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1 Prof. Dr. Hartmut Rupp Die Bibel im kompetenzorientierten Religionsunterricht Augsburg 17. November 2014 1. Merkmale des kompetenzorientierten Religionsunterrichts Der kompetenzorientierte Religionsunterricht verdankt sich einer Verbindung eines pragmatischen Bildungsbegriffes (Franz Weinert) mit den Einsichten der Lernpsychologie und den Ergebnissen empirische Studien zu einem guten Unterrichts (Hilbert Meyer; John Hattie). Der kompetenzorientierte Unterricht verändert den Blick auf den Unterricht; (1) Nicht das, was behandelt wird, ist das Entscheidende, sondern das, was herauskommt. Es geht also um den Output. Das heißt nicht, dass der Input, der Lernprozess und das Verhalten der Lehrperson unwichtig wären, sondern nur, dass alles im Blick auf das Lernergebnis gesehen, arrangiert und bewertet werden muss. (2) Entscheidend ist nicht das, was ich lehre oder vermittle, sondern das, was Schülerinnen und Schüler sich aneignen und so lernen. Was sie lernen und wie sie lernen, das leisten sie selbst. Was aber meint pragmatischer Bildungsbegriff? Pragmatischer Bildungsbegriff meint, dass Bildung die Aufgabe hat Kompetenzen erwerben zu lassen, die dazu helfen Lebenssituationen zu bewältigen. Das zeigt sich an dem Kompetenzbegriff, der gegenwärtig bestimmend ist. Er stammt von Franz Weinert und wurde von Eckehard Klieme aufgenommen. Kompetenzen sind danach „die bei Individuen verfügbaren und von ihnen erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, bestimmte Probleme zu lösen sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“. 1 Allgemein formuliert geht es im schulischen Lernen um den Erwerb einer differenzierten Handlungsfähigkeit. „Probleme“ sind dabei als „konkrete Anforderungs- situationen eines bestimmten Typus“ zu verstehen. Die Frage ist, ob es auch im Religionsunterricht um die „Bewältigung von Lebenssituationen“ geht. Es könnte ja auch um Identitätsbildung gehen oder um eine Einstellung zu dem Leben oder ganz allgemein um Sinndeutungen. Nach Jürgen Baumert geht es im Religionsunterricht um „Probleme konstitutiver Rationalität“ und damit um Grundfragen des Lebens: Warum? Wozu? Wohin? In 1 Franz E. Weinert , Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – eine umstrittene Selbstverständlichkeit, in: ders., (Hrsg.), Leistungsmessungen in Schulen, Weinheim 2001, 17-31. 27f.

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Prof. Dr. Hartmut Rupp

Die Bibel im kompetenzorientierten Religionsunterricht Augsburg 17. November 2014 1. Merkmale des kompetenzorientierten Religionsunterrichts Der kompetenzorientierte Religionsunterricht verdankt sich einer Verbindung eines pragmatischen Bildungsbegriffes (Franz Weinert) mit den Einsichten der Lernpsychologie und den Ergebnissen empirische Studien zu einem guten Unterrichts (Hilbert Meyer; John Hattie). Der kompetenzorientierte Unterricht verändert den Blick auf den Unterricht; (1) Nicht das, was behandelt wird, ist das Entscheidende, sondern das, was herauskommt. Es geht also um den Output. Das heißt nicht, dass der Input, der Lernprozess und das Verhalten der Lehrperson unwichtig wären, sondern nur, dass alles im Blick auf das Lernergebnis gesehen, arrangiert und bewertet werden muss. (2) Entscheidend ist nicht das, was ich lehre oder vermittle, sondern das, was Schülerinnen und Schüler sich aneignen und so lernen. Was sie lernen und wie sie lernen, das leisten sie selbst. Was aber meint pragmatischer Bildungsbegriff? Pragmatischer Bildungsbegriff meint, dass Bildung die Aufgabe hat Kompetenzen erwerben zu lassen, die dazu helfen Lebenssituationen zu bewältigen. Das zeigt sich an dem Kompetenzbegriff, der gegenwärtig bestimmend ist. Er stammt von Franz Weinert und wurde von Eckehard Klieme aufgenommen. Kompetenzen sind danach „die bei Individuen verfügbaren und von ihnen erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, bestimmte Probleme zu lösen sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“. 1 Allgemein formuliert geht es im schulischen Lernen um den Erwerb einer differenzierten Handlungsfähigkeit. „Probleme“ sind dabei als „konkrete Anforderungs-situationen eines bestimmten Typus“ zu verstehen. Die Frage ist, ob es auch im Religionsunterricht um die „Bewältigung von Lebenssituationen“ geht. Es könnte ja auch um Identitätsbildung gehen oder um eine Einstellung zu dem Leben oder ganz allgemein um Sinndeutungen. Nach Jürgen Baumert geht es im Religionsunterricht um „Probleme konstitutiver Rationalität“ und damit um Grundfragen des Lebens: Warum? Wozu? Wohin? In

1 Franz E. Weinert , Vergleichende Leistungsmessung in Schulen – eine umstrittene

Selbstverständlichkeit, in: ders., (Hrsg.), Leistungsmessungen in Schulen, Weinheim 2001, 17-31. 27f.

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dieser Logik ginge es aber dann um die Fähigkeit im eigenen Leben solche Fragen entdecken und selber beantworten zu können. Dies schließt die Kenntnis bedeutsamer Antworten ein sowie die Fähigkeit diese deuten und auf sich und die eigenen Lebenserfahrungen beziehen zu können. Dazu gehört auch mit anderen darüber angemessen kommunizieren zu können. In den Bildungsplänen geht es noch um eine andere Logik. Diese sagt: Es geht im RU darum religiöse Phänomene wahrnehmen, verstehen, beurteilen, gestalten und darüber mit anderen kommunizieren zu können. Die Frage aber ist: Was ist ein religiöses Phänomen? Eine allgemeinere Antwort lautet: religiöse Phänomene sind Ausdrucksformen einer Sinndeutung, die mit einem Transzendenzbezug versehen ist. Aus diesen drei Faktoren - pragmatischer Bildungsbegriffe, Einsichten der Lernpsychologie und den Ergebnisse empirische Studien zu einem guten Unterrichts - ergeben sich m.E. sechs Merkmale eines kompetenzorientierten Religionsunterrichts: (1) Ausgang von Kompetenzen (2) Aufbauendes Lernen und Einbezug von Niveaudifferenzierungen (3) Ausweis von Anforderungssituationen (4) Lernstandserhebung (5) nachhaltige Aufgabenkultur 6) Evaluation. Auf diesem Hintergrund versuche ich meine Überlegungen zur Bibel im kompetenzorientierten Religionsunterricht zu entwickeln. Dabei werde ich einen besonderen Schwerpunkt auf die Aufgabenkultur legen. 2. Ausgang von Kompetenzen Auch in Bayern unterscheidet man wie in anderen Bundesländern zwischen prozessbezogenen und inhaltsbezogenen Kompetenzen. Daraus ergibt sich folgendes Grundmodell mit seinen typisch katholischen Zügen:

Bereiche Prozess- bezogene K.

