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Der Ruckversicherer and Punitive damages Von U d o K n o k e, Munchen I. Einfuhrung in die Problemstellung Wenn es im Inland um Schadenersatzanspriiche and deren Durch= setzung geht, reicht der Blick haufig fiber die in der Bundesrepublik bestehende Rechtssituation hinaus. So mag ein Geschadigter, der ver- standlicherweise an einem moglichst weitgehenden Ersatz seines erlit- tenen Schadens interessiert ist, mit Bedauern registrieren, daB sick bei uns Rechtslage and Verfahren von denen der USA wesentlich unter- scheiden. Aus Pressemeldungen ist auch den mit Haftungsfragen weni- ger Vertrauen gelaufig, daB es in den USA im derzeitigen Schaden- ersatzrecht Phanomene gibt, die von der deutschen Rechtswirklichkeit wesentlich abweichen. Das gilt vor allem fur die Hohe der geltend ge- machten Schadenersatzforderungen, insbesondere fur die als exorbi- tant hoch empfundenen Schmerzensgeldanspruche. Es kommt hinzu, daB in den USA ein Geschadigter vor den Zivilgerichten zusatzlich zu dem Ersatz des materiellen and des immateriellen Schadens Ersatzlei- stungen mit Straf- and Abschreckungscharakter geltend machen kann, sog. Punitive damages'. Auch solche Zusatzleistungen an den Gescha- digten in Form von Punitive damages werden in betrachtlicher Hohe geltend gemacht and von den Gerichten haufig auch zugestandenz. Auf ' Punitive damages werden u. a. auch als „exemplary damages", ,,vindica- tive damages" oder „smart money" bezeichnet. Wegen Einzelheiten zum Be- griff and den Voraussetzungen fur die Zuerkennung von Punitive damages vgl. Abschnitt II. Aus der Literatur zu Punitive damages sei generell verwiesen auf: Wil- liam L. Prosser, The Law of Torts, 3. Auflage 1964; J. E. Duffy, Punitive Da- mages: A Doctrine Which Should Be Abolished, The Case Against Punitive Damages, Defense Research Institute, 1969; T. A. Ford, The Constitutionality of Punitive Damages, The Case Against Punitive Damages, Defense Research Institute, 1969; James D. Ghiardi, The Case Against Punitive Damages, American Bar Association, 1972; Thomas F., Lambert Jr., The Case for Puni- tive Damages, American Bar Association, 1972; J. S. Butler, Punitive Da- mages and Reinsurance, Reinsurance Offices Association, 1977; Punitive damages and Versicherung in den USA, Veroffentlichung der Munchener Riickversicherungs-Gesellschaft, 1980 (im folgenden: Mt nchener Riick, Puni- tive damages). 2 Besonders spektakular ist die Entscheidung im Verfahren Grimshaw v. Ford Motor Corp.: 1978 billigte ein Gericht zunachst US$ 125 Mio., spater 37•

Der Rückversicherer und Punitive damages

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Der Ruckversicherer and Punitive damages

Von U d o K n o k e, Munchen

I. Einfuhrung in die Problemstellung

Wenn es im Inland um Schadenersatzanspriiche and deren Durch=setzung geht, reicht der Blick haufig fiber die in der Bundesrepublikbestehende Rechtssituation hinaus. So mag ein Geschadigter, der ver-standlicherweise an einem moglichst weitgehenden Ersatz seines erlit-tenen Schadens interessiert ist, mit Bedauern registrieren, daB sick beiuns Rechtslage and Verfahren von denen der USA wesentlich unter-scheiden. Aus Pressemeldungen ist auch den mit Haftungsfragen weni-ger Vertrauen gelaufig, daB es in den USA im derzeitigen Schaden-ersatzrecht Phanomene gibt, die von der deutschen Rechtswirklichkeitwesentlich abweichen. Das gilt vor allem fur die Hohe der geltend ge-machten Schadenersatzforderungen, insbesondere fur die als exorbi-tant hoch empfundenen Schmerzensgeldanspruche. Es kommt hinzu,daB in den USA ein Geschadigter vor den Zivilgerichten zusatzlich zudem Ersatz des materiellen and des immateriellen Schadens Ersatzlei-stungen mit Straf- and Abschreckungscharakter geltend machen kann,sog. Punitive damages'. Auch solche Zusatzleistungen an den Gescha-digten in Form von Punitive damages werden in betrachtlicher Hohegeltend gemacht and von den Gerichten haufig auch zugestandenz. Auf

' Punitive damages werden u. a. auch als „exemplary damages", ,,vindica-tive damages" oder „smart money" bezeichnet. Wegen Einzelheiten zum Be-griff and den Voraussetzungen fur die Zuerkennung von Punitive damagesvgl. Abschnitt II.

Aus der Literatur zu Punitive damages sei generell verwiesen auf: Wil-liam L. Prosser, The Law of Torts, 3. Auflage 1964; J. E. Duffy, Punitive Da-mages: A Doctrine Which Should Be Abolished, The Case Against PunitiveDamages, Defense Research Institute, 1969; T. A. Ford, The Constitutionalityof Punitive Damages, The Case Against Punitive Damages, Defense ResearchInstitute, 1969; James D. Ghiardi, The Case Against Punitive Damages,American Bar Association, 1972; Thomas F., Lambert Jr., The Case for Puni-tive Damages, American Bar Association, 1972; J. S. Butler, Punitive Da-mages and Reinsurance, Reinsurance Offices Association, 1977; Punitivedamages and Versicherung in den USA, Veroffentlichung der MunchenerRiickversicherungs-Gesellschaft, 1980 (im folgenden: Mt nchener Riick, Puni-tive damages).

2 Besonders spektakular ist die Entscheidung im Verfahren Grimshaw v.Ford Motor Corp.: 1978 billigte ein Gericht zunachst US$ 125 Mio., spater

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die Hohe wirken sich dabei verschiedene Begleitumstande des ameri-kanischen ProzeBrechts, wie das im Schadenersatzverfahren ublicheErfolgshonorar der Klageranwalte and das System der Laienjury, nochbesonders aus.

Punitive damages spielen in den USA eine bedeutende Rolle im Be-reich der Produktehaftpflicht and treffen dabei vor allem Automobil-,Pharma- and Luftfahrzeughersteller. Sie werden aber auch zuneh-mend praktisch bei Fallen der Trunkenheit im StraBenverkehr, beiarztlichen Kunstfehlern and dann, wenn einem Schadiger Mit3braucheiner wirtschaftlichen Machtstellung zu Lasten des Verbrauchers vor-geworfen wird3. Demgegenuber hatte die Anwendung der Punitivedamages im englischen Recht, in dem erste Anfange dieses Rechtsinsti-tuts seit Mitte des 18. Jahrhunderts erkennbar waren, stark rucklaufigeTendenz and wird dort heute eigentlich nur noch in Fallen von Belei-digung, Verleumdung and iibler Nachrede praktisch'.

Man wird sich fragen mussen, ob and inwieweit das amerikanischePhanomen der Punitive damages das Schadenersatzrecht in der Bun-desrepublik uberhaupt beruhrt. Dabei lassen sich unmittelbare andselbst mittelbare Auswirkungen auf das deutsche Recht and die deut-sche Schadenersatzpraxis nur schwer vorstellen. Das skizzierte ameri-kanische Rechtsinstitut mit seinem ponalen Charakter paBt nicht indas deutsche Rechtssystems. Fur eine entsprechende Ausweitung durchdie Rechtsprechung bieten die geltenden, auf den Ensatz des entstande-nen Schadens ausgerichteten Gesetzesvorschriften keinen Raume. DieTrennung in Zivil- and Strafverfahren mit den strengen Verfahrens-garantien zugunsten des Angeklagten im Strafverfahren lat3t eine

eine auf US$ 3,5 Mio. herabgesetzte Summe dem Fahrer eines Ford Pintozu, der schwere Brandverletzungen bei einem Auffahrunfall erlitten hatte,bei dem der fehlerhaft konstruierte Benzintank explodiert war.

Wegen weiterer Beispiele vgl. Munchener Ruck, Punitive damages, S. 7 f.Vgl. im einzelnen Munchener Ruck, Punitive damages, S. 4 f., 7 and 12 ff.

Vgl. zur Haftung fur arztliche Kunstfehler in der Bundesrepublik Deutsch-land Gerhard Theissing, Arztliche Kunstfehler and Haftpflicht, ZVersWiss1978, S. 195 ff.

4 Munchener Ruck, Punitive damages, S. 2.5 Der Straf- and Abschreckungscharakter ist einer der Hauptgriinde, der

auch in der amerikanischen Literatur gegen das System der Punitive da-mages vorgebracht wird. Weitere Vorwurfe betreffen die moglicherweisedoppelte Bestrafung des Schadigers durch Zivilverfahren and ein voraus-gehendes oder folgendes Strafverfahren and die Nichtberiicksichtigung derauch in den USA fur Zivil- and Strafprozesse bestehenden verfahrensmal3i-gen Unterschiede.

