler Tiere ergab im linken Auge entsprechend dem verzSgerten Prgparationsbeginn yon 15 rain einen um 200--250 y hSheren Wert. Bei Berficksichtigung dieser Tatsache ist der Unterschied im Milehsguregeh~lt zwischen den unbeh~ndelten Augen eines Kanin- ehens geringer als die Fehlerquelle der ~ethodik, die bei ~ 5 % liegt. Die folgenden Werte stellen das 5Iittel yon jeweils 3--5 Versuchen dar.

Ergebnisse Als Folge der Druckisch~mie k o m m t es in den ers ten 15 rain zu einem

Anst ieg der Milchs~ure um ca. 200--250 y, nach 30 rain um 500 y, nach 50 rain um 700 ~ und nach 120 rain um etwa 800--900 y. Verg]eicht man die Zunahme der Milchs~ure zwischen der 15. a n d 30. min, so lgl~t die Verdoppelung des ers ten 15 min-Wer tes auf eine unverminder t e In ten- s i ta r der anaeroben G]ykolyse schlief~en. I m In t e rva l l yon 30- -60 rain be t r s die Zunahme an Milchs~ure nur mehr die tti~lfte des ers ten 30 min- Wertes . Zwischen der 60. und 120. rain is t die Zuwachsra te auf ma x ima l 20% abgesunken und l iegt dami t nahe der Feh le rbre i te unserer Unter - suchungsmethode (Abb. 1).

Die Ausseheidungsgeschwindigkei t der Milchs~ture wurde ira Anschlul~ an eine ein- bzw. zweist i indige Druckisch~mie bes t immt . Nach der ein-

Milchs~ure im Glask6rper bei Druckisch~mie 107

1000 - -~

9O0 -

800" T ~----

700- ~

600 -

500 -

400-

300 -

200-

100-

0 I I 0 5 10 15 20 30 60 90 MIN. 120

I STREUBREITE

Abb. 1. Zunahme der Milchs~ure im Glask6rper des Kaninchens nach Druckisch~mie, bezogen auf das unbehandel~e Par~nerauge

900 ~ooooooooooo ,oooo . . . . . ooo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . o . . . . . . ~176176

8OO 00, il 6 0 0

L

500 i

4OO

300

200 i

100

0 ] I ] I ] ] ] [ 10 20 30 40 50 60 120 MIN. 180

I STREUBREITE

Abb. 2. Ausscheidungsgesohwindigkeit der Milchs~ure aus dem Gl~skSrper des K~ninchens n~ch ein- und zweistfindiger Druckisch~irmie sowie nach in~r~vitre~ler Injektion yon 1000 7 Na-L~ctat, bezogen auf das unbehandelte Partner~uge. - - einstiindige Druckischamie, o o o o o o zweistfindige Druckisch&mie, o . . . . . o in-

travitre~le Injektion

stfindigen Erh6hung des intr~ocularen Druckes t r i t t eine Normalis ierung innerh~lb yon 3 Std ein, d.h. die Milchs~ure im GlaskSrper des beh~ndel- t en Auges ha t die Werte des Partner~uges wieder erreicht. Die Abnahme erfolgt im wesentl ichen linear. I m Anschlu6 an eine ErhShung des intra- ocul~ren Druckes ffir 2 Std bleiben die Milchs~urewerte ~fir 2 Std unver- ~ndert hoch und zeigen erst nach 3 Std eine ca. 20 % ige Abnahme. Unter- suchungen fiber einen l~ngeren Zei tr~um wurden nicht durchgefiihrt. Auf- g rund dieser verschiedenen El iminierungsdauer der Milchs~ure n~eh ein-

8 A l b r e c h t v . G r a e f e s A r c h . k l i n . e x p . O p h t h a l . , B d . 1 8 6

108 H. WeiB und B. Kosmath:

bzw. zweistfindiger Druckischihnie ergab sich zusatzlich die Frage, ob dieser Befund als eine Folge des mechanischen Druckes oder der Zunahme an Milchs~ure anzusehen ist. Zur Kl~rung dieser Frage wurde normalen Tieren 1000 1, Na-Lactat , ,Serva" (0,02 ml einer 5% igen L6sung) am Aquator in Richtung auf den hinteren Augenpol hin intravitreal injiziert. Da die Flfissigkeitsmenge nur 1,5 % des Glask6rpervolumens ausmacht, war keine Drucksteigerung zu erwarten. 15 rain nach der Injektion war diese zus~tzliche Milchsi~ure nicht mehr nachweisbar.

