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Zeitsehrift fiir vergleichende Physiologic, Bd. 37, S. 161---168 (1955). DIE BILDUNG EINER BEDINGTEN HEMMUNG BEI I:tl)CKENMAg KS FROSCHEN. Von LUDWIG FRANZISKET. Mit 4 Tcxtabbildungen. (Einge/jangen am 26. Juli 19.54.) Dic Fragc, ob bedingte Reaktionen, also Lcrnvorgtingc niedcrcr Integration, unumg~inglich an Gchirnsubstanz gebundcn sind odor untcr Umst/in(lcn aueh yon den ncrvSsen Strukturen des l~iickcnmarks a]]ein gebi}det wcrdcn kSnncn, wur(tc nach einer Konzeption yon B. I~ENSCH (1950, 1952, ] 954) mit Vcrsuchen an RiickemnarksfrSschcn dahingehcnd gekl~irt, dal3 dicsc F~higkeit auch dem vom Hirn isolicrtcn R0ckenmark zuzusprechcn sei (B. RFmsclr und L. ~FRANZISKET 1954, L. FRANZISKET 195], 1952). hn Rahmcn dieser 1)roblemstellung wurde nun eine wciterc Versuchs- rcihe unternommen, in der eine mindcstens 24 Std andauernde, recht kr~ftig wirksame bcdingtc Hemmung des Zchenwischrc/lexes bcim l{.iickcnma,'ksfrosch gebildct wcrden konntc. Dic hicrbei crzielten Ergcbnisse kSnnen aber iiber die ursprfingliche Fragestelhmg hinaus auch Einblicke in den neuralen Mechanismus diescr bedingten geaktion erSffncn, wcnn man dazu die Kcnntnissc iibcr dic Spezilit~it der Er- regungsf/~higkeit und die Wirkung eines bisher unbckanntcn Ermtidungs- mechanismus in dcr Affercnz zugrundc legt (L. FRA:NZISKET 1953). Um Mil~verst~ndnissen vorzubeugen, sei danmf hingewiescn, (ta[~ hicr unter ,,bedingtcr l[emmung" nicht ganz dassclbc vcrst.anden wird, was I. P. PXWLOW (1926, S. 275) damit bezeichnete. P.~WLOWnennt ,,bedingtc Hcmmung" spczicll einen Vorgang, bei dcm ein bcdingtcr Reiz seine Wirkung verliert, wenn er mit einem weiteren, indifferenten Reiz kombiniert wird, ohnc da.tl bei dieser Neu- kombination der bedingte Reflex dutch den lmbedingten Reiz ,,best~rkt" wird. J. Ko.nol~sKi (1950-1952) nennt diese Erseheinung ,,Ausl6sehung bedingter Reflexe". In der hier vorliegcndcn Arbeit wird mit bedingter l{emnmng jedoch ein Vorgang bezcichnct, bei dem cin unbedingter Reflex dutch einen Kombi- nationsversueh fiir lfingere Zeit gehemmt, gewissermaL~en abdressierl~ wird. Methodik. ])ie methodisehe Voraussetzlmg zu diesen Versuehen ist ein iiber Wochen absolut sta.bil blcibender physiok)gischer Zustand dcr Rtickenmarkstiere, der dureh eine sorgf/iltige ])ezerebrierungsotxer,~tion (L. FR*XZmKET 1951) erzielt wird. Die bier dargestellten Versuehe wurden mit einem :Froseh (Re 1) 6 Mon~te, mit 2 weiteren Fr6sehen (Re 2 und 3) 2 Mon~te n~eh der Otmrat.ion begonnen. Die 3 verwendeten Riiekenmarksfr6sehe blieben im Laufe der Versuchsreihe gleieh- m~13ig gefiirbt, sie maehtcn keine Spontanbewegungen mehr und zeigten dureh

Die Bildung einer bedingten Hemmung bei Rückenmarksfröschen

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Zeitsehrift fiir vergleichende Physiologic, Bd. 37, S. 161---168 (1955).

D I E B I L D U N G E I N E R B E D I N G T E N H E M M U N G B E I I : t l ) C K E N M A g KS F R O S C H E N .

Von

LUDWIG FRANZISKET.

Mit 4 Tcxtabbildungen.

(Einge/jangen am 26. Juli 19.54.)

