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(Aus dem Physiologischen Laboratorium der phys.-math. Fakult~t. der Staatsuniversit~t in Kasan.) Der Ringrhythmus an Nerv.Muskelpriiparaten. Von M. I~isseleff. Mit 3 Textabbildungen. (Eingegangen am 15. Juli 1930.) Die Bezeichnung ,,Ringrhythmus" wurde yon G. Mines 1 gegeben. Es gelang diesem l~orseher an einem aus dem Schildkr6tenherzen heraus- geschnittenen Ringe den Versuch des ununterbrochenen Laufes der Erregungswelle in einer l%ichtung in geseh]ossener Bahn zu verwirk- lichen. Den Lauf der Erregung konnte man ohne weiteres an den Ventrikelteilen sehr deutlich sehen; weniger deutlich war der Gang der Erregung in den Vorhofteilen, da diese sich yon der Unterlage bei ihren Kontraktionen nicht so gut, wie die kr~ftigeren u abzuheben imstande waren. A. Samo]lo//~ wiederholte den Minessehen Versuch unter Zuhilfe- nahme der gleichzeitigen Registrierung der Ausschl~ge zweier Saiten- galvanometer, die mit verschiedenen Teilen des Herzringes verbunden waren. Auf diese Art wurde der l~,undgang der Erregung in unzweifel- halter Weise festgeste]lt und s~mtliche diesbezfiglichen Zeitverh~tltnisse des Ganges bestimmt. Am Muskelring der Meduse wurde der Versuch des zirkul~ren Rhyth- mus der Erregung yon A. Meyer 3 lange vor Mines demonstriert; der Meyersche Versuch wurde darauf auch yon anderen Autoren und in ]etzter Zeit yon I. Wetochint in sehr schSner und anschaulicher Weise wiederholt. Am Ringe aus dem Ventrikel der SchildkrSte konnte Garrey 5 den Ringrhy~hmus fests~ellen. Ich versuchte den I%ingrhythmus an gewShnlichen l~erv-Muskel- lor~paraten vom Frosch (Gastrocnemius-Ischiadicus) zu verwirklichen. G. Mines, J. of Physiol. 46, 349 (1913). 2 A. Samo]lo//, Pfltigers Arch. 198, 321 (1922). A. Meyer, Tortugas Lab. Washington 1, 115 (1908). a Wetochin, Russk. fiziol. Z. 12, 85 (1929). 5 W. Garrey, J. of Physiol. 33, 397 (1914). 7*

Der Ringrhythmus an Nerv-Muskelpräparaten

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(Aus dem Physiologischen Laboratorium der phys.-math. Fakult~t. der Staatsuniversit~t in Kasan.)

Der Ringrhythmus an Nerv.Muskelpriiparaten.

Von M. I~isseleff.

Mit 3 Textabbildungen.

(Eingegangen am 15. Juli 1930.)

Die Bezeichnung , ,Ringrhythmus" wurde yon G. Mines 1 gegeben. Es gelang diesem l~orseher an einem aus dem Schildkr6tenherzen heraus- geschnittenen Ringe den Versuch des ununterbrochenen Laufes der Erregungswelle in einer l%ichtung in geseh]ossener Bahn zu verwirk- lichen. Den Lauf der Erregung konnte man ohne weiteres an den Ventrikelteilen sehr deutlich sehen; weniger deutlich war der Gang der Erregung in den Vorhofteilen, da diese sich yon der Unterlage bei ihren Kontrakt ionen nicht so gut, wie die kr~ftigeren u abzuheben imstande waren.

A. Samo]lo//~ wiederholte den Minessehen Versuch unter Zuhilfe- nahme der gleichzeitigen Registrierung der Ausschl~ge zweier Saiten- galvanometer, die mit verschiedenen Teilen des Herzringes verbunden waren. Auf diese Art wurde der l~,undgang der Erregung in unzweifel- hal ter Weise festgeste]lt und s~mtliche diesbezfiglichen Zeitverh~tltnisse des Ganges best immt.

