12
(Aus der ~rztlichen ]t~orschungsstation ftir KSrpererzichung beim Bu]garischcn Unterrichtsministerium in Sofia. [Leiter: Dr. Dragomir Matee//].) Der orthostatische Kreislaufkollaps -- Gravitationsshock (gravity shock) -- beim Menschen nach kiirpcrlicher Arbeit. Von Dragomir Mateeff. Mit 5 Textabbildungen. (Eingegangen am 15. Mdrz 1935.) Die bekannten orthostatischen Ver~nderungcn des Blutkreislatffs nehmen beim gesunden Menschcn gewShnlich keinen so grollen Umfang an, da[l sie (lie Blutversorgung des Gebirns gefs Diese weitgehende Anpassung des Kreislaufs an die vertikale Lage versagt vollkommen l~ach intensiver kSrperlicher Arbeit, besonders mit den unteren Extremi- t~ten, so dal] sclbst der gesundeste, besttrafi~ierte Sportler in eine Lage versetzt werden kann, we er wegen der Erscheinungen der Gchirnan~mic nicht mehr aufrecht zu stehen vermag (Matee]/u. Petrol])1. Unter den verschiedenen Arten der sportlichen Bets fiihrt der Schnellauf (100, 200 und 400 m) am h/i, ufigsten zu den Erschcinungen der Gehirn- anemic in aufrechter Stellung, zum sog. Gravi*ationsshock (gravity shock). Im Verlaufe meiner Untersuchungen zeigte sich, clal3 man am sichersten den Gravitationsshock expcrimentell hervorrufen kann, wenn man die Versuchsperson 2~3ma! 100 m im Schnellauf zur(icklegen l~tl~t mit einer Ruhepause yon 5--7 Min. zwischcn den einzelnen Lfi, ufen. Methodik. Die in dieser Arbeit besprochenen Versuchsreihen wurden an 16 jungen Sportlern so ausgeffihrt, da~ 5--10 Min. nach dem letzten Lauf die Untcrsuchung des Kreislaufs begann, indem die Versuchsperson aufgefordert wurde, nach MSglichkcit mit entspannter Muskulatur, ohne ]~ewegung der Beine, aufrecht zu stehen, wobei das Standbcin nach Belieben gewechsclt werden durftc. Pulsfrequenz, systolischer und diastolischer Blutdruck wurden in Absts yon je ciner Minute fest- geste]lt 2 Versuchsergebnisse. Das erste Pulstonogramm (Abb. l) zeigt den Verlauf eilms typischen Versuchs. Es handelt sich um die Versuehspersolz A. B., ein sich im Training beffildender, gesunder Sportier, 18 Jahre alt, GrSBe 171 cm, Gewicht 61,3 kg, Brustumfang 1 Matee[/, .Dragomir u. Chr. Petrol/: Z. exper. Med. 8,~ (1932). 2 Weiteres tiber die Methodik s. Matee]] u. Petro]/ I. c.

Der orthostatische Kreislaufkollaps — Gravitationsshock (gravity shock) — beim Menschen nach körperlicher Arbeit

Embed Size (px)

Citation preview

(Aus der ~rztlichen ]t~orschungsstation ftir KSrpererzichung beim Bu]garischcn Unterrichtsministerium in Sofia. [Leiter: Dr. Dragomir Matee//].)

Der orthostatische Kreislaufkollaps - - Gravitationsshock (gravity shock) - - beim Menschen nach kiirpcrlicher Arbeit.

Von Dragomir Mateeff.

Mit 5 Textabbildungen.

(Eingegangen am 15. Mdrz 1935.)

Die bekannten orthostatischen Ver~nderungcn des Blutkreislatffs nehmen beim gesunden Menschcn gewShnlich keinen so grollen Umfang an, da[l sie (lie Blutversorgung des Gebirns gefs Diese weitgehende Anpassung des Kreislaufs an die vertikale Lage versagt vollkommen l~ach intensiver kSrperlicher Arbeit, besonders mit den unteren Extremi- t~ten, so dal] sclbst der gesundeste, besttrafi~ierte Sportler in eine Lage versetzt werden kann, we er wegen der Erscheinungen der Gchirnan~mic nicht mehr aufrecht zu stehen vermag ( M a t e e ] / u . Petrol])1. Unter den verschiedenen Arten der sportlichen Bets fiihrt der Schnellauf (100, 200 und 400 m) am h/i, ufigsten zu den Erschcinungen der Gehirn- anemic in aufrechter Stellung, zum sog. Gravi*ationsshock (gravity shock). I m Verlaufe meiner Untersuchungen zeigte sich, clal3 man am sichersten den Gravitationsshock expcrimentell hervorrufen kann, wenn man die Versuchsperson 2 ~ 3 m a ! 100 m im Schnellauf zur(icklegen l~tl~t mit einer Ruhepause yon 5- -7 Min. zwischcn den einzelnen Lfi, ufen.

Methodik.

Die in dieser Arbeit besprochenen Versuchsreihen wurden an 16 jungen Sportlern so ausgeffihrt, da~ 5--10 Min. nach dem letzten Lauf die Untcrsuchung des Kreislaufs begann, indem die Versuchsperson aufgefordert wurde, nach MSglichkcit mit entspannter Muskulatur, ohne ]~ewegung der Beine, aufrecht zu stehen, wobei das Standbcin nach Belieben gewechsclt werden durftc. Pulsfrequenz, systolischer und diastolischer Blutdruck wurden in Absts yon je ciner Minute fest- geste]lt 2

Versuchsergebnisse.

Das erste Pulstonogramm (Abb. l) zeigt den Verlauf eilms typischen Versuchs.