6 Daher wird von den Punitive damages auch kein ,psychologisrher Schub"in der deutschen Schadenersatzrechtsprechung ausgehen konnen, wie diesReimer Schmidt, Die derzeitige Situation bei den Verhandlungen fiber Ver-sicherungsfragen in der Europaischen Gemeinschaft, Versicherungswirtschaft1/1980, S. 8 ff. (12), fur die anders gelagerte Situation der geplanten EG-Pro-duktehaftpflichtrichtlinie nicht ausgeschlossen hat.

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ljbertragung des Systems der Punitive damages in das deutsche Rechtnicht zu.

Das schlieSt nicht aus, daB auch Punitive damages in die Diskussioneingefuhrt werden konnten, wenn es urn Anderungen des deutschenSchadenersatzrechts geht. Es hat sich gezeigt, daB bei angestreb-ten nationalen Regelungen auslandische Beispiele and dort gemachteErfahrungen verstarkt zur Begrundung herangezogen werden. Ausdem Bereich des Haftungsrechts' sei dazu beispielhaft auf die Diskus-sionen urn die Einfuhrung des No-fault-Systems' verwiesen. Ebenso-wenig wie sich diese auslandischen Regelungen auf die deutschen Ver-haltnisse ubertragen lassen, sollte auch eine l`lbernahme des Systemsder Punitive damages nicht ernsthaft in Erwagung gezogen werdenkonnen9 .

Unmittelbar durch Punitive damages sind alle Personen and Unter-nehmen betroffen, die als Schadiger solchen Anspruchen ausgesetztsind. Das konnen auch deutsche Unternehmen sein, soweit sie amerika-nischem Recht unterliegen and solche Forderungen gegen sie geltendgemacht werden. Zu denken ware etwa an deutsche Produzenten mitExporters in die USA, soweit es urn das Produktehaftpflichtrisiko geht.Unmittelbare Auswirkungen ergeben sich ferner fur deutsche Haft-pflichtversicherungsunternehmen, die solche Risiken decken. DieseVersicherer mussen sich bei deco von ihnen gewahrten Versicherungs-schutz daruber klar sein, ob and in welchem Rahmen sie gegen ihreVersicherungsnehmer gerichtete Anspruche auf Punitive damages dek-ken konnen and wollen.

Erst recht konnen deutsche Versicherungsunternehmen betroffensein, die in den USA — durch eine Zweigniederlassung — das Direkt-

' Vgl. auch Kurt Deinhardt, Entwicklungstendenzen im Schadenersatz-recht and ihre Bedeutung fur die Versicherungswirtschaft, Versicherungs-wirtschaft 3/1980, S. 168 ff.

8 Vgl. zum No-fault-Prinzip als solchem Klaus Gerathewohl, Ruckversiche-rung — Grundlagen and Praxis, Band II, 1979, S. 380 ff. mit weiteren Nach-weisen.

Vgl. im ubrigen mit Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland HarmsKohler, Untersuchungen zu dem Thema ,,No-fault-Versicherung in der Kraft-fahrtversicherung", Versicherungswirtschaft 22/1972, S. 1428 ff.; Heinz Sievers,Noch einige Bemerkungen zum No-fault-System, Versicherungswirtschaft 22/1972, S. 1433 f.; Willibald Posch, Systemwandel im Recht des Unfallschaden-ersatzes?, Versicherungsrundschau 7 u. 8/1979, S. 256 ff.

s SchlieBlich wurde nicht auger Betracht bleiben konnen, daB bei einerUbernahme theses Systems neben den bereits erwahnten gewichtigen Nach-teilen (vgl. oben Fullnote 5) erhebliche Belastungen der Wirtschaft oder vonEinzelpersonen entstehen, die letztlich fiber die Preise oder fiber Versiche-rungspramien auf die Allgemeinheit abgewalzt werden muBten; es warewenig wunschenswert anzustreben, daf3 solche von der Allgemeinheit zutragenden Kosten fur Punitive damages an einzelne gehen, die ihrerseitsbereits einen vollen Ausgleich des entstandenen materiellen und immate-riellen Schadens erhalten haben oder hatten erhalten konnen.

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versicherungsgeschaft betreiben. Dies ist sowohl vorstellbar bei derDeckung von Haftpflichtrisiken als auch — unabhangig von der be-triebenen Branche — in Fallen, in denen sie wegen gravierender Feh-ler bei der Schadenregulierung Punitive-damages-Forderungen durchden Versicherungsnehmer ausgesetzt sind. Aber nicht nur Erstver-sicherer, sondern auch Riickversicherer, die Deckung fur Risiken iiber-nommen haben, die mit Punitive damages belastet sind, mussen sichder Auswirkungen dieses Rechtsinstituts bewul3t sein. Das gilt welterauch fur Retrozessionare. Fur alle diese Versicherer taucht die Frageauf, ob and wann sie fur Schaden aus Punitive damages einzustehenhaben, die den Versicherungsnehmer des Originalvertrags treffen, andob sie etwa daruber hinaus auch fur Schaden aus Punitive damages inAnspruch genommen werden konnen, denen der Zedent seinerseits fureigenes Verhalten ausgesetzt ist.

Vor diesem Hintergrund ist verstandlich, dal3 Meldungen uber Scha-den aus dem amerikanischen Computer-lease-Geschaft 1° bei europa-ischen Versicherern Beachtung and Aufmerksamkeit gefunden habenand sich das Interesse an dem amerikanischen System der Punitivedamages verstarkt, zumal im Verfahren Federal Leasing Company ofVirginia gegen Lloyd's and 17 mitbeklagte Erstversicherer eine Forde-rung auf Zahlung von Punitive damages in Hohe von US $ 500 Mio.gestellt worden ist11 .

II. Beschreibung der Punitive damages and ihrer Voraussetzungennach amerikanischem Recht

Punitive damages kann man als die nach anglo-amerikanischem Rechtgewahrten Ersatzleistungen beschreiben, die dem Klager in Zivil-prozessen zusatzlich zum Ausgleich seines eigentlichen Schadens 12 zu-gesprochen werden konnen, wenn eine Rechtsverletzung auf besondersschwerem Verschulden des Beklagten beruht 13.

Die Ausgestaltung dieses Rechtsinstituts ist in den einzelnen Staatender USA sehr unterschiedlich. Das gilt gleichermal3en fur die Zielset-zung and die Rechtsnatur der Punitive damages wie fur ihre Vorausset-zungen and die fur die Entschadigungshohe relevanten Faktoren.

10 Vgl. dazu The Economist vom 7. 7. 1979, S. 120, 122; The Wall Street Jour-nal vom 10.7. 1979; Financial Times vom 16.7.1979; Wirtschaftswoche Nr. 30vom 23.7. 1979, S. 72 f.; Der Spiegel Nr. 30/1979, S. 102 f.

11 Vgl. The Wall Street Journal vom 10. 7. 1979; Der Spiegel, Nr. 30/1979,S. 102, erwahnt eine ,Vertragsstrafe" von US$ 500 Mio.

12 Im amerikanischen Recht wird dieser zumeist als „compensatory dama-ges" oder ,,actual damages" bezeichnet.

18 Prosser S. 9 f.; F. C. & S. Bulletins, Casualty & Surety Section, Oktober1969, Cod. 1; Roy R. Anderson, Indemnity Against Punitive Damages, 27Southwestern Law Journal, 1973, S. 593 ff.; Lambert S. 5 f., Ghiardi S. 1.

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Schon uber die rechtspolitischen Zielsetzungen der Punitive damagesbesteht in Rechtsprechung and Literatur keine Einigkeit. So gibt esGerichte, die Punitive damages ausschlieBlich Ausgleichscharakter bei-messen14 . Nach herrschender Meinung enthalten Punitive damages zwarauch ein Element von Wiedergutmachung, das Schwergewicht wird abereindeutig im Straf- and Abschreckungszweck gesehen 15. Damit gehoren

Punitive damages ihrer Natur nach eher ins Strafrecht. Dennoch bildetdas Rechtsinstitut der Punitive damages in der uberwiegenden Mehr-zahl der amerikanischen Staaten einen festen Bestandteil des Law ofTorts16, also des Zivilrechts, and zwar meistens in Form von CaseLaw. Zum Teil sind Punitive damages auch Gegenstand von StatutoryLaw". Bemerkenswert ist ferner, daB die Zuerkennung von Punitivedamages im Gegensatz zum Ersatz des tatsachlich eingetretenen Scha-dens ins Ermessen des Gerichts 1e gestellt ist, also nicht als „matter ofright" angesehen wird 19.

Auch die Voraussetzungen fur die Zuerkennung von Punitive dama-ges werden von den Gerichten in den einzelnen Staaten sehr unter-schiedlich beurteilt. Die allgemein geforderte besonders schwerwie-gende Form der Verletzung der Rechte des Geschadigten bedeutet zu-

14 Vgl. Rechtsprechungshinweise bei Duffy S. 7.,15 Vgl. Donald M. Haskell, Punitive damages: Public Policy And The In-

surance Policy, Surplus Lines Claims Association, Chicago, 1971, S. 3; Lam-bert S. 6; Ghiardi S. 3; Prosser S. 9.

