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DIE NATURWISSENSCHAFTEN t6.:Jatirgang 3- August x9z8 Heft 31 Der Ramaneffekt, ein neuer yon C. V. Raman entdeckter Strahlungseffekt. Von PETER PRINGSHEIM, Berlin. I. Der Tyndalle/]ekt. ]Ein Lichtstrahl im leeren Raum ist aus einer Richtung, die nicht mit seiner Fortpfianzungsrichtung zusammenf~Ilt, in keiner Weise wahrzunehmen. Die bekannte Erscheinung, .dab man Sonnenstrahlen, die in ein verdunkeltes Zimmer dutch eine 0ffnung einfallen liiBt, au~ ihrem ganzen Wege sehen kann, beruht auf der Streuung des Lichtes an feinen in der Luft suspen- dierten Staubteilchen, dem sog. TyndMleffekt. In sehr vim geringerem MaBe ist die gleiche Wir- kung auch in vollkommen staubfreier Luft, fiber- haupt in allen Gasen, und ebenso in durchsichtigen klaren Flfissigkeiten oder festen K6rpern vor- handen; bier treten an die Stetle der Staub- partikeln die Molekfile selbst: da die Intensit~t des gestreuten Lichtes mit abnehmendem Quer- sehnitt der streuenden Teitchen sinkt, ist dieser ,,molekulare" Tydat!effekt, yon dem im folgenden allein noch die Rede sein soll, relativ schwach und wenn sich der Vorgang in einem Gasvolumen yon ~(in der Beobachtungsrichtung) geringer Schicht- dicke abspielt, im allgemeinei1 nur mit einiger Schwierigkeit nachzuweisen. Wenn aber die ge- samte Tiefe der irdischen Atmosphere Ms streuende Gasschicht mitwirkt, dann erreieht die Intensit~t des Tyndallichtes aueh im Gas sehr hohe Werte; alas ist, wie tRAYLEIGH zuerst erkannt hat, der Ursprung des blauen Himmelstichtes: wfirde nicht die Sonnenstrahlung iiberall in der Luft diffus zer- :streut, so wfirde uns der Himmel auch bei stXrk- stem Sonnenschein kohlsehwarz vorkommen, und allein die Sonne wfirde sich von diesem dunklen Hintergrund Ms unertrAglich helle Scheibe ab- heben. In Fliissigkeiten dagegen ist der molekulare Tyl~dalteffekt auch im Laboratoriumsversuch leicht zu beobachten: schickt man (vgl. Fig. i) das Licht einer Bogenlampe (L) mit Hilfe einer Sammel- linse (1) durch eine mit einer Flfissigkeit- etwa Benzol -- geffillte Kugel, so sieht man yon der Seite den Weg des primfi.ren Lichtbfindels deutlich als blauviolett gef/~rbten Konus. Die blaue Farbe des Himmels!ichtes sowohl Ms des Tyndall- lichtes in der ]Flfissigkeit -- obwoht beide Male alas eingestrahlte Licht der Sonne bzw. der Bogen- :lampe weil3 ist -- kommt daher, dab zwar wohl jede Lichtart Streuung erleidet, dab jedoch die IntensitAt des Streulichtes mit der vierten Potenz .der WellentXnge abnimmt, also ffir Licht des ~tuBersten Violett (4ooo ~) I6mal starker ist als ffir Licht des Aul3ersten Rot (8ooo 7~). WXhrend die ErklArung ffir das Himmelsblau schon sehr fxfitl (1872) yon Lord ~RAYLIgIGHgegeben worden ist, verdankt man die vollst/tndige Theorie des molekularen Tyndalleffektes als einer Schwan- kungserscheinung erst den Arbeiten yon SMOL~J- SCHOWSKI (I) (1907) und yon EINSTEIN (:2) (1910). Wenn man n~mlich annimmt, dab jedes vom Prim~rstrahlenbfindel getroffene MolekfiI einen Teil der einfallenden Intensit~t zerstreut, so wfirde man doch keine seitliche Lichtzerstreuung beob- achten, wenn die Molekfile wie in einem idealen Krystall vollkommen regelm~tl3ig angeordnet w~tren, denn dann wfirden all diese yon dell einzelnen Raumgitterpunkten kommenden kohArenten Kugel- wellen sich in allen Richtungen dutch Interferenz zerst6ren auBer in der nrsprfinglichen Strahlrich- tung, ganz ~hnlich wie das in der HUYGENschen Theorie bei der I3ehandlnng der geradlinigen Aus- breitung des Lichtes durch den leeren Raum ge- Fig. I. Versuchsanordnung zur 13eobachtung yon Tyndalleftekt, Fluorescenz und Ramaneffekt. /~: Licht- quelle, l : Sammellinse. F 1 und i~: Farbfilter. A: Auge des Beobachters (bzw. Spektrograph). zeigt wird: Nur wenn zwischen dem Abstand der regelm~Big aufeinanderfolgenden Molekfile (der ,,Gitterkonstanten") und der WetlenlXnge des PrimXrlichtes ganz bestimmte zahtenm'~Bige Be- ziehungen bestehen, wird in sehr seharf definierten r~umlichen 1Riehtungen die Streustrahlung nicht durch Interferenz zerst6rt, wie das aus den LAUE- schen R6ntgendiagrammen allgemein bekannt ist. Die dilfuse Tyndallstreuung kommt dadurch zustande, dab die r~tumliche Anordnung der Molekfile keine regelmaBige ist, je gr6Ber die lokalen Schwankungen der Molekfildichte, desto gr6Ber wird die Intensit~t des gestreuten Lichtes. Diese erreicht daher ihr Maximum als ,,kritische Opalescenz" in der N~he der kritischen Tempera- fur von Gasen oder yon L6sungen, well hier die Dichteschwankungen extrem groBe Werte an2 nehmen, indem minimale TemperaturXnderungen genfigen, um das Gas in den flfissigen Zustand zu fiberffihren bzw. in der L6sung die beiden Kom- ponenten zu trennen, 2. Fluorescenz. Obwohl, wie erwXhnt, der Tyndalteffekt an vielen Flfissigkeiten sich mit den Nw. ~928 44

Der Ramaneffekt, ein neuer von C. V. Raman entdeckter Strahlungseffekt

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DIE NATURWISSENSCHAFTEN t6.:Jatirgang 3- August x9z8 Heft 31

Der Ramaneffekt , ein neuer yon C. V. Ra ma n entdeckter Strahlungseffekt . Von PETER PRINGSHEIM, Berlin.

I. Der Tyndalle/]ekt . ]Ein Lichtstrahl im leeren R a u m ist aus einer Richtung, die nicht mit seiner Fortpfianzungsrichtung zusammenf~Ilt, in keiner Weise wahrzunehmen. Die bekannte Erscheinung, .dab man Sonnenstrahlen, die in ein verdunkeltes Zimmer dutch eine 0ffnung einfallen liiBt, au~ ihrem ganzen Wege sehen kann, beruht auf der Streuung des Lichtes an feinen in der Luft suspen- dierten Staubteilchen, dem sog. TyndMleffekt. In sehr vim geringerem MaBe ist die gleiche Wir- kung auch in vollkommen staubfreier Luft, fiber- haup t in allen Gasen, und ebenso in durchsichtigen klaren Flfissigkeiten oder festen K6rpern vor- handen; bier t reten an die Stetle der Staub- partikeln die Molekfile selbst: da die Intensit~t des gestreuten Lichtes mit abnehmendem Quer- sehnit t der streuenden Teitchen sinkt, ist dieser , ,molekulare" Tydat!effekt, yon dem im folgenden allein noch die Rede sein soll, relativ schwach und wenn sich der Vorgang in einem Gasvolumen yon ~(in der Beobachtungsrichtung) geringer Schicht- dicke abspielt, im allgemeinei1 nur mit einiger Schwierigkeit nachzuweisen. Wenn aber die ge- samte Tiefe der irdischen Atmosphere Ms streuende Gasschicht mitwirkt, dann erreieht die Intensit~t des Tyndallichtes aueh im Gas sehr hohe Werte; alas ist, wie tRAYLEIGH zuerst erkannt hat, der Ursprung des blauen Himmelstichtes: wfirde nicht die Sonnenstrahlung iiberall in der Luft diffus zer- :streut, so wfirde uns der Himmel auch bei stXrk- s tem Sonnenschein kohlsehwarz vorkommen, und allein die Sonne wfirde sich von diesem dunklen Hintergrund Ms unertrAglich helle Scheibe ab- heben.