Es handelt sich um die Versuehspersolz A. B., ein sich im Training beffildender, gesunder Sportier, 18 Jahre alt, GrSBe 171 cm, Gewicht 61,3 kg, Brustumfang

1 Matee[/, .Dragomir u. Chr. Petrol/: Z. exper. Med. 8,~ (1932). 2 Weiteres tiber die Methodik s. Matee]] u. Petro]/ I. c.

596 Dragomir Mateeff: Der orthostat ische Kreislaufkollaps - - Gravitat ionsshoek

81/90 am, V i t a lkapaz i~ t 4400 ecru. Am 16. 6 .34 l l Uhr vormit tags lieI3 man ihn 2 • 100 m laufen. Er legte die n icht gut geebnete Strecke jedesmal in 13,5 Sek. zurilok. ~'aeh dem zweiten Lauf ruhte er 7 Min. in horizontaler Lage aus und wurde dann aufgefordert, aufreeht zu stehen. Wie aus dem Puls tonogramm ersichtlich, bekommt er nach 6 Min. aufreehten Stehens den Gravi tat ionsshock. Der systolische l~lutdruek, der in der 1. Min., nachdem die Versuchspcrson die aufrechte Stellung e ingenommen ha t te , auf 120 mm I-Ig s tand, fiel nach 6 Min. auf 45 mm I-Ig. Die Pulsfrequenz kurz vor dem Shock s tand bei einem Blu tdruck von 95/68 auf 128 Schl~gen in der Minute und verlangsamtc sick plStzlich mi t dem Ein t re ten des Shocks bei einem Blutdruek yon 45 mm Hg auf 92 Sehl~ige pro Minute (asphiktische Vagusreizung). Fast beurafltlos wurde die Vcrsuchsperson in horizontale Lage gebracht. Schlagartig normalisiert sieh darau/hin der Kreislau/. Der Blu tdruek stel l t sich

lqO I I OaJ'I/nke Be'nl laucl~ dak,'~/.~ l I Bandawien! I van dew Ban- I IBe/n ~ dew Ban- I

I~0 ~ I "I I dage~it I |dage ~fpe# I

i ~.J ~ ~ I _ _ _ l _ l _ ~ " ! ~ ~Bluld~ l

oo : ' IdIllllllllllllllliill]Jlll l

Slehen Z/e~en bTehen m/l, Bandcv~en L/e~en

~o~, ~' /o' /~, ~o' ~'~' " h'--3~' Abb. 1.

au~ 115/85 ul~d dic Pulsfrequenz auf 96 ein. Der junge Sportier ftihlt sich -~bsolut wohl.

Noch w~hrend des Licgens werden seilm unteren ExtremitYten mit 15 cm breiten elastischen Binden (,,Idealbinde") yon der Sohle bis zum Becken /est umwickelt. Nun wird die Versuchsperson aufgefordert, sich aufzurichten. Wie aus dem Pulstono- gramm ersichtlich, is t der Blutkreislauf je tz t vollkommen stabil. Der Blu tdruek hiilt sich mit geringen Schwankungen auf 11,5/70, und der Puls s teigt n icht fiber 106. Naeh 12 Min. au/rechten Stehens wird das eine Bein der immer noch stehenden Versuchsperson yon der Bandage be]felt. Der Blu tdruck fi~llt sofort von 115/75 auf 90/70 und die Pulsfrequenz steigt yon 100 auf 116. Nach 3 Min . wird auch das andere Beln yon der Bandage be]reit. Der B[utdruck f&llt noch s tarker und erreicht in 7 Min. 55 mm Hg, die Pulsfrequenz steigt auf 124. Der Unte r such te wird sehr blaf$, es wird ihm sehwarz vor den Augen. Er wird sofort in die horizontale Lage gebracht, otHm das asphyktiscke Stadium abzuwarten. Der Kreislauf normMisiert sieh augenblicklich: Blutdruck 110/80, Pulsfvequenz 80.

Die folgenden zwei Puls tonogramme (Abb. 2 u. 3) stellen die Versuche mi t dem 191/2j~hrigen Schiller E . P . dar. GrSBe 1721/.~ cm, Gewieht 65,4 kg, Brus tumfang 83/93, Vita ikapazi t4t 4200 eem. Aueh er befindet sich im Training fiir Sctmellauf.

])as erste Puls tonogramm (Abb. 2) stellt den Versueh am 14. 6 .34 81/~ Uhr morgens dar. Dieser Versuch soll die filr diese Person physiologischen ertho- s tat isehen Veriinderungen des Kreislaufs feststellen. Vor dem Versuch ha t der Schiller keinerlei kTrperliche Arbei t verr iehtet .

(gravity shock) - - beim l~enschen nach k6rperlicher Arbeit. 597

Das Pulstonogramnl veranschaulicht, wie stabil der Blutkreislauf dieses jungen Mensehen in aufreehter Stelhmg ist. Der systolische Blutdruck h~lt sich mit ganz geringen Schwankungen auf 120/75 mm ttg, der Umfang der Blutdruckamplitude verringert sieh nicht unter 45 mm Hg und die Pulsfrequenz steigt nicht fiber 100. Nach 10 Min. wird die Versuchsperson in horizontale Lage gebrach$. Der Blutdruck steigt von 120/75 auf ]40t80, und die Pulsfrequenz f/illt yon ]00 auf 72. Nun werden die Beine bandagiert, und der Schiller wird wieder aufgerichtet. Der Kreislauf zeit~t sich jetzt iloeh stabiler als vorhin; der Blutdruek stellt sieh auf 130/80, und die ]?ulsfrequenz steigt nicht fiber 92. Nach 10 Min. werden die Beine von den ~aridagen befreit. Der Blutdruck f/~llt von 135/85 auf 125/80, und die l~ulsfrequenz steigt yon 84 auf 98. Trotz dieser geringen Ver~nderungen bleibt der Kreislauf w/ihrend der 10 Min. des aufrechten Stehens vollkommen stabil, wobei zu

"II fgG . . . .

