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Zeitschrift ftir Physik 188, 172-- 181 (1965) Aus dem Forschungsinsfitut des Fernmeldetechnischen Zentralamtes,Darmstadt Deutung der optischen Absorptionsspektren der [Jbergangs- elementeder Eisenreihe, insbesondere der des Rubins Von G.V. SCHULTZ Mit 5 Figuren im Text (Eingegangen am 29. Juni 1965) Crystal field, ligand field and molecular orbital theories have been used to explain the optical spectra of transition elements. It is shown an additional possibility to explain the absorption bands of the transition elements, especially those of ruby, as transitions not between the nonbonding tzo and the antibonding eb ~ but between the bonding ale and the nonbonding t2g. Einleitung Diese Arbeit befal3t sich mit den Elementen der Eisenreihe (3d" 4s z- Elektronen, n -= 1... 10), die in Verbindungen entweder als Komplexe, als Salze oder als Fremdatome in Salzen auftreten. Wenn man das umfang- reiche experimentelle Material in der Literatur 1 durchsieht, so erkennt man, dab sich die Absorptionsspektren eines Obergangselementes mit bestimmter Wertigkeit in allen oben angefiihrten Bindungszustfinden fihneln, und dab eine Verwandtschaft zwischen verschiedenen Elementen der gleichen Anzahl der 3 d-Elektronen besteht. Die Spektren zeigen dabei sowohl linienhafte als auch bandenartige Struktur. Bei Zimmertemperatur haben die Linien eine Halbwertsbreite von 1...10/~, die Banden eine yon ca. 102... 103 ~. Bisher ist jedoeh nicht fiir alle Llbergangselemente der Eisenreihe linienhafte Absorption beobachtet worden. Am hfiufigsten tritt sie auf bei den Konfigurationen 3d 3, 3d 7 und 3d 8 der Ionen yon V, Cr, Mn, Ni, Co. Vereinzelt wurde sie jedoch in neuerer Zeit auch bei V(3dZ), Cr(3d4), Fe(3d 5) und Cn(3d 9) gefunden. Es ist vielfach ver- sucht worden, diese komplizierten Spektren zu deuten. Das ist aber bis- her nicht befriedigend gelungen. In einzelnen Fallen erh~ilt man bei wenig Bestimmungsstiicken gute ~bereinstimmung, bei mehreren Banden und Linien in dem gleichen System jedoch erhebliehe Abweichungen. Die vorliegende Arbeit stellt einen weiteren Versueh dar, das Auftreten linien- hafter und bandenartiger Spektren zu deuten. 1 Literaturzitate in FICK, E., u. G. Joos: Handbuch der Physik, Bd. 28, S. 205ff. Berlin-G6ttingen-Heidelberg: Springer 1957. -- McCLURE, D. S. : Solid State Phys. 9, 476ff. (1959).

Deutung der optischen Absorptionsspektren der Übergangselemente der Eisenreihe, insbesondere der des Rubins

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Zeitschrift ftir Physik 188, 172-- 181 (1965)

Aus dem Forschungsinsfitut des Fernmeldetechnischen Zentralamtes, Darmstadt

Deutung der optischen Absorptionsspektren der [Jbergangs- elementeder Eisenreihe, insbesondere der des Rubins

Von

G.V. SCHULTZ

Mit 5 Figuren im Text

(Eingegangen am 29. Juni 1965)

Crystal field, ligand field and molecular orbital theories have been used to explain the optical spectra of transition elements. It is shown an additional possibility to explain the absorption bands of the transition elements, especially those of ruby, as transitions not between the nonbonding tzo and the antibonding eb ~ but between the bonding ale and the nonbonding t2g.

