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Die Bedeutung der Zahlungssitten und des gleichmäßigen Vorgehens der Banken für die Technik der Giralgeldschöpfung Author(s): Robert Nöll v. d. Nahmer Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 6, H. 1 (1939), pp. 137-147 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40908243 . Accessed: 18/06/2014 16:26 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 62.122.78.91 on Wed, 18 Jun 2014 16:26:33 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Die Bedeutung der Zahlungssitten und des gleichmäßigen Vorgehens der Banken für die Technik der Giralgeldschöpfung

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Die Bedeutung der Zahlungssitten und des gleichmäßigen Vorgehens der Banken für dieTechnik der GiralgeldschöpfungAuthor(s): Robert Nöll v. d. NahmerSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, New Series, Bd. 6, H. 1 (1939), pp. 137-147Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40908243 .

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Die Bedeutung der Zahlungssitten und des gleichmäßigen Vorgehens der Banken für die

Technik der Giralgeldsdiöpfung von

Robert Nöll v. d. Nahmer

I. Die unmittelbare Veranlassung zu diesem Aufsatz waren die Ausfüh-

rungen von Karl Fohl in seinem neuen, viele interessante Anregungen gebenden Buche „Geldschöpfung und Wirtschaftskreislauf" x) in dem Kapitel „Die Mechanik der Geldschöpfung" 2).

„K e y n e s , der im „Treatise on money" über die Bankgeldschöpfung eine kurz gefaßte und unseres Erachtens sehr klare Zusammenfassung gibt, hat den Unterschied zwischen den Eigentümlichkeiten der bargeldlosen Wirtschaft und denen einer nicht bargeldlosen Wirtschaft sehr wohl erkannt. Wir könnten demnach auf eine Erörterung dieser Fragen vollkommen ver- zichten, wenn nicht Nöll v. d. Nahmer in seiner Arbeit „Der volkswirt- schaftliche Kreditfonds", die für die Theorie des Beschäftigungsgrades so bedeutungsvoll geworden ist, die Keynesschen Ausführungen zur Stützung einer Darstellung der Bankgeldschöpfung heranzöge, die unseres Erachtens dem Stande der Erkenntnis auf diesem Gebiete nicht gerecht wird" 3).

Das Schrifttum über die Technik der Giralgeldschöpfung der Banken ist außerordentlich umfangreich. Trotz dessen bestätigt leider fast jede neue Publikation, daß es bisher der nationalökonomischen Wissenschaft nicht gelungen ist, zu einer restlosen Klarheit über die schwierigen und komplizierten Vorgänge zu gelangen. Dabei muß es geradezu als ein Prüf- stein für die praktische Verwertbarkeit unserer wirtschaftswissenschaft- lichen Forschungsarbeit bezeichnet werden, ob es gelingt, in einer letztlich doch technischen Frage von so großer praktischer Bedeutung zu einer vollen Übereinstimmung zu kommen.

Das ganze Problem ist gerade in der Gegenwart für unsere deutsche Volkswirtschaft von besonderer Bedeutung. Das Reichsgesetz über das Kreditwesen vom 5. 12. 34 erkennt als eines der ersten monetären Gesetz-

l) München und Leipzig, 1937. *) F ö h 1 a. a, O. S. 75-87. ») F ö h 1 a. a. O. S. 75/76.

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gebungswerke in der Welt das Vorhandensein des Giralgeldes an und unter- wirft seine Schöpfung der staatlichen Kontrolle. Das darf immerhin als ein Erfolg unserer in der Gegenwart so viel kritisierten nationalökonomischen Wissenschaft bezeichnet werden. Sie war auf diesem Gebiete der Praxis weit voraus. Als sich der Verein für Sozialpolitik gelegentlich seiner Züricher Tagung im September 1928 mit dem Giralgeldproblem beschäftigte, fehlte es nicht an angesehenen und prominenten Praktikern, die die Fähigkeit der Banken zu selbsttätiger, von der Notenbank weitgehend unabhängiger Schöpfung von Giralgeld noch mehr oder minder leugneten 1). Die dem Ziel einer Kontrolle der Giralgeldschöpfung der Banken dienenden Vorschriften über die Banken-Liquidität nach § 16 des Gesetzes sowie die Bestimmungen des Abschnittes VIII „Unbarer Zahlungsverkehr" §§ 28, 29 sind bisher noch nicht durchgeführt worden. Mit Rücksicht auf die weittragende Bedeutung, die diese Vorschriften für unser deutsches Bankwesen haben, erscheint es allerhöchste Zeit, daß die Wissenschaft einwandfrei die Frage klärty wie sich eigentlich technisch der Vorgang einer Giralgeldschöpfung seitens der Banken unabhängig von der Notenbank abspielt. Die genaue Kenntnis dieser Vor- gänge ist ja die unbedingte Voraussetzung für die Durchführung wirkungs- voller Maßnahmen gegen eine unkontrollierte Giralgeldschöpfung.