Zur Abgrenzung von Punitive damages and Compensatory damages seiauf die Entscheidung Kress & Co. v. Powell, 132 Fla, 471, 180, S. 757 verwie-sen: „Compensatory damages are defined as such as arise from actual andindirect pecuniary loss, mental suffering, value of time, actual expenses, andbodily pain and suffering. Exemplary, vindictive or punitory damages aresuch as blend together the interests of society and of the aggrieved indivi-dual, and are not only a recompense to the sufferer but also a punishmentto the offender and an example to the community."

16 Prosser S. 9; Duffy S. 6; Lambert S. 4; Ghiardi S. 3.Nicht anerkannt wird das Rechtsinstitut durch die Gerichte der Staaten

Louisiana, Massachusetts, Nebraska and Washington. In den Staaten Con-necticut, Kentucky, Michigan and New Hampshire ist die Zuerkennung vonPunitive damages nur in ganz bestimmten Fallen moglich, wobei die An-wendungsmoglichkeiten in den beiden letztgenannten Staaten besonders engsind and nur als Ausglelch fur wounded feelings" and „injured dignity"zugelassen werden.

Inwieweit Punitive damages auch in Zivilklagen auf Grund von FederalLaw, wie z. B. dem Federal Employer's Liability Act (1970), zulassig sind,ist umstritten. Siehe hierzu Literatur- and Rechtsprechungsnachweise beiLambert FuBnote 15 sowie Ghiardi S. 8 ff.

17 Wie z. B. im Civil Code von Kalifornien (Section 3294).Is Unter ,Gericht" ist im Jury-Verfahren die Jury zu verstehen; bei dieser

liegt die Entscheidung uber die Zuerkennung von Punitive damages, wahrendder Richter lediglich Hinweis- and Aufklarungspflichten gegenuber der Juryhat. Wenn sick der Klager in der Regel fur ein Jury-Verfahren entscheidet,so liegt das daran, daB die Durchsetzbarkeit von Punitive-damages-Forde-rungen vor einer Jury erfahrungsgemaB groBer ist als vor einem Richter.

19 Punitive damages werden daher von ihren Kritikern hauflg als ,,wind-fall to the plaintiff" (u. a. Duffy S. 8, FuBnote 39; Prosser S. 13) bezeichnet.

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nachst, daB einfache Fahrlassigkeit nicht ausreicht40. Soweit Fahrlassig-keit fur ausreichend angesehen wird — and das tut die herrschendeMeinung —, mussen zusatzliche Voraussetzungen erfullt sein, wie sieetwa der ,,groben Fahrlassigkeit" deutschen Rechts entsprechen. AndereGerichte fordern daruber hinaus vorsatzahnliche Umstande 21. Dabeikommt es der Rechtsprechung weniger auf die Folgen der schadigendenHandlung oder Unterlassung als auf die innere Einstellung des Schadi-gers and sein Gesamtverhalten an E2 .

Die Mehrheit der Gerichte fordert fur die Zuerkennung von Punitivedamages zwingend, -daB dem Geschadigten ein Anspruch auf Compen-satory damages zusteht23. Dabei begnugen sick verschiedene Gerichteallerdings mit sog. Nominal damages Y4, die anderen wiederum nichtausreichen25.

E0 Vgl. Rechtsprechungshinweise bei Prosser S. 10, Ful3note 72.21 Aus dem umfangreichen Schrifttum and den zahlreichen Gerichtsent-

scheidungen sei beispielhaft verwiesen auf: Prosser S. 9: „There must be cir-cumstances of aggravation or outrage, such as spite, or a fraudulent or evilmotive on the part of the defendant, or such a conscious or deliberate dis-regard of the interests of others that his conduct may be called wilful orwanton", mit ausfuhrlichen Rechtsprechungsnachweisen. Kelite Products Inc.v. Binzel, zitiert bei Prosser S. 10, Ful3note 63: „The jury must find that heacted with actual malice (in the sense of ill will) or conscious disregard ofconsequences to others. The jury may infer this from circumstances of ag-gravation surrounding the tortious conduct." Lufty v. R. D. Roper & SonsMotor: „The allowance of exemplary or punitive damages is based on ag-gravated, wanton, reckless or maliciously intentional wrongdoing", zitiertbei Ford S. 16. Haskell S. 3: „By Punitive damages, it is meant that therelated misconduct is intentional, malicious, or consists of action or inactionwhich is so grossly wilful or which indicated such a conscious, aggravateddisregard of others that a jury could conclude that the conduct takes on acriminal character ..." Vgl. ferner Punitive Damages, Reinsurance, Novem-ber 1975, S. 345.

Ausschliel3lich bei Vorsatz sind Punitive damages z. B. auf Grund der Vor-schriften des Civil Code von Kalifornien moglich: „In an action for the breachof an obligation not arising from contract, where the defendant has beenguilty of oppression, fraud or malice, express or implied, the plaintiff, inaddition to the actual damages, may recover damages for the sake of exampleand by way of punishing the defendant" (Section 3294).

Y2 Vgl. Prosser S. 11 sowie die Rechtsprechungshinweise in Fuf3note 82;Ford S. 16: „It is not solely the consequence of certain conduct which evokesdisapprobation; rather it is the union of insurers' behaviour and a particularmental attitude".

23 Kreindler, Aviation Accident Law, Volume 1, 1974, § 15.05 mit Recht-sprechungshinweisen in Fullnote 16; Prosser S. 13 sowie Fullnote 99; DuffyS. 8; Ghiardi S. 4; Levit, Punitive Damages Today: What Can Be Done toProtect Against Imposition of Such Damages, Insurance Law Journal, 1972,S. 213.

24 Nominal damages werden in geringfugiger Hohe bei Rechtsverletzungenzugesprochen, die zu keinem Schaden gefuhrt haben oder bei denen derKlager einen bezifferbaren Schaden nicht nachweisen konnte. Vgl. auchProsser S. 13 mit Rechtsprechungshinweisen in Fullnote 2 sowie Duffy S.8,Fullnote 41.

25 Vgl. Prosser S. 13 sowie FuBnote 1.

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Fur die Bemessung der Hohe von Punitive damages sind allgemeingesicherte MaBstabe nicht erkennbar. Die dazu von den Gerichten ent-wickelten Vorstellungen weichen erheblich voneinander ab, and es gibtselbst Gerichte, deren Rechtsprechung Zweifel an der Einheitlichkeitder eigenen Praxis auslost 28. Unterschiedliche Auffassungen besteheninsbesondere in der Frage, ob ein Zusammenhang zwischen der Hohevon Punitive damages and Compensatory damages besteht and wel-ches Verhaltnis gegeben sein mu13. Ein solcher Zusammenhang wirduberwiegend bejaht. Bei der naheren Spezifizierung dieses Zusammen-hangs beschranken sich die Gerichte jedoch in der Regel auf die For-derung nach einem ,vernunftigen Verhaltnis" (reasonable ratio) °'. Dasist eine auBerordentlich vage Formel, die — wie die Praxis zeigt —kaum zur Berechenbarkeit der Hohe von Punitive damages beitragt 28

Die Formel von der Verhaltnism5Bigkeit wird von Teilen der Recht-sprechung ausdrucklich zuruckgewiesen 29. Da der Grad der vorwerfbarenTatereinstellung in keinem direkten Verhaltnis zur Hohe des nach-gewiesenen Schadens stehen musse, wird — nach Ansicht dieser Ge-richte — die Straf- and Abschreckungsfunktion des Rechtsinstitutsdurch eine Koppelung der Hohe von Punitive damages an die von Com-pensatory damages entscheidend gemindert 30

26 Dies ist — abgesehen von den Unklarheiten fiber die Anspruchsvoraus-setzungen fur Punitive damages — einer der Gri1nde, warum das Rechtsinsti-tut in den letzten Jahren so stark in den Blickpunkt des offentlichen Inter-esses geriickt ist. Es entsteht der Eindruck, als ob Juries diesen Mangel nichtselten ausgenutzt haben, worauf verschiedene spektakulare Urteile in erst-instanzlichen Verfahren schliel3en lassen. Vgl. Pease v. Beech Aircraft Corp.(1971) mit US$ 17.250.000 fur 5 bei einem Flugzeugabsturz in Kalifornien urnsLeben gekommenen Personen (das Urteil war allerdings im Berufungsver-fahren aus Rechtsgrunden spater ersatzlos aufgehoben worden) oder dasUrteil im Verfahren Rosendin v. Avco-Lycoming Corp. (1972) mit US$10.500.000. Ahnlich spektakular sind die Zuerkennung von US$ 11.000.000 imVerfahren Blum v. Investors Funding Corp. (1975) and das bereits erwahnteUrteil im Verfahren Grimshaw v. Ford Motor Corp. mit US$ 125.000.000 (vgl.oben Ful3note 2).

