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Deutsches Kaiserreich 1 Deutsches Kaiserreich Deutsches Reich 18711918 [ Details ] [ Details ] Navigation Norddeutscher Bund Weimarer Republik Verfassung Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. April 1871 Amtssprache Deutsch Hauptstadt Berlin Regierungsform Konstitutionelle Monarchie Kaiser 18711888 1888 18881918 Wilhelm I. Friedrich III. Wilhelm II. Fläche (1910) 540.858 km² Einwohnerzahl 1871 (1. Dezember) 1890 (1. Dezember) 1910 (1. Dezember) 41.058.792 Ew. 49.428.470 Ew. 64.925.993 Ew. Bevölkerungsdichte 1871 1890 1910 76 Ew. pro km² 91 Ew. pro km² 120 Ew. pro km² Staatsgründung 1. Januar 1871 18. Januar 1871 Inkrafttreten der Novemberverträge Proklamation Nationalhymne Keine. Kaiserhymne: Heil dir im Siegerkranz Nationalfeiertag inoffiziell 2. September (Sedantag) Währung 1 Mark = 100 Pfennig Karte

Deutsches Kaiserreich

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Deutsches Kaiserreich 1

Deutsches KaiserreichDeutsches Reich

1871–1918

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Norddeutscher Bund ↔ Weimarer Republik

Verfassung Verfassung des Deutschen Reichs vom 16. April1871

Amtssprache Deutsch

Hauptstadt Berlin

Regierungsform Konstitutionelle Monarchie

Kaiser1871–188818881888–1918

Wilhelm I.Friedrich III.Wilhelm II.

Fläche (1910) 540.858 km²

Einwohnerzahl1871 (1. Dezember)1890 (1. Dezember)1910 (1. Dezember)

41.058.792 Ew.49.428.470 Ew.64.925.993 Ew.

Bevölkerungsdichte187118901910

76 Ew. pro km²91 Ew. pro km²120 Ew. pro km²

Staatsgründung1. Januar 187118. Januar 1871

Inkrafttreten der NovemberverträgeProklamation

Nationalhymne Keine.Kaiserhymne: Heil dir im Siegerkranz

Nationalfeiertag inoffiziell 2. September (Sedantag)

Währung 1 Mark = 100 Pfennig

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Das Deutsche Kaiserreich wurde am 18. Januar 1871 nach dem Sieg des NorddeutschenBundes und der mit ihm verbündeten süddeutschen Staaten im Deutsch-FranzösischenKrieg gegründet. Auf kleindeutscher Grundlage und unter der Herrschaft der preußischenHohenzollern war damit erstmals ein deutscher Nationalstaat entstanden.Der Bundesstaat mit dem Namen Deutsches Reich war bis zur Novemberrevolution und derAbdankung Wilhelms II. am 9. November 1918 eine konstitutionelle Monarchie. Nach derProklamation der Republik am Ende des Ersten Weltkriegs konstituierte dieverfassunggebende Nationalversammlung das Reich 1919 als parlamentarischeDemokratie.

Einleitender ÜberblickDem Kaiserreich gehörten 25 Bundesstaaten (Bundesglieder) – darunter die dreirepublikanisch verfassten Hansestädte Hamburg, Bremen und Lübeck – sowie dasReichsland Elsaß-Lothringen an.In der Zeit des Kaiserreichs war Deutschland wirtschafts- und sozialgeschichtlich geprägtdurch die Hochindustrialisierung. Ökonomisch und sozial-strukturell wandelte es sich inden letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts von einem landwirtschaftlich dominierten zueinem industriell ausgerichteten Staat. Auch der Dienstleistungssektor gewann mit demAusbau des Handels und des Bankenwesens wachsende Bedeutung. DasWirtschaftswachstum wurde durch den Gründerkrach von 1873 und die ihm folgendelangjährige Konjunkturkrise zeitweilig getrübt. Trotz erheblicher politischer Folgen ändertedies nichts an der strukturellen Entwicklung zum Industriestaat.Kennzeichnend für den gesellschaftlichen Wandel waren ein deutlichesBevölkerungswachstum, Binnenwanderung und Urbanisierung. Die Gesellschaftsstrukturwurde durch die Zunahme der städtischen Arbeiterbevölkerung und – vor allem in denJahren ab etwa 1890 – auch des neuen Mittelstandes aus Technikern, Angestellten, sowiekleinen und mittleren Beamten wesentlich verändert. Dagegen ging der Einfluss desHandwerks und des Adels – bezogen auf deren Beiträge zum Bruttosozialprodukt – eherzurück. Allerdings behielt der Adel sein hohes Sozialprestige und konnte weiterhin seinedominante Rolle beim Militär, in der Diplomatie und der höheren Zivilverwaltungbehaupten.[1]

Die innen- und außenpolitische Entwicklung wurde bis 1890 vom ersten und am längsten amtierenden Kanzler des Reiches, Otto von Bismarck, bestimmt. Dessen Regierungszeit lässt sich in eine relativ liberale Phase, geprägt von innenpolitischen Reformen und vom Kulturkampf, und eine eher konservativ geprägte Zeit nach 1878/79 einteilen. Als Zäsur gilt

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der Übergang zum Staatsinterventionismus (Schutzzoll, Sozialversicherung) undRepressionsmaßnahmen gegen die seit 1875 auf Basis des Gothaer Programms vereintenSozialisten (SAP). Außenpolitisch versuchte Bismarck, das Reich durch ein komplexesBündnissystem abzusichern. In seine Amtszeit fiel auch der – wenn auch erst späterintensivierte – Einstieg in den überseeischen Imperialismus. Daraus folgten zunehmendinternationale Interessenkonflikte mit anderen Kolonialmächten, insbesondere derWeltmacht Großbritannien.Die Phase nach der Ära Bismarck wird in der Historiographie oft als WilhelminischesZeitalter bezeichnet, weil der 1888 inthronisierte Kaiser Wilhelm II. nach der EntlassungBismarcks persönlich in erheblichem Umfang Einfluss auf die Tagespolitik ausübte.Allerdings spielten daneben auch andere, teilweise konkurrierende Akteure eine wichtigeRolle. Sie beeinflussten die Entscheidungen des Kaisers und ließen sie oft widersprüchlichund unberechenbar erscheinen: Zu den entsprechenden Faktoren gehörten diewechselnden Regierungen, die Parteien des Reichstags und Kreise der militärischenFührung.Durch den Aufstieg von Massenverbänden und -parteien sowie der wachsenden Bedeutungder Presse gewann zudem die öffentliche Meinung an Gewicht. Nicht zuletzt darumversuchte die Regierung mit einer imperialistischen Weltpolitik, einerantisozialdemokratischen Sammlungspolitik und einer populären Flottenrüstung ihrenRückhalt in der Bevölkerung zu erhöhen.Außenpolitisch führte das Weltmachtstreben, einhergehend mit der Aufrüstung des Reichesund der Auflösung des bismarckschen Bündnissystems, in die Isolation. Durch diese Politikhat das Reich dazu beigetragen, die Gefahren eines großen Krieges zu erhöhen. Als dieserErste Weltkrieg schließlich 1914 ausgelöst wurde, war das Reich in einen Mehrfrontenkriegverwickelt. Auch in der Innenpolitik gewann das Militär an Einfluss. Mit der zunehmendenAnzahl von Kriegstoten an den Fronten und der sozialen Not in der Heimat begann dieMonarchie an Rückhalt zu verlieren. Der Zusammenbruch der Westfront und dieNovemberrevolution bewirkten 1918 das Ende des Kaiserreichs.

Gliederung des Deutschen Kaiserreichs 1871–1918

Bundesstaat Staatsform Hauptstadt Fläche inkm²1910

Einwohner1910

Preußen Königreich Berlin 348.780 40.165.219

Bayern Königreich München 75.870 6.887.291

Württemberg Königreich Stuttgart 19.507 2.437.574

Sachsen Königreich Dresden 14.993 4.806.661

Baden Großherzogtum Karlsruhe 15.070 2.142.833

Mecklenburg-Schwerin Großherzogtum Schwerin 13.127 639.958

Hessen Großherzogtum Darmstadt 7.688 1.282.051

Oldenburg Großherzogtum Oldenburg 6.429 483.042

Sachsen(-Weimar-Eisenach) Großherzogtum Weimar 3.610 417.149

Mecklenburg-Strelitz Großherzogtum Neustrelitz 2.929 106.442

Braunschweig Herzogtum Braunschweig 3.672 494.339

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Sachsen-Meiningen Herzogtum Meiningen 2.468 278.762

Anhalt Herzogtum Dessau 2.299 331.128

Sachsen-Coburg und Gotha Herzogtum Coburg/Gotha 1.977 257.177

Sachsen-Altenburg Herzogtum Altenburg 1.324 216.128

Lippe Fürstentum Detmold 1.215 150.937

Waldeck Fürstentum Arolsen 1.121 61.707

Schwarzburg-Rudolstadt Fürstentum Rudolstadt 941 100.702

Schwarzburg-Sondershausen Fürstentum Sondershausen 862 89.917

Reuß jüngere Linie Fürstentum Gera 827 152.752

Schaumburg-Lippe Fürstentum Bückeburg 340 46.652

Reuß ältere Linie Fürstentum Greiz 316 72.769

Hamburg Freie Stadt Hamburg 414 1.014.664

Lübeck Freie Stadt Lübeck 298 116.599

Bremen Freie Stadt Bremen 256 299.526

Elsaß-Lothringen Reichsland Straßburg 14.522 1.874.014

Deutsches Reich Kaiserreich Berlin 540.858 64.925.993

Geografisch-politische Lage in MitteleuropaDas Deutsche Kaiserreich hatte acht Nachbarstaaten:Im Norden grenzte es an Dänemark (65 Kilometer), im Nordosten und Osten an dasRussische Reich (1.322 Kilometer), im Südosten und Süden an Österreich-Ungarn (2.388Kilometer), im Süden an die Schweiz (385 Kilometer), im Südwesten an Frankreich (392Kilometer), im Westen an Luxemburg (219 Kilometer) und Belgien (84 Kilometer), imNordwesten an die Niederlande (567 Kilometer).Die Grenzlänge betrug insgesamt 5.422 Kilometer (ohne Grenze im Bodensee).

VorgeschichteDie deutsche Geschichte des 19. Jahrhunderts war bis zur Nationalstaatsgründung geprägtvon vielfachen politischen und territorialen Veränderungen, die nach dem Ende desHeiligen Römischen Reiches Deutscher Nation ab 1806 in eine neue Phase eingetretenwaren. Das Alte Reich, ein von den römisch-deutschen Kaisern geführtes vor- undübernationales Gebilde, war zunehmend geprägt von den Interessengegensätzen seinerbeiden Großmächte: Österreich und dem aufstrebenden Preußen. Es zerbrach durch dieNapoleonischen Kriege und die von Frankreich initiierte Gründung des Rheinbundes.In der Folgezeit verstärkten sich, ausgelöst durch das Vorbild der französischen Revolutionund der Befreiungskriege gegen die Hegemonie der Grande Nation unter NapoléonBonaparte, in nahezu ganz Europa einschließlich des deutschen SprachraumsNationalstaatsbewegungen mit der Vorstellung der Nation als Grundlage derStaatenbildung. Als Großdeutsche Lösung wurde dabei ein einheitliches Reich unterEinbeziehung Österreichs, als Kleindeutsche Lösung ein Reich ohne Österreich bezeichnet.Nach dem Sieg der gegen Frankreich stehenden Fürstentümer Europas (ihnen voran Großbritannien, Preußen, Russland und Österreich) über die Armeen Napoléons hatten die

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deutschen Fürsten jedoch kein Interesse an einer zentralen Macht, die ihre Autonomiebeschneiden würde. Auf dem Wiener Kongress wurde 1815 daher lediglich der DeutscheBund gegründet, ein lockerer Zusammenschluss jener Gebiete, die vor 1806 zum HeiligenRömischen Reich Deutscher Nation gehört hatten. Die dem Wiener Kongress folgende, inder späteren Geschichtsschreibung als Vormärz bezeichnete Ära war geprägt von derRestaurationspolitik, die überstaatlich vom österreichischen Staatskanzler Clemens WenzelFürst von Metternich dominiert war. Im Rahmen der sogenannten Heiligen Allianz, einemzunächst zwischen Österreich, Preußen und Russland geschlossenen Bündnis, sollte dieRestauration innenpolitisch und zwischenstaatlich die Machtverhältnisse des AncienRégime in Europa wiederherstellen, wie sie vor der französischen Revolution von 1789geherrscht hatten.

Jubelnde Revolutionäre nachBarrikadenkämpfen am 18. März 1848

in Berlin

Dieser Politik entgegenstehende nationalstaatliche undbürgerlich-demokratische Bewegungen führten zuzahlreichen Erhebungen in weiten TeilenMitteleuropas, zu denen schließlich auch dieMärzrevolution von 1848 in den deutschen Staatenzählt. Abgeordnete des durch die Revolution neuentstandenen ersten gesamtdeutschen, demokratischgewählten Parlaments, der FrankfurterNationalversammlung, boten nach der Verabschiedungder sogenannten Paulskirchenverfassung dempreußischen König Friedrich Wilhelm IV. im Rahmender kleindeutschen Lösung die deutsche Kaiserkronean. Weil dieser aber mit Berufung auf seinGottesgnadentum ablehnte, scheiterte der Versuch, den Großteil der deutschen Staaten aufkonstitutioneller Basis zu vereinigen.

Der Deutsche Bund existierte nach der letztlich gewaltsamen Niederschlagung derrevolutionären Bewegung von 1848/49 unter österreichischer Führung weiter. Es folgte einJahrzehnt der politischen Reaktion (Reaktionsära), in dem demokratische und liberaleBestrebungen erneut unterdrückt wurden. Ab Beginn der 1860er Jahre bildeten sich in dendeutschen Staaten die ersten politischen Parteien im heutigen Sinn.1864 gelangte der Bund im Sinn eines einheitlichen Bündnisses zu größerer Bedeutung, alssich an der Schleswig-Holsteinischen Frage der Deutsch-Dänische Krieg entzündete, in demPreußen und Österreich aufgrund einer Bundesexekution Seite an Seite standen. DieseEinvernehmlichkeit der beiden Mächte war jedoch nur von kurzer Dauer. Durch den Streitum Schleswig-Holstein wurde 1866 der Deutsche Krieg Preußens gegen Österreichausgelöst, in dem die Armeen Preußens und einiger norddeutscher Staaten gemeinsam mitItalien gegen die Truppen Österreichs kämpften, das mit den süddeutschen Staaten, u. a.Baden, Bayern, Hessen und Württemberg verbündet war. Nach der Niederlage Österreichs,im Endeffekt des Deutschen Bundes, wurde der Norddeutsche Bund unter preußischerFührung gegründet. Die zuvor mit Österreich alliierten süddeutschen Fürstentümerschlossen Schutz- und Trutzbündnisse mit Preußen ab.

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Otto von Bismarck und FrankreichsKaiser Napoleon III. nach der Schlachtbei Sedan (nach einem Gemälde von

Wilhelm Camphausen von 1878)

Ausgelöst durch Streitigkeiten zwischen Preußen undFrankreich um die spanische Erbfolge, begann 1870der Deutsch-Französische Krieg. Die Kriegserklärungkam von französischer Seite, nachdem der preußischeMinisterpräsident Bismarck eine redigierte Version derEmser Depesche veröffentlicht und somit Frankreichpolitisch bloßgestellt hatte. Die süddeutschen Staatenschlossen sich Preußen an. Bismarck nutzte dies, umdie Krönung des preußischen Königs zum DeutschenKaiser voran zu treiben und so auch die süddeutschenStaaten im Rahmen einer kleindeutschen Lösung in eingeeintes Reich einzubinden. Die drei Kriege zwischen1864 und 1871 werden auch als Deutsche Einigungskriege bezeichnet.

Reichsgründung

Proklamation des DeutschenKaiserreiches im Spiegelsaal von

Schloss Versailles (idealisierendesGemälde von Anton von Werner)

Nach dem deutschen Sieg bei Sedan und derGefangennahme des französischen Kaisers NapoleonIII. war der Weg für die Reichsgründung frei. Bismarckbegann mit den süddeutschen Staaten zu verhandeln,die einer kleindeutschen Lösung zustimmten, undkonnte dabei seine eigenen Vorstellungen weitgehenddurchsetzen. Dies bedeutete den faktischen AnschlussBayerns, Württembergs und Badens an denNorddeutschen Bund. Andere Pläne wie der einesDoppelbundes, wie ihn etwa Bayern vorgeschlagenhatten, waren nunmehr chancenlos. Die BismarckscheLösung garantierte einerseits eine Dominanz Preußens

auch im neuen Reich. Andererseits bedeutete der gestärkte monarchische Föderalismuseine Barriere gegen Tendenzen zur Parlamentarisierung. In der deutschen Öffentlichkeitwurde der Drang nach einer Annexion des Elsass und Teilen Lothringens erhoben undBismarck machte sich diese Forderungen zu Eigen. Dies verlängerte den Krieg, war einGrund für die Verstärkung der so genannten Deutsch-französischen Erbfeindschaft, gab dernationalen Begeisterung in Deutschland aber weiteren Auftrieb. Dies erleichterte Bismarckdie Verhandlungen mit den süddeutschen Staaten, die in den Novemberverträgenmündeten. Gleichwohl musste er Zugeständnisse machen. So behauptete Bayern inFriedenszeiten seine eigene Armee. Überdies hielt es genauso wie Württemberg an einemeigenen Postwesen fest. Die süddeutschen Staaten insgesamt behielten ihre staatlichenEisenbahnen sowie weitere Reservatsrechte. In der Außenpolitik pochten sie erfolgreich aufeigene diplomatische Beziehungen. Trotz der weitgehenden Übernahme der Verfassung desNorddeutschen Bundes war die Gründung des Deutschen Reiches formal eineNeugründung, da sie der Ratifizierung durch die Legislativen der beteiligten Partnerbedurfte. An die Stelle des Bundespräsidiums trat der preußische König als DeutscherKaiser. Diese Umbenennung war staatsrechtlich von untergeordneter, symbolisch jedochvon erheblicher Bedeutung – die Erinnerung an das Alte Reich erleichterte die

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Identifikation mit dem neuen Staat. Um die monarchische Legitimität des Nationalstaats zubetonen, war es Bismarck wichtig, dass König Ludwig II. als Monarch des größtenBeitrittslandes König Wilhelm I. die Kaiserkrone antragen sollte.[2] Der widerstrebendeaber finanziell angeschlagene Bayer erklärte sich durch die Zusage von Zahlungen vonjährlich 4 bis 5 Millionen Mark aus dem Welfenfonds zu diesem Schritt bereit und schlug indem von Bismarck vorformulierten Kaiserbrief König Wilhelm zum deutschen Kaiser vor.Bezeichnend für den Charakter des neuen Reiches war, dass die Vertreter desnorddeutschen Reichstages warten mussten bis die Bundesfürsten ihre Zustimmung zurKaiserwürde erklärt hatten. Erst danach durften die Abgeordneten den König um eineAnnahme der Kaiserkrone bitten. Dies stand im deutlichen Kontrast zur Kaiserdeputationvon 1849. König Wilhelm selbst, der nicht zu Unrecht fürchtete, dass der neue Titel diepreußische Königswürde überdecken würde, blieb lange ablehnend. Wenn überhauptverlangte er den Titel eines Kaisers von Deutschland. Die verbündeten Monarchen lehntendiese Titulatur allerdings ab, weil sie als ein weiterreichender Herrschaftsanspruchgedeutet werden konnte. Nur auf massiven Druck von Bismarck akzeptierte Wilhelmschließlich den Titel eines Deutschen Kaisers.[3] Die Proklamation erfolgte im Spiegelsaaldes Schlosses von Versailles.[4]

Am 3. März kam es dann zu den ersten Reichstagswahlen. Die erste konstituierendeReichstagssitzung fand am 21. März im Preußischen Abgeordnetenhaus in Berlin statt, daszur Reichshauptstadt erklärt wurde. Die Reichsverfassung trat am 16. April in Kraft.Der Friede von Frankfurt beendete offiziell den Deutsch-Französischen Krieg. DieUnterzeichnung fand am 10. Mai statt. Das Reichsmünzgesetz vereinheitlichte diedeutschen Währungen, die Mark wurde als einheitliches Zahlungsmittel im Reicheingeführt. Die neue Währung basierte auf dem Goldstandard.

Struktur des Reiches

Symbole des ReichesDas Deutsche Reich hatte keine offizielle Nationalhymne und zunächst auch keine offizielleNationalflagge. Als Nationalhymnenersatz galten die Lieder Heil Dir im Siegerkranz,dessen Melodie mit der britischen Nationalhymne identisch ist, sowie Die Wacht am Rhein.Zunächst wurde mit Schwarz-Weiß-Rot die Bundesflagge des Norddeutschen Bundes alsMarineflagge und Kauffahrteiflagge übernommen. Erst 1892 wurde durch AllerhöchstenErlass Schwarz-Weiß-Rot zur Nationalflagge bestimmt. Die Farben setzen sich aus denFarben Preußens (schwarz und weiß) und denen der Freien und Hansestädte (weiß überrot) zusammen.

Die Bismarcksche ReichsverfassungHauptartikel: Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871

Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871 ging aus der 1866 ausgearbeiteten Verfassung des Norddeutschen Bundes hervor; Otto von Bismarck hatte sie maßgeblich geprägt und auf sich zugeschnitten. Sie war zum einen ein Organisationsstatut, welches die Kompetenzen der Staatsorgane, durch die das Reich handelte, und sonstiger Einrichtungen des Reiches gegenseitig nach innen abgrenzte. Sie legte anderseits die Zuständigkeit des Reiches gegenüber den Bundesstaaten fest. Hier folgte sie dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung. Das Reich durfte nur für

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diejenigen Angelegenheiten tätig werden, die dem Reich in der Verfassung ausdrücklich alsZuständigkeit zugewiesen wurden. Im übrigen waren die Bundesstaaten zuständig.

Graphische Darstellung derReichsverfassung

Die Verfassung verfügt über keinen Grundrechtsteil,der die Beziehung zwischen Untertan (Bürger) undStaat mit Verfassungsrang rechtlich näher ausgestaltethätte. Lediglich ein Benachteiligungsverbot auf Grundder Staatsbürgerschaft eines Bundesstaates(Inländergleichbehandlung) war normiert. Der fehlendeGrundrechtsteil musste sich nicht zwangsläufignachteilig auswirken. Weil die Bundesstaaten in derRegel die Reichsgesetze vollzogen, wurden nur sierechtseingreifend gegenüber dem Bürger tätig.Maßgeblich war daher, ob und welche Grundrechte dieLandesverfassungen vorsahen. So enthielt beispielsweise die für das Königreich Preußengeltende Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850 einenGrundrechtskatalog.

Die Verfassung verstand das Deutsche Reich als eine Stiftung der Bundesfürsten. Dementsprach, dass das Deutsche Reich ein Bundesstaat war. Die Bundesstaaten hattenausgeprägte Eigenzuständigkeiten, wobei ihnen zusätzlich über den Bundesrat einebedeutende Gestaltungsfunktion auf Reichsebene zufiel. Der Bundesrat war vonVerfassungs wegen als der eigentliche Souverän des Reiches gedacht. Seine Kompetenzenwaren dabei sowohl legislativer wie auch exekutiver Art. Realpolitisch blieb seineBedeutung als eigenständiges Machtzentrum aus verschiedenen Gründen allerdingsbeschränkt. Ein Aspekt war, dass Preußen als größter Bundesstaat zwar nur über 17 von 58Stimmen verfügte, sich die nord- und mitteldeutschen Kleinstaaten aber fast immer dempreußischen Votum anschlossen.[5]

Der König von Preußen bildete das Präsidium des Bundes. Dem Kaiser standen beachtlicheKompetenzen zu, die weit über das hinausgingen, was die Bezeichnung Präsidium desBundes vermuten ließ. Er ernannte und entließ den Reichskanzler und die Reichsbeamten(insbesondere die Staatssekretäre). Er bestimmte mit dem Reichskanzler, der in der Regelauch noch preußischer Ministerpräsident und preußischer Außenminister war, dieAußenpolitik des Reiches. Der Kaiser führte den Oberbefehl über die Kriegsmarine undüber das deutsche Heer (über das bayerische Heer nur in Kriegszeiten). Insbesondere sahdie Verfassung vor, dass der Kaiser, falls erforderlich, mittels des Heeres die innereSicherheit wieder herstellen konnte. Diese Konzentration der Kommandogewalt wurdeoftmals in der Innenpolitik als Druckmittel eingesetzt. Die süddeutschen KönigreicheWürttemberg und Bayern behielten sich bei den Verfassungsverhandlungen Reservatrechtevor. Allerdings war die Macht weder des preußischen Königs noch des deutschen Kaisersabsolut, sondern sie standen in der Tradition des deutschen Konstitutionalismus des 19.Jahrhunderts wenn auch mit starken extrakonstitutionellen Elementen.[6]

Der Reichskanzler war in diesem Machtgefüge der dem Kaiser verantwortliche Reichsminister, welchem die Staatssekretäre unterstanden. Er hatte den Vorsitz des Bundesrates inne und stand der Reichsverwaltung vor. Er war in der Regel zugleich preußischer Ministerpräsident und Außenminister. Das demokratische Defizit dieser Verfassung lag vor allem in der fehlenden parlamentarischen Verantwortlichkeit des Reichskanzlers begründet, den der Reichstag weder wählen noch stürzen konnte. Erst im

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Oktober 1918 wurde die parlamentarische Verantwortlichkeit des Reichskanzlers imRahmen der Oktoberverfassung eingeführt.Das eigentliche Gegengewicht zu den verbündeten Regierungen, dem Bundesrat und zurReichsleitung bildete der Reichstag. Die Wahlen waren allgemein (alle Männer ab 25Jahren), gleich (in Form des Mehrheitswahlrechts) und geheim. Dies war im Vergleich mitanderen europäischen Staaten aber auch mit dem Wahlrecht in vielen Bundesstaaten, etwadem Dreiklassenwahlrecht in Preußen, ein geradezu demokratisch anmutender Zug derReichsverfassung. Die Legislaturperiode dauerte anfangs drei Jahre, nach 1888 fünf Jahre.Eine entscheidende Schwäche für die Macht des Reichstages war, dass der Bundesrat mitZustimmung des Kaisers das Parlament jederzeit auflösen und Neuwahlen ausschreibenkonnte. Die Abgeordneten erhielten als Gegengewicht zum allgemeinen Wahlrecht keineDiäten. Die Abgeordneten hatten ein freies Mandat und waren nach dem Verfassungstextnicht an die Aufträge der Wähler gebunden. Tatsächlich gab es in den erstenLegislaturperioden zahlreiche „wilde Abgeordnete.“ In der Praxis setzte sich freilich nachund nach die Fraktionsbildung durch.Der Reichstag war neben dem Bundesrat gleichberechtigte Kammer bei derVerabschiedung von Gesetzen. Dieses zentrale Parlamentsrecht war im Zeitalter desRechtspositivismus von wachsender Bedeutung, beruhte das Regierungshandeln doch imKern auf Gesetzen. Verordnungen der Regierung spielten nach der Entwicklung der Lehrevom Gesetzesvorbehalt nur noch nach parlamentarischer Ermächtigung eine Rolle.Verwaltungsrichtlinien kam nur verwaltungsinterne Wirkung zu. Die zweite Kernkompetenzdes Parlaments war die Verabschiedung des Haushalts in Form eines Gesetzes. DieHaushaltsdebatte entwickelte sich rasch zur Generaldebatte über das gesamte Handeln derRegierung. Allerdings war die Entscheidungsmöglichkeit über den Militäretat, der denHauptausgabeposten des Reiches bildete, begrenzt. Bis 1874 war der Etat ohnehinfestgelegt und später sorgten die Septennate und später die Quinquennate für eineBegrenzung der Parlamentsrechte in diesem Bereich.[7]

Damit war die politische Leitung des Reiches auf die Zusammenarbeit mit dem Reichstagangewiesen. Die verfassungsrechtliche Fiktion des Fürstenbundes entsprach somit nichtder Wirklichkeit. Vielmehr stellte die Verfassung einen Kompromiss zwischen dennationalen und demokratischen Forderungen des aufstrebenden Wirtschafts- undBildungsbürgertums und den dynastischen Herrschaftsstrukturen dar (konstitutionelleMonarchie).

Machtzentren des ReichesDie Verfassungsordnung der Bismarckschen Reichsverfassung war ein wichtiger Rahmenfür die tatsächliche Herrschaftsordnung. Tatsächlich waren die in der Verfassungverankerten Institutionen wie der Reichstag oder der Kanzler für das politische System vonzentraler Bedeutung. Darüber hinaus gab es weitere Machtzentren die von dergeschriebenen Verfassung nur teilweise abgebildet wurden.