Ich habe die Ausführungen F ö h 1 s , des Geschäftsführers des ange- sehenen „Vereins zur Beförderung des Gewerbefleißes von 1821" zu Ber- lin mit großer Aufmerksamkeit durchgearbeitet und auch nochmals das übrige, seit der Veröffentlichung meines Buches im Jahre 1934 erschienene neuere einschlägige Schrifttum durchgesehen. Wie sich aus den folgenden Ausführungen ergibt, habe ich den Eindruck, daß die Vorwürfe F ö h 1 s gegen die von mir gegebene Darstellung des Vorganges der Giralgeldschöp- fung im wesentlichen auf einer Verkennung des eigentlichen Kernproblems der ganzen Frage beruhen. Trotz dessen aber halte ich es im Interesse der Klärung des schwierigen Vorganges der Giralgeldschöpfung für durchaus im Interesse unserer Wissenschaft liegend, wenn im folgenden die Irrtümer F ö h 1 s im einzelnen klargestellt werden : Dabei können nämlich zugleich die Gesichtspunkte noch einmal klar herausgearbeitet werden, die für die Möglichkeit einer Giralgeldschöpfung der Banken ohne unmittelbare Kon- trolle der Notenbank maßgebend sind und die auch in manchen neueren Publikationen nach meinem Dafürhalten nicht mit der gebotenen Klarheit und Deutlichkeit herausgearbeitet erscheinen2).

II. Kein Zweifel herrscht im Schrifttum darüber, daß eine Giralgeld-

schöpfungsmöglichkeit für die Banken ohne unmittelbaren Rückgriff auf die Notenbank erst von dem Moment ab gegeben ist, wo infolge Einbürgerung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs die Kunden in mehr oder minder großem Umfange die ihnen neu bewilligten Kredite nicht mehr in bar abfordern,

l) Vgl. dazu die Schriften des Vereins für Sozialpolitik, 75. Band, 1929, sowie mein Buch „Der volkswirtschaftliche Kreditfonds", Berlin 1934, S. 43 ff.

") Das gilt z. ±5. von Friedrich .Lutz, L>as UrundproDlem der ueia- verfassung, Stuttgart- Berlin 1936, S. 3.

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sondern mittels Überweisungen im bargeldlosen Zahlungsverkehr darüber verfügen. Der entscheidende Fehler, der Fohl wie manchem anderen früheren Autor vor ihm bei seiner Darstellung unterläuft, liegt nun darin, daß ihn diese Tatsache zu dem Fehlschluß verführt, eine Ausdehnung des bargeld- losen Zahlungsverkehrs, also eine Änderung der Zahlungssitten, ermögliche den Banken eo ipso eine größere Giralgeldschöpfung. Fohl glaubt offen- sichtlich x), daß bei einem Verhältnis von bargeldlosen Zahlungen zu Bar- zahlungen von beispielsweise 10: 1 jede Bank ohne weiteres die Möglichkeit habe, den zehnfachen Betrag ihres Kassenbestandes als Giralgeld selbsttätig schöpfen und zur Finanzierung neuer Kredite verwenden zu können. Wäre dies richtig, dann hätte F ö h 1 in der Tat recht, wenn er die Entwicklung der Zahlungssitten als entscheidend für die Giralgeldschöpfungsmöglichkeit der Banken ansieht 2).

In Wirklichkeit liegen die Dinge jedoch so, daß die Ausdehnung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs oder, um einen Ausdruck von Schmöl- ders3) zu gebrauchen, die Vergrößerung der „Giralgeldkapazität" einer Volkswirtschaft nur eine der beiden wesentlichen Voraus- setzungen für die Giralgeldschöpfungsmöglichkeit der Banken ist.

Nach F ö h 1 s Darstellung sind die Banken nur dann gezwungen, auf die Notenbank zurückzugreifen, wenn der Kunde Bargeld abfordert. In Wirklichkeit ist jedoch die Notenbank für die Banken keineswegs nuç die Stelle, die mangelndes Bargeld in Noten zur Verfügung stellt, sondern vor allen Dingen auch die Kückgriffsstelle der Banken, wenn ihnen Giralgeld zum Ausgleich ihrer Clearingsalden fehlt 4).

x) Vgl. insbesondere die Ausführungen bei Fahl, a. a. 0. S. 83: „Wenn Nöllv. d. Nahmer weiter feststellt . . ."

2) F ö h 1 a. a. O. S. 86, 87. Auch in der allerdings nur kurzen Darstellung, die Hesse in seiner „Volkswirtschaftslehre", Jena 1936, von der Giralgeld- schöpfungstechnik gibt,, heißt es „Entscheidend ist die Fähigkeit der Volkswirt- schaft, in bestimmtem Umfange mit girálen statt mit baren Zahlungsmitteln auszukommen, ihre Giralgeldkapazität. Ähnlich Lutza. a. O. S. 3.

3) Schmölders, Möglichkeiten und Grenzen der Kreditschöpfung, Sparkasse, 1933, S. 337-344.

