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Die Architektur des Knorpels vor der Osteogenese und in der ersten Zeif derselben. Yon B, Romeis. Aus dem Histoloffisch-embryoloffischen Institut zu Mtinchen (Vorstand Prof. S. I'V[OLLIER). Mit 7 Figuren im Text und Tafel XIX und XX. Eingegangen am 28. Juli 3910. H. v. MnYEn und CUL~IA~ haben dutch ihre Arbeiten tiber die Architektonik des Knochens das Studium der Knochenspong'iosa ein- geleitet und sie haben dem Beweis einer hier gegebenen gesetz- mi~Bigen Konstruktion allgemeine Anerkennung versebafft. Seitdem haben immer mehr Forseher dieses Gebiet bearbeitet, und so sammelte sieh tiber dieses Thema allmiihlieh eine auBerordentlieh umfangreiehe Literatur an. Die tiberwiegende Mehrzahl der Arbeiten besehaftigt sieh jedoeh nur mit der Arehitektur tier fertig entwiekelten Knoehen, ohne merkwUrdigerweise sich mit ihrem }teranwaehsen und Ent- stehen ausftihrlicher zu befassen. Es ist daher aueh die Frage, ob die sp~tere Arehitektur sehon im Embryonalleben angedeutet sei, oder ob sie sieh erst sp~tter aus dem indifferenten Material herausbilde, anfangs nut mit Vermutungen beantwortet worden. Aueh JUL. WOLFF (1), soviel ieh weiB, der erste, der aueh jtingere Stadien untersuehte, trat diesem Problem nieht allzunahe. Er be- gntigte sieh mit einigen Schnitten dureh Knoehenanlagen aus den ersten Lebensjahren und behauptete, dab sieh die normale innere Arehitektur sehon intra-uterin bei tier ersten Anlage des Knoehens entwiekle, vor einer entspreehenden Funktion, also erb- lieh vom elterliehen Organismus her. Sobald irgendeine Stelle ossifiziere, bekomme sis sofort die fur diese Stelle sp~tter notwendige 25*

Die Architektur des Knorpels vor der Osteogenese und in der ersten Zeit derselben

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Die Architektur des Knorpels vor der Osteogenese und in der ersten Zeif derselben.

Yon

B, Romeis.

Aus dem Histoloffisch-embryoloffischen Institut zu Mtinchen (Vorstand Prof. S. I'V[OLLIER).

Mit 7 Figuren im Text und Tafel XIX und XX.

Eingegangen am 28. Jul i 3910.

H. v. MnYEn und CUL~IA~ haben dutch ihre Arbeiten tiber die Architektonik des Knochens das Studium der Knochenspong'iosa ein- geleitet und sie haben dem Beweis einer hier gegebenen gesetz- mi~Bigen Konstruktion allgemeine Anerkennung versebafft. Seitdem haben immer mehr Forseher dieses Gebiet bearbeitet, und so sammelte sieh tiber dieses Thema allmiihlieh eine auBerordentlieh umfangreiehe Literatur an. Die tiberwiegende Mehrzahl der Arbeiten besehaftigt sieh jedoeh nur mit der Arehitektur tier fertig entwiekelten Knoehen, ohne merkwUrdigerweise sich mit ihrem }teranwaehsen und Ent- stehen ausftihrlicher zu befassen. Es ist daher aueh die Frage, ob die sp~tere Arehitektur sehon im Embryonalleben angedeutet sei, oder ob sie sieh erst sp~tter aus dem indifferenten Material herausbilde, anfangs nut mit Vermutungen beantwortet worden. Aueh JUL. WOLFF (1), soviel ieh weiB, der erste, der aueh jtingere Stadien untersuehte, trat diesem Problem nieht a l lzunahe . Er be- gntigte sieh mit einigen Schnitten dureh Knoehenanlagen aus den ersten Lebensjahren und behauptete, dab sieh die normale innere Arehitektur sehon intra-uterin bei tier ersten Anlage des Knoehens entwiekle, vor einer entspreehenden Funktion, also erb- lieh vom elterliehen Organismus her. Sobald irgendeine Stelle ossifiziere, bekomme sis sofort die fur diese Stelle sp~tter notwendige

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Arehitektur. So differenziere sieh der erste Ossifikationspunkt in der Mitte der ftir die sp~ttere Diaphyse des Femurs bestimmten Knorpel- anlage sofort im Sinne der spiiter grSBtentGils wieder schwindenden und der MarkhShle Platz machenden Balkennetze. Ebenso entwickeln sieh in demjeuigen Teil der Knorpelanlage, weleher der Stelle des spi~teren Collums entspricht~ sofort bei der ersten Verkn(icherung die ftir 4iese Stelle charakteristischen, bogenfSrmig aufsteigenden Druck- und Zugbalken. Es bestehe also das Gesetz, dab d i e s e Ossifikation an jeder einzelnen Stelle in einer derselben eigentUm- lichen Richtung vor sich geht, und es sei demgem~tB die spatere Architektur des Knochens an den entsprechenden Stellen des Knor- pels sehon latent in letztercm vorhanden. Diese Ansicht wiederholte er aueh in dem sp~ter ersehienenen ~Gesetz der Transformation der Knochenr (2).

Gegen diese Anschauung wandte sich einige Jahre spiiter KASSO- WITZ (3 und 4), der im Gegensatz zu WOLFF sagt, dab in den e r s t e n Stadien des Knochenwachstums yon jener eigenttimlichen Architektur, welche man passend die Funktionsarchitektur nennen kSnnte, kaum noch Andeutungen vorhanden sind, und dal] man es vorerst nur mit einer, allerdings fiir jeden Skelctteil ebenfalls eigentUmlichen Wachs- tumsarehitektur zu tun habe. KASSOWITZ nimmt bei der Entwicklung der Riihrenknochen Gin )>Wachstumscentrum,, an, das in der Diaphyse gelegen ist. Und yon diesem Centrum aus erfolgt yon Anfang an die Ossifikation und Gr~il~enzunahme des sp~teren Knochens. Dem- gcmi~B divergieren aueh die Knorpelgrundsubstanzreste yore Wachs- tumscentrum aus gegen die Epiphysen zu, ebenso wie auch die ~Siiulenknorpelstreifen,, zur Diaphyse hin konvergiGren, gegen dig Epiphyse zu aber divergieren. Und zwar glaubt er das schon beim Erscheinen der Periostalknospe sehen zu kSnncn.

Roux (5, S. 249 oder 7a I, S. 434) erkliirt einmal die MSglich- keit des Entstehens der ,funktionellen Struktur~ der Zug- und Druck- bi~lkehen so, dab ein Kuochen, der urspriinglich aus unregelmi~fiigem Maschenwerk besteht, beansprucht wird und dab diejenigen Biilk- chen, welehe zufi~llig so gelagert sind, dab sie hierbei eine Bean- spruehung auf Zug oder Druck erfahren, verst~trkt and dutch An- lagerung an den Winkeln st~rkster Bcanspruchung allmi~hlieh um- gerichtet werden. Dadurch berauben sie allm~hlich die anders geriehteten des Druckes und Zuges, weshalb diese dutch Inaktivit~tts- atrophie schwinden.

An einer andern Stelle (6 and 7) unterseheidet er erstens eine

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embryonale Periode in weiterem Sinneo, in der die Teile sieh durch vererbte Potenzen entfalten, differenzieren, wachsen und auch schon etwas funktionelle Struktur ausbilden (7, S. 504; 7a II, S. 232), ohne dab die funktionelle Reizung direkt oder indirekt dazu niitig ist, und zweitens eine Periode des funktionellen Reizlebens, in der die feinere funktionelle Struktur durch die Funktionierunff bewirkt wird und deshalb der flmktionelle Reiz auch zur bloBen Erhaltung des Gebildeten nStig ist.

In dem ersten ,Beitrag zur Entwicklungsmechanik des Embryosr (7) macht er darauf aufmerksam, dab sieh bei der Ossifikation der liing- lichen, knorplig pri~formierten Skeletteile zuerst an der Stelle der geringsten Abscherung (Diaphyse) ein periostaler Knochenmantel bilde, der dann den Knorpel vor Druek, Zug und besonders vor Abseherung sehiitzt, so dab er zerstSrt werden kann, da Seherung nach KASSOWITZ und Roux der spezifische Lebensreiz des Knorpels ist (7, S. 501 Anna. ; 7a II, S. 229 und I, S. 810).

Nach RUD. SCHMIDT (8} ist der Bau der Spongiosa bei den Em- bryonen nicht ein getreues, verkleinertes Abbild des der erwachsenen Individuen. Er ist nur in den Hauptztigen derselbe. ,Der Knoehen maeht w~thrend des intra-uterinen Lebens einen Entwicklungsgang durch, der die Arehitektur allm~thlich klarer und feiner aus ihm herausarbeitet.~ Das Entstehen besehreibt er folgendermafien: ~Die anfangs kompakte Diaphyse 15st sieh nach Eintreten der Periostal- knospe in rechtwinklig" angeordnete Spongiosamaschen auf, deren Hauptstri~nge parallel der Knochenachse gegen die Epiphysen vor- dringen, um sich sehlieBlich hier einander zuzubeugen. Die Spon- giosa der Diaphysenmitte wird darauf resorbiert, eine Markhi~hle entsteht, wahrend die Spongiosa an der Diaphysenoberfl~cbe sich verdiehtet und mit der yore Periost aus gebildeten Knochenschicht zur Compaeta sich vereinigt. Je welter die Markh~ihle um sich greift~ um so grSber, aber aueh geordneter wird die Spongiosa., Weiter unten sagt er: ,>Die spateren Spannungsrichtungen sprechen sich sehon in den Knorpelsi~ulen und Riehtungsbalken aus, denen die Knochenbildung folgt.~ Bilder, durch welche das Gesagte vor Augen gefUhrt wtirde, fehlen.

Einige Jahre spi~ter machte ALBERT darauf aufmerksam, dad die Betrachtung der Entwieklung der Knoehenarchitektur neue Ge- sichtspunkte in die Frage hereinbringen kiinnte. In seinem Auftmge besehitftigte sieh dann •RIEDLXNDER (9) mit dieser Aufgabe und achtete darauf, ob in der Grundsabstanz des ossifizierenden Knorpels

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vielleicht irgendwelche Bildungen vorkamen, die die Riehtung tier Knoehenbalkehen bestimmen *kSnnten. FRIEDLANDER kam a b e r zu dem Resultat, )~daB weder in der Besehaffenheit der Grundsubstanz des Knorpels, noch in der Anordnung der Knorpelzellen ein Anhalts- punkt far die LSsung der gestellten Frage zu finden seir Er ent- deekte dagegen eine groBe Gesetzm~Bigkeit in der Anordnung der ersten im Knorpel erscheinenden GefaBe. Er kommt zu dem Rcsul- tat, dab ,schon im fStalen Leben und in dcr ersten Zeit des EX- trauterinlebens ein reichliches GefaBnetz vorliegt, welches den Knorpel in denselben Riehtungen durchzieht, wie spater die Knochenlamellen~.

Dieses Ergebnis erw~hnt auch TRIEPEL (10 and 11) in dem dritten Teil seiner physikalisehcn Anatomic, ohne jedoeh weder bier, noch in dem ersten and zweiten Teil n~her auf die arehitektonische Struktur im embryonalen Knorpel einzugehen.

Die Arbeit yon BERNgARDT (12) kommt hier nieht in Betraeht, da BERNI-IARDT in seinen Untersachungen auf die Strukturen im Knorpel keine RUcksicht nimmt.

Aus dieser Literaturiibersieht kann man entnehmen, dab die Ansichten tiber das Ausschen dcr arehitektonischen Struktur der Skeletteile im Embryonalleben sehr versehieden sind, ja , dab ihr Vorhandensein sogar in Abrede gcstellt wird. Ferner sieht man auch, dab der Knorpel in seiner frUhesten Zeit, bevor noeh die Periostalknospe in seinem Innern siehtbar wird nnd bevor noeh Gefa~e yon den Epiphysen her in ihm erseheinen, eigentlich gar keine BerUeksiehtigung land. Diese Liieke mSchte ieh nun mit dieser vorliegenden Arbeit aaszufUllen versuchen. Ich suchte an der Hand eider groBen Anzahl yon Serienschnitten auf bestimmte, immer wiederkehrende Bilder zu kommen, um dann auf Grand dessert fiir die einzelnen Entwieklungsstadien besondere Typen festzustellen.

In dieser Arbeit will ieh nun die an der Tibia and dem Cal- caneus gefundenen Resultate mitteilen, and zwar vorerst bis zum Ende des Embryonallebens. SpKter will ieh dann in einem zweiten Teil die weitere Entwicklung yon der Geburt an bis zum endgUltigen Arehitekturbild verfolgen.