Am Muskelring der Meduse wurde der Versuch des zirkul~ren Rhyth- mus der Erregung yon A. Meyer 3 lange vor Mines demonstriert; der Meyersche Versuch wurde darauf auch yon anderen Autoren und in ]etzter Zeit yon I . Wetochint in sehr schSner und anschaulicher Weise wiederholt. Am Ringe aus dem Ventrikel der SchildkrSte konnte Garrey 5 den Ringrhy~hmus fests~ellen.

Ich versuchte den I%ingrhythmus an gewShnlichen l~erv-Muskel- lor~paraten vom Frosch (Gastrocnemius-Ischiadicus) zu verwirklichen.

G. Mines, J. of Physiol. 46, 349 (1913). 2 A. Samo]lo//, Pfltigers Arch. 198, 321 (1922).

A. Meyer, Tortugas Lab. Washington 1, 115 (1908). a Wetochin, Russk. fiziol. Z. 12, 85 (1929). 5 W. Garrey, J. of Physiol. 33, 397 (1914).

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100 M. Kisseleff :

Ich ging yon dem klassisehen Versuch der sekund~ren Zuckung yon Matteucd aus. Bekanntlieh wird dieser Versueh so ausgef(ihrt, dal~ man auf den Gastroenemius eines Pr/~parates den Isehiadieus eines anderen Pr~tparates auflegt; wird nun der Isehiadieus des 1. Pr~parates mit einem Einzelreiz erregt, so zuekt nieht nut der zugeh6rige, sondern aueh der andere Muskel. Die Zuekung des Muskels des 2. Pr/~parates erfolgt, wie bekannt, dureh Reizung seines Nerven dutch den Aktions- strom des 1. Muskels, auf dem der 1. Nerv aufliegt.

Ieh f~ihrte in diese Versuehsweise insofern eine J~nderung ein, als ieh den 1. Nerven nieht frei lieB, sondern denselben auf den Muskel des 2. Prs legte und somit einen gesehl0ssenen Kreis bildete. }Ian konnte nun erwarten, dab die Reizung des einen Pr~parates mig einem Einzelreiz einen Ringrhythmus erzeugen mfisse; die Erregung mfiBte natiirlieh yore tKeizpunkte dutch den Nerven und die myoneurMe Verbindung zum Muskel laufen, die Muskelzuckung w/irde dann dureh ihren Aktionsstrom den aufliegenden Nerven reizen, was seinerseits zur Zuekung des anderen Muskels fiihren wiirde usw. Die physiolo- gisehen Eigensehaften des Nerv-3{uskelpr/~parates m/issen, wie ohne weiteres klar ist, die einseitige Leitung in unserem t~ing siehern. Natiir- lieh mug dann der Rhythmus in so einem Ringe yon der Leitungs- Gesehwindigkeit der Erregung in den leitenden Teilen, sowie yon der Anzahl der Prs die den Zyklus bilden, abhs Beriieksiehtigt man die Leitungsgesehwindigkeit im Nerven (etwa 30 m in der Sekunde) und den Zeitverlust in der myoneurMen Streeke (etwa 3--4 o), so lieg sieh erwarten, dab der Ringrhythmus unter den Bedingungen des ge- planten Versuehes zu einem Tetanus der beteiligten ?r fiihren wird.

Der I. naeh dem auseinandergesetzten Plane ausgeffihrte Versueh best~itigte in vollkommenem MaBe die Voraussetzungen. Es w~rden 4 rheoskopisehe Nerv-3{uskelprgparate angefertigt, wobei die Nerven dieht an der WirbelsKule ~bgesehnitten waren. Die Pr/~parate wurden auf einem Teller im Kreise angeordnet und der Nerv des einen Pr~- parates auf den ~uskel des niiehsten aufgelegt. Die Mitre des Nerven yon einem der Prs lag auf den mit tier sekund/iren Spirale ver- bundenen Elektroden. Ein Einzelreiz bewirkte einen ausgesproehenen starken Tetanus in Mien vier Prgparaten. Der Versueh gelingt leieht und der Tet~rms hglt sieh eine lange Zeit hindureh, zuweilen bis zur ErsehSpfung des Muskels. Mitnnter sehwindet aber der Tetanus pl6tzlieh, augenseheinlieh infolge einer Versehiebung irgendeines Nerven auf dem im Tetanus sieh befindenden Muskel.