120 . . . . . . .

11o

106

go

70

60

50

[| Bandagiepl b~.~f. l [ I_ _ II __, ~ . l [ IBl~ldp [

I. / / / l l l l l l l l ~ ~ l I I~l iJ ' 1 l X1M,,~IIIlIIIIIIIIIIIIIIIIIIT IIIilIIM,i,i,i,T,,,~,T,~IIIILI

I 1TIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII/I[IllllIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIII!I~J~L] .lilllllllllllljil{l{Hllllllllllllllllllllllll ~ILLIII~II[IIII/I{!III{IIII~ 7771777~,,~TTrlrIYT,]lll/lllttlllll/llltIll l/lllatt+lN~+!~/i/lll_

! J I? �9 {.,"egen ~ksn In. B~,nol~ ~n ~e~ Beznd 4 ~ie on a-I i~"~" L I , I'~'~:.~o, ~ , , ~ ~'

)~ ~+ 10 ~ 15 + 20 x 25 + 30 + 35 ~ r ~

:kbb. 2.

benmrken ist, dab dic ~Verte des Blutdrucks und der Pulsfrequenz sich ungef/ihr auf derselben H6he halten wie beim ersten Stehen ohne Bandagen.

Das zweite Pulstonogramnl (Abb. 3) ergab sich nach dem Versuch mit dem gleichen Schiller am 13.6. um 11 Uhr vormittags. Diesmal lie$ man ihn 3real 100 m schnell ]aufen mit jewciligen Ruhepausen yon 5 Min. Die ersten 100 m hat er ia 13 Sek. (Strecke nicht gut gcebnet), die zweiten in 13,1 und die dritten in 14,3 Sek. zurfick- gelegt. Die Bcobachtung des t~ulses und Blutdrueks begann 7 Min. nach dem letzten Lauf in aufrechter Stellung. Die erste Bestimmung zeigte Puls 140, Blutdruck 125/70. Naeh 9 Min. aufreehten Stehens f/illt der Blutdruck auf 35 mm Hg. Die l~ulsfrequenz konnte nicht mehr bestimmt, werden, es stellte sich der Gravitations- sltock ein. Der Untersuehte wurde gleich in horizontale Lage gebracht, B/utdruck 135190, Pulsfrequenz 100. Er kommt zu sich, ffihlt sich gut. Nach 3 Min. richtete sieh der Untersuchte wieder auf. Es wiedcrholten sich dieselben Erseheinungen, so dab er nach l0 Min. wicder in die horizontale Lage gebracht werden mullte. Nun wurden die Beine bandagier#, (Abb. 3) und der Untersuehte wurde veranlal]g, sieh wieder aufzurichtcn. Trotzdcm der junge Maml durch die zweimalige Ohnmaeht sehr mitgenommen war, konnle er jctzt ohne jede Beschwerde aulrecht stehen und erkl~rte erleiehtert, daft er sich die,real 8eltr wohl /iihle. Der Blutdruck fiel - - wie aus dem Pulstonogramm zu ersehen ist - - nicht unter 110/80, und die ]?ulsfrequenz hielt sieh ohne jegliche Scllwankung auf 108. Naeh 10 Min. ist der Blutdruek 120/75 und die l~ulsfrequenz 108. 2Vu~ werden die Ba~glagen abgenommen. Der Blutdruck f/s gleich vori 120/75 auf 90/65, und die Pulsfrequenz .steigt vQn 108 auf 128.

598 Dragomir Mateeff: Der orthostatische Kreislaufkollalas - - Gravitationsshock

7 Min. danach ist der Blutdruck 60 mm ttg, und die Pulsfrequenz verlangsamt sich plftzlich yon 128 auf 100 (asphyktische Vagusrcizung). Der U.ntersuchte wird zum drittenmal bewufltlos.

Die zwei letzten Pulstonogramme (Abb. 2 u. 3) veranschaulichen ein- drucksvoll den groiten Untersehied zwisehen dem Verhalten des Kreis- laufs v o r u n d naeh intensiver k6rperlicher Arbeit in aufrechter Stellung. Bei ausgeruhter, friseher Muskulatur kann der Kreislauf in aufrechter Stellung trotz der geringen orthostatisehen Ver/~nderungen als stabil bezeichnet werden. Dagegen versagt er g/inzlich in aufrechter Stellung nach intensiver k6rperlicher Arbeit. Wenn der Menseh in solchem Zu- stand gewaltsam in vertikaler Lage gehalten wfirde, so wiirde er innerhalb

,,,IIIIIi] \ lllllll & o. L

II!}Ill IIIIll I I]IIIIIIIIII!) ,o Z[[i{llt1{{l{ II

$' IZ 15 ~ 20 ~ s 30 ~ 3 Z ~ '

Abb. 3.

einiger Minuten sterben an Gehirnan~mie, so wie die Schlange und das Kaninchen sterben, wenn sie zwangsweise aufrecht gehalten werden.

Das Bandagieren der Beine beseitigt die durch intensive kSrperliche Arbeit so stark hervorgerufencn orthostatischen StSrungen des Kreislaufs and gibt der Versuehsperson die F/~higkeit, ohne jegliche Besehwerden aufrecht zu stehen bei vollkommen stabilisiertem Kreislauf.