Dic Fragc, ob bedingte Reak t ionen , also Lcrnvorgt ingc niedcrcr In tegra t ion , unumg~inglich an Gchi rnsubs tanz gebundcn s ind odor un tc r Umst/in(lcn aueh yon den ncrvSsen S t ruk tu r e n des l~ i ickcnmarks a]]ein gebi}det wcrdcn kSnncn, wur(tc nach einer Konzep t ion yon B. I~ENSCH (1950, 1952, ] 954) mi t Vcrsuchen an Ri ickemnarksf rSschcn dah ingehcnd gekl~irt, dal3 dicsc F~higke i t auch dem vom Hirn isol icr tcn R 0 c k e n m a r k zuzusprechcn sei (B. RFmsclr und L. ~FRANZISKET 1954, L. FRANZISKET 195], 1952).

hn R a h m c n dieser 1)roblemstellung wurde nun eine wciterc Versuchs- rcihe un te rnommen , in der eine mindcs tens 24 S td andauernde , recht kr~ftig wi rksame bcdingtc H e m m u n g des Zchenwischrc/ lexes bcim l{.iickcnma,'ksfrosch gebi ldc t wcrden konntc . Dic hicrbei crziel ten Ergcbnisse kSnnen aber i iber die ursprfingliche F rages t e lhmg hinaus auch Einbl icke in den neuralen Mechanismus diescr bed ing ten g e a k t i o n erSffncn, wcnn man dazu die Kcnntn i ssc i ibcr dic Spezilit~it der Er- regungsf/~higkeit und die Wi rkung eines bisher u n b c k a n n t c n Ermt idungs- mechanismus in dcr Affercnz zugrundc legt (L. FRA:NZISKET 1953).

Um Mil~verst~ndnissen vorzubeugen, sei danmf hingewiescn, (ta[~ hicr unter ,,bedingtcr l[emmung" nicht ganz dassclbc vcrst.anden wird, was I. P. PXWLOW (1926, S. 275) damit bezeichnete. P.~WLOW nennt ,,bedingtc Hcmmung" spczicll einen Vorgang, bei dcm ein bcdingtcr Reiz seine Wirkung verliert, wenn er mit einem weiteren, indifferenten Reiz kombiniert wird, ohnc da.tl bei dieser Neu- kombination der bedingte Reflex dutch den lmbedingten Reiz ,,best~rkt" wird. J. Ko.nol~sKi (1950-1952) nennt diese Erseheinung ,,Ausl6sehung bedingter Reflexe". In der hier vorliegcndcn Arbeit wird mit bedingter l{emnmng jedoch ein Vorgang bezcichnct, bei dem cin unbedingter Reflex dutch einen Kombi- nationsversueh fiir lfingere Zeit gehemmt, gewissermaL~en abdressierl~ wird.

Methodik.

])ie methodisehe Voraussetzlmg zu diesen Versuehen ist ein iiber Wochen absolut sta.bil blcibender physiok)gischer Zustand dcr Rtickenmarkstiere, der dureh eine sorgf/iltige ])ezerebrierungsotxer,~tion (L. FR*XZmKET 1951) erzielt wird. Die bier dargestellten Versuehe wurden mit einem :Froseh (Re 1) 6 Mon~te, mit 2 weiteren Fr6sehen (Re 2 und 3) 2 Mon~te n~eh der Otmrat.ion begonnen. Die 3 verwendeten Riiekenmarksfr6sehe blieben im Laufe der Versuchsreihe gleieh- m~13ig gefiirbt, sie maehtcn keine Spontanbewegungen mehr und zeigten dureh

162 LUDWIG FI~ANZISKET :

gleichmABige Atmung, feste geformte Kotba]len und regelm~Bige DefAkation die Stabfliti~t der vegetativen Funktion an. Es daft bei diesen Tieren somit geschlossen werden, dab Anderungen in der Erregbarkeit eines bestimmten Reflexes yon der Naehwirkung experimentell gegebener Reizserien und ihrer Kombin~tionen erzeugt worden sind.

Versuche.

Eine Reizserie ist eine Folge yon 100 schwaehen Kratzreizen (Appli- kator: Kupfeffaden yon 0,1 m m Durchmesser und 10 m m L~nge) auf die gleiche Hautstelle im Interval l yon 10 see. Sie erzeugt eine gewisse Anzahl yon Wischbewegungen (Antwortrate), die bei tiiglicher Wieder- holung yon anfangs 3--15 auf 60--80 Bewegungen je 100 Reize zu- nehmen (Gewohnheitsbildung, L. F ~ A ~ z I s x ~ 1951). Die nach 5 bis 8 Tagen erreiehte maximale Rate yon 60--80 Wischreflexen stellt ffir normal trainierte FrSsehe offensichtlieh die Reaktionsnorm dar. Diese Rate bleibt auch bei wochenlanger t~iglicher ~Tiederholung auf gleichem Niveau. Ebensowenig wird die HShe der Rate dnrch eine wenige Woehen dauernde Ruhepause beeinflu]t.