Einleitung

Diese Arbeit befal3t sich mit den Elementen der Eisenreihe (3d" 4s z- Elektronen, n -= 1... 10), die in Verbindungen entweder als Komplexe, als Salze oder als Fremdatome in Salzen auftreten. Wenn man das umfang- reiche experimentelle Material in der Literatur 1 durchsieht, so erkennt man, dab sich die Absorptionsspektren eines Obergangselementes mit bestimmter Wertigkeit in allen oben angefiihrten Bindungszustfinden fihneln, und dab eine Verwandtschaft zwischen verschiedenen Elementen der gleichen Anzahl der 3 d-Elektronen besteht. Die Spektren zeigen dabei sowohl linienhafte als auch bandenartige Struktur. Bei Zimmertemperatur haben die Linien eine Halbwertsbreite von 1...10/~, die Banden eine yon ca. 102... 103 ~. Bisher ist jedoeh nicht fiir alle Llbergangselemente der Eisenreihe linienhafte Absorption beobachtet worden. Am hfiufigsten tritt sie auf bei den Konfigurationen 3d 3, 3d 7 und 3d 8 der Ionen yon V, Cr, Mn, Ni, Co. Vereinzelt wurde sie jedoch in neuerer Zeit auch bei V(3dZ), Cr(3d4), Fe(3d 5) und Cn(3d 9) gefunden. Es ist vielfach ver- sucht worden, diese komplizierten Spektren zu deuten. Das ist aber bis- her nicht befriedigend gelungen. In einzelnen Fallen erh~ilt man bei wenig Bestimmungsstiicken gute ~bereinstimmung, bei mehreren Banden und Linien in dem gleichen System jedoch erhebliehe Abweichungen. Die vorliegende Arbeit stellt einen weiteren Versueh dar, das Auftreten linien- hafter und bandenartiger Spektren zu deuten.

1 Literaturzitate in FICK, E., u. G. Joos: Handbuch der Physik, Bd. 28, S. 205ff. Berlin-G6ttingen-Heidelberg: Springer 1957. -- McCLURE, D. S. : Solid State Phys. 9, 476ff. (1959).

Absorptionsspektren der Lrbergangselemente der Eisenreihe 173

Bisherige Deutung

Bisher ging man von einem freien Ion des Ubergangselementes aus [z.B. bei der Verbindung NH~V(SO4)2 vom V3+-Ion], setzte es in ein elektrostatisches Feld (Kristallfeld oder Ligandenfeld) ein und bestimmte wie die Eigenfunktionen des freien Ions durch das Feld modifiziert wur- den. Die qualitative Behandlung dieses Problems wurde yon BErnE 2 ge- 10st, der gruppentheoretisch ableitete, in wieviel Komponenten die Terme eines Atoms (bzw. Ions) aufspalten, d.h. wie der Entartungsgrad redu- ziert wird, wenn das Atom in ein Kristallfeld vorgegebener Symmetrie gebracht wird. Schwierigkeiten bereitet die quantitative Behandlung. Hier- bei kann man drei Gruppen von Arbeiten unterscheiden. Die ersten Arbeiten entnehmen die Parameter den Messungen der Suszeptibilit/it (VAN VLECK 3, PENNEY und NCHLAPP 4, POLDER 5 . . . . ) oder der para- magnetischen Resonanz (Low 6 ...), die zweiten den Messungen der opti- schen Absorptions- und Emissionsspektren 1, und die dritten gehen von einem yon Messungen v611ig unabMngigen Modell yon punktf6rmigen oder ausgedehnten Dipolen oder Ladungen aus, die das Zentralion sym- metrisch in den 6 Wiirfelfl~ichen umgeben (KLEINER 7, TANABE und SU- GANO 8, PHILLIPS 9 FREEMAN und WATSON10). Da es in dieser Arbeit um die Deutung der optischen Absorptionsspektren geht, wollen wir die erste Gruppe der Arbeiten hier nicht genauer diskutieren, sondern nur erwfihnen, dab die Deutung der optischen Spektren den gemessenen magnetischen Eigenschaften nicht widersprechen darf. Bei der zweiten Gruppe der Arbeiten geht man folgendermaBen vor: Man wfihlt die Konstanten der Kristallfeldaufspaltung 10 Dq=A fiir kubische Sym- metrie, zum Teil in Verbindung mit Anteilen yon niedrigerer Symmetrie, der Spin-Bahn-Kopplungskonstanten 2 und teilweise aueh der Raeah- Parameter B und C so, dal3 die Experimente mit den theoretischen Ab- leitungen tibereinstimmen. Hierbei I/~13t sich recht gute Ubereinstimmung erzielen, wenn wenig Banden oder Linien im Spektrum vorhanden sind. Bei mehreren Bestimmungsstiicken treten jedoch ftir einzelne Banden erhebliche Abweichungen auf, die yon der Theorie nicht erkl/irt werden k6nnen oder die die Wahl neuer Parameter erfordern. Dabei kann im allgemeinen die Lage der Linien bis auf etwa die gleichen Abweichungen

