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66 BIOspektrum · 1/05 · 11. Jahrgang 10 Jahre BIOspektrum Die ATP-Synthase weiter gedreht Wolfgang Junge Biophysik, Universität Osnabrück sita mit rotierenden, an der zentralen Welle des auf einer Unterlage immobilisierten F 1 - Teils befestigten Aktin-Filamenten (s. Abb. 3A). Vermutlich war auch der Ionen- transportierende Teil des Enzyms, F O , ein Rotationsmotor. Das vom Autor 1993 vor- geschlagene Konzept für dessen Funktions- weise, gestützt auf Brownsche Relativ-Ro- tation von Untereinheiten und elektrostati- sche Einschränkungen, wurde 1997 im BIO- spektrum dargestellt [8] (s. auch [9–10] und Abb. 1B). In groben Umrissen fand das Kon- zept zweier rotierender Motoren/Generato- ren (Abb. 1C) nach der Verleihung des No- bel-Preises an Paul Boyer und John Walker im Jahre 1997 Eingang in die Lehrbücher der Biochemie. Erweiterte Strukturmodelle: Gegründet auf Röntgen-Kristallstrukturanalyse für den F 1 - Teil [11–14] sowie für F 1 mit einem Teil von F O [15] , auf Röntgen- und NMR-Analyse für einzelne Untereinheiten in Lösung [16–20] , auf AFM für den Ring der c-Untereinheiten im Die ATP-Synthase (F O F 1 -ATPase) er- zeugt eine chemische Differenz des ATP/ADP-Systems auf Kosten einer elektro- chemischen Energiedifferenz des Protons [1] . Dies gehört, seit Ende der siebziger Jahre unangefochten, zum biochemischen Grund- wissen. Der Mechanismus der Kopplung von Ionentransport und ATP-Synthese blieb je- doch zunächst verborgen. Arbeiten von Paul Boyer [2] hatten einen alternierenden oder ro- tierenden Reaktionsablauf der ATP-Hydro- lyse an den zwei oder drei Reaktionsorten des F 1 -Teils wahrscheinlich gemacht. Die Rotation wurde erst durch die Kristallstruk- tur von John Walker plausibel [3] . Der drei- zählige, durch unterschiedliche Nukleotid- Belegung asymmetrisierte F 1 -Teil des En- zyms ließ vermuten, dass die an den drei Wirkorten nacheinander ablaufende ATP- Hydrolyse die zentrale Welle im Kreise he- rum treibt [3] . Günter Schäfer hat dies im er- sten Heft des BIOspektrums dargestellt [4] . Ab- bildung 1A zeigt die in einer Lagerschale um- laufende zentrale Welle, welche von einem hin- und herschwingenden Hebel angetrie- ben wird, der an der Nukleotid-Bindetasche ansetzt. Wenig später wurde die Rotation der zentralen Welle (der Untereinheit γ) im He- xagon der Untereinheiten (αβ) 3 von F 1 in unterschiedlicher Weise nachgewiesen [5–7] . Für Biochemiker überzeugend war der mikrovideografische Ansatz der Gruppen von Masasuke Yoshida und Kazuhiko Kino- Die ATP-Synthase erzeugt ATP, den zentralen Treibstoff der Zelle, auf Kosten elektrochemischer Energie. Das Enzym ist aus zwei rotierenden Schrittmotoren aufgebaut, deren einer, als Motor, den anderen, als Generator, antreibt. Ihr Zusammenwirken hält weit gehenden künstlich eingeführten Modifikationen der Struktur stand. Die seit Mitte der neunziger Jahre in Umrissen vermutete Grobmotorik des Enzyms ist heute bewiesen. Wichtige Konstruktionsmerkmale werden jetzt erkennbar, so sichert die elastische Über- tragung des Drehmoments die Robustheit der Funktion und einen hohen kinetischen Wirkungsgrad unter Last. F O -Teil [21, 22] , auf EM [23] und auf geeignete chemische Quer-Vernetzungen [24–29] stellt sich das Enzym heute wie in Abbildung 2A dar. Der F 1 -Teil wurde mit unterschied- lichen Nukleotiden und Inhibitoren in ei- nem Fall bis auf 0,2 nm aufgelöst [30] . Auf- fällig ist ein Arginin als festes, zugleich auf das γ-Phosphat des ATP hin „verschwenk- bares“ und dieses stabilisierende Gegenka- tion. Die Kooperativität der drei Reaktion- sorte und der Einfluss mechanischer Verän- derungen großer Reichweite auf die Prozes- sierung der Nukleotide ist bisher nicht voll- ständig erschlossen worden (zur Über- sicht [31] ). Für den F O -Teil wurde durch AFM eine Ringstruktur der in mehreren Kopien vorhandenen Untereinheit c bewiesen (Abb. 1B). Die Anzahl von Kopien der Unter- einheit c im Ring variiert zwischen 14 (in Chloroplasten [22] ) über 11 (in einem Na- trium-translozierenden Bakterium [32] ) bis 10 (in Hefe [15] und E. coli [33] ). Die beiden Mo- tor/Generatoren arbeiten daher (i) mit un- Abb. 1: Schematische Darstellungen und Anima- tionen der ATP Synthase. (A) Schnitt durch den Kopfteil, F 1 , nach der zuerst publizierten, asym- metrisch mit Nukleotiden belegten Struktur [3] , dazu als Animation eine Energie-minimierte Interpolation von Cherepanov (www.biologie.uni- osnabrueck.de/biophysik/Junge/pictures/F1.avi). (B) Schematische Darstellung des Ionentranslo- kators, F O , und eine Animation dazu (www.biologie.uni-osnabrueck.de/biophysik/ Junge/pictures/FO.avi). Der H + -Leitwert von F O , etwa 10 fS, ist mit diesem Modell verträglich [60] . (C) Eine von Olaf Fritsche im Institut des Autors 1996 produzierte Animation des gesamten Enzyms, welche, vom Institut für Wissenschaft- lichen Film, Göttingen, grafisch verfeinert in dessen CD „Die Zelle I“ aufgenommen, über die Website des Autors weite Verbreitung fand (www.biologie.uni-osnabrueck.de/biophysik/ Junge/pictures/FOF1.MOV). Hartmut Michel Achim Kröger Lothar Jaenicke Christiane Gatz Dieter Oesterhelt Volkmar Braun Wolfgang Junge