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Bürokratie und VerwaltungSo gut wie keine Erwähnung fand etwa die Bürokratie. Bei allen innenpolitischen Konfliktensorgte der bürokratische Apparat für Kontinuität. Gleichzeitig mussten die politischenEntscheidungsträger – auch Reichskanzler und Kaiser – mit dem Eigengewicht der höherenBeamten rechnen. Allerdings hatte das Reich selbst zu Anfang nur einen bescheidenenApparat und war lange Zeit auf die Zuarbeit der preußischen Ministerien angewiesen.Neben dem Reichskanzler gab es keine regelrechte Reichsregierung. Anstelle vonMinistern gab es lediglich eine Reihe von dem Kanzler unterstellten Staatssekretären, dieReichsämtern vorsaßen. So entstanden im Laufe der Zeit neben dem Reichskanzleramt, einReichseisenbahnamt, ein Reichspostamt, ein Reichsjustizamt, ein Reichsschatzamt, ein Amtfür die Verwaltung des Reichslandes Elsaß-Lothringen, das auswärtige Amt, Reichsamt desInnern, ein Reichsmarineamt und schließlich ein Reichskolonialamt. Dieverwaltungsmäßige Abhängigkeit von Preußen verringerte sich zwar mit dem personellenAusbau der Reichsverwaltung. Bis zum Schluss aber war die organisatorische Verbindungzwischen Preußen und dem Reich von großer Bedeutung. In den höheren Positionen auchder höheren Reichsverwaltung waren Protestanten ebenso wie Angehörige des Adelsüberrepräsentiert. So gehörten von insgesamt 31 Reichsstaatssekretären zwölf dem Adel anund 1909 waren 71 % evangelischer Konfession. Politisch allerdings waren diese anfangsnoch vergleichsweise liberal ausgerichtet. Erst eine langfristige Nachwuchspolitik sorgteauf längere Sicht für eine konservative Ausrichtung der höheren Beamtenschaft.[8]

Die Monarchie und der kaiserliche Hof

Adolph Menzel Das Ballsouper 1878

Die Verfassung garantierte dem Kaiser einenerheblichen Handlungsspielraum. Für dieEntscheidungen der Monarchen spielten dieverschiedenen kaiserlichen Beratungsgremien wie dasZivil-, Militär- und Marinekabinett wichtige Rollen.Hinzu kamen der Hof und die engen persönlichenVertrauten der Kaiser. Bereits mit Wilhelm I. nahm derMonarch erheblichen Einfluss auf die Personalpolitik,ohne in der Regel in die Tagesgeschäfte einzugreifen.Vor allem unter Kaiser Wilhelm II. mit seinem Ansprucheines „persönlichen Regiments“[9] war diese Ebeneeines der zentralen Machtzentren des Reiches. Kaum zu unterschätzen ist auch der Wandeldes Kaisers von einem Präsidenten des Bundes zu einem Reichsmonarchen. Auch außerhalbPreußens wurden nicht mehr nur die Gedenktage der verschiedenen Dynasten, sondernauch Kaisers Geburtstag gefeiert. Der Kaiser wurde zunehmend zu einem Symbol desReiches. Die Frage, inwieweit Kaiser Wilhelm II. tatsächlich ein persönliches Regimedurchsetzen konnte, ist freilich in der Geschichtswissenschaft umstritten. Unstreitig ist,dass der kaiserliche Einfluss bis 1897 noch begrenzt war, während die Bedeutung desKaisers bis 1908 deutlich zunahm, um danach wieder an Bedeutung zu verlieren. Dazubeigetragen hat die Affäre um den Vertrauten des Kaisers Philipp zu Eulenburg. Diese unddie anschließende Daily-Telegraph-Affäre haben mit dazu geführt, das Ansehen des Kaisers– nicht aber der Monarchie als Institution – in der Öffentlichkeit zu verringern.[10]

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Das MilitärHauptartikel: Deutsches Heer (Kaiserreich), Kaiserliche Marine, s.u. zur Flottenpolitik

Das Heer und die Marine blieben abgesehen von der Bewilligung der nötigen Finanzmittelnach der Verfassung weitgehend der Verfügungsgewalt des preußischen Königsbeziehungsweise des Kaisers unterstellt. Die Grenzen der absolutistisch anmutenden„Kommandogewalt“ waren dabei kaum definiert. Es blieb von daher eine der zentralenStützen der Monarchie. Unterhalb des „obersten Kriegsherren“ existierten mit demMilitärkabinett, dem preußischen Kriegsministerium und dem Generalstab dreiInstitutionen, die zeitweise untereinander um Kompetenzen stritten. Insbesondere derGeneralstab bereits unter Helmuth Karl Bernhard von Moltke und später Alfred vonWaldersee versuchte Einfluss auch auf politische Entscheidungen zu nehmen. Dasselbe giltfür Alfred von Tirpitz in Marinefragen.[11]

Die Armee richtete sich nicht nur gegen äußere Feinde, sondern sollte nach dem Willen dermilitärischen Führung auch im Innern etwa bei Streiks zum Einsatz kommen.[12] In derPraxis wurde die Armee allerdings bei den großen Streiks kaum eingesetzt. Gleichwohlbildete die Armee als Drohpotential einen nicht zu unterschätzenden innenpolitischenMachtfaktor.Die enge Verbundenheit mit der Monarchie spiegelte sich zunächst noch im stark adeliggeprägten Offizierskorps wider. Auch später behielt der Adel eine starke Stellung unter denFührungsrängen, allerdings drang im mittleren Bereich mit der Vergrößerung der Armeeund der Flotte der bürgerliche Anteil stärker vor. Die entsprechende Auswahl und dieinnere Sozialisation im Militär sorgten allerdings dafür, dass auch das Selbstverständnisdieser Gruppe sich kaum von der ihrer adeligen Kameraden unterschied.[13]

Zwischen 1848 und den 1860er Jahren hat die Gesellschaft das Militär eher mit Misstrauenbetrachtet. Dies änderte sich nach den Siegen von 1864 bis 1871 fundamental. Das Militärwurde zu einem zentralen Element des entstehenden Reichspatriotismus. Kritik am Militärgalt als unpatriotisch. Dennoch unterstützten die Parteien eine Vergrößerung der Armeenicht unbegrenzt. So erreichte das Militär erst 1890 mit einer Friedenspräsenzstärke vonfast 490.000 Mann ihre von der Verfassung vorgegebenen Stärke von 1 % der Bevölkerung.In den folgenden Jahren wurden die Landstreitkräfte weiter verstärkt. Zwischen 1898 bis1911 forderte die kostspielige Flottenrüstung Einschränkungen beim Landheer.Bemerkenswert ist, dass sich in dieser Zeit der Generalstab selbst gegen einen Ausbau derTruppenstärke gewandt hatte, weil er eine Verstärkung des bürgerlichen zu Lasten desadeligen Elements im Offizierskorps befürchtete. In dieser Zeit entstand mit demSchlieffenplan das Konzept für einen möglichen Zwei-Fronten-Krieg gegen Frankreich undRussland unter Berücksichtigung einer Teilnahme Englands auf Seiten der Gegner. Nach1911 wurde die Aufrüstung intensiv vorangetrieben. Die für die Durchführung desSchlieffenplanes notwendige Truppenstärke wurde dabei letztlich nicht erreicht.Das Heer gewann während des Kaiserreichs einen sehr starken gesellschaftlichen Nimbus.Das Offizierskorps galt in weiten Teilen der Bevölkerung als „Erster Stand im Staate.“Dessen Weltbild war dabei geprägt von der Treue zur Monarchie und der Verteidigung derKönigsrechte, es war konservativ, antisozialistisch und grundsätzlich antiparlamentarischgeprägt.[14] Der militärische Verhaltens- und Ehrenkodex[15] reichte weit in die Gesellschafthinein. Auch für viele Bürger wurde der Status eines Reserveoffiziers nunmehr zu einemerstrebenswerten Ziel.

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Von Bedeutung war das Militär zweifellos auch für die innere Nationsbildung. Dergemeinsame Dienst verstärkte etwa die Integration der katholischen Bevölkerung in dasprotestantisch geprägte Reich. Selbst die Arbeiter blieben gegenüber der Ausstrahlung desMilitärs nicht immun. Dabei spielte der lange Wehrdienst von drei Jahren bei der „Schuleder Nation“ eine prägende Rolle.Heinrich Manns Untertan, der Hauptmann von Köpenick oder die Zabern-Affäre machendie Bedeutung des Militarismus in der deutschen Gesellschaft deutlich. Überall im Reichwurden die neuen Kriegervereine zu Trägern einer militaristischen Weltanschauung.Welche Breitenwirkung diese entfalteten, zeigt die Mitgliederzahl von 2,9 Millionen imKyffhäuserbund (1913). Der Bund war damit die stärkste Massenorganisation des Reiches.Die vom Staat geförderten Vereine sollten die militärische, nationale und monarchischeGesinnung pflegen und die Mitglieder gegenüber der Sozialdemokratie immunisieren. [16]

Bevölkerung, Wirtschaft und GesellschaftHauptartikel zu Wirtschaft und Gesellschaft: Hochindustrialisierung in Deutschland

Bevölkerungsdichte des DeutschenReiches

In die Zeit des Kaiserreichs fielen fundamentaledemographische, wirtschaftliche und sozialeVeränderungen, die in einem erheblichen Maß auchKultur und Politik beeinflussten.Ein Kennzeichen der Geschichte des Kaiserreichs wardas enorme Wachstum der Bevölkerung. Im Jahr 1871lebten im Reich 41 Mio. Einwohner, 1890 waren esüber 49 Mio. und 1910 zählte man fast 65 Mio.Einwohner. Nicht zuletzt durch Binnenwanderungenzunächst aus der Umgebung später auch durchFernwanderungen etwa aus den agrarischenpreußischen Ostgebieten nach Berlin oderWestdeutschland wuchs die Stadtbevölkerung und insbesondere die Großstadtbevölkerungstark an. Lebten 1871 noch 64 % der Bevölkerung in Gemeinden mit weniger als 2000Einwohnern und nur 5 % in Großstädten mit mehr als 100.000 Einwohnern, kam es bereits1890 zu einem Gleichstand zwischen Stadt- und Landbewohnern. Im Jahr 1910 lebten nurnoch 40 % in Gemeinden mit weniger als 2000 Einwohnern aber 21,3 % in Großstädten.Damit verbunden war auch eine Veränderung der Lebensweisen. So unterschied sich dasLeben etwa in den Mietskasernen von Berlin grundlegend vom Leben auf dem Dorf.

Industrie, Bergwerke und Hütten

Dieser Wandel war nur möglich, weil die Wirtschaftaufs Ganze gesehen während des Reiches in der Lagewar, genügend Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen.Eine wichtige Voraussetzung war der Aufschwung desBankwesens und insbesondere die Entwicklung dergroßen Universalbanken.[17] In diese Zeit fällt derÜbergang Deutschlands von einem noch stark agrarischgeprägten Land zu einem modernen Industriestaat.Dabei dominierten zu Beginn des Reiches eindeutig derEisenbahnbau und die Schwerindustrie, später kamen

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als neue Leitsektoren die chemische Industrie und die Elektroindustrie hinzu. 1873 hatteder Anteil des primären Sektors am Nettoinlandsprodukt bei 37,9 Prozent und das derIndustrie bei 31,7 Prozent gelegen. 1889 war der Gleichstand erreicht und 1895 kam dieLandwirtschaft nur noch auf 32 Prozent, der sekundäre Sektor dagegen auf 36 Prozent.Diese Veränderung spiegelte sich auch in der Entwicklung der Beschäftigungsverhältnissewider. Lag die Relation der landwirtschaftlich Berufstätigen gegenüber denen in Industrie,Verkehr und Dienstleistungssektor 1871 noch bei 8,5 Millionen zu 5,3 Millionen, betrug dasVerhältnis 1880 9,6 zu 7,5 Millionen und 1890 9,6 zu 10 Millionen. Im Jahr 1910 zählte man10,5 Millionen Beschäftigte in der Landwirtschaft, hingegen in Industrie, Verkehr undDienstleistungsberufen 13 Millionen Arbeitnehmer.

Landwirtschaft

Wirtschaftssektor 1882 1895 1907

Landwirtschaft 41,6 35,0 28,4

Industrie/Handwerk 34,8 38,5 42,2

Handel/Verkehr 9,4 11,0 12,9

Häusliche Dienste 5,0 4,3 3,3

Öffentl. Dienst/freie Berufe 4,6 5,1 5,2

Berufslose/Rentner 4,7 6,1 8,1

Sozialgeschichtlich war das Kaiserreich vor allem geprägt vom Aufstieg der Arbeiterschaft.Dabei entwickelten die unterschiedlichen Herkunftsgruppen aus Ungelernten, Angelerntenund gelernten Arbeitern bei allen weiterbestehenden Unterschieden durch diegemeinsamen Erfahrungen am Arbeitsplatz aber auch in den Wohnquartieren tendenziellein spezifisches Selbstverständnis der Arbeiterbevölkerung.[18] Mit der Entstehung vonGroßbetrieben, neuen staatlichen Dienstleistungen und der Zunahme von Handel undVerkehr nahm daneben die Zahl der Angestellten sowie der kleineren und mittlerenBeamten zu. Diese achteten auf soziale Distanz zu den Arbeitern, auch wenn sich ihreökonomische Lage von der der Industriearbeiter nur unwesentlich unterschied. Zu denstagnierenden Teilen der Gesellschaft gehörte der alte städtische Mittelstand. Vor allem dieHandwerker fühlten sich oft von der Industrie in ihrer Existenz bedroht. Die Realität warallerdings differenziert. Es gab auf der einen Seite überbesetzte traditionelleHandwerksberufe, andererseits profitierte das Bau- und Nahrungsmittelhandwerk von derwachsenden Bevölkerung und der Stadtentwicklung. Daneben passten sich viele Berufe andie Entwicklung an. So stellten die Schuhmacher keine Schuhe mehr her, sondernreparierten sie nur noch. Dennoch blieb die Sorge um den sozialen Abstieg ein Kennzeichender Handwerkspolitik des Kaiserreichs.

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Es gelang dem Bürgertum seine kulturellen Normen weitgehend durchzusetzen, wobei dasWirtschaftsbürgertum vor allem in Form der großen Industriellen ökonomisch führend warund die Bildungsbürger Deutschland zu einem Zentrum der Wissenschaft und Forschungmachten. [19] Gleichzeitig aber blieb der politische Einfluss des Bürgertums durch dieEigenarten des politischen Systems aber auch durch den Aufstieg der Arbeiter und derneuen Mittelschichten begrenzt.Ökonomisch war die Existenz des grundbesitzenden Adels vor allem in Ostelbien durch diezunehmende internationale Verflechtung des Agrarmarktes bedroht. Die Forderung desAdels und der landwirtschaftlichen Interessenverbände nach staatlicher Hilfe wurde einMerkmal der Innenpolitik während der Kaiserzeit. Gleichzeitig sorgte die preußischeVerfassung dafür, dass der Adel im größten Staat des Reiches zahlreiche Sonderrechtebehielt. Auch konnte der Adel in Militär, Diplomatie und Bürokratie seinen Einflussbewahren.[20]

Konfessionen und nationale MinderheitenWeniger stark verändert als Wirtschaft und Gesellschaft haben sich in dieser Zeit diekonfessionellen Unterschiede. Aber auch sie waren für die Gesamtgeschichte des Reichesbedeutend. Gleiches gilt für den Widerspruch zwischen dem Anspruch, Nationalstaat zusein und dem Vorhandensein von zahlenmäßig nicht unbedeutenden nationalenMinderheiten.

Konfessionen und Kirchen im Kaiserreich

Konfessionskarte(evangelisch/katholisch) des

Deutschen Reiches (ca. 1890)

Verbreitung der israelitischen Religionim Deutschen Reich (ca. 1890)

An der allgemeinen Konfessionsverteilung der FrühenNeuzeit änderte sich grundsätzlich kaum etwas.Weiterhin gab es fast rein katholische Gebiete (Nieder-und Oberbayern, nördliches Westfalen, Oberschlesienund andere) und fast rein protestantische(Schleswig-Holstein, Pommern, Sachsen, etc.). Diekonfessionellen Vorurteile und Vorbehalte,insbesondere gegenüber gemischt konfessionellenEhen, waren daher weiterhin erheblich. Nach und nachkam es durch Binnenwanderung zu einer allmählichenkonfessionellen Durchmischung. In den östlichenReichsgebieten kam häufig auch ein nationalerGegensatz hinzu, da dort weitgehend die Gleichungprotestantisch = deutsch, katholisch = polnisch galt. Inden Zuwanderungsgebieten etwa im Ruhrgebiet undWestfalen oder in einigen Großstädten kam es zum Teilzu erheblichen konfessionellen Verschiebungen(insbesondere im katholischen Westfalen durchprotestantische Zuwanderer aus den Ostprovinzen).Politisch hatte die Konfessionsverteilung erheblicheFolgen. In den katholisch dominierten Gebieten gelanges der Zentrumspartei, die überwiegende Mehrzahl derWähler für sich zu gewinnen. So gelang es den

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Sozialdemokraten und ihren Gewerkschaften kaum, in den katholischen Teilen desRuhrgebiets Fuß zu fassen. Erst mit der zunehmenden Säkularisierung in den letztenJahrzehnten des Kaiserreichs begann sich dies zu ändern.[21]

Religionsbekenntnisse im Deutschen Reich 1880

Protestanten Katholiken Sonst.Christen

Juden Andersgläubige

Deutsches Reich 28.331.152 16.232.651 78.031 561.612 30.615

Preußen 17.633.279 9.206.283 52.225 363.790 23.534

Bayern 1.477.952 3.748.253 5.017 53.526 30

Sachsen 2.886.806 74.333 4.809 6.518 339

Württemberg 1.364.580 590.290 2.817 13.331 100

Baden 547.461 993.109 2.280 27.278 126

Elsaß-Lothringen 305.315 1.218.513 3.053 39.278 511

Judentum und AntisemitismusNeben den christlichen Konfessionen gab es eine kleine, insgesamt im prozentualen Anteil, der bei knapp 1 % der Gesamtbevölkerung lag, langsam abnehmende jüdische Bevölkerungsgruppe. Die Ursache für die relative Abnahme des jüdischen Bevölkerungsanteils lag in der geringeren Geburtenzahl und dem zunehmenden Anteil christlich-jüdischer Mischehen, bei denen die Kinder meist christlich erzogen wurden. Die jüdische Bevölkerung konzentrierte sich zunehmend in den großen Städten. Um 1910 lebten ein Drittel aller deutschen Juden allein in der Stadt Berlin (mit Umlandgemeinden), in der der jüdische Bevölkerungsanteil etwa 5–10 % ausmachte. Ähnliche Prozentzahlen an jüdischer Bevölkerung ergaben sich für Frankfurt am Main, Breslau und Hamburg. Andererseits gab es auch ländliche Regionen mit über dem Durchschnitt liegendem jüdischen Bevölkerungsanteil, wie die preußischen Provinzen Posen, Westpreußen, sowie Oberschlesien, außerdem Hessen und Elsaß-Lothringen. In den Ostprovinzen mit gemischt deutscher und polnischer Bevölkerung zählten sich die Juden ganz überwiegend zum Deutschtum. Unter den Juden war die Tendenz zur Assimilation in die bürgerliche deutsche Gesellschaft lange Zeit stark ausgeprägt. Der Zionismus, der eine nationale Heimstätte für die Juden in Palästina zu begründen suchte, wurde von der ganz überwiegenden Mehrheit der deutschen Juden abgelehnt. 1893 wurde der Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens gegründet und der Name des Vereins war Programm. Der Central-Verein machte sich die Bekämpfung des Antisemitismus zur Aufgabe, lehnte aber alle Vorstellungen von den Juden als einem Volk oder eigenen Rasse ab, sondern betrachtete die deutschen Juden gewissermaßen als einen der deutschen Stämme. Insgesamt waren die Juden im Bereich von Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und den akademischen Berufen außerordentlich erfolgreich. Nach der Statistik von 1910 lag der jüdische Bevölkerungsanteil bei 0,95 % (615.000 von 64.926.000). Davon waren 60.000 nicht-deutscher Staatsangehörigkeit (meist Flüchtlinge aus Polen und Russland) und 555.000 deutsche Staatsbürger. 4,28 % der deutschen Staatsanwälte und Richter, 6,01 % der Ärzte, 14,67 % der Anwälte und Notare waren Juden.[22] Überproportional viele prominente Musiker und Virtuosen waren jüdischer Abstammung. Besonders deutlich war der jüdische Beitrag naturgemäß in den Städten mit hohem jüdischem Bevölkerungsanteil,

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insbesondere in Berlin. Damit leisteten die Juden einen Beitrag zum deutschen undeuropäischen Kulturleben, der weit über ihrem prozentualen Bevölkerungsanteil lag.Gleichwohl konnte der Antisemitismus aus unterschiedlichen Gründen gerade imKaiserreich gesellschaftlich und politisch Fuß fassen.[23] [24] Bestimmte Berufe waren denJuden praktisch verschlossen. So war es für einen Juden praktisch unmöglich, Offizier zuwerden (was eine schwerwiegende Einschränkung war, da der Offiziersstand zu denangesehensten Berufen des Kaiserreichs gehörte). Beispielhaft äußerte der preußischeKriegsminister Karl von Einem 1907, dass „ein Eindringen jüdischer Elemente in das aktiveOffizierskorps nicht nur für schädlich, sondern für direkt verderblich zu erachten sei“. [24]

Der Anteil jüdischer Universitätsprofessoren lag prozentual deutlich unter dem Anteiljüdischer Privatdozenten (was zumindest zum Teil Ausdruck eines antisemitischenVorurteils bei der Lehrstuhlbesetzung war). Juden war es sehr erschwert oder unmöglich,ein höheres Staatsamt zu erhalten. Einen jüdischen Minister oder Staatssekretär gab es imKaiserreich nicht (im Gegensatz z. B. zu Großbritannien, wo ein getaufter Jude – BenjaminDisraeli – sogar Premierminister hatte werden können). In den aufblühenden Seebädern anNord- und Ostsee breitete sich der Bäder-Antisemitismus aus. Antisemitische Vorurteileund karikaturhafte Darstellungen von Juden waren in fast allen Bevölkerungsschichten zufinden. Als Gegenreaktion auf den Antisemitismus wurde von liberalen Gelehrten undPolitikern (u. a. Theodor Mommsen, Rudolf Virchow, Johann Gustav Droysen) 1890 derVerein zur Abwehr des Antisemitismus ("Abwehrverein") gegründet. Politisch gelang es denAntisemiten nicht, eine einheitliche Partei zu formieren. Der Stimmenanteil antisemitischerParteien lag bei allen Reichstagswahlen vor dem Weltkrieg bei unter 5 %.

Nationale MinderheitenDas Deutsche Reich verstand sich als einheitlicher Nationalstaat. Dennoch gab es 1880neben den damals fast 42 Millionen deutschen Muttersprachlern rund 3,25 MillionenNichtdeutschsprachige, darunter 2,5 Millionen Polen und Tschechen, 140.000 Sorben,200.000 Kaschuben, 150.000 Litauer, 140.000 Dänen sowie 280.000 Franzosen undWallonen.[25] Diese lebten fast überwiegend in der Nähe der Außengrenzen des Reiches.Nicht nur die Regierung, sondern auch das national gesinnte Bürgertum befürwortetegrundsätzlich eine Politik der kulturellen Germanisierung. Dabei spielte die Schule mit demErsatz des muttersprachlichen Unterrichts durch die deutsche Sprache eine zentrale Rolle.[26] Im Zusammenhang mit dem Kulturkampf aber eben auch der Nationalisierungspolitikwurden die polnischen Pfarrer durch weltliche meist deutsche Lehrer ersetzt. War derpreußische Staat vor der Reichsgründung gegenüber seinen nationalen Minderheitenüberwiegend sehr tolerant gewesen und hatte den Schulunterricht in der Mutterspracheausdrücklich gefördert, so wich diese Toleranz insbesondere in den polnischsprachigenGebieten im Osten zunehmend einer Politik der kulturellen Germanisierung. Eine gewisseAusnahme bildeten die überwiegend französischsprachigen Gebiete Elsaß-Lothringens, wodie französische Sprache auch als Schulsprache zugelassen war. Wichtig war dieEinführung des Deutschen als Amts- und Gerichtssprache. Im Fall der polnischenBevölkerung kamen später auch Maßnahmen hinzu, die den polnischen Großgrundbesitz zuGunsten deutscher Siedler begrenzen sollten. Auch hat die PreußischeAnsiedlungskommission mit wenig Erfolg versucht polnischen Grundbesitz für deutscheNeusiedler zu erwerben.Dennoch hatte diese Politik nur begrenzten Erfolg, oder war, wie Kritiker bemerkten, sogar kontraproduktiv, da sie die Polen, die zuvor mit der toleranten Haltung des preußischen

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Staates relativ gut leben konnten, gegen die neue Obrigkeit aufbrachte. Trotz finanziellerAnstrengungen und markiger nationalistischer Reden („Wir gehen hier keinen Schrittzurück!“) kam es eher zu einer Zunahme des polnischsprachigen Bevölkerungsanteils undRückgang des deutschen Bevölkerungsanteils beispielsweise in der Provinz Posen. DieMinderheiten versuchten ihre eigene Identität zu bewahren. Alle Nationalitäten warenbeispielsweise relativ stabil im Reichstag vertreten. Selbst die ins Ruhrgebietausgewanderten Polen hielten an ihrer Herkunft fest. Dort entstanden starke polnischeGewerkschaften.[27]

Wandel und Entwicklung der politischen KulturDas Kaiserreich war prägend für die politische Kultur in Deutschland weit über das Endeder Monarchie hinaus. Industrialisierung, Urbanisierung sowie die verbessertenKommunikationsmöglichkeiten (z. B. die Verbreitung der Tageszeitungen bis in die unterenSchichten hinein) und andere Faktoren veränderten auch den Bereich der politischenKultur. War die Politik zuvor überwiegend eine Sache der Eliten und Honoratioren, kam esnunmehr zu einer Fundamentalpolitisierung, an der in unterschiedlicher Weise fast allesozialen Gruppen einen Anteil hatten. Dazu beigetragen hat zweifellos auch die Einführungdes allgemeinen und gleichen Männerwahlrechts (ab dem Alter von 25 Jahren) aufReichsebene. Ein Indiz für die Veränderung war die Zunahme der Wahlbeteiligung.Beteiligten sich 1871 nur 51 % der Wahlberechtigten an den Reichstagswahlen, waren es1912 84,9 %.[28]

Entstehung der politischen LagerIn die Reichsgründungszeit fällt die Ausprägung der verschiedenen politischen Lager. KarlRohe unterscheidet dabei ein sozialistisches, ein katholisches und ein nationales Lager.Andere Autoren unterteilen letzteres noch einmal in eine nationales und ein liberales Lager.Ungeachtet von Parteispaltungen, Zusammenschlüssen oder ähnlichen Ereignissen prägtendiese Lager bis in die Weimarer Republik hinein das politische Leben weitgehend mit. Allediese Grundorientierungen hatte es in der ein oder anderen Weise bereits vor derGründung des Kaiserreichs gegeben. Allerdings entstand mit der DeutschenZentrumspartei (Zentrum) erstmals eine starke katholische Partei, die annähernd allesozialen Gruppen von der katholischen Landbevölkerung, die Arbeiterschaft bis hin zuBürgertum und Adel erreichte. Allerdings blieb die Parteiorganisation schwach und dasZentrum entwickelte sich nicht zu einer Massenpartei. Ein weiteres Kennzeichen war derAufstieg der Sozialdemokratie. Insgesamt hatte sich deren Anhängerschaft von 1874 bis1912 verachtfacht. Von einem Stimmenanteil von etwa 9,4 % (1877) stieg derStimmenanteil auf 28,9 % (1912).Dem Aufstieg der Sozialdemokraten stand dabei kein signifikanter Abstieg des bürgerlichenund des katholischen Lagers gegenüber. Obwohl das Zentrum seinen Mobilisierungsgradaus der Kulturkampfzeit nicht vollständig halten konnte, gelang es der Partei, sich auchangesichts einer wachsenden Wählerzahl zu behaupten. Bei allen Verwerfungen gelang esauch dem bürgerlichen Lager, weiterhin etwa ein Drittel der Wahlberechtigten zuerreichen. Nach der überproportionalen Stellung der Nationalliberalen und derFreikonservativen Partei zu Beginn des Kaiserreichs gab es innerhalb dieses Bereichserhebliche Verschiebungen. Am Ende des Kaiserreichs lagen Linksliberale, Konservativeund Nationalliberale mit jeweils etwas mehr als 10 % gleichauf.

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Nicht zuletzt auf Grund des Kulturkampfes und später des Sozialistengesetzes entwickeltendie katholische Bevölkerung und die Anhänger der Sozialdemokratie einen besondersstarken inneren Zusammenhalt. Begünstigt durch weitere Faktoren entstand einkatholisches und sozialdemokratisches Milieu. In deren Umfeld entwickelte sich jeweils einOrganisations- und Vereinswesen, das die Bedürfnisse der jeweiligen Gruppe von der„Wiege bis zur Bahre“ erfüllte. Im katholischen Milieu war die Entwicklung differenziert.Vor allem in den agrarischen Teilen des katholischen Deutschland banden die Pfarrer, dieKirche sowie die traditionellen gemeindenahen Vereine die Menschen an das Milieu. In denIndustriegebieten und Städten dagegen entwickelten sich zur Integration der katholischenArbeiterbevölkerung mit dem Volksverein für das katholische Deutschland und denchristlichen Gewerkschaften Organisationen mit Millionen von Mitgliedern.Im sozialdemokratischen Bereich entwickelten sich nach dem Ende des Sozialistengesetzesnicht nur die SPD zu einer Massenorganisation. Noch stärker stiegen die Mitgliederzahlender Gewerkschaften an. Außerdem entstand teilweise auf älteren Grundlagen ein weitverzweigtes Vereinswesen der Arbeiterbildungsvereine, der Arbeitersänger oder derArbeitersportvereine. Konsumgenossenschaften rundeten dieses Bild ab.Das Selbstverständnis und die Lebensweise von Katholiken, von Sozialdemokraten und derprotestantischen bürgerlichen Gesellschaft fielen deutlich auseinander. Ein Wechselzwischen ihnen war kaum möglich. Der Zusammenhalt wurde durch die jeweiligeSozialisation auch nach dem Ende von Kulturkampf und Sozialistengesetze weitergetragen.[29]

MassenorganisationenNicht nur im politischen Bereich, sondern auch in fast allen Lebensbereichen entfaltete sichdie Massenmobilisierung zur Durchsetzung von Interessen und anderen gesellschaftlichenZielen.

Propagandapostkarte desFlottenvereins

Auf der rechten Seite des politischen Spektrumsmobilisierten ein übersteigerter Nationalismus und dieKolonialbewegung Anhänger aus verschiedenensozialen Gruppen. Der Deutsche Flottenverein stütztesich auf 1,2 Millionen Mitglieder. Zumindest zeitweisegelang es auch dem Antisemitismus, beachtlicheResonanz zu gewinnen. Dazu gehörte diechristlich-soziale Partei um den Prediger AdolfStoecker. Einige wirtschaftlicheInteressenorganisationen griffen diese populistischenForderungen auf, um so ihre eigene Position zu stärken.Besonders stark ausgeprägt war der Antisemitismus etwa im DeutschnationalenHandlungsgehilfenverband. Eng verbunden waren Nationalismus und Antisemitismus imAlldeutschen Verband.

Besonders erfolgreich organisierte der Bund der Landwirte (BdL) auch mit nationalen und antisemitischen Untertönen Landwirte aus dem ganzen Reich, wobei die Führung jedoch stets bei den ostelbischen Agrariern lag. Er stützte sich dabei auf eine gut ausgebaute Organisation mit Millionen von Mitgliedern. Der Unterstützung des Bundes verdankten eine große Zahl von Reichs- und Landtagsabgeordneten ihr Mandat. Diese waren daher auch inhaltlich dem BdL verpflichtet. Weniger erfolgreich in dieser Hinsicht waren die

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Industriellenverbände wie der Centralverband deutscher Industrieller (CdI). Aber auchdiesem gelang es, durch eine erfolgreiche Lobbyarbeit im Hintergrund etwa in derSchutzzollfrage die Politik zu beeinflussen. Mit den großen Industrieverbänden CdI unddem Bund der Industriellen verbunden waren die vor allem seit den 1890er Jahrenentstehenden Arbeitgeberverbände, die sich primär gegen die Mitspracheansprüche derGewerkschaften richteten. Neben den großen Interessenverbänden gab es zahlreicheweitere wirtschaftlich orientierte Organisationen. Allein im Bereich Industrie, Handwerk,Handel und Gewerbe existierten 1907 500 Verbände mit ca. 2000 angeschlossenenOrganisationen.