2 BETHE, I-I.: Ann. Physik 3, 133 (1929). 3 VLECK, H.J. VAN: Phys. Rev. 41, 208 (1932). 4 PENNEY, W.G., and R. SCRLAPP: Phys. Rev. 41, 194 (1932); 42, 666 (1932). 5 POLDER, D. : Physica 9, 709 (1942). 6 Literaturzitate in Low, W. : Solid State Phys., Suppl. 2 (1960). "7 KLEINER, W. H. : J. Chem. Phys. 20, 1784 (1952). 8 TANABE, Y., and S. SUGANO: J. Phys. Soc. Japan 11, 864 (1956). 9 PHILLIPS, J.C.: J. Phys. Chem. Solids 11, 226 (1959). 10 FREEMAN, A.J., and R.E.WATSON: Phys. Rev. 120, 1250 (1960).

174 G.V. ScHULTZ:

bestimmt werden, wie sie bei den Seltenen Erden iiblich sind. Wenn man jedoch die Banden nicht alle anpal3t, sind die Abweichungen betrfichtlich.

Am schlechtesten ist die l~bereinstimmung zwischen Theorie und Wirklichkeit bei der 3, Gruppe der Arbeiten. Man kann sogar grob sagen: Je genauere Kenntnis man vonder Form der 3 d-Wellenfunktionen hat, desto stfirker ist die Diskrepanz. Das deutet auf einen prinzipiellen Unterschied zwischen dem gew~ihlten Modell und der Wirklichkeit bin. Daher mul3te die Kristallfeldtheorie durch Zusatzannahmen verfindert werden. Das ist in der Ligandenfeldtheorie 11 und bei Betrachtung ko- valenter Bindungsanteile 12 durch Einfiihrung der Molektilorbitale ge- schehen. Aber auch bei dieser Nfiherung werden die optischen l~ber- g~inge, die zu dem Auftreten yon Absorptionsbanden Anlal3 geben, den ~bergfingen zwischen den nichtbindenden und den antibindenden Mole- ktilorbitalen zugeschrieben, deren Energieunterschied durch den Para- meter A gekennzeichnet ist. Im weiteren wollen wir v o n d e r gleichen Grundvorstellung ausgehen, die optischen Obergfinge jedoch mit Ober- gfingen zwischen bindenden und nichtbindenden Molekiilorbitalen identifizieren, d.h. wir wollen zeigen, dal3 die bisherigen Modelle einen Teil der m/Sglichen optischen Ober#inge aul3er acht gelassen haben.

Eigene Deutung Nach CLOGSTON 13, der von einem Ion ausgeht, das einem Kristallfeld

ausgesetzt ist, kann man vier Arten der optischen Obergfinge bei den ~Jbergangselementen der Eisenreihe unterscheiden (Fig. 3):

a) 1]bergang eines Elektrons im Metallion yon einem 3d-Niveau zu einem h6heren, z.B. einem 4p-Niveau,

b) ~nderung der Spin-Multiplizitfit des Metallions, c) Ubergang zwischen den im Kristallfeld aufgespaltenen Komponen-

ten des Grundzustandes des freien Ions, d) Ubergang eines Elektrons vom Anion zum Kation, z.B.

O - - + V + + + + h v ~ O - + V + +

Damit sind die M6glichkeiten fi.ir Obergfinge im optischen Bereich fiir ein Ion im Kristallfeld vollst~indig aufgeffihrt, wobei noch fi.ir einen quantitativen Vergleich verschiedene Kristallsymmetrieanteile und die L-S-Kopplung zu beriicksichtigen w~iren. Daf5 wir dieses Modell an- wenden k6nnen, setzt abet voraus, dab wires im Kristall mit fiberwiegend

11 OROEL, L. E. : An introduction to transition -- metall chemistry: Ligand-field theory. London: Methuen & Co. LTD; New York: John Wiley & Sons 1960; Valence: C.A. Coulson; Oxford: University Press 1961.