In Fliissigkeiten dagegen ist der molekulare Tyl~dalteffekt auch im Laboratoriumsversuch leicht zu beobachten: schickt man (vgl. Fig. i) das Licht

e ine r Bogenlampe (L) mit Hilfe einer Sammel- linse (1) durch eine mit einer F l f i s s i g k e i t - etwa Benzol -- geffillte Kugel, so sieht man yon der Seite den Weg des primfi.ren Lichtbfindels deutlich als blauviolett gef/~rbten Konus. Die blaue Farbe des Himmels!ichtes sowohl Ms des Tyndall- lichtes in der ]Flfissigkeit -- obwoht beide Male alas eingestrahlte Licht der Sonne bzw. der Bogen- :lampe weil3 ist -- kommt daher, dab zwar wohl jede Lichtar t Streuung erleidet, dab jedoch die IntensitAt des Streulichtes mit der vierten Potenz .der WellentXnge abnimmt, also ffir Licht des ~tuBersten Violett (4ooo ~) I6mal starker ist als ffir Licht des Aul3ersten Rot (8ooo 7~). WXhrend die ErklArung ffir das Himmelsblau schon sehr fxfitl (1872) yon Lord ~RAYLIgIGH gegeben worden ist, verdankt man die vollst/tndige Theorie des

molekularen Tyndalleffektes als einer Schwan- kungserscheinung erst den Arbeiten yon SMOL~J- SCHOWSKI (I) (1907) und yon EINSTEIN (:2) (1910). Wenn man n~mlich annimmt, dab jedes vom Prim~rstrahlenbfindel getroffene MolekfiI einen Teil der einfallenden Intensit~t zerstreut, so wfirde man doch keine seitliche Lichtzerstreuung beob- achten, wenn die Molekfile wie in einem idealen Krystall vollkommen regelm~tl3ig angeordnet w~tren, denn dann wfirden all diese yon dell einzelnen Raumgit terpunkten kommenden kohArenten Kugel- wellen sich in allen Richtungen dutch Interferenz zerst6ren auBer in der nrsprfinglichen Strahlrich- tung, ganz ~hnlich wie das in der HUYGENschen Theorie bei der I3ehandlnng der geradlinigen Aus- breitung des Lichtes durch den leeren Raum ge-

Fig. I. Versuchsanordnung zur 13eobachtung yon Tyndalleftekt, Fluorescenz und Ramaneffekt. /~: Licht- quelle, l : Sammellinse. F 1 und i~: Farbfilter. A: Auge

des Beobachters (bzw. Spektrograph).

zeigt wird: Nur wenn zwischen dem Abstand der regelm~Big aufeinanderfolgenden Molekfile (der , ,Gitterkonstanten") und der WetlenlXnge des PrimXrlichtes ganz best immte zahtenm'~Bige Be- ziehungen bestehen, wird in sehr seharf definierten r~umlichen 1Riehtungen die Streustrahlung nicht durch Interferenz zerst6rt, wie das aus den LAUE- schen R6ntgendiagrammen allgemein bekannt ist. Die dilfuse Tyndallstreuung kommt dadurch zustande, dab die r~tumliche Anordnung der Molekfile keine regelmaBige ist, je gr6Ber die lokalen Schwankungen der Molekfildichte, desto gr6Ber wird die Intensit~t des gestreuten Lichtes. Diese erreicht daher ihr Maximum als ,,kritische Opalescenz" in der N~he der kritischen Tempera- fur von Gasen oder yon L6sungen, well hier die Dichteschwankungen extrem groBe Werte an2 nehmen, indem minimale TemperaturXnderungen genfigen, um das Gas in den flfissigen Zustand zu fiberffihren bzw. in der L6sung die beiden Kom- ponenten zu trennen,

2. Fluorescenz. Obwohl, wie erwXhnt, der Tyndalteffekt an vielen Flfissigkeiten sich mit den

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5 9 8 PRINGSHEIM: D e r Ramanef fekt , ein neuer yon

e i n f a c h s t e n H i l f s m i t t e l n d e m o n s t r i e r e n 1/if~t, i s t d o c h - - w e n n m a n y o n de r k r i t i s chen Opalscenz a b s i e h t - - das P h / i n o m e n e r s t in den l e t z t en J a h r e n G e g e n s t a n d de r B e o b a c h t u n g geworden. Es l iegt das o f f enba r d a r a n , daB, w e n n m a n frf iher (was s icher i m m e r wieder geschehen) d e n G a n g eines L i c h t s t r a h l s in e iner Flf iss igkei t se i t l ich w a h r n a h m , m a n dies n i c h t ffir mo leku la r e S t r e u u n g hiel t , s o n d e r n e n t w e d e r ffir gew6hn l i chen T y n d a l l e f f e k t a n in de r Flf iss igkei t s u s p e n d i e r t e n Te i lchen oder Gasbl / ischen, d e r e n l e t z t e r R e s t n i c h t l e i ch t zu bese i t igen ist , ode r ffir F tuorescenz . Ta ts / i ch l ieh wi rd j a die F luorescenz v e r d t i n n t e r F a r b s t o f f - 16sungen in V o r l e s u n g s e x p e r i m e n t e n sehr h/ iufig zur S i c h t b a r m a c h u n g des S t r a h l e n g a n g e s b e n u t z t u n d d a / i u B e r s t ger inge o rgan i sche Zus/i tze (es b r a u c b e n n i c h t e igent l iche F a r b s t o f f e zu sein) genfigen, u m krgf t ige L u m i n e s c e n z zu v e r u r s a c h e n , k o n n t e m a n l e i ch t a n n e h m e n , d a b die b e o b a c h t e t e se i t l iche L ich temis s ion au f F luoreszenz zurf ickgeff ihr t wer- den mfisse. ~)br igens zeigen a r o m a t i s c h e V e rb in - d u n g e n wie Benzol , Toluoi usw. v ie l fach a u c h ohne in a n d e r e n Medien gel6st zu sein, in r e i n e m flfissigen Z u s t a n d e schon F]uorescenz, die a l te rd ings n u t ger inge I n t e n s i t / i t bes i tz t , z u d e m me i s t ganz i m U l t r a v i o l e t t ver l / iuf t , u n d schliel31ich wegen de r groBen A b s o r b i e r b a r k e i t de r e r r egenden S t r a h l u n g n u t u n m i t t e l b a r a n der E i n t r i t t s s t e l l e des Pr im/ i r - l ichtes, n i c h t abe r y o n t i e fe r l i egenden ¥ o l u m e n - e l e m e n t e n e m i t f i e r t wird.

Als cha rak t e r i s t i s ches U n t e r s c h e i d u n g s m e r k - real zwischen Tynda l l e f f ek t u n d Fluoreseenz , so- wohl was d i e / i uBere E r s c h e i n u n g als was den E n t - s t e h u n g s m e c h a n i s m u s be t r i f f t , 1/il3t s ich fo lgendes a n g e b e n : De r Tynda l l e f f ek t als ein re ines S t reu - p h ~ n o m e n en th / i l t n u r L i c h t solcher \¥el lent~ngen~ die a u c h in de r P r i m / i r s t r a h l u n g e n t h a t t e n sind, a l te rd ings u n t e r s t a r k e r B e v o r z u g u n g de r k le ine ren Wel len l~ngen . I s t das P r i m ~ r l i c h t m o n o c h r o m a - t i sch (was frei l ich in / i l teren V e r s u c h e n ansche i - n e n d p r a k t i s c h nie de r Fa l l war) , so i s t das S t reu - l i ch t gleichfal ls m o n o c h r o m a t i s c h , u n d zwar m i t u n v e r / i n d e r t e r F r e q u e n z ; n u r se ine I n t e n s i t / i t wird des to kleiner , je we l te r n a c h d e m R o t zu die e inges t r ah l t e Spek t ra l l in ie liegt. B laues Tyn- da l l i ch t k a n n n u t au f t r e t en , w e n n die pr im/ i re L ich tque l l e b laues I , i ch t a u s s e n d e t ; i s t das Pr im/ i r - ] ich t weiB, so i s t das T y n d a l l i c h t n u r wegen de r be re i t s b e s c h r i e b e n e n In tens i t~Ltsverschiebung fl i t das Auge b l a u v i o l e t t (vgl. Fig. 2, in de r ebenso wie in den fo lgenden A b b i l d u n g e n die ausgezogenen K u r v e n die spek t r a l e I n t e n s i t / i t s v e r t e i l u n g des Pr im/ i r l i ch tes , die s ch ra f f i e r t en F1/ichen die jenige de r S e k u n d A r s t r a h l u n g dars te l len) . F luorescenz- I!cht dagegen i s t - - m i t d e r e inen A u s n a h m e de r uns h ie r weniger i n t e r e s s i e r enden R e s o n a n z s t r a h l u n g gewisser e i n a t o m i g e r Gase u n d D/ impfe -- s t e t s y o n andere r , u n d zwar (wieder m i t e iner b ie r zu- n / i chs t u n w e s e n t l i c h e n E inschr / inkung) yon gr6Be- r e r ~Vellenl/inge als das P r im/ i r l i ch t : STOKEssche Regel. Solange es s ich u m Ftf iss igkei ten h a n d e l t , b e s t e h t das E m i s s i o n s s p e k t r u m aus e iner ode r

C. V. RAMAN entdeckter Strahlungseffekt . [ Die Natur- [wissensehaften

a u c h aus m e h r e r e n u n s c h a r f e n B a n d e n , die a n i rgende ine r Stelle des u l t r a v i o l e t t e n ode r s ich t - b a r e n S p e k t r u m s l iegen k 6 n n e n : w e n n f i b e r h a u p t F luorescenz e r r eg t wird, i s t die In t ens i t / i t sve r t e i - l u n g in diesen ]danden ganz u n a b h ~ n g i g y o n de r Wel lenl / inge des P r im~r l i ch t e s , es m a c h t insbeson- de r e ke iner le i Un te r sch i ed , ob m a n zur E r r e g u n g weil3es ode r m o n o c h r o m a t i s c h e s L i c h t v e r w e n d e t , n u r die gesamte In t ens i t / i t d e r B a n d e wi rd d a d u r c h bee in f luBt (Fig. 3). E n t s p r e e h e n d de r STOKEsschen Regel wi rd m a n also b l a u v i o t e t t e F luorescenz , die a b e r n u t fiir ganz b e s t i m m t e L 6 s u n g e n - - e t w a Ch in insu l f a t in W a s s e r -- c h a r a k t e r i s t i s c h ist, n u t d a n n b e o b a e h t e n , w e n n das e r regende L i c h t u l t r a - v io le t t e S t r a h l e n enth/ i l t , w / ih rend das B l a u v i o l e t t se lbs t d a r i n v611ig feh len k a n n . V o r a u s s e t z u n g fiir die F luoreseenz ist, d a b ein Tell des e in fa l lenden L ich te s in de r I ; l i iss igkei t absorbiert wird, d. h . m a n wird die gr6Bte F l u o r e s c e n z a u s b e u t e (bezogen auf gleiche ein]allende Energie) d a n n e rha l t en , w e n n die Wel len l~nge des P r i m a r l i c h t e s m i t de r j en igen e iner A b s o r p t i o n s b a n d e der 1,6sung ko- inz id ier t . I m a l tgemeinen wird abe r d a n n n i ch t die t o t a l e a b s o r b i e r t e Ene rg i e als F luo recenz r e m i t t i e r t me i s t wi rd sie sogar z u m gr6Bten Tei~