Mensch und Welt

Frage nach Gott

Bibel und Tradition

Jesus Christus

Kirche und Gemeinde

Religionen und Welt-anschau-ungen

Wahrnehmen

Verstehen

Urteilen

Gestalten

Kommunizieren

Die inhaltsbezogenen Kompetenzen liegen in den Feldern und ergeben sich durch Bezug der prozessbezogenen Kompetenzen auf die Inhaltsfelder.

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Wenn man das Modell dreidimensional denkt, dann kommt der Kompetenzaufbau in den Blick. Es gibt auch Kritiker dieses Ansatzes. Diese bemängeln, dass hier christliche Dogmatik zum Ausgangs- und Bezugspunkt des Religionsunterrichts gemacht und z.B. nicht die Fragen der Schülerinnen und Schüler. Einen anderen Ansatz hat das sog. CI Papier gewählt. Dieses unterscheidet vier Bereiche: 1. Die Religiosität der Schülerinnen 2. Die Bezugsreligion, 3. Andere Religionen, 4. Gesellschaftliche Religion.

Die Bibel kommt in nahezu allen Feldern vor, bildet aber auch einen eigenen Bereich. Schaut man sich an was in Bayern aber auch in anderen Bundesländern in den Felder an inhaltsbezogenen Kompetenzen „standardisiert“ wird, lässt verschiedene Formen des Bibelwissens und deshalb auch kategorial unterschiedliche Bibelkompetenzen unterscheiden. Bibelbuchwissen: „Schülerinnen und Schüler können Aufbau und Entstehungsgeschichte der Bibel in Grundzügen erläutern. Sie nehmen die Bibel als besonderes und vom Heiligen Geist inspiriertes Werk sowie als Heilige Schrift und Gottes Wort wahr.“ Bibelbuchkönnen: „Schülerinnen und Schüler können mit der Bibel unter Verwendung von Hilfsmitteln sachgerecht umgehen.“ Bibelauslegenkönnen: „Schülerinnen und Schüler können mit verschiedenen Formen der Bibelarbeit biblische Texte erschließen“ Bibelinhaltswissen: „Schülerinnen und Schüler reflektieren und erläutern, welche Auswirkungen der Kreuzestod Jesu, die Erscheinungen des Auferstandenen und das Pfingtsereignis auf die Entstehung der ersten Gemeinde und für die Ausbreitung des Christentums haben.“ Bibelsprachwissen: „Schülerinnen und Schüler erschließen unter Berücksichtigung biblischer Sprachformen biblische Texte zu Gottes Erfahrung.“ Wenn ich mir die bislang eingeführten Bildungspläne der verschiedenen Bundesländer anschaue, dann werden dort eine Vielzahl von biblischen Kompetenzen aufgeführt und darin eingeschlossen eine Vielzahl von biblischen Texten, ganzen Erzählsträngen aber auch einzelnen Bibelversen. Es ist schon erstaunlich, was wir von unserem Unterricht erwarten. Schön ist es, wenn das gelingt. Dennoch stellt sich die Frage, was die Schülerinnen und Schüler am Ende der 10. Klasse“ auf jeden Fall“ von der Bibel „drauf haben“ sollen und können. Ich suche also nach so etwas wie Minimalstandards biblischen Wissens und Könnens.

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3. Aufbau von Kompetenzen Die besondere Stärke der neuen Bildungspläne liegt in der Planung eines Kompetenzaufbau über die verschiedenen Schuljahre hinweg. Das ist neu. Offensichtlich haben die bisherigen Spiralcurricula nicht so ganz gegriffen. Welche Modelle gibt es da? Ich kann zunächst einmal einen Kompetenzaufbau innerhalb einer Lernsequenz angehen. Dann schreitet das Wissen und Können von wiedergeben können (reproduzieren) über untersuchen und vergleichen (reorganisieren) zu beurteilen, anwenden und gestalten (Probleme lösen und eigene Urteil bilden). Es stellt sich jedoch die Frage, ob dieser so logisch erscheinende Aufbau so einfach ist. Es ist einfacher das Gleichnis vom verlorenen Schaf wiederzugeben als das letzte Kapitel des 1. Korintherbriefes. Ein anderes Aufbaumodell ist das der inhaltlichen Erweiterung. Dieses wird aber meist mit weiteren Aufbauprinzipien versehen: Vom Sachlichen zum Existenziellen, vom Nahen zum Fernen, von Einfacheren zum Komplexeren, vom Aneignen zum Vergleichen und Anwenden, vom Episodischen zum Zusammenhängenden. Dabei läuft immer eine lebensgeschichtliche Linie mit. Themenwahl und Themenkonkretisierung sind immer auch durch die Entwicklungsaufgaben bestimmt. Mit Fünftklässlern kann man offenbar nicht sofort über Sterben und Tod sprechen (oder doch?) Klassisch gewordene Aufbaumodelle bietet Hubertus Halbfas. Er baut in seine Sek I Bücher einen Aufbau biblischer Sprachformen ein:

5 Metaphern

6 Symbole

7 Legende

8 Mythos

9 Dogmen

10 Religiöse Inhalte in Medien

Ein Aufbaumodell für das Bibelauslegenkönnen könnte so aussehen

5/6 POZEK Schlüssel

7/8 Texte transformieren (Rap, Dialekt, Zeitungsbericht, Comic, Film etc.)

9/10 Vierfache Schriftauslegung

Für den katholischen RU finde ich folgendes Modell. Die Frage ist wie es aufgebaut ist.

5 SuS beschreiben wichtige religiöse, politische und wirtschaftliche Lebensbedingungen in Israel zur Zeit Jesu. Sie skizzieren zentrale Orte

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und Stationen des Wirkens Jesu, sind sich bewusst, dass Jesus als Jude aufwuchs, erläutern das Neue seiner Botschaft und erklären, dass dies zu Konflikten führen musste

6 SuS reflektieren und erläutern, welche Auswirkungen der Kreuzestod Jesu, die Erscheinungen des Auferstandenen und das Pfingstereignis auf die Entstehung der ersten christlichen Gemeinden und die Ausbreitung des Christentums hatte. Sie erkennen in Paulus die Wandlungsfähigkeit, die Christus in Menschen auslöst, und beschreiben wichtige Züge seines missionarischen Wirkens. Ausgehend von der Entwicklung der jungen Kirche zur Staatsreligion erschließen sie welche bedeutenden Folgen die Christianisierung mit sich brachte.

7 SuS kennen und erläutern Texte und Merkmale der Reich Gottes Verkündigung Jesu Christi und zeigen, wie dessen Botschaft von der Liebe und Menschenfreundlichkeit Gottes Menschen verändert hat. Sie benennen das Herausfordernde und Provozierende dieser Botschaft und setzen sie in Beziehung zu ihrem eigenen Leben und zu anderen Biografien

8 SuS… verstehen und erläutern, dass sich in Jesu Christi Handeln die Zuwendung Gottes zu den Menschen zeigt und deshalb alle Sakramente ihren Grund in ihm haben…

9 Die SuS setzen sich mit Sterben und Tod als Grenzsituation auseinander und tauschen sich darüber aus. Sie diskutieren Deutungsansätze des Todes Jesu, erläutern neutestamentliche Zeugnisse der christlichen Auferstehungshoffnung und Jenseitsvorstellungen anderer Religionen. Sie reflektieren Endzeiterwartungen und beschreiben wie Menschen aus dieser Erwartung heraus ihrem Leben einen Sinn geben.