12 SUGANO, S., and R. G. SHULMAN: Phys. Rev. 130, 517 (1963). -- WATSON, R. E., and A.J. FREEMAN: Phys. Rev. 134, 1526 (1964).

a3 CLOGSTON, A.M.: J. Appl. Phys. 31, Suppl., 1985 (1960).

Absorptionsspektren der ~bergangselemente der Eisenreihe 175

heteropolarer Bindung zwischen den Kristallbausteinen zu tun haben. Das ist sogar fiir ausgesprochene Ionenkristalle 12 nicht so selbstverst~ind- lich, wenn diese Verbindungen Salze der l~bergangselemente sind. Bei diesen ist der kovalente Anteil der Bindung stark ausgeprfigt. Das ist auch experimentell bestfitigt worden. Zum Beispiel schliel3en RENNEKE und LYNCH 14 aus den Messungen der Schwingungsfrequenzen im infra- roten Spektralbereich yon AlaO 3- und Cr203-Einkristallen , dab sich der kovalente Anteil der Bindung beim Cr203 gegentiber dem bei AlzO 3 erheblich erh6ht. Wit wollen daher nicht yon einem freien Ion aus- gehen, sondern das Modell dahingehend aNindern, dab wir yon einem Atom ausgehen, welches in ein Kristallfeld gebracht wird 15. Der physi- kalische Sinn liegt dabei in folgendem: Wir betrachten als Beispiel ein Chromatom mit der Elektronenkonfiguration 3 d s 4s. N/ihern wir diesem Atom Sauerstoffatome, so wird das Chromatom sehr leicht das fiul3ere 4 s-Elektron als Bindungselektron zur Verfiigung stellen, bzw. dieses Elek- tron wird bei der Bindung einem neuen Molekiilorbital zugeordnet werden. Bei weiterer Ann/iherung werden die d-Elektronen zur Bindung herangezo- gen. In der B eschreibung eines solchen Vorganges mtissenwir entweder eine starke Ver~nderung der O-Funktionen der d-Elektronen oder eine Kon- figurationsfinderung annehmen. Die Behauptung geht nun dahin, dab ein Chromatom im oktaedrischen Kristallfeld als Hauptsymmetrie (z. B. ftir Rubin, Cr203 oder andere fihnliche Verbindungen) in nullter Nfihe- rung beschrieben werden kann als ein Cr+-Ion mit der Elektronen- konfiguration 3d 3 4s 2, d.h. die O-Funktionen der 3 d-Elektronen/indern sich bei der Bindung so weit, dab zur Beschreibung des Grundzustandes anstatt der Determinanten 16

1 D (Crf;ei) = ~ - . [~t (322/1) tp (321/2) ~ (320/3) ~, (32i/4) ~ (322/5) I

die neue Determinante

+ 1 D (Crg~bunden) = ~ . T 10 (322/1) ~ (321/2) ~ (320/3) ~ (400/4) ~ (400/5)[

verwendet werden muB, d.h. aus dem urspriinglichen Cr + (3 dS)-Grund - zustand ist unter der Einwirkung der Umgebung ein Cr+(3d 3 4s2) - Grundzustand entstanden.

DaB es nicht unberechtigt ist, die 4s-Eigenfunktionen bei der Deutung der optischen Absorptionsspektren mitzuberticksichtigen, soll am Bel-

l4 RENNEKE, D.R., and D.W. LYNCH: Phys. Rev. 138, 530 (1965). i5 SCHULTZ, G.V. : Diss. Berlin, 1959. 16 EYRINO, H., J. WALX~R, and G.E. KIMBALL: Quantum chemistry. NewYork:

J. Wiley & Sons 1961. Die Spinquantenzahl ist dabei weggelassen.

176 G.V. SCHULTZ:

spiel des Mn-Atoms in Fig. 1 demonstriert werden, die wir einer frfiheren Arbeit a5 entnehmen. Eine fihnliche Annahme haben WALKER u.a. 17 fiir die Erklfirung der Isomerieverschiebung bei M6ssbauer-Experimenten an Eisensalzen gemacht. In tier Fig. 1 sind recI~ts yon der Ordinate, die einen

energetischen Mal3stab fin cm-1 darstellt, r6mi- !