*) Nach dem Vorbild von K e y n e s (Vom Gelde, München und Leipzig 1932, S. 20/21) glaubt F ö h 1 (a. a. 0. S. 76/77) zur Darstellung der Giralgeld, Schöpfungstechnik zunächst von einer in der Wirklichkeit nicht existierenden Volkswirtschaft ohne Barzahlungen, also mit ausschließlich bargeldlosem Zah- lungsverkehr, ausgehen zu sollen. Ich selbst habe sowohl in meinem Buch wie in meinen Vorlesungen diese Methode immer vermeiden zu sollen geglaubt und bin in dieser Auffassung durch das Werk von Fohl erneut bestärkt worden. Wie das Buch von Fohl deutlich zeigt, wird bei Anwendung dieser Methode der eint» sehr wesentliche Gesichtspunkt nur allzuleicht übersehen, daß die Notenbank den Banken nicht bloß Bargeld zur Verfügung stellt, sondern auch Giralgeld. Innerhalb einer bargeldlosen Wirtschaft fällt die Notenbank vollständig aus. Vgl. die Darstellung F ö h 1 s über den Ausgleich des Clearingsalden, a. a. O. S. 77. Bei dem Übergang zu der der Wirklichkeit entsprechenden Volkswirt- schaft mit Mischgeldsystem vergißt dann Fohl völlig die Aufgabe der Noten- bank, die Wirtschaft nicht nur mit Bargeld, sondern auch mit Giralgeld zu ver- sorgen. Dabei liegen doch in Wirklichkeit die Dinge so, daß eine Notenbank auf Grund von Wechseldiskontierungen, Gewährung von Lombardkrediten, Goldankauf oder Effektenankauf im Wege der offenen Marktpolitik zunächst primär immer Giralgeld schafft und dieses zusätzlich geschaffene Girai-

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Wenn ein Kunde selbst seinen ganzen Kredit bargeldlos auf die bei anderen Banken geführten Konten überweisen läßt, so ist unter dem Ge- sichtspunkt der Gelddispositionen der den Kredit gewährenden Bank die Situation zunächst keineswegs eine andere, als wenn der Kunde Bargeld abfordert. In beiden Fällen handelt es sich darum, wie die Bank den Wün- schen nach Bargeld oder dem Wunsch des Kunden nach Überweisungen auf die Konten anderer Banken nachkommen soll. Wie wird sich der durch den Überweisungsauftrag ergebende Debetsaldo bei anderen Banken ausglei- chen ? Wenn es dem Gelddisponenten nicht glückt, tägliches Geld zum Aus- gleich des Debetsaldos hereinzubekommen, so bleibt nur der Rückgriff auf die Notenbank übrig. Die Lage ist nur dann eine andere, wenn die im Clearingverfahren mit großen Aktivsalden abschließende Bank bereit ist, die für sie auf Notenbankgirokonto eingehenden Beträge als „täglich fällige Gelder" den anderen Banken zu überlassen und ihnen so den Ausgleich im Clearingverfahren ohne Rückgriff auf die Notenbank zu ermöglichen.

Selbst wenn es aber zu einer solchen Transaktion mit täglichem Geld kommt, ist damit die Gefahr für die kreditschöpfende Bank, zwecks Be- schaffung von Giralgeld auf die Notenbank zurückgreifen zu müssen, noch keineswegs überwunden. Das „tägliche Geld" muß sie ja irgendwann einmal zurückzahlen. Diese Verpflichtung regelt sich nur dann für sie ohne Rück- griff auf die Notenbank, wenn ihre Gläubigerbank an einem der nächsten Tage umgekehrt ins Debet beim Clearingverfahren kommt, während die erste kreditschöpfende Bank infolge der für ihre Kunden eingehenden Giralgeldüberweisungen einen Aktivsaldo aufweist. Aus diesem Aktivsaldo kann sie dann das tägliche Geld zurückzahlen.

Wir sehen sonach ganz deutlich, daß ein gleichmäßiges Vor- gehen1) aller Banken eines Landes bei der Kreditschöpfung die Rück- griffsnotwendigkeiten der einzelnen Bank auf die Notenbank vermindert. Fehlt aber dieses gleichmäßige Vorgehen, so ist es gleichgültig, ob infolge Zunahme des bargeldlosen Zahlungsver- kehrs die kreditschöpfende Bank nur Giralgeld an Stelle von Bargeld zur Verfügung stellen muß. Auch bei bargeldlosen Überweisungen des Kreditbetrages auf andere Banken kann das benötigte zusätzliche Giralgeld ohne Mithilfe der übrigen Banken nur seitens der Notenbank zur Verfügung gestellt werden. Sie allein ist dann überhaupt zu einer Geldschöpfung in der Lage.

Diese Zusammenhänge hatte ich im Auge, wenn ich bei einer Zusam- menfassung meiner Auffassungen über die Giralgeldschöpfungsfähigkeit der

geld ihren Kunden durch Gutschrift auf Girokonto zur Verfügung stellt. Die Notenschöpfung erfolgt lediglich sekundär und stellt eine Umwandlung von Notenbankgiralgeld in Bargeld dar. Die Noten fließen lediglich dadurch in den Verkehr, daß die Besitzer von Guthaben auf Girokonten einen Teil davon zu Barabhebungen benutzen. Wer glaubt, den schwierigen Vorgang der Giralgeld» Schöpfungstechnik nicht sofort unter Zugrundelegung der tatsächlich bestehenden Verhältnisse erläutern zu sollen, der sei auf die Darstellungsweise von Lukas in seinem mit Recht allgemein anerkannten bedeutsamen Werk „Aufgaben des Geldes", Stuttgart, Berlin 1937, verwiesen, a. a. O. S. 232 ff.