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BIOspektrum · 1/05 · 11. Jahrgang

10 Jahre BIOspektrum

Die ATP-Synthase weiter gedreht

Wolfgang Junge

Biophysik, Universität Osnabrück

sita mit rotierenden, an der zentralen Welledes auf einer Unterlage immobilisierten F1-Teils befestigten Aktin-Filamenten (s.Abb. 3A). Vermutlich war auch der Ionen-transportierende Teil des Enzyms, FO, einRotationsmotor. Das vom Autor 1993 vor-geschlagene Konzept für dessen Funktions-weise, gestützt auf Brownsche Relativ-Ro-tation von Untereinheiten und elektrostati-sche Einschränkungen, wurde 1997 im BIO-spektrum dargestellt[8] (s. auch[9–10] undAbb. 1B). In groben Umrissen fand das Kon-zept zweier rotierender Motoren/Generato-ren (Abb. 1C) nach der Verleihung des No-bel-Preises an Paul Boyer und John Walkerim Jahre 1997 Eingang in die Lehrbücherder Biochemie.

Erweiterte Strukturmodelle: Gegründet aufRöntgen-Kristallstrukturanalyse für den F1-Teil[11–14] sowie für F1 mit einem Teil vonFO

[15], auf Röntgen- und NMR-Analyse füreinzelne Untereinheiten in Lösung[16–20], aufAFM für den Ring der c-Untereinheiten im

� Die ATP-Synthase (FOF1-ATPase) er-zeugt eine chemische Differenz desATP/ADP-Systems auf Kosten einer elektro-chemischen Energiedifferenz des Protons[1].Dies gehört, seit Ende der siebziger Jahreunangefochten, zum biochemischen Grund-wissen. Der Mechanismus der Kopplung vonIonentransport und ATP-Synthese blieb je-doch zunächst verborgen. Arbeiten von PaulBoyer[2] hatten einen alternierenden oder ro-tierenden Reaktionsablauf der ATP-Hydro-lyse an den zwei oder drei Reaktionsortendes F1-Teils wahrscheinlich gemacht. DieRotation wurde erst durch die Kristallstruk-tur von John Walker plausibel[3]. Der drei-zählige, durch unterschiedliche Nukleotid-Belegung asymmetrisierte F1-Teil des En-zyms ließ vermuten, dass die an den dreiWirkorten nacheinander ablaufende ATP-Hydrolyse die zentrale Welle im Kreise he-rum treibt[3]. Günter Schäfer hat dies im er-sten Heft des BIOspektrums dargestellt[4]. Ab-bildung 1A zeigt die in einer Lagerschale um-laufende zentrale Welle, welche von einemhin- und herschwingenden Hebel angetrie-ben wird, der an der Nukleotid-Bindetascheansetzt. Wenig später wurde die Rotation derzentralen Welle (der Untereinheit γ) im He-xagon der Untereinheiten (αβ)3 von F1 inunterschiedlicher Weise nachgewiesen[5–7].Für Biochemiker überzeugend war dermikrovideografische Ansatz der Gruppenvon Masasuke Yoshida und Kazuhiko Kino-