Entwicklung derRichtungsgewerkschaften in

Deutschland 1887–1914

Ein Aspekt der Verknüpfung von Politik undInteressenvertretung in der Arbeiterbevölkerung wardie Entstehung von Richtungsgewerkschaften. Trägerwaren der (linke) Liberalismus, das katholische Milieuund die Sozialdemokratie. Dabei hatten diesogenannten freien Gewerkschaften im Umfeld der SPDnach dem Ende des Sozialistengesetzes die meistenMitgliederzahlen. In wichtigen Industriegebieten, wiedem Ruhrgebiet, waren die christlichenGewerkschaften teilweise aber ebenso stark oder sogarstärker. Hinzu kamen in diesem Gebiet nach derJahrhundertwende auch Organisationen der polnischsprechenden Bergarbeiter, so dass dienichtsozialistischen Gewerkschaften in diesem industriellen Kernbereich des Reiches sehrbedeutend waren. Besonders schwer tat sich linke Flügel des Liberalismus mit dieser neuenForm der Politik. Zwar bestanden seit den 1860er Jahren mit den Hirsch-DunckerschenGewerkvereinen liberal ausgerichtete Gewerkschaften, ihr Mobilisierungserfolg blieballerdings vergleichsweise gering.[30]

Der Wandel des Nationalismus

Kaiser Wilhelm-Denkmal an der PortaWestfalica um 1895

Zwar gab es weiterhin einzelstaatliche und dynastischgeprägte Sonderidentitäten. Aber im Überblick gewanndie Identifikation mit der Gesamtnation einegesellschaftlich prägende Bedeutung. Während desKaiserreichs hat sich die Nationalstaatsidee deutlichgewandelt. Der alte Nationalismus war bis 1848/49 eineauf Veränderung abzielende Oppositionsbewegung, diesich aus den klassisch-liberalen Idealen derfranzösischen Revolution gespeist und sich gegen diezu der Zeit als konservativ geltenden Kräfte derRestaurationsära gerichtet hatte. Spätestens mit derReichsgründung begannen sich die Schwerpunkte zuverlagern. Die bisherigen Gegner auf der Rechtenübernahmen nationale Ideen und Ziele. DerNationalismus wurde tendenziell konservativ geprägt.Auf längere Sicht verlor dabei das demokratischeElement an Gewicht.

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Wichtiger als die „Freiheit“ wurde die „Einheit“. Dies führte unter anderem zu einerWendung gegen die nationalen und kulturellen Minderheiten im Reich, insbesondere gegendie Polen und – in Verbindung mit dem ab Ende der 1870er Jahre an Bedeutunggewinnenden rassistisch begründeten Antisemitismus – gegen die Juden (vgl. BerlinerAntisemitismusstreit). In diesen Zusammenhang gehören auch die nationalenLeidenschaften im Kampf gegen den ultramontanen Katholizismus. Im weiteren Verlauf derReichsgeschichte richtete sich der Nationalismus nicht zuletzt gegen die Sozialdemokratie.Deren internationalistische und revolutionäre Ideologie schien der politischen Elite undihren Anhängern ein Beleg für ihre Reichsfeindschaft zu sein. Vor diesem Hintergrundwurden die Sozialisten/Sozialdemokraten seit Ende des 19. Jahrhunderts noch während derÄra Bismarck als „vaterlandslose Gesellen“ diffamiert, beziehungsweise derenentsprechender Ruf in den damaligen regierungsfreundlichen und kaisertreuen Zeitungenlanciert.Der Nationalismus im Kaiserreich entfaltete seit der Reichsgründung eine bis dahinunbekannte Breitenwirkung und erfasste im Zusammenwirken mit dem sich ebenfallsverstärkenden Militarismus nunmehr auch die kleinbürgerlichen und bäuerlichenBevölkerungsteile. Getragen wurde der Nationalismus von den Turn-, Schützen-, Sänger-und vor allem den Kriegervereinen. Aber auch Schule, Universität, die (evangelische)Kirche und das Militär haben zur Verbreitung beigetragen. „Kaiser und Reich“ setzte sichals feststehender Begriff durch. Dagegen hat die Verfassung des Reiches keineneigenständigen Symbolwert entwickeln können. Von den Institutionen gewannen nur derReichskanzler und der Reichstag in dieser Hinsicht eine gewisse Bedeutung. Der Reichstagund die allgemeinen Wahlen wurden zu einem sichtbaren Stück nationaler Einheit. Mit denFeiern zu den Kaisergeburtstagen, dem Sedanstag[31] und anderen Gelegenheitendurchdrang das Nationale den Jahreskalender vor allem der bäuerlichen und bürgerlichenBevölkerung. Sichtbar wurde der Nationalismus auch in den zahlreichenNationaldenkmälern wie dem Niederwalddenkmal, dem Hermannsdenkmal, später denKaiser-Wilhelm-Denkmälern auf dem Deutschen Eck oder der Porta Westfalica, denzahlreichen Bismarcktürmen bis hin zu den lokalen Kriegerdenkmalen.Auf längere Sicht konnten sich auch die „Reichsfeinde“ der Zugkraft des Nationalen nichtentziehen. Auf den Katholikentagen wurde seit 1887 nicht nur ein Hoch auf den Papst,sondern auch eins auf den Kaiser ausgebracht. Vor allem nach Kriegsbeginn 1914 zeigtesich, dass auch die Arbeiter vom Nationalismus keineswegs unbeeinflusst blieben.Vor allem während der wilhelminischen Epoche trat neben den halboffiziellenNationalismus immer stärker ein völkischer Radikalnationalismus, wie ihn etwa derAlldeutsche Verband repräsentierte. Er propagierte nicht nur die Schaffung eines großenKolonialreiches, sondern auch einen von Deutschland beherrschten mitteleuropäischenMachtbereich.[32]

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Die Ära BismarckDie ersten Jahrzehnte des neuen Kaiserreichs waren innen- wie außenpolitisch in hohemMaße von der Person Bismarcks geprägt. Dabei zerfällt die Zeit zwischen 1871 und 1889deutlich in zwei Phasen. Von 1871 bis 1878/79 arbeitete Bismarck vornehmlich mit denLiberalen zusammen. In der folgenden Zeit dominierten die Konservativen und dasZentrum.

Die liberale ÄraAngesichts des erbittert geführten Verfassungskonflikts der sechziger Jahre in Preußen istes auf den ersten Blick verwunderlich, dass Otto von Bismarck bereits während desBestehens des Norddeutschen Bundes und in den ersten Jahren des Kaiserreichs politischmit den Liberalen eng zusammenarbeitete. Ein zentraler Grund dafür waren dieMehrheitsverhältnisse im Reichstag, in dem die Liberalen eine starke Mehrheit bildeten.Die Nationalliberalen allein hatten 1871 125 von 382 Sitzen. Rechnet man dieAbgeordneten der Liberalen Reichspartei und der Fortschrittspartei hinzu, hatte derLiberalismus die absolute Mehrheit, die meist noch durch die Freikonservativen verstärktwurde. Nach der Reichstagswahl von 1874 besaßen die Liberalen allein mit 204 von 397Abgeordneten die absolute Mehrheit. Gegen oder besser gesagt mit diesen Parteien konnteder Reichskanzler kaum regieren, zumal sich die Konservativen der Politik Bismarcksverweigerten und das Zentrum spätestens mit Beginn des Kulturkampfs als möglichesGegengewicht ausfiel. Erleichtert wurde die Politik der Reichsgründungsphase durch dieboomende wirtschaftliche Entwicklung, die liberale Reformen gesellschaftlich akzeptabelmachten.[33]

Innen- und rechtspolitische Reformen

Der Chef des ReichskanzleramtesRudolf von Delbrück, Porträt von

Gottlieb Biermann (1875)

Die eigentlichen Partner Bismarcks waren dabei dieNationalliberalen unter Rudolf von Bennigsen. DieNationalliberalen waren zwar in vielen Punktenkompromissbereit, ihnen gelang es aber auch zentraleliberale Reformvorhaben durchzusetzen. Erleichtertwurde die Zusammenarbeit durch liberale Beamte wieden Chef des Reichskanzleramts Rudolf von Delbrückoder den preußischen Finanzminister Otto vonCamphausen sowie den Kultusminister Adalbert Falk.Der Schwerpunkt der Reformen war die wirtschaftlicheLiberalisierung. So wurde in allen Bundesstaaten dieGewerbefreiheit oder die Freizügigkeit eingeführt,sofern diese nicht bereits bestanden. Im Sinne desFreihandels liefen die letzten Schutzzölle fürEisenwaren aus. Ein Marken- und Urheberschutz sowieein einheitliches Patentgesetz wurden eingeführt.Erleichtert wurde auch die Gründung vonAktiengesellschaften. Außerdem wurden Maße,Gewichte und die Währung vereinheitlicht. Mit der

Reichsbank wurde 1875 eine zentrale Notenbank gegründet. Ein weiterer Schwerpunkt war der Ausbau des Rechtsstaates, dessen Grundlagen teilweise bis in die Gegenwart Bestand

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haben. Zu nennen ist zunächst das in Grundzügen heute noch geltende, wenn auch vielfachnovellierte Reichsstrafgesetzbuch von 1871. Dieses wurde mit nur geringen Änderungengegenüber dem Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes übernommen.Meilensteine waren die Reichsjustizgesetze von 1877, namentlich dasGerichtsverfassungsgesetz, die Strafprozessordnung, die Zivilprozessordnung, die ebenfallsbei allen inhaltlichen Veränderungen heute noch in Kraft sind, sowie die Konkursordnung.Durch das Gerichtsverfassungsgesetz wurde 1878 das Reichsgericht als höchstes deutschesStraf- und Zivilgericht eingeführt. Ein einheitlicher oberster deutscher Gerichtshof, derauch das bestehende Reichsoberhandelsgericht ablöste, trug zur rechtlichenVereinheitlichung des Reiches stark bei. Daneben gelang es der liberalen Mehrheit auchdie Zuständigkeiten des Reichstages in Fragen des Zivilrechts auszuweiten. War dasParlament im Norddeutschen Bund nur für zivilrechtliche Fragen mit wirtschaftlichemHintergrund zuständig, wurde auf Antrag der nationalliberalen ReichstagsabgeordnetenJohannes von Miquel und Eduard Lasker die Zuständigkeit 1873 auf das gesamte Zivil- undProzessrecht ausgeweitet. In der Folge entstand das 1896 beschlossene und am 1. Januar1900 in Kraft getretene Bürgerliche Gesetzbuch als bis heute geltendePrivatrechtskodifikation.Allerdings mussten die Liberalen im Bereich der Prozessordnung und derPressegesetzgebung weitreichende Kompromisse hinnehmen, die von einem Teil derLinksliberalen nicht mitgetragen wurden. Eine Mehrheit kam 1876 nur mit Hilfe derKonservativen zustande. Da auch im preußischen Abgeordnetenhaus eine liberale bisgemäßigt konservative Mehrheit vorhanden war, kam es auch im größten Bundesstaat zupolitischen Reformen. Dazu zählt etwa die preußische Kreisordnung von 1872, die nichtzuletzt die Reste ständischer Herrschaftsrechte beseitigte. Das drohende Scheitern amWiderstand des preußischen Herrenhauses konnte freilich nur durch einen „Pairsschub“(also die Ernennung neuer politisch genehmer Mitglieder) gebrochen werden.[34]

Der KulturkampfDie Zusammenarbeit zwischen Liberalen und Bismarck funktionierte nicht nur bei der Reformpolitik, sondern auch im so genannten Kulturkampf gegen die Katholiken und die Zentrumspartei. Die Ursachen lagen strukturell im Gegensatz zwischen dem säkularen Staat, der immer mehr Regelungskompetenzen beanspruchte und einer Amtskirche, die sich im Zeichen des Ultramontanismus der Moderne in allen ihren Ausprägungen entgegenstellte. Vor allem die Enzyklika Quanta Cura von 1864 mit ihrem Syllabus errorum war eine klare Absage an die Moderne.[35] Für die katholische Kirche repräsentierte der Liberalismus als Erbe der Aufklärung und als Träger der Modernisierung den Gegensatz ihrer eigenen Positionen. Für die Liberalen ihrerseits war das Papsttum mit seiner Ablehnung jeglicher Veränderungen ein Relikt des Mittelalters. Bismarck hatte verschiedene Gründe für den Kulturkampf. Nicht zuletzt aber verdächtigte er den Klerus, die polnische Bewegung in den preußischen Ostprovinzen zu fördern. Auch er wollte grundsätzlich nicht, dass die staatliche Autorität und die Einheit des Reiches durch andere ältere Mächte eingeschränkt werden könnten. Innenpolitisch ging es ihm auch darum, die Liberalen durch die Umlenkung der politischen Debatte von weiteren innenpolitischen Reformvorhaben abzubringen. Die Auseinandersetzung zwischen modernem Staat und ultramontaner Kirche war ein gemeineuropäisches Phänomen. Auch in deutschen Staaten wie Baden (Badischer Kulturkampf) und Bayern hatte es bereits in den 1860er Jahren einen Kulturkampf gegeben. Die katholischen Bischöfe in Deutschland haben die päpstliche Kritik

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an der Moderne meist nicht offensiv verfolgt, auch gab es seit 1866 keine katholischeFraktion mehr im preußischen Abgeordnetenhaus. Stattdessen hat sich der Mainzer BischofWilhelm Emmanuel von Ketteler 1866 für eine Anerkennung der kleindeutschen Lösungausgesprochen.[36]

Karikatur von Wilhelm Scholz zurBeendigung des Kulturkampfes. Papst

Leo XIII. und der Reichskanzlerfordern sich gegenseitig zum Fußkussauf. Bildunterschrift: Pontifex: „Nun

bitte, genieren Sie sich nicht!“ KanzlerBismarck: „Bitte gleichfalls!“ Aus.:

Kladderadatsch, Nr. 14/15 (18. März1878)

In der Anfangsphase ab 1871 ging es Liberalen undRegierung darum, den staatlichen Einfluss zuverstärken. Das Strafgesetzbuch wurde um den sogenannten Kanzelparagraphen erweitert, der diepolitische Betätigung von Geistlichen einschränkensollte.[37] Der als ultramontane Speerspitze geltendeJesuitenorden wurde verboten.[38] Außerdem wurde inPreußen die staatliche Schulaufsicht eingeführt.[39] Ineiner zweiten Phase etwa ab 1873 griff der Staatnunmehr direkt in den Innenbereich der Kirche ein,indem etwa die Priesterausbildung oder die Besetzungkirchlicher Ämter staatlicher Kontrolle unterworfenwurden. In einem dritten Schritt folgten ab 1874weitere Gesetze wie die Einführung der Zivilehe. ReineRepressionsinstrumente waren einExpatriierungsgesetz vom Mai 1874, das es erlaubte,den Aufenthalt von unbotmäßigen Geistlichen zubeschränken oder sie notfalls auszuweisen. Dassogenannte Brotkorbgesetz sperrte der Kirche allestaatlichen Zuwendungen. Im Mai wurden alleKlostergemeinschaften aufgelöst, sofern sie sich nichtausschließlich der Krankenpflege widmeten.

Eine Folge der Kulturkampfgesetze war, dass in derMitte der 1870er Jahre viele Pfarrstellen vakant waren,keine kirchlichen Handlungen mehr stattfanden, Bischöfe verhaftet, abgesetzt oderausgewiesen waren. Aber die Regierungsmaßnahmen und die Forderungen der Liberalenführten innerhalb des katholischen Deutschlands rasch zu Gegenreaktionen und zu einerbreiten politischen Mobilisierung. Die noch vor dem eigentlichen Beginn des Kulturkampfesgegründete Zentrumspartei zog rasch einen Großteil der katholischen Wähler an sich.[40]

Grenzen der ZusammenarbeitNeben den Gemeinsamkeiten gab es allerdings auch Grenzen der Übereinstimmung zwischen Bismarck und den Liberalen. So scheiterte etwa der Versuch von Nationalliberalen und Fortschrittspartei, die verschiedenen Städteordnungen zu vereinheitlichen auch an der mangelnden Unterstützung des Reichskanzlers. Vorerst am Einspruch Bismarcks war zunächst auch eine Finanzreform gescheitert.[41] Ein Dauerproblem blieb der Militäretat. Anfangs konnte man den Konflikt zunächst noch vor sich herschieben, aber spätestens 1874 stand er wieder an. Während die Regierung und insbesondere Kriegsminister Albrecht von Roon eine Dauerbewilligung des Etats (Äternat) verlangte, beharrten die Liberalen auf einem jährlichen Bewilligungsrecht. Ein Nachgeben hätte den Verzicht auf eine Mitgestaltung von etwa 80 % des Gesamtetats bedeutet. Die Auseinandersetzung endete mit einem Kompromiss – der Bewilligung für sieben Jahre

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(Septennat). Immerhin blieb es bei der Regelung der Militärstärke durch Gesetz, allerdingsüber einen recht langen Zeitraum gestreckt. Auch in anderen Bereichen gab es keineÜbereinstimmung. So konnten sich die Liberalen weder mit der Forderung nachSchwurgerichten bei Pressevergehen, noch beim Beamtenrecht oder Militärstrafrechtdurchsetzen.Den Liberalen war es in der ersten Hälfte der 1870er Jahren durchaus gelungen, in einerReihe von Politikfeldern ihre Handschrift erkennen zu lassen, allerdings war dies nur durchKompromisse mit Bismarck möglich. Nicht selten war der Machterhalt wichtiger als dieDurchsetzung liberaler Prinzipien. Auch intern gab es Kritik etwa an denAusnahmegesetzen des Kulturkampfes.[42] Insbesondere gelang es nicht, die Rechte desParlaments zu stärken. Dies führte innerhalb des liberalen Lagers zu Spannungen und zuEnttäuschungen bei einigen Wählergruppen. Zudem war mit dem Zentrum eine neuepolitische Richtung entstanden. Seither konnten die Liberalen nicht mehr beanspruchen,die eigentliche Vertretung des gesamten Volkes zu sein. Bismarck gelang es in den frühensiebziger Jahren, die Staatsmacht zu stärken. Allerdings führte das Bündnis mit denLiberalen dazu, dass auch die Regierung Zugeständnisse machen musste und derwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Modernisierung Vorschub leistete.[43]

Gründerjahre und Gründerkrach

Eisenwalzwerk (Ölgemälde von Adolph Menzel 1872–1875)

Schon kurz nach derReichsgründung erfolgte einWirtschaftsaufschwung, diesogenannten Gründerjahrebegannen. An diese schlosssich eine wirtschaftlicheDepression an, dieGründerkrise.

Als Ursachen für denAufschwung geltenverschiedene Faktoren: DerHandel innerhalb derReichsgrenzen wurde starkvereinfacht. Erstmals in derReichsgeschichte wurde ein einheitlicher Binnenmarkt geschaffen. Die behinderndenLandeszölle entfielen. Ein einheitliches metrisches Maßsystem wurde Ende 1872eingeführt. Eine durch Kriegserfolg und Reichsgründung ausgelöste, allgemeineAufbruchstimmung führte zu einem enormen Investitionsanstieg und Bauboom. Die sehrhohen Reparationszahlungen Frankreichs finanzierten ebenfalls maßgeblich dieGründerzeit.

Schon 1872 übertrumpfte das Deutsche Reich das durch den Krieg geschwächte Frankreichals Industriemacht.Im Jahr 1873 setzte dann eine wirtschaftliche Krise ein, die man als Gründerkrise bezeichnet. Der wirtschaftliche Einbruch begann als Berliner Börsenpanik im Oktober 1873. Er war aber nicht nur eine Folge überhitzter Spekulationen, sondern eine tief greifende Wirtschaftskrise, ausgelöst durch sinkende Nachfrage und in den Aufschwungjahren aufgebaute Überkapazitäten. Die unterschiedlichen Branchen wurden

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zur unterschiedlichen Zeitpunkten und unterschiedlich stark von der Krise erfasst.Besonders betroffen waren Montanindustrie, Maschinenbau und Baugewerbe, während dieKonsumgüterindustrie weniger litt. Die Gründerkrise dauerte sechs Jahre bis 1879. Indieser Zeit fiel die Industrieproduktion zunächst leicht ab, um danach zu stagnieren. DieGüterpreise sanken erheblich ab, die Gewinne schrumpften und die Löhne fielenbeträchtlich. Auch die Landwirtschaft geriet Mitte der 1870er Jahre in die Krise. Hierspielten vor allem strukturelle Gründe und insbesondere das Entstehen einesWeltgetreidemarktes eine Rolle. In direkter Konkurrenz mit Russland und den USA warendeutsche Produkte bald selbst auf dem Binnenmarkt zu teuer.Eine langfristig wichtige Folge war die Bildung von wirtschaftlichen Interessenverbänden.Es entstanden der Verein Süddeutscher Baumwollindustrieller, der Verein Deutscher Eisen-und Stahlindustrieller, der Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichenInteressen in Rheinland und Westfalen und ähnliche Organisationen. Diese verlangten vomStaat die Einführung von Schutzzöllen und gründeten zur gemeinsamenInteressenvertretung 1876 den Centralverband Deutscher Industrieller. Auch im Bereichder Landwirtschaft begannen sich schutzzöllnerische Verbände zu bilden, auch wenn inOstelbien zunächst die Freihändler dominierend blieben. Immerhin ließ die Hinwendungzum Schutzzoll Landwirtschaft und Industrie enger zusammenrücken.Die Gründerkrise hatte auch erhebliche Auswirkungen auf die Parteienlandschaft. DerFortschrittsoptimismus der vergangenen Jahrzehnte wich einer pessimistischenGrundeinstellung. Vor allem das Gedankengut des Liberalismus („laisser faire, laisseraller“) wurde für den wirtschaftlichen Niedergang verantwortlich gemacht. Diefreihändlerischen Liberalen verloren an Gewicht, während die Konservativen und dasZentrum gewannen. In dieser Stimmungslage nahm die Bedeutung des modernenAntisemitismus zu, da angeblich hinter Liberalismus und Börsenkapital das internationaleJudentum steckte. Ausdruck fand er zum Beispiel im Berliner Antisemitismusstreit oder imEntstehen der christlich-sozialen Partei des Hofpredigers Adolf Stoecker. Dieantisemitische Bewegung blieb zwar eine Minderheit, schaffte es aber immerhin, 1881 füreine „Antisemitenpetition“ 255.000 Unterschriften zu sammeln.Auf die Regierung wuchs der Druck, regulierend in das Marktgeschehen einzugreifen, stattwie in Zeiten der Hochkonjunktur auf die Kräfte des Marktes zu vertrauen. Der Staat selberspürte die Gründerkrise durch sinkende Steuereinnahmen, auch das Defizit nahm zu. DerZwang zu einer umfassenden Finanzreform wurde immer stärker. Gegen die Mehrheit derLiberalen war diese Reform allerdings nicht durchzusetzen. Diese wollten ihrerseits nun dieFinanzschwierigkeiten nutzten, um verfassungspolitische Ziele durchzusetzen.[44]

Politik nach der Wende von 1878/79Die immer weniger tragfähige Zusammenarbeit mit den Liberalen sowie die wirtschaftlichen, sozialen und finanzpolitischen Probleme im Gefolge der Gründerkrise waren Hintergründe für einen fundamentalen Politikwechsel des Reichskanzlers Otto von Bismarcks. Dieser war gekennzeichnet durch das Sozialistengesetz, die Abwendung von den Liberalen und die Einführung von Schutzzöllen. Die Haltung der Nationalliberalen dazu war widersprüchlich. Sie trugen zwar einige Maßnahmen mit, dennoch standen sie zunächst aber grundsätzlich in Opposition zum „System Bismarck.“[45] Diese widersprüchliche Haltung zur Politik Bismarcks führte innerhalb der nationalliberalen Partei zu einer tiefen Krise. Zunächst spaltete sich 1879 ein rechter Flügel ab. Ein Jahr

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später ging aus dem eher linken Flügel die Liberale Vereinigung hervor, die entschiedengegen die konservative Wende anzukämpfen versuchte.[46] Der politische Wandel von 1878als Bündnis von landwirtschaftlichem Großgrundbesitz und Schwerindustrie wurde in derForschung unter dem Begriff der Inneren Reichsgründung diskutiert.[47]

Das SozialistengesetzHauptartikel: Sozialistengesetz

Gesetz gegen die gemeingefährlichenBestrebungen der Sozialdemokratie

(Reichsgesetzblatt 34/1878)

Die beiden Attentate auf Kaiser Wilhelm I. im Mai undJuni des Jahres 1878 wurden von Bismarck für eineoffensive antisozialdemokratische Politik genutzt. DieSozialdemokraten galten spätestens seit dem offenenBekenntnis von August Bebel und Wilhelm Liebknechtfür die Pariser Kommune als Reichsfeinde. Damitbefand sich die Regierung in Übereinstimmung mitweiten Teilen des Bürgertums. Tatsächlich schienensich die Sozialdemokraten im Aufwind zu befinden,kamen sie doch bei den Reichstagswahlen von 1877immerhin auf bereits 9,1 %. Außerdem war dieSpaltung in ADAV und SDAP seit 1875 überwunden.Gleichwohl hat eine tatsächlich „revolutionäre“ Gefahrnie bestanden.[48] Bismarck behielt sich mit demSozialistengesetz weitgehende Ausnahmeregelungenvor. Im ersten Anlauf war dieses Ziel allerdings an derReichstagsmehrheit gescheitert.

Das zweite Attentat auf den Kaiser im Juni bot Bismarckdie Gelegenheit, den Reichstag aufzulösen und Neuwahlen auszuschreiben. Im Wahlkampftat die Regierung alles, um die Revolutionsfurcht im Bürgertum und den Mittelschichten zuschüren. Wirkungsvoll verbunden wurden in der konservativen Presse dabeiAntisozialismus, Antiliberalismus und antisemitische Untertöne. Die Liberalen hattendagegen einen schweren Stand, zumal sich die wirtschaftlichen Interessenverbändeerstmals für eine Schutzzollpolitik und gegen den liberalen Freihandel aussprachen. DieWahl vom Juli 1878 brachte den Nationalliberalen, sowie der Fortschrittspartei erheblicheVerluste, während die Freikonservative Partei und die Deutschkonservative Partei zulegenkonnten. Vor allem aber verloren die Nationalliberalen ihre parlamentarischenSchlüsselstellung an die Zentrumspartei. Dennoch brauchte die Regierung dieNationalliberalen für die Verabschiedung des Sozialistengesetzes, da sich das Zentrumangesichts des Kulturkampfs hier verweigerte. In der nationalliberalen Partei blieb dasVorhaben umstritten. Die Parteimehrheit um Bennigsen war angesichts der Wahlniederlagebereit, dem Gesetz zuzustimmen. Ein kleinerer linker Flügel um Lasker wollte zunächst ander Ablehnung festhalten und das Vorgehen als Angriff auf den Rechtsstaat verurteilen.Aber auch dieser Flügel stimmte aus Sorge um den Zusammenhalt der Partei dem Gesetzschließlich zu, nachdem die Liberalen in den Beratungen einige Milderungen und eineBefristung des Gesetzes auf zwei Jahre durchgesetzt hatten.[49] Am 18. Oktober 1878 nahmder Reichstag das Gesetz mit 221 gegen 149 Stimmen von Seiten des Zentrums, derFortschrittspartei und der Sozialdemokraten[50] an.

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Das Sozialistengesetz selbst basierte auf der unbewiesenen Behauptung, die Attentäter aufden Kaiser wären Sozialdemokraten gewesen. Es ermöglichte das Verbot von Vereinen,Versammlungen, von Druckschriften und Geldsammlungen. Zuwiderhandlungen konntenmit Geld- oder Gefängnisstrafen belegt werden. Auch konnten Aufenthaltsverboteausgesprochen oder über bestimmte Gebiete der kleine Belagerungszustand verhängtwerden. Allerdings war das Gesetz befristet und musste daher vom Parlament immerwieder bestätigt werden. Außerdem blieben die Arbeit der Parlamentsfraktionen und dieBeteiligung an Wahlen davon unberührt. Das Gesetz erfüllte sein Ziel auf längere Sichtnicht. Die Sozialdemokratie blieb als politische Kraft bestehen. Allerdings war das Gesetzmitverantwortlich dafür, dass die Anhänger der Partei sich in ein politisches Ghettozurückzogen, das sich verfestigte. Als Reaktion auf die Verfolgung schlug die Parteiüberdies spätestens seit 1890 einen konsequent marxistischen Kurs ein.[51]

Übergang zur Schutzzollpolitik

Der führende nationalliberale PolitikerRudolf von Bennigsen (Holzschnitt um

1871)

Bereits 1875 hatte Bismarck angekündigt, an Stelle desFreihandels eine Schutzzollpolitik zu setzen. Dabeispielten weniger ideologische Gründe eine Rolle,sondern finanzpolitische Erwägungen. Bislang war dasReich auf Zuwendungen der Länder(Matrikularbeiträge) angewiesen gewesen, durchZolleinnahmen erhoffte sich die Regierung eineMilderung dieser Abhängigkeit. Unterstützungerwartete Bismarck dafür beim landwirtschaftlichgeprägten Zentrum und bei den Konservativen, aberauch auf dem rechten, industriell geprägten Flügel derNationalliberalen. [52]

Nach der Verabschiedung des Sozialistengesetzesbegann Bismarck ab 1878 den Wechsel in der Zoll- undFinanzpolitik umzusetzen. Da die liberalen zuständigenFachminister von Camphausen und Achenbach diesePolitik nicht mittragen konnten, traten sie zurück, wiezuvor schon Delbrück. Allerdings stießen die Vorstellungen Bismarcks in der hohenBeamtenschaft und bei den Finanzministern der Länder zunächst auf einhellige Ablehnung.Eine wichtige Rolle bei der Aufweichung dieser Position spielen die wirtschaftlichenInteressenverbände und vor allem der Centralverband deutscher Industrieller, denen esgelang, Einfluss auf eine amtliche Denkschrift zu nehmen, die sich für eineprotektionistische Politik aussprach. Die Verbände warben erfolgreich für diesenPolitikwechsel bei den Mitgliedern des Reichstages. Quer durch alle bürgerlichen Parteienschlossen sich 204 Abgeordnete der konservativen Parteien, fast alle Mitglieder derZentrumsfraktion und eine Minderheit von 27 nationalliberalen Abgeordneten denForderungen an. Die Umsetzung des Programms erwies sich allerdings als schwierig, dadie Nationalliberalen ihre Zustimmung von erheblichen konstitutionellen Zugeständnissenabhängig machten. Dasselbe gilt für die Zentrumspartei. Ihr Preis – die so genannte„Franckensteinsche Klausel“ – lief darauf hinaus, dass die Zolleinnahmen nicht vollständigbeim Reich verbleiben, sondern ab einer bestimmten Höhe den Ländern zufließen sollten.

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Bismarck konnte sich zwischen Zentrum und Nationalliberalen entscheiden, musste aber injedem Fall erhebliche Abstriche von seinem Programm zum „Schutz der nationalen Arbeit“machen. Seine Entscheidung fiel aus verschiedenen Gründen für das Zentrum aus. Wohl ambedeutendsten war, dass die Forderungen des Zentrums nicht auf eine weitereParlamentarisierung hinausliefen. Die Reichstagsrede Bismarcks vom Juli 1879 besiegeltedas Ende der liberalen Ära. In ihr erteilte der Reichskanzler dem Ziel einesbürgerlich-liberalen, auf Dauer parlamentarisch geprägten Staates eine klare Absage zuGunsten eines zwar weiterhin konstitutionellen, aber doch klar obrigkeitlich-monarchischenSystems. [53]

Einführung der SozialversicherungHauptartikel: Geschichte der Sozialversicherung in Deutschland

Mit der industriellen Revolution und dem Übergang zur Hochindustrialisierung hatte sichder Schwerpunkt der sozialen Frage von den pauperisierten ländlichen Unterschichten hinzur städtischen Arbeiterbevölkerung verlagert. Auf kommunaler Ebene hatte es dazuverschiedene Ansätze gegeben, wie etwa das Elberfelder System der Armenfürsorge.Während des Kaiserreichs setzte nun eine neue Form staatlicher Sozialpolitik ein, diegleichzeitig ein wesentlicher Bestandteil der Entstehung des modernenInterventionsstaates war. Innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft war auch aus Furcht voreiner revolutionären Arbeiterbewegung die Notwendigkeit einer Lösung der Arbeiterfragenicht umstritten. Kontrovers diskutiert wurden jedoch die Mittel und vor allem die Rolle desStaates. Insbesondere die Liberalen setzten anfangs auf gesellschaftliche Lösungen, etwa inForm von Selbsthilfeeinrichtungen der Arbeiter. Aus Kreisen der Sozialreformer, vor allemaus dem Umfeld des Vereins für Socialpolitik, wurden jedoch Forderungen nach stärkeremstaatlichen Engagement in dieser Frage erhoben.