Um den ghy thmus des Tetanus uufzuklgren, wurden darauf Ver- suehe mit Registrierung der Muskdaktionsstr6me ausgefiihrt.

Das Schema dleser Versnche ist in Abb. 1 gegeben. Die Gastroenemius- muskeln beider Prfipar~tte sind mig je einem SMtengalvancmeter (gro[~es Modell

Der Ringrhythmus an Nerv-Muskelpr~paraten. 101

Edelmann) verbunden. Als Elektroden dienten Silbernadeln, die galvanoplastisch mit Chlorsilber bedeekt waren. MikroskopvergrSl]erung 800real; 2 Millivolt geben einen Aussehlag yon 1 cm. Die Registrierung geschieht vermittels eines t~eder- Trommelphotoregistrators. Die Trommel ft~hrt nur eine Drehung aus und 6ffnet bei ihrem Gange den primgren Kreis des Induktoriums, wodurch der 0ffnungsreiz f~ir den Nerven erzeugt wird.

Auf Abb. 2 sieht man die Kurven eines derartigen Ver- suches. Die Zeittinie 1 is~ yon einer Stimmgabel yon 100 Schwingungen in 1,0 Se- kunden geschrieben. Die Kurve 2 ist das Elektromyo= gramm des 2., die Knrve 3 die des 1. Pr~parates. Im Punkte a ist dureh eine Stromsehleife

Abb. 1. Versuchsschema f~r den l~ ingrhy thmus an zwei Xerv-3 iuske lpr~para ten . A = R e i z e l e k t r o d e n a m N e r v e n des ersten Pr~para tes . G~ und ~ = Able i tungs-

e lek t roden zu den Sa i t enga lvanome te rn .

der Moment des Reizes markiert. Als Reaktion auf den Reiz sieht

man eine Reihe yon AktionsstrSmen entspreehend dem Tetanus der

Nuskeln auftreten, wobei man einen bestimmten Rhythmus im Muskel des einen und des anderen Prfiparates findet; die beiden Rhythmen

Abb. 2. I~ , ingrhythmnsversuch mi~ zwei Nerv-) iuskelpr / i loaraten. 3fan s ieht an den E lek t romyo- g r a m m e n , wie die A k t i o n s s t r f m e an beiden Pr~para. ten abwechse lnd einancler folgen; die schwarzen Pfei le b e d e ~ e n den Gang der :Erregung, die Zahlen an denselben die 13bergangszeit yon einem

P r ~ p a r a t zum andern in r

sind einander gleich und, worauf es uns ganz besonders ankomm~, sind die Aktionsstr5me beider Elektromyogramme gegeneinander in den Kurven der beiden Muskeln fast genau um eine halbe Phase ver- sehoben. Es ist nieht schwer zu erkennen, dab der 1. Aktionsstrom

102 M. Kisseleff :

die Erregung im 2. Pr~tparate, der Aktionsstrom des 2. Muskels die Erregung im 1. Praparate usw. hervorruft. Der Rhythmus im Versuche 2 betrggt 90 in der Sekunde. Die Dauer des Erregungsiiberganges yon einem Pri~parat zum anderen ist anfangs in den 1. Erregungen etwas gr61]er als in den spgteren, wie es aus den hinzugeffigten Zahlen hervor- geht: ira l . Prapara t 5,0--4,3--4,8 ~ usw., im 2.6,0--5,3--4,3 o usw. Das ist eine ziemlich konstante Erscheinung, die wir in unserem Laborato- rium auch in anderen Versuchen bei Muskeltetanus beobachteten, worauf wir in einem spgteren Artikel naher eingehen werden. 5Tach einzelnen Schwankungen wird dann die Uberg~ngszeit beim Rundgang dutch den Ring konstant.

Abb. 9. Ringrhythmus un 3 :Nerv-~[uskelpr~paraten. B~zeiehnungen wie in Abb. 2.

