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Die Abscheidung von Feststoffteilchen und Tropfen an Kreiszylindern infolge von Tragheitskraften * Friedrich Loffler und Wilfried Muhr** Die Abscheidung von Teilchen oder Tropfen ist die Folge von Transport- und Haft- vorgangen. Fur die Berechnung des Abscheidegrades ist daher das Produkt von Auftreffgrad ma1 Haftwahrscheinlichkeit zu bilden. Es werden Berechnungen des Auf- treffgrades mitgeteilt, bei denen fur den Bereich hoher Reynolds-Zahlen die Stro- mungsgrenzschicht an der Zylinderoberflache beriicksichtigt wurde. Die Grenz- schichtberiicksichtigung fuhrt zu merklich geringeren Auftreffgraden im Vergleich zur reinen Potentialstromung ohne Grenzschicht. Weiterhin zeigte sich, daB der Auf- treffgrad nicht nur eine Funktion des Tragheitsparameters, sondern auch der Rey- nolds-Zahl Ref und des Dichteverhaltnisses e/pp ist. Es wird eine Naherungsglei- chung angegeben, welche die numerischen Ergebnisse im Bereich 50 < Ref < 500 und 1 I ep 2 5 g/cms mit einer Genauigkeit von + 0,Ol approximiert. Aus einer vereinfachenden Energiebilanz folgt, daB die Haftwahrscheinlichkeit rnit zuneh- mender Teilchengrolje abnimmt. Die quantitative Bestimmung der Haftwahrschein- lichkeit realer Staube mulj empirisch erfolgen. Es wird ein erstes Zwischenergebnis mitgeteilt, das rnit Hilfe der Hochfrequenzkinematographie gewonnen wurde. Bei der Stromung um Hindernisse oder entlang Wanden konnen von einem Fluid mitgefiihrte Feststoffteilchen oder Tropfen mit der Hindernisoberflache in Beriihrung gelangen und dort festgehalten werden. Dieser Vorgang kann' erwiinscht oder unerwunscht sein. So beruht auf dieser Erscheinung die sehr erwiinschte Abscheidewirkung von Faserfiltern, Drahtgestricken oder Umlenkblechen. Die Ansatzbildung an Kesselrohren und Maschinentei- len dagegen oder die Vereisung von Leitungen und Trag- flachen wirkt sich in der Regel storend aus. Es wird im folgenden der Abscheidevorgang an einem senkrecht zu seiner Achse angestromten Kreiszylinder betrachtet. Die Abscheidung von Teilchen an der Zylinderoberflache ist die Folge von zwei Vorgangen : 1. dem Transport der Teilchen zur Zylinderoberflache und 2. dem Anhaften der Teilchen auf der Zylinderoberflache. Wesentliche Trans- porteffekte beruhen auf der Wirkung von Tragheits- kraften, Sedimentation, Brownscher Bewegung oder elektrischen Kraften. Hiervon spielen im Falle von Gasen als Tragermedium bei Teilchendurchmessern oberhalb un- gefahr 0,5 bis 1 pm und Gasgeschwindigkeiten oberhalb ungefahr 10 cm/s die Tragheitskrafte eine vorherrschende Rolle. Deshalb werden in dieser Arbeit nur die Tragheits- kriifte berucksichtigt. Fur das Anhaften konnen, wie Rumpf und Herrmann [l] gezeigt haben, verschiedene Bindungsmechanismen in Frage kommen. Es sollen hier lediglich die stets wirk- samen van-der-Waals-Krafte erwahnt werden. Zur Be- schreibung der Abscheidung definiert man einen Ab- scheidegrad p als das Verhaltnis der pro Zeiteinheit auf der Langeneinheit des Zylinders abgeschiedenen Teilchen- menge zu der pro Zeiteinheit durch die Zylinderprojek- tionsflache anstromenden Teilchenmenge. Der Abscheide- grad p~ ist das Produkt von Auftreffgrad VT und Haft- wahrscheinlichkeit h : ~ T = V T ~ , (1) wobei V)~T der Auftreffgrad ist, d. h. der unter der Wirkung von Tragheitskraften zur Zylinderoberflache transpor- tierte Anteil : VT = yo/(Df/2) ; yo = y-Koordinate in der un- gestorten Anstromung des Schwerpunktes desjenigen Teilchens, das den Zylinder gerade noch beriihrt, d. h. sich der Zylinderachse auf r = Rf + R, nahert (Rf,R, Radius des Zylinders bzw. des Teilchens). Die geometrische Ausdehnung der Teilchen mu13 in der Auftreffbedingung berucksichtigt werden. Alle Teilchen der gleichen GroBe D, mit Schwerpunkt innerhalb yo treffen auf. h ist die Haftwahrscheinlichkeit, definiert als das Verhalt- nis der beim StoB mit dem Zylinder haftenden Teilchen zu der Gessmtmenge der auftreffenden Teilchen. In bisher veroffentlichten theoretischen Behandlungen der Ab - scheidung aus Gasen wird in der Regel vorausgesetzt, da13 h = 1 ist, was jedoch in vielen Fallen nicht gerecht- fertigt ist. Hierauf wird spiiter nochmals etwas ausfiihr- licher eingegangen. Zunachst wird die Berechnung des Auftreffgrades erlautert . Berechnung des Auftreffgrades Die Teilchenbahn bei der Annaherung an den Zylinder und damit der Auftreffgrad hangt von den in Abb. 1 ange- Abb. 1. Teilchenbahnen bei der Stromung urn Kreiszylinder. * Vortrag auf dem Jahrestreffen der Verfahrens-Ingenieure, 21. bis 23. September 1971 in Nurnberg. ** Priv.-Doz. Dr.-Ing. P. Lofler (Vortragender) u. Dip1.-Phys. W. Muhr, Institut fur Mechanische Verfahrenstechnik der Univ. Karlsruhe. 510 Chemie-Ing.-Techn. 44. Jahrg. 1972 Nr. 8