27 Vgl. Prosser S. 14 mit Rechtsprechungshinweisen in Ful3note 3; GhiardiS. 4; Duffy S. 8 and S. 12.

28 Kritisch insbesondere Prosser S. 14 mit Hinweisen in Ful3note 4. Sieheauch Punitive Damages, Reinsurance, November 1975, S. 376; Duffy S. 8:,,And though it is frequently stated that the amount of punitive damagesmust bear some reasonable proportion to the actual damages, the awardsdo not indicate that such a guideline is adhered to. In fact, an examinationof punitive damages awards illustrates the ridiculous nature of any attemp-ted compensatory justification", mit weiteren Rechtsprechungshinweisen.

Nur einige wenige Gerichte haben konkretere Grundsatze entwickelt, nachdenen Punitive damages and Compensatory damages grundsatzlich in einembestimmten betragsmaf3igen Verhaltnis stehen sollten, wie z. B. 1:1 oder 3:1.

28 Vgl. die Rechtsprechungshinweise bei Prosser S. 14, Ful3note 5.30 Im einzelnen geht die Argumentation dahin: Nach herrschender Praxis

and Lehre mul3ten geringe Compensatory damages grundsatzlich auch zugeringen Punitive damages fiihren, wahrend umgekehrt gerade in solchenFallen die Punitive damages eher hoch angesetzt werden milf3ten, wenn der

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Dagegen besteht weitgehende Einigkeit, daB bei der Bemessung derHohe von Punitive damages von den Gerichten neben dem AusmaBder durch den Beklagten bewirkten Beeintrachtigung des Klagers auchdie Intensitat der Einstellung and die finanzielle Leistungsfahigkeitdes Schadigers mit berucksichtigt werden konnen 91 . Beim letztgenann-ten Aspekt ist eine Minderheit der Gerichte der Auffassung, die Ein-beziehung der Vermogensverhaltnisse konnte die Jury bei ihrer Ent-scheidung in unzulassiger Weise beeinflussen, insbesondere bei Klagengegen groBe Wirtschaftsunternehmen, and verneint die Zulassigkeitder Einfiihrung der finanziellen Leistungsfahigkeit in den ProzeB. Dieherrschende Meinung sieht jedoch gerade in der Kenntnis der Ver-mogensverhaltnisse des Beklagten eine unverzichtbare Voraussetzungdafur, daB die Jury Punitive damages so hoch festsetzen kann, daB tat-sachlich Strafwirkungen eintreten 94 .

Besondere Probleme ergeben sich in Fallen der sog. „multiple ac-tions" oder „mass disasters", in denen ein Beklagter aus ein and dem-selben Klagegrund gleichzeitig vor mehreren Gerichten miteinanderkumulierenden Forderungen auf Punitive damages ausgesetzt ist39 .

Solche Falle sind vor allem bei Serienschaden im Produktehaftpflicht-bereich aufgetreten, wie Mitte der 60er Jahre im Verfahren gegen dieFirma Richardson-Merrells'. Das Problem bei solchen Mehrfachklagenliegt darin, daB der Gesamtbetrag der einzelnen Schadenleistungen furPunitive damages einen Umfang annehmen kann, der in keinem Ver-haltnis zum Unrechtsgehalt der Handlungen oder Unterlassungen desBeklagten steht. Dieses Ergebnis wird dann als besonders bedenklich

Schadiger wirklich getroffen werden soil. Dies wiirde etwa praktisch, wennin einem Verleumdungsfall mit besonders verwerflicher Tatereinstellung derRuf der angegriffenen Person so gefestigt ist, daB der tatsachliche Schadengering bleibt. Vor diesem Hintergrund sind auch Entscheidungen zu sehenwie Toomey v. Fairley, 1956, 2 N. Y. 2 d 71, 156 N. Y. S. 2 d 840, 138 N. E.2 d 221, mit 6 Cents Compensatory damages and US$ 5.000 Punitive damagesoder Edwards v. Nulsen, 1941, 347 Mo 1077, 152 SW 2 d 28, mit US$ 1 Com-pensatory damages and US$ 25.000 Punitive damages.

" Prosser S. 14; Kreindler § 15.06 mit Rechtsprechungshinweisen in FuB-note 18.

sE So finden sich bei Kreindler, § 15.06, die Ausfiihrungen: „Since the pur-pose of punitive damages is to punish the defendant, or ,make him smart',it follows logically that his condition is relevant in determining the amountof money it will take to punish him. It is therefore uniformally held thatevidence is admissable in an action or claim for punitive damages, as to thedefendant's wealth." Siehe auch Prosser S. 14 sowie Fullnote 6; Duffy S. 11;Levit S. 213.

$s Vgl. Punitive Damages, Reinsurance, November 1975, S. 343 ff.; GhiardiS. 5 ff.; Ford S. 20 ff.; siehe auch Literaturhinweise bei Lambert S. 43 f.

$' Bei diesen Verfahren ging es um die schadlichen Nebenwirkungen einesMedikaments (MER/29) zur Reduzierung des Cholesterolgehalts des Bluts.Die Gerichte sahen es als erwiesen an, daB der Leiter der toxikologischenAbteilung Testergebnisse hatte falschen lassen, was Teilen der Geschafts-leitung bekannt war.

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angesehen, wenn gleichzeitig strafrechtliche Tatbestande erfullt, diehierfiir vorgesehenen Geldstrafen jedoch der Hohe nach begrenztsind95. Dennoch hat die Rechtsprechung — soweit ersichtlich — bishernosh keine wirksame Methode entwickelt, urn den Gesamtbetrag anPunitive damages fur einen Beklagten in tragbaren and dem tatsach-lichen Unrechtsgehalt entsprechenden Grenzen zu halten 36 .

III. Punitive damages in sog. Third party cases

Das Rechtsinstitut der Punitive damages hat in den USA wahrendder letzten 10 Jahre erheblich an Bedeutung gewonnen. Es entwickeltesich weitgehend parallel mit dem zunehmenden EinfluB der Verbrau-cherschutzbewegung (Consumerism) auf das amerikanische Wirtschafts-leben, and es scheint fast, daB Punitive damages von dieser Bewegungals geradezu ideales "Vehikel" fur die Durchsetzung ihrer Zielsetzun-gen erkannt and gebraucht werden".

Jedenfalls fallt auf, da13 Klagen wegen Punitive damages vor allemin den Bereichen zunehmendes Gewicht gewonnen haben, die in denletzten Jahren besonders in die SchuBlinie des Verbraucherschutzesgeraten sind. Sie treffen demgemaB vornehmlich Hersteller von poten-tiell "gefahrlichen" Produkten, wie die bereits erwahnten Luftfahr-zeuge, Pharmaka oder Kraftfahrzeuge sowie den gesamten Bereich der

35 So heiBt es in der Entscheidung Ronginsky v. Richardson-Merrell, Inc.,Crim. No. 1211-63 (D.D.C., 4. Juni 1964): ,,... the legal difficulties engenderedby claims for punitive damages on the part of hundreds of plaintiffs arestaggering. If all plaintiffs recovered punitive damages in the amount hereawarded this would run into tens of millions as contrasted with the maxi-mum criminal penalty of ,imprisonment for not more than three years, or afine of not more than US$ 10.000, or both such imprisonment and fine'..."

Das BewuBtsein, dali sich das Rechtsinstitut in solchen Fallen weitgehendad absurdum fiihren kann, ist also durchaus vorhanden. Vgl. auch GhiardiS. 7 f.; Ford S. 22, der von einem VerstoB gegen den Grundsatz der ,,funda-mental fairness" im Wirtschaftsleben and einem „cruel and unusual punish-ment" spricht; ebenso Duffy S. 8.

se Vgl. Ronginsky v. Richardson-Merrell: „We have the gravest difficultyin perceiving how claims for punitive damages in such a multiplicity of ac-tions throughout the nation can be administered as to avoid overkill."

Zur MSglichkeit einer verscharften Kontrolle des Jury-Ermessens durchden Richter in solchen Fallen oder der Zusammenfassung aller Verfahrenvor einem einzigen Gericht siehe Punitive Damages, Reinsurance, November1975, S. 344.

31 Fur eine solche Annahme spricht einmal, daB wegen der unklaren Be-messungsgrundlagen von Punitive damages Ersatzleistungen in einer Hohemoglich sind, die beachtlichen Publizitatswert fur die Verbraucherschutz-bewegung haben; der oben in Fullnote 2 erwahnte Ford-Pinto-Schaden ist da-fur ein eindrucksvolles Beispiel. Es kommt hinzu, daB Mitglieder von Juries,ihrerseits selbst ,Verbraucher", erfahrungsgem4B besonders leicht fur solchehauflg stark emotionalen Anliegen dieser Bewegung zu gewinnen sind.