Zeitgenössisches Schaubild zu denEinnahmen, Ausgaben und Leistungen

der Sozialversicherungen zwischen1885 und 1909

Bismarck und die von ihm geführte Reichsregierunghatten lange zwischen beiden Positionen geschwankt,ehe sie sich für eine stärker staatliche Interventionentschieden. Für diese Entscheidung spielte eine Rolle,dass gesellschaftliche Lösungsansätze, wie sie denLiberalen vorschwebten, in der Praxis der Dynamik derindustriellen Entwicklung offenbar nicht gewachsenwaren. Hinzu kam aber ein weiteres Motiv. Bismarckhoffte mit Hilfe einer staatlichen Sozialpolitik dieArbeiter an den Staat zu binden und damit auch derRepressionspolitik des Sozialistengesetzes seineSchärfe zu nehmen. Das ursprüngliche Konzept derRegierung sah eine staatlich getragene undsteuerfinanzierte Zwangsversicherung vor. DerGesetzgebungsprozess war langwierig. Während derBeratungen sorgten Parteien, die Ministerialbürokratieund die Interessenverbände für erheblicheModifikationen der ursprünglichen Entwürfe, so dasseigentlich nur bedingt von der „BismarckschenSozialversicherung“ gesprochen werden kann. Die zentralen Schritte waren die Einführung

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der Krankenversicherung (1883), der Unfallversicherung (1884) sowie schließlich dieInvaliditäts- und Altersversicherung (1889). Allen gemeinsam war, dass der direktestaatliche Einfluss entgegen den ursprünglichen Plänen begrenzt war. Die Versicherungenwaren zwar öffentlich-rechtliche Einrichtungen, aber eben nicht staatlich. Außerdementhielten sie Elemente der Selbstverwaltung und ihre Finanzierung erfolgte nicht primäraus Steuern, sondern aus den Beiträgen der Arbeitsmarktparteien beziehungsweise derUnternehmer. Außerdem folgten sie nicht dem Prinzip des Bedarfs der Betroffenen,sondern waren lohn- und beitragsbezogen.Die Einführung der Sozialversicherung war noch einmal eine große Leistung Bismarcks,auch wenn das Ergebnis schließlich nicht ganz so ausfiel wie geplant. Dies gilt nicht nur fürdie Struktur der Versicherungen, sondern vor allem für das Ziel, mit ihrer Hilfe die Arbeitervon der Sozialdemokratie fern zu halten.[54]

Grenzen des Systems Bismarck

Zentrumspolitiker Ludwig Windthorst

Ziele der konservativen Wende von 1878/79 waren dieBlockade einer weiteren Liberalisierung des Reichesund darüber hinaus eine Entwicklung im konservativenSinn. Mit dem ersten Ziel war Bismarck weitgehenderfolgreich, das zweite ließ sich nicht umsetzen, da esim Parlament keine dauerhafte Mehrheit für ein solchesProgramm gab. Eine konservative Umgründung desKaiserreichs stieß stets auf den Widerstand desReichstages. Der Reichskanzler versuchte zwar, einedauerhafte Mehrheit zustande zu bringen, scheitertedamit allerdings. In den frühen 1880er Jahrenwidersetzte sich im Wesentlichen das Zentrum denPlänen des Reichskanzlers. Solange der Kulturkampfnoch nicht ganz beendet war, verfolgte die Partei unterder Führung von Ludwig Windthorst einen betontkonstitutionellen Kurs, der die Rechte des Parlamentssicherte und sich einer engeren Zusammenarbeit mitder Regierung verweigerte. Zwar wurden 1880 ein neues Septennat verabschiedet und dasSozialistengesetz verlängert, andere Gesetzesentwürfe der Regierung, etwa für einTabakmonopol, scheiterten. Die Probleme verschärften sich für die Regierung mit derReichstagswahl von 1881, als die beiden konservativen Parteien 38 und dieNationalliberalen sogar 52 Mandate im Reichstag einbüßten. Dagegen gewannenSozialdemokraten und Zentrum leicht hinzu, während die Liberale Vereinigung und dieFortschrittspartei die eigentlichen Wahlgewinner waren. Zusammen gewannen dieLinksliberalen 80 Sitze hinzu.

Mit der Schwächung der parlamentarischen Unterstützung verschärfte Bismarck seinen Konfrontationskurs gegenüber dem Reichstag noch und versuchte, das Gewicht der Regierung im politischen System zu stärken. In diesen Zusammenhang gehörten Überlegungen, einen Deutschen Volkswirtschaftsrat aus Vertretern der Interessenverbände als eine Art Nebenparlament zu errichten. Ähnliche Pläne standen hinter der Schaffung von Berufsgenossenschaften als Träger der Unfallversicherung. Immer wieder wurden auch Gerüchte über die Änderung des Reichstagswahlrechts und eine Aufhebung der Verfassung

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lanciert. Mit keinem seiner antiparlamentarischen Vorstöße hatte Bismarck Erfolg. Sietrugen zur weiteren Verhärtung der Fronten bei und verstärkten in der Öffentlichkeit denEindruck, dass es dem Kanzler zunehmend an politischen Konzepten fehle.[55]

Kartellparteien und konservative Mehrheit

Mandate im Deutsche Reichstag 1871–1887

1871 1874 1877 1878 1881 1884 1887

Konservative 57 22 40 59 50 78 80

Freikonservative 37 33 38 57 28 28 41

Nationalliberale 125 155 128 99 47 51 99

Fortschrittspartei 46 49 35 26 60 - -

Liberale Vereinigung - - - - 46 - -

Freisinn - - - - - 67 32

Zentrum 63 91 93 94 100 99 98

Sozialdemokraten 2 9 12 9 12 24 11

Minderheiten 21 34 34 40 45 43 33

Sonstige 31 4 17 13 9 7 3

In der zweiten Hälfte der 1880er Jahre veränderte sich die politische Situation vor allemdurch Verschiebungen im Parteiensystem. Die politische Ausrichtung der Nationalliberalenverlagerte sich nach dem Rücktritt von Rudolf von Bennigsen, dem Aufstieg von JohannesMiquel und dem wachsenden Einfluss agrarischer Interessen deutlich nach rechts. DiePartei stellte sich mit ihrer Heidelberger Erklärung von 1884 in den wesentlichenStreitfragen hinter den Reichskanzler und grenzte sich gegenüber den Linksliberalen ab.Dies führte ebenfalls 1884 indirekt zur Fusion der Liberalen Vereinigung mit der DeutschenFortschrittspartei zur Deutsch-Freisinnigen Partei. Der Abbau der Kulturkampfgesetze seitder ersten Hälfte der 1880er Jahre führte zu einer Minderung der Oppositionshaltung desZentrums. Nach der Reichstagswahl von 1884, die mit Verlusten der Linksliberalen unddeutlichen Gewinnen der konservativen Parteien sowie leichten Zuwächsen derNationalliberalen endete, schien eine Rechtskoalition möglich zu werden. Tatsächlicharbeiteten diese Parteien bei der Germanisierungspolitik in den preußischen Ostprovinzenzusammen.Forciert wurde der Plan einer rechten Mehrheit 1886 im Zusammenhang mit einer tiefenaußenpolitischen Krise. Bismarck verlangte daraufhin die Erhöhung derFriedenspräsenzstärke des Heeres, was vom Zentrum und Freisinn strikt abgelehnt wurde.Die Folge war eine erneute Reichstagsauflösung. Im Wahlkampf tat die Regierung alles, umLinksliberale, Zentrum und Sozialdemokraten als Reichsfeinde abzustempeln. Darüberhinaus schlossen Konservative und Nationalliberale ein Wahlbündnis – das so genannteKartell. Die Wahl von 1887, die im Zeichen eines möglichen Krieges mit Frankreichstattfand, brachte den Kartellparteien (vor allem den Nationalliberalen) Gewinne, die zuLasten der Linksliberalen und der Sozialdemokraten gingen. Die Kartellparteien verfügtenmit 220 von 397 Abgeordneten über eine absolute Mehrheit.Bismarck hatte zwar seither eine starke Mehrheit, gleichzeitig war er aber auch vom Fortbestand der Koalition abhängig. In der ersten Zeit arbeiteten Kartell und Regierung

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recht reibungslos zusammen. So wurde die umstrittene Militärvorlage ebenso beschlossenwie Gesetze im Interessen der Landwirtschaft. Auch das Sozialistengesetz wurde nocheinmal bis 1890 verlängert. Danach nahmen die Spannungen allerdings deutlich zu. Sostimmten die Nationalliberalen einem Friedensgesetz zur Beendigung des Kulturkampfsnicht zu, auch weigerte sich ein Teil ihrer Fraktion, die landwirtschaftlichen Schutzzöllenoch einmal zu erhöhen. Dies Gesetz kam dann nur mit Hilfe des Zentrums zustande. Auchdie Fortsetzung des Sozialistengesetzes, die Kolonialpolitik und die Sozialgesetzgebungstieß bei den Nationalliberalen auf Kritik. Die Sozialgesetze kamen ebenfalls nur mit Hilfedes Zentrums zustande. Im konservativen Lager verstärkten sich die Stimmen, die nacheiner dauerhaften Zusammenarbeit mit dem Zentrum verlangten.[56]

Bündnisse und AußenpolitikDas Kaiserreich verdankte sein Entstehen im Krieg gegen Frankreich der wohlwollendenNeutralität von England und Russland. Diese relativ günstige diplomatische Großwetterlagehielt indes nicht an. Das strukturelle Hauptproblem war, dass mit der Gründung desReiches eine neue Großmacht in Europa entstanden war, die erst ihren Platz im System derMächte finden musste. Obwohl Bismarck immer wieder die Saturiertheit der neuen Nationbeteuerte, erschien den übrigen Staaten die Politik Deutschlands als nicht rechtberechenbar. Insgesamt schien die außenpolitische Situation relativ offen. Fixpunkte warenjedoch einerseits der deutsch-französische Gegensatz und andererseits die Konkurrenz vonGroßbritannien und Russland (The Great Game). Es gab für die deutsche Außenpolitikverschiedene theoretische Handlungsoptionen sich in das bestehende Staatensystem zuintegrieren. Obwohl sich Bismarck zunächst alle Alternativen bis hin zu einemPräventivkrieg offen hielt, entschied er sich letztlich aber für eine defensive Variante als„ehrlicher Makler“ zwischen den Mächten.

Bündnissysteme bis Anfang der 1880er JahreAm 7. September 1872 kam es zu einem Dreikaisertreffen. Kaiser Wilhelm begrüßte inBerlin Kaiser Franz Joseph I. und Zar Alexander II. Am 22. Oktober 1873 wurde dasDrei-Kaiser-Abkommen zwischen dem Deutschen Reich, Russland und Österreich-Ungarnunterzeichnet. Am Beginn der Außenpolitik des neuen Reiches standen damit einerseits einenges Bündnis mit Österreich-Ungarn und ein gutes Einvernehmen mit Russland.Die Entscheidung für eine defensive Politik fiel 1875 nach der so genanntenKrieg-in-Sicht-Krise, als Russland und England deutlich gemacht hatten, einen möglichenPräventivkrieg des Reiches gegen das wieder erstarkte Frankreich nicht hinzunehmen. Diesmachte deutlich, dass der Versuch, eine hegemoniale Stellung zu erreichen, die Gefahreines europäischen Krieges in sich trug.Die Entscheidung für eine Gleichgewichtspolitik wurde zuerst in der Balkankrise 1877/78im Zusammenhang mit einem türkisch-russischen Krieg deutlich. Während die übrigenGroßmächte eigene Interessen hatten, versuchte Deutschland als Vermittler aufzutreten.Dabei bestand allerdings die Gefahr, die Unterstützung Österreich-Ungarns und Russlandszu verlieren. Daher hat Bismarck alles vermieden, um sich zwischen beiden Seitenentscheiden zu müssen. Das Ziel war es, eine Konstellation herbeizuführen, wie der Kanzlerin seinem Kissinger Diktat von 1877 festhalten ließ, in welcher alle Mächte außerFrankreich unser bedürfen, und von Koalitionen gegen uns durch ihre Beziehungenzueinander nach Möglichkeit abgehalten werden[57] .

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Berliner Kongress (Gemälde von Anton von Werner, 1881, 3,60 ×6,15 m im Berliner Rathaus) Abgebildet (v. l. n. r.): von Haymerle,

Károlyi, de Launay, Gortschakow, Waddington, Disraeli, von Radowitz,zu Hohenlohe-Schillingsfürst, Corti, Graf de Moun, d’Oubril, de

Saint-Vallier, Desprey, Andrássy, Bucher, Otto von Bismarck, vonHolstein, Busch, Herbert von Bismarck, Schuwalow, Sadullah Bey,

Russell, von Bülow, Salisbury, Carathéodori und Mehmed Ali Pascha

Zur Lösung desInteressengegensatzeszwischen Russland undGroßbritannien nach demRussisch-Türkischen Kriegfand 1878 der BerlinerKongress statt. Bismarckbemühte sich dabei um dieRolle als „ehrlicher Makler“und um einen Ausgleichzwischen den Großmächten.Dies stand allerdings imGegensatz zur Hoffnung derrussischen Regierung, die sichvon dem Kongress einediplomatische Bestätigung dererzielten militärischen Erfolgeauf dem Balkan erwartet hatte. Insofern wurde das Ergebnis, das gerade Österreich mehrEinfluss zugestand, ohne militärische Opfer gebracht zu haben, von Russland als einediplomatische Niederlage gewertet. Nach dem Kongress verschlechterte sich dasVerhältnis des Zarenreichs gegenüber Deutschland so drastisch, dass es bis zum ErstenWeltkrieg kein tragfähiges Bündnis zwischen diesen beiden Staaten mehr gab.

In der Folge kam es zum Bündnis zwischen Russland und Frankreich. Bismarck suchtedaher noch deutlicher als zuvor ein Zusammengehen mit Österreich-Ungarn. Dies gipfelteam 7. Oktober 1879 in dem so genannten Zweibund. Mit dem Bündnis war die Rolle desDeutschen Reiches als ungebundenem Mittler zwischen den Mächten beendet. Es begannin der Folge der Aufbau des Bismarckschen Bündnissystems, zunächst nach Osten, dannnach Westen und Süden. Im Jahr 1881 erfolgte der Abschluss des Dreikaiserbundes mitÖsterreich-Ungarn und Russland. Inhaltlich verpflichteten sich die Mächte, den Status quoauf dem Balkan nur in Absprache zu verändern und im Kriegsfalle mit einer vierten Machtwohlwollende Neutralität zu wahren. Diese Bestimmung bezog sich in erster Linie auf einenneuen Krieg zwischen Frankreich und Deutschland sowie Großbritannien und Russland. Dadie Spannungen zwischen Österreich-Ungarn und Russland auf dem Balkan aber baldwieder zunahmen, scheiterte die Dreikaiserpolitik auf längere Sicht.

Nach Süden wurde 1882 der Zweibund mit Italien zum Dreibund erweitert. Hintergrunddieser Erweiterung waren die zunehmenden Spannungen zwischen Frankreich und Italienin Tunesien. Auch der Dreibund war ein Defensivbündnis und entlastete zudem nochÖsterreich-Ungarn, da es über den Verlauf der Grenze mit Italien immer wieder zuStreitigkeiten gekommen war.

Das Kaiserreich stand daher zu Beginn der 1880er Jahre im Zentrum zweierBündnissysteme. Die Aufrechterhaltung war kompliziert, von Widersprüchengekennzeichnet und labil. Auf dieser instabilen Basis gelang für einige Zeit einFestschreiben des status quo.[58]

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Beginn des deutschen ImperialismusHauptartikel: Deutsche Kolonien

Deutscher Kolonialherr in Togo (ca.1885)

Bereits Mitte der 1880er Jahre führte dieimperialistische Expansion der Großmächte zu einerneuen Dynamik in den Beziehungen, die dasAufrechterhalten des Gleichgewichts immerschwieriger machte und es schließlich aus der Balancewarf.

Anfangs wurde die Expansion nach Übersee vonprivaten Unternehmern getragen. Zwar kam es bald zustaatlichen Unterstützungen, aber diese bewegten sichnach britischem Vorbild noch im Rahmen des Aufbauseines „informal Empire“ (das heißt die Kontrolle einesGebiets ohne offizielle staatliche Inbesitznahme). Gründe für ein Engagement in Überseewaren einerseits das Auftreten einer wirkungsmächtigen Kolonialbewegung in Deutschland,die in Kolonien eine Möglichkeit sah, die Gründerkrise zu überwinden und denBevölkerungsanstieg zu bremsen. Aber der Besitz von Kolonien wurde auch als einenationale Prestigefrage betrachtet. Als Kolonialpropagandisten traten bald Organisationenwie der Deutsche Kolonialverein oder die Gesellschaft für Deutsche Kolonisation auf. Beideschlossen sich später zur Deutschen Kolonialgesellschaft zusammen.[59]

Die Gründe, weshalb Bismarck dem Druck der Kolonialbewegung nachgab und begann, einformelles Empire zu errichten, sind in der Forschung umstritten. Ein Argument ist, dass derReichskanzler die Probleme Großbritanniens unter anderem in Afghanistan und im Sudanausnutzte, um durch eine antienglische Politik die Annäherung an Frankreich zu suchen.Höhepunkt dieser Entwicklung war die Berliner Kongo-Konferenz 1884/85, als Deutschlandund Frankreich zusammen Englands Mittelafrikapolitik entgegentraten. AndereInterpretationen verweisen vor allem auf innenpolitische Gründe. Der Erwerb von Koloniensollte danach parteipolitische Erleichterungen für die Regierung bringen und bei denReichstagswahlen von 1884 Stimmen für die der Regierung nahe stehenden Parteienbringen. Eine dritte These deutet die Wende als Sozialimperialismus. Danach solltenKolonien gewissermaßen die sozialen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten überdecken undLegitimationsdefizite abbauen. Neuere Forschungen sehen eine Mischung ausverschiedenen Ursachen und betonen zusätzlich die Eigendynamik in den späterenKolonien. Das Jahr 1884 markiert dann den eigentlichen Beginn der deutschenKolonialpolitik, als im April Deutsch-Südwestafrika unter den Schutz des Deutschen Reichsgestellt wurde. Auch in Deutsch-Ostafrika, Togo, Kamerun und im Pazifik wich dieinformelle einer formellen Herrschaft. Zwar blieb die Kolonialpolitik unter BismarckEpisode, die Expansion endete bereits 1885, allerdings war damit ein Anfang für einweiteres Ausgreifen ebenso wie für Konflikte mit Großbritannien gemacht.[60]

Übersicht über die deutschen Kolonien („Deutsche Schutzgebiete“):1. Deutsch-Neuguinea seit 1885, erworben durch Otto Finsch, im Auftrag der

Neuguinea-Kompagnie (dazu gehörte: Kaiser-Wilhelms-Land (heute nördlichesPapua-Neuguinea), Bismarck-Archipel (Papua-Neuguinea), Bougainville-Insel(Papua-Neuguinea, nördliche Salomon-Inseln 1885–1899 (Salomonen (Choiseul und SataIsabel)), Marianen seit 1899, Marshallinseln seit 1885, Palau seit 1899, Karolinen(Mikronesien) seit 1899, Nauru seit 1888

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2. Deutsch-Ostafrika (heute Tansania, Ruanda, Burundi, Mosambik-Ruvuma-Dreieck) seit1885, erworben durch Carl Peters

3. Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia, Botswana-Südrand des Caprivi-Zipfels) seit1884, erworben durch Franz Adolf Eduard Lüderitz

4. Deutsch-Witu (heute südliches Kenia), 1885–1890, erworben durch die GebrüderDenhardt aus Zeitz

5. Kiautschou seit 1898 (China, für 99 Jahre gepachtet)6. Kamerun seit 1884, (heute Kamerun, Nigeria-Ostteil, Tschad-Südwestteil, Westteil der

Zentralafrikanischen Republik, Nordostteil der Republik Kongo, Gabun-Nordteil)erworben durch Gustav Nachtigal

7. Samoa seit 1899, heute unabhängiger Staat Samoa8. Togoland seit 1884, (heute Togo, Ghana-Westteil) erworben durch Gustav Nachtigal

Außenpolitische Doppelkrise 1885/86

Wir Deutsche fürchten Gott, sonstNiemand auf der Welt. (Zitat einer

Rede Bismarcks vor dem Reichstag am6. Februar 1888; Propagandadruck,zeitgenössische Kreidelithographie)

Nicht nur die Hinwendung zu einer imperialistischenPolitik in Übersee, sondern auch zwei Krisenherde inEuropa veränderten die deutsche Außenpolitik. InFrankreich entstand, ausgehend nicht zuletzt vonGeneral Georges Ernest Boulanger, einenationalistische Sammlungsbewegung, die für einenRevanchekrieg gegen Deutschland eintrat. Die Gefahrwuchs noch, als Boulanger Kriegsminister wurde.Bismarck spielte diese Bedrohung aus innenpolitischenGründen bewusst hoch, unter anderem um dazubeizutragen, dass bei den Reichstagswahlen von 1887eine regierungsfreundliche Mehrheit entstehen konnte.Gleichzeitig diente die Verschärfung des Tonsgegenüber Frankreich der Überdeckung deraußenpolitischen Schwierigkeiten in Ost- undSüdosteuropa. Dort hatte die Bulgarische Krise zurVerschärfung der Gegensätze zwischen Österreich-Ungarn und Russland und zumfaktischen Zerbrechen des Dreikaiserbundes geführt. Auch Deutschlands Verhältnis zuRussland verschlechterte sich nicht zuletzt wegen der Schutzzollpolitik. Bei der deutschenRegierung wuchs die Sorge um einen Zweifrontenkrieg, da es offenbar zu einerAnnäherung zwischen Russland und Frankreich kam. Innenpolitisch geriet Bismarckangesichts der Doppelkrise unter Druck, da ihm Kritiker vorwarfen, seine Außenpolitik seiüberholt. Von einigen Militärs, wie von General Alfred von Waldersee, aber auch vonDeutschkonservativen und selbst von Sozialdemokraten, wurde eine scharfe Gangartgegenüber Russland bis hin zu einem Präventivkrieg gefordert. Bismarck versuchte dieteilweise von ihm selbst ausgelöste nationalistische Welle zu dämpfen und die Krisediplomatisch beizulegen. Dies gelang mit Mühen, die deutlich machten, dass sich derpolitische Spielraum Deutschlands seit der Reichsgründung erheblich reduziert hatte. ImJahr 1887 gelang die Wiederherstellung des Dreibundes mit Österreich-Ungarn und Italien.Durch verschiedene weitere Verträge, wie dem Mittelmeerabkommen zwischen Italien undGroßbritannien und dem Orientdreibund, an denen Deutschland nicht beteiligt war, wurdees durch seine Verbündeten doch Teil einer antirussischen Koalition.

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Noch im selben Jahr wurde anstelle des Dreikaiserabkommen am 18. Juni derRückversicherungsvertrag mit Russland abgeschlossen. Beide Staaten verpflichteten sichbei einem unprovozierten Angriff seitens einer dritten Macht zu wohlwollender Neutralität.Dabei sah ein geheimes Zusatzprotokoll die deutsche Unterstützung Russlands in dessenBalkan- und Bosporuspolitik vor. Damit ging Deutschland hier Verpflichtungen ein, die imGegensatz zu den Bündnissen und Verträgen mit anderen Staaten standen. Wichtiger warBismarck an dieser Stelle offenbar, ein mögliches Bündnis zwischen Frankreich undRussland zu verhindern.Insgesamt war die Aufrechterhaltung des Gleichgewichts am Ende von Bismarcks Amtszeitimmer schwieriger geworden. Hatte er zu Beginn noch die vorhandenen Gegensätzezwischen den Großmächten austarieren können, blieb ihm am Ende nur noch, dieSpannungen zu schüren, um dann zu versuchen, sie im Sinne des Reiches einzuhegen.[61]

Dreikaiserjahr 1888

Friedrich III.

Am 9. März 1888 starb Kaiser Wilhelm I. Drei Tagespäter wurde sein Sohn, der schwerkranke FriedrichIII., zum neuen Kaiser proklamiert. Mit seinerInthronisierung verbanden sich Hoffnungen auf eineLiberalisierung des Reiches und einen größerenEinfluss des Parlaments auf politische Entscheidungen.Man sagte ihm Sympathien für das parlamentarischeSystem der britischen Monarchie nach.

Während des Antisemitismusstreits hatte er sichöffentlich gegen die Judenfeinde gestellt. Besonders dieFreisinnigen, vor allem Bamberger, Forckenbeck undvon Stauffenberg standen dem Kaiser nahe. Aufgrundseiner Krankheit konnte er die Politik allerdings kaumbeeinflussen. Lediglich die Entlassung deshochkonservativen preußischen Innenministers vonPuttkamer war ein Zeichen in die erwartete Richtung.Bereits 99 Tage nach seinem Amtsantritt, am 15. Juni1888, starb Friedrich III. an Kehlkopfkrebs. Aufgrund der kurzen Amtszeit wird er auch als„99 Tage-Kaiser“ bezeichnet. 10 Tage nach seinem Tod wurde sein 29-jähriger Sohn alsKaiser Wilhelm II. inthronisiert. Durch die kurze Abfolge dreier Monarchen wird das Jahr1888 auch als Dreikaiserjahr bezeichnet.[62]

Das wilhelminische ReichSiehe auch: Wilhelm II. (Deutsches Reich)

Noch deutlicher als zur Zeit Bismarcks stand die Politik während der wilhelminischen Ära unter dem Druck, sich den Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft anzupassen und Antworten auf die dringendsten sozialen und ökonomischen Fragen der Zeit zu finden: so etwa in Bezug auf die Integration und Emanzipation der Arbeiter in Staat und Gesellschaft, aber auch auf die negative wirtschaftliche Entwicklung in Handwerk und Landwirtschaft. Die Übernahme neuer staatlicher Aufgaben führte zu Finanzierungsproblemen und einer entsprechend hohen Belastung des Staatshaushalts. Nicht zuletzt ging es auch darum, die

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politischen Strukturen an die Bedingungen einer industriellen Gesellschaft und einerbislang nicht gekannten tiefgreifenden Politisierung der Bevölkerung anzupassen.[63]

Das Ende der Ära BismarckBismarck blieb zunächst unbeschadet im Amt. So versuchte er noch 1889 ein Bündnis mitGroßbritannien einzugehen, scheiterte jedoch mit diesem Vorhaben. Ein Schlusspunktunter die Sozialgesetzgebung war die am 23. Mai in Kraft getretene Alters- undInvalidenversicherung.

Die Punch-Karikatur „Dropping the Pilot” (dt. meist„Der Lotse geht von Bord”) von Sir John Tenniel zur

Entlassung Bismarcks 1890

Zwischen Wilhelm II. und Bismarck kam esschon bald zu Konflikten. Neben demGenerationsunterschied spielte dabeiWilhelms Wunsch, selbst die Politik zugestalten, eine wichtige Rolle. Diesschränkte Bismarcks Spielraum erheblichein. Bestärkt wurde der Kaiser dabei vonseinem engsten Umfeld, etwa von Philippzu Eulenburg. Auch in der Öffentlichkeitnahm die Kritik an der autoritärenKanzlerherrschaft – von einigen sogar alsKanzlerdiktatur bezeichnet – sowie an derinnenpolitischen Erstarrung zu. Nichtzuletzt waren Kaiser und Kanzler in derArbeiterfrage uneins. Während Bismarckan seinem Repressionskurs festhielt,sprach sich Wilhelm für ein Ende derSozialistengesetze aus. Ein Zeichen fürdiese veränderte Haltung war während desgroßen Bergarbeiterstreiks von 1889 derEmpfang einer Delegation von streikendenArbeitern. Dagegen legte Bismarck denEntwurf für ein nunmehr unbefristetesSozialistengesetz vor. Die Mehrheit desReichstages lehnte das Gesetz allerdings abund das Kartell der Rechtsparteien brachauseinander. Diese mussten bei den Reichstagswahlen 1890 starke Verluste hinnehmen,während das Zentrum, die Linksliberalen und die Sozialdemokraten zulegen konnten.Damit war die parlamentarische Mehrheit für die Politik Bismarcks nicht mehr vorhanden.Die erneuten Drohungen mit einem Staatsstreich liefen ins Leere. In der Folge verschärftensich die Konflikte zwischen Wilhelm II. und Bismarck noch einmal und der Kanzler gerietallmählich politisch ins Abseits. Bismarck wurde durch Wilhelm II. am 18. März 1890 zumRücktritt von allen seinen Ämtern gezwungen.[64]

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„Der neue Kurs” und die Amtszeit von Leo von CapriviNeuer Reichskanzler wurde Leo von Caprivi. Anders als Bismarck, der innenpolitisch einePolitik der Konfrontation betrieben hatte, setzte der neue Kanzler auf eine ausgleichendeund versöhnlichere Politik. Vor allem sollten Reformen die sozialen Konflikte mildern unddem schleichenden Legitimitätsverlust der letzten Bismarckjahre entgegenwirken. In derAußenpolitik lehnte der Kaiser auf Anraten Friedrich August von Holsteins eineVerlängerung des Rückversicherungsvertrages mit Russland ab, was Russland zwang, sichmit Frankreich zu arrangieren.Seit 1890 begann – vor allem getragen vom preußischen Handelsminister Hans Hermannvon Berlepsch und seinem Mitarbeiter Theodor Lohmann – ein neuer Schub für dieSozialpolitik.[65] Dabei setzte dieser vor allem auf den Ausbau des Arbeitsschutzes und eineReform des Arbeitsrechts. In den kaiserlichen Februarerlassen von 1890 wurden diesePläne zu einem offiziellen Programm der Regierung erhoben. Die Novelle derGewerbeordnung setzte 1891 Teile davon tatsächlich um. Dazu gehörte das Verbot derSonntagsarbeit, eine weitere Beschränkung der Fabrikarbeit für Frauen und Kinder oderRegelungen für die Arbeit in gesundheitsgefährdenden Betrieben. Die Verbesserung derGewerbeaufsicht sollte die Umsetzung der Maßnahmen kontrollieren. Die Fortführung desProgramms scheiterte einerseits an schlechteren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen undandererseits am Widerstand der Industrie. Die geplante Neuregelung des Koalitionsrechtsblieb daher aus. In der Handelspolitik schloss die Regierung Caprivi eine Reihe vonHandelsverträgen, die nicht nur drohende Zollkriege verhinderten, sondern dieAbsatzmöglichkeiten für deutsche Produkte verbesserten. Dies war allerdings nur für denPreis von niedrigeren Agrarzöllen zu haben. Unter Caprivi verschob sich dieWirtschaftspolitik mithin von der Landwirtschaft hin zur exportorientierten Industrie. InPreußen hatte Caprivi, der wie Bismarck auch preußischer Ministerpräsident war, nurteilweise Erfolge bei der Reform der Landgemeindeordnung, die schließlich durch denWiderstand der Konservativen stark verwässert wurde. Ein Erfolg war allerdings dieFinanzreform des preußischen Finanzministers Miquel, die 1891 zur Erhebung einerzumindest schwach progressiven Einkommensteuer führte. 1893 folgte eineVermögensteuer. Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuern waren seither Gemeindesteuern.Allerdings zeigten die Konzessionen an die Großgrundbesitzer auch die Grenzen derReformfähigkeit. Kaum Erfolg hatten Bemühungen um eine Reform desDreiklassenwahlrechts in Preußen.