5e sche Zahlen an den Stellen eingetragen, die Ab- sorptionsbanden des MnC12.4H20-Salzes ent-

e r sprechen, wie sie v o n SCHLAFER 18 gemessen worden sind. Das freie Mn + +-Ion hat die Kon-

~a figuration 3 d s und den Grundzustand 6S. Wir ver- i ~ gleichen aber die gemessenen Absorptionsbanden

mit den energetischen Verhfiltnissen in einem Mn- d ~z Atom mit der Konfiguration 3 d s 4 s 2 und dem

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o~s /~[~o., _~ ] Ato~- Mo/~/- Z,go~d~- orb/role nrb/tale orb#ale

Fig, 1 Fig, 2 Fig, I. Gegen~iberstetlung der energetischen Lage der Absorptionsbanden des Mangartchlorids (rechts)

den Termen (links) des freien Manganatoms mit dem Grundzustand a6S

Fig. 2, Schematische Darstellung tier Elektroneniiberg~nge im Molek~lorbitalmodell

Grundzustand 6S. Links yon der Ordinate sind sfimtliche m6glichen, wenn auch im freien Atom verbotenen, ,,ilmeren" 0bergfinge als Term- differenzen zwischen dem Grundzustand und h6heren Zustfinden des Atoms eingezeichnet, wie sie den Tabellen y o n MOORE 19 fiJr das Mn- Atom entnommen worden sind. Die Lhnge der Striche bezeichnet die Gr613e der Multiplettaufspaltung des jeweiligen Zustandes in einem freien Mn-Atom. Wir haben also die an einem Mangansalz gemessenen opti- schen Absorptionsspektren, die bisher durch l~lbergfinge zwischen den im Kristallfeld ver/inderten Termen des freien Mn 2 +-Ions erklfirt wurden,

1'7 WALKER, L .R. , G.K.WERTHEIM, and V. JACCARINO: Phys. Rev. Letters 6, 98

(1961). as SCHL~,FER, H. L : Z. physik. Chem. 11, 65 (1957). ~p MOOR~, Ch .E . : Atomic energy levels. Nat. ]Bur. Stand., vol. t , 1949; vol. 2, 1952.

Absorptionsspektren der Obergangselemente der Eisenreihe 177

mit dem Termschema eines unverfinderten freien Manganatoms vergli- chen, ohne irgendwelche Parameter anzupassen. Die Llbereinstimmung ist wesentlich besser als man yon einem so groben Vergleich hfitte erwarten k6nnen. Es ist auch beruhigend, dab man genau SO viel oder im ultra- violetten Spektralbereich mehr Terme zur Verfiigung hat, als Banden auftreten. Wir wollen dieses Modell verallgemeinern, d.h. versuchen, es in nullter Nfiherung auch auf andere l~lbergangselemente zunfichst der Eisenreihe anzuwenden, obwohl wir uns darfiber im klaren sind, dab es sich hierbei nicht um 4s-Elektronen im ungest6rten Atom handelt. In dem Molekfilorbital-Model111, das fiber die Reihenfolge der Energie- niveaus keine Aussage gestattet, wfirden wir diesem Elektronenpaar das a 1 g-Orbital zuordnen (Fig. 2), d.h. wir nehmen an, dab dieses Elektro- nenpaar das energetisch h6chste bindende Orbital besetzt. Wir m6chten jedoch bier eine Zusatzaussage machen: Die energetische Differenz der Terme t2g und alg soll in nullter Nfiherung gleich der Differenz der Energie eines Atoms oder Ions sein mit den Konfigurationen 3d n 4S 2

(Grundzustand) und 3d "+1 4s (angeregter Zustand). Zur Konfiguration 3d,+ 1 4s geh6ren mehrere Terme, deren Anzahl man den Tabellen von MOORE 19 entnehmen kann. Daher k6nnen dem ausgezogenen Pfeil der Fig. 2 mehrere Banden entsprechen.