Als Material ftir meine Untersuchungen dienten mir naeh li~n- gerem Probieren hauptsaehlieh Kaninehen. Sic lassen sieh leieht beschaffen and alas Alter der Embryonen ist ziemlieh genau zu bestimmen. AuBerdem war mir bei der Wahl dieser Tierart noeh maBgebend, dab die Spongiosa des erwaehsenen Kaninehens, wie Rt~D. SCr~MIDT {8) bei seinen vergleiehend-anatomisehen Studien ge-

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~'funden hat, einfachere Verhi~ltnisse zeigt, als die Spongiosa andrer Tiere, wie z. B. Mensch, Hund, Schwein~ Schaf, Katze usw. Ich hielt die MSglichkeit nicht ftir ausgeschlossen, dab sich das auch schon im Embryonalzustand auspriigt~ was ich sp~tter bei vergleichenden Untersuchungen in der Tat bests fand.

Technik.

Die Embryonen habe ich auf verschiedene Weise vorbehandelt. Die Fixierung mit Formol 1 : 8 erwies sich als nicht sehr empfeh- lenswert, da auch bei sorgfiiltigster Anwendung hitufig zwischen Knorpelgrundsubstanzresten und der diese umhttllenden jungen Kno- chenlamelle Risse auftraten. Bedeutend besser waren die Resultate, die ieh mit tier yon HELLY angegebenen Modifikation der ZSSKER- schen FlUssigkeit erhielt. Noeh empfehlenswerter land ich die yon ]VIAXIMOW (13) vorgesehlagene ErhShung des Formolgehaltes der Flttssigkeit, so dab also auf 100 ecm der ZENKEaschen FlUssigkeit 10 ecru Formol kommen. Die zweite yon MAx~mow angegebene Fixierungsfltissigkeit (ZE~KER 100ccm, Formol 10ecru, 2O/oige Osmium- siture 10 ecru) erwies sich gerade bei den fur reich in Betracht kommenden Gewebsstticken als weniger geeignet. Da die Osmium- saute in Knochen und Knorpel nut sehr langsam eindringt, erhielt ich bei ihrer Anwendung sehr ungleichmitgige Bilder. Will man ferner die yon L~E und WOLFRU~I angegebene Cenoidintrockenmethode anwenden, so ist die Fixierungsfltissigkeit noch weniger zu empfehlen, (ta die 1)raparate beim Schneiden meist vtillig zerbrtickeln.

Als sehr gut erwies sich die Fixierung in einer Mischung yon konzentrierter wiisseriger Sublimatltisung und Formol, und zwar in dem Verhi~ltnis yon 100:10. Sowohl diese wie die vorher erwlihnte ZENXERSehe FlUssigkeit mit der MAXIMOwschen Modifikation er- wSrmte ich vor Anwendun~ immer auf KSrpertemperatur und lieB sie nach etwa einer halben Stunde mit den Priiparaten langsam ab- kiihlen. Sobald sich ~iederschlaff zeigte, wurde die FlUssigkeit erneuert. In der FixierungsfiUssigkeit blieben die Pri~parate, je nach der GrSBe~ 6 bis 24 Stunden. Sodann kamen sie auf minde+stens 1 bis 4 Tage noch in die ni~mliche FixierungsfiUssigkeit~ in der sie zuerst behandelt wurden, nur mit dem Unterschied, dab der Formot- zusatz jetzt weggelassen wurde. Es ist ni~mlich bei Schnitten durch ossifizierende KnorpelstUcke ftir das Aufkleben und Glattliegen der Schnitte yon Bedeutung, dab die Objekte recht gut durchfixiert sind.

Die Fixierung in 960/0igen Alkohol 100 ccm, Formol 10 oder 5 ccm

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war sehleeht, da die Schrumpfungen dabei sehr stark ausfallen und die Pr~parate aul~erdem auch noeh sehr hart werden, was beim Knoehen ja durchaus nieht gesteigert zu werden braucht. Wenn man diese FlUssigkeit anwenden will, sic kann z. B. yon ~utzen sein, wenn es darauf ankommt, die Basophilie des Knorpels vSllig zu erhalten, so nehme man 80% igen oder bei knoehen- und knorpelhal- tigen GewebsstUcken noch besser 70% igen Alkohol.

Die Weiterbehandlung der fixierten Objekte erfolgte nach dan be- kannten Regeln. Waren sic dann bis zum 96O/oigenAlkohol durchgefUhrt, so wurde entkalkt. Wenn die Entkalkungsmittel w~tsserig waren, wurden die Pr~parate wieder dureh die Alkoholreihe in umgekehrter Reihenfolge bis zum Wasser znrUekgebraeht.

Als Entkalkungsmittel wandte ieh mit sehr gutem Erfolg viel- faeh Pikrins~ture an, und zwar versuehte ieh es rait konzentrierten L~sungen in Wasser, 70-, 80-, 960/0igem und absolutem Alkohol. Von all diesen L~sungen war die im 800/oigen Alkohol am gUnstig- sten, welche ieh zuletzt aussehlieBlieh anwandte. Es ist Ubrigens gut, die kristallisierte Pikrins~ure immer im Ubersehul~ beizugeben. In ihr entkalken Extremit~ten yon 24--27t@igen Kaninchenembry- onen in 6--14 Tagen. Knoehen yon neugeborenen Kaninehen brau- chert etwa I Monat, 14 Tage alte 2 Monate. ~atiirlieh muB man die Fltissigkeit iteil3ig weehseln. Die Konservierung ist ausgezeieh- net, aueh die F~rbbarkeit, die bei andern Mitteln oft so stark be- eintr~chtigt wird, leidet in keiner Weise. Waren die Knoehen ge- nUgend weich, so legte ieh sic 1--2 Tage in 5fret geweehselten 80% igen Alkohol und fUhrte sie dann in bekannter Weise bis ins Einbettemittel welter. Mit dem Auswasehen der Pikrins~ure gab ieh mir nieht besonders vie1 MUhe, da ja die Objekte doch alle bald gesehnitten wurden und die Pikrins~ure sich dann aus den Sehnitten mUhelos entfernen lieB. Bis die PrSparate vom Toluol zum Wasser kamen, war aueh der letzte Rest yon Pikrins~ure in den verschie- denen Alkoholen zurUekgeblieben.

Von alkoholischen Entkalkungsmitteln wandte ich ferner noeh die yon Tao~A angegebene FlUssigkeit an: alkoh, absol. 5 Volumina, acid. nitric. [spez. Gew. 1,3] 1 Volumen. Mit sehleehtem Erfolg; einerseits dauert es sehr lange, bis die Knoehen weieh sind, andrer- seits werden die Pr~parate spr~d.

AuBerdem entkalkte ieh mit Phlorogluein --Salpeters~ture naeh ]:[AUG, Yon weleher Methode ieh aber wegen der sehleehten F~trb- barkeit der Pr~parate wieder abging. Mit gutem Erfolg wandte ich

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d~e gon ZIEGLER angegebene sehweflige Siiure an; noeh besser ist das yon SCr~MOnL (14) angegebene Salpetersiiuregemiseh:

HN03 . . . . 20,0 Formol . . . . 10,0 Aqua d e s t . . 90~0

Nachdem die Knoehen hierin weieh geworden sind, kommen sie z~r Vermeidang der Qnella~g auf 1--2 Tage in 5%ige Natrium- saifati(isung~ die 5fters erneuert wird. Und dann wird erst gewassert.

Zum Einbetten verwandte ieh bei jtingeren Stadien vielfach die Paraffinmethode~ zumal es ja bei der Mehrzahl der Untersuehungen, die dieser Arbeit zugrande liegen, nicht gar so sehr auf eytologisehe Feinheiten ankara. Daftir abet machte sieh eine andre Sehwierig- keit bemerkbar, n~tmlieh die Falten zu vermeiden, die sieh sehr gern im Bereieh des Knochens nnd der Knorpelgrundsubstanz bilden. Doch liegen sie sieh verhiiten, wenn erstens einmal die Priiparate reeht gut durehfixiert und zweite~s gut entkalkt waren. Ferner lieB ich die Sehnitte vor dem Aufkleben aufWasser sehwimmen, das so welt erhitzt wurde, dall das Paraffin nahe dem Sehmetzen war. Li~gt man nun einige W~rmegrade erkalten, so kommt auf einmaI der Moment, we der im Pr~tparat enthaltene Knorpel fflatt liegt. Dann werden sie auf Objekttr@er aufgefangen und horizontal in den Thermostat (36 ~ gelegt. Auf diese Weise lassen sie sieh in den meisten Fiillen glatt bekommen. Wenn die Knoehen jedoeh grSger ~ind, wird man die Celloidineinbettung vorziehen. Nit sehr guten Resultaten wandte ieh die yon LEE and WOLFRU~ besehriebene Celloidintroekenmethode an. Nur mSchte ich noch besonders darauf hinweisen, dab das Celloidin nut sehr langsam in den Knoehen ein- dringt. Man rue also gut, wenn man die Knoehen vorher in eine Alkohollithermisehung legt und dana mindestens eine Woehe lang in ganz dtinnfltissiger Celloidinl~isung liegen l~tgt. Um dies zu f~rdern, ist es gut, die MarkhShle an irgendeiner Stelle zn 5ffnen, damit die CelloidinlSsung besser eindringen kann. Ferner daft man nicht zu fruh mit der Chloroformhartung beginnen, sondern man maB warten, bis alas Celloidin ziemlieh konsistent geworden ist. Wenn man die in Chloroform gehiirteten CelloidinblSeke in die CedernholzSlchloro- formmisehung und, wie vorgeschrieben, in den Thermostat bring't, hat man sehr darauf zu aehten, dab die Temperatur 36--38 ~ nicht libersehreitet, da sich sonst die FlUssigkeit wie der Celloidinblock gaaz dunkel f/i, rben und undurchsichtig werden. Beim Aufkleben

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der B15eke auf das HolzklStzchen darf man sie nicht wie sonst in Alkohol tauehen, da sie sonst milehig trtib werden. Man bringt ein- fach einen Tropfen yon dicker CelloidinlSsung auf das Holzkli~tzehen und setzt den aus dem Cedernholz~il herausgenommenen Block darauf. Dann taueht man das Ganze nochmals in CedernholzS1 ein und l~ifit es an der Luft 12--24 Stunden eintroeknen.

Waren die B15cke auf diess Weise schnittfertig, so benutzte ich das yon MAXI~ow-DANTSCItAKOFF-RUBASCHKIN angegebene Verfahren. Die einzelnen Schnitte ring ich in 70O/oigsm Alkohol auf, legte sie also nieht glsieh auf den Objekttriiger, wie DANTSCItAKOFF angibt. Sie breiten sich auf diese Weise leiehter aus. Eine grebe Erleich- terung beim Serienschneiden sind Porzellantafeln, die in lauter ein- zelne Vertiefungen eing'eteilt sind, in welche man dann die Schnitte der Reihe naeh legen kann, bis eine grSBere Anzahl geschnitten ist. Den 70O/oigen Alkohol fi~rbte ich bei dieser Methode mit ein paar Tropfen einer Methylenblau- und einer ChromotroplSsung schwach violett, was bei kleinen Objekten den Vorteil hat, dab sieh dann die Sehnitte besser yon der weiBen Porzellanunterlage abheben, da sich das Celloidin schwaeh bli~ulieh, das Pr~parat aber rStlieh f~rbt. NatUrlich darf man nur ganz wenig Farbe zusetzen, damit sie sich wieder leicht auswi~seht. Aus dem Alkohol brachte ich sie dann mit dem Spatel auf den mit EiweiB bestrichenen Objekttri~gsr, wobei ich den iiber- sehiissigen Alkohol mittels FlieBpapier absaugte. Im lqelken~il muB man Kaoehenschnitte oft bis zu einer Stunde und langer stehen lassen. Die von DANTSCHAKOFF angegebene Zeit ist wenigstens ftir Knorpel- und Kuoehengewebe entschieden zu kurz. Erst wenn sie bei der Durehsicht nicht mehr die geringste TrUbung erkennen lassen, darf man sie in absoluten Alkohol iibertragen. Sshnitte tiber 15 ~ Dicke lassen sich iibrigens nach dieser Methode nicht mehr absolut sicher aufkleben.