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„Die Februarerlasse”. IdealisierteDarstellung Wilhelm II. und des

Anspruchs auf ein „sozialesKaisertum”(Neuruppiner Bilderbogen

von 1890

Insgesamt hatte die Politik Caprivis zwar Erfolge, dieReformen gingen aber nicht weit genug, um einenwirklichen Systemwechsel herbeizuführen. Ein Problemwar dabei auch der Reibungsverlust an derStaatsspitze. Vor allem das Auseinandertreten derPolitik im Reich und in Preußen war folgenreich.Während der Kanzler sich im Reichstag gegenüber demZentrum und den Linksliberalen öffnete, verfolgteMiquel als starker Mann in Preußen eineZusammenarbeit zwischen Konservativen undNationalliberalen. Im Jahr 1892 musste Caprivi das Amtdes Ministerpräsidenten an Graf Botho zu Eulenburgabgegeben. Dies schwächte die Position desReichskanzlers noch mehr, dem es ohnehin nichtgelang, im Reichstag eine dauerhafte Mehrheit hintersich zu bringen. Vor allem eine neue Heeresvorlage, dieeinen starken Rüstungsschub bedeutet hätte, traf aufden Widerstand nicht nur der Sozialdemokraten unddes Freisinns, sondern auch des Zentrums, das diePolitik des Kanzlers bislang meist mitgetragen hatte. Dies führte 1893 zur Auflösung desReichstags und zu Neuwahlen. Die SPD gewann zwar dazu, aber die Linksliberalen, die sichüber die Militärvorlage in Freisinnige Vereinigung und Freisinnige Volksparteiaufspalteten, verloren ebenso wie das Zentrum Mandate.

Dies ermöglichte zwar die Verabschiedung einer veränderten Fassung der Heeresvorlage,aber Caprivi hatte auch mit dem Widerstand der Konservativen zu rechnen, die sich vorallem gegen die Wende in der Zoll- und Handelspolitik wandten. Vor allem der neugegründete Bund der Landwirte[66] machte erfolgreich Stimmung gegen den Kanzler. Inder konservativen Partei gab es zudem einen deutlichen Rechtsschwenk, als die Partei aufdem so genannten Tivoliparteitag 1892 die alte Führung stürzte, ein antisemitischesProgramm[67] annahm und sich eng an den Bund der Landwirte anlehnte. Auf Widerstandstieß Caprivi zunehmend auch bei Wilhelm II., der stärker als seine Vorgänger Einfluss aufdie Politik ausüben und ein „persönliches Regiment“ errichten wollte. Auch wenn davon nurbedingt die Rede sein kann, hat der Kaiser doch erheblichen direkten und indirektenEinfluss ausgeübt. Vielfach zeigte sich dieser Einfluss in sprunghaften und planlosenEingriffen in die Entscheidungsprozesse. Dies betraf weniger die Innen- als vielmehr dieFlotten- und Außenpolitik. Dennoch begann sich der Kaiser auch gegen deninnenpolitischen „Neuen Kurs“ zu wenden, da dieser nicht wie gehofft, dieLegitimationsbasis erweitert, sondern sie mit der drohenden Abwendung der Konservativensogar noch verringert hatte. Gegen den neuen Kurs wetterte zudem auch Bismarck, derimmer noch Einfluss auf Teile der Presse hatte.Hatte der Kaiser zu Beginn seiner Herrschaft gegenüber den Sozialdemokraten noch ein gewisses Entgegenkommen gezeigt, änderte sich dies in der Mitte der 1890er Jahre unter dem Druck der Industrie (hier angeführt von Carl Ferdinand von Stumm-Halberg), Teilen der Landwirtschaft, des Hofstaates, des preußischen Ministerpräsidenten und Anderer. Diese forderten einen schärfern Kurs gegenüber den Sozialdemokraten. Es war die Rede von neuen Ausnahmegesetzen und erneut gab es Gerüchte über Staatsstreichpläne. Als

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auch Wilhelm sich gegen Caprivi wandte, war dieser nicht mehr zu halten und wurde imOktober 1894 wie auch der preußische Ministerpräsident Eulenburg entlassen.[68]

Kanzler des Übergangs und „persönliches Regiment“

Wilhelm II. um 1890 (Gemälde vonMax Koner)

Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst wurde am 29.Oktober 1894 Reichskanzler und preußischerMinisterpräsident. Bereits sein Alter von mehr als 75Jahren lässt ihn als eine personelle Zwischenlösungerscheinen. Konflikten mit dem Kaiser versuchteHohenlohe zwar möglichst aus dem Weg zu gehen,dennoch war seine Amtszeit geprägt von teils latenten,teils manifesten Meinungsunterschieden zwischenKaiser und Kanzler. Diese reichten bis hin zu einer langdauernden Regierungskrise.

Der neue Kanzler offenbarte durchweg eine Politik desZögerns, die angesichts des immer stärkerhervortretenden kaiserlichen Anspruchs auf ein„persönliches Regiment“ der Einsicht in seinenbegrenzten Einfluss entsprach. Wilhelm übtenamentlich einen starken Einfluss aufPersonalentscheidungen aus. Dabei wurden dieExponenten des „Neuen Kurses“ entweder entlassenoder politisch kaltgestellt. Die Sozialpolitik begann ab1893 zu stocken. Persönlich stand Hohenlohe neuenAusnahmegesetzen gegen die Sozialdemokratie zwar eher skeptisch gegenüber, aberbezeichnend für seine Schwäche war, dass 1895 mit der Umsturzvorlage und später derZuchthausvorlage[69] von 1899 – die letztere war dabei auch eine Reaktion auf denHamburger Hafenarbeiterstreik von 1896/97 – im Reichstag solche Gesetze zurAbstimmung standen. Bezeichnend für die schwebende politische Lage war, dass beidekeine Mehrheit fanden. Dasselbe Schicksal erlitt ein „kleines Sozialistengesetz“ in Preußen.Erfolg hatte freilich die Lex Arons 1898, das Sozialdemokraten vom Lehramt anHochschulen ausschloss. In die Kanzlerzeit von Hohenlohe-Schillingsfürst fiel 1896 nachlangen Vorarbeiten die Verabschiedung des bürgerlichen Gesetzbuches. Diesesvereinheitlichte das bis dahin regional unterschiedliche bürgerliche Recht. In Kraft trat dasGesetzbuch zum 1. Januar 1900. Es bildete den Abschluss des nach der Reichsgründungbegonnenen rechtlichen Kodifizierungsprozesses.[70]

Ära von Bülow

SammlungspolitikNicht zuletzt die Misserfolge bei der Durchsetzung neuer Ausnahmegesetze verstärkten im Umfeld des Kaisers noch einmal Gedanken an einen antiparlamentarischen Staatsstreich. Im Jahr 1897 bildete Wilhelm II. die Regierung dann entscheidend um. Hohenlohe blieb zwar zunächst im Amt, aber der eigentliche Schwerpunkt der Politik lag bei vier anderen Personen: Johannes Miquel als Vizepräsident des preußischen Staatsministeriums, Arthur von Posadowsky-Wehner als Chef des Reichsamtes des Inneren, Alfred von Tirpitz als Chef

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des Reichsmarineamtes sowie Bernhard von Bülow als Außenstaatssekretär. Diese solltennach Willen des Kaisers die Innenpolitik in konservative Bahnen lenken, den Aufbau einerstarken Flotte forcieren und außenpolitisch im Sinne einer Weltpolitik agieren. Mit diesemWechsel ließen die direkten Eingriffe des Kaisers in die Politik zunächst nach, da die neueFührung ohnehin weitgehend im Sinne Wilhelms handelte. Die Konflikte zwischenRegierung und Kaiser gingen nach 1900 mit dem Wechsel im Reichskanzleramt zuBernhard von Bülow weiter zurück.Das Schlagwort der neuen Führung am Ende des 19. Jahrhunderts war dieSammlungspolitik der „staatserhaltenden und produktiven Kräfte“ gegen dieSozialdemokratie. Zollpolitik, Flottenbau, Weltpolitik und Kaisertum sollten gesellschaftlichintegrierend wirken und Mittelstand und Bürgertum gegen die Sozialdemokratie einen.Diesem Ziel diente auch die Handwerkspolitik. Das Handwerksgesetz von 1897 kam denWünschen des alten Mittelstandes entgegen, etwa durch die Einführung vonHandwerkskammern und Innungen. Zur Einbindung agrarischer und gewerblicherInteressen beteiligte die Regierung Vertreter der landwirtschaftlichen und industriellenInteressenorganisationen bei der Ausarbeitung neuer Zolltarife, deren Verabschiedungnach der Jahrhundertwende anstand. Zwar gelang es dabei, die Interessen derLandwirtschaft und der Schwerindustrie im Zeichen des Schutzzolls in eine gewisseÜbereinstimmung zu bringen. Allerdings haben die exportorientierte Leichtindustrie undinsbesondere die expandierende chemische Industrie dies massiv kritisiert und gründetenzur Durchsetzung ihrer antiprotektionistischen Ziele 1895 den Bund der Industriellen. DerSchutzzoll erwies sich insgesamt als nicht tragfähig für ein Bündnis von Landwirtschaft undder Industrie. Auch in anderen Bereichen gab es unterschiedliche Interessen. Die möglicheErhöhung der Agrarzölle führte außerdem zu Protesten der Linksliberalen undSozialdemokraten, die einen Anstieg der Lebenshaltungskosten befürchteten. Zu Protestenführte auch der geplante Bau des Mittellandkanals, der von den ostelbischenGroßgrundbesitzern vehement abgelehnt wurde. Zu einem Kompromiss in der Zollfragekam es erst 1902 unter dem Kanzler von Bülow. Wenn auch moderat, belastete diesertatsächlich die Konsumenten und die Sozialdemokraten konnten den Reichstagswahlkampfvon 1903 auch mit der Parole gegen den „Brotwucher“ führen.[71]

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Flottenpolitik

Großadmiral Alfred von Tirpitz

Der Flottenbau war zwar auch ein persönlichesAnliegen von Kaiser Wilhelm II., die Flotte sollte aberauch zum Ausgleich der Interessengegensätze in derGesellschaft beitragen. Vor allem im Bürgertum, aberauch im Mittelstand traf der Flottenbau auf eine breiteResonanz, während im Reichstag zunächst Vorbehaltevorhanden waren. Eine langfristige Festlegung derBaukosten hätte die budgetrechtlichen Kompetenzendes Parlaments erheblich geschwächt. Außerdem wäreder Bau als Mittel für eine Weltpolitik fast zwangsläufigmit negativen Folgen für die Beziehungen mitGroßbritannien verbunden gewesen.[72]

Von Wilhelm II. war eine mächtige Flotte ursprünglichzum Schutze des Handels und der Küsten gedacht.Umgekehrt verlangte eine weltweit operierendeEinsatzflotte nach Stützpunkten in Übersee. Dies wurdezu einem wichtigen Motiv für die Kolonialpolitikinsbesondere im Stillen Ozean. Dieses Konzept einerKreuzerflotte wurde allerdings durch dasSchlachtflottenkonzept verdrängt. Alfred Tirpitz wurde der Hauptfürsprecher undOrganisator dieser Flotte. Das Konzept zielte auf eine offensive Verteidigung der deutschenKüste und den Durchbruch einer feindlichen Blockadeflotte ab. Hinter der Schlachtflottestand auch der Risikogedanke. Jeder potentielle Angreifer sollte mit starken Verlustenrechnen müssen. Um als Abschreckungswaffe zu dienen, musste die Flotte einebeträchtliche Stärke haben. Dieser Wandel der Flottendoktrin, der erkennbar auf eineKonfrontation in der Nordsee ausgelegt war, musste das Misstrauen insbesondere inEngland gegenüber dem deutschen Kaiserreich verstärken.

1896 wurde eine Vergrößerung der Flotte noch abgelehnt. Zwei Jahre später wurdeallerdings ein erstes Flottengesetz vom Reichstag gegen die Stimmen derSozialdemokraten, der Freisinnige Volkspartei, der nationalen Minderheiten sowie eineskleinen Teils des Zentrums angenommen. Im Jahr 1900 folgte eine erneute Erweiterung derBauvorhaben, die bei Ausführung ein Verhältnis von 2:3 gegenüber der britischen Flottebedeutet hätte. Die Folge der Baupolitik war ein Wettrüsten mit Großbritannien.Die schließliche Zustimmung des Parlaments und der Öffentlichkeit zur Flottenpolitik war nicht zuletzt das Ergebnis einer modern anmutenden Öffentlichkeitsarbeit von Tirpitz. Ein eigenes Nachrichtenbüro im Reichsmarineamt[73] führte regelrechte Werbekampagnen für die Flotte durch. Dabei arbeitete es eng mit dem 1898 gegründeten Flottenverein zusammen. Diese Massenbewegung, die vom Wirtschaftsbürgertum bis hin in die kleinbürgerlichen Schichten reichte, hatte 1900 immerhin 270.000 Mitglieder. Nimmt man korporative Mitglieder hinzu, waren es 1908 mehr als eine Million. Die Propaganda für die Flottenbegeisterung spielte eine wichtige Rolle, allerdings traf sie gerade im Bürgertum auf eine längere Tradition des Marineenthusiasmus. Hinzu kam, dass der übersteigerte Nationalismus in der Flotte ein Symbol für die Macht des Reiches sah. Daneben spielten auch wirtschaftliche Interessen der Industrie für den Flottenbau eine Rolle. Vorbehalte gegen die Flottenpolitik hatten allerdings die ostelbischen Rittergutsbesitzer, die darin eine

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moderne Konkurrenz zum Heer sahen. Beim zweiten Flottengesetz mussten dieKonservativen denn auch mit zollpolitischen Zugeständnissen, den so genannten„Bülow-Tarifen“ gewonnen werden.[74]

Der Weg zur WeltpolitikNach den imperialistischen Ansätzen der Bismarckschen Politik in den 1880er Jahrenwandelte sich der Charakter der Außenpolitik seit den 1890er Jahren endgültig. Dabeispielte der Imperialismus der europäischen Staaten eine beträchtliche Rolle. DieHandlungsfelder erweiterten sich, gleichzeitig nahm aber auch die Zahl der möglichenKonfliktpunkte zu. Ebenso wichtig war, dass die Außenpolitik kein reiner Arkanbereich derRegierung blieb. Vielmehr gewann die öffentliche Meinung Einfluss, und auch in derAußenpolitik spielten organisierte gesellschaftliche Gruppen eine Rolle. Dies galt nichtzuletzt für ökonomische Interessen. Ebenso wichtig waren daneben auch strategische undrüstungspolitische Faktoren. Bei allen Widersprüchen auch innerhalb der politischenFührung zeichneten sich verschiedene Tendenzen ab. Das Reich versuchte zunächst, durchein klares Bekenntnis zu Österreich-Ungarn und später auch zu Italien, seine Stellung inMitteleuropa zu festigen. Dabei spielten Handelsverträge eine wichtige Rolle auch wenneine Zollunion mit dem Habsburger Reich nicht zu Stande kam. Im Jahr 1891 wurde derDreibund verlängert und inhaltlich ausgestaltet. Ein weiteres Ziel der Politik des neuenKurses war der Versuch, mit Großbritannien zu einer Verständigung zu kommen. Ein Mittelwar dabei die Kolonialpolitik. In diesen Zusammenhang fällt, noch teilweise von Bismarckvorbereitet, der Tausch von Sansibar gegen die Insel Helgoland im Jahr 1890.[75] Diesführte in Deutschland zu teils heftigen Protesten, aus denen später der rechte AlldeutscheVerband hervorging. Ziel des Kolonialerwerbs der 1890er Jahre, der vor allem vomReichsmarineamt betrieben wurde, war der Aufbau eines weltumspannenden Netzes vonFlottenstützpunkten.

Verabschiedung des deutschenOstasien-Expeditionskorps zur

Niederschlagung des"Boxeraufstands".- Kaiser Wilhelm II.bei seiner Ansprache ("Hunnenrede")

Die guten Beziehungen zu Großbritannien ermöglichtenes, die Bindungen an Russland aufzugeben. DerRückversicherungsvertrag lief 1890 aus und wurde vondeutscher Seite nicht verlängert.[76] Eine Bindung anRussland hätte nach Meinung der Reichsleitung derBindung an Österreich-Ungarn ebenso wie denBeziehungen mit Großbritannien geschadet. Russlandrückte daraufhin enger an Frankreich heran. EineMilitärkonvention von 1892 war der Beginn einerSpaltung Europas in zwei gegnerische Blöcke. ImÜbrigen hat die Annäherung an Großbritannien nichtdie erwünschten Früchte getragen. Stattdessennahmen die Interessengegensätze in Übersee zu. Diesführte zum Versuch, bessere Beziehungen zu Russlandaufzubauen. Insgesamt pendelte Deutschland zwischen England und Russland in den1890er Jahren hin und her und wirkte auf keine der Seiten damit wirklich glaubwürdig.Dieses Misstrauen verstärkte sich noch, als Deutschland in der Orientpolitik letztlich gegenRussland begann, das osmanische Reich zu stützen. Im südlichen Afrika ergaben sichdagegen Interessengegensätze mit Großbritannien.

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In den späten 1890er Jahren begann die Außenpolitik Deutschlands endgültig den Rahmender Kontinental- zu Gunsten der Weltpolitik, d. h. des Imperialismus, zu verlassen.[77] Daspopuläre Schlagwort von Bülows war die Forderung nach einem Platz an der Sonne.[78]

Weltpolitik war nicht nur der Versuch, Deutschland als Großmacht zu etablieren, sondernhatte auch eine innenpolitische Komponente. Sie diente dazu, die inneren Spannungen zuüberdecken und es gab auch wirtschaftliche Interessen etwa an Absatz- oderRohstoffmärkten. In der deutschen Öffentlichkeit, sieht man einmal von denSozialdemokraten ab, stieß das Konzept der Weltpolitik auf eine breite Zustimmung. Wieweit das imperialistische Gedankengut in das liberale Bürgertum reichte, zeigte dasBeispiel von Max Weber und Friedrich Naumann. Diese versprachen sich davon Wohlstandund die Integration der Arbeiter. Auch von konservativer Seite wurde der Imperialismus alsMittel der nationalen Integration betrachtet. Bei den neuen Rechten waren dieimperialistischen Expansionsforderungen mit der Kritik an den etablierten Honoratiorenverbunden. Dagegen sah nur ein vergleichsweise kleiner Teil der Wirtschaft in derimperialistischen Expansion Vorteile, war diese doch vor allem auf den Export in dieIndustriestaaten ausgerichtet. Gekennzeichnet war die imperialistische Politik daneben vonden oft kontraproduktiven Reden des Kaisers (wie etwa der Hunnenrede von 1900)[79] , vonihrer auf Zustimmung in Deutschland ausgerichteten Sprunghaftigkeit und von immerwieder aufgebauten Drohkulissen. Angesichts einer dynamischen Wirtschaft, einer starkenArmee und einer immer größeren Flotte musste dies auf die europäischen Mächtebedrohlich wirken.

„The Germans to the front…“(idealisierende Darstellung derdeutschen Rolle während des

Boxeraufstandes auf einerzeitgenössischen Postkarte)

Der weltpolitische Anspruch schlug sich im Erwerb vonKolonien nieder. Im Vergleich zu den hochtönendenAnsprüchen war der tatsächliche Zuwachs jedochbegrenzt. Das Reich erwarb 1898 Kiautschou[80] inChina und 1899 verschiedene Inseln im Pazifik. In denBereich des informellen Imperialismus fiel der Bau derBagdadbahn ab 1899.

Für die tatsächliche Politik spielte weiterhin die Lage inEuropa die zentrale Rolle. Um die Jahrhundertwendestockte die deutsch-britische Annäherung vor allemdurch das antienglische Weltmachtkonzept und denFlottenbau. Es kam allerdings zu keiner ernstenKonfrontation, da Großbritannien mit anderen Staaten eine Vielzahl von Konflikten hatteund außenpolitisch unter verschiedenen Partnern wählen konnte. Daher hielt man sich inLondon auch eine Annäherung an Berlin offen. Vorübergehend schien sich nach dergemeinsamen Niederschlagung des Boxeraufstandes durch die europäischen Mächte, dieUSA und Japan eine Annäherung an Großbritannien abzuzeichnen. Diese für Deutschlandgünstige Situation änderte sich nach 1902. Vor allem die Entente cordiale vonGroßbritannien mit Frankreich von 1904 hatte hier eine erhebliche Bedeutung. DerVersuch Deutschlands, sich wieder an Russland anzunähern, führte zwar 1904 zu einemHandelsvertrag, der Erfolg aber blieb letztlich aus. Deutschland scheute hier auch einengeres Bündnis, um angesichts des russisch-japanischen Krieges nicht zum Handlangerder russischen Politik in Fernost zu werden. Im Westen versuchte das Deutsche Reichgegen Frankreich Erfolge zu erzielen. Es stellte sich etwa gegen die französische Expansion

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in Marokko. Kaiser Wilhelm II. landete 1905 demonstrativ in Tanger und forderte eineinternationale Konferenz. Diese fand auch in Algeciras statt, führte aber dazu, dass dasMisstrauen gegenüber Deutschland noch zunahm. Die Marokkokrise festigte nicht nur dieZusammenarbeit von Frankreich und England, sondern führte auch zu einerbritisch-russischen Übereinkunft über ihre Interessen im Mittelmeerraum. Insgesamt hattedas weltpolitische Auftrumpfen Deutschlands zu einer außenpolitischen Isolation geführt,trat Deutschland doch in direkte Konkurrenz mit England und Frankreich. Diese wurdedurch die Flottenrüstung vor allem gegenüber Großbritannien noch verstärkt. Die Lage warauch deshalb problematisch, weil 1902 zwar der Dreibund erneuert wurde, Italien aberkurze Zeit später mit Frankreich ein geheimes Neutralitätsabkommen schloss. Damit wardas Bündnis faktisch entwertet und Deutschland hatte mit Österreich-Ungarn nur nocheinen Bündnispartner.[81]

Innenpolitik nach der Jahrhundertwende

Reichstagssitzung 1905 (Gemälde vonGeorg Waltenberger)

Auch innenpolitisch zeigte sich bald, dass derFlottenbau und die Weltpolitik die Probleme nurkurzfristig überdecken konnten, sie mittelfristig jedocheher noch verstärkten. Die innenpolitischeStabilisierung um die Jahrhundertwende gründete sichauf einen kurzlebigen politischen Konsens vonKonservativen, Nationalliberalen und vor allem demZentrum. Die Reichstagswahlen von 1903 ändertendaran zunächst kaum etwas. Die Linksliberalen hattenleichte Verluste hinzunehmen, Nationalliberale und Sozialdemokraten gewannen dazu. DieSozialdemokraten stiegen im Reichstag zur zweitstärksten Fraktion auf. Das Zentrum bliebstärkste Kraft und konnte trotz Verlusten seine parlamentarische Schlüsselstellungbehaupten. Die Partei blieb zunächst die wichtigste Stütze der Regierung. Auch wegendieser Abhängigkeit kam die Reichsleitung dem Zentrum in einigen Punkten entgegen. Alseines der letzten Relikte der Kulturkampfzeit wurde das Jesuitenverbot aufgehoben. Auchdie Einführung von Diäten für Mitglieder des Reichstages 1906 ging auf Forderungen desZentrums zurück. Außerdem bestimmte die Partei den innenpolitischen Kurs des Reichesmaßgeblich mit.

Angesichts der guten Konjunkturlage wuchsen um die Jahrhundertwende die Mitgliederzahlen der Gewerkschaften kräftig. Lagen sie 1900 noch bei 680.000, waren es 1906 1,6 Millionen. Gleichzeitig nahm auch die Zahl der Arbeitskämpfe zu. Gab es 1900 nur 806 registrierte Streiks, waren es 1906 schon 3059. Auch vor diesem Hintergrund wurde die Sozialpolitik allmählich wieder aufgenommen. Nach dem endgültigen Scheitern antisozialdemokratischer Repressionsgesetze hoffte die Regierung noch einmal, mit sozialpolitischen Maßnahmen den Zulauf der Arbeiter zur SPD begrenzen zu können. Allerdings stand dahinter auch ein stärkerer gesellschaftlicher Druck von Seiten der Sozialreformer. Ausdruck dafür war etwa 1901 die Gründung der Gesellschaft für Soziale Reform. Die ursprünglichen Reformabsichten der Reichsleitung waren allerdings begrenzt. So ging es darum, die Versicherungspflicht der Sozialversicherung auszudehnen (Erweiterung der Unfallversicherung 1900), Kinderarbeit in der Heimindustrie zu verbieten oder um die Einführung von Gewerbegerichten in größeren Städten. Die Novelle des Berggesetzes war dagegen eine Reaktion auf den Bergarbeiterstreik von 1905. Sie sah

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unter anderem eine Arbeitszeit unter Tage von 8,5 Stunden und die Einführung vonArbeiterausschüssen vor. Weitergehende Reformen blieben aus.Militärpolitisch wurde die Friedenspräsenzstärke des Heeres um 10.000 Mann erhöht.Außerdem sah eine neue Flottenvorlage von 1905 neben dem Bau einer Reihe von Kreuzernden Übergang zu den stärkeren aber auch teureren Schlachtschiffen vom Dreadnoughttypvor. All dies verstärkte die finanzpolitischen Probleme des Reiches erheblich. Trotzlangwieriger Verhandlungen kam es nicht wie erhofft zu einer großen Steuerreform,lediglich eine kleine Reform wurde verabschiedet.Problematisch für von Bülow wurde allmählich, dass er nach den verschiedenenaußenpolitischen Misserfolgen den Rückhalt des Kaisers verlor. Außerdem wuchs bei denKonservativen der Unmut über das angeblich zu zaghafte Vorgehen gegen dieSozialdemokratie. Die Position des Zentrums als parlamentarischer Stütze der Regierungwurde vor allem durch innerparteiliche Veränderungen problematisch. Innerhalb desZentrums kam es, gestützt auf die christlichen Gewerkschaften und den Volksverein für daskatholische Deutschland, zum Aufstieg eines starken Arbeitnehmerflügels. Danebengewann ein kleinstädtisch-agrarischer Populismus an Anhängern. Beide zusammen bildeten– bei allen Gegensätzen – im Zentrum eine „demokratische“ Richtung, die, etwarepräsentiert von Matthias Erzberger, eine Reform des Wahlrechts in Preußen forderte,aber auch die Kolonialpolitik ablehnte. Die Ablehnung eines Nachtragshaushaltes für eineweitere Unterstützung des Kolonialkrieges gegen die aufständischen Herero führte Ende1906 zur Auflösung des Reichstages[82] und zu Neuwahlen.[83]

BülowblockDer Wahlkampf wurde hochemotional geführt und die Regierung[84] und Organisationenwie der Reichsverband gegen die Sozialdemokratie warfen Zentrum und SPD nationaleUnzuverlässigkeit vor. Gegen beide schlossen Konservative, Nationalliberale undLinksliberale Wahlabsprachen – dies war der so genannte Bülow-Block. Die Beteiligung derLinksliberalen war nur deshalb möglich geworden, weil diese nach dem Tod von EugenRichter ihre Vorbehalte gegen den Kolonialismus aufgegeben hatten. Die sogenannte„Hottentottenwahl“ (August Bebel) führten zu Gewinnen der Blockparteien, während dieSPD fast die Hälfte ihrer Mandate verlor. Das Zentrum verlor trotz Mandatszuwächsenseine Schlüsselposition, da die Liberalen und die Konservativen zusammen die Mehrheithatten.