Die ATP-Synthase erzeugt ATP, denzentralen Treibstoff der Zelle, auf Kostenelektrochemischer Energie. Das Enzym istaus zwei rotierenden Schrittmotorenaufgebaut, deren einer, als Motor, denanderen, als Generator, antreibt. IhrZusammenwirken hält weit gehendenkünstlich eingeführten Modifikationen derStruktur stand. Die seit Mitte der neunzigerJahre in Umrissen vermutete Grobmotorikdes Enzyms ist heute bewiesen. WichtigeKonstruktionsmerkmale werden jetzterkennbar, so sichert die elastische Über-tragung des Drehmoments die Robustheitder Funktion und einen hohen kinetischenWirkungsgrad unter Last.

FO-Teil[21, 22], auf EM[23] und auf geeignetechemische Quer-Vernetzungen[24–29] stelltsich das Enzym heute wie in Abbildung 2Adar. Der F1-Teil wurde mit unterschied-lichen Nukleotiden und Inhibitoren in ei-nem Fall bis auf 0,2 nm aufgelöst[30]. Auf-fällig ist ein Arginin als festes, zugleich aufdas γ-Phosphat des ATP hin „verschwenk-bares“ und dieses stabilisierende Gegenka-tion. Die Kooperativität der drei Reaktion-sorte und der Einfluss mechanischer Verän-derungen großer Reichweite auf die Prozes-sierung der Nukleotide ist bisher nicht voll-ständig erschlossen worden (zur Über-sicht[31]). Für den FO-Teil wurde durch AFMeine Ringstruktur der in mehreren Kopienvorhandenen Untereinheit c bewiesen(Abb. 1B). Die Anzahl von Kopien der Unter-einheit c im Ring variiert zwischen 14 (inChloroplasten[22]) über 11 (in einem Na-trium-translozierenden Bakterium[32]) bis 10(in Hefe[15] und E. coli[33]). Die beiden Mo-tor/Generatoren arbeiten daher (i) mit un-

Abb. 1: Schematische Darstellungen und Anima-tionen der ATP Synthase. (A) Schnitt durch denKopfteil, F1, nach der zuerst publizierten, asym-metrisch mit Nukleotiden belegten Struktur[3],dazu als Animation eine Energie-minimierteInterpolation von Cherepanov (www.biologie.uni-osnabrueck.de/biophysik/Junge/pictures/F1.avi).(B) Schematische Darstellung des Ionentranslo-kators, FO, und eine Animation dazu(www.biologie.uni-osnabrueck.de/biophysik/Junge/pictures/FO.avi). Der H+-Leitwert von FO,etwa 10 fS, ist mit diesem Modell verträglich[60].(C) Eine von Olaf Fritsche im Institut des Autors1996 produzierte Animation des gesamtenEnzyms, welche, vom Institut für Wissenschaft-lichen Film, Göttingen, grafisch verfeinert indessen CD „Die Zelle I“ aufgenommen, über dieWebsite des Autors weite Verbreitung fand(www.biologie.uni-osnabrueck.de/biophysik/Junge/pictures/FOF1.MOV).

Hartmut Michel

Achim Kröger

Lothar Jaenicke

Christiane Gatz Dieter Oesterhelt Volkmar Braun Wolfgang Junge

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angepasster Symmetrie, (ii) mit verschiede-ner Übersetzung in unterschiedlichen Orga-nismen und (iii) mit nicht-ganzzahliger Sto-ichiometrie. Für Chloroplasten wurde struk-turell ein H+/ATP-Verhältnis von 14:3 = 4,67erwartet. Funktionell wurde jedoch eineH+/ATP-Stoichiometrie von 4 be-stimmt[34–36], ein bisher nicht aufgeklärterWiderspruch.