Bei der Wahl der Fi~rbung war mir haupts~tehlich der Gedanke maBgsbend, Knorpel: Knochen und das Ubrige Gewsbs in mSglichst gegensatzreiche Farben zu bringen. Vielfaeh fitrbte ich mit B0ttMER- schem Hamatoxylin und dann mit Chromotrop 2R nach den HEIDEN- ~t.~I~sehen Angaben (15). Sehr viel wandte ich auch folgende Yle- thode an: Entweder F~rbt man sehon das Objekt vor dem Einbetten mit Karmin durch oder man fi~rbt erst die Schnitte mit Boraxkarmin sder Lithionkarmin. lqaeh dcm Differenzieren in 0,50/oigem HC1- Alkohol wird grUndlich gewasehen. Dann kommen die Schnitte in sehr stark verdUnnte, wi~sserige MethylenblaulSsung (yon einer ken-

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zr wi~sserigen L(isung 1--3 Tropfen auf 100 ccm Wasser). In die verdUnnte LSsung, welche immer ganz frisch bereitet wird, kommen zu je 100 ccm Liisung 20 Tropfen einer 0,5o/oigen Salzs~ure- 15sung. Hierin wird 12--24 Stundcn gefiirbt, bis der Knorpel, even- tuell auch die Zellkernc, genUgend blau sind. Dann werden die Praparate kurz abgesptilt und auf einige Stunden in eine 5o/oigc LSsung yon molybd~tnsaurem Ammonium gestellt: um das Methylen- blau zu fixieren. Hierauf wird eiuige Minuten grUndlich in flieBendem Wasser gewaschen, d a e s im Alkohol Niederschlag gibt~ wcnn noch freies molybdi~nsaures Ammonium im Pr~parat ist. Ebenso bekommt man einen sti~bchenfSrmigen, haupts~chlich auf das Knorpelgewebe lokalisierten ~iederschlag~ wenn die MethylenblaulSsung durch mo- lybdi~nsaures Ammonium verunreinigt ist. Das n~mliche ist der Fall, wenn sich in der LSsung des molybdansauren Ammoniums ein Metall- gegenstand: z.B. ein Objekttragergestell~ befindet. Dabei kann es auBerdem auch zur vollsti~ndigen Entfi~rbung der mit Methylenblan gei~rbten Gewebsteile kommen. Bringt man dann die Pr~tparate in Wasser mit ziemlich starkem Ammoniakzusatz, so l(ist sich der Niederschlag und die blaue Farbe kommt wieder zum Vorschein. Sic muB dann jedoch wieder neuerdings mit molybdi~nsaurem Ammonium fixiert wcrdcn. Dann wird durch 80O/oigen Alkohol ziemlich rasch in absoluten Alkohol iibergeftihrt und yon hier aus kommen die 0b- jekte in Chromotrop 2 R (konzentrierte LSsung in 96o/0igem Alkohol). Hier darf man sie aber nicht zu lunge lassen~ da sich sonst das Chromotrop schlieBlich an die Stcllc des Methylenblau setzt. Dann wird kurz ausgezogen in absolutem Alkohol~ kurze Zeit Karbolxylol, Xylol, Balsam. Resultat: Knorpel hellblau, Kerne violett bis rot (je nach der Einwirkungsdauer des Methylcnblau oder dcs Chromotrop), tockeres Bindegewebe, Muskel usw. hcllrot~ FibrillenbUndel und besonders ncugebildeter Knochen lcuchtend rot. Bei dieser Fi~rbung kam es mir~ noch einmal bctont, auf mSglichste Differcnzierung yon Knorpel~ Bindegewebe und Knochen an.

Weiterhin fi~rbte ich mit einer ganz hellen Liisung yon Bleu de Lyon in absolutem Alkohol, der auf 100 ccm 1--2 Tropfen alko- holischer Jodtinktur zugesetzt werden; Fi~rbungsdauer etwa 24 Stunden. Dann kommt das Pri~parat dm'ch 70O/oigen Alkohol rasch in Mucikarmin, das man am besten in einer VerdUnnung yon 1 : 3 nimmt. UnverdUnnt f~irbt es zwar rascher, aber nicht so schiin. Hicrin wird das Pr~parat ebenfalls 24 Stunden g'elassen. Dann Alkohol, Toluol, Kanadabalsam. Resultat: Kuorpel karmoisinrot, Knochen: Bindegewebe blau.

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AuBerdem fi~rbte ich nach WORONIN, mit Pikroblauschwarz nach der Vorschrift yon I-IEIDENHAIN (16).

Bei meinen Untersuchungen tiber die Fibrillen im Knorpel wandte ich hauptsiichlich folgende Methoden an: die yon BIELSCHOWSKY- MARESCH angegebene Silbermethode, die 1900 yon MALLORY ange- gebene Bindegewebsf~rbung, Karmin-Bleu de Lyon~ die Methoden yon HAsSE~ und yon TRAINA (17)1).

Viele Versuche machte ich, um die Fibrillen des embryonalen Knorpels zu demaskieren and sichtbar zu machen, freflich ohne den erwarteten Erfolg.

Kali- und Natronlauge lieB ich yon 0,5 bis 10o/0iger Konzentration auf aufgeklebte und unaufgeklebte Schnitte in der Dauer yon 1 Stunde bis zu 14 Tagen einwirken. Ferner versuchte ich 5- und 10O/oige Kali- oder Natronlauge in 70 und 80o+/0igem Alkohol. Wciterhin Baryt- wasser, Barytwasser und 10o/0ige ChlornatriumlSsung zu gleichen Teilen, Pikrinsaure, 10~ ChlornatriumlSsung, Kalium hyperman- ganicum. An frischen Knorpelstticken versuchte ich es neben obigen Mitteln auch noch mit Essigs~ure und Trichloressigsi~ure; alles obne im ganzen Bereich des Knorpels Fibrillen aufdecken zu ktinnen.

Nach diesen technischen Notizen wende ich reich der Beschrei- bung der einzelnen architektonischen Strukturen zu.

Eigene Untersuchungen, Auf jener Entwicklungsstufe, wo tier ganze spi~tere Knochen

erst aus einer kleinen Knorpelanlage besteht, die yon einer starken Mesenchymhtille umschlossen ist, bemerkt man weiter nichts, als dab sich die einzehlen Knorpelzellen in der Uberzahl so anordnen, dab ihre L~ngsachse die Langsachsc des Knorpelstummels kreuzt. Die Folge davon ist, dab besonders bei schwacher VergrSBerung der Eindruck erweckt wird, als ob bestimmte, allerdings ziemlich unregel- mM~ige Ztige vorhanden sind, welche sich zwischen den gegeniiber= liegenden Liingsseiten des Knorpels ausspannen.

Betrachtet man eine Reihe yon L~ngsschnitten durch die Tibia eines i~lteren 16t~gigen Kaninchenembryos, so sieht man, dab der Knorpel litnger geworden ist, und auf den ersten Blick erkennt man die Scheidung in eine proximale und distale Epiphyse, welche das kurze StUck der Diaphyse zwischen sich fassen (Fig. 1).

1) Uber alle nut dem Titel nach angef'tihrten Methoden ~iiheres in BOH~ u. OPPEL, Taschenbuch der mikroskopischen Technik. Miinchen 1908. 6. Auflage.

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Das Fortschreiten der Entwieklung hat sich auch in den oben erwi~haten Querztigen geltend gemaeht, die jetzt deutlieher geworden sind (Fig. l b), da ihr Zug nicht mehr dutch so viele Eeken und Versehiebungen gestiirt wird, wie das im vorigen Stadium der Fall war. Aueh hat die zwischen den Zellen sieh ausbreitende Knorpel- grundsubstanz an Breite zugenommen~ wodurch die ZUge ebenfalls besser sichtbar werden. Au~erdem macht sich aber nun in den QuerzUgen eine Biegung geltend, welche in beiden Epiphysen gegen die Diaphyse zu koukav ist. In der Diaphyse selbst sind die Zellen im Vergleich zu jenen der Epiphysen bereits griil~er geworden und ihre Form niihert sich immer mehr der kubischen, im Gegensatz zu den plattgedrUekten Zellen des unmittelbar darUber gelegenen Knor- pels. Eine deutliehe Ordnung ist jedoch in der Diaphyse nicht zu

Schema zu Fig. 1.

sehen. Stellt man sieh nun das Ganze k•rperlieh vor, so bekommt man in der Diaphyse einen in viele Kammern geteilten ovoidNrmigen KSrper (Pig. l a). Um diesen KSrper lagern sieh dann in zwei dia- metralen Riehtungen wabige SehalenkSrper (Fig. l b); die Fl~tehen derselben entspreehen in ihren KrUmmungsverh~Itnissen den Mantel- aussehnitten yon Rotationsellipsoiden, welehe man sieh um den in der Diaphyse liegenden KSrper gelagert denken kann. Die KrUm- mungen werden immer flaeher, je weiter sieh die in der L~ngsaehse gegenUberliegenden Seheitelpunkte voneinander entfernen. Und das ganze Modell wird yon einer dieken Ht~lse~ dem Periehondrium, um- sehlossen.

Wenn man weiterhin die Tibia eines 18ti~glgen Kaninehen- embryos {Fig. 2) betraehtet, so sieht man~ dag sieh zu dieser Zeit um die Tibia~ der man jetzt allm~hlieh sehon ihre spi~tere Augenform anmerkt~ bereits der typisehe periehondrale Mantel gebildet hat. Man sieht deutlieh eine Seheidung in die zwei bekannten Sehiehten, die straffe~ faserreiehe Aul~enschieht~ deren Fibrillen durchgehends in der Liingsriehtung ziehen~ und dig innere Sehicht~ die sich sehon

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allein durch ihre groBen quaderartigen Zellen yon den schmalen in die L~nge gezogenen der AuBenschicht unterscheidet. Im Gegensatz zu i~lteren 1%richondrien ist die auBen gelegcne Faserschicht um diese Zeit noch auBerordentlich zellreich. Um die Diaphyse herum haben sich die Mesenchymzellen der Innenschicht zu Osteoblasten differenzier~, und hier ist bereits cine schmale osteog'ene Htille ge- schaffen, die das Knorpelmodell umkleidet und yon der aus zahl- reiche feine Balkchen zwischen den dicht gedrangten Ostcoblasten nach auBen ziehen.

Dieser erste perichondrale Knochenmantel ist im Bereich der Diaphyse in seiner Entwicklung am weitesten vorgeschritten. Als schmaler Saum reicht er aber auch noch ziemlich weir geg'en die Epiphysen hinauf.

Schema zu Fig. 2.

Im Innern des Knorpels sieht man in der Diaphyse das typische Bild des groBblasigen Knorpels (Fig. 2a). GroBe helle Knorpel- h(ihlen, die nur mehr yon blab gefarbtem Protoplasma ansgefUllt sind, dcgenerierte Knorpelzellen, deren Kerne entweder chromatin- arme Schatten oder pyknotisch zusammengeklumpte Reste darstellen~

O

and dazwischen schmale Knorpelgrundsubstanzbalken. Dies allcs deutet darauf hin~ dab es nicht mehr lange daucrn wird~ his sich in diesem ovoiden Zellkomplex die Mesenchymknospe herausdifferen- zieren wird.

Auf diesen groBblasigen Knorpel folgt naeh beiden Seiten hin eine Schicht, welche im sp~tteren Bilde dem sogenannten S~tulen- knorpel entspricht, nur dab sie auf dieser Entwicklungsstufe mit dem spiiteren Si~ulenknorpel bloB die auf dem Langsschnitt plattgedriickt

Die Architektur des Knorpels vor der Osteogenese usw. 399

e?scheinenden Zellkerne und Zellleiber gemeinsam hat, die mit ihren Li~ngendurchmessern die Li~ngsachse des Knorpels kreuzen.

We!che Architekt~onik l~tBt sich nun in diesem Knorpel erkennen? Im Bereich des groBblasigen Knorpels ffelang" es mir nicht, irgend- eine Regelmi~Bigkeit aufzudecken. Dagegen zeigen sich in der dem Situlenknorpel entsprechenden Schicht wieder deutliche Querztige (Fig. 2b), welche in zur Diaphyse hin konkaven Bogen die Breite des Knorpels durchsetzen. An manchen Schnitten kann man den Bogenzuff yon einer Seite bis zur andern verfolgen, ~fters sieht man aber nur die eine Hiilfte, die sich manchmal in der Mitte mit einem yon der Gegenseite kommenden Zuge kreuzt. AuBerdem sieht man noch viele kleinere BKlkcben, die zwischen den groBen Ztiffen liegen und oft dieselben im rechten Winkel schneiden.

Bei einer Serie nun, die yon einem Kaninehenembryo stammt, der schon seit 2 Jahren in 80o/oigem Alkohol lag, habe ieb mit Mallory g'efitrbt und zu meiner l~berraschung fast im ganzen Bereich des ,,S~ulenknorpels<< zarte Fibrillen bekommen, die haupts~chlich in den ffeschilderten Querziigen zu st~rkeren Btindeln verbacken sind, wodurch das geschilderte Bild besonders hervortritt.