Die Abscheidung von Feststoffteilchen und Tropfen an Kreiszylindern infolge von Trägheitskräften

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Page 1: Die Abscheidung von Feststoffteilchen und Tropfen an Kreiszylindern infolge von Trägheitskräften

Die Abscheidung von Feststoffteilchen und Tropfen an Kreiszylindern infolge von Tragheitskraften *

Friedrich Loffler und Wilfried Muhr**

Die Abscheidung von Teilchen oder Tropfen ist die Folge von Transport- und Haft- vorgangen. Fur die Berechnung des Abscheidegrades ist daher das Produkt von Auftreffgrad ma1 Haftwahrscheinlichkeit zu bilden. Es werden Berechnungen des Auf- treffgrades mitgeteilt, bei denen fur den Bereich hoher Reynolds-Zahlen die Stro- mungsgrenzschicht an der Zylinderoberflache beriicksichtigt wurde. Die Grenz- schichtberiicksichtigung fuhrt zu merklich geringeren Auftreffgraden im Vergleich zur reinen Potentialstromung ohne Grenzschicht. Weiterhin zeigte sich, daB der Auf- treffgrad nicht nur eine Funktion des Tragheitsparameters, sondern auch der Rey- nolds-Zahl Ref und des Dichteverhaltnisses e/pp ist. Es wird eine Naherungsglei- chung angegeben, welche die numerischen Ergebnisse im Bereich 50 < Ref < 500 und 1 I ep 2 5 g/cms mit einer Genauigkeit von + 0,Ol approximiert. Aus einer vereinfachenden Energiebilanz folgt, daB die Haftwahrscheinlichkeit rnit zuneh- mender Teilchengrolje abnimmt. Die quantitative Bestimmung der Haftwahrschein- lichkeit realer Staube mulj empirisch erfolgen. Es wird ein erstes Zwischenergebnis mitgeteilt, das rnit Hilfe der Hochfrequenzkinematographie gewonnen wurde.

Bei der Stromung um Hindernisse oder entlang Wanden konnen von einem Fluid mitgefiihrte Feststoffteilchen oder Tropfen mit der Hindernisoberflache in Beriihrung gelangen und dort festgehalten werden. Dieser Vorgang kann' erwiinscht oder unerwunscht sein. So beruht auf dieser Erscheinung die sehr erwiinschte Abscheidewirkung von Faserfiltern, Drahtgestricken oder Umlenkblechen. Die Ansatzbildung an Kesselrohren und Maschinentei- len dagegen oder die Vereisung von Leitungen und Trag- flachen wirkt sich in der Regel storend aus. Es wird im folgenden der Abscheidevorgang an einem senkrecht zu seiner Achse angestromten Kreiszylinder betrachtet.