10 SuS analysieren außerbiblische Quellen über Jesus von Nazareth. Sie setzen sich mit den Jesusdarstellungen im Judentum und Islam auseinander und interpretieren die biblischen Glaubensaussagen zu Jesus Christus. Sie stellen Zusammenhänge zu deren Ausdeutung in der Kunst her und hinterfragen ihr Bild von Jesus.

Die Frage ist, ob es uns gelingt, ein solches aufbauendes Lernen hinzu bekommen. Denn es wird ja der Anspruch erhoben, dass die Schülerinnen und Schüler das, was sie in Klasse 5 an Kenntnissen, Fähigkeiten und Einstellungen erworben haben, auch in 10 noch können und dann mit in das Leben tragen. Wie aber gelingt das? Ich meine, dass das ohne Wiederholen und Üben nicht gelingt. Aber kann man immer alles Wiederholen? Muss man dann nicht sagen, was auf jeden Fall da sein muss? 4. Ausweis von Anforderungssituationen Anforderungssituationen sollen aufzeigen, warum man eigentlich jene Kompetenzen braucht, deren Erwerb der Religionsunterricht anstrebt. In unserem Fall geht es also darum aufzuzeigen, warum man sich eigentlich in der Bibel auskennen und sich damit auseinandersetzen sollte. Das klingt in diesem

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Rahmen hier eigentlich so selbstverständlich, dass man diese Frage eigentlich gar nicht stellen dürfte. Doch so einfach ist es nicht. Ein Beispiel: Anders als im Judentum und im Islam spielt Abraham im praktischen Vollzug christlicher Religion nahezu keine Rolle. Im alltäglichen Leben der Schülerinnen und Schüler kommt Abraham nicht vor. Dies ist bei der Geburt Jesu oder der Kreuzigung und der Auferstehung ganz anders. Warum soll man sich also mit Abraham beschäftigen? Wozu braucht man das im Leben? Ich meine, man sollte sich bei jeder Unterrichtseinheit Situationen zurecht legen, die die Lebensrelevanz der Kompetenzerwartungen belegen und es "anfordern" sich mit den Inhalten des Religionsunterricht es in unserem Falle mit der Bibel zu beschäftigen und entsprechende Kompetenzen zu erwerben. Solche Situationen erlauben die Antwort auf die spannende Frage der Schülerinnen und Schüler: "Was bringt's?". Zwischenzeitlich gibt es verschiedene Schulbücher aber auch Zeitschriften, die dafür Vorschläge bereithalten. Ich gebe zu, dass die Suche nach Anforderungssituationen schwierig ist und häufig zu weniger gut gelungenen Beispiel führt. Das sind häufig diejenigen, die nur unterrichtsimmanent angelegt sind. Grundsätzlich kann man zwischen „realen“, „konstruierten aber authentischen“ und „konstruierten“ Anforderungssituationen unterscheiden. Sie haben aber eines gemeinsam: Sie beziehen sich auf Kompetenzerwartungen im Religionsunterricht. Ich lege zunächst einmal eine „konstruierte, aber authentische“ Anforderungssituation zur Bibel vor: (1) Ausgangspunkt ist die Fähigkeit, Entstehung und Aufbau der Bibel erläutern zu können. Im Deutschunterricht sollen alle Schülerinnen und Schüler ein Buch vorstellen. Frau Richter, die Deutschlehrerin, hat mit ihrer Klasse fünf Regeln erarbeitet, die bei einer Buchvorstellung zu beachten sind. Jetzt sollen alle Kinder sagen, wel-ches Buch sie nehmen möchten. Frau Richter geht alphabetisch vor, deshalb kommt Thomas erst spät dran. Da sind die Bücher, die er auch gerne genommen hätte – „Reckless – Steinernes Fleisch“ von Cornelia Funke oder „Krabat“ – leider schon vergeben. Plötzlich hat er eine verrückte Idee: Der Religionslehrer hat neu-lich gesagt, die Bibel sei „das Buch der Bücher“! Als Frau Richter ihn fragt, wel-ches Buch er vorstellen möchte, antwortet er: „Ich würde gerne die Bibel vorstel-len – geht das?“ Frau Richter sagt: „Na klar, warum soll das nicht gehen? Und jetzt könnt ihr euch schon mal ein paar Notizen für eure Buchvorstellung ma-chen!“ Erleichtert schaut Thomas noch mal in sein Heft und liest: 1. Schildere kurz, worum es in deinem Buch geht. 2. Stelle die Autorin bzw. den Autor vor. 3. Nenne den Verlag und das Jahr, in dem das Buch erschienen ist. 4. Gib uns eine Leseprobe: Wähle einen Abschnitt, der dir gut gefällt. 5. Sage zum Schluss, wem du das Buch empfehlen würdest.

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Aufgabe Formuliere in Stichworten, was Thomas sich zu den fünf Punkten notiert. Diese Anforderungssituation ist anregend, aber rein unterrichtsimmanent. Ob sie wirklich im Alltag vorkommen könnte? (2) Ausgangspunkt der zweiten Situation ist die Fähigkeit, Stationen des Wirkens Jesu skizzieren zu können. in einem Schulbuch habe ich folgende „reale“ Anforderungssituation verwendet. Sie ist einer konkreten Erfahrung nach erzählt.

(3) Die folgende Situation ist wieder konstruiert. Sie geht aus von der Fähigkeit, die Bibel als heiliges Buch wahrnehmen und erläutern zu können. In dem Jugendbuch „Moritz und der liebe Gott“ von J. H. Claussen zeigt Frau Schmidt dem 11jährigen Moritz ihre Familienbibel. „Wie alt ist die?“, fragt Moritz und erfährt, dass die Bibel fast 200 Jahre alt ist. „Ist so eine alte Bibel viel wert?“, will er wissen. „In Geld fast nichts. Aber für mich ist sie unbezahlbar. Das ganze Leben begleitet sie mich schon. (...) Sie ist das Einzige, was ich auf der Flucht gerettet habe.“ „Auf welcher Flucht?“, fragt Moritz. „Wir mussten fliehen, am Ende des Zweiten Weltkriegs. Unsere Heimat war weit im Osten, in Ostpreußen. Als die Russen kamen, mussten wir fort. Es war Winter und wir konnten nur mit-nehmen, was wir am Körper trugen. Wir zogen zusammen los, meine Mutter, meine ältere Schwester und ich. Die Männer waren im Krieg. Wochenlang durch die Kälte, meistens zu Fuß und mit Handwagen. Ich schob einen Kinderwagen. Da lag mein kleiner Neffe drin. Dem habe ich die Familienbibel in sein Körbchen unter die Decke gelegt. So habe ich sie gerettet.“

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Als Moritz fragt, ob Frau Schmidt die Bibel denn auch gelesen habe und was da drin stünde, fragt sie zurück: „Hast du das nicht im Religionsunterricht gelernt?“ Moritz antwortet: „Haben wir nicht.“ Aufgabe: Du hast in vier Jahren Religionsunterricht in der Grundschule bestimmt schon einiges über die Bibel gelernt. Versuche Gründe dafür zu nennen, warum für Frau Schmidt die Bibel so wichtig ist. (4) Eine vierte Anforderungssituation ist konstruiert, hat aber konkrete Erfahrungen im Hintergrund. Ausgangspunkt ist die Fähigkeit, biblische Glaubensaussagen zu Jesus Christus interpretieren zu können und die Deutung in der Kunst hinterfragen zu können.