~Nach zwei weiteren Tagen ist das Bild, das eben die Tibia eines 18ti~gigen Embryos bot, vSllig ver~ndert. Die Mesencbymknospe hat sich dutch den perichondralen Knochenmantel, der vorher ltickenlos die Knorpeldiaphyse umschloB, einen Weg geSffnet und an der Stelle des grof~blasigen Knorpels ist eine HSble gebildet (Fig. 3a), die er- ftillt ist yon Blut und Ioekerem Gewebe. Wie ist es mSglich, da[.~ sich jetzt an dem Platze des starren, verspreizten Knorpelgerippes dieses zarte Gewebe ausbreiten kann, ohne das technisehe Geftige des ganzen Sttickes zu zerst5ren?

Betrachten wit den zur Epiphyse hingeschobenen Knorpel (Fig'. 3). Man erkennt auf den ersten Blick, dab sich die vorhin beschriebene Struktur nicht mehr vorfindet; aber an ihrer Stelle hat sich cine Konstruktion herausgebildet, die, vom technischen Standpunkt aus betrachtet, viel vollwertiger sein muB, als die frUheren einfachen bogenfSrmigen QuerzUffe, die die Knorpelbreite Uberspannen. Bei der 16t~gigen Tibia sahen wit sie noch ganz flach verlaufen, mit 18 Tagen bildeten sie'mit ihren in der Knorpelliingsachse zusammen- treffenden Bogenteilen zur Diaphyse hin offene Spitzbogen, und jetzt steigen sie in parabolischer Linie vom Perichondrium aus in die HSbe. Dadurch entsteht ein System yon lauter parabolischen Ztigen (Fig. 3 b), die oft in gleichem Abstande tier MitteIachse des Knorpels zustreben.

400 B. Romeis

Seine Vollk0mmenheit erreicht dieses neue Balkengerippe aber erst dadureh, dab sich in der Knorpelgrundsubstanz nocb ein zweites

System yon Ziigen (Fig, 3e) herausge- bildet hat. Es sind dies lauter kleine

Knorpelb~lkchen, die yon einem L~ngs- zug zum benaehbar- ten ausgespannt sind und sie auf diese Weise meist recht- winklig verbinden. Da nun abet die

/ t gegenttberliegenden Seiten im entgegen. gesetzten Sinne ge- krUmmt sind, stehen

' aueh die mit ihnen im reehtcn Winkel

/ . verbundenen Quer- / t ] ~ b~lkehen in ent-

gegengesetzter Nei- gang. Weil ferner die L~ngszUge in dem centralen Teil

~-, + ~ des Knorpels wenig - - . gekriimmt verlau-

fen, so bekommt man in der Mittelzone des

1 1 - - Knorpels B~lkehen, /

~ _~- welche eine mehr horizontale Lage ha- ben and die Verbin- dung' zwisehen den l

. . . . . ~ L entgegengesetzt ge- neigten B~tkehen

der AuBenzonen herstellen. In ihrer Gesamtheit rufen sie dadurch den Eindrnek yon Zngen hervor, die in konvexem Bogen die Breite

Die Architektur des Knorpels vor der Osteogenese usw. 401

ffes Knorpels durchziehcn. Der Einfachheit halber bezeichne ich einen derartigen zur MarkhShle hin konvexen Bogen, der sich eigcnt- lich aus vielen kleinen KnorpelzUgen zusammensetzt, als ~Quer- zug~. Von den frUher besprochenen Querziigen unterscheidcn sie sich dadurch, dab sie jctzt gegen die Diaphyse konvex sind. Es sieht so aus, wie wenn ihnen die Aufgabe znkame, die u der in die ttShe ziehenden parabolischen Ztige zu besorgen. Und wenn man nun sieht, wie der ncugebildete perichondrale Knochenmantcl (Fig. 3d) immer gerade soweit gcgen die Epiphyse heraufreicht, dab sich die durch die QuerzUge verspannten parabolischen ZUge darauf setzen kSnnen, so begreift man~ wie es miiglich war, dab die Kontinuiti~t der Knorpelsi~ule unterbrochen und einc HShle ge- bildet werden konnte, die ausgefUllt ist yon dem zarten Markgewebe, das, weit entfernt einen Sttitzpunkt zu bieten, selbst des grSBten Schutzcs bedarf.

Bctrachtet man nun das Pr~parat, das yon einem sagittalen Litngsschnitt stammt, genauer, so sieht man, dab der perichondrale Knochen in der Diaphyse schon ziemlich breit ist. Gegen die Epi- physcn zu wird er immer schm~tler und reicht schlicBlich als dtinner Saum etwa his tiber die ersten zwei Drittel des S~tulenknorpels hinauf. Die Schicht des groBblasigen Knorpels ist sehr hoch und die schmalen Knorpelgrundsubstanzbalken lassen gleichfalls deutlich die Li~ngsztige erkennen, die gegen die MarkhShle hin auseinander- weichen. Weniger deutlich kann man die Querztige verfolgen. Das eigentliche Gebiet der Architektur liegt jedoch im S~tulenknorpel, tier jetzt schon etwas mehr seinen Namen verdient. Er ist etwas lgnger als der eben besprochene Knorpelabschnitt and besitzt breitere Knorpelgrundsubstanzbalkcn. Die Querziige, die hauptsachlich aus den zwischen den plattgedrUckten Zellen gelegenen dUnnen W~tnden gebildet werden, werden durch die ihrem Bogenverlauf analog gc- stellten Zellen noch stitrker hervorgehoben. Im allgemeinen ist der Durchschnitt dieser Querztige schmiiler als jener der Litngszttgc, dafttr Uberwiegen sie an Zahl, so dab dadurch wieder ein gewisser Ausgleich stattfindet. Vielfach sieht man sie mit den LgngszUgen in rcchtwinkliger Kreuzung. Hicr mSchte ich eine kleine Bemerkung einfiigen. Wenn ich yon einer rechtwinkligen Kreuzung gesprochen habe, so darf man natttrlich nicht gleich einen rechten Winkel an- legen. Man wUrde oft nur einen 70 odor 80gradigen finden, aber das wird auch der Fall sein, wenn man so bei der Architektur des erwachsenen Knochens vorgeht. Ferner wird man auf dem Schnitt-

A~:chiv f. Entwicklungsmechanik. XXXL 96

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bilde auch noeh manehe ZUge finden, welche sieh nicht den gesehil- derten einftigen lassen; aber man muB immer bedenken, dab die Zuge nicht nut in der eben herausgesehnittenen Ebene verlaufen, sondern yon allen Seiten her den Knorpel durchziehen. Auch ist es bei der mikroskopisehen Kleinheit des ganzen Gebildes sehr sehwer, gerade den Sehnitt zu bekommen, der am reinsten die Ztige demonstriert.

Zur Grundlage meiner Untersuehungen habe ich den medianen Lgngssehnitt genommen, abet ohne die vorund naeh ibm kommenden Seriensehnitte zu vernaehl~ssigen. Aueh ALBERT hat immer betont, wie wiehtig es ist, sich nieht allein an den Medianschnitt zu halten, sondern die gauze Schnittserie zu betraehten. Erst dadureh ist es mSglieh, zu einer kSrperliehen Vorstellung zu gelangen. AnBerdem babe ich aueh noah eine Menge yon Serien durehgeschaut, die in allen mSglichen Riehtungen gesehnitten waren.

Am deutliehsten tritt die gesehilderte Architektur in den untern zwei Dritteln des S~ulenknorpels hervor. Im oberen Drittel dagegen sind die Ztige haupts~chlieh nur mehr an den Randteilen ausgepr~gt. Auf dem Ganzen abet sitzt die anscheinend nngeordnete Masse des jungen Knorpels auf~ der dureh seine runden KnorpelhShlen und die sehmalen auf dem Sehnitt netzartig angeordneten Knorpelgrundsub- stanzmasehen scharf yon dem Geschilderten abstieht.

In dieser eben beschriebenen neuen Gestalt bleibt die Arehitektur wieder auf kurze Zeit bestehen. ~atUrlieh leiten kleinere Ab~nde- rungen allmahlieh zu dem spateren, welter unten zu bespreehenden Bilde tiber. Eine tier ersten Ab~nderungen besteht in der HShen- abnahme des groBblasigen Knorpels, dessen HShe bei der Tibia eines 21tggigen Kaninehenembryos nut mehr ein Drittel oder ein Viertel des S~ulenknorpels betr~gt (vgl. Fig. 4). Dieser selbst dagegen nimmt an L~nge zu, ebenso wie die Uber ibm liegende junge Knor- pelschieht.

Bisher habe ich nun die Arehitektur gesehildert, wie sie an sagittal gesehnittenen Tibien zu sehen ist. Die Fig. 4 gibt einen Sehnitt bei frontaler Schnittftihrang wieder. Hierbei tritt nun beson- ders der Untersehied hervor zwisehen der Arehitektur in dieser embryonalen Zeit und jener, welche yon dem entwickelten Knoehen bekannt ist. Wahrend dort ein Bliek auf die Knrven der Trajek- torien genUgt, am sagen zu k~nnen, dieser Schnitt ist sagittal: jener frontal geftthrt, tritt uns beim embryonalen Geriiste der vorliegenden Entwieklungsperiode frontal und sagittal das gleiehe Bild entgegen.

Die Architektur des Knorpels v0r tier 0steogenese usw. 403

Es ist dies erkliirlich, wenn man bedenkt~ dab die Struktur zu dieser intra-uterinen Zeit ganz andre Aufgaben zu Risen hat, als in spi~terer Zeit. Wir finden an dem Frontalsehnitt dieselben parabolisch gekrUmmten Li~ngsziige wieder, ebenso die konvex gebogenen Querztige. Dieser Urn- stand erlaubt es aber aueh, sieh ohne groBe Schwierigkeit eine kSrper- lieheVorstellung yon dem ganzen Gerippe zu bilden. ~ur darf man nicht den Fehler begehen und sich die einzelnen Ztige als diinne, bi~lkehen- artige Gebilde vorste]len, welehen Eindruck sie auf den dttnnen L~tngs- sehnitten hervorrufen; sondern an ihrer Stelle muB man sich mehr oder minder breite Lamellen denken, deren Fl~tehe nach zweiRichtungen hin

Schema zu Fig. 5.

\

\,j b

horizontal und vertikal in entsprechenderWeise gekrUmmt sind. Diese werden yon den Querztig'en gesehnitten, die man sich ebenfalls platten- artig zu denken hat. Wenn man nun so weir ist, merkt man, dab noeh eine dritte Art yon Lamellen nStig ist, wenn das in Gedanken re- konstruierte Modell dem Knorpel ~thnlich sein soll. Es sind dies jene Ztige, dureh Welche die yon den.Li~ngs- und Qnerlamellen ge- bildeten G~tnge in einzelne Kammern geschieden werden. Um nun dieses dritte System zu sehen, wird es gut sein, zuerst einen Quer- schnitt zu betraehten. Auf diesem Schnitt (Fig. 5), der in alas mitt- lere Drittel des Sgulenknorpels der distalen Tibiaepiphyse eines 21tggigen Kaninchenembryos fg]lt, sind diese yon tier Peripherie gegen das Centrum zu radiar verlaufenden Grundsubstanzlamellen leicht zu finden (Fig'. 5d). Die parabolisehen L~tngslamellen mUssen

26*

404 B. Romeis

dagegen auf dem Quersehnitt quer getroffen sein, und die langen kreisfOrmig gebogenen Streifen yon Knorpelgrundsubstanz (Fig. 5b), dig fortwahrend yon den radiaren Balkan gekreuzt werden, zeigen, dab man mit Reeht yon Lamellen spreehen kann. Jetzt versteht man tibrigens auch die breiten Fleeken yon Knorpelgrundsubstanz~ die auf dan Langssehnitten mehr oder weniger die Langs- und Quer- ztige unterbreehen. Es sind das groBenteils Flaehenansiehten und Flaehenschnitte der eben gezeigten Radiarlamellen (Fig. 5d). AuBer- dem sight man auf dem Quersehnitte noeh naeh auBen zu eine Zu- nahme der einzelnen Verspannungsztige, was man vielleieht auf die in der Peripherie bekanntlich starker wirkenden Scherkrafte zuriiek- ftihren kOnnte. Jedoeh kann dig Erscheinung auch dutch das Wachs- turn begrUndet sein, vielleicht spielen beide Ursaehen eine Rolle.