*) Zur Bedeutung dieses Begriffes siehe mein Buch, a. a. ü. ö. 58.

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Banken unabhängig von der Notenbank am Schluß des betreffenden Kapitels meines Buches schrieb „Zum zweiten kommt in Betracht, daß bei einem gleichmäßigen Vorgehen aller Banken die auf Grund der neu bewilligten Kredite beorderten Überweisungen von Bank zu Bank weitgehend ausge- glichen werden können, so daß für die- Durchführung der einzelnen Über- weisungsaufträge seitens der einzelnen Banken ein zusätzlicher Giralgeld- bedarf nicht entsteht" *).

Ich bedaure sehr, daß dieser Satz Fohl2) so großes Kopfzerbrechen gemacht und er vergeblich zu klären versucht hat, was ich im vorliegenden Falle unter dem „zusätzlichen Giralgeldbedarf" verstehe. Wenn man das Kapitel aufmerksam gelesen hat, dürfte meiner Auffassung nach eigentlich kein Zweifel darüber möglich sein, daß hier das Giralgeld gemeint ist, das sich die einzelnen Kreditbanken zwecks Durchführung der Überweisungen an andere Banken zum Ausgleich des Debetssaldos im Clearingverfahren durch Rückgriff auf die Notenbank beschaffen. Nach eingehenden Überlegungen stellt Fohl schließlich richtig fest 3), daß durch die bargeldlosen Überweisungen von Bank zu Bank Forderungen der einen Bank gegen die andere entstehen und diese Forderungen ausgeglichen werden, „wenn die Banken beide Geld schöpfen". Also!! Unverständlich sind mir jedoch die folgenden Ausführungen F ö h 1 s:

„Es ist aber nicht einzusehen, inwiefern diesen Forderungen (nämlich von Bank zu Bank auf Grund von Überweisungen) für die Geldschöpfungs- kapazität der Banken irgendwelche Bedeutung zukommen soll. Entweder die Bank M macht ihre Forderungen geltend und erhält die „knappe Unter- lage" 4) oder ein entsprechendes Aktivum, dann verschwindet der Giral- geldbetrag, oder aber sie „stundet" der Bank M die Forderung, dann nimmt sie damit dem Giroguthaben seinen Geldcharakter, denn „gestundete" For- derungen, die nicht jederzeit übertragbar sind, können keine Zahlungsmittel- funktion ausüben und sind somit kein Geld. Die Nostroguthaben aber, welche die Banken als täglich fällige Dispositionsgelder beieinander stehen lassen, gehören mit zu den „Kassenbeständen", welche die Einzelwirtschaf- ten, in diesem Fall die Banken, zur Durchführung ihres Geschäftsbetriebs in Gestalt von Giroguthaben für erforderlich halten" 6).

Fohl scheint mir hier zunächst zu übersehen, daß zum Ausgleich des Clearingsaldos keineswegs Bargeld, die „knappe Unterlage" im Sinne F ö h 1 s , verwandt wird, sondern daß der Ausgleich durch eine entspre- chende Giralgeldüberweisung auf das Notenbankgirokonto der einen Aktiv- saldo aufweisenden Bank geschieht. Der Giralgeldbeträg verschwindet also keineswegs, sondern es tritt in dieser Höhe ceteris paribus eine tatsächliche Geldvermehrung ein, nur wird diese zusätzliche Giralgeldmenge von der Notenbank und nicht von der Kreditbank geschaffen.

Was weiter die „Stundung" angeht, so ist hier ähnliches zu sagen wie

l) N ö 1 1 v. d. N a h m e r , a. a. O. S. 62. 2) F Ö h 1 , a. a. O. S. 84, 85. 3) F Ö h 1 , a. a. O. S. 85. *j Darunter versteht Fohl Bargeid. 6) F ö h 1 a. a. O. S. 85.

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oben bei der Kritik der Anwendung des Idealtyps der bargeldlosen Volks- wirtschaft: Unter dem Begriff „Stunden der Forderungen" verstellt Fohl die Überlassung von täglichem Geld zum Ausgleich eines Debetsaldos im Clearingsverfahren. Es wäre auch hier besser gewesen, wenn Fohl sich dieses schon von Hahn1) benutzten, zwar einfachen, aber leider sehr leicht irreführenden Ausdruckes nicht bedient, sondern die Dinge lieber so dargestellt hätte, wie- sie sich tatsächlich abwickeln 2). Fohl wäre dann vielleicht von der sonderbaren Auffassung bewahrt geblieben, die er hin- sichtlich dieser „gestundeten Forderungen" vertritt. Auch an einer anderen Stelle seines Buches 3) meint er, daß diese täglichen Gelder „keine Zahlungs- mittelfunktion" mehr erfüllen, und daß es sich deshalb auch nicht um eine „Geldschöpfung" bei ihnen handeln könne. Das ist ganz offensichtlich falsch. Auch das Giralgeld, das als tägliches Geld ausgeliehen und auf Noten- bankgirokonto überwiesen wird, ist genau so gut Geld wie die Noten, die als Kassenbestand in den Banktresoren liegen und die ja, solange sie in der Kasse liegen, auch keine Zahlungsmittelfunktion ausüben. Des weiteren ist gar keine Rede davon, daß diese täglichen Gelder alias gestundete For- derungen im Sinne F ö h 1 s nicht jederzeit übertragbar seien. Deshalb werden sie ja gerade als „tägliche Gelder" bezeichnet. Sie sind es tatsächlich und üben sonach auch, wie Fohl jetzt nicht mehr gut leugnen kann, Zah- lungsmittelfunktion aus und sind sonach auch Geld. Sie sind nichts anderes als die Nostroguthaben, die Fohl anscheinend als einen Gegensatz zu den „gestundeten Forderungen" betrachtet und die er im Gegensatz zu den jetzt geltenden und bereits in Kraft getretenen Vorschriften des K. W. G. noch als liquide Kassenbestände ansieht4).