Höhere Auflösung der Rotationsbewegung

Erste Hinweise für einen in drei Schrittenerfolgenden Rotationsfortschritt im F1-Teilergaben sich bereits aus spektroskopischenUntersuchung am Ensemble und an Ein-zelmolekülen[37–42]. Durch Dunkelfeld-Mikroskopie mit nano-Gold-Partikel wurdedie Schrittweite, 120°, direkt dargestellt[43].Bei ATP-Limitierung wurden vier Phasenunterscheidbar: das Warten auf ATP-Bin-dung, eine Drehung um 80°, die Spaltungdes gebundenen ATP in < 1ms und eineDrehung um 40°[44]. Dass eine schrittweiseDrehung in umgekehrter Richtung, ange-trieben durch protonen- bzw. natriummoto-rische Kraft, für ATP-Synthese sorgt, wur-de spektroskopisch an Proteoliposomennachgewiesen[40–42]) und, spektakulär, auchan von außen durch ein rotierendes Mag-netfeld angetriebenen, immobilisiertenEnzymen[45].

Konstruktionsprinzipien des Doppelmotors,fein abgestimmt oder robust?

Bei einem Molekül mit derart komplexerFunktion vermutet man bei oberflächlicherBetrachtung eine sehr feine Abstimmungder Elementarakte in den beiden miteinan-der gekoppelten Motoren, dem Ionentrans-lokator FO und dem Syntheseapparat F1. Esgibt jedoch eine Fülle von Hinweisen auf ei-ne eher robuste Konstruktionsweise, die Va-riabilität der Symmetrien (3:10, :11, :14) und

funktionsfähige Hybride aufgebaut ausUntereinheiten des Enzyms aus Spinat-chloroplasten, Synechocystis, E. coli und P. mo-destum (Zitate in[46]) sind Beispiele dafür. DerIonentranlokator, FO, kann auch mit Na+ ar-beiten[47]. Die in Abbildung 2A grün darge-stellte Verbindung des FO-Teils mit dem F1-Teil durch zwei parallel geführte Unterein-heiten b ließ sich ohne Funktionsverlust(i) durch künstlich eingeführte Cysteine ver-brücken, (ii) um je 14 Aminosäuren verlän-gern[48] oder (iii) um 11 Aminosäuren ver-kürzen[49]. An der durch einen roten Kreismarkierten Stelle konnte ein kleines Protein,Cytochrom b, einfusioniert werden, eben-falls ohne Blockade[50]. Die zentrale Wellewurde an ihrem α-helikalen (C-terminalen)Ende um 12 Aminosäuren verkürzt (inAbb. 2B rot dargestellt). ATP-Hydrolysedrehte jedoch auch nach Verlust dieses„Lagerzapfens“ Aktin-Filamente (s.Abb. 3A) gegen den Widerstand des vis-kosen Mediums[51]. Der C-Terminusder Welle wurde, wiederum ohne to-talen Aktivitätsverlust, mit der Lager-schale kovalent verbrückt[46, 52, 53]. MD-Simulationen legten nahe, dass das Enzymauf Grund seines hohen Drehmoments inder Lage sein könnte, die Wasserstoffbrü-cken in der α-Helix der Welle aufzubrechen,um so von der künstlich blockierten Wel-le/Lager-Konstruktion (Abb. 2B) auszuwei-chen auf ein Drehzapfengelenk, reali-siert durch die Einfachbindungen amCα-Atom einiger Aminosäuren[52]. Die-

se offenbar mögliche nanotechnische Lö-sung scheint im Normalzustand des Enzymsjedoch nicht genutzt zu werden[6, 37, 53].

Welche konstruktiven Tricks lassen die-ses komplex aufgebaute Enzym derart ro-bust mit strukturellen Veränderungen fer-tig werden?

Elastische Kraftübertragung, Drehmomentund Wirkungsgrade:

Es wurde darüber spekuliert, dass das ro-buste Zusammenspiel der beiden Schritt-motoren durch ein ausgleichendes Struk-turelement, eine elastische Kraftübertra-gung, vermittelt wird[54, 55]. Die Winkelab-hängigkeit des Drehmoments sollte die ver-mutete Elastizität widerspiegeln. ZumNachweis der inneren Elastizität haben Sieg-fried Engelbrecht, Karin Gumbiowski undOliver Pänke ein Aktin-Filament mono-spe-zifisch am Ring der c-Untereinheiten des amF1-Teils immobilisierten Enzyms angehef-tet[56]. Die durch die ATP-Hydrolyse im F1-Teil des Enzyms angetriebene Drehung ge-gen den viskosen Widerstand deformiertedas Filament. Dessen visko-elastische Bie-gung erlaubte die Berechnung der Winkel-abhängigkeit des am c-Ring angreifendenDrehmoments[46, 57, 58]. Es schwankte mit ge-ringer Amplitude (Periode 120°) um einenMittelwert von ca. 56 pNnm. In Anbetrachtder Schrittmotor-Eigenschaft des Antriebs(Aktivierungsenergie >40 kJ/mol) bedeute-te die geringe Schwankungsbreite die Glät-tung der Kraftschläge durch innere Elasti-