Die Abscheidung von Teilchen an der Zylinderoberflache ist die Folge von zwei Vorgangen : 1. dem Transport der Teilchen zur Zylinderoberflache und 2. dem Anhaften der Teilchen auf der Zylinderoberflache. Wesentliche Trans- porteffekte beruhen auf der Wirkung von Tragheits- kraften, Sedimentation, Brownscher Bewegung oder elektrischen Kraften. Hiervon spielen im Falle von Gasen als Tragermedium bei Teilchendurchmessern oberhalb un- gefahr 0,5 bis 1 pm und Gasgeschwindigkeiten oberhalb ungefahr 10 cm/s die Tragheitskrafte eine vorherrschende Rolle. Deshalb werden in dieser Arbeit nur die Tragheits- kriifte berucksichtigt.

Fur das Anhaften konnen, wie Rumpf und Herrmann [l] gezeigt haben, verschiedene Bindungsmechanismen in Frage kommen. Es sollen hier lediglich die stets wirk- samen van-der-Waals-Krafte erwahnt werden. Zur Be- schreibung der Abscheidung definiert man einen Ab- scheidegrad p als das Verhaltnis der pro Zeiteinheit auf der Langeneinheit des Zylinders abgeschiedenen Teilchen- menge zu der pro Zeiteinheit durch die Zylinderprojek- tionsflache anstromenden Teilchenmenge. Der Abscheide- grad p~ ist das Produkt von Auftreffgrad VT und Haft- wahrscheinlichkeit h :

~ T = V T ~ , (1)

wobei V ) ~ T der Auftreffgrad ist, d. h. der unter der Wirkung von Tragheitskraften zur Zylinderoberflache transpor-

tierte Anteil : VT = yo/(Df/2) ; yo = y-Koordinate in der un- gestorten Anstromung des Schwerpunktes desjenigen Teilchens, das den Zylinder gerade noch beriihrt, d. h. sich der Zylinderachse auf r = Rf + R, nahert (Rf,R, Radius des Zylinders bzw. des Teilchens). Die geometrische Ausdehnung der Teilchen mu13 in der Auftreffbedingung berucksichtigt werden. Alle Teilchen der gleichen GroBe D, mit Schwerpunkt innerhalb yo treffen auf.

h ist die Haftwahrscheinlichkeit, definiert als das Verhalt- nis der beim StoB mit dem Zylinder haftenden Teilchen zu der Gessmtmenge der auftreffenden Teilchen. In bisher veroffentlichten theoretischen Behandlungen der Ab - scheidung aus Gasen wird in der Regel vorausgesetzt, da13 h = 1 ist, was jedoch in vielen Fallen nicht gerecht- fertigt ist. Hierauf wird spiiter nochmals etwas ausfiihr- licher eingegangen. Zunachst wird die Berechnung des Auftreffgrades erlautert .

Berechnung des Auftreffgrades

Die Teilchenbahn bei der Annaherung an den Zylinder und damit der Auftreffgrad hangt von den in Abb. 1 ange-

Abb. 1. Teilchenbahnen bei der Stromung urn Kreiszylinder.

* Vortrag auf dem Jahrestreffen der Verfahrens-Ingenieure, 21. bis 23. September 1971 in Nurnberg.

** Priv.-Doz. Dr.-Ing. P. Lofler (Vortragender) u. Dip1.-Phys. W . Muhr, Institut fur Mechanische Verfahrenstechnik der Univ. Karlsruhe.

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gebenen sieben EinfluBgroBen yo, V,,, p, e, Df, D,, ep ab, wobei Yo Geschwindigkeit, p Viskositat, e Dichte des Gases, ep Dichte des Teilchens. Nach dem n-Theorem der Dimensionsanalyse sind bei siehen EinfluBgroBen und drei GrundgroBen vier voneinander unabhangige dimen- sionslose GroDen zur Beschreibung des Vorganges erfor- derlich. Losungen der linearen Gleichungssysteme liefern z. B.:

wird in der Literatur ,,Tragheitsparameter" oder ,,Stokes- Parameter" genannt. Ref = VoDfe/p ist die auf den Zylinderdurchmesser bezogene Reynolds-Zahl. Die Dar- stellung des Auftreffgrades TT nur als f (y) , wie es haufig in der Literatur getan wird, ist also nicht vollstiindig. Dies zeigen auch die numerischen Berechnungen der Teil- chenbahnen. Hierfur ist die Losung der Bewegungsglei- chungen der Teilchen erforderlich. Der allgemeine Ansatz lautet : Summe aller Krafte = 0 :