Trotz der grol]en l~bereinstimmung im Wesen der beschriebenen KreislaufstSrungen bei den verschiedenen Individuen beobachtet man doeh ausgesprochene individuelle Unterschiede. Diese individuellen Unter- schiede divergieren in zwei verschiedenen einander gegeniiberstehenden Reaktionstypen. Der eine Reaktionstyp zeichnet sieh durch eine auch in der Ruhelage hohe und labile Pulsfrequenz aus, die in der Periode naeh der kSrperlichen Arbeit in aufrechter Lage zu geradezu onormen Werten ansteigt. In dieser Periode bei dam Fallen des systolischen

(gravity shock) - - bcim Mcnschen nach k6rperlicher Arbcit. 599

Blutdrucks steigt bei diesen Personen der diastolische B1utdruek s tark an, so dab die Blutdruckaznplitude sehr erheblieh vermindert wird. Der Kreislauf macht in dieser Periode den Eindruck einer ausgesprochenen Kreislaufsehw/~che - - der Puls ist klein, fadellf6rmig, sehr labil und hochfrequent. In den extremen Fallen dauert diese ausgesprochene" Kreislaufsehw/~che ziemlich lange ohne jegliehe subjektive Beschwerde seitens des Gehirns, um dann auf einmal im Gravitationsshock zu enden.

2oo !, !

'I h l . l I I

' lllllll Illlllllllll

15 t

.A.bb. 4.

Der zweite extreme Typ charakterisiert sich durch eine ausgesprochene ]~radykardie 1 in der Ruhelage, sehr schwaehe ErhShung der Pulsfrequenz bei aufrechtem. Stehen in der Periode nach der kSrperlichen Arbeit, auch bis unmit telbar vor dem Shock. In dieser Periode bei dem starken Fallen des systolisehen Blutdrueks steigt der diastolische nnr sehr schwach eder gar nicht an. Die Blutdruckamplitude verringert sich bis zum Auf- t reten des Shocks dementspreehend weniger.

Beispiel fiir einen Vertreter des ersten extremen Typs ist das obere Pulstonogramm (Abb. 4), das den Versueh mit dem 18jahrigen Schiller W. S. darstellt.

Der Puls dieses jungen Mannes ist in horizontaler Lage zwischen 80 und 92, und in aufrechter Lage vor der kSrperlichen Arbeit schwankt er zwischen 105 und 115. Am 21.7.34, 10 Uhr morgens, hat dieser Jiingling 600 m in 120 Sek.

1 Es handelt sich bier nicht um die Individuen, die eine r sportliche Bradykardic aufweisea.

600 Dragomir Mateeff: Der orthostatisehe Kreislaufkollaps - - Gravitationsshoek

zurfiekgelegt. Gleich nach seiner Ankunft war die Pulsfrequenz 192 in der Minute und der Blutdruek 190/80 (Nutritionsreflex - - R. W. Heft). Sehon in der n~chsten Minute verlangsamte sieh der Puls auf 144 und erreiehte in der 6. Min. eine ~'requenz yon 120. Zur selben Zeit wurde der Blutdruek auf 125/85 festgestellt (Entlastungs- reflex). Von der 7. Min. an begann die Pulsfrequenz wieder zu steigen. Der systo- lisehe Blutdruck sank stufenweise. Gleiehzeitig steigt der diastolisehe Blutdruck. Die zwei Kurven des systolischen und diastolischen Blutdruckes konvergieren im Pulstonogramm, die Blutdruckamplitude wird dadurch erheblieh verkleincrt Ausdruek des stark verminderten Sehlagvolumens. In der 23. Min. naeh dem Lauf erreichte die Pulsfrequenz 140 Schli~ge in der Minute, der Blutdruck ist 95/90 und die Blutdruckamplitude 5 mm Hg! Der Puls ftihlt sich sehr schwach und filiform an. Trotzdem steht der Jfingling aufreeht ohne besondere Besehwerde, aufler einer leiehten Mfidigkeit. In der 26. Min. steigt der Puls auf 164, der Blutdruck ist 90/85 mm Hg. In der 31. Min. erreieht der Puls unter enormen Schwankungen die Frequenz yon 192 (!), der Blutdruck ist in diesem Moment 85/80. In der n~ehsten Minute wurde der Jfingling, der seit 3 Min. schon unruhig war, ganz blal] und verlor das Bewu~tsein. Die letzte Bestimmung des Pulses ergab 140 SchlKge in der Minute (asphyktische Vagusreizung) und die des Blut- drucks 60 mm Hg. Der Untersuehte wurde in die horizontale Lage gebracht. Die Pulsfrequenz fiel schlagartig auf 96, und der Blutdruek stellte sich auf 115/80 mm Hg ein.

Dieses Pulstonogramm stellt sehr eindrucksvoll den z~hen Kampf des Zirku- lationsapparates dar um die Kompensation der sich unaufhaltsam verringernden zirkulierenden Blutmenge. Der systolisehe Blutdruek fallt langsam, stufenweise, Sehritt ifir Schritt ab. Der diastolische h~lt sieh lange Zeit fiber 90 mm Hg bei einer Amplitude yon nur 5--10 mm Hg. Die Pulsfrequenz klettert in derselben Zeit herauf, der Puls wird sehr labil und fliegend und erreicht unmittelbar vor dem Shock die enorme HShe yon 192 Schl~gen in der Minute - - ein wahres reflek~orisehes Gewitter (Belastungsreflex beim l~allen des Blutdrucks in der Aorta und Carotis- sinus).

Der eben dargelegte Fal l zeiehnet sieh aus dureh sehr s tark zum Aus- druck kommende Nutr i t ions- u n d Belastungsref!exe, bei e inem sympath i - cotonisch s t igmat is ier ten I n d i v i d u u m .

D a n k der Liebenswiirdigkeit des Her rn Prof. W. Mollow habe ich die MSglichkeit, fin Gegensatz zu 4em oben beschriebenen Versueh fiber folgenden Fall zu beriehten, der in der 1. ~ed iz ln i schen Universi t~ts- kl inik in Sofia beobachte t wurde.