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,,medical malpractice"38. Wie stark die Belastung der betroffenen Kreisedurch Punitive damages letzten Endes ist, wird sich genau kaum ermit-teln lassen. Die Anzahl der Gerichtsentscheide, durch die Punitive da-mages tatsachlich zugesprochen werden, ist geringer als haufig ange-nommen wird. Auf der anderen Seite gibt es aber immer wieder Falle,in denen Punitive damages in einem Urteil nicht ausdrucklich in Er-scheinung treten, jedoch eindeutig erhohend auf den zugesprochenenBetrag an Compensatory damages gewirkt haben. Nicht unterschatztwerden sollte auch der indirekte EinfluB, den allein die Drohung mitPunitive damages auf die Hohe von im Vergleichsweg regulierten Ent-schadigungen haben kann.

Audi Versicherer and damit zugleich die Ruckversicherer werdenverstarkt mit Fallen befaBt, in denen ein geschadigter Dritter vom Ver-sicherungsnehmer iffier den Ersatz des eigentlichen Schadens hinausPunitive damages fordert (sog. Third party cases). Damit ergibt sichdie Frage, ob Punitive damages fur solche Falle versicherbar and dar-iiber hinaus unter Haftpflichtpolicen gedeckt sind. Rechtsprechung andVersicherungswirtschaft in den USA beurteilen diese Frage nicht ein-heitlich.

Die Rechtsprechung halt — unterschiedlich nach Einzelstaaten andmitunter sogar innerhalb eines Staates — Punitive damages teils furversicherbar und, falls eine ausdriickliche Ausschlul3klausel fehlt, auchfur gedeckt. Teils sehen die Gerichte Punitive damages als unversicher-bar an; dies gilt jedoch nicht fur Falle der „vicarious liability" mitihren Besonderheiten's .

38 Zusatzlich ist auch die Versicherungswirtschaft als solche in den Sogder Entwicklung geraten, da zunehmend einzelne Gesellschaften im Zusam-menhang mit angeblichem „bad faith" bei der Regulierung von Schaden andbeim AbschluB von Policen wegen Punitive damages in Anspruch genommenwerden. Diese Falle, die sog. First party cases, werden unten im Abschnitt IVbehandelt.

39 Nach dem Grundsatz der „vicarious liability" muB ein Geschaftsherrfur Torts seines Verrichtungsgehilfen auch dann einstehen, wenn dessenHandlungen ohne Zustimmung oder sogar gegen seine Anordnungen erfolg-ten. Unbestritten ist, daB Punitive damages dann zugesprochen werden konnen,wenn der Geschaftsherr am Tort des Verrichtungsgehilfen in irgendeiner Formteilgenommen hatte, sei es durch ausdruckliche Anordnung oder durch vor-hergehende oder nachtragliche Zustimmung. Dann handelt es sich aber nichtum Falle eigentlicher „vicarious liability", sondern eher um eine Haftungdes Geschaftsherrn fiir eigenes Verhalten.

Bel ausschlieBlich schadigendem Verhalten des Verrichtungsgehilfen bejahtdie herrschende Meinung die Anwendbarkeit des Rechtsinstituts der Puni-tive damages unter Hinweis auf die Interessen der Allgemeinheit. AndereGerichte halten diese Auffassung fur unvereinbar mit der Straf- and Ab-schreckungsfunktion von Punitive damages, da diese sich nur gegen denTater, also den Verrichtungsgehilfen, richten konne. Das Ergebnis der herr-schenden Meinung sei besonders unbefriedigend im Verfahren gegen Kapital-gesellschaften, bei denen letztlich die hinter der Gesellschaft stehenden An-

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Soweit die Gerichte die Versicherbarkeit von Punitive damages ver-neinen, begrunden sie dies vor allem mit einer Verletzung des Grund-satzes der "public policy" in doppelter Weise: Die Abwalzung vonPunitive damages auf einen Dritten sei mit der Straf- and Abschrek-kungsfunktion des Rechtsinstituts unvereinbar and zudem wurdenPunitive damages, falls die Versicherungswirtschaft fur diese eintretenmusse, auf dem Umweg uber die Pramien letztlich von der Allgemein-heit getragen, deren Interessen gerade geschutzt werden sollten 40 .

DemgemaB werden Punitive damages in Haftpflichtpolicen nicht alsgedeckt angesehen u. a. durch Gerichte in Colorado, Connecticut,Florida, Indiana, Kansas, Missouri, New Jersey, New York, Oklahoma,Pennsylvania and Virginia.

Die Gegenauffassung 41 stiitzt die Versicherbarkeit von Punitivedamages vor allem auf den Policenwortlaut, nach dem in der Regel „allsums which the insured shall become legally obligated to pay asdamages" gedeckt sind. Wollte der Versicherer Punitive damages vonder Deckung ausnehmen, muBte er dies durch eine ausdruckliche Aus-schluBklausel deutlich machen. Der durchschnittliche Versicherungs-nehmer musse davon ausgehen konnen, daB Deckung besteht („doctrineof reasonable expectation"); Zweifel uber den Deckungsumfang muB-ten deshalb zu Lasten des Versicherers gehen. Aus diesen Uberlegun-gen sehen die Gerichte u. a. in den Staaten Alabama, Arizona, Arkan-sas, Georgia, Idaho, Illinois, Kentucky, Rhode Island, Oregon, SouthCarolina, Tennessee, Texas and (mit Einschrankungen) KalifornienPunitive damages als versicherbar and durch Haftpflichtpolicen ge-deckt an. Insgesamt durften sich beide Ansichten nach dem Stand ihrerVerbreitung in etwa die Waage halten 94 .

Auch die amerikanische Versicherungswirtschaft beurteilt die Ver-sicherbarkeit von Punitive damages and deren Deckung unter Haft-pflichtpolicen nicht einheitlich. Eine Umfrage im Jahr 1976 bei 33 der50 groBten amerikanischen Property- and Casualty-Versicherer ergab,daB etwa ein Drittel der Gesellschaften den Versicherer geradezu fur

teilseigner betroffen wurden, die erfahrungsgemaB keinen oder nur mittel-baren EinfluB auf Auswahl and Kontrolle von Angestellten hatten.

Fur alle Falle echter „vicarious liability" wird die Versicherbarkeit auchvon den Gerichten anerkannt, die Deckung sonst nicht als gegeben ansehen.Vgl. insbesondere John D. Long, Should Punitive Damages Be Insured?, Mai1976, Indiana University, S. 18 mit ausfuhrlichen Rechtsprechungshinweisenin FuBnote 41; auch Haskell S. 107.

40 Als einer der „leading cases” gilt das Verfahren North-Western NationalCasualty Company v. McNulty, S. 307 f., 2 d 432 (5th Cir. 1962). Vgl. auch diein FuBnote 51 bei Long zitierten Entscheidungen; Haskell mit ausfuhrlichenHinweisen auf S. 8 ff.

41 Siehe insbesondere Long S. 16 ff. mit Rechtsprechungshinweisen in FuB-noten 39 and 42; auch Prosser S. 13, FuBnote 97.

42 So auch Long S. 14, FuBnote 36.

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verpflichtet halt, den Versicherungsnehmer grundsatzlich auch furPunitive damages zu decken43.

Demgegenuber hielt die Mehrheit der befragten Unternehmen dieDeckung von Punitive damages weder fur wunschenswert noch unterden gegenwartigen Policen fiir gegeben and fuhrte dazu im wesent-lichen aus: Haftpflichtpolicen deckten ihrer Intention nach nur Aus-gleichsanspruche, nicht jedoch Schadenzahlungen mit Strafcharakter;entsprechend dem Grundsatz „insurance breeds claims" musse bei Be-stehen einer Deckung fiir Punitive damages eine sprunghafte Zunahmevon Punitive-damages-Forderungen nach Anzahl and Hohe befurchtetwerden. Punitive damages mul3ten zudem im Fall ihrer Deckung vonder Jury so hoch angesetzt werden, data das Policenlimit uberstiegenwird, da nur dann die erstrebte Strafwirkung eintreten konne; damitwurde aber praktisch jeder Schaden zu einem ,,Totalschadeni 44

Geteilt ist die amerikanische Versicherungswirtschaft auch in derFrage, ob den Versicherer eine Abwehrpflicht bei Punitive-damages-Forderungen trifft. Soweit Versicherungsgesellschaften die Deckungbejahen, wird folgerichtig auch eine Abwehrverpflichtung anerkannt.Unter den Gesellschaften, die eine Deckung ablehnen, sind einige be-reit, eine Abwehrverpflichtung unter der Voraussetzung einer ,,re-servation of rights" hinsichtlich Punitive damages anzunehmen, wah-rend andere auch insoweit eine Abwehrverpflichtung ablehnen.