Eltern von Kindergottesdienstkindern beklagen, dass das Kruzifix, das hinter dem Altar errichtet ist, Kindern Angst macht. Sie verlangen, auf eine solche Kreuzesdarstellung im Kirchenraum zu verzichten. Dagegen erhebt sich eine Protest: Ohne Kreuz geht es nicht. Formuliere deine Position und begründe sie.

(5) Ein Jugendlicher zum Tod Jesu Ausgangspunkt hier ist die Kompetenzerwartung SuS „können Deutungsansätze des Todes Jesu diskutieren.“ „Ein Hauptproblem, denke ich, ist, dass jemand für uns gegeißelt und ans Kreuz genagelt worden ist, dass er für uns durch Erstickungstod durch das viele Blut in der Lunge gestorben –kurzum: auf grausame W eise umgekommen ist – für mich? Mir hätte es doch auch gereicht, wenn er ein Blinde und Aussätzige geheilt und den Rest seine Lebens Playstation II gespielt und daneben ein bisschen

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gepredigt hätte. Mir ist es eigentlich sehr unangenehm, dass sich Jesus (mein Gott) für mich so geopfert hat; ich hätte auch so an Jesus festgehalten – ohne den Foltertod.“ Michaela Albrecht-Zenk, Playstation statt Foltertod. Mit Jugendlichen über das Sterben Jesu nachdenken, Loccumer Pelikan 2/2014, 58-62.58

Der Jugendliche sagt: „Kannst du mir wenigstens einen Grund nennen, warum Jesu für mich so gestorben sein sollte?“ Was antwortest du? 4. Lernstandserhebungen Wer nicht weiß, wo man angefangen hat, kann man auch keinen Lernzuwachs bestimmen. Ich habe den Eindruck, dass wir alle noch lernen müssen auf methodisch vielfältige Weise Lernstände unserer Schülerinnen und Schüler am Anfang einer Unterrichtseinheit oder an Beginn eines Schuljahres einzuschätzen. Studien sagen: Selbst erfahrene RL schätzen den Lernstand ihrer Sch. falsch ein. Sie sind überrascht, wenn sie eine Lernstandserhebung durchführen. Denkbar ist zum Beispiel die oben genannte Anforderungssituationen mit dem Buchreport Denkbar ist aber auch ein Eingangstest mit verschiedenen Items. Spielerisch ist das Marktplatzspiel, das wir einmal kurz spielen könnten. Einstellungen zur Bibel werden durch ein Positionsspiel (Stuhl mit Bibel im Kreis) sichtbar. Eine einfache Lernstandserhebung habe ich in einem Sek II Buch verwendet:

Weiß ich schon Das weiß ich noch nicht

Das interessiert mich besonders

Herkunft und Lebensumstände Jesu

Reich Gottes Botschaft Jesu

Deutungen des Todes Jesu

Ich halte auch den Einsatz elementare Fragen für hilfreich: Welches Buch ist für mich ganz wichtig? Welches Buch lese ich mehrmals? Solche Fragen können auch direkt ausfallen: Sollte man viel in der Bibel lesen? Welche biblischen Geschichten finde ich richtig gut? Und welche verstehe ich gar nicht? 5. Aufgabenkultur Lernaufgaben stellen zwischen dem Lern Gegenstand und den Lernenden eine Beziehung her, die die Auseinandersetzung bestimmt und das individuelle Ergebnis zwar nicht determiniert aber doch prägt. Man kann folgende Aufgabentypen unterscheiden:

(1) Lernaufgaben dienen dem Erwerb von Kompetenzen. (2) Anwendungsaufgaben dienen dem Transfer von Kompetenzen auf

unbekannte Situationen

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(3) Übungsaufgaben dienen der Festigung von Kompetenzen (4) Diagnoseaufgaben sollen Kompetenzen sichtbar machen (5) Leistungs-/Prüfaufgaben dienen der Bewertung des Kompetenzstandes

Gefragt sind derzeit Lernaufgaben, die Nachhaltigkeit versprechen. Das ist auch klar, denn es geht gerade darum, Kompetenzen für eine eigenständige und verantwortungsbewusste Lebensführung zu erwerben. Darin kann man den Sinn der Allgemeinbildung sehen. Dabei haben wir zwischenzeitlich alle eingesehen, dass auch im Religionsunterricht individuell recht verschiedene Schülerinnen und Schüler sitzen. Die einen sind kirchlich sozialisiert, die andere nicht. Die einen leben noch in ihrem Kinderglauben, die anderen insistieren auf Autonomie auch in Glaubensfragen. Denn einen fällt es leichter, sich kreativ oder spielerisch einen Text anzueignen, andere bevorzugen einen logisch-analysierenden oder einen diskursiven Zugang. Mir selber leuchtet die Unterscheidung verschiedener Intelligenztypen ein und ich versuche immer wieder durch Binnendifferenzierung und einer Differenzierung von Lernaufgaben gerecht zu werden. Die entscheidende Frage ist jedoch immer: Was ist wirklich nachhaltig? Ich finde folgende Aufgabentypen bedenkenswert: Erweiterte Textaufgaben: Leitend ist dabei die Aufassung, dass es verschiedene Anforeerungsbereiche (Reproduktion, Reorganisation, Problemlösung/Transfer/Anwenden) gibt. Ausgangs – und Bezugspunkt der folgende Aufgabe ist ein Bild des ehemaligen brasilianischen Nationalspielers Lucio. .2

2 Gymnasialpädagogische Arbeitsstelle d. Ev.Luth. Kirchen in Bayer, Fast wie im richtigen Leben.

Kompetenzorientiert lernen und prüfen im evangelischen Religionsunterricht, Themenfolge 144, Erlangen o.J. 31f.

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Die Aufgaben lauten:

(1) Beschreibe das Bild einer Freundin oder einem Freund! Stelle dir dabei vor, dass sie oder er das Bild selbst nicht sehen kann. (Bild mit Lucio wird eingesetzt).

(2) Vergleiche das Bild mit dem, was du (in der letzten Stunde) über Gott gelernt hast! Was passt zusammen, was passt nicht?

(3) Gestalte einen eigenen Spruch für das T-Shirt, das gut dazu passt, was du in den letzten Stunden über Gott gelernt hast.

Crossover Aufgaben Andreas Feindt und Petra Wittman3 haben versucht, in Bearbeitung von Kursbuch elementar 7/8 kompetenzorientierte Lernaufgaben zu entwickeln. In Aufnahme einer Anregung im Schulbuch entwerfen sie zu der Zachäus-Geschichte sie folgende Szene: „Am nächsten Tag sitzt Zachäus mit seiner Familie (Frau, Schwiegereltern, Söhne, Töchter) beim Frühstück. Er erklärt, was er mit seinem Geld machen will. Die anderen schauen ihn an. So kennen sie Zachäus nicht. Da erzählt ihnen Zachäus seine Geschichte mit Jesus. Spielt das Gespräch und berichtet im Anschluss, warum ihr das so und nicht anders gespielt habt.“ Sie ergänzen diese Aufgabe mit einer zweiten: „Stell dir vor, am nächsten Tag trifft Zachäus auf die Ehebrecherin und sie kommen ins Gespräch über Jesus. Überlegt, wie die Unterhaltung verlaufen könnte. Spielt das Gespräch und berichtet im Anschluss, warum ihr es so und nicht anders gespielt habt.“ Diese Aufgabe ist offen und komplex, sie aktiviert das eigene Wissen, vernetzt verschiedene Kompetenzen (erzählen, spielen), aktiviert Metakognition (begründen), eröffnet verschiedene Lösungsmöglichkeiten, vernetzt Wissen und fördert das Nachdenken.