Es handelt sieh um einen 19jahrigen Mann, der in die Klinik am 16. 8. 34 mit folgenden Besehwerden aufgenommen wurde: Leidet seit 11/2 Jahren an dauernder Verstopfung. Stuhl einmal in 2--3 Tagen. Er hatte nie Leibsehmerzen, kein Auf- stol3en, kein Erbreehen, aber Druek im Baueh und dauernde Kopfsehmerzen und Schwindel. Bis jetzt war er nie krank gewesen. Treibt keinen Sport. Bei der Unter- suchung umrde nur eine Bradykardie und Hypotonie festgesteIl~. Puls: liegend 50, Blutdruek 100/50. Herz rechts 2,5 cm, links 8 era. HerztSne rein und klar. Blutbild: 9,900, darunter Stabkernige 4%, Segmentkernige 50%, Lymphocyte~ 38 %, Monoeyten 6.~ Eosinophilen 2 %. Im Urin Indican und Urobilin. Klinische Diagnose: Vagotonia, obstipatio ~pastica.

Folgendes Pulstonogramm (Abb. 5) zeigte den Versueh, gemacht an diesem Patienten yon Dr. Tosehe[] am 24. 8.34. In horizontaler Lage war der Puls 55, Blutdruek 100/50. Nach dem Aufstehen steigt der Puls nicht fiber 84, der Blut- druek halt sieh auf 90]60. ])ann wird der Patient aufgefordert, 20 Kniebeugen zu machen. Gleich danaeh ist der Puls 104, Blutdruek 100/40. I~ach 3 Min. vet-

(gravity shock) - - boim Menschen nach kSrperlicher Arbeit. 601

langsamt sich der Puls auf 72, und dalm klettert er allm~hlich hinauf. Nach 18 Min. ist die Pulsfrequenz 96. Um diese Zeit f~llt der systolische Blutdruck fortdauerncl, der diastolische Blutdruck steigt in cler 9. Min. auf 70 mm Hg., um nachher gleich- falls abzusinken. In der 16. Min. ist der Blutdruck 40/35 mm Hg. Es wird dem Patienten schlecht, er wird in horizontale Lage gebracht. Der Pu]s f~llt yon 96 auf 50, der Blutdruck steigt yon 45/35 auf 94/45.

Am 27.8. 34 wurde dem Patienten 1 g Atropin subcutan eingespritzt.. Vor der Einspritzung Puls 55, Blutdruck 100/50, Blutzucker 45 rag-%. 10 Min. nach der Einspritzung Puls 55, Blutdruck 100/55, Blutzucker 55mg-%. Folgende Bestimmungen sind in Abst~nden yon je 10 Min. gemacht:

11o

9O

8O

7O

8O

so: ~o

3o 51 ~ehen

~,0 ~ 15 ~ ZO ~

Abb. 5.

. f

Puls 58 Blutdruck 110/59 Blutzucker 140 mg-% 76 135/74 78 ,, 78 135/75 145 ,, 86 130/74 148 ,, 88 130/70 59 ,,

Dieser Fall charakterisiert sieh durch eine langsame Herzaktion und verh~ltnis- nli~fiig niedrigen Blutdruck mit grol3er Amplitude - - 100150. Durch die kSrper: liche Arbeit werden Pulsfrequenz ur~d Blutdruck nur mltBig erhSht. Gleich nach 20 Kniebeugen ist die Pulsfrequenz 104 und der Blutdruck nur 100140. Der Nutri- tionsreflex ist also schwach ausgepragt. 1 Min. nach der kSrperlichen Arbeit f~llt die Pulsfrequenz auf 72, eine Folge des gut ausgepragten ]~ntlastungsreflexes, der als efferenten Nerven den Vagus hat.

Die ortostatischen StSrungen im Kreislauf naeh der kSrperlichen Arbeit, die beim vorhergehenden Sympathicotoniker zu einer enormen PulsfrequenzerhShung ftihrten, verursachen bei diesem Vagotoniker auch eine PulsfrequonzerhShung. Diese ist aber sehr schwach ausgepragt, sie reicht nicht welter als bis zu 96 Schl~gen in der Minute (gegentiber 192 beim Sympathieotoniker !), trotzdem es auch in diesem Fall zu einem Gravitationsshock kommt. Auch der diastolische Blutdruck steigt nur wenig und ftir kurzo Zeit an. Der Belastungsreflex kommt in diesem Fall also sehr sehwaeh zum Ausdruek. Der Gravitationsshock tritt im Vergleich rnit dem vorangehenden Fall friiher und nach viel kleinerer kSrperlicher Arbeit ein.

AbschlieBend kSnnen wir ffir diesen Fal l ~eststellen, dab der Nut r i t ions- reflex, sowie der Belaatungsreflex, welche durch Sympath icus tonus- steigerung bzw. -entzi igelung hervorgerufen werden, n u r tr~ge in T/~tig- keit t re ten, augenscheinl ich d u r c h das pathoiogische l~berwiegen des

602 Dragomir Mateeff: Der orthostatische Kreislaufkollaps ~ Gravitationsshock

Vagustonus. Demgegeniiber ist der Entlastungsreflex, der den Vagus als efferenten Nerven hat, sehr gut ausgepri~gt.

Diskussion. Welcher Art sind die Vergnderungen im Blutkreislauf nach tier kSrper-

lichen Arbeit, dab derselbe nicht mehr in der Lage ist, die st6rende Wirkung der Schwerkraft auszugleichen und nach wenigea Minuten aufrechten Stehens vSllig versagt ?