Diskussion

Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dab es im Glask6rper als Folge der Druckischgmie zu einem Anstieg des Milchsi~uregehaltes kommt. Diese Zunahme verli~uft nicht linear, sondern nimmt bereits zwischen der 30. und 60. rain um die Hi~lfte ab. Zwischen der 90. und 120 min liegt die Zuwaehsrate schon nahe der Fehlerbreite. Da der Zuwachs an Milchsi~ure Ausdruek der glykolytisehen Aktivit~t der Netzhaut ist, k6n- nen wir daraus ableiten, dub fiber den 60 min-Wert hinaus die anaerobe Glykolyse ersch6pft ist. Dieser Befund entsprieht den Ergebnissen fiber den Glucoseverbrauch der Netzhaut unter gleichen Versuchsbedingungen (Weiss, 1971, 1972).

In einer friiheren Arbeit (Weiss, 1972) konnte ferner nachgewiesen werden, dab 2/2 der Glucose, die die lYetzhaut w~hrend einer einstiindigen Druckischi~mie zur Aufrechterhaltung der anaeroben Glykolyse ben6tigt, dem GlaskSrper entnommen werden. Wi~hrend das Verh~ltnis Milchsiture : Glucose beim normalen Tier 1,55 betr~gt (1700 F Milehsiture: 1 100 Glucose), erh6ht sieh dieser Quotient nach 1 Std Druckischgmie auf 4,0 (2400 ~ Milchsi~ure: 600 F Glucose). Diese 2400 ? resultieren aus dem Normalwert der Glask6rpermilchs~ure (1700 ?), erh6ht um die wahrend der einstfindigen Druckisch~mie gebildete Menge. Der Wert yon 600 Glucose ergibt sich aus den Normalwerten (1 100 ~) abzfiglich 500 ~ aus dem Glask6rper verbrauchter Glucose. Die Differenz zwischen den 700-- 800 7 neugebildeter Milchsi~ure und den 500 F verbrauehter GlaskSrper- glucose l~ftt sich durch die Tatsache erkl~ren, daI~ w~hrend der ersten 20 rain der Druckisch~mie zur Aufrechterhaltung der anaeroben Glyko- lyse Glucose ausschlieBlich der Netzhaut entnommen wird. Die dabei ver- brauchten 200--250 F Glucose erseheinen im GlaskSrper ebenfalls als Milcbs~ure. Da das Glucosedepot bereits 1 Std nach Absetzen der Druck- ischiimie zu 90 % wieder ergi~nzt ist, wghrend die Milchs~tureausscheidung erst maximal 25 % des ~Jberschusses betragt, ergibt sich zu diesem Zeit- punkt ein Quotient yon 2,2. Erst naeh 3 Std ist das Ausgangsvcrh~ltnis wiederhergestellt. Wir schliei~en aus dem Vcrgleich der Ausscheidungs- geschwindigkeiten der Milchs~ure nach Druckisch~mie bzw. intravitrealer

Milchs~inre im Glask6rper bei Druckisehi~mie 109

In jek t ion auf eine spezifische Sch~digung der GlaskSrperb~rriere (Bleeker

et al.) durch den mechanischen Druck.

Literatur Auricchio, G. : I1 metabolismo della retina distaccata. Boll. Oculist. 32, 287 (1953). Bleeker, G. 5~., Haeringen, N. J. van, ~aas, E. R., Glasius, E. : Selective properties

of the vitreous barrier. Exp. Eye Res. 7, 37-46 (1968). Reddy, D. V. N., Kinsey, V. E. : Composition of the vitreous humour in relation to

that of plasma and aequeous humours. Arch. Ophthal. 63, 715 (1960). Stillmunn, H. : Chcmie des Auges. Tabul. biol. ('s-Gray.) 22, II, 79 (1951). Vincentiis, M. de: Ulteriori osservazioni sill contenuto di acido piruvico e acido

lattico nel vi~reo. Boll. Soc. ital. Biol. sper. 27, 306 (1951). Weil], H.: Der GlaskSrper als Energiedepo~ bei der Druckisch~Lmie. Tagg. DOG,

1971, Heidelberg. WeiB, H. : The carbohydrate Reserve in the vitreous body and retina of the rabbit's

eye during and after pressure ischaemia and insulin hypoglycaemia. Ophthal. Res. 3, 360--371 (1972).

Dr. H. Weil~ Dr. 13. Kosmath I. Univ-Augenklinik Spitalgasse 2 A-1090 Wien ()sterreich

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