3 Aufgabewerkstatt RU entwurf 4/2010, 28-31

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Arbeit mit Advance Organizer Advance organizer sind vorausgehende Lernhilfen. Sie bestehen meist in didaktischen Modellen, mit denen es den Lernenden leichter fallen soll, sich neue Informationen anzueignen. Die Theologiegeschichte ist voll davon. Luther vergleicht den unfreien Willen mit einem Reitpferd, das entweder von Gott oder dem Teufel geritten wird. Klaus Berger vergleicht die Sünde mit einer Untermieterin, der im Haus ein Zimmer vermietet wird, die aber nach und nach das ganze Haus erobert. Eine wichtige Lernhilfe sind grafische Modelle, die einen Sachverhalt strukturieren und neue Informationen aufnehmen können. In Kursbuch Religion 1 habe ich zum Leben Jesu als AO eine Landkarte genommen.

Basislager-Expeditionen-Gipfeltreffen Im Gleichniskapitel in Kursbuch Religion 1 bekommen die Sch zunächst Bilder verschiedener Gleichnisse mit der Möglichkeit sie zu erzählen und einander zuzuordnen. Dann werden ihnen für die folgenden Gleichnisseiten folgende Aufgaben angeboten:

Ein besonders schönes Gleichnis als Hörspiel, Comic, Wandzeitung, Theaterstück gestalten.

In den Gleichnissen vom verlorenen Sohn, von den Arbeitern im Weinberg und vom großen Festmahl Gemeinsamkeiten finden.

Aufgrund der Gleichnisse in einem Bericht darstellen, wie Land und Leute zur Zeit Jesu aussahen.

Herausarbeiten und als Collage gestalten, was man auf den folgenden Seiten über das Reich Gottes erfährt.

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Selbstdifferenzierendes Lernen zu Jesus nimmt die Kinder an

I. Reproduktion 1. POZEK Schlüssel anwenden 2. Szene als Comic zeichnen 3. Die wichtigste Szene als Statue stellen

II. Reproduktion 4. Gründe für das Verhalten der Jünger formulieren 5. Die Botschaft Jesu an die Jünger als SMS schreiben 6. Gründe nennen, warum Jesus die Kindern zum Schluss in die Arme

nimmt, ihnen die Hand auflegt und sie segnet. III. Gestalten

7. Plakat für den Kirchenraum entwerfen, der die wichtigste Botschaft enthält

8. Formulieren, was Erwachsene von Kindern lernen können 9. Im Namen Jesu einen Brief an Erwachsene von heute schreiben.

Generatives Lernen mit HotSpot (siehe unten) Gewiss haben sie da ihre Erfahrungen. Diese werden auch in verschiedenen Klassenstufen verschieden ausfallen. Mein Eindruck ist, dass katholische Religionslehrerinnen und Religionslehrer ganz stark auf eine geistliche Begegnung mit Bibeltexten setzen. (Ich entnehme das badischen Erfahrungen und vor allem auch den Unterrichtsentwürfen des IRP in Freiburg). Einen Bibeltext meditieren, als Bodenbild legen, ein Gebet dazu schreiben, Dankbriefe verfassen, Perspektiven wechseln und Identifikationen vornehmen, eine Christus Kerze entzünden sind dabei häufig gegangene Schritte , zu denen selbst verständlich jedes Mal eine sorgfältige Texterschließung gehört. Offenkundig wird auf eine existenzielle Begegnung großen Wert gelegt. Evangelische Religionslehrerinnen und Religionslehrer gehen auch in diese Richtung, setzen dann aber stärker auf Formen wie den interaktiven Bibliolog. ich selber bevorzuge Momente einer Verleiblichung im Sinne der Performativen Didaktik. Da werden Texte wie ein Schauspieler oder Schauspielerin gesprochen, als Standbild inszeniert, die Stimmen Text zu Gehör gebracht, Haltungen der Protagonisten eingenommen oder Gesten ausprobiert (segnen, sich niederwerfen, stehen). Ein Beispiel: Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder

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Jesus und die Kinder Und sie brachten Kinder zu ihm, damit er sie anrühre. Die Jünger aber fuhren sie an. Als es aber Jesus sah, wurde er unwillig und sprach zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solchen gehört das Reich Gottes. Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes* nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen. Und er herzte sie und legte die Hände auf sie und segnete* sie. Mk 10,13-16 (Luther) Aufgaben 1. Gestaltet ein Rollenspiel, eine Zeichnung mit Sprechblasen oder ein Theaterstück, wie die Eltern mit den Kindern auf die Jünger treffen. Was sagen die Jünger? Was ändert sich, wenn die Kinder krank oder Straßenkinder sind? 2. Sprich zunächst die Worte Jesu auf verschiedene Weise und erläutere dann, was ihr jeweils aussagen wollt. 3. Stellt dar, wie Jesus am Ende die Kinder behandelt. Wie geht es ihnen dabei? 4. Die Geschichte enthält auch eine Botschaft für Erwachsene und für Jesusanhänger. Formuliere diese Botschaft. Selbstverständlich wirkt auch eine gute Erzählung nachhaltig, vor allem dann wenn sie durch Gegenstände oder Pantomimen unterstützt wird (Erzähl-Pantomime). Ich sehe zudem in dem methodischen Ansatz des kooperativen Lernens (z.B. Think-Pair-Share) eine intensive Lernform. Ich schätze zudem das Theologisieren, wenn es darum geht, Anknüpfungspunkte in der Vorstellungswelt der Schülerinnen und Schüler zu finden All das ist gut und richtig. Doch es fehlt eines: das Üben und Wiederholen vornehmlich solcher Wissenseinheiten, die fundamental und deshalb unverzichtbar sind. Neben die Lernaufgaben, die - wie gesagt - auf einen

Was können

Erwachsene

von Kindern

lernen?

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Kompetenzerwerb zielen, bedarf es auch im Religionsunterricht Übung-und Wiederholungs- Aufgaben, die das Wissen festigen und vertiefen. Davon zu unterscheiden sind noch einmal Anwendungsaufgaben sowie Leistungsaufgaben. 6. Basics im Religionsunterricht Die Entwicklung einer nachhaltigen Aufgabenkultur ist ein wichtiges Thema in der RP. Ich selber werbe sehr für Wiederholen und Sichern. Das setzt aber voraus, dass ich mir ganz klar bin, was auf jeden Fall so wichtig ist, dass es immer wiederholt und so besonders gut gesichert werden muss. Es geht mir deshalb um Basics. Was sind eigentlich Basics? Ganz formal möchte ist dieses so bestimmen: Sie enthalten das, was - für den christlichen Glauben grundlegend und unverzichtbar ist, - im Leben helfen kann mit religiösen Anforderungssituationen zurechtzukommen, - zu einem eigenständigen und verantwortungsbewussten Leben beiträgt, - die Teilhabe an einer christlich geprägten Kultur und an einer christlichen Kirche ermöglicht, -im Religionsunterricht einigermaßen verlässlich erlernt werden kann, -in verschiedenen Lernzusammenhängen verwendbar ist und -worauf sich alle, die Religionsunterricht an einer Schule erteilen, einigen können. Die Frage stellt sich, worin solche Basic bestehen. Die neuen Bildungspläne sehen in den fünf prozessbezogenen Kompetenzen nämlich religiöse Phänomene wahrnehmen, diese deuten, sie beurteilen, über sie kommunizieren und mit ihnen gestaltend umgehen die grundlegenden religiösen Kompetenzen. Sie lassen sich zu einer einheitlichen religiösen Kompetenz zusammenfassen.