Die K6rpermuskulatur stellt etwa 40% des ganzen KSrpergewichts dar. Auch in der Ruhe spielen sich in ihr lebhafte Stoffwechselvorggnge ab, die etwa 60% des gesamten Grundumsatzes ausmachen. Bei inten- slyer kSrperlicher Arbeit steigern sich die Stoffwechselvorg~nge in der Muskulatu~ um das Mehrfache ihres Ruhewertes. Entsprechend diesen regen und in weiten Grenzen sich bewegenden Stoffwechselvorg~ngen ist die Musl~ulatur mit einem der reichsten Capillarnetze versorg~. Im Ruhezustand sind weitaus die meisten Muskelcapillaren verschlossen (Krogh). Bei intehsiver k6rperlieher Arbeit tritt eine enorme Erweiterung des Muskelcapillar~etzes ein. Es finder eine Blutverschiebung nach der arbeitenden Muskulatur start. Diese Blutverschiebung gefs in keiner Weise die Gesamthei~ des Blutkreislaufs, soweit der Riiekflul] des Blutes dutch das enorm erweiterte Muskelberieselungsgebiet zum rechten tterzen" gesichert ist. Wahrend der KSrperarbei~ is~ dieser Rfickflufl sogar erleichtert dureh die pumpende Wirkung der arbeitenden Muskeln. Naeh der Arbeit aber, beim auffechten Stillstehen, fgllt diese den RiickfluB fSrdernde Wirkung der Muskelkontraktionen aus. ttinzu kommt noch die den Riickflul3 hemmende Wirkung des h~mostatisehen Drucks.

Unter der Wirkung des h/imostatischen Drucks versack.t jetzt im enorm ~rweiterten Capillarberieselungsgebiet der groflen Mu~kelmass~n der unteren Extremitgten ein w~it grSfleres Blutvolumen als vor der ]cgrpsrlichen Arbeit. So entsteh~ eine schwere orthostar St6rung in der Blutverteilung, die zum vSlligen Versagen des Kreislaufs, zum Gravitationsshock, fiihrt.

Sobald die Versuchsperson in horizontale Lage gebra~ht wird, ist die Wirkung des Mimostatischen Drucks aufgehoben, und die in dem .~luskel- capillarsee versacIcte Blu~menge 8tr~mt zum rechten Herzen zuriick. Der Blutkreislauf ist schlagartig wi~derhergestellt.

DaB feste Bandagieren der Beine verhindert dutch den Druc]~ yon auflen eine enorme Fiillung des Muskelcapiilarnetzes, beseitigt dadurch die Gefahr siner VerbIutung in den eigenen Gef~flen und ermgglicht ein beschwerde- ,freies Stehen. Sobald aber die Bandagen abgenommen werden, saugr sich die yore AuBendruck beireite Muskulatur der unteren Extremir unter der Wirkung des h~mostatischen Drueks wie ein Schwamm wieder mit Blur roll.

(gravity shock) ~ beim Menschen nach k6rperlieher Arbeit. 603

Bei den experimentelt hervorgerufenen Shockzust/~nden hat man allgemcin die pathogenetische Rolle des Splanchnicusgef/~Bgebietes iiber- sch~tzt. Bei jeder Blutdrucksenkung macht man lmmer wieder nur eine Erweiterung des Splanchnieusgef/~l~gebietes verantwortlicb, trotzdem viele Tatsachen nicht im Einklang mit dieser Annahme stehen.

So haben Dal~ und Richards 1 naehgewiesen, daf$ die blutdruck- senkende Wirkung,einer Histamininjektion auch dann zustande kommt, wenn das Tier (Katzc) vSllig evisceriert war. Sic haben weiter eine wechselnde ~rirkung des Histamins auf die Hautgef/~fSe und eine kon, tante vasodilatatorische ~Tirkung auf die l~:uskelgef/~f~e nachgewiesen.

F~'ey und Kraut ~ habcn die blutdrueksenkende Wirkung ihres Kreis- laufhormons (Kal ikre in) ehmr genauen Analyse unterworfen. Trotz ihrer Erwartung, daI~ die Wirkung des Hormons ira Spla~chniensgebie$ zu suchen ist, sind sie zu der l~berzcugung gekommen, daB: ,,Fiir die blutdrucksenkende Wirkung des Hormons sind ~nderunger/ im Gef/~B- gebiet des Splanchnicus nicht verantwortlich zu machen". Sie haben weiter nachgewicsen, da$ die Ursache der Blutdrucksenkung in der vermehrten l~iillung des Haut. und Muskelgef/~gebietes zu suchen ist.

Die Bedeutung des Muskelgef~Bgebietes fiir die .Pathogenese der Shockzust~nde ist kfirzlich yon Lindgren a lmrvorgehoben. Er hag vcr- gleichende Capillarstudien bei verschiedenen Shockzust/~nden vorge- nommen (Histaminshock, anaphylaktischer Shock, Peritonitis, akute Pankreasnekrose, Narkose) ~md ist zu der SchluBfolgerung gekommen, ,,ob nicht das Splanchnicusgcbiet und besonders die D/~rme lange Zeit iiberseh~tzt bei Erkl/~rung der Pathogenese der Shockzust/~de gewesen sind".

Unsere Untersuchungen zeigen, da~ schon eine physiologische Er- weiterung des Muskelgef/~Bgebietes bei ganz gesunden und kSrperlieh gut tr/~nierten Mensehen unter Umst/~nden zu schweren StSrungen der Blut- verteilung, zu Shockzust/~nden ffihren kann. Im Lichte dieser Unter. suchungen riickt die pathogenetisehe Bedeutung des Muskelgef/~BgebieSes fiir das Zustandekommen der Shockzust~nde in den Vordergrund.

Die schwere orthostatische StSrung in der Blutverteflung fiihrt zu fortschreitender Verminderung des Sch]ag- und Minuten~olumens, und dies wiederum zum Abfall des Blutclr.ueks in der Aorta. Die Blur. versorg-ang des Gehirns wird . gef~hrdet. :Beides lSst ref|ekt~orisehe l~egulationsmechanismen aus. Kia~h und Salcai 4 haben erwiesen, dab eine Gehirnhypgmie zu Acceleranstonussteigerung und Vagusturnus. herabsetzung ffihrt; dies hat eine Beschleunigung der Herzt~tigkeit zur

i Dale u. Richards: J. of Physiol. ~2, If0 (1918). -- 2Frey u. Kraut: Arch. f. exper. Path. 138, 1 (1928). -- s Lindgren: Arch. f. exper. Path. 176, 96 (1934). 4 ~isch, B. u. S. Saka: Pfliigers Arch. 198 (1923). -- Kisch, B.: Erg. inn. Med. ~5 (1924). ~ Verb. dtsch. Ges. inn. Med. 84, KongreBl~er. (1922).