DiG Tibia tines 22ti~gigen Embryos zeigt im groBen und ganzen dieselben Bilder. ~ur treten zwiseben proximaler und distaler Epi- physe bereits deutliche Untersehiede auf, welche am vorhergehenden Entwicklungstag erst angedentet waren. In der proximalen Epiphyse: die jetzt die distale an Breite immer mehr hinter sieh taBt, besonders im sagittalen Durehmesser, verlaufen namlieh die Langslamellen et- was steiler, die Querlamellen etwas flaeher.

lqoeh viel auffallender tritt dieser Untersehied bei einem 24- oder gar 26tiigigen Embryo zutage (s. Fig. 6). Die proximale Epiphyse hat gegentiber der distalen Epiphyse um das Doppelte an Breite zu- genommen. Mit diesem Fortsehreiten in der Entwieklung hat sich aber auch die Architektur in ihrem Innern yon neuem geandert oder vielmehr, wir kSnnen an diesem Stadium den Ubergang der alten Struktur in eine neueverfolgen. Die Langslamellen (Fig. 6b) laufen jetzt nieht mehr in stark gekrtimmter paraboliseher Linie einander bis zur Mittelachse entgegen~ wit dies mit 20 Tagen der Fall war, sondern ziehen nunmehr viel steiler in die HShe. Zu gleicber Zeit tritt aueh in den Querlamellen (Fig. 6c) eine Veranderung tin: dig yon ihnen gebildeten Bogen werden fiaeher. Es bleibt die recht- winklige Kreuzung erhalten~ was yore statisehen Standpunkt aus notwendig ist. Also muB mit einer Ausbiegung der Langslamellen eine Abflachung der Querlamellen Hand in Hand gehen. Es seheint, dab diese ganze Umwandlung in Beziehung steht zur Zunahme des Breitendurehmesser des Knorpels. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet~ ware es mSglieh zu erklaren, warum dig sehmalere~ distale Epiphyse zu dieser Entwieklungszeit noch viel mehr die Struktur einer 21tagigen Tibia zeigt (vgl. Fig. 4).

Die Architoktur des Knorpels vor der Osteoffenese usw. 405

Die Breitenzunahme des Durehmessers gibt aber dem Gswebe noeh eine weitere Auf~abe zu 15sen. Wenn es gilt, einen groBen Raum mit einem GewSlbe zu tibsrspannen~ so wird dies mittels ge- eigneter Geb[ilkkonstruktion ohne weiteres zu erreichen sein. Wenn nun aber die zu iiberdeckende Flliche sin gewisses Maximum Uber- schrsitst~ wird man an gewissen Punkten als StUtzpunkte 1)feller oder Siiulen nieht mehr entbehreu k(innen. Ahnlich hier. Der Durchmesser der MarkhShle hat sieh so gestsigert, daft es zweck- mi~i~ig" ist, Sttitzpunkts einzuftihren. Und diese Pfeiler sind die Knvrpel- grundsubstanzreste, die gleiehsam die GuBvorlagen ftir die prim~rsn endoehondralen Knoehenbiflkehen bilden. Somit komme ich aufjene Frage, die mir ursprUnglich als ersts Aufgabe ~cstsllt war~ ni~mlich n~ehzusehen, ob hinter der seheinbar reg'ellosen Anordnung der Knorpelgrundsubstanzreste nieht eine gewisse Gesetzmagigkeit zu finden sei. Zuerst versuehte icta es auf dem Wege der plastisehen Rekonstruktion, was sieh jedoeh bald als teehniseh unausftihrbar erwies. Daraufhin wollte ich versuchen, dutch Vergleiehunff einer g'rtii3eren Anzahl yon Serien, welehe dureh gleiche Knochen yon gleishalterigen Embryonen in derselben Riehtung gesehnitten waren, auf l~egelm~t$igkeiten zu stoBen. Und da stellte sieh heraus, dab z~erst das Geftige des Siiulenknorpels auf arehitektonisehe Strukturen untersueht werden mugte. Dadureh srst wurdenAnhaltspunkte gegeben ftir eine Erkl~run~ daftir, dab beim Durchmustern der Knorpelgrund- substanzreste in denTibien yon 20- und 21t~tgigen Kaninehenembryonen zuerst keine rsgelm5BigeArehitektonik gefunden werden konnte. Sie ist wohl in diesem Stadium noeh nisht n(itig. Die tiber dem sehmalen Mark- raum ausgeftihrte Konstruktion gentigt ja vSlliff, um ihn zu tiberspannen. grst wenn derselbe so in die Breite gewaehsen ist, wie es am 24. und 25. Tage der Fall ist, werdeu sis zur Sttitze herangezogen. Hier sieht man dann, wenn man in diesem Entwieklungsstadium Serien durehsehaut, welche entweder fi'ontal oder sagittal parallel der Mittel- aehse gesehuitten sind, dab die Knorpelgrundsubstanzreste in ihrer Uberzahl die Fortsetzung der L~ngsztige des Knorpels bilden und sieh gleieh diesen naeh augen verspreizen (Fig. 6 d). Da die Knorpel- markhtihlengrenze beim Kaninehen zu dieser Entwieklungszeit dureh- gehends in einem zur lffarkhtihle konvexen Bogen verli~uft, so ktinnen die Langslamellen yon den mehr central geleg'enen Teilen des grog- blasigen Knorpels nieht anders naeh auBen zu ihrem Sttitzpunkt ge- laugen, als dab sie dutch die MarkhShle ziehen. Die mehr naeh augen zu gslegenen vou diesen Ztigen treten bald in Verbindung mit dem

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sehmalen Knorpelsaum, der an der Innenfl~tche der periehondralen Knochenhtille ein ziemliehes StUck welt herabzieht, und brauchen so nur ein kleines StUck welt in der Markhtihle zu llegen. An den welter innen gelegenen jedoch wird immer mehr und mehr neue Knochen- substanz gebildet, so dab oft nicht mehr die Knorpelreste, sondern vielmehr die neugebildete Knoehensubstanz die Verbindung mit dem Mantel herstellt und so ein schr~tg nach aul~en verspreiztes Tr~iger- system darstellt. Somit bleibt die Knorpelgrundsubstanz injenen Teilen, die yon der Epiphyse her noeh eine Belastung erfahren, vorl~tufig noch erhalten, wi~hrend die unbelasteten Teile abgebaut werden und verschwinden. Eine wertvolle Stiitze erh'~lt diese Annahme durch eine Beobaehtung, welche SPm~G (18) maehte. Als er Monocaleium- phosphat einem hohen mechanisehen Druek unterwarf, entstanden aus dem wasserl~isliehen Salz ein im Wasser unltislicher und ein 15slieher KSrper. Man kSnnte sich nun vorstellen, dab nach Analogie des SPRI~Gsehen Versuehes die (lurch Zug und Druek oder in irgend einer andern Weise beanspruchten Stetten weniger resorbiert werden kSnnen, als die nicht beanspruchten, die dann etwa dutch Fermente des Blutes bzw. der Zelten in AuflSsung" gebracht und resorbiert

werden kSnnen. Noeh ein weiterer Grund daftir ist da, dab man diese sehr:,'~g

nach auBen ziehenden Knorpelgrundsubstanzreste nicht eher sieht. Die Knorpelgrundsubstanzreste bilden bekanntlieh die [lberbleibsel yon Teilen des groBbIasigen Knorpels. Innerhalb des grol~blasigen Knorpels konnte man aber, wie oben beschrieben, am Anfang nur unregelm~gige, haupts~ehlieh quer verlaufende Ziige sehen; erst ganz allm~thlieh trat dann eine langsame L~tngsanordnung der Knorpel- grundsubstanzbalken ein. Solange abet diese nieht ausgebildet war, konnte ~uch in den l3berresten des groBblasigen Knorpels: d. i. den Knorpelgrundsubstanzresten, keine derartige Orientierung zu sehen sein.

Einiges Interesse verlangt aueh das Verhalten des Periosts. Wean man n~tmlieh an mehreren Quersehnittserien yon Tibien 24- bis 26ti~giger Embryonen den Durehmesser des Periosts yon aui~en bis zur jeweilig zu i~ui~erst gelegenen Knoehenlamelle bestimmt, so findet man, daB die Dicke des Periosts yon der Diaphyse an gegen die Epiphyse bin zunimmt. An Hand einer Querschnittserie dutch die distale H~tlfte einer Tibia - - ieh habe diese gew~thlt, well an ihr Muskelaus:,~tze und Ursprtinge weniger in Betracht kommen als anderswo - - will ieh auf die Untersehiede, die das Periost in den einzelnen HShen bietet, n~her eingehen.

Die Architektur des Knorpels vor der Osteogenese usw. 407

In der HShe jener jungen Knorpelsehieht, die noeh tiber dem S~tulenknorpel gelegen ist, sieht man einen ziemlieh breiten Gewebs- streifen den Knorpe1 umsehlieBen. Man muB in dieser Quersehnitts- hShe eigentlieh noeh yon einem Perichondrium reden. Er ist sehr zellreieh und zeigt in seiner ganzen Ausdehnung quer getroffene FibrillenbUndel, dis aber obne welter ersiehtliehe Ordnung wirr dureb- eiuander liegen. Etwas weiter cranialw~rts, also beim Beginn des S~ulenknorpels, ~,~ndert sieh dieses Bild sehon etwas. Man sieht an der Peripherie des Knorpels bereits ganz feine osteogene Ablage- rnngen, an deren AuBenseite eine sehmale Zone mit Mesenchym und Osteoblasten haftet. In dieser Schieht, in der zahlreiche GefgBe auf~reten~ sind nur sehr wenig Fibrillenquersehnitte mebr aufzufinden. ~)z~nn kommt die breite, stark fibrillierte AuBenschicht. Die Dicke des ganzen Perichondriums bzw. Periosts bat sich fast nieht ge- ~udert.

Je mehr man nun in die HShe der MarkhShle kommt, desto mehr isolieren sieh natttrlieh die Cambium- und die Fasersehieht voneinander. Zugleieb nimmt aueh die Dieke des periehondralen ;~antels zu. Hervorzuheben ist, dab die osteogene Halle h~ouptsi~eh- iich eireul~tr laufeude Fibrillen zeigt, was vom technisehen Gesichts- pankt aus wichtig ist. Denn dadureh muff die Widerstandsfi~higkeit, die der junge Knoehen dem aufsitzenden Knorpelgertist entgegen- setzen muB, zweifellos erhSht werden. In einer HShe, welche etwas ~iber dem Beginn des groBblasigen Knorpels liegt, kann man ein merkwtirdiges Verhalten der GefaBe seheu. Es liegen bier n~mlieh in einer kreisfSrmigen Linie, zwischen Cambium und Faserschicht, ]auter quer getroffene Gefi~i~lumina, die ziemlich gleichen Abstand w>neinander einhalten. Die Fibrillenquersehnitte werden immer zahl- reieher nnd rtteken immer n~her zusammen, ebenso wie das vorher ~ehr lockere Gewebe der Augeuschicht ein immer strafferes, ge- schiosseneres Aussehen erh~tlt.

Im Bereich des groBblasigen Knorpels hat der Durehmesser des Periehondriums bereits etwas abgenommen. Der innerste Knoehen- ring" ist gebildet, und yon bier ab kann man das Entstehen der weiteren Lamellen verfolgen. Auch hierin herrseht ngmlieh eine gewisse Gesetzmi~Bigkeit. An den ersten Ring sehlieBen sich kleine KnoehenbMkchen an 7 welehe in radigrer Riehtung yon ihm weg- strahlen. Haben sie eine bestimmte Lange erreicht, so wird auf sie wieder eine circul~tre Lamelle aufgelagert usw. Wenn nun auf diese Weise zwei bis drei Lamellen entstanden sind, wird an die Durch-

408 B. Romeis

breehunff und an den Abbau der innersten und ersten Lamelle ge- schritten.

Die FibrillenbUndel in der AuBenschieht werden immer zahl- reicher und immer geordneter. Sehliel~lieh legen sich fUnf bis zehn und mehr Quersehnittsbtindel so dieht in einer Linie aneinander, dal~ bei sehwaehen VergrSl~erungen der Eindruck eines kurzen Striehes hervorgerufen wird. Infolgedessen sieht die AuBenschicht des Periosts auf dem Querschnitt so aus, als seien in sie fie- striehelte konzentrische Kreise eingetragen, deren gemeinsamer Mittelpunkt in die Mitte des Knoehenquersehnittes fallt. Die Dieke des l~eriosts nimmt immer mehr ab, bis sie sieh endlieh zu der in der HShe des S~ulenknorpels etwa wie 2 : 5 verh~It. Sehliel~- lieh 15st sich die straffe Aul3enschieht auf. Es ist nnn sehwer zu sagen, ob dieses Verhalten des Periosts eine statiseh-meehanische Bedeutung hat~ ob also das St~rkerwerden gegen den Knorpel bin mithelfen soll, die Festigkeit des Knorpels zu erhShen, oder ob das Verhalten lediglieh im Wachstum und dem Schutz der Cambiumsehicht begrUndet ist. Vielleieht kommt beides in Frage. AuBerdem wird ja die Cambiumschieht dureh die Bildunff des periostalen Mantels immer mehr aufgebraucht.