Mandate im Deutschen Reichstag 1890–1912

1890 1893 1898 1903 1907 1912

Konservative 73 72 56 54 60 43

Freikonservative 20 28 23 21 24 14

Nationalliberale 42 53 46 51 54 45

Linksliberale 66 37 41 30 42 42

Zentrum 106 96 102 100 105 91

Sozialdemokraten 35 44 56 81 43 110

Minderheiten 38 35 34 32 29 33

Antisemiten 5 16 13 11 22 10

Deutsche Volkspartei 10 11 8 6 7 -

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Sonstige 2 5 18 11 11 9

Der Bülowblock blieb nicht nur ein Wahlbündnis, sondern von Bülow kündigte an, sich inZukunft auf diese Parteien stützen zu wollen. Deutlich gemacht wurde der Politikwechseldurch die Ersetzung von Innenstaatssekretär Posadowsky, der an einer Zusammenarbeitmit dem Zentrum festhalten wollte, durch Theobald von Bethmann-Hollweg. In zahlreichenPolitikfeldern gab es Übereinstimmungen, in anderen Bereichen waren Kompromissemöglich, aber es gab innerhalb des Bülowblocks auch kaum überbrückbare Gegensätze. Eswurde eine Reform des Vereins- und Versammlungsrechts durchgeführt, die zwar liberaleFortschritte brachte, aber auf Druck der Konservativen auch erhebliche Grenzen aufwies.So hatten Landarbeiter weiterhin kein Koalitionsrecht. Hinzu kam ein Sprachenparagraph,der die deutsche Sprache in öffentlichen Versammlungen vorschrieb und damit einAusnahmegesetz gegen die französisch sprechenden Lothringer und die Polen darstellte.Dies konnten die Linksliberalen nur schwer mittragen. Einige wie Theodor Barthverweigerten die Zustimmung und traten aus der freisinnigen Vereinigung aus. Ebensoumstritten blieb das preußische Wahlrecht. Während die Deutschkonservativen auf dereinen Seite das Dreiklassenwahlrecht verteidigten, verlangten die Linksliberalen auf deranderen Seite die Einführung des demokratischen Reichstagswahlrechts. Ein weiteresKonfliktfeld war die immer drängender werdende Reichsfinanzreform. Diese Gegensätzekonnte Bülow eine Zeit lang überbrücken und moderieren, allerdings war er nun nicht nurvon der Gunst des Kaisers, sondern auch von einer brüchigen Regierungsmehrheitabhängig.Noch erschwert wurde die innenpolitische Lage durch die Daily-Telegraph-Affäre[85] . EineSammlung von Äußerungen Wilhelms II. während seines Englandbesuchs dokumentierteeine Reihe von taktlosen und politisch unklugen Äußerungen des Kaisers. In der politischenund publizistischen Öffentlichkeit nahm daraufhin die Kritik am „persönlichen Regiment“zu. Das Kaisertum verlor dabei einen Großteil seiner Überzeugungskraft. Einige Publizistenwie Maximilian Harden verlangten sogar den Rücktritt des Kaisers, und selbst dieKonservativen sahen sich genötigt, dem Kaiser künftig Zurückhaltung zu empfehlen.Tatsächlich wurden die kaiserlichen Einmischungen von Wilhelm II. in die Tagespolitikseither seltener. Da auch der Kanzler den Kaiser kaum verteidigte, verlor Bülow beiWilhelm II. nunmehr völlig die Unterstützung.Zum Schicksal des Bülowblocks wurde 1909 die Frage der Reichsfinanzreform. Die Lage der Reichsfinanzen war durch den Flottenbau und die Weltpolitik desolat. Die Ausgaben überstiegen die Einnahmen und die Schulden des Staates stiegen an. Sie lagen bei 4.5 Milliarden Mark (1890 waren es erst 1,1 Milliarden gewesen) und das jährliche Defizit lag bei über 500 Millionen Mark. Die Schwierigkeit einer Finanzreform hatte dabei nicht zuletzt auch allgemeinpolitische Hintergründe, ging es doch darum zu klären, welche Bevölkerungsgruppe die Lasten der Aufrüstung zu tragen hatte. Während Verbrauchssteuern die Geringverdiener belastet hätten, würden Besitzsteuern die Wohlhabenden betreffen. Die Regierung legte einen Gesetzentwurf vor, der sich bemühte, die Interessen der verschiedenen Blockparteien zu berücksichtigen. Bald zeigte sich allerdings, dass in der Frage von Erbschaftssteuern keine Einigung zu erzielen war. Vor allem die Konservativen wollten eine Belastung des Grundbesitzes auf jeden Fall vermeiden, während die Liberalen in einer stärkeren Besteuerung von Grund und Boden eine überfällige Notwendigkeit sahen. Nach langen internen Debatten entschied sich das Zentrum schließlich dafür, zusammen mit den Konservativen zu stimmen. Zwar sah das

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Gesetz letztlich etwas moderater aus, aber der Großgrundbesitz schaffte es noch einmal,seine Interessen durchzusetzen. Dagegen entstand eine breite Protestbewegung, die sichim Hansabund sammelte. Politisch war der Block an der Finanzreform endgültigzerbrochen. Dies führte im Juni 1909 schließlich zur Entlassung von Bülows.[86]

Das Reich am Vorabend des Ersten Weltkrieges

ParteienkonstellationInnerhalb der konservativen Partei scheiterten die Versuche, die einseitige Konzentrationauf die agrarischen Interessen durch die Schaffung einer konservativen Volkspartei zuüberwinden. Stattdessen herrschte immer stärker eine Belagerungsmentalität vor und diePartei verteidigte noch zäher als zuvor ihre Positionen. Dies geschah zunehmend auchgegen die Regierung und teilweise in Zusammenarbeit mit der neuen Rechten. Trotz dieserEntwicklung arbeitete das Zentrum bis etwa 1912/13 mit den Konservativen zusammen,nicht zuletzt, um nicht wieder in die politische Isolation zu geraten. Das wurde erleichtertdurch die Schwächung des demokratischen Flügels innerhalb des Zentrums. DerArbeiterflügel etwa wurde durch den so genannten Gewerkschafts- und Zentrumsstreitgeschwächt. Insgesamt rückte die Partei stärker nach rechts. Umgekehrt führte dasScheitern des Bülowblocks bei den Nationalliberalen zu einer scharfen Distanzierunggegenüber den Konservativen und zu einem gewissen Schwenk nach links. Dies geschahnicht ohne Spannungen, gab es doch weiterhin Anhänger einer Zusammenarbeit mit denKonservativen. Die Fraktionsführung um Ernst Bassermann versuchte, dieauseinanderstrebenden Kräfte zusammenzuhalten, während der linke Flügel um GustavStresemann ein Bündnis mit den Linksliberalen anstrebte. Bei den Linksliberalen ihrerseitsführten die Erfahrungen während des Bülowblocks 1910 zum Zusammenschluss zurFortschrittlichen Volkspartei. Diese Partei wandte sich nunmehr entschieden gegen dieRechte. Umstritten blieb freilich ein Bündnis mit der SPD, etwa nach dem Vorbild desGroßblocks in Baden. Dabei spielte allerdings auch die Entwicklung der Sozialdemokrateneine Rolle. Es stellte sich angesichts der Stärke der Partei immer dringlicher die Frage,welche Richtung die SPD einschlagen würde. Die so genannten Zentristen verbanden einemarxistische Ideologie mit praktischer Reformarbeit, setzten auf eine weitereorganisatorische Stärkung und erwarteten den Zusammenbruch von Staat undGesellschaft. Die Linke um Rosa Luxemburg plädierte dagegen für Massenstreiks, wolltedie Arbeiterschaft radikalisieren und die Revolution vorbereiten. Die Reformisten umEduard Bernstein sprachen sich dagegen für Reformen und eine Zusammenarbeit mit denlinken Liberalen aus, fanden für diesen Kurs innerhalb der Partei aber keine Mehrheit. DieParteiführung um August Bebel folgte mit Blick auf die Einheit der SPD weitgehend derzentristischen Linie.[87]

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Anfänge der Regierung Bethmann-Hollweg

Reichskanzler Theobald von BethmannHollweg

Nach dem Ende der Kanzlerschaft von Bülows war derVersuch, das Kaiserreich durch imperialistischeExpansion und moderate Reformen im Innern zustabilisieren weitgehend gescheitert. Der Bruch desBülow-Blockes hatte stattdessen das Gegenüber vonländlich-agrarischer und städtisch-industrieller Weltnoch einmal verschärft. Allerdings haben die Parteienund der Reichstag an Einfluss gewonnen, während derKaiser und die Reichsleitung geschwächt wurden. Derneue Reichskanzler hieß Bethmann-Hollweg, derzusammen mit Clemens von Delbrück alsStaatssekretär des Inneren versuchte, die gestärktePosition des Reichstages wieder zurückzudrängen. Derneue Kanzler vermied es daher auch, sich auf Dauer aneine Parteienkoalition zu binden und setzte stattdessenauf wechselnde Mehrheiten. Allerdings blieb dieRegierung in der Praxis zunächst auf die Unterstützungdes Zentrums und der Konservativen angewiesen.Durch die Abhängigkeit von den Konservativen bliebenalle Reformansätze halbherzig. Im Zweifel wurdenEntscheidungen vertagt, da die innenpolitische Stabilisierung meist Vorrang vor derLösung von Sachproblemen hatte. In der Finanzpolitik war dies insofern erfolgreich, weilsich die Regierung in einen strikten Sparkurs rettete. Um den Versuch von Reformen kamdie Regierung angesichts des Veränderungsdrucks der bürgerlichen undsozialdemokratischen Linken kaum herum, versuchte aber gleichzeitig Konservative,Zentrum und Nationalliberale näher zusammenzubringen. Dies engte den Spielraum starkein. Dies zeigte sich etwa angesichts des Reformversuchs des preußischenDreiklassenwahlrechts im Jahr 1910. Den Konservativen ging der Gesetzentwurf derRegierung zu weit, während die Liberalen ihn als nicht weitgehend genug ablehnten. DieSozialdemokraten demonstrierten in Massenkundgebungen für ein demokratischesWahlrecht, was allerdings dazu führte, dass der „schwarz-blaue Block“ aus Zentrum undKonservativen allen Reformansätzen in dieser Frage eine Absage erteilte. Ein ganz anderesSchicksal ereilte die Einführung einer Verfassung für das Reichsland Elsass-Lothringen.Anstatt den Regierungsantrag zu übernehmen, übernahmen im Reichstag Zentrum, SPDund Linksliberale die Initiative und gestalteten die Verfassung in entscheidenden Punktenum.[88] Dagegen blieb die Wirtschaftspolitik weiterhin landwirtschaftsfreundlichausgerichtet. In der Sozialpolitik allerdings gab es Bewegung. Dazu zählte etwa 1911 dieReichsversicherungsordnung, die gewissermaßen den Aufbau der Sozialversicherungabschloss. In diesen Rahmen gehört auch die Einführung der Angestelltenversicherung.Diese neue Einrichtung hatte dabei die nicht unwillkommene Folge, dass die sozialenUnterschiede zwischen Angestellten und Arbeitern betont und institutionalisiert wurden.[89]

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Die politische Entwicklung nach der Reichstagswahl von 1912War das Regieren des Kaiserreichs bis zur Reichstagswahl von 1912 bereits höchstschwierig, verstärkte sich dies anschließend noch einmal deutlich. Die Unzufriedenheit derWähler mit der schwankenden Regierungspolitik führte letztlich zu erheblichen Verlustender Konservativen, des Zentrums aber auch der liberalen Parteien. Die klaren Gewinnerwaren die Sozialdemokraten, die erstmals zur stärksten Fraktion wurden. Die Folge warfreilich, dass der schwarz-blaue Block seine Mehrheit verloren hatte, ohne dass eine neueMehrheit in Sicht gewesen wäre. Die Konservativen befanden sich nunmehr in derDefensive, und außerhalb des Parlaments gewann die neue Rechte um den AlldeutschenVerband oder den Deutschen Wehrverein Zulauf. Zusammen mit agrarischen undindustriellen Interessenverbänden entstand 1913 das Kartell der schaffenden Stände alseine Art rechter Dachorganisation. Die Rechte wandte sich dabei mehr oder wenigerdeutlich nicht nur gegen die Linke, sondern auch gegen die Regierung. Bei allerZusammenarbeit verblieben im rechten Lager allerdings auch Unterschiede, etwa zwischenden Verteidigern ländlicher Interessen und völkischen Gruppen. Auf der anderen Seitezeichneten sich nach den Wahlen von 1912 auch Reformansätze ab. So verlor im Zentrumder agrarische Flügel an Gewicht, während die Bürgerlichen an Einfluss gewannen. In derFolge löste sich die Partei von ihrer Bindung an die Konservativen und suchte dieZusammenarbeit mit den Nationalliberalen. Beide zusammen vertraten einenationalistische und rüstungsfreundliche Politik, forderten aber auch eine stärkereDemokratisierung des Reiches und mehr Rechte für das Parlament. Die Linksliberalenunterstützten dies und versuchten Brücken zu den Sozialdemokraten zu schlagen.Allerdings gab es bei Zentrum und Nationalliberalen weiterhin große Widerstände gegeneine Zusammenarbeit mit der SPD. Umgekehrt waren die Vorbehalte der Sozialdemokratenebenfalls beträchtlich.Vor dem Hintergrund der neuen Mehrheitsverhältnisse war die Lage der Regierung noch schwieriger geworden als sie ohnehin schon war. Die vom Reichskanzler als „Politik der Diagonalen“ bezeichnete Vorgehensweise folgte keinem Konzept, sondern versuchte je nach Situation zu reagieren. Insgesamt herrschte seit 1912 eine Blockade der Innenpolitik vor. Besonders deutlich wurde dies in der Sozialpolitik. Der große Bergarbeiterstreik von 1912 war Ausdruck einer erneuten Zunahme von Arbeitskämpfen und führte zwar zu neuen antigewerkschaftlichen Überlegungen, nicht aber zu einer weiteren Ausgestaltung der Sozialpolitik. Kaum Probleme hatte die Regierung dagegen bei der Umsetzung der Flotten- und Wehrpolitik. So konnte 1912 sowohl eine Verstärkung des Heeres wie eine Novellierung der Flottengesetze beschlossen werden. 1913 stimmten die bürgerlichen Parteien einer neuen Wehrvorlage zu, die angesichts der außenpolitischen Spannungen die stärkste Heeresvergrößerung des Kaiserreichs bedeutete. Bei der Finanzierung der neuen Rüstungsausgaben folgte das Parlament nicht den Vorstellungen der Regierung, sondern beschloss eine einmalige Vermögensabgabe sowie eine progressive Vermögenssteuer. Dabei stimmten erstmals Zentrum, Liberale und Sozialdemokraten zusammen. Diese Zusammenarbeit funktionierte im beschränkten Umfang auch bei der Ausdehnung der Parlamentsrechte insgesamt. So wurden unter anderem Vertrauens- oder Misstrauensabstimmungen eingeführt. Angewandt wurde dieses Instrument etwa im Zusammenhang der Zabern-Affäre[90] 1913, als Kaiser, Regierung und militärische Führung das unrechtmäßige Vorgehen von Soldaten gegen Zivilisten in Lothringen deckten. Anschließend sprach der Reichstag gegen die Stimmen der Konservativen der Regierung das Misstrauen aus. Ob am Ende der Vorkriegszeit eine echte Chance für eine

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Parlamentarisierung bestand, ist umstritten. Allerdings trug die mangelndeHandlungsfähigkeit von Reichstag auf der einen Seite und Regierung auf der anderen Seitedazu bei, einen möglichen Krieg auch als eine Art innenpolitischen Befreiungsschlag zubetrachten.[91]

Außenpolitik

Folgen der Bosnienkrise

Wilhelm II. im Jahr 1905(Bildpostkarte)

In den letzten Jahren vor dem Ausbruch des ersten Weltkriegsnahmen die internationalen Spannungen deutlich zu.Besonders konfliktträchtig war dabei der Balkan.Österreich-Ungarn annektierte 1908 die bereits 1878besetzten osmanischen Provinzen Bosnien und Herzegowina.Dies löste heftige Proteste Serbiens unterstützt von Russlandaus. Deutschland stellte sich dabei eindeutig auf die Seite derDoppelmonarchie und übte massiven diplomatischen Druck aufRussland aus. Die Bosnienkrise war zwar ein kurzfristigerErfolg der Mittelmächte, hatte aber für Deutschland langfristignegative Folgen. Zum einen wurde es noch stärker als zuvoran Österreich gebunden und zum anderen führte diediplomatische Niederlage zum Beginn einer massivenAufrüstung.

Auch von Bülow, noch amtierender Kanzler, erkannte dieGefahr einer solchen Risikopolitik und steuerte nunmehr einenvorsichtigeren Kurs. Daran knüpfte Bethmann-Hollweg an, derdie Außenpolitik deutlicher von der Weltpolitik nach Europazurückverlagerte. Außerdem versuchte der neue Kanzler,durch eine größere Berechenbarkeit das Vertrauen derübrigen Mächte zurückzugewinnen. Dabei setzte er auf einenKurs der Entspannung gegenüber Russland und Frankreichund bessere Beziehungen mit England. Tatsächlichverbesserte sich das Verhältnis sowohl zu Russland wie auchFrankreich zeitweise. Mit Großbritannien hoffte das Reich zueiner Verständigung in der Flottenfrage zu kommen und im Fall eines möglichen Kriegesdie Zusicherung der britischen Neutralität zu erhalten. Dazu kam es nicht, weil einerseitsKaiser und Öffentlichkeit in Deutschland kaum zu Abstrichen bei der Flottenrüstung bereitwaren und andererseits die Bereitschaft in Großbritannien begrenzt war, die gutenBeziehungen zu Frankreich und Russland aufs Spiel zu setzen.[92]

Panthersprung nach AgadirEin Großteil des gerade wieder gewonnenen Vertrauens verspielte Deutschland im Zusammenhang mit der zweiten Marokkokrise 1911, die vom Reich bewusst ausgelöst wurde. Ursache war das militärische Vordringen Frankreichs, das den internationalen Absprachen widersprach. Unter der Leitung des neuen Außenstaatssekretärs Alfred von Kiderlen-Wächter setzte die Reichsleitung auf einen harten Kurs.[93] Dabei spielten nun auch wieder weltpolitische Ambitionen eine Rolle. Das Reich war nur vordergründig an einer Unabhängigkeit Marokkos interessiert. Das eigentliche Ziel war es, für die

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Anerkennung der französischen Vorherrschaft in Marokko im Gegenzug die Abtretungfranzösischer Besitztümer in Französisch-Äquatorialafrika zu erreichen. Demonstrativwurde das Kanonenboot Panther nach Marokko entsandt – ein Vorgang, der in derzeitgenössischen Presse als Panthersprung nach Agadir betitelt wurde. Als Frankreich sichdavon nicht beeindrucken ließ und England sich auf die Seite Frankreichs stellte, so dassein europäischer Krieg drohte, musste das Reich letztlich einlenken. ImMarokko-Kongo-Vertrag akzeptierte Deutschland die französische Vorherrschaft inMarokko und erhielt als Kompensation Teile Französisch-Äquatorialafrikas, die als„Neukamerun“ an die deutsche Kolonie Kamerun angegliedert wurden. Kamerun erhieltdadurch einen schmalen Zugang zum Kongo. [94] Letztlich bedeutete der Ausgang derzweiten Marokkokrise aber eine diplomatische Niederlage für das Deutsche Reich. Dieforsche „Kanonenboot-Diplomatie“ hatte nicht zum Erfolg geführt, Frankreich erhielt dasgegenüber den zentralafrikanischen Gebieten wirtschaftlich ungleich wertvollere Marokkozugesprochen. Auf der internationalen Konferenz waren die deutschen Forderungenallgemein auf Ablehnung gestoßen und nur noch von Österreich-Ungarn unterstütztworden, so dass die zunehmende Isolierung Deutschlands deutlich wurde.

BalkankriegeIn der öffentlichen Meinung und auch im Reichstag blieb die Konfliktbereitschaft hoch,gleichzeitig wuchs von Seiten des Generalstabs die Kritik an der Regierung. Durch dieFestigung der englisch-französischen Entente waren die Möglichkeiten der deutschenAußenpolitik allerdings begrenzt. Innerhalb der deutschen Führung war man sich zudemüber den Kurs uneins. Während Tirpitz in Übereinstimmung mit dem Kaiser eine weitereVergrößerung der Flotte auf den Weg bringen wollte, versuchte Bethmann-Hollweg dies zuverhindern, aus Sorge um die Beziehungen mit Großbritannien. Dies gelang nur bedingtund daher blieben Unterredungen mit dem britischen Kriegsminister Richard BurdonHaldane, 1. Viscount Haldane, Anfang 1912 in Berlin ergebnislos. In der Folge ging daherdas Wettrüsten zwischen Großbritannien und Deutschland weiter, auch wenn beideRegierungen weiter im Gespräch blieben. Tatsächlich gab es Anzeichen für einebeginnende Verständigung etwa in Kolonialfragen. Vor allem aber arbeiteten beidewährend der Balkankriege eng zusammen. Bei diesen Kriegen der neuen Balkanstaatengegen das osmanische Reich in den Jahren 1912 und 1913 brach auf dem Balkan dasohnehin labile Gleichgewicht endgültig zusammen und führte zur Konfrontation vonÖsterreich-Ungarn und Russland. Damit drohte eine Konfrontation der Blöcke. Verhindertwurde dies durch die ausgleichende Politik von Deutschland und Großbritannien.In der deutschen Führung bestanden während der Balkankrise allerdings erheblicheUnstimmigkeiten und Führungsprobleme. Im Dezember des Jahres 1912 berief Wilhelm II.eine Krisenkonferenz[95] mit hohen Militärs ein. Nicht geladen war die zivile Reichsleitung.Zwar fiel auf dieser Sitzung nicht, wie lange angenommen, eine Entscheidung, einengroßen Krieg planmäßig anzusteuern. Gleichwohl wurde immer deutlicher, dass dieMilitärs[96] einen europäischen Krieg für unvermeidlich hielten und über einenPräventivschlag nachdachten. Eine Folge der Besprechung war die Absicht, die Armee imgroßen Stil aufzurüsten, wie sie der Reichstag 1913 in einer Wehrvorlage beschloss.[97]

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Der Erste WeltkriegHauptartikel: Erster Weltkrieg

JulikriseDer Mord am österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo am 28. Juni 1914durch den serbischen Attentäter Gavrilo Princip (Attentat von Sarajevo) löste bei denMächten eine hektische diplomatische Aktivität aus, die in einen europäischen Kriegmündete. Über die Schuld am Krieg gab es bei den Kriegsparteien naturgemäßunterschiedliche Ansichten, die nach 1918 zu einer Jahrzehnte andauerndenKriegsschulddebatte führten.

Entente und die Mittelmächte 1916

Unzweifelhaft ist, dass Deutschland während der zumKrieg führenden Julikrise eine Schlüsselrolle spielte.Anders als noch bei den Balkankriegen von 1912 rietDeutschland Österreich-Ungarn zu einem energischenVorgehen gegen Serbien und sagte derDoppelmonarchie die bedingungslose Unterstützungdes Reiches zu. Bethmann-Hollweg wusste, als erdiesen „Blankoscheck“[98] ausstellte, dass damit dieGefahr eines großen europäischen Krieges gegebenwar. Hinter dieser Entscheidung stand vor allem dieSorge um ein in absehbarer Zeit militärisch überlegenes Russland und dasZusammenrücken von England und Frankreich. Daher band sich das Reich nunmehr nochfester als zuvor an den einzigen noch verbliebenen Bündnispartner. Hinzu kam angesichtsder festgefahrenen innenpolitischen Situation auch der Wunsch, die Kritiker vor allem derRechten mit außenpolitischen Erfolgen zu besänftigen. Nicht zuletzt drang das Militärnunmehr vehement auf einen Präventivkrieg gegen Russland.[99] Auch wenn der Kanzlerdiese Position nicht teilte, verringerte dieser Druck doch die Chancen für einediplomatische Lösung. Die Reichsleitung entschied sich für einen Kurs des „kalkuliertenRisikos“. Sie hoffte zwar, einen Krieg vermeiden zu könnten, konnte ihn aber auch nichtausschließen. Letztlich gab Deutschland aber die Kontrolle aus der Hand, weil alles auf dieHaltung Russlands ankam. Gegen Ende Juli geriet die Krise endgültig außer Kontrolle, alsÖsterreich-Ungarn Serbien den Krieg erklärte und Russland darauf mit einerTeilmobilmachung antwortete. Zwar gab es von deutscher Seite noch Versuche zu einerdiplomatischen Lösung zu kommen, aber man stellte sich immer mehr auf einen Krieg ein.Dabei kam es aus innenpolitischen Gründen darauf an, Russland als Aggressor erscheinenzu lassen. Als Russland am 30. Juli schließlich die Generalmobilmachung verkündete,konnte Deutschland dies als entscheidenden Schritt hin zum Krieg präsentieren. Daraufhinerklärte Deutschland Russland am 1. August und Frankreich am 3. August den Krieg.Gemäß dem Schlieffenplan von 1905 marschierte die deutsche Armee im neutralen Belgienein. Das Ziel war dabei, die Befestigungen an der deutsch-französischen Grenze zuumgehen und durch einen schnellen Vormarsch die französischen Armeen in einerUmfassungsschlacht auszuschalten. Eine entscheidende Schwäche des Plans war, dass erdie waffentechnische Entwicklung der Zeit und damit die Möglichkeit zur Führung einesBewegungskrieges überschätzte. Schnelle motorisierte Verbände waren noch nicht

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vorhanden, die Verteidiger konnten den Angreifer in einem Stellungskrieg binden, derletztlich zu einem Abnützungskrieg wurde. Auch wurde die Hoffnung, dass England dieVerletzung der belgischen Neutralität hinnehmen würde, nicht erfüllt. Stattdessen führteder Einmarsch zum Kriegseintritt Großbritanniens und des gesamten Empires gegen dieMittelmächte.[100]

KriegsverlaufAm 18. August begann die deutsche Großoffensive zur Umfassung der alliierten Armeen,dabei stieß man sehr schnell nach Brüssel vor. Am 4. September gelang es den Deutschen,die Marne zu überschreiten. Allerdings wurde der Vormarsch durch eine alliierteGegenoffensive (Marneschlacht) aufgehalten. Auch weitere Versuche wieder in dieOffensive zu gehen, bei denen es unter anderem zur nationalistisch verklärten Schlacht vonLangemarck kam, scheiterten. Daraufhin ging der Bewegungskrieg in einen Stellungskriegüber. Das Scheitern des Schlieffenplans hatte zur Folge, dass die Mittelmächte im Westen,Osten und im Süden einen Mehrfrontenkrieg führen mussten. Im Osten rückte nachKriegsbeginn die russische Armee unerwartet früh in Ostpreußen ein. Der Sieg beiTannenberg Ende August 1914 und weiteren Schlachten stoppten den Vormarsch undbegründeten den politischen Mythos der beiden Generäle Paul von Hindenburg und ErichLudendorff. Vor allem die österreichisch-ungarische Armee hatte gegenüber Serbien undRussland zu Beginn des Krieges einen schweren Stand. Die ersten Kriegsmonate hattengezeigt, dass die Kräfte nur ausreichten, um an einer Front auf einen entscheidenden Sieghoffen zu können.Aus verschiedenen Gründen wurde 1915 die Ostfront wichtiger als die Westfront. Es gelangden deutschen Truppen, Österreich-Ungarn vor dem drohenden Zusammenbruch zu rettenund eine Landverbindung zum verbündeten osmanischen Reich aufzubauen. Die deutscheOffensive drängte die russischen Truppen zurück, Serbien wurde besiegt, nachdemBulgarien sich den Mittelmächten angeschlossen hatte und Rumänien neutral blieb. DieOffensive wurde daraufhin abgebrochen. Im Süden entstand mit der italienischenKriegserklärung am 23. Mai 1915 eine weitere Front. Deutschland unterstützte seinenBündnispartner auch dort mit Truppen.

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Australische Soldaten im Chateauwald bei Ypern 1917

Im Jahr 1916 trat die Westfront wieder inden Mittelpunkt der deutschenKriegsanstrengungen. Angesichts derSchützengräben und Befestigungen gab esauf beiden Seiten zwei Handlungsoptionen.Die eine war der Durchbruch durch diefeindlichen Linien und die zweite war ein„Abnutzungskrieg.“ Im Frühjahr 1915hatten die Alliierten bereits mehrfachvergeblich versucht, die deutschenStellungen zu durchbrechen. Der deutscheAngriff auf Verdun seit dem 21. Februar1916 setzte dagegen nicht mehr wirklichauf eine Durchbrechung der Linien. Ineiner riesigen Materialschlacht miteinkalkulierten hohen Opferzahlen solltedie feindliche Armee vielmehr zermürbtwerden. Die Schlacht kostete über 600.000 Tote und Verwundete auf beiden Seiten. Ihr Zielhatten die Deutschen nicht erreicht, vielmehr demoralisierte die Unmenschlichkeit derSchlacht auch die deutschen Soldaten. Die Alliierten setzten bei der Gegenoffensive an derSomme seit dem 1. Juli 1916 nun ebenfalls auf eine Ermattungsstrategie. Nach ungeheurenVerlusten auf beiden Seiten wurde dieser Versuch Ende November 1916 abgebrochen.

Auf dem Höhepunkt der Kämpfe an der Westfront wurde immer deutlicher, dassDeutschland einem Mehrfrontenkrieg kaum noch gewachsen war. Sowohl Italien wie auchRussland gingen zur Offensive über. Die Brussilow-Offensive führt in Galizien zumZusammenbruch der österreichisch-ungarischen Armee. Die Folge war der ÜbergangRumäniens in das Lager der Alliierten. Die Lage zwang die Deutschen, erneut starkeVerbände in den Osten zu verlegen, um die Front zu stabilisieren. Im August 1916 wurdeErich von Falkenhayn als Generalstabschef des deutschen Heeres von GeneralfeldmarschallPaul von Hindenburg abgelöst. Militärisch begann sich die Kriegsführung in den Jahren1916/17 zu radikalisieren. Bereits 1915 hatte das deutsche Reich den uneingeschränktenU-Bootkrieg proklamiert. Nach Protesten der USA wurde diese Form des Seekriegs wiedereingeschränkt. Im Januar 1917 wurde der unbeschränkte U-Bootkrieg auf Druck derHeeresführung aber auch des Reichstages und der öffentlichen Meinung gegen den Willendes Kanzlers wieder aufgenommen. Die Folge war am 6. April 1917 der Kriegseintritt derUSA auf Seiten der Alliierten. Diese Entwicklung war im Rückblick kriegsentscheidend. Biszur Ankunft der Amerikaner dauerte es allerdings einige Monate. Im Westen begann imFrühjahr 1917 eine britische Offensive, die Flandernschlacht. Sie dauerte mehrere Monateund brachte den Briten nur geringe Gebietsgewinne bei hohen Verlusten.Im Osten hatte sich die Lage durch die Oktoberrevolution in Russland zunächst zu Gunsten der Mittelmächte verändert. Die neuen Machthaber wollten den Frieden nach außen, um ihre Herrschaft im Innern durchzusetzen. Mitte Dezember 1917 wurde ein Waffenstillstand geschlossen und anschließend über einen Separatfrieden verhandelt. Die Hoffnung der bolschewistischen Regierung auf einen milden Frieden erfüllte sich nicht, stattdessen setzte die deutsche Seite im Frieden von Brest-Litowsk einen Diktatfrieden durch. Russland hatte Polen, Kurland, Litauen, große Teile Georgiens abzugeben, die Selbstständigkeit der

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Ukraine sowie Finnlands zu garantieren und sich aus Estland und Livland zurückzuziehen.Damit bot sich im Westen scheinbar noch einmal eine Chance auf eine siegreiche Offensive.Diese Frühjahrsoffensive begann im März 1918, scheiterte aber rasch. Bereits denGegenoffensiven der Kriegsgegner, jetzt auch mit Unterstützung amerikanischer Truppen,war Deutschland nicht mehr gewachsen. Ab Sommer 1918 gerieten immer mehr deutscheSoldaten in alliierte Gefangenschaft.[101]

Innere Entwicklung

Soziale und wirtschaftliche EntwicklungHauptartikel: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte im Ersten Weltkrieg

Wirtschaftlich begann nach Kriegsbeginn die Umstellung der Produktion auf dieKriegswirtschaft. Nach einer kurzen Phase hoher Arbeitslosigkeit führte die hohe Zahl vonEinberufungen bald zu einem Arbeitskräftemangel. Die Betriebe versuchten diesem durchden Einsatz von Kriegsgefangenen und durch eine vermehrte Einstellung von Frauen zubegegnen.[102] Mit wachsender Kriegsdauer wirkten sich die fehlendenNahrungsmittelimporte und die fehlenden landwirtschaftlichen Arbeitskräfte negativ aufdie Versorgungslage der Bevölkerung aus. Die Folge waren beträchtlichePreissteigerungen[103] und Versorgungsmängel. Nur unzureichend gelang es, dem durchBewirtschaftungsmaßnahmen[104] Herr zu werden.[105]

Burgfriede und nationale BegeisterungDie innenpolitischen Probleme des Kaiserreichs rückten mit der Mobilmachung in denHintergrund. Das vom Kanzler für den Kaiser erdachte Schlagwort „Ich kenne keineParteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche“ fiel auch deshalb auf fruchtbaren Boden, weilkaum jemand in Deutschland Zweifel daran hatte, dass Russland der eigentliche Aggressorsei.[106] Zwar gab es neben den vielfachen Berichten nationalen Überschwangs auchnachdenkliche Stimmen, aber letztlich verweigerten sich auch die Kritiker des Systems nurselten der nationalen Solidarität. Die Sozialdemokratie hatte noch während der Julikriseerfolgreich Massendemonstrationen gegen einen möglichen bevorstehenden Kriegorganisiert und die Zusammenarbeit mit anderen Parteien der Internationalen gesucht,aber als das Vaterland gegen die „zaristische Reaktion“ geschützt werden sollte, ändertesich die Stimmung. Die entschiedenen Kriegsgegner und Klassenkämpfer, wie KarlLiebknecht und Rosa Luxemburg waren isoliert, während Reformisten wie Eduard Davidoder Ludwig Frank innerhalb kürzester Zeit die Reichstagsfraktion dazu bringen konnten,nicht nur abzuwarten, sondern den nötigen Kriegskrediten zuzustimmen.[107] Der von derRegierung proklamierte Burgfriede, also das Zurückstellen innenpolitischerAuseinandersetzungen, war weitgehend gesellschaftlicher Konsens, zumal man allgemeinerwartete, dass ein Krieg nur wenige Wochen dauern würde. Die Generalkommission derfreien Gewerkschaften verzichtete für die Dauer des Krieges auf Arbeitskämpfe und derReichstag beschloss, alle Wahlen bis nach Kriegsende zu verschieben.[108]

Durch die Verhängung des Kriegsrechts ging die vollziehende Gewalt an die kommandierenden Generäle der Militärbezirke über. Diese unterstanden de jure zwar direkt dem Kaiser, dieser war aber nicht fähig und in der Lage, die insgesamt 24 Militärbefehlshaber zu kontrollieren und zu koordinieren. Wilhelm II., der sich nach Kriegsbeginn meist im so genannten „Großen Hauptquartier“ aufhielt, war mit der Situation völlig überfordert, spielte kaum noch eine politische Rolle und verlor an Autorität.