ArbeitsDhysioIogio. lid. 8. 40

604 Dragomir Mateeff: Der orthostatische Kreislaufkollaps - - Gravitationsshock

Folge. Anrep und Segall 1 haben gleichf~lls eine beschleunigte Herz- t~ttigkeit bei ungenfigender Blutversorgung des Gehirns ~estgestellt. Aus den Arbeiten yon Anrep und Starling 2 andererseits ist es bekannt, dab eine ungenfigende Blutversorgung des vasomotoren Zentrums zu einer allgemeinen Vasokonstriktion ffihrt. Noch viel frfiher hat Cushing 3 bei Gehirnan~mie, hervorgerufen dureh Abklemmung der das Gehirn versorgenden Schlagadern, eine sehr starke kollaterale Vasokonstriktion naehgewiesen. Sic t r i t t in Erseheinung durch ein sehr starkes Erblassen des Mesenteriums. Dieselben Erscheinungen: besehleunigte Herzts keit und arterielle Vasokonstriktion werden andererseits durch die re- flexogenen Zonen in der Aorta und Carotissinus beim Sinken des Blut- drucks ausgel6st (Hering). Golwitzer.Meyer 4 und A. Fleisch 5 haben den Beweis erbracht, dab die Vasokonstriktion beim Sinken des Blutdrucks in die Aorta und Carotis sich such in dem venSsen Teil des Gef~13- systems abspielt. Heymanns ~ hat ferner nachgewiesen, dal3 es dabei aueh zu einer Milzkontraktion und Adrenalinausschfittung kommt.

Alle diese reflel~toriseh durch das Fallen des Blutdrucks ausgelSsten Erscheinungen stellen in ihrer Gesamtheit den sog. Belastungsreflex dar. Dieser tritt in Tgtigkeit bei unserer Fersuchsanordnung in aufrechter Lage yon dem Moment an, wo dcr systolische Blutdruclc unter seinen Ausgangs- weft vor der k6rperliehen Arbeit herabsinlct. Dadureh, dab bei andauernder aufrechter Hal tung fortlaufend immer mehr Blur dem allgemeinen Kreis- lauf entzogen und unter der Wirkung des hs Drucks in dem enorm erweiterten Muskelcapillarsee absackt, kommt es immer mehr zu einer Verringerung des venSsen Rfiekstroms zum rechten Herzen und folglieh zu einer stets zunehmenden Verringerung des Schlagvolumens. Die unausbleibliche Folge davon ist ein Absinken des systolisehen Blut- drucks unter den ]~uhewert. Die Verschlechterung der Gehirndurchblutung sowie die Hypotonie in der Aorta und Carotissinus lgsen den BeIastungs- reflex aus; dieser Augenblick zeigt sich in unseren Pulstonogrammen dutch eine erneut eintretende Pulsbeschleunigung und dutch ein Ansteigen des diastolischen Blutdruclcs (s. bes. das Puls tonogramm in Abb. 4). Das Ansteigen des diastolisehen Blutdrueks ist der Ausdruck der s tat t- gefundenen Vasokonstriktion.

I)a~ es trotz des Einsetzens des Belastungsreflexes zu keiner ErhShung des systolischen Blutdrucks kommt, ist selbstverst~ndlich, wenn man bedenkt, dab das Sehlagvolumen so stark abgenommen hat, daI3 es such bei stiirkster Vasokonstriktion nicht mehr ausreicht, den systolisehen Blutdruck in die HShe zu treiben. Die betr~ehtlich verringerte Amplitude

1 Anrep, G. V. u .H.N. Segall: J. of Physiol. 61 (1926). - - 2 Starling, E. H.: Brit. med. J. Nr 3390, 1163, 1169. ~ a Zit. nach W. R. Heft: Die Regulierungen des Blutkreislaufs und der Atmung 1933. - - 4 GoUwitzer.Meyer: Pfliigers Arch. 229 , 19. - - 5 Fleisch, A.: Pflfigers Arch. 226 (1931). - - 6 Heymanns, C.: Klin. Wschr. ] 9 8 6 I, 673 .

(gravity shock) -- bcim Menschen nach k6rperiicher Arbeit. 605

(im oben ausgefiihrten Fall, Abb. 4, bis 5 mm Hg) bringt deutlieh zum Ausdruck, wie stark' das Schlagvolumen abgenommen hat.

5'olange der diastolische Blutdruck steigt, oder hoch bleibt, wird ein 8uffizienter Blutkreislauf noch einigermaflen aufrechterhalten, weil eben der Belastungsreflex durch die eingetretene Pulsbeschleunigung und Vaso- konstriktion noeh imstande ist, das verringerte Sehlagvolumen zu kompensieren.

Von dem Augenblick an, wo der diastolische sich dem fallenden systoli- schen Blutdruck anschlie/3t, beginnt das v611ige Versagen des Kreislaufs. ])as Minutenvolumen ist jetzt derart klein geworden, dab es trotz st/~rk- ster Vasokonstriktion nieht mehr ausreicht, den Blutdruck auf dem bis dahin dureh den diastolischen Druck bestimmten Minimalniveau aufrechtzuhalten.

Von diesem Moment an wird die Blutversorgung des Gehirns immer Ungenfigender, und bei einem systolisehen Druck yon 80--60 mm Hg. treten in aufreehter Lage Erscheinungen der Gehirnhyp/imie ein - - ~belkeit, Brechreiz, G/insehaut, Sehweil3ausbruch, G/~hnen, Schwindel, schwarz vor den Augen usw. Es erfolgt, falls kein Lagewechsel vorge- nommen wird, eine Ohnmaeht.