43 Fur diese Ansicht wurden im wesentlichen folgende Bberlegungen vor-gebracht: Bei fehlendem Deckungsschutz Mir Punitive damages konnten Ein-zelpersonen, aber vor allem auch Wirtschaftsunternehmen, in existenzbedro-hende Situationen geraten. Die Frage, ob die Jury ein bestimmtes Verhaltenals einfache Fahrlassigkeit oder als „aggravated tort" qualifiziert (mit derFolge, daB im letzteren Fall Punitive damages moglich sind), hange von sovielen Unwagbarkeiten ab, daB dies kein Kriterium fur die Deckung bzw.Nichtdeckung sein diirfe. Juries versuchten im iibrigen die fehlende Deckungfur Punitive damages durch erhohte Compensatory damages auszugleichen.SchlieBlich sei es dem Versicherer unmoglich, den genauen Umfang seinerErsatzpflicht (fur Compensatory damages) eindeutig festzustellen, wenn einGericht, wie es in der Praxis immer wieder vorkomme, Punitive damagesand Compensatory damages zu einem einzigen Betrag („lump sum") zu-sammenfasse.

44 Im ubrigen wurden von Vertretern dieser Ansicht noch folgende wei-tere Vberlegungen vorgebracht: Das versicherungstechnisch unerlaBlicheMoment der Zufalligkeit i. S. eines ,occurence" sei nicht erfiillt; dies seizevoraus, daB der Schaden vom Standpunkt des Versicherungsnehmers aus,,weder erwartet noch beabsichtigt" sei, wahrend ein verstandiger Versiche-rungsnehmer gerade vorhersehen musse, daB sein Verhalten zu Punitivedamages fuhren konne. Es trete daruber hinaus ein Konflikt zwischen zweiprozessualen Beweisgrundsatzen auf, da einerseits bei der Bemessung vonCompensatory damages die iinanzielle Leistungsfahigkeit des Beklagten(wozu u. a. auch das Vorhandensein einer Versicherungsdeckung gehort) nichtberucksichtigt werden durfe and andererseits die Einbeziehung der flnanziel-len Verhaltnisse bei der Bemessung von Punitive damages gerade Voraus-setzung dafur sei, daB diese in einer Hohe mit Strafwirkung festgesetzt wer-den konnen.

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Obwohl, wie die erwahnte Umfrage zeigte, ein wesentlicher Teil desamerikanischen Markts gegen die Deckung von Punitive damages ein-tritt, ist es bisher nicht zu einem allgemeinen Ausschlu8 unter Haft-pflichtpolicen gekommen. Den bisher letzten Versuch, auf dem US-Markt zu einer markteinheitlichen Ausschlul3regelung zu kommen, hates Ende 1977 gegeben. Vorausgegangen war eine Empfehlung des In-surance Services Office (ISO), Punitive damages von alien Allgemein-Haftpflichtpolicen auszuschlieBen45 ; diese war schon innerhalb desISO umstritten41. Auch der Versicherungsmarkt als soldier reagierteuneinheitlich. Einige groBere Gesellschaften lehnten die Klausel ab.Andere waren zur Anwendung der Ausschlul3klausel zwar bereit,wollten sie jedoch haufig nur fur einen Teil ihrer Policen vorsehen 47 .

Als auch die Aufsichtsbehorden einiger Staaten (in 33 anderen Staatenwar die Klausel offenbar problemlos akzeptiert worden) mit einer zu-stimmenden Entscheidung zogerten, zog das ISO Ende Marz 1978 dieKlausel mit Rucksicht auf "substantial confusion and dislocation in themarket place for the public, insurers and producersi 48 wieder zuruck.

Bemerkenswert ist, daB der deutsche HUK-Verband unter Hinweisdarauf, daB Punitive damages ,unter Umstanden ein Mehrfaches dersonstigen Entschadigung betragen konnen", schon 1975 empfohlen hat,bei der Mitversicherung von Schadenereignissen in den USA andKanada folgende Ausschlul3klausel in die Police aufzunehmen: ,VomVersicherungsschutz ausgeschlossen bleiben Anspriiche auf Entschadi-gung mit Strafcharakter, insbesondere punitive oder exemplary dama-ges"a°

Soweit Punitive damages unter einer Haftpflichtpolice gedeckt sind,weil der Versicherer Deckungsschutz gegeben oder ein Gericht Puni-tive damages als in die Deckung eingeschlossen angesehen hat, sinddiese Teil der vom Erstversicherer geschuldeten Leistung. Als Leistungunter der Originalpolice unterliegen sie der Schicksalsteilung 5° andwerden deshalb vom Ruckversicherer im Rahmen von Ruckversiche-rungsvertragen anteilig ubernommen 51. Etwas anderes wurde nur gel-

45 Die damals vorgeschlagene Klausel lautete: „Regardless of any otherprovision of this policy, this policy does not apply to punitive or exemplarydamages".

96 So war der Beschlull zur Verabschiedung der Klausel nur mit einerMehrheit von 10:3 zustandegekommen.

" So z. B. bei Excess-Policen nur, sofern die Klausel auch in der Grund-deckung enthalten ist, oder bei Commercial-Policen.

9e ISO-Circular vom 28. 3. 1978.4B Rundschreiben H 26/75 M vom 15. 2. 1975.s° Vgl. zum Anwendungsbereich theses ruckversicherungsrechtlichen Be-

griffs unten S. 598 and die dort zitierte Literatur.51 Vgl. Klaus Gerathewohl, Ruckversicherung — Grundlagen and Praxis,

Band I, 1976, S. 810 f.; auch O. P. Schmidlin, Die Rtickversicherung von ,Pu-

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ten, wenn der Ruckversicherer Punitive damages ausdrucklich ausge-schlossen hat.

IV. Punitive damages in sog. First party cases

Von den zuvor behandelten Punitive damages in Third party casessind die Falle zu unterscheiden, in denen Punitive-damages-Forderun-gen gegen einen Erstversicherer wegen einer von ihm verursachtenSchadigung erhoben werden. Derartige Klagen eines Versicherungs-nehmers gegen seinen Versicherer werden im amerikanischen Rechts-kreis als First party actions gegen den Versicherer bezeichnet 54.

Ein Fehlverhalten des Erstversicherers bei der Schadenregulierungoder bereits bei AbschluB der OriginalpoliceS3 kann Anla13 zu gegen ihngerichteten Forderungen auf Punitive damages durch einen geschadig-ten Versicherungsnehmer sein. In beiden Fallen sind Punitive damagesTeil des umfassenderen Konzeptes der „Extra-contractual-damages"(ECD), die auch „Extra-contractual-obligations" (ECO) genannt wer-den. ECD kann ein Versicherter gegen seinen Versicherer fiber die Lei-stung aus der Police hinaus geltend machen, wenn der VersichererRechte des Versicherten verletzt hat; sie erfassen sowohl Compensa-tory damages als auch — bei besonders schwerem Verschulden — dar-uber hinaus Punitive damages.

In der Praxis spielt der Bereich der Schadenregulierung die bedeu-tendere Rolle, wobei es meist um die Art and Weise der Ablehnungder Versicherungsleistung im Schadenfall geht. Es kommen aber auchMille vor, in denen einem Haftpflichtversicherer ein Versaumnis vor-geworfen wird, den Schaden durch rechtzeitige oder durch gutlicheSchadenregulierung nicht innerhalb der Policendeckung gehalten zuhaben. Da die Haftpflichtdeckung ublicherweise summenmai3ig be-grenzt ist, treffen den Versicherungsnehmer die Schaden, die diese

nitive Damages" in der Haftpflichtversicherung, ZfV 21/75, S. 608; ebensoPunitive Damages, Reinsurance, Marz 1976, S. 556.

52 Butler, S. 23 ff.; Grant P. Dubois and Edward D. Bronson, Jr., TheSpectre of Punitive Damages in First Party Actions, Insurance Councel Jour-nal, 1973, S. 290 ff.

53 Erwahnenswert ist die Entscheidung Wetherbee v. United InsuranceCompany of America, Cal. App. 3 d 232, 102 Cal. Rptr. 542 (1968). Eine Ver-sicherungsnehmerin verzichtete auf die wegen ungunstiger Bedingungen be-absichtigte Kundigung einer Kranken- and Unfallpolice, nachdem die Ver-sicherungsgesellschaft die Bedingungen wesentlich verbessert hatte. Auf-grund der Verbesserungen schloB sie auch noch eine zweite Police ab. Alsder Versicherungsfall eintrat, wurde die vereinbarte Rente nur kurze Zeitgezahlt, dann unter verschiedenen Vorwanden eingestellt. Das Gericht warder Ansicht, daB die Versicherungsgesellschaft in betriigerischer Weise (frau-dulent) die Rucknahme der Kundigung and den AbschluB der zweiten Policeveranlal3t hatte.