Zusammenfassend sehen wir also eins ganz deutlich : Ob die Banken selbsttätig Giralgeld schöpfen können oder nicht, hängt nicht allein von dem größeren oder geringeren Umfang des notwendigen Rückgriffs auf die Notenbank zur Beschaffung von Bargeld ab, sondern ebenso auch von den Rückgriffsnotwendigkeiten zur Beschaffung von Giralgeld zum Aus- gleich des sich im Überweisungsverkehr ergebenden Clearingsaldos. Dieser Rückgriff wird überflüssig bei gleichmäßigem Vorgehen der Banken und dadurch bedingtem Ausgleich der Clearingsalden. Ist letzteres nicht der Fall, so muß die Bank ebenso auf die Notenbank zurückgreifen, als wenn der Kunde durch Barabhebungen über den Kredit verfügt hätte. Das be- deutet aber nichts anderes, als daß das Verhältnis von Barzahlungen zu bargeldlosen Zahlungen nicht allein entscheidend für die Giralgeldschöpf ungs- f ähigkeit der Banken ist, der bargeldlose Zahlungsverkehr vielmehr nur eine der beiden notwendigen Voraussetzungen für die selbsttätige Giralgeld- schöpfung der Banken darstellt.

Die hier vertretene Auffassung über die entscheidende Bedeutung eines gleichmäßigen Vorgehens der Banken für die Möglichkeit der Giralgeld-

*) Hahn, Volkswirtschaftliche Theorie des Bankkredits, 3. Auflage, Tübingen 1930, S. 34.

*) Vgl. dazu mein Uucu a. a. U. ö. 04. 8) Fohl a. a. O. S. 79. €) Vgl. dazu die Ausführungen unten ö. 14d.

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Schöpfung ist erstmalig wohl in voller Klarheit vertreten worden von dem mit Recht in Amerika hoch angesehenen Geldtheoretiker und Professor an der Yeal Universität Chester Arthur Phillipps, der durchaus berechtigt war, diese seine Erkenntnisse als „neue" Giralgeldschöpfungslehre der bisherigen, dieses grundlegende Moment nicht richtig erkennenden älteren primitiven Theorie gegenüberzustellen *) 2).

III. Ein besonders schwierig zu lösendes Problem besteht in der Frage, was

ein solches „gleichmäßiges Vorgehen" der Banken veranlaßt. Nach der von mir ebenso wie vom früheren Wiener Notenbankpräsidenten R e i s c h 3) abgelehnten herrschenden Theorie 4) soll dies gleichmäßige Vorgehen sozu- sagen automatisch dadurch ausgelöst werden, daß bei einer erhöhten Kredit- gewährung einer Bank die übrigen Banken durch den Empfang von Bargeld oder entsprechender Giralgéldüberweisungen flüssiger werden, sich also die im englisch-amerikanischen Schrifttum eine so große Rolle spielende „ratio", d. h. das Verhältnis der liquiden Mittel zu den Verpflichtungen, bessert. Nach den Bestimmungen des neuen deutschen K. W. G. sind nun diese sich aus dem Überweisungsverkehr ergebenden Nostroguthaben der Banken untereinander nicht mehr als liquide Mittel im Sinne des § 16 K. W. G. anzusehen. In dem neu eingeführten Bilanzschema der Banken haben des- halb auch die Nostroguthaben ihre räumliche Einordnung hinter den Wert- papierposten gefunden 5). Die „Parthenogenes-Theorie", um diesen hüb- schen und bezeichnenden Ausdruck von R e i s c h zu gebrauchen, ist danach für Deutschland ein für allemal erledigt 6).

x) C. A. P h i 1 1 i p s , „Bank-Kredit", A Study of the Principles and Fac- tors underlaying advances made by Banks to Borrowers", New York 1921, S. 32 und 40.

2) Zu besonderem Dank verbunden bin ich Fohl für Hinweis auf einen in meinem Buch enthaltenen Fehler hinsichtlich eines aus K e y n e s „Vom Gelde" (München 1932, S. 21) entnommenen Zitats. In meinem Buch a. a. O. S. 57 habe ich die Auffassung vertreten, daß auch K e y n e s in dem gleich- mäßigen Vorgehen der Banken den „Schlüssel für das Funktionieren des Systems" der Giralgeldschöpfung der Banken erblicke. Tatsächlich findet sich jedoch dieses Zitat bei K e y n e s in einem Abschnitt, in dem er ähnlich wie Fohl die Möglichkeiten der Giralgeldschöpfung in einem Wirtschaftssystem mit aus- schließlich bargeldlosem Zahlungsverkehr untersucht.