Kurz vor dem Ohnmaehtsanfall beobachtet man eine pl6tzlich ein- setzende Verlangsamung der Pulsfrequenz - - eine Folge der asphyktischen Reizung des Vaguskerns in der Medulla oblongata.

Beim Ubergan9 in die horizontal~ Lage str6mt die in die unteren Ex- tr~mitditen abgesackte JBlutmenge in einem breiten Strom dem rechten Herzen zu. ])as Schlagvolumen nimmt m/~chtig zu. Schlagartig steigt der Blut- druek in der Aorta, die Gehirndurchblutung wird verbessert; dadureh wird der Enttastungsre/lex ausgelSst. Dieses /iul]ert sich durch schlag- artige Verlangsamung der Pulsfrequenz. In vielen F/~llen beobaehtet man auch als Ausdruek der stattgefundenen Vasodilatation ein Absteigen des diastolischen Blutdrucks zu seinem Ausgangswert.

Der Symptomenkomplex der Gehirnhyp/imie nach intensiver kSrper- licher Arbeit ist yon verschiedenen Autoren beobachtet, aber nicht richtig gedeutet worden. So hat Jokl 1 diesen~Symptomenkomplex unter dem Namen ,,Sportkrankheit" beschrieben. Weltzien ~ hat dieselben l~be]keitssvmptome nach 200- und 400-m-Lauf beobachtet. Die Magen- beschwerden der Gehirnhypfimie haben ihn .veranlaB~, den Einflull der Muskelarbeit auf die Magensekretion zu untersuchen. Selbstverst/ind- lieh konnte er keine urss Zusammenh/iage aufdeeken.

Durch eine Versuchsanordnung, wie sie in dieser Arbeit dargelegt wurde, ist man imstande, einen ~iefen Einblick in das Verhalten tier Peripherie und in die Funktion der vegetativen Kreislaufregulationen

x JokZ: Klin. Wschr. 1980 I, 984. -- 2 Welizien: Arb.physiol. 7, 155 (1934). 40*

606 Dragomir l~Iateeff.

zu gewinnen und bekommt dadurch Anhaltspunkte fiber die individuelle Reaktionsweise. Diese Versuehsanordnm~g erscheint also besonders geeignet zur Funktionspriifung der Peripherie und der vegetativen Kreislaufregulationen.

Zur praktischen Durctffiihrung dieser Funktionsprtifung beobachtet man am besten zuerst Blutdruck und Pulsfrequenz in liegender Ruhelage. Die Bestim- mungen mfissen einige Minuten lang durchgefiihrt werden, damit man die psychi- schen Einfl'iisse soweit wie mSglich aussehlieBen kann. Dann werden Blutdruck und Pulsfrequenz in aufrechter Lage 10--15 Min. lang minutenweise bestimmt, wonach dieser Vorversuch mit drei Bestimmungen yon Blutdruck und Pulsfrequenz in horizontaler Lage abgeschlossen wird. AnschlieBend wird der Arbeitsversueh vorgenommen. Je nach dem vorliegenden Fall mul~ man die Intensit~t der Arbeit verschieden abstufen. Die Bestimmungen yon Blutdruek und Pulsfrequenz mfissen sofort naeh der k6rperliehen Arbeit in aufrechter Stellung vorgenommen werden. Dami~ gewinnt man Werte, die ffir ~ie Beurteilung des Nutritionsreflexes yon Wichtigkeit sind. Sehr bald nach dem Aufh6ren der Arbeit verlangsamt sich die Pulsfrequenz, und der Blutdruek kehrt raseh zum Ruhewert zuriick. Durch ein genaues Verfolgen dieser Vergnderungen bekommt man Einbliek in die Funktion des Eutlastungsreflexes, der den Vagus als efferenten Nerven hat. 5--7 Min. nach der Arbeit treten die oben ausfiihrlieh besehriebenen Ver~derungen des Belastungsreflexes in Erscheinung. Um seine voile Wirkung zu erfassen, muB man die Bestimmungen noeh wenigstens 10--15 Min. durchfiihren. Dann kann man wieder zur horizontalen Lage zuriickkehren und noeh drei Bestimmungen machen, die fiir die Verwertung des einsetzenden Entlastungsreflexes yon Wich~ig- keit sind. Es ist ratsam, bei Vagotonikern denselben Versueh naeh einer Atropin- einspritzung zu wiederholen.

Zusammenfassung. Die bekarmten orthostatisehen St5rungen im Kreislauf des Menschen,

die beim ]~bergang yon der horizontalen zur vertikalen Lage auftreten, werden naeh intenslver k5rperlicher Arbeit so stark gesteigert, dab sie nach wenigen Minuten auffeehten Stehens zu einem vSlligen Versagen des Kreislaufs, zum sog. Gravitationsshock fiihren.

Durch das feste Bandagieren der unteren Extremit~ten yon der Ful3sohle bis zum Beeken werden die durch die kSrperliche Arbeit ge- steigerten und zum Versagen des Blutkreislaufs ffihrenden orthostatisehen StSrungen beseitigt, so dab der Kreislauf in aufreehter Lage stabilisiert wird.

Als Ursaehe dieser gesteigerten orthostatisehen StSrungen des Kreis- laufs nach der kSrperlichen Arbei~ ist die enorme Erweiterung des Muskel- eapillarnetzes anzusehen.

Es wird die dauernde minutenweise Bestimmung yon Pulsffequenz, systolisehem und diastolischem Blutdruek in wechselnder KSrperlage vor und naeh kSrperlicher Axbeit als Funktionspriifungsprobe der vege- tativen Kreislauffegulation empfohlen.