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Begrenzung iiberschreiten. Macht er solche fiber die Policendeckunghinausgehende Ersatzanspruche gegen den Versicherer wegen dessenVerschulden bei der Schadenregulierung geltend, spricht man von einerInanspruchnahme fur "excess liability "54. Bei besonders schwerwiegen-dem Verschulden beschrankt sich der Versicherungsnehmer aber nichtauf Ersatzleistungen fur den durch die Police nicht mehr gedecktenSchaden, sondern verlangt daruber hinaus auch Punitive damages55

In solchen Fallen kann die Frage auftreten, ob sich der Riickver-sicherer an Punitive damages zu beteiligen hat. Eine Verpflichtung58

des Ri ckversicherers zur Beteiligung 1ä13t sich jedenfalls aus gesetzlichenVorschriften nicht herleiten, da das Riickversicherungsvertragsrechtgesetzlich nicht geregelt ist57. Damit bleibt die Frage nach etwaigenvertraglichen Verpflichtungen des Riickversicherers 58. Hier sollen dieFalle nicht naher behandelt werden, in denen Ruckversicherungsver-trage ausdrucklich Einschlusse oder Ausschlusse 59 fur Punitive dama-ges enthalten; in diesen Fallen ergeben sich Verpflichtung oder Nicht-verpflichtung des Ruckversicherers bereits unmittelbar aus dem Ver-trag.

Probleme entstehen jedoch dann, wenn ein Ruckversicherungsver-trag keine ausdruckliche Bestimmung uber Ein- oder AusschluB vonPunitive damages enthalt. Fur diese Mille stellt sich die Frage, ob sichaus dem Ruckversicherungsbrauch eine Pflicht des Ruckversicherers zurBeteiligung an den gegen den Erstversicherer durchgesetzten Punitivedamages ergeben konnte. Nachst dem schriftlich fixierten Vertragsrechtstellt der Ri ckversicherungsbrauch als ,ungeschriebenes Riickversiche-

54 Vgi. Excess Liability Cases, Reinsurance, 1969/70 (Vol. 1), S. 494 ff.; auchR. W. Turner, Excess Liability, Federation of Insurance Council, Vol. 24, 1974,No. 4, S. 55 ff.; LeRoy E. Kennedy, Current Thinking on Excess Liability —An Insurer's View, Defense Research Institute, 1973, S. 7 ff.

55 Joseph P. Decaminada, Punitive Damages — Problem for Insurers andReinsurers, Insurance Advocate vom 14. April 1979, S. 18 ff. (19).

56 Eine Ex-gratia-Beteiligung, aus Kulanzgriinden and ohne die Anerken-nung einer Rechtspflicht, kann als Ausnahme im Einzelfall in Betracht kom-men, da der Ruckversicherer nicht unberucksichtigt lassen wird, daB einunter der standigen Drohung der Verurteilung zu Punitive damages regu-lierender Erstversicherer nicht in seinem Interesse handelt. Vgl. MunchenerRick, Punitive damages, S. 28.

57 Vgl. die Zusammenstellung bei Erich R. Prolss, Grundlagen and Grund-fragen des Ruckversicherungsrechts, 1952, S. 5 ff.; ebenso Gerathewohl, Band I,S. 438; R. L. Carter, Reinsurance, 1979, S. 119.

58 Vertragliche Verpflichtungen des Riickversicherers setzen zunachst dieVersicherbarkeit von Punitive-damages-Anspruchen voraus. Vgl. dazu dieAusfiihrungen oben unter III.

59 Aus einem ausdrucklichen AusschluB der Haftung fur Punitive damageskann nicht im UmkehrschluB gefolgert werden, daB in fruheren — diesenAusschluB nicht enthaltenden — Vertragen Punitive damages eingeschlossengewesen waren oder daB alle Ruckversicherer, die den AusschluB nicht aus-drucklich vereinbart haben, Punitive damages mitdecken (so auch PunitiveDamages and the Reinsurer, The National Underwriter vom 31. 3. 1978).

38 Zeitschr. f. d. g. Versicherungsw. 4

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rungsvertragsrecht" die wichtigste Quelle des Ruckversicherungsrechtsdar. Riickversicherungsbrauche sind entweder auf Grund bestimmtergesetzlicher Verweisungsnormen — etwa nach § 346 HGB uber dieGeltung von Handelsbrauchen — oder auf Grund ausdriicklicher oderkonkludenter Parteivereinbarung zu beachten60. Hier konnten alien-falls die Ri ckversicherungsbrauche fiber Schicksalsteilung and Folge-pflicht8 ' als Rechtsgrundlagen fur eine anteilige Haftung des Ri ckver-sicherers an Punitive-damages-Schaden, die den Erstversicherer ausFirst party cases treffen, in Betracht kommen.

Unter dem Ruckversicherungsbrauch der Schicksalsteilung wird dieden Riickversicherer treffende — anteilige — Haftung fiir alle Folgenaus dem Erstversicherungsverhaltnis zusammengefal3t, die sich ohneZutun, also unabhangig vom Verhalten des Erstversicherers ergebenhaben. Hierunter fallt vor allem die Realisierung der versicherten Ge-fahr. Aber auch alle sonstigen Einwirkungen auf das Versicherungs-verhaltnis, die sich ohne Zutun des Erstversicherers ergeben, wie Ge-fahrerhohungen and Modifizierungen des Erstversicherungsverhaltnis-ses durch Gesetzgebung oder Rechtsprechung, binden den Riickver-sicherer. Entscheidend ist, daB alle diese Faktoren unabhangig vonHandlungen oder Unterlassungen des Erstversicherers auf dessen Lei-stungspflicht gegenuber dem Versicherten einwirken. Fur dieses denErstversicherer treffende Risiko, das im Gegensatz zum sog. kaufman-nischen Risiko auch als versicherungstechnisches Risiko oder als dasAssekuranzschicksal des Zedenten 62 bezeichnet wird, haftet der Ruck-versicherer mit dem von ihm ubernommenen Anteil nach dem Ruck-versicherungsbrauch der Schicksalsteilung.

Bei Punitive damages in First party cases geht es aber gerade umVerpflichtungen, die erst auf Grund eines Verhaltens des Erstversiche-rers and nicht etwa unabhangig von seinem Zutun entstanden sind.Eine Beteiligung des Ruckversicherers unter dem Gesichtspunkt derSchicksalsteilung scheidet deshalb schon aus diesem Grunde aus.

Man konnte noch versuchen, eine Beteiligung des Ri ckversicherersaus dem Ruckversicherungsbrauch der Folgepflicht abzuleiten. DieFolgepflicht ist Korrelat des dem Erstversicherer kraft Ruckversiche-rungsbrauchs zustehenden Geschaftsfiihrungsrechts 83. Es handelt sich

60 Gerathewohl, Band I, S. 510 ff.; Prolss S. 16 f.81 Im anglo-amerikanischen Rechtskreis wird zwischen Schicksalsteilung

and Folgepflicht nicht immer prazise unterschieden; hier kann „to followthe fortunes of the ceding company" beides bedeuten. Vgl. C. E. Golding,The Law and Practice of Reinsurance, 1965, S. 63.

62 Gerathewohl, Band I, S. 517; Marcel Groi3mann, Ruckversicherung —eine EinfBhrung, 1977, S. 49; Joachim Theye, Die Staatsaufsicht fiber dieRiickversicherungsunternehmen in der EWG, 1969, S. 16.

89 Gerathewohl, Band I, S. 525; Jurg E. Steinrisser, Die Folgepfiicht desRUckversicherers, 1959, S. 2 f.

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dabei nicht nur um ein Recht, sondern auch um eine Pflicht, die einenwesentlichen Teil der vom Erstversicherer aus dem Ruckversicherungs-vertrag geschuldeten Leistung darstellt84. Trifft der ErstversichererMaBnahmen in bezug auf das Erstversicherungsverhaltnis, so begrun-den diese eine anteilige Haftung des Ruckversicherers nur dann, wenndie MaBnahmen durch die Geschaftsfi hrungsbefugnis des Erstversiche-rers gedeckt sind.

Recht and Pflicht des Erstversicherers zur Geschaftsfuhrung umfas-sen die Gestaltung des gesamten Erstversicherungsverhaltnisses. Siebeginnt mit Anbahnung and AbschluB der Originalvertrage, fuhrt uberdie Verwaltung der Policen wahrend der gesamten Vertragsdauer biszur Vertragsabwicklung and schlieSt das Recht zur Schadenregulie-rung voll ein. Im Bereich der Schadenregulierung wirken sick in derPraxis das Geschaftsfiihrungsrecht des Erstversicherers and die darauserwachsende Folgepflicht des Ruckversicherers fur letzteren besondersaus. Der Ruckversicherer ist aber an GeschaftsfuhrungsmaBnahmen desErstversicherers nicht etwa uneingeschrankt gebunden. Eine Bindungs-wirkung des Ruckversicherers kann zunachst nur fur Leistungspflich-ten des Erstversicherers eintreten, die sick unmittelbar aus der ruck-versicherten Originalpolice ergeben 85. Dariiber hinaus entfallt jedeFolgepflicht des Ruckversicherers, wenn der Erstversicherer vorsatzlichoder grob fahrlassig gegen die Grundsatze sachgemaBer Geschaftsfuh-rung verstoBt66.