~TDO 500g 6000

Fig. 21. Zusammenhang zwischen der spektralen Intensi t~tsvertei lung yon Primer- und Sekund~r- s trahlung im Tyndalleffekt bei Erregung mit weil3em

Licht.

au f a n d e r e W e i s e - - als \¥ / i rme , evt l . zu c h e m i s c h e n R e a k t i o n e n -- v e r b r a u c h t , doch s ind a u c h F~lle be sonde r s gf inst iger F luo re scenzausbeu t e b e k a n n t , wo diese ( n u n m e h r bezogen aufabsorb.ierte Energie) n i c h t we l t u n t e r I00 % liegt. Bei de r F luo rescenz also - - u n d das gi l t j e t z t ganz al lgemein, die o b e n e rw/ ihn te R e s o n a n z s t r a h l u n g m i t e ingeschlossen - - h a n d e l t es sich u m zwei ze i t l ich n i c h t z u s a m m e n - fa l lende Prozesse : e r s t den Abso rp t i onsak t , d a n n den E m i s s i o n s a k t ; das Ze i t i n t e rva l l zwischen d e m Abschlu]3 des e r s t en u n d d e m Momente , i n d e m de r zwei te zu r H/i l f te abge l au fen i s t (die m i t t l e r e A b k l i n g u n g s d a u e r 2) i s t zwar h/ iufig n u r sehr ku rz (zwischen I0 -7 u n d 10 -9 sec.), a b e r m i t den uns

1 Anmerkung zu Fig. 2-- 4 . Die Kurven der Figuren 2-- 4 sollen kein quant i ta t ives Bild der abso- luten IntensitAten darstellen, sondern nur die spektrale Lage der einzelnen Emissionsbanden angeben.

Ffir diese ~berlegungen i s t e s ohne ]3elang, ob man sich die Emission jedes einzelnen Molekt~ls als eine zeitlich infolge der Strahlungsd~mpfung ab- klingende Schwingung im klassischen Sinne 6enkt, oder im Sinne der BOHR-EINSTEINschen ¥0rs te l lung als einen absolut momentanen Prozei~, der abet dann bei dem einen Atom frfiher, beim anderen sp'~ter eintri t t .

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Heft 3x. ] PRINGSHEIM: Der Ramaneffekt , ein n e u e r 3. 8. 19281

heute zur Verftigung stehenden Methoden auf wenige Prozent genau me/3bar. Die Streuung da- gegen bedeutet -- ganz analog einer Spiegelung, in die sie unter geeigneteii Bedingungen auch iiber- gehen kann --, abgesehen yon einem m6glichen Phasensprung, eine bto13 in andere Richtung abgelenkte unmittelbare Fortsetzung der eiil- tallenden \¥elle: im Moment, wo diese abgeschnit- ten wird, setzt aueh jene aus; wennschoI1 fiir das Tyndallicht selbst wegen seiner altzu kleiiieii Intensit~t hiertiber keine Messungen vorliegen, existieren einwandfreie Beobaehtungen, nach denen bei einer Spiegelung die Nachleuchtdauer selbst im Vergleich mit io -9 sec. noch sehr klein ist. Da beim Tyndalleftekt eiii Absorptionsprozel3 fiber- haupt ilicht vorkommt -- was schon dariii sich zeigt, dal3 man ihn im allgemeinen an ,,weiBen" Fliissigkeiten beobachtet, die im sichtbaren Ge- biet keinerlei Absorptionsbanden besitzen -- , so ist zwar sein relativer 0konomiekoeffizient, d. h die Intellsit~t des Streulichtes im VerhXltnis zu der des Prim~rstrahls sehr klein (im Blauviolett meist yon der Gr6Benordiiung IO-5), sein absoluter Nutzeffekt dagegen betr~gt immer IOO%, d. h. alle Energie, die durch Streuung dem Prim~rstrahl entzogen wird, Iindet sich quanti tat iv im Streulicht wieder.

3. ComptoneJJekt. Dieses , ,quanti tat iv" gilt abet nur in erster Ann~herung; eine bereits l~tiiger bekannte Abweichung davon verursacht der Comptoneffekt, der jedoch allein bei der Streuullg yon R6ntgenstrahlen, also yon Licht sehr kleiner Wellenl~tnge, an treien bzw. schwach gebundenen Elektronen so grof3en Wert annimmt, dab er durch unsere heutigen MeBmethoden erfaBt werden kanm Im Sinne der Quantentheorie ist der individuelle StreuungsprozeB hervorgerufen durch den elasti- schen Zusammenstog zwischen einem Licht-

hv quant mit dem Impuls m y = - - (v: Frequenz,

c h: PLA~CKEsches Wirkungsquantum, e: Licht- geschwindigkeit) und eiiiem E!ektron oder MolektiI der Masse M. Dabei gibt das Lichtquant mit der ~nderung seiner Bewegungsrichtung auch einen Tell seiner kinetischen Ellergie an das getroffene Teilchen ab, der aber gem~g dem Impulssatz desto kleiner ist, je grSBer M im Verh~tltnis zu m. Bei der Streuung yon R6ntgenstrahten mit relativ groBem v an Elektroilen, deren Masse M relativ klein ist, ist die fibertragene Energie noch grof3 genug, um leicht nachgewiesen werden zu k6nnen, und zwar sowohl dutch die Riickstot3bewegung der streuenden Elektronen nach dem Zusammenstol3 als durch die Verminderung der Eiiergie des Licht- quants, die in der Herabsetzung der Frequenz v, d. h. also in einer Verschiebung der gestreuten R6nt- genlinie nach grSBeren Wellenlfingen zu besteht. Theoretisch ist der gleiche Effekt auch bei der Streuung sichtbaren Lichtes an Molekfilen vor- hauden, nur l~Bt sich aus den bier mitwirkenden Gr6f3eii yon v und M leieht berechneii, dab nicht allein die RiiekstoBbewegung der Molekfile, sondern

yon C. V. RAMAN entdeckter Strahlungseffekt. 599

auch die Wellenl~ngen~nderung des Streulichtes weit uilter jeder MeBbarkeit bleiben mug.

4. Ramane]]ekt. Die RAMANSChe Entdeckung giilg yon der Beobachtuilg aus, dab wenn man zur Erreguilg von Tyndallstrahlung nicht, wie meist iiblich, spektral unzertegtes weii3es Licht ver- wandte, sondern in den Weg des PrimArstrahls ein Lichtfitter (F~ in Fig. I) einschaltete, das nur ftir das violette Ende des Spektrums durchl~ssig war, das Streulicht manchmal, weniischon mit sehr kleiner Intensit~t, Wellenl~ngen enthielt, die dutch jenes FiRer nicht hindurchgegangen sein konnten. Betrachtete man den Tyndallkegel dutch ein zweites Fil ter (F2), das umgekehrt alles kurz- wellige Licht absorbierte, so h~tte nach dem friiher Gesagten der Beobachter iiberhaupt nichts mehr yon dem Streulieht sehen dfirfen, w~hrend tat- s~chlieh ein schwacher griingelber Lichtkonus zu erkennen war. Diese Erscheinung -- an einer sehr groBen Zahl m6glichst sorgf~ltig gereinigten Fltis- sigkeiten sehr ungleicher Art (aliphatische Fett- sAuren, Benzol, Wasser usw.) immer wieder beob- achtet -- wurde zunAchst Ms eine schwache Fluorescellz gedeutet, was um so n~her lag, als die eben besprochene Methode ,,der komplemen- t~ren Tilter" seit STOKES allgemein zum Nachweis yon Fluorescenz verwaiidt wird (3)-

DaB es sich bier in Wahrheit um ein ganz anderes Ph~nomen handelt, Liar bereits deutlich hervor, als aus dem weiBen PrimArstrahl Ilicht mehr durch ein Lichtfilter nur der langwellige Teil des Spektrums entfernt sondern mit Hilfe eines Monochromators eiii enges SpektraIgebiet aus- geblendet wurde, dessen mittlere Wellenl~nge sich schrittweise verAndern lieB: nun erschien im Streulicht neben der Strahlung der yon dem Monochromator gelieferten Wdlent~iige immer durch eiii gleich breites Intervall getrennt ein zweites schmales Emissionsgebiet, das sich, wie in Fig. 4 angedeutet, parallel mit der variierenden Monochromatorstrahlung im Spektrum verschob. Als daiin RA~IA~¢ schlieBlich dazu iiberging, als Prim~irstrahIung stat t des wei13en Sonnen- oder Kohlenbogenlichtes das Lieht eines Hg-Bogens zu benfitzen, dessen Spektrum aus wenigen, relativ sehr intensiveii Linieii besteht, da zeigte es sich', dab die Streustrahlung neben diesen noch immer am kr~ftigsten auftreteilden Linien eine betr~tcht~ liche Zahl anscheinend ilicht weniger scharfer Linien enthielt, die teilweise fiir ganz verschiedene Fltissigkeiten in ihrer Lage tibereinstimmten, w~hrend doch auch wieder zwischen einzelnen Streu- spektren charakteristische Unterschiede zu er- kennen waren.