F + P + X + B + r n t = o , (3)

woEei w Widerstandskraft, p Tragheitskraft, &? Feldkrafte (Schwerkraft, elektrostat. Krafte),

= 0, da ep B Q 6 Basset-Glied rt Massenzuschlag

Mit der Annahme:

g ' = - w bzw. mit den Ausdrucken fur p und m:

= 0 folgt -

da n a p - -

dt

(4)

Re, = Dpj Vrell/v . (6)

Der Widerstandsbeiwert C , wurde bei den Rechnungen approximiert durch

C, = 24/Re, fur Re, 5 0,2 (Stokes-Bereich),

C, = (24/Re,) + 2 fur 0,2< Re, < 8,O , 21 6

C, = _______ Re, + vG + 0,28 fur Re, 2 8,0 (Lit. [2]) .

Die Bewegungsgleichungen sind - iiber 1 prell - ge- koppelte Differentialgleichungen 2. Ordnung, die nicht geschlossen losbar sind. In der Regel werden daher auf numerischem Weg Losungen gesucht. Hierfiir mu6 das Geschwindigkeitsfeld der Gasstromung um den Zylinder vorgegeben werden.

#ell [3] berechnete bereits 1931 Teilchenbahnen, wobei er ein empirisch ermitteltes Stromungsfeld zu Grunde legte. Spatere Autoren, wie z. B. Langmuir und Blodgett [4] (1946) oder Dawies und Peetz [5] (1956), verwendeten im Bereich hoher Reynolds-Zahlen fur die ZylinderumsCro- mung die Gleichungen der Potentialstromung. Im Bereich kleiner Reynolds-Zahlen werden Naherungslosungen der Pu'avier-Stokes-Gleichungen fur die zahe Zylinderumstro- mung eingesetzt, da es keine exakten Losungen fur das Stromungsfeld gibt.

Ein grundsiitzlicher Mange1 bei den bisher bekannt ge- wordenen Berechnungen besteht darin, dalj bei groBen Reynolds-Zahlen die Stromungsgrenzschicht entlang der Zylinderoberflache nicht beriicksichtigt wird. Wir be- rechneten deshalb Teilchenbahnen und Auftreffgrade mit und ohne Grenzschichtberiicksichtigung im Bereich von Ref = 50 bis 500. Die Gleichungen der Po ten t i a l s t ro - mung lauten in Polarkoordinatenform:

Vr = - Voc0~6[1 - (Rf/r)2] , (7 a)

Vq = Basin 8 [ l + (Rf/r)2] . (7 b)

r und 6 sind Polarkoordinaten.

Fur die Grenzschich ts t romung wurden die Glei- chungen von Hohlstein und Bohlen [6] verwendet :

wobei a = ( r - Rf/S) , 6 = [ARfv / (2VOcos8) ]~~~ die Grenzschichtdicke und A = f(6) uber Hilfsfunktion und Tabelle berechenbar ist.

Die Hilfsfunktion A wurde von Meissner [7] nach der von Hohlstein und Bohlen angegebenen Methode berechnet. V, (R, 8) ist die fur die Potentialstromung errechnete Geschwindigkeit am Rande der Grenzschicht.

Bei diesen Rechnungen wurde nur die Abscheidung an der (angestromten) vorderen Halfte (bis 8 = 90") des Zylin- ders betrachtet. Die Vorgange auf der Riickseite sind we- gen der Grenzschichtablosung und Wirbelbildung von komplexerer Natur und werden nicht berucksichtigt. Weiterhin wurde vorausgesetzt, dalj die Stromung durch die Teilchen nicht beeinflufit wird, was bei groBen Teil- chen und in Zylindernahe naturlich fraglich ist. Die numerische Berechnung der Teilchenbahnen erfolgte nach dem Runge-Kutta-Nystrom-Verfahren mit der Anfangs- bedingung, daB beix,= - 20 Rf Geschwindigkeit und Rich- tung fur Gas und Teilchen iibereinstimmen (andere Au- toren begannen bei xo = - (4 bis 5)Rf). Gesucht wurde die Teilchenbahn, die sich dem Zylinder auf r = Rf + R, niihert. Dies ist die Bedingung fur eine Beriihrung zwi- schen Teilchen und Zylinder. Aus dem zugehorigen yo folgt direkt der Auftreffgrad "17.