Sehnitte durch die Tibia yon Kaninchenembryonen, die kurz vor der Geburt stehen, demonstrieren noeh ganz gut das bei 24-his 26- t~gigen Embryonen beschriebene Architekturbild (vgl. dazu aueh Fig. 6). Auch hier sieht man noch die L~ngslamellen, die yon gebogenen Querlamellen gesehnitten werden, nur bemerkt man hier noeh viel starker das Steilerwerden des ersterwahnten Systems. Besonders die proximale Epipbyse weist sehon sehr steile Formen anf, w~thrend sie in der distalen noeh starker gebogen sind.

Somit h~tte ich die Arehitektur der werdenden Tibia beschrieben: bis zu jenem Zeitpunkt, der fur die Arehitektur yon so einschnei- dender Bedeutung ist: bis zur Geburt. Wie die Lunge yon diesem Augenbliek an unter ganz andre Lebensbedingungen nnd Lebens- umst~nde gestellt wird, so treten jetzt auch an den jungen Knorpel ganz neue Momente heran. Es war damit ein nattirlicher Absebnitt fur meine Arbeit gegeben, da ieh meine Vorarbeiten fur die weitere Entwieklung der Arehitektur leider noeh nieht soweit beendet habe, um nun gleich in der Beschreibung fortfahren zu kSnnen. Denn zwisehen dem Bilde, wie es eine neugeborene Tibia bietet, und dem einer erwachsenen Tibia, sind noch gar viele Lticken auszufUllen. AuBer der Entwicklung der Tibia babe ich auch noch die des Calcanens verfolgt.

Die Architektur des Knorpels vor der Osteogenese usw. 409

Bevor ieh aber auf die Knorpelarehitektur im embryenalen Cal- eaneus des Kaninchens eingehe~ will ich einige Bemerkungen tiber die Augenform des erwaehsenen Kaninchenfersenbeines maehen. Am auffallendsten im Vergleieh zum mensehliehen Fersenbein ist seine langgestreekte Form, die ihn einem RShrenknoehen ~hnlich maeht. Ungef~hr in der Mitre des Corpus caleanei, etwas mehr nach distal zu~ erhebt sieh naeh oben ein Fortsatz, der dieAufgabe hat, lateral- w~trts die Gelenkverbindung mit der Fibula, medialw~irts teilweise auch noch mit dem Talus herzustellen. Da ieh keine Benennung ftir ihn finden konnte (abgeseben yon dem Namen seiner Gelenk- fiaehe), will ieh ihn als obern Gelenkh~icker, prec. articularis superior~ bezeiehnen. Die Verbindung mit dem Talus gesehieht hauptsi~ehlieh durch das Sustentaeulum. Der Tuber ealeanei, der das proximale Ende des Calcaneus bildet, ist beim Kaninehen mit einer Knorpel- fl~ehe tiberzogen und dureh die dartiber wegziehende Sehne des Muse. flexor digital, sublimis troehleaartig eingesehnitten. Ein wei- terer Unterschied im Vergleieh zum menschliehen Calcaneus besteht darin, dab beim Kaninchen die distale Halfte im HShendurehmesser die proximale Ubertrifft.

Fl~tehen unterseheidet man an dem Corpus seehs: eine obere (Facies dorsalis), eine Iaterale (Facies lateralis), welche ziemIich steil abfEllt, eine mediale (Facies medialis), die abet nur in ihrer proximalen Hi~lfte eine einigermagen plane Fl~ebe darstellt, w:~thrend die distale durch das Sustentaeulum und andre H~ieker sehr uneben wird; dann eine sehr~tge yon lateral vorn naeh medial hinten verlaufeude vordere Fl~ehe (Facies anterior) uud ibr am andern Knoehenende gegentiber- liegend die Facies posterior. Die fUr die folgende Besehreibung wiehtigste Fl~tehe ist die plantare. Sie ist beim Kaninehen viel glatter uud gleiehm~Lgiger als beim Mensehen; in ihrer Queraebse ist sie leieht konvex gekrtimmt. Um nun die spi~tere Besebrei- bung der Ossifikationsvorgitnge zu vereinfaehen~ teile ieh diese Facies plantaris dureh zwei in sagittaler Riehtung gezogene Linien in drei gleiehe Teile. Man bekommt so ein ziemlieh ebenes inter- medi~tres Drittel, ein laterales Drittel~ das sieb lateralw.Xrts allm~h- lieh abrundet, um in die Facies lateralis ttberzugehen, und endlieh ein mediales Drittel, das sieb zur Facies medialis hin abrundet.

Ein Band, das analog dem Ligam. plantare longum des Mensehen die PlantarflEehe des Caleaneus bedeekt, fehlt beim Kaninehen. Da- gegen zieht sieh bier an der lateralen Kante vom Proeessus lateralis der Tuber ealeanei an ein starkes Band naeh vorn zum Os navieu-

410 13. Romeis

lure und zur Basis des Metatarsus IV. Der yon diesem Ligament noch freigelassene Teil der Plantarfl~che des Galcaneus wird yon der Sehne des Flexor digitalis sublimis bedeckt, die yon dem Knoehen, soweit man es makroskopiseh sehen kann, durch loekeres Binde- gewebe getrennt ist. In tier Bezeichnung des Muskels herrseht eine kleine Verwirrung. KaAUSE (19) bezeiehnet ihn als Musc. plantaris, HAACK (20) ncnnt ihn dagegen Muse. flexor digital, sublimis. Er kommt yore Condyl. lat. femor, und yore lateralen Vesalischen Sesambein, zieht tiber den Tuber. caleanei, in den er eine Vertiefung eingr~bt, und inseriert an den zweiten Phalangen der vier Zehen.

Abweichend vom Mensohen ist auch die Insertion tier Achilles- sehne, da sic sigh beim Kaninchen erst an dem plantaren Ende des Tuber calcanei ansetzt. Dadurch entsteht zwischen tier Sehne und der ~iberknorpelten Facies posterior eine schlelmbeutelartige Tasche, in die sich yon oben her ein fett- und gef~Breicher bindegewebiger Pfropf herein sehiebt. ~lber diese Sehne, welche entsprechend der Facies post. calcanei ebenfalls eine trochleaartige L~ngsrinne bildet, gleitet dann die Sehne des oben erw~hnten Flexor digital, sublimis. Zwisehen beiden bildet sigh wiederum ein Schleimbeutel aus. Dies wEren die in Betracht kommenden groben au[3eren Yerhi~ltnisse am ausgewaehsenen Kaninchenfersenbein. Ieh bin deswegen n~iher darauf eingegangen, weil KaAusn in seiner Anatomic des Kaninchens in dieser Beziehung night ausfiihrlich genug ist.

Wenn man nun den Calcaneus eines 20tag'igen Kaninchenembryos betraehtet, so wird man so ziemlieh die besehriebenen Formen bereits im kleinen wiederfinden. Einige kleinere UntersGhiede sind jedoeh bemerkbar. So bildet die plantare Flache bier nieht, wie oben be- schrieben, eine ziemlich gerade Fl~iehe, sondern liil3t eine Einbueh- tung erkennen, welehe etwa der distalen Halfte des Proeessus arti- cularis superior gegentiber liegt. Im intermedi:~tren Drittel ist diese Bucht ganz seieht, im lateralen und medialen Drittel ist sic tiefer eingeschnitten. Im intermedii~ren Drittel zieht tiber dis Einsenkung ein straffes Sehnengewebe hinweg, das in ununterbrochenem Zusam- menhang mit der Aehillessehne steht and der AuBenflache des Knorpels dight anliegt. Im lateralen und medialen Drittel zieht es jedoeh tiber die Einsenkung hinweg, ~hnlieh wie sigh eine Sehne tiber einen Bogen spannt. Der dadurch entstehende Zwischenraum aber wird yon lockerem MesenGhym ausgeftillt, das sehr gefitgreiGh ist.

Im Gegensatz dazu stehen die andern Seiten des Knorpelmodells, die yon einer sehmalen perichondralen GewebssGhicht umsehlossen

Die Architektur des Knorpels vor der Os~eogenese usw. 411

sifid, dutch welche das appositionelleWachstum des Knorpels erfolgt. Infolgedessen weisen auch die Knorpelschichten, die tiber der plan- taren Flache einerseits und den tibriffen Fl~chen anderseits liegen, Unterschiede auf. ~Tber letzteren finder man ni~mlich tiberall jungen, neugebildeten Knorpel, mit den dicht beisammenliegenden nach tt~matoxylinf~trbung dunkelgefiirbten Zellkernen. Besonders stark ist diese Schicht im vorderen und hinteren Ende des Calcaneus, im Sustentaculum and im oberen GelenkhScker. Die der Plantarseite aufliegende Knorpelschicht zei~t dagegen ein Bild, das ich das pri- mate Vorstadium des grol~blasigen Knorpels nennen m(ichte: die Knorpelhtihlen sind weiter, grSl3er gewordea, die Zelleu heller, und die zwischen ihnen gelegene Knorpelgrundsubstanz hat sich erheblich

Schema zu Fig-. 7.

\ ~ b o P

verbreitert. Die Kerne sind meist noeh ohne starke Degenerations- merkmale.

Periehondraler Knochen ist noch nicht gebildet. Man kann im Innern des Knorpels auch noeh keine reehte Anordnung erkennen. Auf dem Sagittalschnitt sieht man nut in der vorderen H~tlfte des Calcaneus einige ziemlieh unregelm:~iBige Ztige yon der l>lantarseite aus gegen den Proe. articul, sup. zu bogenf~rmig aufsteigen. Auger- dem sieht man im vorderen Ende innerhalb des Knorpels einige bogenfSrmig nach oben ziehende Ausstrahlungen eines Teiles der oben erwtthnten Sehnenplatte. In umgekehrter Riehtung" kann man das gleiehe Yerhalten im hinteren Ende des Calcaneus beobachten.

Viel welter in der ganzen Entwieklung ist tier Calcaneus eines 24t@igen Kaninehenembryos (Fig. 7). Schon die ganze S, uBere Form hat sich der endgttltigen viel mehr genahert. Wahrend er vorher im Verhaltnis za seiner Dicke kurz und gedrungen aussieht, hat nun

412 ]3. Romeis

seine Li~nge, gegenUber der Dicke, sehr zugenommen. Die den Knorpel allseitig abgrenzende junge Knorpelsehich~ hat sieh nicht ver~tndert.

Dagegen hat sieh die Uber der Facies plantaris gelegene Knorpel- schicht zu zwei ihrem Aussehen nach versehiedenartigen Teilen weiter- entwiekelt, in einen nngefahr kugeligen Knorpelkern, den ieh Ossifika- tionskern (Fig. 70) nennen mSchte, und eine kappenf~rmig dartiber gelagerte Haube. Der Unterschied kommt dadurch zustande, dab das Knorpelgewebe im Ossifikationskern der groBblaslgen Form bereits nahersteht, als der auf ihm aufgelager~enKnorpelhaube. Das eigentliche Bild des groBblasigen Knorpels ist jedoch noeh nieht zu sehen, da einige zu seiner Charakteristik sehr wiehtige Merkmale fehlen. Start der grogen~ weiten H~ihlen, in denen nur ganz degenerierte Zellreste liegen, und statt der schmalen dunkelgefi~rbten Knorpelgrundsubstanz- streifen, wie sie der echte grogblasige Knorpel aufweist, sieht man bier breite Grundsubstanzmassen, die bei der Karmin-Methylenblau- Chromotrop-F:~trbung mit Ausnahme yon einzelnen kleinen oxyphilen Flecken noch normale Basophilie zeigen. Die KnorpelhShlen sind zwar schon ziemlieh erweitert, abet doch noeh lange nieht in dem Mal]e, als es beim fertigen groRblasigen Knorpel der Fall ist. Die Zellen selbst sind zum Tell noch ohne Degenerationsmerkmale , zum Tell blasig' aufgeqt~ollen; die Kerne in allen mSglichen Stadien der Pyknose. Man kann diese Knorpelart mit tier Bezeiehnung ~sekun- dares Vorstadium des gronb]asig'en Knorpels<< belegen.

Das Wiehtig'e an diesem Entwicklung'sstadium ist, dan an ihm die Anfang'e einer Arehitek~ur zu erkennen sind. =Um aber yon ihr eine kSrperliehe u zu bekommen, wird es notwendig seiu, vorher an einem sag'ittalen Langssehnitt~ einem transversalen Quer- sehnitt und einem der Facies plantaris parallel laufenden Flachsehnitt die vorhandenen Ztige kennen zu lernen. Dann wird es mSglieh sein, aueh bier das Faehwerk der Lamellen aufzubauen.

Der Langssehnitt (Fig. 7) ist so aus der Serie ausgewahlt, dan er in das intermediate Drittel zu liegen kommt. Das proximale und distale Ende des Calcaneus ist nieht mehr einffezeichnet, daffegen sieht man die leiehte Einziehung der Plantarflache (p) und ihr bei- nahe gegentiberliegend den oberen GelenkkSrper (g). Uber der Ein- ziehung, durch zwei bis drei Knorpelzellreihen yon der Facies plan- taris getrennt, liegt der oben beschriebene Ossifikationskern. Wenn man seine Lage zum Proe. articularis superior bestimmt, so kommt er etwa unter die vordere H~lfte des oberen GelenkhSckers zu liegen.