Zum Beweis daftir, dab mail es hier wirklich llicht mit Fluorescenz zu tun ha t (ein anderes bereits bekanntes optisches Ph~llomen konnte fiberhaupt nicht in Betracht kommen), Iiihrt RAMAN ill seiner ersten vorl~ufigen Ver6ffent- lichung (4) (5) ausdriicMich nur zwei Argumente all, die zun~ichst keiile allzu grol3e 0berzeugungskraft besitzen. Das erste besteht darin, dab die ,,lleue

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6oo PRINGSHEIM: Der Ramaneffekt, ein neuer von

Strahlung" betrgchtliche Polarisation aufweist, von derselben Gr6Benordnung wie die gleiehzeitig beobachtete eigentliche TyndaIlstrahlung yon un- vergnderter V~'ellentgnge. Nun ist abet das TyndaI1- lieht, das zwar nach der elementaren Theorie unter den in Fig_ x angegebenen Beobachtungsbedin- gungen (Beobachtungsrichtung senkrecht zum Primgrstrahl) vollstgndig linear polarisiert sein sollte, wie durch die Arbeiten neuerer IZorscher gezeigt wurde, zu denen auch RAMAN selbst ge- h6rt, hgufig sehr stark -- bis zu 5o % -- depolari- siert x. Andererseits ist das Fluorescenzlicht yon Fliissigkeiten, das frfiher als immer unpolarisiert gait, nicht selten sehr merklich polarisiert, und da die Fluorescenz yon Dgmpfen unter Umst/inden rein linear polarisiert ist und das gleiche ffir Flfissigkeiten unter geeigneten Voraussetzungen auch nicht prinzipiell ausgeschlossen w~re, ist hier irgendeine sichere Unterscheidungsm6glich- keit offenbar nicht mehr gegeben. RAMANS zweites Argument: die ~ul3erst geringe Intensit~tt des F.ffektes klingt vielleicht n0ch weniger beweisend; denn dutch hinreichende Verdiinnung einer Farb- stoffl6sung kann man natiirlich auch deren Fluorescenz beliebig lichtschwach machen. Und doch dfirfte hier ein wesentlicher Punkt getroffen sein: denn Fluorescenz, dutch Lichtabsorption bedingt, kann doch auch sehr viel gr6Bere Heltig- keit besitzen, die neue Strahhmg dagegen, wenn sm wirklieh nur eine Begleiterscheinung des Tyn- dalIeffektes ist, t r i t t gerade dana auf, were1 die Prim~rstrahlung in der Fliissigkeit nicht absor- biert wird, und wird, da sie ihrerseits nur einen Bruchteil der gesamten Streustrahlung ausmaeht, unter keinen UmstXnden wirklich tichtstark werden k6nnen.

Man sieht: grol3e Bedeutung besAl3e der Nachweis, dab das Auftreten der neuen Strahlung ursAchlieh und quant i ta t iv mit dem Tyndalleffekt gekoppelt ist. D aftir werden yon RAMAN im wei- teren Verlauf seiner ersten Mitteilung noch mehr- fach Hinweise gegeben. Der wichtigste darunter ist vielleieht in der Angabe enthalten, dab beim Erreiehen kritischer ZustXnde -- sowohl in der N~ttle der kritischen Temperatur yon gasf6rmigem CO 2 als auch einer LSsung yon Phenol in Schwefel- kohlenstoff -- gleichzeitig mit dem Auftreten der kritischen Opalescenz die neue Strahlung sehr viel heller wird; hierzu kommt die bloBe Tatsache, dab man bei Einstrahlung blauen Lichtes tiberhaupt in Gasen wie COe oder NeO die neue Strahlung, Ireilich wegen sehr geringer Intensit~t nur mit einiger Sehwierigkeit beobachten kann, w~hrend es absolut feststeht, dab sie in diesem Spektral- gebiet weder Absorptionsbanden besitzen noch zur Fluorescenz erregt werden kSnnen. Ganz deutlich zeigt aber auch ein blo[3erVergleieh der Fig. 3 und 4, dab das Verh~Itnis zwischen der "WellentAnge des

Theoretisch wird das dadurch erkl~rt, dab man den streuenden Molekfilen keine Kugelsymmetrie sondern eine in manchen FMlen sehr groBe Anisotropie (Polarit~t) zusehreiben muB,

C. V. R&MAN e n t d e c k t e r Strahlungseffekt. [ Die Nater- lwissenschafte~

Prim~ir- und Sekund~rlichtes ftir die Fluorescenz und fiir die neue Strahlung ein durchaus ver- sehiedenes ist; und eine aus schmaten Lir/ien be- stehende Fluorescenzemission, die noch dazu, je nach der Wellenl~nge des erregenden Lichtes, jedes- mal eine andere Lage im Spektrum besitzt, ist votlends yon dem, was wit sonst als Fluorescenz yon Fliissigkeiten kennen, durchaus verschieden: So kann man kaum mehr daran zweifeln, dab hier wirktich ein neuer Effekt aufgefunden worden ist, den man konsequenterweise als Ramanef/elct zu be- zeichnen haben wird.

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Fig. 3- Zusammenhang zwischen der spektraIen Inten- sit~tsverteilung yon Primer- und Sekund~rstrahlen in der Fluorescenz bei Anregung mit engem Spektral-

bereich.

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~ eooo~ qO00 Fig. 4. Zusammenhang zwischen der spektralen In- tensit~tsverteilung yon Primer- und SekundXrstrahlung im Tyndall- und Ramaneffekt bei Anregung mit engem

Spektralbereich.

5. Der Mechanisrnus des Ramanv]]ektes. Be- reits dadurch, dab I{AMAN den neuen Strahlungs- effekt in Parallele mit dem Comptoneffekt stellt, weist er auf den vermutlichen Mechanismus seiner Entstehung bin: die Strahlung yon ver~nderter Wellenl~nge kommt nicht, wie bei der Fluorescenz, dadurch zustande, dab die Prim~rstrahlung (bzw. ein Quant derselben) yon einem Molekfil absorbiert wird, dieser einen Tell der aufgenommenen Energie anderweitig verbraucht und den Rest als Licht- quant kleinerer Energie, d. h. kleinerer Frequenz wieder aussendet. Sondern im GegenteiI: der

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H e f t 3~. 1 3. 8. I928 ]

H a u p t b e t r a g d e s einfMlenden L ich tquan tes wird d i r e k t gestreut, und nur ein kleiner Ante i l geht bel diesem A k t auf das s t reuende Molektil fiber, so dab im Endef fek t wieder die Wellent~nge der Sekund~r- s t ra l i lung nach R o t verschoben wird. Bis h ierher ist die Analogie zum Comptonef fek t vo l lkommen; im Gegensatz zu diesem kann abet, wie wi t sahen, nach dem Impulssa tz die dem Strahl entzogene Energ ie n icht in kinetische Energie des Molektils verwandel t , sie mu[3 yon ihm in andere r F o r m aufgenommen werden. Was diese Energ ie form sein mag, 1/tBt RAMAN in seiner ers ten Publ ika t ion noch e in igermagen unentschieden, doch neigt er sieh schon dor t am ehes ten zu der Meinung, dab es sich u m eine Anregung yon A t o m k e r n - schwingungen in den Molekfilen handeln dfirfte~:

DaB, sobald derar t ige Anregungsprozesse m i t im Spiel sind, der Impulssa tz in seiner gewbhn- lichen F o r m f fir die Energ ie t iber t ragung bei e inem Zusammens tog n ich t mehr maBgebend ist, well3 m a n aus zahl re iehen Un te r suchungen fiber Kolli- s ionen zwischen E lek t ronen und Atomen. W e n n z. B. E lek t ronen n ich t zu grol3er Geschwindigke i t (die sie nach Durchfa l len einer Potent ia ld i f ferenz yon weniger als 2o Vol t e r langt haben) du tch einen mi t H e l i u m gefii l l ten R a u m geschickt werden, so er leiden sie be im Zusammenstol3 mi t e inem H e - A t o m eine Ablenkung aus ihrer Bewegungs- r i ch tung ohne merkl ichen Energie- bzw. Geschwin- d igkei tsver lus t : sie werden , , g e s t r e u t " , wie das L ich t im Tyndal leffekt . In Wahrhe i t wird bei j edem ZusammenstoB ein sehr kleiner Tei l der Bewegungsenergie auf das getroffene A t o m fiber- t ragen, zu dessen Nachweis im Einzelfal l zwar die MeBgenauigkei t n ich t ausreieht , der aber du t ch Summat ion , nachdem ein E l ek t ron an sehr vie len Zusammenst6Ben t e i lgenommen hat, sich doch bemerkba r mach t : dieser Energiever lus t , d e r n u r wegen der Gr6Be der He l i uma tommasse im Ver- gleieh mi t der E lek t ronenmasse so klein bleibt , en t spr ich t dem Comptoneffekt , Is t dagegen die Geschwindigkei t der E lek t ronen gr6Ber (etwa nach Besehleunigung du tch eine Potent ia ld i f ferenz y o n 5 ° oder mehr Volt), so wird auch j e t z t noch der gr6Bte Tei i der E lek t ronen ohne merk l ichen Ge- schwindigkei t sver lus t ges t reu t ; ein anderer Teil j edoch kann bei e inem Zusammenstol3 das ge- t roffene H e - A t o m in einen opt isch e r reg ten Zu- s tand versetzen, wozu eine 1Kindestenergie yon 2o, 7 Vol t erforderl ich is t ; die hierbei ve rb rauch t e Energie geht dem Elek t ron verloren, das nun also nach dem StreuprozeB n u t m e h r mi t k le inerer Geschwindigkei t in ver~inderter R ich tung wei ter- fliegt. Die vol ls t~ndige AnaIogie zwischen diesem Pht~nomen und dem tZamaneffekt is t unve rkenn- bar, wenn man die Fig, 5a und 5b mi te inander vergleicht , yon denen die e rs te d ie Geschwindig- ke i t sver te i lung der S t reue lek t ronen im He l ium bei verschiedenen Pr imi i rgeschwindigkei ten nach t)Y- MOND (6) darstel l t , w~hrend die zweite eine ~Vieder- ho lung yon Fig. 4 ist, i l l der n u t d iesmal die Fre- quenzen s tar t der Wellenl~tngen als Abszissen-