I n Abb, 2 ist der Auftreffgrad q~ uber dem Tragheitspara- meter y und mit Ref als Parameter aufgetragen. Die Kur- ven gelten fur ep = 1 g/cm3. Die durchgezogenen Kurven wurden fur Potentialstromung berechnet ; die gestrichel- ten Kurven gelten fur Potentialstromung + Grenzschicht. Man sieht, da13 auch schon bei der reinen Potentialstro- mung VT nicht nur eine Funktion des Tragheitspara- meters y ist; sondern auch von der Reynolds-Zahl Ref abhangt, was aus der Dimensionsanalyse ja auch schon hervorging. Bei kleinen y-Werten liegen die Kurven fur verschiedene Reynolds-Zahlen dicht beieinander. Fur VT < 0,l sind die Rechenergebnisse unsicher, da die ver- wendete Grenzschichtgleichung in der Nahe des Stau- punktes nicht gultig ist. Oberhalb y = 2 spalten die Kur- ven fur die verschiedenen Reynolds-Zahlen zunehmend auf. Mit groBer werdenden Ref nimmt VT ab. Dies wird

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vor allem dadurch verursacht, daB bei hoherem Ref der Teilchendurchmesser D, kleiner ist fur konstantes y. Da- durch wird der sog. Sperreffekt geringer. Wie bereits er- lautert wurde, werden die Teilchen ja nicht als ausdeh- nungslose Massenpunkte, sondern als Teilchen mit end- licher Abmessung betrachtet'.

~~~~ ~~

'01 0.25 0.5 1 2.5 5 10 25 50 100 Traghei lsporarneter yJ

Abb. 2. Auftreffgrad qT als Funktion von Tragheitsparameter ly und Reynolds-Zahl Ref.

Wegen dieses Sperreffektes strebt bei groBen y-Werten der Auftreffgrad gegen 1 + D,lDf:

(9)

Dies ergibt sich dadurch, dall in diesem Bereich die Teil- chenbahnen nahezu geradlinig verlaufen, da sie durch die Faserumstromung nicht wesentlich beeinfluBt werden.

Bei Berucksichtigung der Grenzschicht ergeben sich erheblich geringere Auftreffgrade - z. B. bei Ref = 100 und 500 im Bereich y < 3. Je kleiner die Reynolds-Zahl ist, desto groller ist der Effekt, da die Grenzschichtdicke mit abnehmender Reynolds-Zahl zunimmt. Mit zuneh- mendem Tragheitsparameter wird der Grenzschichtein- flu6 geringer und verschwindet je nach Ref-Wert ober- halb y = 3 bis 10. Eine Vernachlassigung des Grenz- schichteinflusses ist also nur im Bereich groller y-Werte zulassig.

VT + 1 + Dp/Df

Traghei lsporarneler y rn

Abb. 3. Auftreffgrad q~ als Funktion von Tragheitsparameter ly und Teilchendichte ep.

Der EinfluB der Teilchendichte ist in Abb. 3 dargestellt, in der VT uber y fur Ref = 100 mit Grenzschichtberuck- sichtigung aufgetragen ist. Die Teilchendichte ist Para- meter. Sie wurde bei unseren bisherigen Rechnungen zwischen 1 und 5 g/cm3 variiert. Fur y < 2,5 liegen die Rechenwerte innerhalb der Zeichengenauigkeit auf der gleichen Kurve. Oberhalb y = 2,5 macht sich jedoch der DiehteeinfluB bemerkbar in der Weise, daD mit zunehmen- der Dichte der Auftreffgrad kleiner wird. Die Ursache ist hierbei auch wieder der abnehmende Sperreffekt, da fur konstantes y mit zunehmendem ep der Teilchendurch- messer D, kleiner wird.

Damit hat also auch die numerische Berechnung der Teil- chenbahnen ergeben, daB der Auftreffgrad eine Funktion der drei dimensionslosen GroBen y, Ref und ep/e ist, was auch die Aussage der Dimensionsanalyse war.

In Abb. 4 sind die Rechen- und MeBergebnisse verschie- dener Autoren eingetragen. Im Vergleich zu den Ergeb- nissen der Verfasser berechneten Langmuir und Blod- gett [4] fur y < 3 zu groBe Werte, da sie die Grenzschicht nicht berucksichtigten. Fur reine Potentialstromung stimmen die Werte gut uberein. Bei groBen y-Werten sind die Auftreffgrade dann etwas zu klein, da Langmuir

