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18 Die Auseinandersetzung der Gemeinde mit Paulus: Versuch einer Rekonstruktion der Ereignisse 1 Paulus kommt von Athen aus – hier war es nicht gelungen, eine Gemeinde zu gründen — 50/51 erstmals nach Korinth. Er wohnt und arbeitet zunächst allein bei Priszilla und Aquila. Als seine Begleiter Timotheus und Titus eintreffen, beginnt die Mission in der heterogenen Weltstadt. Vor allem bei den Armen haben sie Erfolg. Eine überwiegend heiden- christliche Gemeinde entsteht. Nach eineinhalb Jahren zieht Paulus weiter. 4 Paulus schickt Titus nach Korinth. Er soll für ihn eintreten und die begonnene Kollekte zum Ab- schluss bringen. Titus überbringt den Brief C, in dem Paulus erklärt, wie er sein Apostelamt versteht. 5 Titus gelingt es nicht, die Gemein- de zu überzeugen, und reist mit diesen Nachrichten wieder nach Ephesus. 7 Paulus verlässt Korinth und schreibt den „Tränenbrief“, den Titus als Bote überbringt. Darin setzt er sich ener- gisch mit seinen Gegnern auseinander. 9 Paulus besucht die Gemeinde in Korinth ein drittes Mal (Winter 55/56), als er drei Monate in der Provinz Achaia weilt. Hier schreibt er den Brief an die Römer, den Phöbe aus Kenchreä überbringt. Danach reist er nach Jerusalem. 8 Paulus wartet auf Nachricht von Titus, mit dem er sich in Troas verabredet hatte. Ungeduldig reist er ihm entgegen, trifft ihn in Mazedonien und erfährt, dass es gelungen ist, den Streit beizulegen. Er schickt Titus mit einem „Versöhnungsbrief” nach Korinth, in dem Paulus auch für den bittet, der ihn beleidigt hatte (2,6ff). Letzte Missverständnisse werden ausgeräumt. Titus soll bei seinem Besuch die unterbrochene Sammlung für Jerusalem abschließen. 6 Paulus entschließt sich angesichts des Zustands der Gemeinde zu einem „Zwischenbesuch” von Ephe- sus aus in Korinth (54/55). Es kommt zu harten und schmerzlichen Auseinan- dersetzungen: Einige streiten Paulus das Recht ab, als Missionar aufzutreten, sie zweifeln an seiner Ehrlichkeit in Bezug auf die Kollekte, sie kritisieren sein persönliches Auftreten. Es kommt zu einem „Zwischenfall”, bei dem jemand aus der Gemeinde Paulus provoziert und beleidigt (2 Kor 2,1-11; 7,11-13). 2 Zwischen 53–55 schreibt Paulus von Ephesus aus einen Brief (1 Kor) an die Gemeinde. Eine Delegation ist mit An- fragen zu ihm geschickt worden, ebenso ist ihm mündlich zu Ohren gekommen, dass die Gemeinde sich seit seiner Abreise sehr verändert hat. Andere Missionare wirken in der Stadt: der Judenchrist Apollos und andere streng judenchristliche Missionare, die sich auf Petrus berufen und sich als Apostel bezeichnen. Paulus sprechen sie diesen Rang ab. In der Gemeinde bilden sich Gruppierungen, z. B. mit der Behauptung: ,,Eine Auferstehung der Toten gibt es nicht.“ 3 Timotheus bringt weiterhin schlechte Nach- richten zu Paulus nach Ephesus. Immer noch treten Lehrer auf, die die Gemeinde verun- sichern. Vermutlich kommen sie aus konser- vativen Kreisen der Jerusalemer Urgemeinde. Sie bestreiten das Apostelamt des Paulus und seine Legitimation zur Verkündigung. Viele Gemeinde- mitglieder schließen sich diesen Lehrern an. Angelehnt an die Einleitungen zu den Korintherbriefen in „Die Bibel. Einheitsübersetzung”. Mit Kommentar von Eleonore Reck. Verlag Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 2001 © Welt und Umwelt der Bibel 1/2009 "Paulus"

Die Auseinandersetzung der Gemeinde mit Paulus: Versuch ......aus der Gemeinde Paulus provoziert und beleidigt (2 Kor 2,1-11; 7,11-13). 2 Zwischen 53–55 schreibt Paulus von Ephesus