PRINGSHEIMt D e r Ri~maneffekt, ein neuer yon C. V. RAMAN entdeckter Strahlungseffekt. 6oi

maBstab gew~hlt und tiberdies die r e l a t i v e n In , tensit~iten den wahren Verhii l tnissen mehr am- geglichen worden sind. Wie groB das Verh~Itnis zwisehen d e r Anzahl der St6Be m i t und ohne Ge- schwindigkei t sver lus t ist, h~tngt Yon heu te noch nicht ganz zu f ibersehenden Bedingungen (der , ,Anregungsfunkt ion") ab, D a fiberdies das Hel ium-

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Fig -5 a. Geschwindigke{tsverteiiungder Streuelektr0neu als Funktion der Prim~relektronengeschwindigkeit in

Helium nach DYMoI~n,

0

j r e q u e n 2 g n - 19ooa c m -~

b PmmLh'a/Pohlen-

d } , e c u e n z Vo =z70oo Cm -~

t~ Prirn~tPStrghlen-

Jrequene Yo - 25000 cm-¢

ol n 1700 1 8 0 0 Xg00 3000 ZIO0 g200 #JO0 ZqO(l 250Q c m r

Fig. 5b. SpektrMelntensit~tsverteilung desStreuliehtes bei verSchiedenen Frequenzen des Prim~rlichtes.

a t o m nicht nur eine einzige, sondern eine ganze Reihe yon Anregungss tufen besitzt , so erhal ten wi t fiir die S t reue lek t ronen n ich t nu t einen ein- zigen, sondern mehrere wohldef in ier te Geschwin- d igkei t sver lus te : an Stelle der ursprt ingl ich ein- hei t l iehen Geschwindigkei t v 0 ist ein aus d iskre ten Geschwindigkei ten %, vl, v~ usw. zusammen- gesetztes Geschwindigke i t s spekt rum getreten, ge- fade wle im Ramane f f ek t bei Eins t rahIung einer monochromat i schen Linie n ich t nur eine neue Linie, sondern eine gauze Folge solcher Lin ien erscheint.

SchlieBlich ist noch zu bemerken , dab die gleichen l~berlegungen, die der E in fachhe i t ha lber hier fiir die Zusammenst6Be yon Elek t ronen mi t A t o m e n und die dabei Vorkommenden E lek t ronen - sprfinge im A t o m durchgeffit~rt wurden, auch f/it die Zusammenst613e yon Elek t ronen mi t Mole- kfilen und bei Anregung der A tomkernschwingun-

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602 Pt~INGSHEIM: Der Ramatldfekt, ein neuer yon

gen im Molekfil gelten, nur dab diese Kernschwin- gungen zu ihrer Anregung sehr viel kleinerer Energiebetr~tge bedfirfen, dab demgem~tB die Energieverluste h r d e n Elek t ronen bzw. der ein- fMlenden Strahlung beim StreuprozeB sehr vim kleiner sind, d. h. dab die dutch den Ramaneffekt neu entstehenden Linien gegenfiber den Linien des Prim~irlichtes viel weniger weir nach gr6Beren Wellen zu verschoben werden. Gerade dieser letzte Umstand dfirfte die Entdeckung des Raman- effektes erst m6glich gemacht haben, worauf sparer noeh zurfickgekommen werden soll.

6. Die Linien des Ramane]jektes. Auf den Zu- sammenhang des neuen Fdfektes mit den intra-

Fig. 6. Ramanspektra bei Erregung mit Hg-Bogen- licht, a Gemisch von Benzol und CC14. b C~CI a.

c C~HeC14.

molekularen Schwingungen der Atomkerne hatte RAMAN U. a. Z. B. daraus geschlossen, dab bei Durchstrahlung yon Vc'asser und yon Eis mit dem Lichte des Hg-Bogens die gleichen Linien auf- t raten; ebenso dab die Spektra verschiedener organischer F!fissigkeiteI1 teHweise gleich, teilweise ungleich liegende Linien aufwiesen; man versteht das leieht, wenn man bedenkt, dab in diesen Verbindungen gewisse Molekfilgruppen immer wieder vorkommen: die C-H-Gruppe, die C-C- Gruppe usf., und dab ffir jede derartige Gruppe eine aus den Atomgewichten und der Bindungs- fesfigkei£ resultierende Kernschwingungsfrequenz charakteristisch ist, die allerdings dutch den Ein.flul3 sonstiger benachbarter Atome noch bis zu einem ge- wissen Grade modifiziert werden mag; d. h. es braucht die Kernschwingungsfrequenz etwa der C - , H - Gruppe im Benzol un4 in einem aliphafischen Alko-

C. V. RAMA~ en tdeck t e r S t r~hlungsef fekt . [ Die Natur- [wissenschaften

hol nicht genau fibereinzustimmen. Die Zuverl~tssig- keit dieser Deutung f/ir das Entstehen der 1Raman- linien ist aber inzwischen schon sehr viel besser begrfindet worden, in erster Linie durch eine neue Ver6ffentlichung yon RAMAN selbst, der, wie zu erwarten, seine zahlreichen Beobachtungen nun- mehr auch quant i ta t iv auszuwerten begonnen hat, dann auch durch zwei in den C. R. publizierten Mitteilungen yon CABANNES und DAURE (8) sowie yon ROGARD (9), die in allen wesentlichen Punkten mit den RAraANschen Resultaten fibereinstimmen; schliet31ich habe auch ich selbst, wie vermutl ich inancher andere, angeregt durch RA~ANS erste Publikation, eine Anzahl yon Versuchen fiber den Ramaneffekt durchgeffihrt, die an anderer Stelle ausftihrlich dargestellt werden sollen. Eindentig scheint aus all diesen Arbeiten hervorzugehen, dab die Differenzen zwischen den Frequenzen (Wellen- zahlen) der Primiirlinien und den neuen Ra- manlinien wirklich identisch sind mit Kern- schwingungsfrqeuenzen der gleichen Substanzen, wie sie aus der Ultrarotforschung bekannt sind. Als einziges Beispiel sei hier nur eine Linie bei 5o0o A genannt, die bei Einstrahlung der blauen Hg-Linie 4358 A i m Streulicht aller organischen Fltissigkeiten mit einer C - H-]3indung (beim Chloroform oder Dichloracethylen so gut wie beim Benzol, Toluol oder Chlorbenzot) auftr i t t (in Fig. 6a unct c ist diese Linie durch ~ markiert), beim CCI 4 oder C~C14 dagegen fehlt (Fig. 6b);

i i -- 294 o c m - ~ die Frequenzendifferenz 4358 5 °00

entspricht der Frequenz einer ultraroten Linie bei 3,4/~, die ihrerseits im Ultrarotspektrum all dieser Substanzen bekannt ist und dort tier Bin- dung C - - H zugeschrieben wird. Da die kompli- zierter gebauten organischen Molekfile im all- gemeinen eine betr~tchtliche Anzahl yon Kern- schwingungsfrequenzen besitzen -- wobei auch m6gtiche Kombinationen mehrerer solcher Fre- quenzen mitzuz~thlen sind --, so entspricht, wie schon erw~ihnt, jeder Prim~rlinie eine gr6Bere Zahl yon Ramanlinien (die Spektrogramme der Fig. 6 m6gen daffir als Beispiel dienen), und so besteht die Aussicht, aus einem einzigen Raman- phot0gramm das ganze Ultrarotspektrum eines Stoffes, das sonst, wenn es sich fiber ein gr6Beres Spektralgebiet erstreckt, nur durch sehr mfihselige Messungen gewonnen werden kann, auf einen Schlag zu erhalten. Am Benzol ist es bereits RAMAN selbst gelungen, die Verschiebung yon vielen Linien mit entsprechenden Ultrarotfrequenzen zu identi- fizieren. Zur wirklichen Sicherstellung der Methode erscheint es aber doch noch wfinschenswert, sie an einem m6glichst einfachen Stoff mit einer einzigen wohlbekannten Ultrarotfrequenz zu erprobenK

DaB im fibrigen ffir das Auftreten der einzelnen

1 Eine Untersuchung des Ramaneffektes an flfissi- gem und gasf6rmigem HC1 habe ich zu diesem Zweck gemeinsam mit Herrn M. CZERNY bereits in Angriif genommen.

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Heft 3L ] P R I N G S H E I M : D e r Ramaneffekt, ein n e u e r 3, 8, i928 j

Lin ien c h a r a k t e r i s t i s c h e E i g e n s c h a f t e n de r i n - d iv idue l l en MoIekiile u n d n i c h t i rgendwelche Mi t t ehver te , die aus d e m G e s a m t z u s t a n d de r s t r e u e n d e n Fl t iss igkei t (e twa ih re r m i t t l e r e n Dichte- s chwankungen ) resu l t ie ren , e n t s c h e i d e n d sind, e r g i b t s ich e inwal idf re i da raus , d a b m a n bei D u r c h s t r a h l u n g eines G e m i s c h e s zweier Sub- s t anzen (Benzol u n d Te t rach lo rkoh lens to f f ) R a m a n - s p e k t r a von genau de r se lben Sch~irfe b e k o m m t wie a n re inen Stoffen u n d dab diese d u r c h eine e x a k t e Superpos i t ion de r be iden E i n z e l s p e k t r a geb i tde t werden (vgl. Fig. 6a) .