Troghei tsporomeler y 16131311

Abb. 4. Vergleich verschiedener Theorien und MeOwerte.

und Blodgett den Sperreffekt vernachlassigten,

I0

d. h. D,lDf = 0 annahmen. Die Rechenwerte von Davies und Peetz [5] fur Ref = 10 liegen deutlich unter den Werten fur Potentialstromung. Bei kleinen Ref-Werten beginnt die Umlenkung schon in groBerer Entfernung vor dem Zylinder und verlauft allmahlicher. Daher folgen hier die Teilchen mehr der Stromung

Ein Vergleich mit Experimenten ist deshalb schwierig, da bisher keine Versuche fur konstantes Ref bekannt wurden. Meist wird D, konstant gehalten und V , variiert; daher andert sich mit y auch Ref in der Weise, daB bei kleinem y auch kleines Ref vorliegt. Bei kleinen y-Werten liegen die MeBwerte, z. B. von May und Cliflort [8] und von Subra- maniam und Kuloor [9], erwartungsgemll3 unter den Rechenwerten fur Ref = 100.

Bei groBen y-Werten, d. h. groBem Ref, Iiegen die MeB- werte ebenfalls deutlich niedriger als die theoretischen Voraussagen. Da in den Experimenten grundsatzlich keine

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Auftreffgrade, sondern Abscheidegrade gemessen werden und die Haftwahrscheinlichkeit unbekannt ist, ist uber den wirklichen Auftreffgrad auch keine sichere Aussage moglich. Zahlreiche Erfahrungen zeigen, daB haufig die Haftbedingung, d. h. h = 1, nicht erfiillt ist. Die Teilchen prallen beim Auftreffen von der Zylinderoberflache wieder ab und werden vom Gasst,rom weitergetragen (vgl. hierzu dss Kapitel uber die Haftwahrscheinlichkeit).

Whitby [lo] approximierte Messungen von Wong, Ranz und Johnstone [ l l ] fur den Bereich 0,2 < Rep < 150:

( ~ ~ , , ) 1 / ~ = 1,253Ref-070685 , (10)

cg = 1,65 (geometrische Standardabweichung).

Die Kurve nach Whitby fur Ref = 100 entspricht fur y = 1 in etwa der Theorie der Verfasser. Bei groBeren y-Werten zeigt sie allerdings zu hohe Werte im Vergleich zur T heorie .

Naherungs f ormel

Um eine Niiherungsformel fur die vollstandigen Ergeb- nisse zu finden, wurden Auftreffgrade ohne Berucksichti- gung der geometrischen Ausdehnung der Teilchen be- rechnet. Dabei stellte sich heraus, dal3 der Auftreffgrad in zwei Terme aufgespalten werden kann :

VT = Vl(Y,Ref) + VSp(y,Ref,@/@P) . (11)

Der Auftreffgrad ohne Sperreffekt 180 durch

sich anpassen

~~ v 3 -. - . y3 + f l (Ref) yz + fz(Rer) y + fa (Ref) Vl =

Der Sperreffekt ist gegeben durch

Die Funktionen f,, f2 und f3 ergaben sich nach der Methode der kleinsten Quadrate zu :

f, (Ref) = - 0,0133 In Ref + 0,931 , fi(Ref) = + 0,0353 In Rep - 0,36 , (14) f3(Ref) = - 0,0537 In Ref + 0,398 . Die Gleichung fur rl geht fur groBe y gegen 1. Damit geht auch VT --f 1 + Dp/Dp, wie vorne schon angegeben wurde. Nach den bisherigen Berechnungen gelten die Gleichungen im Bereich 50 < Ref < 500 und 1 I Q 5 5 g/cm3 mit einer Genauigkeit von & 0,Ol. Der mittlere Fehler ist i 0,008.

Haftwahrscheinlich keit