8) Vgl. im einzelnen die Zitate in meinem Buche, a. a. 0. S. 43 und 59. 4) Wie sie vor allem auch Ke y n e s , a. a. O. S. 23 vertritt. 6) Vgl. dazu im einzelnen Friedrich Müller, Das Reichsgesetz über das

Kreditwesen, Berlin 1935, Nachtrag 1, S. 19. 6) F ö h 1 (a. a. O. S. 81) scheint die sog. „Deposit-Legende" für identisch

zu halten mit der „Parthenogenese-Theorie" R e i s c h s. In Wirklichkeit handelt es sich hier um ganz verschiedene Dinge. Vgl. dazu mein Buch a. a. O. S. 59. Unter „Deposit-Legende" verstehen wir lediglich die in der sog. „Hahn-Literatur" ebenso wie im älteren englisch-amerikanischen Schrifttum allgemein übliche Zurücfcf ührung der Giralgeldschöpfungsmöglichkeit der Banken auf die in Eng- land und Amerika übliche Verbuchungsmethode, wonach eingeräumte Kredite sofort dem Kunden auf Kreditkonto belastet und der Gegenwert auf Konto- korrentkonto gutgeschrieben wurde. Am Schluß des die Giralgeldschöpfung

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In meinem Buche x) habe ich die Möglichkeit eines für die Giralgeld- schöpfung so wesentlichen gleichmäßigen Vorgehens der Banken ohne aus- drückliche besondere Vereinbarungen bezweifelt. Diese Auffassung vertrete ich heute nicht mehr. Nach wie vor stehe ich jedoch auf dem Standpunkt, daß die Verstärkung der Liquidität der übrigen Banken, die ja nach den Vorschriften des deutschen K. W. G. in Deutschland wenigstens gar nicht mehr als solche eintritt, sicherlich kein geeignetes Erklärungsmittel für dieses gleichmäßige „automatische" Vorgehen der Banken bietet, wie es nament- lich in der angelsächsisch-amerikanischen Literatur allgemein angenommen wird. In der Praxis spielen sich die Dinge nicht so ab, wie manche, niemals im Bankbetrieb tätig gewesene Banktheoretiker anzunehmen scheinen, daß bei der Bewilligung oder Ablehnung eines Kreditgesuches die einzelnen Vor- standsmitglieder einer Bank jeweils vorher erst die Liquidität ihres Unter- nehmens untersuchen. In meiner zehnjährigen Bankpraxis habe ich jeden- falls niemals einen solchen Fall erlebt. Auch liegen die Dinge nicht so, daß bei zunehmender Flüssigkeit der Bank der Gelddisponent seinen Kollegen gewissermaßen Aufforderungen zukommen läßt, mehr Kreditanträge zu be- willigen. Vor allem hängt es ja überhaupt nicht von der Bank allein ab, ob mehr Kredite gewährt werden oder nicht. Erste Voraussetzung hierfür ist das Vorhandensein entsprechender Kreditanträge.

Nach wiederholter eingehender Prüfung der möglichen Zusammenhänge eines gleichmäßigen Vorgehens der Banken bei der Ausdehnung ihrer Kredit- gewährung kann ich mir heute diese Zusammenhänge allenfalls so erklären, daß nicht nur bei einer, sondern bei allen Banken die Zahl der Kredit- anträge zunimmt mit aufstrebender wirtschaftlicher Entwicklung, und die Bankleitungen gleichzeitig keine Veranlassung sehen, die begründeten und

behandelnden Kapitels meines Buches (S. 62) habe ich daher festgestellt, daß „die Kaufmittelschöpfungsfahigkeit der Banken nicht, wie es bisher von dem überwiegenden Teil der sich mit diesem Problem beschäftigenden Autoren an- genommen wurde, darauf beruht, daß die Banken durch ihre Kreditgewährung Bankguthaben schaffen. Die „Deposit-Legende" ist als Begründung für die Kaufmittelschöpfungsfahigkeit der Banken unhaltbar". Fohl (S. 83) glaubt mir hier einen Verstoß gegen die Logik nachweisen zu können, indem er ausführt: „Diese »Fähigkeit' »beruht* freilich nicht auf der Kreditgewährung, denn die Kaufmittelschaffung der Banken ist ja die Beschaffung von jederzeit übertrag- baren Forderungen gegen das Banksystem, wobei der Weg der Kreditgewährung wohl den meist beschrittenen, sicher aber nicht den einzig denkbaren Weg dar- stellt. Die Fähigkeit, etwas zu tun, kann natürlich nicht auf der Tatsache .be- ruhen', daß man das Betreffende tut." Hätte Fohl den von ihm kritisierten Satz aufmerksamer gelesen, so wäre ihm sicher nicht entgangen, daß die Be- tonung nicht auf der Kreditgewährung, sondern auf der Schaffung von Bank- guthaben liegt. Mit der Tatsache, daß Bankguthaben geschaffen wurden, glaubte die ältere Literatur die Fähigkeit der Banken zur Giralgeldschöpfung beweisen .zu können. Sie wollte damit gewissermaßen die Brücke herstellen zu der die Bankpraxis bis zur jüngsten Gegenwart beherrschenden Auffassung, daß die Banken nur insoweit Kredite gewähren können, als ihnen Sparguthaben oder Kontokorrenteinlagen zur Verfügung stehen.