Die Architektur des Knorpels vor der 0steogenese usw. 413

De~ Calcaneus selbst wird dutch ihn in zwei ungleiehe StUcke ge- teilt, ein vorderes und ein 1Engeres hinteres. Uber den Kern nun lagert sieh eine Anzahl yon bogenfOrmigen GrandsubstanzzUgen (Fig. 7a), die, an der Plantarfl~iehe der einen H~ilfte des Caleaneus beginnend, wie BrUekenbogen sich Uber ihn hinwegsehwingen und an der Basis der andern H~lfte ihr Ende finden. Ahnlich wie in der Architektur der Tibia finder auch hier eine reehtwinklige Uber- kreuzung durch andre Ztige (Fig. 7b) start, die hier veto Ossi- fikationskern aus in radi~irer Richtung nach aul~en strahlen. INatUrlich handelt es sich auch bei diesem Knorpel nieht um einzelne schmale

Schema zu Fig. 8.

Ziige, sondern um dtinne Lamellen. Man kann den erstgenannten ]Engsziehenden Lamellen den lqamen L~ingslamellen, den zweiten den Namen Querlamellen geben. DaB man berechtigt ist, wieder yon Lamellen zu spreehen, ergibt sieh fur die L~ingslamellen aus einem Frontalsehnitt durch den Calcaneus (Fig. 8). Ein derartiger Sehnitt, der durch die Mitte des Ossifikationskernes geht, zeigt erstens viele gegen den Kern zu konkav gebogene Grundsubstanzztige (Fig. 8a)~ welche laterale und mediale Calcaneusseite bogenfSrmig miteinander verbinden. (Die Facies plantaris hat auf diesem Sehnitt die oben erwi~hnte konvexe Biegung.) Dies sind die hier quer getroffenen Lgngslamellen des vorhergehenden Schnittes (Fig. 7 a). Somit stellt eine Litngslamelle eine Platte dar~ welche nach zwei Richtungen hin gekrtimmt ist; ihre sti~rkste Biegnng hat sie in ihrer sagittalen Achse,

414 B. Romeis

eine schw~chere in der transversalen. Aul~erdem sieht man noch auf dem Frontalschnitt ZUge, welche yon dem Ossifikationskern aus in radii~rer Richtung divergieren und senkrechte Kreuzungen mit den andern Ztigen hervorrufen. Sic stellen jenes dritte Lamellensystem dar~ welches die R~ume, die durch die Kreuzung der ersten zwei Systeme entstehen, in einzelne Kammern scheiden. •ennen wit sie Radi~rlamcllen (Fig'. 8c). Um nun tiber die Stellung der Quer- und Radi~rsysteme ins Klare zu kommen~ ist noch ein drifter Schnitt nStig~ der parallel der Facies plantaris verl~uft. Hier (Fig. 9) sieht

Schema zu Fig. 9.

~C f i l l

b o

,-5--, \4 b

man wieder den Ossifikationskern (o). Um ihn herum laufen ZUge (Fig. 9b), welche ihn zun~chst in seiner ngehsten Umgebung kreis- f6rmig umschlieBen, mit dem waehsenden Abstand vom Mittelpunkte aber durch die Seitenw~nde des Calcaneus in nach vorn und nach hinten liegende Kreisabsehnitte gesehieden werden. Sie gehSrcn dem im L~ngsschnitt (Fig. 7b) noch siehtbaren zweiten Lamellensystem an. Dieses setzt sich demnach aus Platten zusammen, welehe in ihrer transversalen Aehse mehr oder minder stark gegen den Ossi- fikationskern konkav geb0gen sind, w~hrend in der sagittalen Achse keine KrUmmung besteht. Aul]erdem sieht man abet aueh an diesem

Die Architektur des Knorpels vor der Osteogenese usw. 4=15

Sbhnitte wieder radiiire Ztige (Fig. 9 c), welehe die queren, eireuli~ren kreazen and das dritte System, die Radilirlametlen, verkSrpern. Auf dem Fronlalsehnittsbild sehlagen sic ebenfalls eine radi~re Rich- tung tin, and somit ist ihre Fl~che in keiner ihrer Achsen erheblieh gekrtimmt.

Um nun das Ganze nochmals kurz zusammenzufassen: Das archi- tektonisehe Gertist im knorpeligen Caleaneus wird gebildet dutch die Kreuzung dreier Lamellensysteme:

1) L:~tngslamellen, die in sagittaler Richtung yon distal nach proximal ziehen (Fig. 7a and Fig. 8a);

2) Querlamellen~ welehe zwisehen medialer und lateraler Cal- eaneusfl~ehe verlaufen (Fig. 75 and Fig. 9b);

3) Radi~rlamellen, die yore Ossifikationspunkt aus divergieren (Fig. Sc und Fig. 9c).

Auf ihrem Durehschnitt stellt System 1 Bogen dar, deren ge- daehte Sehnen sagittal ziehen, System 2 Bogen mit transversaler Sehne; System 3 kann man dagegen immer nur als litngsgezog'enen Streifen beobachten.

Auf diese Weise ist es mbglich, sich den architektonisehen Auf- bau in schematisierter Form vorzustellen. Will man das so g'ewon- nene Bild in die Wirkliehkeit iibertragen~ so mug man berticksieh- tigen, dab man es nicht mit einfaehen mathematisehen KSrpern~ sondern mit Formen kompliziertester Art zu tun hat.

Der Zweek dieses ganzen in sieh selbst verspannten Knorpel- geftiges ist leicht zu erkennen. Man sieht, dab es sieh gerade tiber jener flachen Einbuehtung der Plantarfl:,iche ausdehnt, welche bei dem vorhergehendcn Stadium yon Sellnengewebe tiberbrtickt und lockerem, stark durehblutetem Mesenehymgewebe ausgeftillt war. In der vorliegenden Entwieklungsperiode kann man an dieser Stelle bereits ganz schmale KnochenbS, lkchen finden, welehe sich an die KnorpelflSche anlagern. Man wird daraus vermuten , dab wohl hier die Stelle ist, tiber der die erste prim~tre MarkhShle erscheinen wird, und dab das ganze Lamellenbauwerk dazu client, ein yon hier aus einsetzendes Abbauen des alten, entlasteten Knorpels zu ermSglichen.

Eine Serie dutch den Caleaneus eines 25- bis 26t~gigen Kanin- ehenembryos best~tigt diese Annahme; der Abbau des Knorpels geht wirklieh yon dieser Stelle aus (Fig. 10). Und zwar differenziert sieh zuerst gegen die mediale Kante der Plantarft~tche zu die Periostal- knospe heraus, gleieh darauf ab.er auch an tier lateralen Kante tier Plantarfl~,tche, so dab also zuerst auf kurze Zeit die beiden Knospen

416 ]3, Romeis

dutch eine sehmale Knorpelwand voneinander gesehieden s ind . Die periostale Knoehenplatte ist bedeutend st~trker geworden, als sie im vorher betraehteten Stadium war. Sie reieht bis zum S~tulenknorpel, dessen HShe aber beim Caleaneus viel geringer ist, als beim Rtihren- knoehen. Ferner unterscheidet er sieh zu dieser Zeit yon dem Sau- lenknorpel eines RShrenknoehens aueh noeh dadurch, dab bei ihm die Knorpelzellen nieht so platt gedrUekt sind, als bei jenem. Sie haben hier eine mehr kubisehe Gestalt. In der sp~teren Entwiek- lung ~tndert sieh jedoch dieses Verhalten und sehlieBlich haben aueh sie den plattgedrUekten Typus.

Unter dem S~tulenknorpel liegt ein groBblasiger Knorpel~ der jetzt ganz das typische Aussehen bietet.

Die einzelnen Lamellensysteme haben sieh jetzt viel klarer und deutlieher herausgebildet~ als dies bei dem oben besehriebenen Fersen- bein noeh der Fall war. Sie nochmals zu sehildern, hieBe jedoeh die obige Besehreibung wJederholen.

Hiermit bin ieh aueh in der Beschreibung der Struktur des Ca]caneus beim Ende der Embryonalentwicklnng angelangt. Aueh hier will ieh damit abschlieBen.

Es sei nut die Frage noeh erSrtert~ wie sieh die Fibrillen, die in der Knorpelgrundsubstanz eingebettet liegen, zur architektonisehen Struktur verhalten. Ieh habe obeu yon einer Serie gesprochen, an tier man im Bereieh des grol~blasigen Knorpels und des S~tulen- knorpels, und zwar besonders in den prim~ren Querziigen, Fibrillen- btindel sieht. Ieh erhielt sie rein zuf~tllig, naehdem ieh vorher schon die mannigfaehsten Versuche angestellt hatte, um die Fibrillen im ganzen Knorpel zu demaskieren. Denn der Gedanke lag ja nahe, zu untersuehen~ ob nieht die Fibrillen in den Knorpelztigen so an- geordnet sind~ dab dutch sie die Abscherungskr~tfte mSgliehst auf- gehoben werden~ etwa naeh demselben Prinzip, yon dem der Bau- techniker sieh leiten l~tBt, wenn er den Beton mit Eisendr~hten durehzieht. Leider blieb die erw~thnte Serie bis jetzt die einzige, bei der ieh die Fibrillen in so ausgedehntem MaBe erhielt, und ieh wage es daher nieht, auf Grund dieser Serie, Behauptungen aufzu- stellen, die dureh die negativen Resultate yon vielen andern /?r~tpa- raten zum mindesten als zweifelhaft erseheinen miissen. Aueh erlaubt es eine einzige Serie nieht, iiber den Verlauf tier Fibrillen in einem so komplizierten Geft~ge~ wie es die Knorpelarehitektur der Tibia oder des Calcaneus ist, zu urteilen. Aueh tIA~SEN (21) gelang es iibrigens beim embryonalen Knorpel oft niehL Fibrillen zu demaskieren

Die Architektur dos Knorpels vor der 0steogenese usw. 417

'and naehzuweisen. Durch meine Versuehe bin ich einstweilen za der Ansicht gekommen, dab verschiedene Bezirke des embryonalen Knor- pels, so besonders die central gelegenen Partien des dem S~ulen- knorpel aufsitzenden jungen Knorpels, der Fibrillen entbehren. Am konstantesten kann man die Fibrillen finden im groBblasigen Knorpel und in jenen central gelegenen Teilen des Saulenknorpels, welehe an den grogblasigen angrenzen. Hier sieht man einen Tell yon ihnen viel- faeh auch schon ohne Anwendung einer Demaskiernngsmethode. Bel der F~rbung nach TaAI~.~ wird tin Tell dieser Fibrillen blau tingiert. Es sind das jene Fibrillen, die bei Anwendung des Farbgemisehes yon MALLORY oder mit Bleu de Lyon eine blaue Farbe, mit Saure- fuchsin eine rote Farbe annehmen. Sie entspr~chen demnach den oxyphilen Fibrillen HANSENS. Sie sind verhaltnismal]ig grob und haben ein starres, straffes Aussehen. AuBerdem bemerkt man aber nach der TRAINAsehen F~rbung tin sehr dichtes, feints Gespinst yon blaBroten Fibrillen, die analog den basophilen Fibrillen I=IANSENS sind. Diese sind viel feiner als die blauen und bieten ein viel lockeres Bild. Es ist jedoch bis jetzt unmSglieh gewesen, in der filz- artigen Verwebung beider FibriUenarten eine Ordnung zu finden.

Daneben nan sieht man wieder andre Stellen, welche einen ver- waschenen bl~ulich-roten Ton zeigen, was vermuten laBt, es kSnnten vielleicht noeh Fibrillen dahinter stecken. Es lieBen sich aber trotz Anwendung aller bekannten Demaskierungsmittel keine herausdiffe- renzieren. An wieder andern Stellen hat der Knorpel einfach einen blaBroten, homogenen Ton. Wenn man die Sebnitte vor dem F~rben einige Tage in Alkohol 700/0 . 100,0

KOH . . . . . 10,0 legt und dann nach TRA1NA f~rbt, so werden auch die vorher rStlich tingierten Fibrillen blau gefarbt, jedoch nicht so stark, wie die schon ursprUnglich oxyphilen. Wesentlich deutlichere Strukturen erhalt man aber auch nach dieser Vorbehandlung nicht. Ebenso un- befriedigend sind die andern bekannten Mittel, wie Barytwasser, Natriumchlorid, Natronlauge, iibermangansaures Kali usw.