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Stattdessen entwickelten sich der Chef des Generalstabs und der Generalquartiermeisterals sein Stellvertreter zu eigenständigen, auch innenpolitisch wichtigen Machtzentren.Die anfänglichen militärischen Erfolge und später die beschönigende Zensur der Presseführten in den ultranationalistischen Kreisen aber auch im breiten Bürgertum zuhochgespannten Siegeserwartungen. Dies führte zu teils extremen Kriegszielvorstellungen.Matthias Erzberger machte mit einer Denkschrift vom 2. September 1914 den Anfang. Erforderte Annexionen im Westen und im Osten, die dauerhafte Beherrschung Belgiens unddie Schaffung von deutschfreundlichen Satellitenstaaten auf dem Gebiet Russlands. Auchdas Septemberprogramm des Reichskanzlers sah Gebietsabtretungen im Westen, dieSchaffung eines von Deutschland beherrschten mitteleuropäischen Wirtschaftsraums sowieeines großen mittelafrikanischen Kolonialreiches vor. Noch weiter ging eine Denkschriftder großen wirtschaftlichen Verbände aus dem Jahr 1915. Diese sah noch weitereErwerbungen und eine Entrechtung der jeweiligen Bevölkerung vor. In ihrer Mehrheit bliebdie Arbeiterbewegung bei ihren anfänglichen defensiven Kriegszielen. Stattdessen hofftesie auf innenpolitische Reformen, namentlich auf die soziale und politischeGleichberechtigung, das uneingeschränkte Koalitionsrecht sowie eine Demokratisierungund Parlamentarisierung des politischen Systems. Vor dem Hintergrund dieserunterschiedlichen Erwartungen war Bethmann-Hollweg trotz Burgfriedens zum Lavierengezwungen. Dies ließ sowohl auf der Rechten wie auf der Linken den Zweifel an derAufrichtigkeit des Kanzlers wachsen.In der SPD trat die Kritik bereits Anfang Dezember 1914 offen zu Tage, als Karl Liebknechtim Reichstag zunächst als einziger Abgeordneter gegen weitere Kriegskredite stimmte. Ihmschloss sich im März 1915 Otto Rühle an. Daraus entwickelte sich allmählich eineinnerparteiliche Opposition, die ein Jahr später bereits 20 Abgeordnete umfasste.Liebknecht und Rühle verließen die Fraktion und am 24. März 1916 wurden auch dieübrigen Abweichler ausgeschlossen. Diese bildeten von nun an die so genannten„Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft“, die zunächst noch eine innerparteilicheOpposition blieb.[109]

Die neue Oberste Heeresleitung und das Hilfsdienstgesetz

Die oberste Heeresleitung Paul vonHindenburg und Erich Ludendorff

Bedrohlicher als die inneren Auseinandersetzungen inder SPD war die Kritik von Rechts, gestützt von derSchwerindustrie, an der Haltung des Reichskanzlers.Diese forderten seit 1915 vehement die Ausweitung desU-Bootkrieges gegen die englische Handelsblockade.Der Kanzler hoffte durch die Ablösung des wenigerfolgreichen Generalstabschefs von Falkenhayn durchHindenburg und dessen Generalstabschef Ludendorffvon deren Popularität zu profitieren. Allerdings warbald klar, dass die neue militärische Führung denrelativ vorsichtigen Kurs des Kanzlers nichtunterstützte. Stattdessen plädierte sie für die Wiederaufnahme des unbeschränktenU-Bootkrieges und sprach sich für territoriale Annexionen aus. Auch im Parlament verlorBethmann-Hollweg zunehmend an Rückhalt. Zwar stellte sich die Mehrheit hinter die OHL,ohne dass damit eine Vorentscheidung über eine verkappte Militärdiktatur gefallen wäre.

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Gleichzeitig nämlich beschloss eine Mehrheit von den Nationalliberalen bis zu denSozialdemokraten, dass der Haushaltsausschuss auch bei Vertagung des Parlaments dasRecht haben würde, über die Außenpolitik und den Krieg zu beraten. Mit einer kaiserlichenVerordnung vom 4. November 1916 wurde der Ausschuss zum Hauptausschuss aufgewertetund tagte seither fast permanent. Die von der OHL geforderte Mobilisierung allerverfügbaren Arbeitskräfte[110] für die kriegswichtige Produktion in Form des so genanntenHilfsdienstgesetzes[111] sollte zudem in Abstimmung mit dem Parlament und denVerbänden erfolgen. Während der OHL eine Militarisierung der gesamten Bevölkerungvorschwebte, hatte die zivile Reichsleitung eine Beschränkung auf eine allgemeineArbeitspflicht erreicht. Das Parlament setzte zudem noch die Einrichtung vonArbeiterausschüssen in den betroffenen Betrieben durch. Außerdem wurden vonArbeitgebern und Arbeitnehmern paritätisch besetzte Einigungsämter eingesetzt.[112]

Friedensresolution und innenpolitische RadikalisierungDennoch war die Macht der OHL beträchtlich. Ihr gelang es, gegen die zivile Reichsleitungden unbeschränkten U-Bootkrieg durchzusetzen.[113] Inzwischen hatten die Blockade, dieUmstellung auf kriegswichtige Produktion, Transportschwierigkeiten und andere Gründe zueiner seit der frühindustriellen Zeit unbekannten sozialen Not bis hin zu akutemNahrungsmangel („Steckrübenwinter“ 1916/17) und Hungerunruhen geführt.[114] Auchdadurch stieg der politische Druck an. Die Linksliberalen ergriffen im März 1917 dieGelegenheit, um auf eine Parlamentarisierung des Reiches zu drängen. Dem schlossen sichStresemann für die Nationalliberalen, Philipp Scheidemann im Namen der SPD und auchdas Zentrum an. Bethmann-Hollweg versuchte, sich der neuen Lage anzupassen. Allerdingsfolgte ihm der Kaiser in seiner „Osterbotschaft“[115] vom 7. April 1917 nur teilweise. Unterder kriegsmüden Arbeiterbevölkerung begannen Massenstreiks und die soeben neugegründete USPD[116] , hervorgegangen aus der sozialdemokratischenArbeitsgemeinschaft, fand großen Zuspruch. Auch die nunmehrigeMehrheitssozialdemokratie (MSPD) verlangte ein deutlicheres Entgegenkommen. Als dieRegierung ablehnend reagierte, ergriff Erzberger vom Zentrum die Initiative zu einerFriedensresolution des Reichstages, die in Beratungen zwischen Vertretern der Links- undNationalliberalen, des Zentrums und der SPD entstand. Aus diesen Treffen ging derinterfraktionelle Ausschuss von Linksliberalen, SPD und Zentrum hervor. Wegen dervermittelnden Haltung des Kanzlers begann auch die OHL sich gegen Bethmann-Hollwegzu wenden und beim Kaiser auf dessen Entlassung zu drängen.[117] Als sich imZusammenhang mit der Friedensresolution die Parteien von den Konservativen bis zu denSozialdemokraten aus unterschiedlichen Gründen gegen den Kanzler aussprachen, war diePosition Bethmann-Hollwegs nicht mehr zu halten.[118]

Nachfolger wurde überraschend Georg Michaelis. Dieser erwies sich als kaum in der Lage, den diktatorischen Bestrebungen der OHL entgegenzutreten. Da sich die Militärs dagegen aussprachen, hatte etwa die Friedensresolution des Reichstages ebenso wenig praktische Bedeutung wie die Friedensinitiative des Papstes von 1917. Die Initiative des Reichstages, die sich für einen Verständigungsfrieden ohne Annexionen aussprach, führte allerdings dazu, dass sich auf der politischen Rechten eine neue Sammlungsbewegung bildete. Die Deutsche Vaterlandspartei[119] , maßgeblich von Wolfgang Kapp gegründet, hatte 1918 etwa 300.000 Mitglieder und agitierte für einen siegreichen „Hindenburgfrieden“ mit zahlreichen Annexionen. Auch die Unterstützung der Behörden für die Vaterlandspartei kostete den Reichskanzler das Vertrauen des Parlaments. Sein Nachfolger wurde der

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ehemalige bayerische Ministerpräsident Georg von Hertling. Dieser musste auf Druck derParteien den Fortschrittsliberalen Friedrich von Payer zum Vizekanzler machen und sichauf ein Programm des Parlaments verpflichten lassen. Hertling blieb allerdings Gegnereiner Parlamentarisierung des Reiches und ging Konfrontationen mit der OHL aus demWeg. Diese setzte nach der Oktoberrevolution im Osten die militärische Besetzung weitererGebiete durch. Damit hintertrieb die militärische Führung auch jede Möglichkeit, mit denGegnern im Westen zu einem Verständigungsfrieden zu kommen.[120]

Oktoberreformen und das Ende der MonarchieHauptartikel: Novemberrevolution

„Der Kaiser hat abgedankt. [...] Dasalte und morsche, die Monarchie istzusammengebrochen. Es lebe das

Neue. Es lebe die deutscheRepublik!“[121] Der SPD-Politiker

Philipp Scheidemann bei derAusrufung der Republik am am 9.

November 1918.

Immerhin blieb das Bündnis aus MSPD, Linksliberalenund Zentrum als Gegenpol zur OHL erhalten. Allerdingsgab es zwischen den Parteien erhebliche Konflikte. AlsEnde Januar 1918 Hunderttausende von Arbeiterngegen die Unterbrechung der Verhandlungen inBrest-Litowsk streikten[122] , traten führendeSozialdemokraten wie Scheidemann, Friedrich Ebertund Otto Braun in die Streikleitung ein. Dies rief unterden bürgerlichen Parteien erhebliche Kritik hervor. Alsnach dem Durchbruch der Alliierten bei Amiens am 8.August 1918 immer deutlicher wurde, dass der Kriegverloren sein würde, hat die Parlamentsmehrheitletztlich auch mit Zustimmung des Zentrums Hertlinggestürzt und forderte die endgültigeParlamentarisierung des Reiches.[123] Parallel sahenauch Teile der Regierung und schließlich auch Hertlingselbst die Notwendigkeit von Konzessionen, um einerRevolution zuvorzukommen. Bereits am 14. August1918 hatte die OHL die militärische Lage alsaussichtslos eingestuft und forderte am 29. Septemberdie Ausarbeitung eines Waffenstillstandsangebots.[124]

Dies sollte durch eine parlamentarische Regierunggeschehen, um so die Verantwortung für die Niederlageden Parteien zuweisen zu können. Der Kaiser konnteangesichts dieses Drucks von allen Seiten nur noch zustimmen. Gebildet wurde daraufhineine Koalition aus MSPD, Fortschrittlicher Volkspartei und Zentrum und dem Prinzen Maxvon Baden als Reichskanzler. Noch vor der offiziellen Ernennung setzte die OHL durch,dass die neue Regierung unmittelbar nach Amtsantritt bei Präsident Woodrow Wilson umeinen Waffenstillstand nachsuchen sollte, um so die vor dem Zusammenbruch stehendeArmee noch retten zu können. Als die OHL Ende Oktober einen Rückzieher machte, entließKaiser Wilhelm II. Ludendorff, während

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Flucht Wilhelms II. am 10. November1918: Der vormalige Kaiser (Bildmitte

bzw. vierter von links) auf demBahnsteig des

belgisch-niederländischenGrenzübergangs Eysden kurz vor

seiner Abreise ins niederländische Exil

Hindenburg im Amt blieb. Am 26. Oktober 1918 hat derReichstag die Parlamentarisierung des Reiches auchoffiziell durch Gesetze (Oktoberreform) vollzogen.Bereits am 15. Oktober hatte das preußischeAbgeordnetenhaus das Ende des Dreiklassenwahlrechtsbeschlossen.[125]

Die Reformen kamen freilich zu spät, um das Kaiserreich noch retten zu können. DerFlottenbefehl vom 24. Oktober 1918 zum Auslaufen der Flotte gegen die überlegene RoyalNavy löste einen Matrosenaufstand aus, der sich innerhalb weniger Tage zur Revolution,der Novemberrevolution entwickelte. In zahlreichen deutschen Städten wurden Arbeiter-und Soldatenräte gegründet. Kurt Eisner rief in München den Freistaat Bayern aus. DieRevolution erfasste am 9. November auch Berlin, wo Reichskanzler Max von Baden ausSorge vor einem radikalen politischen Umsturz eigenmächtig die Abdankung des Kaisersbekannt gab und die Reichskanzlerschaft auf den Vorsitzenden der SPD, Friedrich Ebert,übertrug. Am Nachmittag desselben Tages rief Philipp Scheidemann die Deutsche Republikaus. Karl Liebknecht vom Spartakusbund proklamierte die Freie Sozialistische RepublikDeutschland. Der Kaiser wurde von Vertrauten zur Abdankung gedrängt, um die Situationzu entschärfen und evtl. die Monarchie zu retten. Am 10. November begab er sich insniederländische Exil. Die meisten anderen deutschen Fürsten dankten freiwillig ab.

Das Kaiserreich in der HistoriographieDie Geschichte des Kaiserreichs wurde seit ihrem Beginn nicht zuletzt vor demHintergrund der jeweiligen politischen Situation immer wieder unterschiedlichinterpretiert. Nach der Gründung des neuen Reiches dominierte zunächst einepreußisch-kleindeutsche Interpretationslinie. Der Basler Historiker Jacob Burckhardtbefürchtete schon 1871, dass nun „die ganze Weltgeschichte von Adam an siegesdeutschangestrichen und auf 1870 bis 1871 orientiert sein wird.“[126] Tatsächlich haben dieeinflussreichen Historiker Heinrich von Sybel und Heinrich von Treitschke die bisherigedeutsche Geschichte auf die Reichseinigung zulaufen lassen und dabei die Rolle Preußensbetont. Im Gegensatz etwa zu Johann Gustav Droysen traten bei diesen nationalliberalenInterpreten die liberaldemokratischen Hoffnungen zurück. Stattdessen wurde die Machtdes Nationalstaates und der Genius von Bismarck hervorgehoben. Diese Interpretationblieb im Kern auch während des wilhelminischen Reiches führend.[127]

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Heinrich von Sybel

Vor allem während des Ersten Weltkrieges wurde vonHistorikern die Existenz eines deutschen Sonderwegesbehauptet, indem das Kaiserreich als bessereAlternative sowohl zu Demokratie und Kapitalismus desWestens, als auch zur autokratischen Herrschaft desZaren beschrieben wurde. Negativ gewendet, etwa mitHinweisen auf den deutschen Militarismus undübersteigerten Nationalismus, wurde dieSonderwegsthese bei den Alliierten aufgenommen.[128]

Erst in der Weimarer Republik konnte das Kaiserreichals eine abgeschlossene Zeitepoche betrachtet werden.Dennoch blieb bis weit in die 1980er Jahrekennzeichnend, dass die Geschichte des Kaiserreichskontrovers vor dem Hintergrund der jeweiligen Zeit diskutiert wurde. Dabei gab esSchwerpunkte der Debatten. In den 1920er Jahren stand die Kriegsschuldfrage imZentrum.[129] Neben einer dominanten Richtung, die sich gegen eine KriegsschuldDeutschlands aussprach und das Kaiserreich weiterhin positiv bewertete, gab es eineMinderheit, die sich wie Johannes Ziekursch oder Eckart Kehr kritisch mit dem Kaiserreichauseinandersetzte.[130] Während des Dritten Reiches gab es einerseits eine ehertraditionelle nationalkonservative Deutung der Zeit seit 1871. Daneben gab es andererseitsvon der vom Regime geförderten Volkstumsgeschichte Kritik am „unvollendeten Reich.“Eine vermittelnde Interpretation von Erich Marcks deutete die BismarckscheReichsgründung als eine erste Stufe der Nationalstaatsbildung, die Adolf Hitler vollendethabe.[131]

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde eine Kontinuitätslinie von Bismarck über Wilhelm II.bis hin zu Hitler diskutiert. Allerdings dominierte dabei zunächst noch eine eherkonservative Sichtweise. Theodor Schieder räumte vorsichtig gewisse Defizite des Staatesein, als er davon sprach, dass das Kaiserreich als Nationalstaat, als Verfassungsstaat undals Kulturstaat unvollendet gewesen wäre. Auch Gerhard Ritter erkannte einigeStrukturprobleme, etwa bei der Einhegung des Militarismus, blieb insgesamt allerdingsdoch einer eher konservativen Traditionslinie verpflichtet. Nicht zuletzt versuchten dieDarstellungen der Nachkriegszeit Deutschland in einen gesamteuropäischen Kontexteinzubetten und die Sonderwegsthese so zu verwerfen. Ebenso wurde nach dem Krieg auchdiskutiert, inwieweit die kleindeutsche Lösung von 1866 unausweichlich gewesen sei.[132]

Das Kaiserreich erlebte seine Hochkonjunktur als Forschungsgegenstand ab den 1960er Jahren, als mit der Fischer-Kontroverse wieder die Kriegsschulddebatte in den Vordergrund rückte. Dabei standen nicht nur die handelnden Personen, sondern – anknüpfend an die geschichtswissenschaftlichen Vorläufer aus den 1920er Jahren – auch strukturelle Defizite des Reiches im Mittelpunkt. Diese Debatte ging in den 1970er und frühen 1980er Jahren in die von der Bielefelder Schule wieder aufgegriffene (negative) Sonderwegsthese über. Nicht zuletzt durch die kompakte Kaiserreichstudie von Hans-Ulrich Wehler (1973) kamen in den 1970er Jahren weitere Fragestellungen etwa über die Innere Reichsgründung, die Kolonialpolitik Bismarcks und schließlich nach der Modernität des Wilhelminischen Reiches hinzu. Für den Aufschwung spielte nicht zuletzt ein Generationswechsel in der Geschichtswissenschaft eine Rolle. Autoren wie Wehler, Wolfgang J. Mommsen, Gerhard A. Ritter, Heinrich August Winkler oder Jürgen Kocka hatten eine ganz andere, westlich

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geprägte, intellektuelle Sozialisation hinter sich als ihre Vorgänger.[133]

In den 1980er Jahren ließ die Konjunktur der Kaiserreichforschung deutlich nach. Lag derAnteil der Artikel zum Deutschen Kaiserreich in der Historischen Zeitschrift von 1966–1977bei 27 % fiel er zwischen 1986 und 1990 auf unter 10 % ab. In der Zeitschrift Geschichteund Gesellschaft machte der Anteil zwischen 1975 und 1979 noch ein Drittel aus, zwischen1995 und 1999 waren es nur noch ein Viertel.[134] Auch die deutsche Wiedervereinigungrief kein verstärktes Interesse am Thema hervor. Wichtiger für das gesellschaftlicheSelbstverständnis wurden die Debatten über die NS-Zeit und die Entwicklung nach demZweiten Weltkrieg. Mittlerweile ist das Kaiserreich ein „normaler“ Forschungsbereichneben zahlreichen anderen, der anders als in den 1960–1980er Jahren nicht mehr für breitefachwissenschaftliche oder gar gesellschaftliche Kontroversen sorgt. Dabei haben sichallerdings die methodischen Zugriffsweisen und behandelten Sachthemen ausgeweitet. Inden 1990er Jahren kam es etwa zu einem neuen Interesse an politikgeschichtlichen undkulturgeschichtlichen Fragestellungen. Immer wichtiger wurden auch vergleichendeForschungen etwa zu Adel und Bürgertum, aber auch die Nationalismusforschung wurdeverstärkt. Dabei kam es teilweise etwa in der Bürgertumsforschung zu Relativierungenfrüherer Auffassungen. Immer wichtiger wurden auch die regionalen Unterschiede imKaiserreich und die Erforschung der „sozialmoralischen Milieus“. Insgesamt spielt dasKaiserreich, anders als in den 1970er Jahren, als Vorgeschichte des Dritten Reichs einegeringere Rolle, wichtiger wurde das Kaiserreich als ein Beispiel für den gesellschaftlichen,politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Wandel vor dem Hintergrund vonIndustrialisierung und Demokratisierung. An die Stelle der Sonderweg-Thesen trattendenziell die deutende Einbettung in den gesamteuropäischen Kontext.[135]

Reichskanzler des Deutschen Kaiserreiches

Name Amtsantritt Ende der Amtszeit

Fürst Otto von Bismarck 21. März 1871 20. März 1890

Graf Leo von Caprivi 20. März 1890 26. Oktober 1894

Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst 29. Oktober 1894 17. Oktober 1900

Fürst Bernhard von Bülow 17. Oktober 1900 14. Juli 1909

Theobald von Bethmann Hollweg 14. Juli 1909 13. Juli 1917

Georg Michaelis 14. Juli 1917 1. November 1917

Georg Graf von Hertling 1. November 1917 30. September 1918

Prinz Max von Baden 3. Oktober 1918 9. November 1918

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Zitate„Exstirpation des deutschen Geistes zugunsten der deutschen Reiches.“– Friedrich Nietzsche zur Gründung des Deutschen Reiches 1871, in: UnzeitgemäßeBetrachtungen, 1873–1876, Erstes Stück, Kapitel 1

Siehe auch• Geschichte Deutschlands• Geschichte der Parteien in Deutschland• Titulatur und Wappen (Deutsche Kaiser nach 1873)• Liste der Flaggen des Deutschen Kaiserreichs

LiteraturÜberblicksdarstellungen• Ewald Frie: Das Deutsche Kaiserreich (= Kontroversen um die Geschichte).

Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2004, ISBN 3-534-14725-1.• Klaus Hildebrand: Das vergangene Reich. Deutsche Außenpolitik von Bismarck bis Hitler.

Stuttgart 1996, ISBN 3-548-26557-X.• Heinrich Hirschfelder, Wilhelm Nutzinger: Das Kaiserreich 1871–1918. 2.Auflage,

Bamberg 1999, ISBN 3-7661-4632-7.• Gerd Hohorst, Jürgen Kocka, Gerhard A. Ritter: Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch Bd.2:

Materialien zur Statistik des Kaiserreichs 1870–1914. München 1978, ISBN3-406-05406-4.

• Matthew Jefferies: Imperial Culture in Germany, 1871–1918. New York und London 2003,ISBN 1-4039-0421-9.

• Wilfried Loth: Das Kaiserreich. Obrigkeitsstaat und politische Mobilisierung. München1996, ISBN 3-423-04505-1.

• Martina G. Lüke:Zwischen Tradition und Aufbruch. Deutschunterricht und Lesebuch imDeutschen Kaiserreich. Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-631-56408-0.

• Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1866–1918. Arbeitswelt und Bürgergeist.München 1990, ISBN 3-406-34453-4.

• Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1866–1918. Machtstaat vor der Demokratie. C.H. Beck, München 1992, ISBN 3-406-34801-7.

• Michael Stürmer: Das ruhelose Reich. Deutschland 1866–1918. Berlin 1983, ISBN3-442-75526-3.

• Hans-Peter Ullmann: Das deutsche Kaiserreich 1871–1918. Frankfurt 1995, ISBN3-518-11546-4.

• Volker Ullrich: Die nervöse Großmacht. Aufstieg und Untergang des deutschenKaiserreichs 1871–1918. 5. Aufl., Frankfurt am Main 2004, ISBN 3-596-11694-5.

• Volker Ullrich: Deutsches Kaiserreich. Fischer Kompakt. Frankfurt am Main 2006, ISBN3-596-15364-6.

• Hans-Ulrich Wehler: Das Deutsche Kaiserreich 1871–1918. Vandenhoeck und Ruprecht,Göttingen 1973, ISBN 3-525-33542-3.

• Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Bd. 3: Von der deutschenDoppelrevolution bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges. 1849–1914. München 1995,ISBN 3-406-32490-8.

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• Heinrich August Winkler: Der lange Weg nach Westen. Deutsche Geschichte 1806–1933.Bd. 1, Bonn 2002, ISBN 3-89331-463-6.

Ära Bismarck• Wolfgang J. Mommsen: Das Ringen um den nationalen Staat. Die Gründung und der

innere Ausbau des Deutschen Reiches unter Otto von Bismarck, 1850 bis 1890. Berlin1993 (= Propyläen Geschichte Deutschlands 7/1), ISBN 3-549-05817-9.

Wilhelminische Epoche• Wolfgang J. Mommsen: Bürgerstolz und Weltmachtstreben. Deutschland unter Wilhelm

II. 1890 bis 1918. Berlin 1995 (= Propyläen Geschichte Deutschlands 7/2), ISBN3-549-05820-9.

• John C. G. Röhl: Kaiser, Hof und Staat. Wilhelm II. und die deutsche Politik [136] in derGoogle Buchsuche. C. H. Beck, München ³1988 (TB 2002), ISBN 978-3-406-49405-5.

• John C. G. Röhl: Wilhelm II., C. H. Beck, München 1993–2008:• Band 1: Die Jugend des Kaisers, 1859–1888 [137] in der Google Buchsuche. München

1993, ²2001, ISBN 3-406-37668-1.• Band 2: Der Aufbau der Persönlichen Monarchie, 1888–1900 [138] in der Google

Buchsuche. München 2001, ISBN 3-406-48229-5.• Band 3: Der Weg in den Abgrund, 1900–1941. München 2008, ISBN

978-3-406-57779-6. (online-Rezension von Lothar Machtan, Institut fürGeschichtswissenschaft, Universität Bremen [139] auf H-Soz-u-Kult)

Kaiserreich und Erster Weltkrieg• Fritz Fischer: Griff nach der Weltmacht. Die Kriegszielpolitik des kaiserlichen

Deutschland 1914/18 (1961), Droste 2000 (Nachdruck der Sonderausgabe 1967), ISBN3-7700-0902-9.

• Jürgen Kocka: Klassengesellschaft im Krieg. Deutsche Sozialgeschichte 1914–1918.Göttingen 1978, ISBN 3-525-35984-5.

• Gunther Mai: Das Ende des Kaiserreichs: Politik und Kriegführung im Ersten Weltkrieg.München 1993, ISBN 3-423-04510-8.

Weblinks• DHM – Das Kaiserreich [140]

• documentArchiv.de – Dokumente zum Deutschen Kaiserreich, u. a. Sammlung erlassenerRechtsnormen [141]

• Die Bundesglieder im Deutschen Reich [142]

• Gemeindeverzeichnis des Deutschen Reichs um 1900/1910 [143]

• Gesetz betreffend die Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871 [144]

• Umfangreiche Seite zum Deutschen Kaiserreich [145]

• Überblicksartige Monographie zum Kaiserreich von Gerd Feser (PDF) [146] (296 kB)• Reichstagsprotokolle 1867–1895 [147]

• Deutsche Geschichte in Bildern und Dokumenten. 1866–1890 [148], 1890–1918 [149]

• HGIS-Germany [150] – historisch-geographisches Informationssystem der deutschenStaatenwelt seit 1815 (konkret: 1820–1914)

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Referenzen[1] F.-W. Henning: Die Industrialisierung in Deutschland 1800 bis 1914. Schöningh, Paderborn 1973. S. 203 ff.[2] Schreiben Bismarcks an Ludwig II. von Bayern (27. November 1870) (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/

sub_document. cfm?document_id=593) (auf germanhistorydocs).[3] Schlusskonsultationen vor der Kaiserproklamation (17.–18. Januar 1871) (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc.

org/ sub_document. cfm?document_id=595) (auf germanhistorydocs).[4] Loth: Kaiserreich, S. 33–35.[5] Loth, Kaiserreich, S. 36, ausführlich zur Rolle des Bundesrates: Nipperdey, Machtstaat vor der Demokratie, S.

88–96.[6] Nipperdey, Machtstaat vor der Demokratie, S. 98–102.[7] Nipperdey, Machtstaat vor der Demokratie, S. 102–108.[8] Wehler, Gesellschaftsgeschichte Bd.3, S. 857–864.[9] Den Begriff prägte Bernhard von Bülow in einem Brief an Graf Eulenburg 1896, vgl. ders., Politische

Korrespondenz (hrsg. v. John Röhl), Bd. 3, S. 1714 (Nr. 1245).[10] Vgl. einschlägig John Röhl, Kaiser, Hof und Staat. Wilhelm II. und die deutsche Politik, München ³1988, sowie

Wehler, Gesellschaftsgeschichte Bd. 3, S. 854–857, S. 1016–1020; zur Diskussion zusammenfassend Frie,Kaiserreich, S. 69–80.

[11] Wehler, Gesellschaftsgeschichte Bd.3, S. 877 f.[12] Geheimerlaß zum Einsatz von Militär bei inneren Unruhen (1907) (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/

sub_document. cfm?document_id=744) (auf germanhistorydocs).[13] Wilhelm II. über den „Adel der Gesinnung“ im Offizierskorps (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/

sub_document. cfm?document_id=662) (auf germanhistorydocs).[14] Zur Ideologie des Offizierskorps (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/ sub_document.

cfm?document_id=665) (auf germanhistorydocs).[15] Wilhelm I. zum Standesethos der preußischen Offiziere (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/

sub_document. cfm?document_id=662) (auf germanhistorydocs).[16] Wehler, Gesellschaftsgeschichte Bd. 3, S. 873–885, S. 1109–1138, Nipperdey, Machtstaat, S. 230–238.[17] John Munro: German banking and commercial organization (http:/ / web. archive. org/ web/

20070107145611/ http:/ / www. economics. utoronto. ca/ munro5/ 23gerbnk. pdf) (englisch).[18] Dazu grundlegend: Gerhard A. Ritter, Klaus Tenfelde: Arbeiter im Deutschen Kaiserreich 1871 bis 1914.