Die Deposit-Legende kann heute, wenigstens innerhalb des neueren deut- schen Schrifttums, als endgültig überwunden bezeichnet werden. Vgl. dazu z. B: L u k a s a. a. O. S. 233.

l) A. a. O. S. 61.

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entsprechend gesicherten Kreditanträge abzulehnen. Das „automatische Vorgehen der Banken" beruht also nicht in erster Linie auf einer veränderten Liquidität, sondern in erster Linie auf einer Änderung in der Zahl der Kredit- anträge.

IV. Am Schluß des Kapitels „Die Mechanik der Geldschöpfung" faßt Fohl

seine Auffassung über die Giralgeldschöpfungstechnik wie folgt zusammen: „Ausschlaggebend ist für uns die Feststellung, daß weder durch ein

Stunden von Forderungen zwischen den Banken noch durch ein gleich- mäßiges Vorgehen die Banken ihrer Kundschaft insgesamt eine größere Giralgeldmenge zur Verfügung stellen können, als es der Fall ist, wenn keine Forderungen gestundet werden und wenn nur diejenigen Banken Giralgeld schöpfen, die sich im Besitz der „freien" Bargeldmenge befinden. „Gleichschritt" und „Stunden" sind nur relevant für die Geldschöpfung der bargeldlosen Wirtschaft. In einer Wirtschaft, bei der ein Teil der Zahlungen durch ein „knappes" Zahlungsmittel zu leisten ist, kommt ihnen keine Bedeutung zu" *).

„Hier war es nur unsere Aufgabe, festzustellen, daß das Maximum an Giralgeld, welches die Mitgliedsbanken ihren Kunden einräumen können, bei gegebenen Zahlungssitten jeweils durch das Quantum an Notenbankgeld bestimmt ist, welches die Notenbank dem Bank- system zur Verfügung stellt, und daß eine Schöpfung zusätzlichen Giral- geldes durch die Mitgliedsbanken in einem bestimmten Verhältnis zu dem von der Notenbank zusätzlich geschaffenen Notenbankgeldbetrag möglich ist, welches durch die herrschenden Zahlungssitten festgelegt ist. Anderer- seits war es unsere Absicht, zu zeigen, daß dieses Verhältnis, unveränderte Zahlungssitten vorausgesetzt, durch keine Manipulationen der Mitglieds- banken unter sich vergrößert werden kann und daß somit die Zentralnoten- bank in einem nicht bargeldlosen System die Möglichkeit besitzt, durch die Menge des Zentralbankgeldes das Höchstmaß der gesamten Geldmenge einschließlich des Bankgeldes der Mitgliedsbanken ebenso eindeutig festzu- legen, als wenn der ganze Zahlungsverkehr ausschließlich mit Zentralbank- geld bewerkstelligt würde" 2).

Zu diesen Ausführungen F ö h 1 s ist abschließend und zusammenfassend folgendes zu sagen:

Es ist durchaus richtig, und auch nirgends in der Literatur bestritten, daß das Maximum an Giralgeld, das die einzelnen Banken ihren Kunden einräumen können, bei gegebenen Zahlungssitten jeweils durch den Barbetrag von Notenbankgeld bestimmt ist, welches die Notenbank den Banken zur Verfügung stellt. Wenn Bargeld abgefordert wird, bleibt den Banken nichts anderes übrig, als dieses Bargeld entweder aus ihren Kassenbeständen zu entnehmen oder sich durch Rückgriff bei der Notenbank zu refinanzieren. In diesem Falle ist dann von einer selbständigen Geldschöpfung der Banken

*) F ö h 1 a. a. O. 8. 85. l) Fohl a. a. O. S. 86/87. Finanzarchiv. N. F. 6. Heft 1. 10

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146 Robert Noli v. d. Nahmer

nicht die Rede, sondern die Geldvermehrung erfolgt durch die Notenbank und unterliegt dementsprechend in vollem Umfange ihrer Kontrolle.

Es ist weiter richtig, daß die Banken ihrerseits grundsätzlich wenigstens nicht in der Lage sind, das Verhältnis zwischen Bardispositionen und bar- geldlosen Überweisungen ihrer Kunden zu ändern. Das hängt vielmehr von der Gestaltung der Zahlungssitten ab. Was aber Fohl übersieht, ist die Tatsache, daß die Notenbank nicht nur Bargeld, sondern auch Giralgeld den Banken zur Verfügung stellt und daß der Rückgriff auf die Notenbank zwecks Beschaffung von Giralgeld nicht nötig ist, wenn infolge eines gleich- mäßigen Vorgehens der Banken bei der Kreditgewährung die Debetsalden zum Ausgleich kommen. Der Umfang, in dem die einzelne Bank auf die Notenbank zurückgreifen muß, kann also sehr wohl durch „M anipulationen der Mitgliedsbanken unter sich" verringert oder erweitert werden.