Abb. 2: AktuellesStrukturmodell der ATPSynthase. (A) Struktur-modell von FOF1 (Zitateim Text). Roter Pfeil:künstlich eingeführterHelix-Längenunter-schied entsprechend11+14=25 Amino-säuren[48, 49]. RoterKreis: Ort des einfusio-nierten Cytochromb[50]. (B) Schnitt durchden F1-Teil. Rotmarkiert die ohneFunktionsverlust zudeletierenden Amino-säuren[51].

Abb. 3: Bestimmung der Winkelabhängig-keit des in F1 erzeugten Drehmoments nachÜbertragung auf den Ring von FO mit ange-heftetem Aktin-Filament. (A) Schema desMessprinzips[56]. (B) Berechnete Abhängig-keit der Rate als Funktion der elastischenTorsionssteife der zentralen Welle[57, 58].Die elastische Drehmomentübertragungermöglicht einen hohen kinetischenWirkungsgrad.

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zität des Enzyms. Eine statistisch-mechani-sche Beschreibung dieses nanoskopischenSchrittmotors mit den Methoden der statis-tischen Mechanik führte Cherepanov zudem Schluss, dass eine hohe Rate nur beielastisch weicher Kopplung zwischen demmit ausgeprägten Kraftschlägen arbeitendenAntrieb und der entfernten großen Lastmöglich ist[46, 57, 58] (s. Abb. 3B). Die elasti-sche Kopplung erklärt zugleich die Robust-heit der Funktion gegenüber Struktur-Mo-difikationen und die Fähigkeit, mit unter-schiedlichen und nicht-ganzzahligen Über-setzungen zu arbeiten. Innere Elastizität istein einfaches Konstruktionsprinzip, um ei-nen großen kinetischen Wirkungsgrad zu erzie-len, einfacher zu realisieren und robuster alsdie Glättung der Kraftschläge durch sorg-fältige Abstimmung (etwa durch einen„hydrogen bonded zipper“) der Elementar-vorgänge in den beiden Motoren, wie vonGeorg Oster vorgeschlagen[59].

Unter der Last eines typisch 3 µm lan-gen Aktin-Filaments arbeitet die F1-ATPa-se um Größenordnungen langsamer als dasfreie Enzym. Wenn es gar an einem Hin-dernis an der Oberfläche anstößt, bleibt esganz stehen. Im ersten Fall befindet sich dasEnzym nahe am, im zweiten im thermody-namischen Gleichgewicht, in beiden Fäl-len wird es elastisch deformiert. Das aus derelastischen Deformation von Aktin-Fila-menten bestimmte mittlere Drehmomentvon 56 pNnm, multipliziert mit dem Winkelpro ATP, 2π/3, deckte sich mit der molarenFreien Energie der ATP-Hydrolyse in denExperimenten, 70 kJ/mol[58]. Das bedeuteteinen thermodynamischen Wirkungsgrad vonEins, nicht überraschend für ein gleichsamruhendes Enzym. Wichtiger sind folgendeAussagen: (i) Das Enzym besitzt wegen elas-tischer Kraftübertragung einen hohen kine-tischen Wirkungsgrad und (ii) es gibt trotzdes hohen Drehmoments keinen Schlupfzwischen den beiden Motoren (dieser tritterst auf, wenn der Eingriff des Hebels in dieumlaufende Welle bei Abwesenheit von Nu-kleotiden gelockert ist).

Zusammengefasst: Die ATP Synthase istein robustes und effizientes Enzym, welcheschemische mit Ionentransport-Reaktionenmechanisch durch eine ausgeprägte Grobmo-torik verbindet. Seine Funktionsweise wirdim Prinzip verstanden, die Details der elek-trischen, chemischen und mechanischenVorgänge sind dagegen erst im Ansatz er-kennbar.

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