7. Antistolcessche Linien. D u r c h Fig. 7 mOgen die l~2nergieverh~ltnisse in e inem Molekfil n a e h d e m d u t c h SOMMERFELD e ingef f ih r ten S c h e m a da rges t e l l t w e r d e n : jede Hor izo l i tMl in ie b e d e u t e t e inen b e s t i m m t e n E n e r g i e z u s t a n d (ein , ,Energie- n i v e a u " ) des Molekfils; diese Zus t~nde s ind d a t u m diskre t , well das Molekti l in se inen v e r s c h i e d e n e n m6gl ichen K e r n s c h w i n g u n g e n m i t den Fre- q u e n z e n vk', v~'" usw. n u r ganze E n e r g i e q u a n t e n hv~% h % " usw. a u f n e h m e n k a n n , wobei w i t uns b ie r d a r a u I beschrXnken k6nnen , dab eine b e s t i m m t e K e r n s c h w i n g u n g gar n i g h t oder n u t m i t e lnem Q u a n t angereg t sei; gleichzei t ige A n r e g u n g e iner S c h w i n g u n g v~" und vj" k a n n als J~quiva len t m i t dem A u f t r e t e n e iner neuen Sehwingung de r F r e q u e n z r a ' + v~" gese tz t werden. In der Fig. 7

Fig. 7. Kernschwingungsenergieschema emes Moleki~ls mit Eigenfrequenz v~i.

e n t s p r i e h t das u n t e r s t e Niveau A dem u n a n g e r e g - t en N o r m M z u s t a n d des Molektils, das n~chs t - folgende B l iegt u m die E r r e g u n g s s t u f e hvk t h6her , well zu seiner E r r e i c h u n g die K e r n s c h w i n g u n g m i t de r Frequel iz ~.k ~ a u f g e n o m m e n werde l i muB, welche die k le ins te u n t e r Mien mSgl ichen A t o m - s chwingungen i m Molekfil i s t ; ana log sei im Niveau C die IKernschwingungsf requenz vk~, i m Niveau D vk"" usw. angereg t , wobei v~S < vk "~ < rJ". AIs MaB ftir die H 6 h e d iese r E n e r g i e n i v e a u s v e r w e n d e n wir, wie in de r Spek t roskop ie Mlgemein

I iiblich, d i e , ,We l l enzah l " -z (d ie s i c h v o n de r F r e q u e n z

d u t c h den F a k t o r c u n t e r s c h e l d e t :~- - - , ftir die

wi r i m folgenden, e inem alIgemeil ien u n s c h 6 n e n B r a u c h fotgend, wieder kurz v schre iben , und die Ms rez iproke L~nge d u t c h cm -~ gemessen wi rd x.

Sind einige K e r n s c h w i n g u n g s f r e q u e n z e n , e twa vk" u n d v , " n u r klein , so s ind schon bei Z i m mer -

Neben den Wellenzahlen finder man in der neueren Atomphysik hAufig als EnergiemaB s ta t t der m der Chemie allgemein llblichen cal 'tool das Volt, n~imlich die kinetische Energie eines durch die Potential- differenz i Volt beschleunigten Elektrons. Zur Um- rechnung dient die Beziehung: [ Volt -- 23ooo cM'mot = 8 ,11 " IO g c i n 1

v o n C. V. RAMAN e n t d e c k t e r Strahlungseffekt. 6o 3

t empera . tu r e ine betr~icht l iche A n z a h l yon Mole- ktileli infolge de r G le i chve r t e i l ung de r WArme- energie in den Z u s t ~ n d e n B u n d C, weniger schon in D usw. W e n n abe r Molekti le s ich auf d e m E n e r g i e n i v e a u B bef inden , so k 6 n n e n sie b e i m Zusammens to l3 m i t e inem L ich tqua l i t , d. h. bei e inem Streuprozel3, ebensowoht Energ ie abgeben , wobei sie n a c h A zurt ickfal len, wie a n d e r e Molektile, die sich im M o m e n t de r S t r e u u n g in A bef inden , dense lben E n e r g i e b e t r a g a u f n e h m e n . A u c h dieser V o r g a n g i s t aus den U n t e r s u c h u n g e n f iber die Z u s a m m e n s t 6 B e zwischel i E l e k t r o n e n u n d A t o m e n w o h l b e k a n n t : b e f i n d e t s ich das ko l l id ie rende A t o m in a n g e r e g t e m Zus t ande , der e twa d u r e h v o r a n g e h e n d e L i c h t e i n s t r a h l u n g e r r e i c h t w o r d e n sein kann , so k a n n die Ai i regungsenerg ie des A t o m s sich b e i m Z u s a m m e n s t o B , de r dan l i als StoB zwei ter A r t b e z e i c h n e t Wird,. in k ine t i s che Energ ie des E l e k t r o n s v e r w a n d e l n U n d bei ~der F l u o r e s c e n z e r r e g u n g f inden wir den ana logen Vor- gang n o c h m a l s w iede r : es kSnnei1 n~ml ieh Tei le des F l u o r e s c e n z s p e k t r u m s kfirzere W'ellenl~ngeli bes i t zen als das e r r egende L ich t (wie im Fal l e de r Fig. 3); die ftir die Emiss ion fiber das ab- so rb i e r t e L i c h t q u a n t h i n a u s nSt ige Zusa tzene rg ie e n t s t a m m t d a b e i gleichfal ls de r i n n e r e n An- r egungsene rg ie fW~rmeenerg ie) de r Molekfile. Da eine de ra r t ige Fluorescenz, bei t ier das sekund~re L i c h t kfirzere Wel l en l~ngen e n t h ~ l t als das pr im~re , de r SToKXsschen Rege l widerspr ich t , b e z e i c h n e t m a n sie m i t e inem zwar n i c h t sch6nen a b e r p rXgnan ten N a m e n als an t i s tokes sche F luorescenz

Ganz ebenso k o m m e n . . an t i s tokessche" L in ien im R a m a n e f f e k t vor ; sie s ind gegen die p r i m e r e m g e s t r a h l t e Linie u m geradesovie l [n~imlich u m

den !~etrag ~1~ = n a c h Vio le t t v e r s c h o b e n wie

die n o r m M e n R a m a n l i n i e n n a c h Rot . A u c h diese E r s c h e i n u n g wird in RAMANS e r s t e r P u b l i k a t i o n Ms wahr sche in l i eh v o r h a n d e n v e r m e r k t , ohne d a b eine s ichere Bas is daf i i r e r b r a c h t wiirde; die neue re Arbe i t e n t h ~ l t eine p h o t o m e t r i s c h e Regi- s t r i e r k u r v e des d u r c h die b laue Hg-Lin ie a m Benzol ausge l6s ten S p e k t r u m s , in de r e ine an t i - s tokessche Linie zu e r k e n n e n ist, a l le rd ings n u r so s c h w a c h angedeu te t , d a b wenl i m a n n i c h t beson- ders d a r a u f a ch t e t , m a n sie woh i t ibersehen k6nn te . Dagegen s ind auf den v ie len der yon m i r g e m a c h t e n A u f n a h m e n die a n t i s t o k e s s c h e n L i n i e n au f l e ro rden t l i ch deut l ich , so vo r Mlem auf d e m in Fig. 6 c r e p r o d u z i e r t e n S p e k t r o g r a m m , das be i D u r c h s t r a h l u n g v o n C2H2C1 ~ m i t d e m i n t e g r M e n L i c h t des Hg-Bogens e rhMten w u r d e : an j ede r e r r egenden Linie (am d e u t l i c h s t e n an der b l a u e n Linie 4358 A, in de r F i g u r d u t c h ~ m a r k i e r t ) er- s c h e i n t das normMe, n a c h R o t zu v e r l a u f e n d e R a m a n s p e k t r u m auf de r kurzwel l igen Sei te spiegel- b i ld l ich wiederhoI t . N u t die I n t e n s i t ~ t S v e r h ~ l t - nisse s ind im n o r m M e n u n d i m an t i s tokeSschen Tell des S p e k t r u m s v e r s c h i e d e n : die r e l a t i ve In~ tens i tXt de r n o r m a l e n (nach R o t ve r schobenen) Linien, d e r e n Wel len l~nge du rch E n e r g i e a u f n a h m e

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bei den Oberg~ngen A - ~ B , A --~" C usw. infolge der Streuung einer PrimXrstrahlung mit der Frequenz v0 beStimmt wird, hangt offenbar nur yon der Wahrscheinlichkeit dieser l~bergange ab, so dab eine stark gegen die Prim/~rlinie verschobene Ramanlinie (groBes v*~) sehr wohl heller sein kann als eine weniger stark verschobene, Das Auf- treten der antistokesschen Linien h/ingt zwar auch mit der Wahrscheinlichkeit der entsprechenden (Tbergange B--~ A , C --~ A usw. zusammen, ist aber in erster Linie an die Existenz yon Molekfilen in den Zustand6n B , C . . . gebunden, da nur wenn s01chevorhanden, die entsprechendenEnergie- betrage hv*k yon ihnen beim StreuprozeB an die Strahlung abgegeben werden kann. EinigermaBen kraftigwerden also beiZimmertemperatur nur sotche anfistokessche Linien sein, die einem kleinen v*~¢ entsprechen, d. h. die sehr nahe an der erregenden Linie liegen: mit wachsendem Abstand yon v0 nimmt die Intensit/~t der antistokesschen Linie -- im Gegensatz zu den normalen Linien - - s c h n e l l ab . Das entspricht durchaus den Beobachtungen, wie wegen der gfinstigen Lage einer sehr charak- teristischen Liniengruppe auf dem Spektrum der Fig. 6 c leicht zu erkennen ist: der Abstand der ersten Ramanlinie von der Prim/~rlinie v0 (etwa 4358 A, dasselbe wiederholt sich abet auch bei den anderen Hg-Linien) betr~g~ hier nut I8o cm- 1, und da die mitt lere kinetische Energie der Atome bei Zimmertemperatur yon der Gr6Benordnung o,o2 Volt = ca. 16o em- ~ ist, mug sogar dieMehr- zahl al ler Molekfile in bezug auf die Kernschwi- gungsfrequenz re" = 18o c m - 1 bereits erregt sein; die antistokessche Linie v0 + v*' muB also ebenso kr/iftig, vielleicht sogar mit nochl grSBerer Intensi- t/~t im Spektrogramm erscheinen als die symmetrisch gelegene normale (stokessche) Linie r 0 - rk'; f/Jr andere Kernschwingungsfrequenzen mit gr6Beren v~ werdeu die antistokesschen Glieder relativ immer, schwacher, fiir diejenige mit v," = 34oo (die wir weiter oben der Bindung C - - H zuschrieben) ist d ie antistokessche Linie fiberhaupt kaum mehr wahrzunehmen, w/~hrend die entsprechende Stokessche Linie zu den kr/~ftigsten im ganzen Spektrum geh6rt.