Das Beispiel des Manganatoms ist zu speziell, weil sein Grundzustand ein S-Zustand ist, der in einem fiuBeren Feld nicht welter aufspalten kann. Daher w/ihlen wir als allgemeineres Beispiel das Vanadiumatom mit der Konfiguration 3 d a 4s z und fragen uns, welche der o. a. oder auch neuen Ubergfinge sind bei einem freien Vanadiumatom m6glich? Wie Fig. 4 zeigt, berficksichtigen wir unter a) drei Ffille, davon zwei, die bei einem freien Ion nicht auftreten k6nnen. Wir unterteilen daher a) in

al) Ubergang eines Elektrons des Metallatoms von einem 3 d-Niveau zu einem h6heren, z.B. einem 4p-Niveau. (Wir wollen l~bergfinge, die fiber das 4 s-Niveau hinausgehen, als ,,fiuBere" Qberg~inge bezeichnen und entsprechend 1Jberg~inge bis zum 4s-Niveau als ,,innere" l~lberg~inge.)

a2) l~lbergang eines Elektrons des Metallatoms yon einem 4s-Niveau zu einem h6heren, z.B. einem 4p-Niveau.

a3) Obergang eines Elektrons des Metallatoms yon einem 4s-Niveau zu einem 3d-Niveau.

b) Anderung der Spin-Multiplizit~it des Metallatoms in Verbindung mit der ~nderung der Bahnimpulsquantenzahl, z.B.

(3 d 3 4s 2) 4F~(3 d 3 4s 2) 2G, 2p, 2D, z H 19

Betrachten wir nun das Atom mit der gleichen Konfiguration im Kristallfeld, so ergeben sich als weitere M6glichkeiten f fir optische Uber- g/inge:

178 G.V. ScHULTZ:

c) Obergang zwischen den im Kristallfeld aufgespaltenen Komponen- ten des Grundzustandes des freien Atoms und

d) Obergang eines Elektrons von den benachbarten Atomen zu dem Metallatom.

Wir haben den Fall c) zwar in der Fig. 4 eingezeichnet, obwohl wir ihn weiterhin aus folgenden Griinden nicht betrachten werden: Erstens wollen wir keine quantitative Aussage fiber die Gr6ge der Kristallfeld-

(sd2gp) 45--

d) Zdp m)+M(d~+k~Mp'~-)+Mrd'~+~ Fig, 3

(3dSZlJ) CF I fTc] d) Z(pk)+M/d"~s'~J+h~Z(pk-~J§

Fig. 4- Fig. 3. Sehematische Darstel lung der Elektronenfiberg~inge eines Ions im Kristallfeld a m Beispiel des

V2+-Ions. L bezeichnet die Elektronen der Liganden und M die des Metallions

Fig. 4. Schematische Darstel lung der Elektronen~berg/inge eines Atoms im Kristallfeld am Beispiel des Vanadiumatoms

aufspaltung machen. (Anhaltspunkte kann man dariiber aus Suszeptibili- tfitsmessungen und Messungen der paramagnetischen Resonanz erhalten.) Zweitens wollen wir annehmen, dab die Obergangswahrscheinlichkeiten zwischen den Aufspaltungskomponenten des Grundzustandes wesentlich kleiner sind als die Obergangswahrscheinlichkeiten der anderen aufge- fiihrten Ffille, besonders dem unter a3) angegebenen. Das muB nicht unbedingt so sein, scheint jedoch nach unserer Auffassung ftir die meisten Ubergangselemente der Eisenreihe zuzutreffen.

Damit entsprechen die Ffille b) und aa) ,,inneren" Obergfingen im Metallatom und die F/ille a,) und a/) ,,fiuBeren" Oberg~ngen. In dem Molekfilorbitalmodell (Fig. 2) ist der Obergang a3), der den Absorptions- banden entsprechen soll, als ausgezogener Pfeil und der Obergang d) (transfer transition) als gestrichelter Pfeil eingezeichnet. Mit dem hier skizzierten Modell wollen wir die gemessenen optischen Spektren an dem speziellen Beispiel des Rubins erklfiren.