Bonn 1992, ISBN 3-8012-0168-6.[19] dazu Lüke, insbes. S. 81–134 und S. 278–296.[20] Vgl. dazu Hans-Ulrich Wehler: Das Deutsche Kaiserreich 1871–1918, S. 47–49.[21] zu den Konfessionen ausführlich: Nipperdey: Arbeitswelt und Bürgergeist, S. 428–531, Wehler:

Gesellschaftsgeschichte Bd. 3, S. 1171–1190.[22] Zahlen zitiert nach: J. Schmidt-Liebich (Hrsg.): Deutsche Geschichte in Daten, Band 2: 1770–1918, 1981, S.

314, Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN 3-423-03195-6[23] zur jüdischen Bevölkerung: Nipperdey: Arbeitswelt und Bürgergeist, S. 396–413.[24] Volker Ullrich: Die nervöse Großmacht. II.4: Die Ausbreitung des Antisemitismus. Fischer Taschenbuch

Verlag, 2. Auflage August 1999, ISBN 3-596-11694-5[25] Quelle: Meyers Konversationslexikon Bd. 4, S. 817 (http:/ / susi. e-technik. uni-ulm. de:8080/ Meyers2/ seite/

werk/ meyers/ band/ 4/ seite/ 0817/ meyers_b4_s0817. html).[26] Vgl. dazu grundlegend Martina G. Lüke:Zwischen Tradition und Aufbruch. Deutschunterricht und Lesebuch

im Deutschen Kaiserreich. Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-631-56408-0.[27] Wehler: Gesellschaftsgeschichte Bd. 3, S. 961–965, Nipperdey: Machtstaat vor der Demokratie, S. 266–285.[28] Ullmann: Kaiserreich, S. 129.[29] Karl Rohe: Wahlen und Wählertraditionen in Deutschland. Kulturelle Grundlagen deutscher Parteien und

Parteisysteme im 19. und 20. Jahrhundert. Frankfurt 1992, ISBN 3-518-11544-8.[30] Ullmann: Kaiserreich, S. 26–137, zu den wirtschaftlichen Interessenverbänden s. auch: Pierenkemper:

Gewerbe und Industrie, S. 74–87, zur wissenschaftlichen Diskussion in Bezug auf die Milieubildung vergleicheetwa Ewald Frie: Das Deutsche Kaiserreich. Kontroversen um die Geschichte, Darmstadt 2004, S. 94–117.

[31] Erinnerung an eine Sedansfeier in den 1870er Jahren (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/ sub_document.cfm?document_id=661) (auf germanhistorydocs) und, hinsichtlich der Erziehung von Jugendlichen, Lüke, S. 82f., S. 216–292 und S. 362 ff.

[32] Nipperdey: Machtstaat, S. 250–266, Winkler: Weg nach Westen, S. 214–246.[33] Ullmann: Kaiserreich, S. 51 f., S. 58, Loth: Kaiserreich, S. 44.[34] Ullmann: Kaiserreich, S. 52–54, Loth: Kaiserreich, S. 46 f.[35] Loth, Kaiserreich, S. 51.

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[36] Winkler, Weg nach Westen, Bd. 1, S. 222, Loth, Kaiserreich, S. 51.[37] § 130 a Strafgesetzbuch (sogenannter Kanzelparagraph) vom 10. Dezember 1871 (http:/ / germanhistorydocs.

ghi-dc. org/ sub_document. cfm?document_id=669).[38] Gesetz zum Verbot des Jesuitenordens vom 4. Juli 1872 (http:/ / www. documentArchiv. de/ ksr/ 1872/

orden-jesu-verbot_ges. html).[39] Gesetz betreffend die Beaufsichtigung des Unterrichts- und Erziehungswesens (11. März 1872) (http:/ /

germanhistorydocs. ghi-dc. org/ sub_document. cfm?document_id=670).[40] Ullmann: Kaiserreich, S. 55–57, Winkler: Weg nach Westen, Bd. 1., S. 224 f.[41] Loth, Kaiserreich, S. 49.[42] Briefauszug an Eduard Lasker von Karl Biedermann zu den Ausnahmegesetzen von 1872 (http:/ /

germanhistorydocs. ghi-dc. org/ sub_document. cfm?document_id=671).[43] Ullmann, Kaiserreich, S. 58 f., Nipperdey, Machtstaat, S. 361, Loth. Kaiserreich, S. 49.[44] Ullmann: Kaiserreich, S. 60–68, Winkler: Weg nach Westen, S. 227.[45] Max von Forckenbeck an Franz von Stauffenberg über die Notwendigkeit nationalliberaler Opposition (19.

Januar 1879) (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/ sub_document. cfm?document_id=659) (aufgermanhistorydocs).

[46] Erklärung der liberalen Sezessionisten (30. August 1880) (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/sub_document. cfm?document_id=660) (auf germanhistorydocs).

[47] Frie, Kaiserreich, S. 32–38.[48] Ullmann, Kaiserreich, S. 70.[49] zum Schwenk der Liberalen etwa: Winkler, Weg nach Westen, S. 240, Eduard Stephani an Rudolf von

Bennigsen über nationalliberale Motive, Bismarck zu unterstützen (14. Juli 1878) (http:/ / germanhistorydocs.ghi-dc. org/ sub_document. cfm?document_id=674) (auf germanhistorydocs).

[50] August Bebel verurteilt die vorgeschlagene antisozialistische Gesetzgebung im Reichstag (16. September1878) (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/ sub_document. cfm?document_id=676) (auf germanhistorydocs).

[51] Ullmann: Kaiserreich, S. 70–72, Winkler: Weg nach Westen, S. 240–242.[52] Winkler: Weg nach Westen, S. 238 f.[53] Winkler: Weg nach Westen, S. 242–244, Ullmann: Kaiserreich, S. 73–76.[54] Nipperdey, Arbeitswelt und Bürgergeist, S. 341 ff., Ullmann, Kaiserreich, S. 180 f.[55] Ullmann, S. 85–88.[56] Ullmann, Kaiserreich, S. 89–91.[57] Zitiert nach Ullmann: Kaiserreich, S. 78.[58] Ullmann, Kaiserreich, S. 76–79.[59] Ziele der deutschen Kolonialgesellschaft (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/ sub_document.

cfm?document_id=668) (auf germanhistorydocs).[60] Ullmann, S. 80–82.[61] Ullmann, Kaiserreich, S. 83, 85.[62] Winkler, Weg nach Westen, S. 257.[63] Ullmann, Kaiserreich, S. 158.[64] Winkler, Weg nach Westen, S. 259 f., Ullmann, Kaiserreich, S. 91–93.[65] Hans Hermann Freiherr von Berlepsch, „Warum betreiben wir die soziale Reform“ (1903) (http:/ /

germanhistorydocs. ghi-dc. org/ sub_document. cfm?document_id=745) (auf germanhistory docs).[66] Programm des BdL (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/ sub_document. cfm?document_id=762) (auf

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sub_document. cfm?document_id=758) (auf germanhistorydocs).[68] Ullmann, Kaiserreich, S. 138–145.[69] Zuchthausvorlage (auf germanhistorydocs) (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/ sub_document.

cfm?document_id=743)[70] Ullmann: Kaiserreich, S. 145–147, Winkler: Weg nach Westen, S. 269 f.[71] Winkler: Weg nach Westen, S. 270–272, Ullmann: Kaiserreich, S. 147–149.[72] Die Flotte und die deutsch-englischen Beziehungen: Brief des Konteradmirals Tirpitz an Admiral von Stosch

(13. Februar 1896) (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/ sub_document. cfm?document_id=791) (aufgermanhistorydocs).

[73] Aufgaben und Tätigkeit des Nachrichtenbüros (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/ sub_document.cfm?document_id=763) (auf germanhistorydocs).

[74] Ullmann: Kaiserreich, S. 150 f., Winkler: Weg nach Westen, S. 272–274.[75] Vertrag zwischen Deutschland und England über die Kolonien und Helgoland (1. Juli 1890) (http:/ /

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Page 66: Deutsches  Kaiserreich

Deutsches Kaiserreich 66

[76] Kündigung des Rückversicherungsvertrages (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/ sub_document.cfm?document_id=778) (auf germanhistorydocs).

[77] von Bülows zu den Zielen der Außenpolitik (1899) (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/ sub_document.cfm?document_id=779) (auf germanhistorydocs).

[78] Bernhard von Bülow über Deutschlands „Platz an der Sonne“ (1897) (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/sub_document. cfm?document_id=783) (auf germanhistorydocs).

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[80] Pachtvertrag zwischen China und dem Deutschen Reich (6. März 1898) (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc.org/ sub_document. cfm?document_id=785) (auf germanhistorydocs).

[81] Ullmann: Kaiserreich, S. 154–163, Winkler: Weg nach Westen, S. 274–277.[82] Bernhard von Bülow löst aufgrund der kolonialen Streitfrage den Reichstag auf (13. Dezember 1906) (http:/ /

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germanhistorydocs).[86] Loth: Kaiserreich, S. 123–131, Ullmann: Kaiserreich, S. 167–172.[87] Ullmann, Kaiserreich S. 204–206.[88] Bericht über die Verfassungsberatungen der Reichstagskommission (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/

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1914) (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/ sub_document. cfm?document_id=800) (auf germanhistorydocs).[99] Intervention der Armee anlässlich der Julikrise: Helmuth J. L. von Moltke an Theobald von Bethmann Hollweg

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[100] Ullmann: Kaiserreich, S. 219–227.[101] Ullmann: Kaiserreich, S. 228–234.[102] Beschäftigungsentwicklung Männer und Frauen (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/ sub_document.

cfm?document_id=973).[103] Preisteigerungen 1913–1920 (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/ sub_document.

cfm?document_id=986) (auf germanhistorydocs).[104] Übersicht über Prinzipien der Rationalisierung (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/ sub_document.

cfm?document_id=1091) (auf germanhistorydocs).[105] Bei aller Kritik immer noch grundlegend: Jürgen Kocka: Klassengesellschaft im Krieg. Deutsche

Sozialgeschichte 1914–1918. Göttingen 1978.[106] Der Kaiser spricht vom Balkon des königlichen Schlosses (1. August 1914) (http:/ / germanhistorydocs.

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Deutsches Kaiserreich 67

[111] Hilfsdienstgesetz (Dezember 1916) (auf germanhistorydocs) (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/sub_document. cfm?document_id=953).

[112] Loth, S. 147–149.[113] Admiral von Holtzendorff zu den Zielsetzungen des uneingeschränkten U-Bootkrieges (http:/ /

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cfm?document_id=931) (auf germanhistorydocs).[118] Loth: Kaiserreich, S. 149–157.[119] Vaterlandspartei 1917 (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/ sub_document. cfm?document_id=971) (auf

germanhistorydocs).[120] Loth: Kaiserreich, S. 157–160.[121] zit. nach Michalka u. Niedhart (Hg.): Deutsche Geschichte 1918-1933, S. 20 f.[122] Januarstreiks 1918 (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/ sub_document. cfm?document_id=974) (auf

germanhistorydocs).[123] Forderungen nach der Parlamentarisierung Oktober 1917 (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/

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1918) (http:/ / germanhistorydocs. ghi-dc. org/ sub_document. cfm?document_id=814) (auf germanhistorydocs).[125] Loth: Kaiserreich, S. 162–166.[126] zit. nach Frie: Deutsches Kaiserreich, S. 3.[127] Frie, Deutsches Kaiserreich, S. 3 f.[128] Frie: Deutsches Kaiserreich, S. 5.[129] Frie, Deutsches Kaiserreich, S. 119.[130] Frie, Deutsches Kaiserreich, S. 5 f.[131] Loth: Kaiserreich, S. 205, Frie: Deutsches Kaiserreich, S. 6 f.[132] Loth: Kaiserreich, S. 204, Frie: Deutsches Kaiserreich, S. 10, S. 119.[133] Frie, Deutsches Kaiserreich, S. 8–10, S. 120.[134] Frie: Deutsches Kaiserreich, S. 119 f.[135] Frie: Deutsches Kaiserreich, S. 121 f., zu aktuellen Debatten: Tagungsbericht: Das Deutsche Kaiserreich in

der Kontroverse – Probleme und Perspektiven (http:/ / hsozkult. geschichte. hu-berlin. de/ tagungsberichte/id=1469& sort=datum& order=down& search=strukturgeschichte).

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Quellen und Bearbeiter des Artikels 68

Article Sources and ContributorsDeutsches Kaiserreich  Quelle: http://de.wikipedia.org/w/index.php?oldid=61972802  Bearbeiter: 08-15, 103II, ALE!, APPER, Aka, Albrecht Jäkel,Alexander Fischer, Alexander Z., Alkab, Alma, Alopex, Alrahad, Amire80, Ammonius, Anathema, AndreasPraefcke, Anitagraser, Arma, Armin P., AsakuraAkira, Asdrubal, Assault, Atomiccocktail, Axarches, Bachforelle, Balbor T'han, Balubaer, Benno686, Benowar, Benzen, Bernardissimo, BerndGehrmann,BetaenBerlin, Big Boss, Birger Fricke, Blaufisch, Brunswyk, Bwag, C.Löser, C3zar, Calzino, Carbidfischer, Carolus Ludovicus, Chaddy, Chrisfrenzel,Christophe Watier, CommonsDelinker, Complex, Constantius, Ctsu, D, DEr devil, DaB., Danaus, Daniel Baránek, Darev, DarkBlueAngel, DasBee, DavidLiuzzo, Decius, Delian, Der Eberswalder, Der Sepp Moll, DerHexer, Destrudo, Devil5, Diba, DieBuche, DieLachendeMehrheit, Dishayloo, Dobschuetz,Don Magnifico, Dundak, Emkaer, Erik Zachte, Fantom, Feldwebel, Felix Stember, Fingalo, Firefox13, Fit, Florian Adler, Florian.Keßler, Fornax,FourSeasons, Franczeska, Frank Schulenburg, Furfur, G, Gancho, Gereon K., Gledhill, Greenx, Gsus665, Gustavo Siqueira, H0tte, HaSee, Hajotthu,Hansele, Harmonica, Haschen nach Wind, Hausmaus, Hdeinert2002, He3nry, Heied, Heinte, Heliozentrik, Henning M, HenrikHolke, Hermann Mueller,Hinterwäldler18, Hoffi08, Horst, HuckTwain, Hydro, Ikm, JCIV, Jan Schreiber, Jcornelius, Jed, Jobu0101, John Eff, Jordi, Kal Meyer, Kam Solusar,Karsten11, Karstenkascais, Kelnor, Kh80, Kimse, KingLion, Konsti, Kresspahl, Kryston, KuK, Kuli, Kunani, Känsterle, Leider, Leipnizkeks, Leit, LeoNavis, Lernerfolg, Lesn, Ljgibbs, Lou.gruber, Louis88, Ludger1961, Lyzzy, MFM, MVska, Mac ON, Machahn, Magadan, Manecke, Mannerheim,MarkGGN, Markus Mueller, Markus Schweiß, Martin-vogel, Mathias Schindler, Maxl, Mecker, Memnon335bc, Menze, Meyer XXIII, Micgot,MichaelFrey, Michail, Minas-tirith, Mnh, Moros, Motix, Mrnett1974, Muck31, Möchtegern, N3MO, NCC1291, Nasiruddin, Newone, Nichtbesserwisser,Nixred, ONAR, OldSatanicDarkAfterPanda, Oliver747, Omi´s Törtchen, Orangerider, Ot, Otberg, Oudeís, PIGSgrame, Paddy, Paramecium, Pcanterino,Perrak, Persephon, Peter200, Peymanpi, Phi, Philipp Wetzlar, Philipweb, Pischdi, Powerchord, Proxy, Q'Alex, Raito Yagami, Rastax, Rat, Ratziputz,Raubfisch, Rax, RedRico, Reissdorf, Ri st, Roderichi, Ronaldo16, SKH.de.ki, SPS, STBR, Samweis, Sansculotte, Saperaud, Schaengel, Schaengel89,Scheppi80, Schnulli00, SeHe, Sebastian Huber, SebastianBreier, Seriosität, Setanta, Sgt bilko, Sidonius, Simeon Kienzle, Sinn, Sipalius, Sirdon, Skriptor,Slartidan, Solid State, Southpark, Speck-Made, StYxXx, SteMicha, Stechlin, StefKa81, Stefanwege, Stolp, Störfix, Sulzbeach, SunRider, Sven-steffenarndt, T.M.L.-KuTV, TA, Tafkas, Testtube, Thanatos, Ticketautomat, Tolanor, Torqemada, Tresckow, Trienchen, Träumer, Tschäfer, Tyalis, Tönjes, Ulitz,Ulukai, Umherirrender, Unscheinbar, Ureinwohner, Volkes Stimme, W!B:, WAH, WIKImaniac, WagnerAndreas, Wahldresdner, WernerE, Wilhelm I,Willicher, Wolpertinger, Wrt, Wulf Isebrand, Yoda1893, YourEyesOnly, Zaraguate, Ziegelbrenner, Ziko, Zollwurf, €pa, 367 anonyme Bearbeitungen

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Quellen, Lizenzen und Autoren des Bildes 69

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GNU Free Documentation LicenseVersion 1.2, November 2002

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0. PREAMBLEThe purpose of this License is to make a manual, textbook, or other functional and useful document "free" in the sense of freedom: to assure everyone the effective freedom to copy andredistribute it, with or without modifying it, either commercially or noncommercially. Secondarily, this License preserves for the author and publisher a way to get credit for theirwork, while not being considered responsible for modifications made by others.This License is a kind of "copyleft", which means that derivative works of the document must themselves be free in the same sense. It complements the GNU General Public License,which is a copyleft license designed for free software.We have designed this License in order to use it for manuals for free software, because free software needs free documentation: a free program should come with manuals providingthe same freedoms that the software does. But this License is not limited to software manuals; it can be used for any textual work, regardless of subject matter or whether it ispublished as a printed book. We recommend this License principally for works whose purpose is instruction or reference.

1. APPLICABILITY AND DEFINITIONSThis License applies to any manual or other work, in any medium, that contains a notice placed by the copyright holder saying it can be distributed under the terms of this License.Such a notice grants a world-wide, royalty-free license, unlimited in duration, to use that work under the conditions stated herein. The "Document", below, refers to any such manual orwork. Any member of the public is a licensee, and is addressed as "you". You accept the license if you copy, modify or distribute the work in a way requiring permission under copyrightlaw.A "Modified Version" of the Document means any work containing the Document or a portion of it, either copied verbatim, or with modifications and/or translated into anotherlanguage.A "Secondary Section" is a named appendix or a front-matter section of the Document that deals exclusively with the relationship of the publishers or authors of the Document to theDocument's overall subject (or to related matters) and contains nothing that could fall directly within that overall subject. (Thus, if the Document is in part a textbook of mathematics, aSecondary Section may not explain any mathematics.) The relationship could be a matter of historical connection with the subject or with related matters, or of legal, commercial,philosophical, ethical or political position regarding them.The "Invariant Sections" are certain Secondary Sections whose titles are designated, as being those of Invariant Sections, in the notice that says that the Document is released underthis License. If a section does not fit the above definition of Secondary then it is not allowed to be designated as Invariant. The Document may contain zero Invariant Sections. If theDocument does not identify any Invariant Sections then there are none.The "Cover Texts" are certain short passages of text that are listed, as Front-Cover Texts or Back-Cover Texts, in the notice that says that the Document is released under this License.A Front-Cover Text may be at most 5 words, and a Back-Cover Text may be at most 25 words.

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A "Transparent" copy of the Document means a machine-readable copy, represented in a format whose specification is available to the general public, that is suitable for revising thedocument straightforwardly with generic text editors or (for images composed of pixels) generic paint programs or (for drawings) some widely available drawing editor, and that issuitable for input to text formatters or for automatic translation to a variety of formats suitable for input to text formatters. A copy made in an otherwise Transparent file format whosemarkup, or absence of markup, has been arranged to thwart or discourage subsequent modification by readers is not Transparent. An image format is not Transparent if used for anysubstantial amount of text. A copy that is not "Transparent" is called "Opaque".Examples of suitable formats for Transparent copies include plain ASCII without markup, Texinfo input format, LaTeX input format, SGML or XML using a publicly available DTD, andstandard-conforming simple HTML, PostScript or PDF designed for human modification. Examples of transparent image formats include PNG, XCF and JPG. Opaque formats includeproprietary formats that can be read and edited only by proprietary word processors, SGML or XML for which the DTD and/or processing tools are not generally available, and themachine-generated HTML, PostScript or PDF produced by some word processors for output purposes only.The "Title Page" means, for a printed book, the title page itself, plus such following pages as are needed to hold, legibly, the material this License requires to appear in the title page.For works in formats which do not have any title page as such, "Title Page" means the text near the most prominent appearance of the work's title, preceding the beginning of the bodyof the text.A section "Entitled XYZ" means a named subunit of the Document whose title either is precisely XYZ or contains XYZ in parentheses following text that translates XYZ in anotherlanguage. (Here XYZ stands for a specific section name mentioned below, such as "Acknowledgements", "Dedications", "Endorsements", or "History".) To "Preserve the Title" of such asection when you modify the Document means that it remains a section "Entitled XYZ" according to this definition.The Document may include Warranty Disclaimers next to the notice which states that this License applies to the Document. These Warranty Disclaimers are considered to be includedby reference in this License, but only as regards disclaiming warranties: any other implication that these Warranty Disclaimers may have is void and has no effect on the meaning ofthis License.

2. VERBATIM COPYINGYou may copy and distribute the Document in any medium, either commercially or noncommercially, provided that this License, the copyright notices, and the license notice saying thisLicense applies to the Document are reproduced in all copies, and that you add no other conditions whatsoever to those of this License. You may not use technical measures to obstructor control the reading or further copying of the copies you make or distribute. However, you may accept compensation in exchange for copies. If you distribute a large enough numberof copies you must also follow the conditions in section 3.You may also lend copies, under the same conditions stated above, and you may publicly display copies.

3. COPYING IN QUANTITYIf you publish printed copies (or copies in media that commonly have printed covers) of the Document, numbering more than 100, and the Document's license notice requires CoverTexts, you must enclose the copies in covers that carry, clearly and legibly, all these Cover Texts: Front-Cover Texts on the front cover, and Back-Cover Texts on the back cover. Bothcovers must also clearly and legibly identify you as the publisher of these copies. The front cover must present the full title with all words of the title equally prominent and visible. Youmay add other material on the covers in addition. Copying with changes limited to the covers, as long as they preserve the title of the Document and satisfy these conditions, can betreated as verbatim copying in other respects.If the required texts for either cover are too voluminous to fit legibly, you should put the first ones listed (as many as fit reasonably) on the actual cover, and continue the rest ontoadjacent pages.If you publish or distribute Opaque copies of the Document numbering more than 100, you must either include a machine-readable Transparent copy along with each Opaque copy, orstate in or with each Opaque copy a computer-network location from which the general network-using public has access to download using public-standard network protocols acomplete Transparent copy of the Document, free of added material. If you use the latter option, you must take reasonably prudent steps, when you begin distribution of Opaque copiesin quantity, to ensure that this Transparent copy will remain thus accessible at the stated location until at least one year after the last time you distribute an Opaque copy (directly orthrough your agents or retailers) of that edition to the public.It is requested, but not required, that you contact the authors of the Document well before redistributing any large number of copies, to give them a chance to provide you with anupdated version of the Document.

4. MODIFICATIONSYou may copy and distribute a Modified Version of the Document under the conditions of sections 2 and 3 above, provided that you release the Modified Version under precisely thisLicense, with the Modified Version filling the role of the Document, thus licensing distribution and modification of the Modified Version to whoever possesses a copy of it. In addition,you must do these things in the Modified Version:• A. Use in the Title Page (and on the covers, if any) a title distinct from that of the Document, and from those of previous versions (which should, if there were any, be listed in the

History section of the Document). You may use the same title as a previous version if the original publisher of that version gives permission.• B. List on the Title Page, as authors, one or more persons or entities responsible for authorship of the modifications in the Modified Version, together with at least five of the

principal authors of the Document (all of its principal authors, if it has fewer than five), unless they release you from this requirement.• C. State on the Title page the name of the publisher of the Modified Version, as the publisher.• D. Preserve all the copyright notices of the Document.• E. Add an appropriate copyright notice for your modifications adjacent to the other copyright notices.• F. Include, immediately after the copyright notices, a license notice giving the public permission to use the Modified Version under the terms of this License, in the form shown in

the Addendum below.• G. Preserve in that license notice the full lists of Invariant Sections and required Cover Texts given in the Document's license notice.• H. Include an unaltered copy of this License.• I. Preserve the section Entitled "History", Preserve its Title, and add to it an item stating at least the title, year, new authors, and publisher of the Modified Version as given on the

Title Page. If there is no section Entitled "History" in the Document, create one stating the title, year, authors, and publisher of the Document as given on its Title Page, then addan item describing the Modified Version as stated in the previous sentence.

• J. Preserve the network location, if any, given in the Document for public access to a Transparent copy of the Document, and likewise the network locations given in the Documentfor previous versions it was based on. These may be placed in the "History" section. You may omit a network location for a work that was published at least four years before theDocument itself, or if the original publisher of the version it refers to gives permission.

• K. For any section Entitled "Acknowledgements" or "Dedications", Preserve the Title of the section, and preserve in the section all the substance and tone of each of thecontributor acknowledgements and/or dedications given therein.

• L. Preserve all the Invariant Sections of the Document, unaltered in their text and in their titles. Section numbers or the equivalent are not considered part of the section titles.• M. Delete any section Entitled "Endorsements". Such a section may not be included in the Modified Version.• N. Do not retitle any existing section to be Entitled "Endorsements" or to conflict in title with any Invariant Section.• O. Preserve any Warranty Disclaimers.If the Modified Version includes new front-matter sections or appendices that qualify as Secondary Sections and contain no material copied from the Document, you may at your optiondesignate some or all of these sections as invariant. To do this, add their titles to the list of Invariant Sections in the Modified Version's license notice. These titles must be distinct fromany other section titles.You may add a section Entitled "Endorsements", provided it contains nothing but endorsements of your Modified Version by various parties--for example, statements of peer review orthat the text has been approved by an organization as the authoritative definition of a standard.You may add a passage of up to five words as a Front-Cover Text, and a passage of up to 25 words as a Back-Cover Text, to the end of the list of Cover Texts in the Modified Version.Only one passage of Front-Cover Text and one of Back-Cover Text may be added by (or through arrangements made by) any one entity. If the Document already includes a cover textfor the same cover, previously added by you or by arrangement made by the same entity you are acting on behalf of, you may not add another; but you may replace the old one, onexplicit permission from the previous publisher that added the old one.The author(s) and publisher(s) of the Document do not by this License give permission to use their names for publicity for or to assert or imply endorsement of any Modified Version.

5. COMBINING DOCUMENTSYou may combine the Document with other documents released under this License, under the terms defined in section 4 above for modified versions, provided that you include in thecombination all of the Invariant Sections of all of the original documents, unmodified, and list them all as Invariant Sections of your combined work in its license notice, and that youpreserve all their Warranty Disclaimers.The combined work need only contain one copy of this License, and multiple identical Invariant Sections may be replaced with a single copy. If there are multiple Invariant Sectionswith the same name but different contents, make the title of each such section unique by adding at the end of it, in parentheses, the name of the original author or publisher of thatsection if known, or else a unique number. Make the same adjustment to the section titles in the list of Invariant Sections in the license notice of the combined work.In the combination, you must combine any sections Entitled "History" in the various original documents, forming one section Entitled "History"; likewise combine any sections Entitled"Acknowledgements", and any sections Entitled "Dedications". You must delete all sections Entitled "Endorsements".

6. COLLECTIONS OF DOCUMENTSYou may make a collection consisting of the Document and other documents released under this License, and replace the individual copies of this License in the various documentswith a single copy that is included in the collection, provided that you follow the rules of this License for verbatim copying of each of the documents in all other respects.You may extract a single document from such a collection, and distribute it individually under this License, provided you insert a copy of this License into the extracted document, andfollow this License in all other respects regarding verbatim copying of that document.

7. AGGREGATION WITH INDEPENDENT WORKSA compilation of the Document or its derivatives with other separate and independent documents or works, in or on a volume of a storage or distribution medium, is called an"aggregate" if the copyright resulting from the compilation is not used to limit the legal rights of the compilation's users beyond what the individual works permit. When the Documentis included in an aggregate, this License does not apply to the other works in the aggregate which are not themselves derivative works of the Document.If the Cover Text requirement of section 3 is applicable to these copies of the Document, then if the Document is less than one half of the entire aggregate, the Document's Cover Textsmay be placed on covers that bracket the Document within the aggregate, or the electronic equivalent of covers if the Document is in electronic form. Otherwise they must appear onprinted covers that bracket the whole aggregate.

8. TRANSLATIONTranslation is considered a kind of modification, so you may distribute translations of the Document under the terms of section 4. Replacing Invariant Sections with translationsrequires special permission from their copyright holders, but you may include translations of some or all Invariant Sections in addition to the original versions of these InvariantSections. You may include a translation of this License, and all the license notices in the Document, and any Warranty Disclaimers, provided that you also include the original Englishversion of this License and the original versions of those notices and disclaimers. In case of a disagreement between the translation and the original version of this License or a noticeor disclaimer, the original version will prevail.If a section in the Document is Entitled "Acknowledgements", "Dedications", or "History", the requirement (section 4) to Preserve its Title (section 1) will typically require changing theactual title.

9. TERMINATIONYou may not copy, modify, sublicense, or distribute the Document except as expressly provided for under this License. Any other attempt to copy, modify, sublicense or distribute theDocument is void, and will automatically terminate your rights under this License. However, parties who have received copies, or rights, from you under this License will not have theirlicenses terminated so long as such parties remain in full compliance.

10. FUTURE REVISIONS OF THIS LICENSEThe Free Software Foundation may publish new, revised versions of the GNU Free Documentation License from time to time. Such new versions will be similar in spirit to the presentversion, but may differ in detail to address new problems or concerns. See http:/ / www. gnu. org/ copyleft/ .Each version of the License is given a distinguishing version number. If the Document specifies that a particular numbered version of this License "or any later version" applies to it,you have the option of following the terms and conditions either of that specified version or of any later version that has been published (not as a draft) by the Free SoftwareFoundation. If the Document does not specify a version number of this License, you may choose any version ever published (not as a draft) by the Free Software Foundation.

ADDENDUM: How to use this License for your documentsTo use this License in a document you have written, include a copy of the License in the document and put the following copyright and license notices just after the title page:

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Copyright (c) YEAR YOUR NAME.Permission is granted to copy, distribute and/or modify this documentunder the terms of the GNU Free Documentation License, Version 1.2or any later version published by the Free Software Foundation;with no Invariant Sections, no Front-Cover Texts, and no Back-Cover Texts.A copy of the license is included in the section entitled"GNU Free Documentation License".

If you have Invariant Sections, Front-Cover Texts and Back-Cover Texts, replace the "with...Texts." line with this:

with the Invariant Sections being LIST THEIR TITLES, with theFront-Cover Texts being LIST, and with the Back-Cover Texts being LIST.

If you have Invariant Sections without Cover Texts, or some other combination of the three, merge those two alternatives to suit the situation.If your document contains nontrivial examples of program code, we recommend releasing these examples in parallel under your choice of free software license, such as the GNUGeneral Public License, to permit their use in free software.