Weil dies so ist, deshalb besteht in der Gegenwart für die Zentralnoten- banken die Gefahr, die Herrschaft über die tatsächlich in der Volkswirtschaft zirkulierende Geldmenge zu verlieren. Für die praktische Geldpolitik reicht es offensichtlich nicht aus, wenn allein das Maximum der Giralgeld- 8chöpfung durch die Bargeldmenge bestimmt wird. Wenn etwa zwischen Barzahlung und bargeldlosen Zahlungen ein Verhältnis von 1 : 10 und damit äußerstenfalls eine Giralgeldschöpf ungsmöglichkeit in Höhe des zehnfachen des Bargeldbestandes bei gleichmäßigem Vorgehen der Banken gegeben ist, so ist dies offensichtlich ein außerordentlich großer Spielraum. Von einer „eindeutigen" Festlegung der Geldmenge seitens der Notenbank lediglich durch die Bereitstellung des Bargeldes kann sonach keine Rede sein.

Wir sahen aber auch weiterhin, daß die Ausnutzung dieses Spielraumes, wie er durch die Zahlungssitten gegeben ist, davon abhängt, ob sich die Clearingsalden infolge gleichmäßigen Vorgehens der Banken ausgleichen. Fehlt es daran, so ist trotz bargeldloser Dispositionen des Kunden die Bank nicht in der Lage, das zur „Auszahlung" des Kredits benötigte Bar- und Giralgeld unabhängig von der Notenbank zu schaffen. Die Geldschöpfung geschieht vielmehr in diesem Falle ausschließlich durch die Notenbank. Die Zahlungssitten sind dann ganz ohne Bedeutung für die Giralgeldschöp- fungsfähigkeit der Banken.

Die Ausführungen F ö h 1 s über die Bedeutungslosigkeit des gleich- mäßigen Vorgehens der Banken für ihre Fähigkeit zu selbsttätiger Giralgeld- schöpfung können sonach nicht als richtig anerkannt werden. Die Entstehung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs ist nur die eine Voraussetzung für die Giralgeldschöpfungsfähigkeit der Banken. Damit sie wirklich diese ihre Fähigkeit ohne Rückgriff auf die Notenbank ausüben und über ihren Bar- geldbestand hinaus Giralgeld selbsttätig schaffen können, muß eine zweite, ebenso wichtige Voraussetzung gegeben sein: Gleichmäßiges Vorgehen der Banken zwecks Ausgleichs der sich im Abrechnungsverfahren ergebenden Salden.

Erfreulicherweise sind sich über diese Zusammenhänge auch die Väter des Deutschen Kreditwesengesetzes klar gewesen. Wenn tatsächlich die

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Giralgeldschöpfung der Banken durch die Bargeldmenge eindeutig zu be- grenzen wäre, dann hätte man sich mit der Festlegung entsprechender Prozentsätze der baren Kassenbestände begnügen können. Tatsächlich sind jedoch die im § 16 K. W. G. enthaltenen Liquiditätsbestimmungen , über- haupt nicht in erster Linie getroffen worden unter dem Gesichtspunkt der Kontrolle der Giralgeldschöpfung, sondern unter dem Eindruck der Erfah- rungen der großen Bankkrisis von 1931, vornehmlich zu dem Zwecke, die Zahlungsbereitschaft der Kreditinstitute soweit wie möglich zu sichern1).

Mit vollem Recht regelt vielmehr das K. W. G. die Probleme der Giral- geldschöpfung in einem besonderen 8. Abschnitt des Gesetzes. Angesichts der vielen hinsichtlich der Giralgeldschöpfungsmöglichkeit bestehenden Zweifelsfragen und ungeklärten Probleme begnügt sich das Gesetz damit, dem Aufsichtsamt eine Blankettvollmacht für den Erlaß der zur Regelung des unbaren Zahlungsverkehrs notwendigen Vorschriften auszustellen. Es werden lediglich einige Richtlinien gewissermaßen beispielhaft im § 28 aufge- stellt, die den Vätern des K. W. G. als besonders wichtig erschienen für eine zweckmäßige Regelung des Giralgeldwesens. Der Kernpunkt dieser Richt- linien besteht darin, daß versucht werden soll, den unbaren Zahlungsverkehr soweit wie möglich über die Reichsbank zu leiten, in der durchaus richtigen Erkenntnis, daß die Giralgeldschöpfung erschwert wird, wenn irgendwie Reichsbankgiralgeld zur Durchführung der Überweisungen benötigt wird. Wie sich aus unseren vorhergehenden Ausführungen deutlich ergibt, wird es vor allen Dingen darauf ankommen, die Operationen mit täglichem Gelde und die Bewegungen auf den Reichsbankgirokonten zu kontrollieren. Eine Giralgeldschöpfung der Banken führt zwangsläufig wegen der Notwendig- keit des ständigen Ausgleichs der Clearingsalden zu vermehrten Operationen mit täglichem GeldevDie Kontrolle dieser Operationen sowie die aufmerk- same Beobachtung des Anwachsens der Kontokorrentguthaben innerhalb der Bankbilanzen dürfte das beste Hilfsmittel für eine zweckmäßige Über- wachung der selbsttätigen Giralgeldschöpfung der Banken darstellen.

*) Vgl. dazu insbesondere M ü 1 1 e r a. a. O. S. 57, wo er ausdrücklich auf die sekundäre Bedeutung der Liquiditätsbestimmungen hinsichtlich der Kon- trolle der Giralgeldschöpfung verweist.

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