Bei einigen andern Serien erhielt ich im Knorpel nach einfacher H~matoxylin-Chromotropf~rbung in der Knorpelgrundsubstanz zahllose feinste Faserehen, dig wirr durcheinander liegen und nut manchmal in einem sehmalen Grundsubstanzstreifen, der zwei benachbarte Knorpelzellen voneinander scheidet, in einer einheitlichen Richtung durchziehen. Im allgemeinen verleihen sie der Knorpelgrundsubstanz ein sehaumiges Aussehen.

Archiv f. Entwicklungsmechanik. XXXI. 9,7

418 B. Romeis

Zusammenfassung. Wenn ich nun zum SchluB die gewonnenen Resultate zusammen-

fasse, so ergibt sich: Die Architektur des Knoehens hat bereits in der embryonalen

Knorpelanlage ihre Vorstufen~ welche jedoch yon deln Bilde, das die sp~ttere~ vSllig ausgebildete Arehitektur des Knoehens bietet~ ver- schieden sind. Die einzelnen Typen der embryonalen Knorpelarehi- tektur stimmen in den gleichen Knorpeln der n~tmliehen Tierart zu derselben Entwicklungszeit tiberein. In der vorerst speziell unter- suchten Tibia gestaltet sich die Entwieklung der Arcbitektur bis zur Geburt des Kaninehens folgendermaBen: In dem jungen Knorpel- stummel platten sieh die in der Diaphyse gelegenen Knorpelzelleu allmi~hlieh ab, und zwar so~ dab ihre Zelll~tngsaehse die L:~tngsachse des Knorpelmodells krenzt. Hierauf bildet sich in der Diaphyse allm~hlieh ein ovoider Kern aus, dessen Zellen sieh immer mehr dem Aussehen des gro[lblasigen Knorpels n~ihern. Hand in Hand damit entstehen in den dem Ovoid aufgelagerten Knorpelabschnitten Quer- lamellen, welche einen zur Diaphyse hin konkaven Bogen bilden. Um diese Zeit wird das MittelstUck des Knorpelmode]ls yon einer periostalcn Knoehenhtilse eingeschlossen~ auf die sieh die jetzt immer steiler werdenden Querlamellen sttitzen. SchlieBlich verlaufen sie so steil~ dab sie a!s Li~ngslamellen bezeichnet werden mtissen. Dadurch wird ein zweites System yon Querlamellen nStig, welehe die L~tngs- lamellen untereinander verbinden und einen zur Diaphyse hin kon- vexen Bogen bilden. AuBerdem ist noeh ein drittes Lamellensystem vorhanden, das am besten auf dem Quersehnitt zu sehen ist und radiar verli~uft. Inzwisehen hat sich die primi~re MarkhShle gebildet. Der Knorpelknoehen wird immer breiter~ allmi~hlieh sieht man die Knorpelgrundsubstanzreste sieh schrag' nach auBen verspreizen. Mit der zunehmenden Breite werden die Li~ngslamellen immer steiler, die Querlamellen immer flaeher.

Auch der zweite Knorpel~ den ieh n~ther auf seine arehitek- tonische SLruktur untersuehte~ der Caleaneus, ergab ein besonderes Bild der Entwieklung derselben. Die MarkhShle entsteht tiber der Plantarseite des Fersenbeins~ gegentiber der oberen H~tlfte des I)roc. articularis superior, tiber ihr wSlbt sieh der Knorpel mittels dreier Lamellensysteme. E s sind dies:

1) Liingslamellen, deren Verlauf in sagittaler Richtung yon distal nach proximal zieht;

Die Architektur des Knorpels vor der Osteogenese usw. ~19

2) Querlamellen, welebe zwischen medialer und lateraler Calca- neusfiitehe verlaufen;

3) Radii~rlamellen~ die vom Ossifikationspunkt aus divergieren.

Die beschriebenen Architekturen finden sich nleht nur beim Kaninehen~ sondern auch in den entsprechenden Skeletstticken an- drer Siiugetiere, z. B. Katze, Scbaf, Menseh. INattirlich ist dabei die Verschiedenheit hinsichtlich der Dichte des Knorpelgrundsubstanz- masehenwerkes in Betracht zu Ziehen.

Das Ergebnis der vorliegenden Arbeit ist die Feststellung, dab die der knSchernen Sttitze vorausgehende knorpelige Sttitze einen bestimmten konstruktiven Bau besitzt~ welchen man als Knorpel- ~rchitektur bezeichnen kann. Es ist auffallend 7 daB diese Arehitek- tur des Knorpels, welcher eine bestimmte Funktion zugrunde liegt, selbst den besten Kennern der Knoehenarchitektur unbekannt blieb, denn theoretiseh hatte man eigentlich ihr Vorhandensein verlangen miissen. Uberdenkt man die Entwicklungsweise eines knSebernen Skeletsttiekes zun~tehst als bindegewebige, dann ais knort)elige und endlieh als knSeherne Anlage, so ist im Weehsel des Materials uud der Form nur die Funktion eine stetige, ununterbroehene; wir werden uns deshalb denken dtirfen, dab aueh dan ftir die jeweilige Funktion ntitige teehnisehe Geftige eine solehe Stetigkeit trotz des Material- weehsels besitzen wird, und daB das sieh abtSsende Material dem gleiehen teehnisehen Problem zun~tehst in fast Ubereinstimmender Weise sieh fUgen wird.

Wit mill?ten also tier ersten Lbsung tier teebnisehen Aufgabe sehon im bindegewebigen Stadium begegnen, obwohl es hier viel- leieht sehwer werden ktinnte, das konstruktive Prinzip zu erkennen.

Im knorpeligen Stadium ftihrt die Entwieklung" des teehnisehen Geftiges jedenfalls zu klarer Ausgestaltung seines konstruktiven Prinzipes und dieses wird sehliel?lieh yore folgenden Knoehengewebe tibernommen und der Inanspruebnahme gemiig stetig fortentwiekelt.

Naehdem ieb nun die Gewigheit erlangt hatte, dal? im embryo- nalen Knorpel immer wiederkehrende Strukturen vorhanden sind, die wahrseheinlieh zum grogen Teil dureh meehanisehe Beanspruehung hervorgerufen werden, legte mir Herr Professor MOLLIEIr den Ge- danken nahe, einmal den Knorpel yon Tieren zu untersuehen, bei denen er zeitlebens als StUtzorgan erhalten bleibt und bei denen seine Beanspruehung dutch meebanisehe Momente glatt auf der Hand liegt, also z. B. das Wirbelskelet der Selaehier. Dureb seine

27*

420 B. Romeis

Gtite wurde es mir auch erm(iglieht, dab ieh auf der Zoologischen Station zu Neapel das nStige Untersuchungsmaterial sammcln konnte. Die Yermutungen haben sich best~itigt, es sind in der Tat in dem Knorpelskelet der Selaehier bestimmte architektonische Strukturen vorhanden, und ich werde in allerniichster Zeit in der Lage sein~ �9 Niiheres dartiber bekannt zu geben.

Unbeantwortet bleibt die Frage, ob das Entstehen der geschil- derten Strukturen auf Vererbung oder mechanischc EinflUsse, oder auf beide zugleieh zurtickzufUhren ist, denn an den Versuch einer LSsung dieser Frage wird man erst nach ausg'edehnten Experimenten herantreten kSnnen. Meine persSnliche Ansicht ist die, dab beide Momente zusammen wirken.

Und nun mSchte ieh meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Pro- fessor Dr. MOLLIER~ meinen verbindlichsten Dank ausspreehcn~ einer- seits fUr die vielen Anregungen~ auf Grund deter ich diese Arbeit unternommen habe, anderseits ftir das so bereitwillig" zur Verfiigung gestellte Material. Ebenso bin ieh Herrn Prosektor Dr. BOI~M Far seine vielen Ratsehl~gc zu groBem Danke verpflichtet.

Nachschrift.

~ach Uberscndung mcines Manuskriptes hatte Herr Geheimrat Roux die Gttte, reich auf die Arbeit yon T~O~A ,Synostosis suturae sagittalis cranii. Ein Beitrag zur Histomeehanik des Skelets und zur Lehre yon dem interstiticllen Knoehenwachstum. VIRCHOWS Archly. Bd. 188. 1907~, hinzuweisen. Ich kannte die Arbeit sehon aus dem Referat WEIDEbIREICI~IS in den Jahresberiehten tiber die Fortsehritte der Anatomic und Entwicklungsgeschichte. Jena 1908, nach welehem sich Tno)1~ in der Arbeit nur mit appositionellem und interstitiellem Wachstum des Knochens besehiif~igt. - - THOMA er- kliirt weiterhin auf Grund thcoretischer Erwi~gungen, dab cs mSglich ist: sich aueh im Knorpel gewisse trajektorielle Strukturen vorzu- stellen; doch decken sich racine an Priiparaten gewonnenen Befunde nieht mit seinen Vorstellungen.

Die Arehitektur des Knorpels vor der 0steogenese usw. 4:21

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422 B. Romeis, Die Architektur des Knorpels vor tier Osteogenese usw.

Erkliirung der Abbildungen, rs ~ X und X X .

Zu Fig. 1, 2, 3, 5, 7, 8 und 9 sind kleine Zeiehnungen beigefiig't, die mittels einiger sehematischer Liaien das Erkennen der Ziige in den naturgetreu gezeiehneten Bildern erleichtern sollen. Sie sind natiirlieh nicht mathematischen Kurven gleieh zu setzen. Die Bilder wurden mittels des gro~en yon WIm~E~, nach dem Edingerschen Prinzip hergesCellten Zeichenapparates angefertigt.

Fig. I (mit Schema). Liingsschnitt dutch die Tibia eines 16t~tgigen Kaninchen- embryos, a ovoidfSrmiger, in der Di~physe gelegener Knorpelzellenkom- plex, Vorliiufer des grol~blasigen Knorpels, b die dariiber gelagerten pri- m~ren Querziige, die gegen die Diaphyse zu konkav gekriimmt sind and deren Kriimmung mit zunehmender Entfernung von der Diaphyse flaeher wird.

Fig. 2 (mit Schema). L~ngsschnitt durch die Tibia eines 18t~igigen Kaninchen- embryos. Die distale Epiphyse ist nur in ihrem Anfangssttick noch abge- bildet, a grol3blasiger Knorpel der Diaphyse, b Querziige, die den Quer- ztigen der Fig. 1 entsprechen, p periostaler Knoehenmantel.

Fig. 3 (mit Schema). Sagittaler Medianschnitt durch die proximale Hiilfte der Tibia eines 20t~gigen Kaninchenembryos. a Markhtihle, b L~ingsziige, die in parabolischer Linie verlaufend gegen die Markhiihle hin divergieren, e sekundiire Querziige, die einen zur MarkhShle bin konvexen Bogen bil- den und die L~ingsziige rechtwinklig kreuzen, p periostaler Knoehenmantel.

Fig. 4. Frontaler Medianschnitt dutch die distale Tibiahiilfte eines 21tiigigen Kaninchenembryos. Beim Vergteich mit Fig. 3 sieht man, dai~ die Hiihe der grol3blasigen Knorpelsehicht bereits abgenommen hat.

Fig. 5 (mit Schema). Querschnitt dutch die distale Tibiaepiphyse eines 21tiigigen Kaninehenembryos in der tt(ihe des mittleren Drittels der Siiulenknorpel- sehicbt, b Querschnittsbilder der auf Fig. 3 und 4 zu sehenden Li~ngsztigo, d radi~re Ziige.

Fig. 6 Frontaler Medianschnitt dutch das proximale Tibiaende eines 26t~igigen Kaninchenembryos. b Liingsztige, die in ihrem Verlauf immer steiler und gestreekter werden, c Querztige; haben sieh gegentiber den Querztigen auf Fig. 3 und 4 abgeflacht, d Knorpelgrundsubstanzreste.

Fig. 7 (mit Schema). Sagittalcr Medianschnitt durch den Calcaneus eines 24t~igi- gen Kaninchenembryos. a L~ingslamellen, in der Richtung ihrer sagittalen Achse getroffen, b Querlamellen, in der Richtung ihrer sagittalen Achse angesehnitteu, o 0ssifikationskern, p Einziehung der Plantarfl~iehe unter- halb des Ossifikationskerns, g Processus articuh sup.

Fig. 8 (mit Schema). Frontalschnitt dutch den Calcaneus eines 24t~gigen Ka- ninehenembryos, a L~ingslamellen, in der Richtung ihrer transversalen Achse getroffen, c Radi~irlamellen, o 0ssifikationskern.

Fig. 9 (mit Schema). Flachsehnitt dutch den Calcaneus eines 24t~igigen Kanin- cheuembryos, parallel der Facies plantaris geschnitten, b Querlamellen, in der transversalen Achse getroffen, c Radi~trlamellen, o 0ssifikationskern.

Fig. 10. Sagittaler Mediauschnitt dureh den Caleaneus eines 26t~igigen Kania- chenembryos.