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Page 1: Die Auseinandersetzung der Gemeinde mit Paulus: Versuch ......aus der Gemeinde Paulus provoziert und beleidigt (2 Kor 2,1-11; 7,11-13). 2 Zwischen 53–55 schreibt Paulus von Ephesus

18 welt und umwelt der bibel 1/2009

Die Auseinandersetzung der Gemeinde mit Paulus: Versuch einer Rekonstruktion der Ereignisse

1Paulus kommt von Athen aus –hier war es nicht gelungen, eineGemeinde zu gründen — 50/51

erstmals nach Korinth. Er wohnt undarbeitet zunächst allein bei Priszilla undAquila. Als seine Begleiter Timotheusund Titus eintreffen, be ginnt dieMission in der hetero genen Weltstadt.Vor allem bei den Armen haben sieErfolg. Eine überwiegend heiden -christliche Ge mein de ent steht. Nacheineinhalb Jahren zieht Paulus weiter.

4Paulus schickt Titus nach Korinth.Er soll für ihn ein treten und diebegonnene Kollekte zum Ab -

schluss bringen. Titus überbringt denBrief C, in dem Paulus erklärt, wie ersein Apos telamt versteht.

5Titus gelingt es nicht, die Ge mein -de zu überzeugen, und reist mitdiesen Nach richten wieder nach

Ephesus.

7Paulus verlässt Korinth und schreibtden „Tränenbrief“, den Titus als Boteüberbringt. Darin setzt er sich ener -

gisch mit seinen Gegnern auseinander.

9Paulus besucht die Ge meinde in Korinth eindrittes Mal (Winter 55/56), als er drei Monatein der Provinz Achaia weilt. Hier schreibt er

den Brief an die Römer, den Phöbe aus Kenchreäüberbringt. Da nach reist er nach Jeru sa lem.

8Paulus wartet auf Nachricht vonTitus, mit dem er sich in Troasverabredet hatte. Unge duldig reist er

ihm entgegen, trifft ihn in Mazedonien underfährt, dass es gelungen ist, den Streitbeizulegen. Er schickt Titus mit einem„Versöhnungsbrief” nach Ko rinth, in demPaulus auch für den bittet, der ihn beleidigthatte (2,6ff). Letzte Missverständnissewerden aus geräumt. Titus soll bei seinemBesuch die unterbrochene Samm lung fürJerusalem abschließen.

6Paulus entschließt sich angesichtsdes Zustands der Gemeinde zueinem „Zwischenbesuch” von Ephe -

sus aus in Korinth (54/55). Es kommt zuharten und schmerzlichen Ausei nan -dersetzungen: Einige streiten Pau lus dasRecht ab, als Missionar auf zutreten, siezweifeln an seiner Ehr lichkeit in Bezugauf die Kollekte, sie kritisieren seinpersönliches Auftreten. Es kommt zueinem „Zwischenfall”, bei dem jemandaus der Gemeinde Paulus provoziert undbeleidigt (2 Kor 2,1-11; 7,11-13).

2Zwischen 53–55 schreibt Paulus vonEphesus aus einen Brief (1 Kor) an dieGemeinde. Eine Delegation ist mit An -

fragen zu ihm geschickt worden, ebenso istihm mündlich zu Ohren gekommen, dassdie Gemeinde sich seit seiner Abreise sehrverändert hat. Andere Missionare wirken inder Stadt: der Judenchrist Apollos undandere streng judenchristliche Missionare,die sich auf Petrus berufen und sich alsApostel bezeichnen. Paulus sprechen siediesen Rang ab. In der Gemeinde bildensich Grup pierungen, z. B. mit derBehauptung: ,,Eine Auferstehung derToten gibt es nicht.“

3Timotheus bringt weiterhin schlechte Nach -richten zu Paulus nach Ephesus. Immer nochtre ten Lehrer auf, die die Gemeinde verun -

sichern. Vermutlich kom men sie aus konser -vativen Kreisen der Jerusalemer Urgemeinde. Siebe streiten das Apostelamt des Paulus und seineLegitimation zur Ver kündigung. Viele Gemeinde -mit glieder schließen sich die sen Lehrern an.

Angelehnt an die Einleitungen zu den Korintherbriefen in „Die Bibel. Einheitsübersetzung”. Mit Kommentar von Eleonore Reck. Verlag Katholisches Bibelwerk, Stuttgart 2001

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