Ich meine, es müssten biblischen Basics sein. Ich meine, dass jeder Schüler und jede Schülerin am Ende der vierten bzw. der zehnten Klasse „auf jeden Fall“ zwölf Bibeltexte und biblische Textgruppen, „drauf haben sollte“. Damit meine ich, dass sie diese als Erzählkern darstellen können, sie erzählen können, mit anderen in Beziehung setzen können, einordnen können usw. Das ist ein eher kognitives Unternehmen, das aber umso besser gelingt, je stärker diese Texte mit eigenen Erfahrungen und Erlebnissen verknüpft sind. Bewusst meine ich nicht, dass die Schülerinnen und Schüler diese Texte besonders mögen oder existenziell attraktiv finden müssen. Das dürfen sie, das möchte ich sogar, aber ich möchte auch die Distanzierten gewinnen, Biblische Basics sind für mich die Basics schlechthin. Aber das könnte eine zutiefst evangelische Sicht sein. Denn dahinter steht das reformatorische Prinzip des „sola scriptura“. Wenn ich in die katholische Religionspädagogik schaue, dann begegnen mir da andere Ansätze.

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Der katholische Religionspädagoge Georg Gnandt sieht in sog. „Kurzformeln des Glaubens“ (der Begriff stammt von Roman Bleistein im Anschluss an Karl Rahner) die Basics für den Religionsunterricht. Das sind christliche Grundüberzeugungen (Grundaxiome), die im Religionsunterricht immer wieder eingebracht und auf die konkreten Inhalte bezogen werden. Die erste seiner Kurzformeln lautet: „Nichts ist selbstverständlich. Alles könnt auch nicht sein. Welt und Mensch sind nicht aus sich heraus und genügen sich nicht selbst, sondern: Welt und Mensch sind restlos abhängig und restlos bezogen“. Die zweite lautet: „Durch Jesus können Menschen erfahren, wie und wer Gott ist.“ Die fünfte lautet: „Jeder Mensch ist gewollt und geliebt und nicht Produkt des Zufalls.“ Das hat was. Aber es sind letztlich persönlich zu verantwortende Glaubenssätze. Nach Gnandt müsste eigentlich jede Lehrperson ihre eigenen Sätze formulieren. Aber ich kann mir vorstellen, dass sich Lehrkräfte einer Schule auf einen solchen Ansatz einigen. Er wäre hochproduktiv für ihre eigene Theologie. Aber ich sehe gewisse Probleme, ob sich alle darauf verständigen können. Hans Schmid, ein hier wohlbekannter katholischer Religionspädagoge, hat in einem Gespräch mit mir vor allem geistliche Erfahrungen vor Augen gestellt, die für ihn Basics des Religionsunterrichts darstellen. Er nannte Meditation, Fantasiereise, Atemübungen und vor allem die geistliche Erschließung vornehmlich solcher biblische Texte, die mit Schöpfung, Vergebung und Erlösung zu tun haben. Ihm geht es offenbar um Formen, die existenziell wirken. Es geht ihm offenkundig um religiöse Sensibilität, um das Gespür des Sinnes für das Unendliche und Ganze. Ich habe ihn gefragt, was ihn so sicher macht, dass diese auch von allen Lehrenden garantiert werden können. Mein Vorschlag ist zunächst und eine überschaubare Zahl von biblischen Texten zu Basics zu machen, ergibt sich vor allem aus den Bildungsplänen für das Fach Religion. Ohne Bibel gibt es keinen Religionsunterricht und keinen Kompetenzerwerb. Die Heilige Schrift ist die Grundlage des Glaubens. Was Christen als Erstes brauchen, ist die persönliche Kenntnis und der eigenständige Umgang mit der Heiligen Schrift. Man muss sich selber ein Bild vom Glauben machen können, nur so wird man gebildet. Man braucht Vorstellungen, die es erlauben, eigene Erlebnisse zu deuten. Wenn ich mir die 29 grundlegenden Kompetenzen des bayrischen Bildungsplans für den katholischen Religionsunterricht an der Real- und Wirtschaftsschule ansehe, dann stelle ich fest, dass 18 direkte Bezüge zu biblischen Texten haben (mit Einschluss des christlichen Menschen- und Weltbildes). Ich gehe davon aus, dass auch die anderen grundlegenden Kompetenzen mit biblischen Inhalten verknüpft sind. Ich kann mir ein Thema wie Gebet nicht ohne biblische Gebetstexte vorstellen (der Bildungsplan auch nicht). In den Kompetenzerwartungen werden 165 Bibelgestellen genannt (wenn ich richtig gezählt habe) - allerdings mit einigen Wiederholungen. Etliche sind auch alternativ zu sehen. Das sind aber die Textkomplexe noch gar nicht benannt. Selbstverständlich kann man sich damit intensiv auseinandersetzen, aber der

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Gedanke, dass man diese Stellen (oder auch nur die Hälfte) am Ende der 10. Klasse „drauf hat“, ist verwegen. Bedeutsam scheint mir zu sein, dass auch Religionslehrende das nicht im Blick haben können. Die Frage stellt sich, welche Texte und Textkomplexe sind so fundamental, dass ich sie ständig im Auge habe und auf ihre Sicherung kontinuierlich achte. Ich weiß aber auch, dass das nicht alles ist. Es gibt doch kirchliche Basics wie das Kirchenjahr, Kirchenraum, die Sakramente, Trinität, Symbole, Lieder und natürlich das Gebet, Ökumene, die Reformation. Interreligiöse Basics sind die Lebens- und Jahresfeste in Islam und Judentum, typischen Merkmale dieser Religionen, ihre heiligen Räume, Bücher und Orte. Wichtig ist der Hinweis, dass die Definition von Basics noch nichts über die Art der Erschließung sagt. 7. Zwölf biblische Basics

Jetzt sind Sie dran: Definieren Sie in zu zweit oder zu dritt zwölf biblische Texte und Textgruppen, die jeder Schüler und jede Schülerin am Ende der Sekundarstufe I „auf jeden Fall drauf haben sollte“. Sie bekommen dazu 12 Moderationskarten.

Damit uns recht verstehen: Sie dürfen im Religionsunterricht vielmehr machen. Es geht es aber um das qualifizierte Minimum. Die Karten werden anschließend präsentiert und verglichen. Was haben alle gemeinsam? Worin unterscheiden sie sich? Was besagt das Ergebnis? 8. Warum soll man all dies lernen? Religionsunterricht ist nicht Kommunion- oder Firmunterricht. Religionsunterricht ist Teil der Schule und damit Teil der Allgemeinbildung. Da stellt sich die Frage, warum ein gebildeter Mensch so viel Bibel braucht.