8. Zusammenhang m i t der Dispersionstheor~ie. Die Existenz der hier beschriebenen Erscheinung: das Auftreten yon Kombinationslinien mit Fre- quenzen v o ~: ,,~ bei der Streuung yon Licht einer Frequenz v o an Molekfilen mi t Eigen- frequenzen v~ * ist schon in d e r Dispersionstheorie gefordert, die KRAMERS auf Grund der BOI~Rschen Auffassung yon der Wechselwirkung zwischen Strahlung und Atomen entwickelt hat; noch vor KRalvlERS hat sie SMEKAI. in einer alterdings weniger exakten, m e h r phanomenologischen Form in einer an diese Zeitsehrift gerichteten Notiz voraus- gesagt. Es besteht wohl kein Zweifel, dab mehr als ein Forscher daraufhin versucht hat, das Phanomen zu beobachten; dab dies his zum Tage d er 1RAMA~schen Entdeckung nicht gelang, liegt wohl sicher daran, dab man zun~chst, um unter

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m6glichst einfachen ]3edingungen zu arbeiten, die Beobachtungen an Gasen, am liebsten an ein- atomigen GaSen oder DAmpfen angestellt haben dfirfte: so dab also: v, die Frequenz einer (im Sicht- baren oder Ul t rav io le t t gelegenen) Absorptions- Iinie, am ehesten vermutl ich einer Resonanzlinie gewesen ware. w a r e nun beispielshalber diese Absorptionslinie bei 5ooo/~ gelegen (je kflrzer die Wellenl~nge, desto ungtinstiger werden die Ver- haltnisse), so mtil3te man, dami t die Linie v0,--% auch noch in den bequem photographierbaren Teil des Spektrums z u liegen kame, als Prim~rlinie eine solche im Ultraviolett , etwa bei 25oo A, w/~h- len. Nun mul3 man a b e l um eine beobachtbare Intensi tat des Ramaneffektes zu erhalten, einen noch betr/~chtlich starkeren molekularen Tyndall- elfekt erzielen (da ja nur einige Prozent der ge- samten Streuenergie mit ver/~nderter Wetlenl~nge auftritt), d. h. man Infigte mit Dampfdrucken yon mindestens einer Atmosphere oder noch darfiber arbeiten. Bei solcher Dichte haben alle Metall- dXmpfe (andere Gase mit Resonanztinien im sicht- baren oder im langwelligen Teil des Ultraviolet t existieren nicht!) bekanntlich so intensive kon- tinuierliche Absorptionsbanden im ganzen kurzwel- ligen Spektralgebiet, dab eine diesem angeh6rende Prim/~rlinie fiberhaupt nicbt mehr gestreut sondern quan t i t a t iv absorbiert wfirde. Der groge Vorteit der RAMANschen Versuche bestebt eben darin, dab sie statt mit den groBen Absorptionsfrequen- zen v, yon Atomen mit den ultraroten Molekfil- frequenzen vk arbeiten: daher bleiben die nur wenig verschobenen neuen Linien im selben Spektralgebiet wie die Prim~rlinien, das man jetzt flit beide gemeinsam so wahlen kann, dab eine merkliche Absorption nicht stattfindet. Ande- rerseits aber ist es nun auch m6glich, Flfissigkeiten mit ihrer so sehr viel gr6Beren Dichte und ihrem entsprechend viel gr613eren moleknlaren Tyndall- effekt zu verwenden, die zwar keine Scharfen Absorptionslinien im Sichtbaren wohl abet sehr gut definierte Absorptionbanden im Ultrarot auf- weisen. DaB allerdings diese Ultrarotbanden so schmat sind, dab man dutch ihre Kombination init einer scharfen Primarlinie eine kamn weniger scharfe Ramanlinie 1 erh~tlt, h~ttte man vor dem Gelingen des Versuches wohl kaum erwartet.

Im fibrigen stehen die Forderungen der KRa- 5iEl~sschen Dispersionstheorie durchaus mit den im vorigeI1 Abschni~t enthaltenen Ausffihrungeu fiber

1 ]3el starkerer Aufl6sung wird sich wohl doch eine gewisse Verbreiterung der Ramanlinien nachweisen tassen, schon allein infolge der Rotation der Molekfile, dutch die in Gasen die Kernschwingungsbanden in einer Folge yon Einzellinien zerfatlen, die jedochsch6n bei. h6heren Drucken ineinander verflieBen. ]3el elmgen Flfissigkeiten hat RAM~N start verschobener Schmalen Linien relativ breite Banden erhalten. Da sich unter diesen Flfissigkeiten auch das Wasser be- finder, mag das vielleicht mit der Bildung potymerer Molektile zusammenh~ngen, durch welche die Kern- schwingungsfrequenzen in ungleichmaBiger x, Veise ge- stSrt werden.

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die relativen Intensit~ten der einzelnen Linien, insbesondere der stokessehen und antistokesschen Linien, im Einklang. Die nene SCHRGI)INGERSChe Weltenmechanik dagegen scheint ihnen zu wider- sprechen. In ihrem Sinne kGnnte eine Raman- linie der Frequenz v 0 ::~ vk" fiberhaupt nur dann entstehen, wenn sowohl das untere Ms das obere Energieniveau, deren Abstand die Frequenz r~' definiert (also etwa A nnd B in Fig. 7) mit Mole- kfilen besetzt ist; ist die Zahl der Motekfile in den Zust~nden A , B , C . . . dutch N~, _N~, N e . . . gegeben, so w/ire die Intensit/~t der einzelnen Ramanlinien wesentlich dutch die Produkte N ~ . N ~ , N x . N e usw. best immt und lnfil3te Mso, da ja die N~. mit wachsendem ~] schnell abnehmen, mit zunehmendem Abstand yon der PrimXrlinie immer geringer werden. Dagegen mfiBte ffir jedes gegebene r~ die stokessche und die antistokessche Linie gleiche Intensit~t besitzen. Diese beiden Aussagen werden, wie wir sahen, durch die Beob- achtungen nicht best~tigt; es ist der hier vor- liegende Fall nut ein besonders auff~lliges und deutliches 13eispiel flit eine Schwierigkeit, die auch auf anderen Gebieten der Optik ftir die Auslegung der Wellenmechanik sich zeigt. Und so wird es wohl notwendig sein, in diesem Punkt die Theorie oder zum mindesten die Interpretat ion der aus ihr hergeleiteten Gleichungen zu modifizieren.

9. Weitere Probleme. Die Frage nach der Koh~renz der neuen Strahlung wird auch schon in RAMANS erster Pubtikation gestreift. Zu ihrer Beantwortung scheint ein sehr einfacher Weg sich zu bieten. I~AMAN selbst hat bereits gezeigt, dab im Wasser und krystallinem Eis die gleichen verschobenen Linien bzw. 13anden auftreten. Es lag nahe, analoge Untersuchungen an anderen Krystallen auszuffihren; als dieses Problem eben in Angriff genommen werden sollte, wurde uns durch briefliche Mitteilung bekannt, dab LANDS- BERG Und MANDELSTAMM in Moskau bereits, un- abhXngig yon I ~ , I A N , am Quarz und einigen anderen I{rystallen verschobene Linien beob- achtet hat tenh Der gewGhnliche inolekulare Tyn- dalleffekt ist, wie bereits erwXhnt, in J~rystallen wegen der regul~ren Anordnung der Molekfile einerseits, der Koh~renz der Streustrahlung andererseits nur sehr schwach; seine Intensit~t wAchst bei Erwiirmung, entsprechend der zu- nehmenden molekularen Unordnung, wie LANDS- BERG gezeigt hat, proportional mit der absoluten Temperatur (io). Andert sich die IntensitXt der Ramanstrahlung im gleichen Sinne, so ist auch sie koh~rent - - d a n n wfirde n~mlich auch sie im idealen Krystatl beim absoluten Nullpunkt durch Interferenz vollkommen vernichtet, und ihre tat- s~chliche Beobachtbarkeit wird nun dureh die StGrung der Ordnung verursacht. Die Erwartung, dab der Ramaneffekt an Quarzglas wegen der hier bestehenden vollstandigen Unordnung der Mole- k file den Effekt an einem Krystall um ein viel- ...... 1-Anmerkung bei der Korrektur : vgl. diese Zeitschr. H. 28, 557 (1928).