Diese Einschrankungen wirken sich gerade bei Punitive-damages-Forderungen aus, die gegen den Erstversicherer geltend gemacht wer-den. Wie dargelegt, ist Haftungsgrund fur Punitive damages ein nachanglo-amerikanischem Recht als tort (ein Rechtsinstitut, deco im deut-schen Recht der Begriff der unerlaubten Handlung am nachstenkommt) zu qualifizierendes Verhalten des Erstversicherers 87. Die Scha-denersatzpflicht beruht also nicht oder nicht allein auf einer Verlet-zung des zwischen dem Erstversicherer and dem Versicherungsnehmer

84 Michael Kothris, Die Folgepflicht and die Schicksalsteilung in der Riick-versicherung, 1973, S. 32; Steinrisser S. 50 f.; Gerathewohl, Band I, S. 529.

65 Gerathewohl, Band I, S. 789; Schmidlin S. 608; Anthony M. Lanzone, Pu-nitive Damages — Insurer and Reinsurer, Adversaries or Partners?, Best'sReview 1978, S. 20 ff., S. 62.

66 Gerathewohl, Band I, S. 528; Schmidlin S. 608; Steinrisser S. 51.87 Im Verhaltnis Versicherungsnehmer/Versicherer werden insbesondere

folgende zwei Verletzungstatbestande als Tort gewertet: „Intentional inflic-tion of emotional distress" (so bei Ablehnung der Leistung trotz eindeutigerRechtslage oder bei rticksichtsloser Ausniitzung wirtschaftlicher '(lberlegen-heit, um einen fur den Versicherungsnehmer ungunstigen Vergleich zu er-zwingen) sowie „Breach of the implied covenant of good faith or fair deal-ing" (Verletzung des Grundsatzes, dalI die Vertragsparteien sich gegenseitig,,fairly, honestly and in good faith" zu verhalten haben). Vgl. MtinchenerRuck, Punitive damages, S. 13 ff.

38*

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bestehenden Versicherungsvertrags, sondern auf einer zusatzlich hin-zutretenden deliktahnlichen Handlung des Erstversicherers. SolcheMaBnahmen konnen somit keine Folgepflicht auslosen. DaB sie in Ver-bindung mit dem Erstversicherungsvertrag stehen, spielt dabei ebenso-wenig eine Rolle wie der Umstand, daB sie nicht nur als tort, sondernzugleich auch als „breach of contract", also nach deutschem Recht alspositive Vertragsverletzung, gewertet werden konnten 68. Der Erstver-sicherungsvertrag ist damit nur der AnlaB, gelegentlich dessen der Erst-versicherer eine deliktisch einzustufende Handlung begangen hat. DieVerurteilung zu Punitive damages beruht aber auf dieser zusatzlichenQualifikation des Verhaltens des Schadigers. Damit kann die betref-fende Handlung nicht mehr als aus dem Erstversicherungsvertragableitbare GeschaftsfuhrungsmaBnahme angesehen werden. Eine Folge-pflicht scheidet somit ausss .

Das so entwickelte Ergebnis ist auch sachgerecht. Wollte man etwaannehmen, daB der Ri ckversicherer ein Verhalten des Erstversicherers,das zu dessen Verurteilung zu Punitive damages fuhrt, mit zu tragenhatte, wurde man dem Ruckversicherer im Kern die Haftung fur daskaufmannische Risiko des Erstversicherers anlasten 70. Insoweit gibt es— jedenfalls vereinzelt — Moglichkeiten, dieses Risiko des Erstver-sicherers durch eine Haftpflichtversicherung abzudecken 71. Der Ri ck-

88 Vgl. die von Daniel I. Simon, California — a major decision affectinginsurers, The Post Magazine & Insurance Monitor, 1979, S. 3529 ff., refe-rierte Entscheidung des California Supreme Court in Egan v. Mutual ofOmaha Insurance Co., et al.: Die Auffassung, „an action based on an impliedcovenant must be considered an action arising from contract", wird nur noshvon der „dissenting opinion", also nicht der Mehrheit der die Entscheidungtragenden Richter vertreten.

B9 Selbst wenn man die Verpflichtung des Erstversicherers zur Zah-lung von Punitive damages an semen Versicherungsnehmer als Aus-fluB seiner Geschaftsfuhrungsbefugnis (Schadenregulierung) ansehen wollte,ergibt sich bei der tTberpriifung der Grenzen der Geschaftsfiihrungsbe-fugnis and damit der Grenzen der Folgepflicht, daB der Rtickversicherersich an Punitive-damages-Zahlungen dennoch nicht zu beteiligen braucht:MuB der Ruckversicherer schon dann nicht folgen, wenn der Erstversichererbei der Geschaftsfuhrung die Grundsatze eines ordentlichen KaufmannsauBer acht laBt (vgl. dazu oben FuBnote 66), dann gilt dies erst recht, wenndem Erstversicherer im Fall einer Verurteilung zu Punitive damages sitten-widriges, deliktisches Verhalten vorgeworfen wird. Damit sind die Grenzenvon Geschaftsfiihrungsbefugnis and Folgepflicht iiberschritten.

70 Vgl. Decaminada, S. 20: „The reinsurance contract does not cover punitivedamages which result from improper claim handling. The reinsurance agree-ment only covers the insurer on claims airising from policies of insuranceissued by the company ... The ceding company's claims activities are a se-parate business risk and the reinsurer receives no premium to cover thisrisk."

So auch Butler S. 31: „The reinsurance contract would be a policy ofliability insurance."

71 Ebenso Schmidlin S. 608: „Hier kann nicht mehr von einem echten Ver-sicherungsrisiko, das in der Police verankert ist, gesprochen werden, sondernes liegt eine Fehlhandlung vor, die sich nicht aus den Versicherungspolicen,

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versicherungsvertrag dagegen gewahrt Deckung fur kaufmannischeRisiken des Erstversicherers weder ausdrucklich noch stillschweigend'`.Das kann fur Punitive damages nicht anders zu beurteilen sein.

Da sich somit eine Mithaftung des Ruckversicherers fur Punitive-damages-Zahlungen in First party cases aus dem Ruckversicherungs-vertrag nicht herleiten 1ä13t, sind vereinzelt rechtliche Konstruktioneneiner auBervertraglichen Haftung mit der Begrundung vorgebrachtworden, der Ruckversicherer habe sich mit dem zu Punitive damagesverurteilten Erstversicherer zu einem „joint venture" zur Schaden-regulierung zusammengefunden73 .

Ein „joint venture" zur Schadenregulierung zwischen Erst- andRuckversicherer anzunehmen, widerspricht dem Wesen des Ruckver-sicherungsvertrags. Gerade das Recht zur Schadenregulierung gehortzum Kernbereich des Geschaftsfiihrungsrechts des Erstversicherers.Diese Aufgabe hat er in eigener Verantwortung als vertraglich ge-schuldete Leistung zu erfullen 74. Aus dem Ruckversicherungsvertrags-recht laBt sich demnach ein "joint venture" von Ruckversicherer andErstversicherer zur Schadenregulierung nicht ableiten75 .

sondern aus der allgemeinen beruflichen Tatigkeit des Ruckversicherten er-gibt. Dieses Berufsrisiko gehort sinngemaB in den Bereich der Berufshaft-pflicht."

72 Butler S. 31: ,,...Liability insurance is something so different from theusual purpose of reinsurance contract that it will not be implied unlessthere is a really compelling reason for doing so, such as a more or less spe-cific provision to that effect."

Wollte der Ruckversicherer dieses Risiko des Erstversicherers mit ab-decken, wurde er insoweit als Direktversicherer tatig werden. Da die Aus-ubung des Direktversicherungsgeschafts zulassungspflichtig ist and die mei-sten professionellen Ruckversicherer hierfur keine Zulassung haben, wareder EinschuB des Haftpflichtrisikos des Erstversicherers in den Riickversiche-rungsschutz auch aus aufsichtsrechtlichen Grunden nicht moglich. Vgl. ButlerS. 33.

"s Diese Konstruktion wurde im Rahmen der sog. „excess verdicts", alsourspriinglich in Excess-liability-Urteilen (vgl. oben S. 596 f. and FuBnote 54)entwickelt.

Im Verfahren Peerless Casualty Company v. Inland Mutual InsuranceCo., 4th Cir. W. Va 2 1 F. 2 d 696 (1958), fuhrten das besondere Engagementdes Ruckversicherers bei der Schadenregulierung sowie eine weitgefaBteFolgepflichtklausel uber die Konstruktion eines „joint venture" ausnahms-weise zur Mithaftung des Ruckversicherers fur Punitive damages: „The closeinvolvement of the reinsurer in the actual handling of the original claimmade against the assured meant that there existed a joint venture betweenthe reinsurer and the reinsured for the purposes of settling that claim." SoButler S. 34.

" Vgl. oben FuBnote 64.So insbesondere die Entscheidung American Fidelity and Casualty Inc.

v. Employers Reinsurance Corporation D. C. Mo. 196 F. S. 553. Dennoch wirdman der Warnung von Butler (S.35) nur zustimmen konnen: „However,

. it may be said that the only way for a reinsurer to be sure of avoidingthe joint-venture pit-fall is to exercise the utmost caution in any colla-boration with the reinsured in the handling of claims..."