Absorptionsspektren der Ubergangselemente der Eisenreihe 179

Opfische Absorption des Chromatoms in Al203

Das freie dreiwertige Chromion hat den Grundzustand 4Fa/2 und die Konfiguration 3d 3. An den magnetischen Eigenschaften findert sich nichts, wenn wir diesem Chromion im Grundzustand die Konfiguration 3 d 3 4 s 2 geben, die nur in einem gebundenen Zustand stabil existieren kann. Das ist aber gerade die Konfiguration des Vanadiumatoms. Wir wollen daher die Spektren des Rubins den Termen des Vanadiumatoms gegeniiberstellen.

Es treten bei der Absorption yon t~bergangselementen in einem Fest- k6rper folgende Bereiche auf:

1. Grundgitterabsorption des Wirtskristalls. 2. Der Grundgitterabsorption vorgelagerte Absorption des eingebau-

ten l)bergangselementes, die im Grenzfall beim Einbau bis zu 100% in die Grundgitterabsorption der Ubergangselementverbindung iibergeht.

3. Absorptionsbanden. 4. Absorptionslinien.

In der Fig. 5 ist die relative Absorption der optischen Spektren von A1203, Rubin, (90% A1, 10% Cr)203-Pulver , Cr203-Pulver dargestellt. (Beim Rubin sind auch die stfirksten Absorptionslinien eingezeichnet.)

o 5o 5o

Fig. 5. Absorpt ion verschiedener Mischkristalle yon A1203 Cr203. Die an den Kurven stehenden Zahlen geben den Anteil yon CrzO3 in Mol-% an

Man erkennt darauf die oben angefiihrten vier Bereiche. Diese vier Bereiche wollen wir den verschiedenen Ubergfingen in dem vorher be- schriebenen Modell zuordnen:

1. Der Grundgitterabsorption des Rttbins entspricht der Ubergang eines Elektrons yore Sauerstoff- zum Aluminiumion. Diesen Vorgang wollen wir folgendermal3en darstellen 2o:

O(2p")+Al(2p"3s~ v~O(2p"-~)+Al(2p"3s~).

Hierbei stehen n und m fiir alle Elektronen des entsprechenden voll- st~indig gefiJllten Energiebandes des Kristalls.

20 SCHULTZ, G.V. : Phys. Letters 8, 93 (1964). Z. Physik. Bd. 188 13

180 G.V. SCHULTZ:

2. Der Verschiebung der Grundgitterabsorption durch Einbau yon Chrom entspricht folgender fJbergang:

O (2p") + Cr+(3 d 3 4s 2) q- h v ~ O (2p"- 1)+ Cr(3 d 44s2).

Das ist in der Fig. 2 mit dem gestrichelten Pfeil angedeutet. Fiir eine vorgelagerte oder dem Ausl~iufer der Grundgitterabsorption iiberlagerte Absorptionsbande ware noch der 15bergang m6glich:

O(2 p")+ Cr + (3da 4s2)+ h v-,O(2 pn)+ Cr + (3dS 4s ~

Allerdings sollte fiir diesen Ubergang die Wahrscheinlichkeit geringer sein und etwa der der Absorptionsbanden entsprechen.

3. Ftir die Absorptionsbanden wollen wir nicht die iibliche Erkl~irung benutzen, die aussagt, dab die Banden durch Oberg~inge zwischen den dutch das Kristallfeld aufgespaltenen Komponenten des Grundterms entstehen, sondern dafiir die Llberg~inge a a der Fig. 4 annehmen. Ein experimenteller Hinweis daftir ist die gemessene Absorptionsbandenver- schiebung in der Mischkristallreihe A1203-Cr2Oa-In20321. Ein anderer i st das Auftreten einer Absorptionsbande beim TiO2 und beim BaTiO 322

Den entsprechenden kJbergang beschreiben wir mit

Cr +(3d3 4sZ)+ hv~Cr + (3d4 4s).

Zu der Konfiguration Cr+(3d 4 4s) geh/Sren, wie man den Tabellen yon MOORE 19 ffir das Vanadiumatom entnehmen kann, vier Multipletts. Da im Rubin nur zwei Banden auftreten, miissen entweder Terme zu- sammenfallen oder die ~bergangswahrscheinliehkeiten sehr unterschied- ich sein.