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laches fibertreffen wfirde, hat sich nicht best~tigt. Doch ist dies negative Resultat nicht eindeutig, eine Durchffihrung des Versuchs an ein und dem- selben Krystall bei verschiedenen Temperaturen w~re yon grSBerer ~)berzeugungskraft. An sich ist ein Fehlen yon Koh~renz im Ramaneffekt, dadurch verursacht, dab jeder StreuprozeB gteichzeitig mit dem Energieverlust auch einen Phasensprung yon unbestimmter GrGBe zur Folge hat, aus Analogie zum Comptoneffekt ziemlich wahrscheinlich; ffir diesen haben I42ALLIvlANN und MARK durch Unter- suehung an Krystallpulvern ans dem Fehlen yon Interferenzmaximis nachgewiesen, dab die den verschobenen Linien entsprechenden Wellenzfige im Gegensatz zu den regular gestreuten RGntgen- strahlen inkoh/~rent sind (iI). Gilt das gleiehe ffir den Ramanetfekt, so w~re dessen Anwachsen beim Erreichen kritischer Zust~inde allerdings auI eine irrtfimliche ]3eobachtung zurfickzufiihren. Dann ist der l~amaneffekt, im Gegensatz zum Tyndalteffekt, i iberhaupt kein Sehwankungsphltno- men mehr, seine Intensit~t wird auger dutch die Zahl der Molekfile nur noch dutch die Wahr- scheinlichkeit der anzuregenden l)berg~nge in den Molekfilen bedingt.

Eine Abh~ngigkeit der Wellenl~nge des Raman- lichtes yon der Beobachtungsrichtung relativ znm Prim~rstrahl ist keinesfalls zu erwarten; ffir dieRich- tungsverteilung der Intensit~t dfirften dieselben Be- dingungen maBgebend sein wie ffir die des gewGhn- lichen Tyndalleffekts, was wohI schon aus dem glei- chert Polarisationszustand beider Strahlungen folgt.

Noch folgende Fragestellung dr~tngt sich auf: der Ramaneffekt ist his jetzt nur siehergestellt an Motekfilen mit ul traroten Absorptionsbanden. HomGopolare zweiatomige Molekfile wie N~ oder J , besitzen zwar Kernschwingungen mit wohldefi- nierter Eigenfrequenz, aber wegen des Fehlens eines elektrischen Moments keine diesen Frequen- zen entsprechende ultrarote 13anden: d. h. diese Frequenzen lassen sich nicht durch Absorption ultraroten Lichtes anregen. Dagegen kSnnen sie, wie man aus Messungen yon HARRIES weiB, dutch ElektronenstoB angeregt werden (12). Es wird interessant sein festzustellen, wie sie sich gegen- fiber der Einwirkung kurzwelliger Strahlung, d. h. sichtbaren Lichtes erhalten: mit anderen Worten, ob auch an ihnen ein Ramaneffekt hervorgerufen werden kann oder nieht. Versuche hierfiber sind bereits im Gange 1.

So werden sich, je grGl3er die Zahl der Forscher wird, die sich mi t dem Stoff zu beschXftigen be- ginnen, in immer wachsender Zahl neue Probleme bieten. Denn darfiber kann kein Zweifel bestehen: dutch seine Entdeckung hat RAMAN ein groBes, g'~tnzlich neues Gebiet Ifir die Spektroskopie er- schlossen.

1 Anmerkung bei der Korrektur : An flftssiger Luft konnte nach 2ostiindiger Exposition keine Andeutnng yon verschobenen Linien erhalten werden unter Ver- suchsbedingungen, unter denen die andereren untersuch- ten Substanzen sehr krliftige I{amanspektra ergaben.

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v. BUBNOFF" Grundprobleme der Geologie Europas. [ Die Natur- lwt~,*enschaltea

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Grundprobleme der Geologie Europas. Von S. v. BUBNOFF, Breslau.

I I . Ureuropa und das Rdtsel der krystallinen Schie]er. Exzeptionalismus und Aktualismus.

In dem ersten Aufsa tz I habe ich gezeigt, dab der Untersch ied superkrus ta ler und in terkrus ta ler Gesteine zwar gewisse Kompl ika t ionen in unser Denkschema hineinbr ingt , dab wir aber bei beiden eindeut ige Kr i te r ien besitzen, um die Zeitfolge und mi th in auch die En t s t ehungsa r t zu ergriinden. Nun bes teh t aber eine ganz groBe Gruppe yon Gesteinen, die m a n nicht ohne weiteres in dieses Schema einordnen kann - - d a s sind die krys ta l - l inen Schiefer. Mit den Erup t ivges te inen haben sie den Minera lbes tand und die Krysta l l in i t~t , d. h. die Bi ldung durch Krys ta l lwachs tum, n icht durch Zusammensehwemmung , gemeinsam. Mit den Sedimentges te inen ve rb inde t sie der mehr oder weniger deut l iche Lagenbau, der oft einer Schichtung auBerordent l ich ~hnlich ist. Ja , es gibt Gegenden, wo man einen al lm~hlichen l~ber- gang normaler , d. h. k a u m ver~nder te r super- krus ta ler Sedimente in krysta l l ine Schiefer un- mi t t e lba r verfotgen kann. Fas t immer sind diese Gesteine durch Gebirgsbi ldung in ~ul3erster Weise ve rwande l t -- gefaltet , ges taucht ; ferner werden sie meistens yon sicher in terkrus ta len Gesteinen so wei tgehend durchsetz t , dab eine Entz i f fe rung der ursprtinglichen, zei t l ichen und r~umlichen Be- z iehungen fast hoffnungslos erscheint.

Dieser -- man k6nnte sagen pa radoxe -- Charak te r der krys ta l l inen Schiefer, denen gegen- fiber unser erSrter tes Denkschema versagt , spiegett sich am besten in der Unzahl yon Theor ien wider, die, seit der Gebur t der Geologie als Wissenschaft , die En t s t ehung dieser Gesteine deu ten sollten. Offenbar ergeben sich bei der B e t r a c h t u n g zwei Denkm6gl ichkei ten . E n t w e d e r sind diese Gesteine superkrus ta l en t s t anden ; dann k6nnen sie abe t nur in einer Zeit gebildet worden sein, als die Bedingungen der Gesteinsbi ldung auf der Erd- oberfl~che andere waren ats heute ; sie w~ren also gleichsam Zeugen der ~ttesten Vergangenhei t der Erde, Res te der ersten Ers ta r rungskrus te , ge- bi ldet zu einer Zeit, als die Tempera tu r an der Oberfl~che eine andere, und zwar vim h6here war als heute. Oder aber sie sind in te rkrus ta l ent- s tanden, dann k6nnen sie sich noch heu te bi tden in den tiefen, uns nicht zug~nglichen Tei len der Erde .

Es ist nun ungemein charakter is t isch, dab die ..... f-Naturwiss. I6, i i i . (1928).

Auffassung immer wieder zwischen diesen Denk- m6gl ichkei ten -- der exzept ional is t i schen (d. h. besondere MSglichkeiten annehmenden) und d e r aktual is t i schen (d. h. yon noch heu te wirksamen Prozessen ausgehenden) h in Und her schwankte .

Fi i r die erste M6glichkeit sctfienen verschiedene Tatsact len zu sprechen. Ers tens zeigte sich, dab in Skandinav ien und Finnland, wo die krysta l l inen Schiefer die gr6Bte Verbre i tung besitzen, eine dis- ko rdan te ~be r l age rung durch unverAnder te Ge- steine mi t der ~ltesten uns bekann ten F a u n a -- der kambr i s chen - - sicher nachweisbar ist. Die Ge- steine sind also dort unleugbar ~lter als alles und bekann te Leben auf der Erde, sie ftihren keine Lebewesen nnd entsprechen einer ural ten, azoischen oder arch~iischen Periode. Diese Beob- ach tung wurde in den verschiedensten Tei len der Erde wiederholt , und da man stellenweise auch di rekte l~berglinge der hochkrys ta l l inen Schiefer in i iberlagernde normale Sedimente Zu erkennen meinte , so schien die D e u t u n g der krysta l l inen Schiefer als Res te der ersten Ers ta r rungskrus te der Erde , die tiberall, als ~ltestes Glied der Schich- tenfolge, die normalen superkrus ta len Gesteine unter lager t , recht e in leuchtend zu sein.

Die Erscht i t terung, welche diese Theorie in der zwei ten H~lf te des vor igen Jah rhunde r t s ertitt , ging yon verschiedenen neuen Beobach tungen aus. I n Norwegen e rkannte man, dal3 krys ta l l ine Schiefer wei tgehend auf u n v e ~ n d e r t e n super- k rus ta len Gesteinen l iegen; hiel t man an ihrem h6heren Al ter lest, so muBte man zu HiKs- hypothesen tiber nachtr~gl iche Umlagerung greifen, um mi t dem fundamenta l s ten Lagerungsgesetz n ich t in Widerspruch zu geraten. Ich werde auf diese t t ypo thesen noch sp~ter zu sprechen kommen. Noch wicht iger war der in F inn land e rbrach te Nachwei~, dab man in den krysta l l inen Schiefern Gesteine findet, die sich noch deut l ich als Konglo- mera te erweisen, d. h. als Ger611packungen, die un te r Mi twi rkung bewegten Wassers en t s tanden sind, also unter Bedingungen, die yon denen an heut igen Kfisten k a u m nennenswer t abweichen. Mit HiKe dieser Konglomera te , welche ja Tr i im- mermassen zerst6rter, also ~lterer Gesteine dar- stellen, und m i t HiKe yon deut l ichen Diskordanzen innerha lb der krys ta l l inen Schiefer gelang es SEDERHOLM, die Gesteine F inn lands zeitlich zu gliedern, d. h. nachzuweisen, dab hier n ich t eine Format ion , sondern eine ganze Reihe yon Fo rma-