Kleines Rollenspiel Elternabend in der 5. Klasse.

Ein zugezogener Mann aus Ostdeutschland fragt nach Präsentation des Faches: Warum soll mein Kind sich eigentlich mit der Bibel und vor allem mit den von Ihnen genannten Bibeltexten auseinander setzen? Können Sie mir das beantworten? Es werden Argumente zu den 12 Texten gesammelt. Anschließend wird die Plausibilität dieser Argumente geprüft. Möglich ist folgendes Ergebnis:

Texte und Textgruppen

Lebensbezüge gleichzeitig Aufgaben des RU

Es kommt im Leben darauf an:

Schöpfung Entwicklung eines elementare Lebensfragen stellen und

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stabilen Selbstkonzepts und eines kohärenten Weltbildes

beantworten zu können

eigene Vorstellungen von dem Menschen, der Welt. Dem moralisch Guten und einem guten Leben formulieren zu können

sich mit Widerfahrnissen des Lebens konstruktiv auseinandersetzen zu können

Schöpfungsauftrag Dekalog Doppelgebot der Liebe Bergpredigt Amos Gleichnisse

Angebot von Orientierung

ethische Konflikte bearbeiten zu können

die Frage nach grundlegenden Werten stellen und beantworten zu können

Schöpfung Stationen des Lebens Jesu

An der eigenen Kultur verstehend teilnehmen können

Hintergründe für Zeitrhythmen entdecken (Werktag und Sonntag; Kirchenjahr)

Feste und Brauchtum des Kirchenjahres deuten können

Psalm 23 Vater Unser Taufe Jesu Letztes Abendmahl

Christliche Religion verstehen und daran teilhaben können

religiöse Sprache als Sprache für die Seele verstehen und gebrauchen zu können

an religiöser Praxis (Riten, Gebete, Feiern etc.) teilhaben können oder begründen können, warum man sich nicht darauf einlässt.

Abraham Mose Jesus Schöpfung

Andere Religionen und Weltanschauungen kennen und respektieren

mit anderen Konfessionen und Religionen respektvoll zusammenleben zu können

lebensfreundliche und lebensfeindliche Formen der Religion unterscheiden zu können

Gleichnisse (Samariter)

Gesellschaftliche Religion wahrnehmen und beurteilen können

die christliche Prägung gesellschaftlicher Traditionen und Strukturen wahrnehmen und würdigen zu können (z.B. sozialer Rechtsstaat)

religiöser Motive in der Popularkultur identifizieren und beurteilen können

9. Auf die Details kommt es an. Bei den Basics muss man genau wissen, was man damit meint und wie man das präsentieren kann. Wie soll man zeigen, dass man die Geburtsgeschichte Jesu kennt? Soll man sie auswendig daher sagen? Man muss das schon als Kompetenz formulieren. Mein Vorschlag lautet: Man sollte anhand von Krippenfiguren die Weihnachtsgeschichte rekonstruieren können.

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Schwieriger aber wird es mit dem Thema Schöpfung. Welche Texte muss ich dazu unbedingt kennen? Was meint eigentlich das Wort Schöpfung? Was meinen Sie: Welche Schöpfungstexte Texte sollen Schülerinnen und Schüler unbedingt „drauf haben“? Die meisten sagen jetzt 1. Mose 1 und 2. Aber alle wissen, dass da die Geschichten nicht aufhören. Zum Garten gehört die Vertreibung, zur Vertreibung der Brudermord sowie die Sintflut und der Turmbau zu Babel. Der Schöpfungsauftrag wird in Gen 9 wiederholt und neu formuliert. Mein Vorschlag lautet die ersten elf Kapitel des ersten Buches Mose müssen als Zusammenhang verstanden werden, wenn es um Schöpfung geht. Sie erst bilden die Urgeschichte. Ich will auch sagen warum. Weil wir sonst überhaupt nicht kapieren, was Schöpfung meint. Und weil wir sonst den evolutionsorientierten Religionskritikern voll in die Arme laufen. Weil sonst die Schülerinnen und Schüler Evolution und Schöpfung nicht in eine Balance bringen können. Also: Die Rede von Schöpfung ist nicht die Rede, wie alles angefangen hat, sondern vom Ganzen (C. Westermann) – im Modus des Anfangs. So machen das alle Mythen. Es geht darum, wie die Welt ist, was wir davon zu halten haben, welche Rolle wir darin spielen, welche Haltung ihr angemessen ist, wie wir gut leben können und worauf wir uns verlassen können. Die Botschaft, die ich darin höre, lautet in Kurzform so:

Diese Welt, der Mensch und das Leben sind von Gott gewollt. Sie sind kein Zufall (creatio originalis). Die Schöpfung ist einigermaßen geordnet und verstehbar. Das Leben darin ist einigermaßen bewältigbar. Das Leben darin hat einen Sinn. Ich kann Ja dazu sagen. Das entspricht dem Konzept des „Kohärenzgefühls“, das Aaron Antonowsky (1923-1994) als Bedingung der Möglichkeit von Resilienz ansieht. Es ist die Voraussetzung mit den krisenhaften Herausforderungen des Lebens zurechtzukommen. Dieses Kohärenzgefühl hat drei Komponenten: - die Welt muss verstehbar sein, - sie muss handhabbar sein, - sie muss bedeutsam sein.

Die Welt muss einem als geordnet strukturiert und einheitlich erscheinen (Verstehbarkeit) um sich darin sicher bewegen zu können. Sie muss zudem den Eindruck erwecken, alles würde sich gut entwickeln und sich schon irgendwie regeln lassen (Handhabbarkeit). Nur so ist es möglich, in dieser Welt zuversichtlich zu handeln. Und sie muss irgendwo Sinn machen (Bedeutsamkeit), so dass das eigene Leben zu bejahen ist. Gott ist der Herr der Welt. Alles verdankt sich letztlich Gott, der Beziehung und Gemeinschaft in sich ist und sie will (Trinität beschreibt nicht nur die opera ad extra, sondern vor allem auch die opera ad intra). Deshalb ist alles Leben auf Beziehung angelegt und lebt von Beziehung. Deshalb verdienen das Leben und