Je mehr Pr~p~rate in den Kreis eingeschlossen sind, desto niedriger muf~ nattirlich der Rhythmus sein; wiirde man eine geniigende Anzahl yon Prgparaten nehmen, so wiirde man den Rundgang der Kontrakt ion mit blol~em Auge sehen kSnnen.

Abb. 3 s t ammt yon einem Versueh, in welchem 3 Prgpsrate im Kreise sieh befanden. Mit den GMvanometern waren die Pr~parate 1 und 3 verbunden. Die iibrigen Versuchsbedingungen, wie friiher. Genau so, wie im Versuch Abb. 2, verfMlen auf einen Einzelreiznerven des 1. Nerven Mle 3 Muskeln in Tetanus. ])er Rhythmns ist bier bedeutend langsamer, n~mlich nur 50 in 1,0 Sekunde. Die Zeitdistanz zwischen den einander folgenden AktionsstrSmen des 1. and 3. t?r~pargtes sind nicht einander gleich: der Lauf der Erregung yore 1. zum 3. Prgpara t dauert ira Mittel 12,5 ~, yore 3. zum 1. nur 8,0 ~. Das erkl~irt sich d~raus, dM~ die Erregung in unserem FMle vom 1. Prgpurat durch das 2. zum 3. sich begibt, und yore 3. aber direkt zuriiek zum 1. usw.

Es gelang uns kein einziges MM den Ringrhythmus an einem einzigen 1N~erv-Muskelpr~pgrgt zu erzeugen. Die Form des 1qinges, wie er ira

Der Ringrhythmus an Xerv-Muskelprgparaten. 103

bekannten Galvanischen Versuch der ,,Zuekung ohne Metalle" getibt wird, f/ihrt bekanntlich blol3 zu einer Zuckung. Stellt man den Versuch in einer anderen Weise an, indem man den Ischiadicus auf den Gastro- enemius legt und d e n Nerven mit einem Einzelreiz reizt, so bekommt man auch bloB eine Zuckung. Die elektrographische Untersuchung erklgrt dies Verhalten damn, dab der 2. den Muskel treffende Reiz in/ gfinstigsten Falle eine ganz schwaehe Reaktion erzeugt, so dab der entspreehende Aktionsstrom den Nerven zu erregen nicht mehr ims~ande ist; der Muskel befindet sich wohl noch im refrakt~ren Zustande naeh dem 1. I~eiz, wenn der 2. Reiz bereits ange]angt ist.

In den besehriebenen Versuchen schreitet im Gegensatz zu den Versuchen an der Meduse und den I-Ierzpr~pamten die Erregung mit Unterbrechungen; die Erregung verschwindet als solehe und taucht wieder auf.

Die Stelle, we in dem besehriebenen Ringe der Nerv den Muskel beriihrt, ist ira gewissen Sinne ein Analogon der Synapse des Zentral- nervensystems. Der Gedanke, dab in den reflektorisehen Prozessen die Erregung in gesehlossener Bahn sehreitet, wurde sehon vor mehreren Jahren yon Prof. A. SamojIoff i ausgesproehen, und der Ringrhythmus vermittelst der Muskelvervenpr~parate kann wohl als ein 3dodell fiir derartige reflektorisehe Prozesse gelten.

Ieh spreehe I-Ierrn Prof. A. Samofloff meinen aufriehtigen Dank ftir die Leitung und Hilfe bei Ausffihrung dieser Arbeit aus.

Zusammeniassung. Eine Anzahl (2, 3 usw.) v0n Nerv-Muskelpr~paraten wird im Kreise

so angeordnet, dab der Nerv des einen Pr~parates auf dem Muskel des ngehsten anderen zu liegen kommt. Ein Einzelreiz eines der Prgparate fiihrt zu einem andauernden Tetanus siimtlieher Muskeln des ganzen Kreises. Die elektrographisehe Untersuehung der Aktionsstr6me der im Tetanus sieh befindenden Muskeln zeigt, dab wi res in so einem Ver- such mit einem Ringrhythmus zu tun haben.

A. Samoflo]], Uber den ~bergang der Erregung yon einer Zelle zur anderen. tlerlin: Ost-Europa-Verlag 1929.