G1. (1) gibt an, daB der Abscheidegrad das Produkt aus Auftreffgrad ma1 Haftwahrscheinlichkeit ist. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daB die Annahme h = 100% oft nicht erfullt ist. Es gibt zahlreiche Messungen, bei denen der Abscheidegrad oberhalb einer kritischen Teil- chengroBe von ca. 1 bis 5 pm abnimmt mit wachsender TeilchengroBe, was in Widerspruch zu den theoretischen Auftreffgradkurven steht. Analog gibt es eine kritische Geschwindigkeit. Dies ist darauf zuruckzufiihren, daB nicht alle auftreffenden Teilchen am Zylinder haften blei- ben. Die Haftung besitzt daher u. U. entscheidenden Ein- flu13 auf die Abscheidung.

Ein Teilchen kann nur dann an der Zylinderoberflache haften bleiben, wenii folgende Bedingungen erfiillt sind :

a) Die bei der Ablosung zu iiberwindende Haftenergie muB groBer sein als die aus dem elastisch-plastischen StoB zur Verfiigung stehende elastische Energie.

b) Die das Teilchen am Zylinder festhaltende Haftkraft mu13 groBer sein als die von der Stromung auf das Teilchen ausgeubte Trennkraft.

Bei der Untersuchung der Haftung von an Fasern abge- schiedenen Teilchen [12] zeigte sich, daB bei Teilchen- groBen im Bereich von 5 bis 15 pm die Trennkraftbedin- gung b) meist erfiillt ist, daB aber den StoBvorgiingen beim Auftreffen erhebliche Bedeutung zukommt. Die StoB- und Abprallvorgiinge werden daher niiher unter- sucht.

Es sol1 mit Hilfe einer vereinfachenden Energiebetrach- tung die kritische Geschwindigkeit abgeschatzt werden, oberhalb der mit Abprallen beim StoB zu rechnen ist. Hierbei wird angenommen, daB die Haftung nur durch van-der-Waals-Krafte bewirkt wird. Folgende Energie- bilanz 18Bt sich aufstellen :

E k i n , l + AvdW,1 = Eel + Ever1 , (15)

E e l = Ekin,z + AvdW,z . (1st

Die kinetische Energie E k i n , l beim Auftreffen und die wahrend der Annaherung von der van-der-Waals-An- ziehung geleistete Arbeit AvdW,l werden nur teilweke in elastischer Energie Eel gespeichert. Ein Teil Everl geht fur die Ablosung verloren. Fur die Ablosung, d. h. zur uber- windung der van-der Waals- Anziehung und zum Aufbau der kinetischen Energie Ekin ,z steht nur E e l zur Verfiigung.

Mit der Haftbedingung Ebin,e = 0 und bei Einfuhrung einer StoBzahl k wird

(17) k 2 E k i n , 1 5 AvdW,z - AvdW,1 = AAvdW *

kz = ( E k i n , l - Ever l ) /Ekin , l . (18)

k sei definiert zu

Nimrnt man an, daB an der Beruhrungsstelle nur kleine Verformungen im Verhaltnis zu R, vorkommen, so ist nach Krupp [13] die van-der-Waals-Anziehung im unver- formten Bereich in erster Naherung gleich der Anziehung ohne Deformation. Die van-der-Waals-Energien AvdW,l

und A v d ~ , 2 in der 1. und 2. StoBperiode unterscheiden sich daher in erster Naherung gerade um die Arbeit, die zum Trennen der verformten, quasiparallelen Flache Fdef mit Radius a notig ist :

co

A A v d w = JPTdwPdendz , (19) 20

z,, ist dabei der Abstand bei Beruhrung und wird von Krupp auf ca. 4 . 10-8 cm geschatzt. Pidw ist die An- ziehungskraft pro Flacheneinheit, die nach der makro- skopischen Theorie von Lifshitz :

Pidw = 56/(8~2~3) ; (20)

5 6 < Lifshitz/van-der-Waals-Energie.

Nimmt man fur die Bestimmung von Pdep - sehr verein- fachend - an, daB die Verformung nur durch die van-der-

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Waals- Anziehung bewirkt wird, dann ist die Deformations- flache

Fdef = nu2 = K&r/H , (21) wobei H ein MaB fur den Verformungswiderstand des weicheren Haftpartners ist (Mikroharte) und a der Radius der verformten Zone.

Die van-der-Waals-Anziehung zwischen einer Kugel und einer Ebene, d. h. also im nicht verformten Bereich, ist nach Krupp:

Mit den Gln. (19) bis (22) folgt aus (17) die kritische Ge- schwindigkeit :

(23)

Nimmt man fur den von uns experimentell untersuchten Fall des Aufpralls von Quarz-Teilchen auf Pol yamid- oder Glas-Fasern an, daB H = 3 . 10s dyn/cm2 und 66 = 2,5 eV, dann erhalt man naherungsweise

10 V c < ~

Eine Auswertung dieser Gleichung ist in Abb. 5 darge- stellt, wo V , uber R, aufgetragen ist mit der StoBzahl k als Parameter. Werte fur k sind nicht bekannt. Legt man als Schatzung einen Bereich von k = 0,l bis 1 zugrunde, so erhalt man z. B. fur

R, = 5 pm

und fur

Rp = 2,5 pm 8, = 4 bis 40 cm/s.

Das bedeutet, daB nur bei Auftreffgeschwindigkeiten, die kleiner als diese V, sind, mit Anhaften gerechnet werden kann.

(24) fur 8, in cm/s und R, in pm. k . R ,

V c = 2 bis 20 cm/s

Abb. 5. Kritische Geschwindig- keit V , als Funktion des Parti-

I 1 1 1 1 kel-Radius und der StoBzahl. "1 2 5 10 prn 50 100

Par t i ke l -Rad ius Rp rn

Um zu genaueren Aussagen uber die Haftwahrscheinlich- keit zu kommen, wurde im Institut fur Mechanische Ver- fahrenstechnik der Univ. Karlsruhe eine MeBmethode entwickelt [14]. Mit Hilfe der Hochfrequenzkinemato- graphie lie13 sich der Auftreffvorgang direkt beobachten und quantitativ auswerten. Ein Beispiel hierfur zeigt Abb. 6, in der die Haftwahrscheinlichkeit h iiber der An- fluggeschwindigkeit Vo aufgetragen ist. Die Faserart ist Parameter. Es handelt sich in diesem Fall um Quarz-Teil- chen mit R, = 2,s pm, die auf Polyamid- bzw. GIas-

Fasern auftreffen. h nimmt mit zunehmender Geschwin- digkeit ab.

Extrapoliert man die Kurven bis zu h = 100%, so erhalt man fur den Beginn des Abprallens Geschwindigkeiten von ungefiihr 5 bis 20 cm/s. Diese Werte liegen in der GroBenordnung der aus der Energiebetrachtung abge- schatzten V,; auch die Tendenzen stimmen in Theorie und Experiment iiberein. Da13 auch bei groBeren Ge- schwindigkeiten noch Teilchen haften bleiben, ist vermut- lich teilweise darauf zuriickzufuhren, daB die effektiven Kontaktflachen infolge des Aufpralls groljer sind. Es ist weiterhin eine Folge der sehr unregelmaBigen Teilchen- form und den daraus resultierenden Unterschieden bei den StoBen. Au13erdem sind die wirklichen Stoffdaten fur das Verhalten bei StoBen mikroskopischer Teilchen mit den entsprechend kleinen Beanspruchungszonen nicht be- kannt. Eine bessere als groBenordnungsmaBige Oberein- stimmung zwischen theoretischer Abschatzung und Ex- periment war daher von vornherein nicht zu erwarten.

I I 0 50 1OU crnls

rn Geschwindigkei l V,

Abb. 6. Haftwahrscheinlichkeit von Quarzteilchen, R, = 2,s pm, beim Auftreffen auf Fasern als Funktion der Geschwindigkeit. 0 Polyamid, Df = 19 pm; A Glas, Dp = 19 pm.

Der Verlauf der Haftwahrscheinlichkeit in seiner Abhan- gigkeit von den verschiedenen EintluI3groBen muB ex- perimentell bestimmt werden. Erst wenn die Haftwahr- scheinlichkeit h bekannt ist, kann zusammen mit den Auftreffgraden uber den Abscheidegrad mehr ausgesagt werden. Die bisherigen Ergebnisse machen fur viele Falle die Diskrepanzen zwischen gemessenen Abscheidegraden und theoretischen Auftreffgraden verstandlich. Diese Untersuchungen stehen jedoch erst am Anfang irnd miis- sen weitergefuhrt werden. Eingegangenam4.Nov. 1971 [B 33131

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