4. Die Rubinlinien-Deutung hat DEUa'SCrmEIN 23 gegeben. Wit wollen im Prinzip dieser Deutung zustimmen, wenn sie auch, wie SUGANO U. a. 24 gezeigt haben, durch KristallfeldsymmetrieeinfluB und kovalente Effekte verfeinert werden kann. Denn betrachten wir ein freies Chromatom Cr und vergleichen es mit einem freien einwertigen Chromion Cr +, darln k6nnen wit far die Energiezustande den Tabellen y o n MOORE 19 ent- nehmen, dab

(Sp_ VS)cr = 21 841 [cm- 1] ~ (Sp_ 7S)cr + = 21 823 [cm- 1]

21 SCrIULTZ, G.V. : Zur Physik und Chemie der Kristallphosphore, S. 219. Berlin: Akademie-Verlag 1960; -- Z. Physik 169, 364 (1962).

22 SCaULTZ, G.V. : Z. Physik 179, 473 (1964). z3 D~UTSC~mErN, O. : Ann. Physik 14, 712 (1932). 24 StrGANO, S., and Y. TANABE: Disc. Faraday Soc. 26, 43 (1958); SUGANO, S.,

and M. PETER: Phys. Rev. 122, 381 (1961); SUGANO, S., A.L. SCrIAWLOW, and F. VARSAN'Jq: Phys. Rev. 120, 2045 (1960).

Absorptionsspektren der ~bergangselemente der Eisenreihe 18t

ist. Der energetische Unterschied ist tatsgchlich klein, d.h. es ist ziemlich gleichgiiltig ftir innere lQberg~inge der gleichen Konfigurat ion

Cr* (3 d 5 4s) - Cr(3 d 5 4s) g Cr +* (3 d s) - Cr+(3 dS),

ob ein 4s-Elektron vorhanden ist oder nicht. Wenn aber ein solches Elektron einen nur sehr geringen Einflug auf die ()bergfinge zwischen Termen mit der Grundterm-Konf igura t ion hat, mfissen die energetischen Verhfiltnisse eines eingebauten Cr+-Ions fiir l[lberg~inge dieser Art, denen eines freien Ions sehr ~ihnlich sein. Ffir solche inneren Obergfinge, die zu linienhafter Absorp t ion und Emission ftihren, verhalten sich die l~ber- gangselemente der Eisenreihe wie die Seltenen Erden. Man kann fiir die vorliegende Symmetrie die Kristallfeldparameter und damit die Lage der Komponen ten des Multipletts zueinander berechnen und mit dem Experi- ment vergleichen.

Nehmen wir alle diese Obergangsm~Sglichkeiten im Rubin zusammen, k6nnen wir far die Absorp t ion und Emission die Vorgfinge so darstel- len 15, wie sie in der Tabelle aufgeffihrt sind.

Tabelle

Vorgelagerte Grundgitterabsorption

Energietibertragung

Bandenabsorption

Energiei~bertragung

Linienabsorption

Emission

O (2p") + Cr + (3 d 34s 2) + (h VAbs)O--+ O (2p n- 1) + Cr + (3 d44s 2)

0 (21) n- 1) -t- Cr + (3d 44s 2) -- s" h vph . . . . --~ O (2/) n) -t- Cr + (3d44s)

Cr+(3 d a 4s z) + (h VAbs)B--+ Cr+(3 d44s)

Cr + (3 d44 s) -- t" h Vphonon--~ Cr + * (3 d34s 2) Cr+(3 d a 4 s 2 ) + (h VAbs)L--+ Cr + * (3 d 34 s z)

Cr + * (3 d34s 2) -- h VFluor---~ Cr+(3 da4s 2)

s und t stehen ftir eine Anzahl yon Phononen, die an das Gitter abgegeben werden, bis die Energie der der neuen Konfiguration entspricht. Wenn durch Elektronen- iibergang eine neue Konfiguration entsteht, gndern sich auch die Bindungsverhfilt- nisse, d.h. die Lage des Minimums der Potentialkurve des angeregten Zustandes wird ver/indert.

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