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die Welt letztlich dankbares Vertrauen, auch dann wenn sich das nicht in jedem Augenblick zeigt. Das Leben eines jeden ist kein blinder Zufall. Dass die Welt lebensfreundlich ist, das zeigt sich in den wundersamen Ordnungen, die in der Welt zu finden sind. Da gibt es wohltuende Rhythmen (Tag und Nacht, Sommer und Winter, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Geboren werden und Sterben, Werktag und Sonntag) und lebensermöglichende Strukturen (alle Lebewesen haben ihren Raum, ökologische Gleichgewichte). Da gibt es traumhafte Erfahrungen in der Natur, mit den Sternen, der auf- und untergehenden Sonne, den Pflanzen aber auch in der Liebe zwischen Menschen. Dann kann es sogar paradiesisch werden. Doch die Welt ist nicht so wie Gott und wir sie gerne hätten. Es gibt Neid und Missgunst, Mord und Totschlag, Arroganz und Gier, Hochmut und Unverständnis. Menschen machen sich gegenseitig fertig, bringen einander um. Sie töten Tiere und zerstören die Wälder. In dieser Welt gibt es immer wieder Katastrophen, so dass man glaubt, die Welt ginge unter. Dazu gehören die Klimakatastrophe, die Erdbeben und die Finanzkrisen. Die ganze Welt ist durchzogen von Gewalt in unterschiedlicher Gestalt. Doch in dieser Welt gibt es zugleich auch Prozesse, die das Leben stützen und erhalten (creatio continua). In dieser Welt gibt es Segen. Menschen werden geboren, wachsen auf und sterben. Es gibt immer wieder neues Leben und neue Hoffnung. Es gibt überraschende Wendungen (Wundermotiv bei Theißen), die Mut machen und die Zuversicht stärken, dass doch nicht alles sinnlos ist. (Ich denke an den Fall der Mauer.) Gott ist dabei, diese Welt zu erhalten und zu bewahren gegen Widerstand. Er hat versprochen: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ (Gen 8.22). Auf dieser Grundlage sollen Frau und Mann leben und handeln, wie sie gemeint sind: als endliche Geschöpfe und als Ebenbilder Gottes. Sie sollen miteinander in der Welt so leben und handeln, dass andere eine Ahnung davon bekommen wie Gott ist. Der Mensch hat eine Würde und eine Bestimmung. Er soll Gott helfen bei der Bewahrung des Ganzen – bis Gott kommt und einst alles neu machen wird (creatio nova). Der siebte Schöpfungstag steht noch aus. Die Schöpfung ist noch nicht zu Ende.

Persönlich glaube ich, dass nicht der Anfang das Wichtigste, sondern die Gegenwart des Schöpfungshandelns Gottes. Eine wichtige Rolle spielt dann ein Text wie Psalm 104. Zu den Basics gehören auch Wundergeschichten. Welche sind fundamental? Warum sind sie wichtig? Ein Argument ist: In der Bibel gibt es ständig Wunder. Das Volk Israel wird am Roten Meer gerettet. Daniel wird vor dem Löwen bewahrt. Jona wird von dem Walfisch ausgespuckt. Elia bewahrt den Sohn der Witwe von Zarepta. Elisa mehrt das Öl der Witwe. Jesus treibt Dämonen in die Schweine und diese ins Meer. Er heilt Bartimäus. Jesus weiß, wo ein Esel zu finden ist, auf dem er in Jerusalem einreitet und weiß, wo sie später noch das Abendmahl feiern können. Doch warum ist das so wichtig, dass man viele Geld dafür ausgeben soll?

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Wunder enthalten ein bestimmtes Verständnis der Wirklichkeit. Sie sagen: "Nichts ist völlig determiniert." Es gibt wunderbare Veränderungen. Wunder retten aus der Not und ermöglichen neues Leben. Das zeigt sich in ihrer Struktur: Not, Ruf nach Rettung, Rettungshandeln, Konstatieren des Erfolgs. (Die sieben Weltwunder sind keine Wunder wie sie die Bibel erzählt). Nichts ist so festgefügt, dass es keine Überraschungen mehr geben kann. Wunder sagen: Es gibt immer Hoffnung auf eine Wende. Wir sind in Gottes Macht geborgen. Wünsche und Gebete haben eine Chance. Dies ist ein Grundbaustein des christlichen Glaubens. Wer das nicht kennt, versteht nicht den christlichen Glauben, aber auch nicht das Leben. Mein Modell sieht so aus: Minimalstandards. 10. Wie sichert man Basics? Die Basics werden zunächst einmal „in, mit und unter“ dem normalen Unterricht gelernt. Doch sie müssen eingeübt und wiederholt werden. Kein Fach kommt ohne Wiederholung aus. Auch der Religionsunterricht nicht. Die Frage ist, wie Sie wiederholen. Mein Vorschlag ist, sich dazu ein Bibelköfferchen anzulegen und dieses immer wieder mitzubringen und zu öffnen. Wie ich mir das vorstelle, möchte ich Ihnen jetzt zeigen. Danach sollten wir darüber sprechen, ob das nachhaltig und sinnvoll ist. FIGUREN 1. Eine Figur wählen, die mich anspricht und zu der ich eine biblische Geschichte kenne 2. Als erstes sagen, was ich mit dieser Figur außer einem Bibeltext verbinde 3. Biblische Geschichte kurz erzählen: Anfang – Mitte-Ende 4. Geschichte bewerten: Was gefällt mir an dieser Geschichte? Wo habe ich eine Frage? 5. Figuren assoziieren: Was passt jetzt gut dazu? Warum? 6. Weite Geschichten erzählen 7. Bedenken: Wie passen diese Geschichten zusammen (Suche nach einem roten Faden bzw. der Mitte der Schrift) 8. AT und NT Tüchern zuordnen 9. Evtl. zwei Tier sprechen miteinander 10. Gegenstände zu bestimmten Themen zuordnen: Abraham und Mose; Jesus; Frauen um Jesus; Biblische Heilsgeschichte; BILDKARTEN 1. Verdeckt austeilen 2. Bild vorstellen: Ich sehe…(nicht sofort zeigen, keinen Titel nennen, auch auf Farben achten) 3. Andere raten den Bibeltext

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4. Was mir daran gefällt 5. Figur oder/und Bild auswählen, die dazu passt 6. Nächstes Bild assozieren BIBELTEXTKARTEN 1. Karte ziehen 2. Vorlesen, Vorher und Nachher bestimmen 3. Figuren oder zuordnen 4. Was gefällt mir an dieser Geschichte? Wo habe ich eine Frage? Die Idee des Bibelköfferchens ist: Zu den von der Fachkommission festgelegten biblischen Basics im Fachcurriculum Religion werden einmal Gegenstände gesucht, dann Bilder aus der Kunstgeschichte ausgewählt, die eine herausgehobene Bedeutung haben (Rembrandt, Chagall etc.) und schließlich biblische Textkarten hergestellt. Damit ist eine wichtige Überlegung verbunden: ich brauche nicht nur wiederkehrende Aufnahme, sondern ich brauche auch eine „mehrsinnige“ Erschließung in diesem Falle also Gegenstand (Tiere, Verkehrszeichen, Menschenfiguren), Bild und Text. Dazu kommen dann die individuellen Geschichten und Erlebnisse, diee sich damit verbinden. Mit den Figuren kann man ganz verschieden umgehen: Man kann sie austeilen oder wählen lassen. Man kann sie in ein Säckchen packen und erfühlen lassen. Man kann damit eine Vertretungs- und eine Wiederholungsstunde. Man kann ausgewählte am Anfang einer Stunde miteinander sprechen lassen. Sicherlich muss man sie einführen, wenn man die entsprechende Geschichte erarbeitet. 11. Evaluation Zu einem kompetenzorientierten Lernen gehört auch die Evaluation und damit die Einschätzung des Lernertrags und des Lernprozesses. Man kann summative und formative Evaluation unterscheiden. Die summative ist am Schluss und stellt fest, ob die Kompetenzerwartungen wirklich eingetreten sind. Formative Evaluation ist Einschätzung des Lernertrags unterwegs. Zur Evaluation gehören aber auch Feed-Backs und Formen der Metakognition. Was war mir neu? Was habe ich dazu gelernt? Was ist mir fremd geblieben, wo habe ich noch Fragen? Was will ich sofort anwenden? Ich versuche es jetzt mit einer Feedback Landschaft. Wie geht es Ihnen jetzt?