Der Versuch nun, t~glieh fiber den Eintr i t t der Ermfidung, der gegen Ende einer Hunderterserie durch Nachlassen der Wischbewegungen manifest wird, weiterzureizen, um den Wischreflex dadurch abzudres- sieren, braehte keine ~nderung in der Reaktionsnorm der Rfickenmarks- frSsche. Trotz ti~glicher Applikation yon 200 Reizen (deren 2. Hunder t ja den ermfideten Reflexmechanismus trafen) zeigten sieh im Verlauf yon 10 Versuchstagen keine prinzipiellen ~nderungen in den Antwort- raten. Sie nahmen weder ab, was auf eine Abdressur hingewiesen h~tte, noch nahmen sie zu, was als Steigerung der Reaktionsaktivi t~t dureh erh5htes Training h~tte gedeutet werden kSnnen. Daraus l~l~t sieh entnehmen, dal~ h~ufig wiederholte Reizung eines ermfideten Reflex- weges beim Riickenmarkstier nicht zu einer Anderung der Reflex- erregbarkeit fiihrt. Da~ es Sieh bei in takten Fr5schen anders verhi~lt, hat G. B m c x o w in noch unver5ffentlichen Versuchen mit nieht dezere- brierten Tieren festgestellt.

Ein ganz anderes Ergebnis kann man aber erzielen, wenn man den Wisehreflex von einem best immten Reizort aus ermfidet und dann auf einem anderen Reizort, der zum gleiehen Wischreflex gehSrt, weiter- reizt (Topographie und Innervat ion der reflexogenen Zone des Wisch- reflexes s. S. BAGLIO~% 1913; L. FRA~ZISKET 1953, S. 531). Wird niimlich eine solche Kombinat ion ,,Reizung eines ermfideten Reflexes yon einem ffischen Reizort aus" mehrti~gig wiederholt, so effolgt eine Abdressur fiir Reflexausl5sung yon dem zweiten Reizort aus. Bei jedem der 3 Versuehstiere wurde ein lateraler und ein medialer Reizort fest- gelegt (s. Abb. 1). Beide Reizorte waren gleichmiil~ig mit t~glich ab- wechselnd einer Reizserie trainiert worden und zeigten gleich hohe

Die Bildung einer bedingten Hemmung bei gfiekenmarksfrSschen. 163

tleaktionsaktivit~tt. Mit Beginn der in Tabelle 1 dargestelltenVersuehs- reihe wurde nun zuerst auf den laterMen und unmittelbar anschliel~end auch auf den mediMen Reizort jeweils eine Serie yon 100 Reizen ge- geben. Nach 10 Versuehstagen mit dieser ts Kombination zweier geizserien wurde am 11. Versuehstag der bis dahin in der Folge gereizte mediMe Ort Ms e r s t e r gereizt. In dieser Priifung erschien bei allen 3 Fr6schen nur eine geringe Antwortrate anf die erste Reizserie. Die kleinen Antwortraten entsprachen etwa den Zahlen der Folgeserien der vorhergehenden Tage. Trotz 24stfindiger l ~ h e seit der letzten geizung

.kbb. 1. Der l~t ickenmarksfroseh Re 2 mi t den beiden Reizor ten: 1 media le r Reizort, 2 la te ra le r t~eizort, deren lReizur~g' jeweils den Zehenwischreflex ansl6st,

braehte die Vorausserie auf den mediMen I~eizort also nut wenig Reflexe. Die Folgeserie auf den lateralen I{eizort dagegen wurde von einer hohen Zahl yon Wisehbewegungen beantwortet (Tabelle 1, 11. Versuehstag).

An den darauffolgenden Tagen wurde die neue Reihenfolge der l~eiz- serien beibehal~en: Vorausserie auf den mediMen, Folgeserie auf den laterMen I~eizort. Dabei kann man an den Zahlen der Tabelle erkennen, wie sieh die gehemmte I{eakCionsf~higkeit vom mediMen 1Reizort alImgh- lieh wieder durchsetzt und wie von Tag zu Tag mehr Wisehbewegungen bei Reizung dieses Reizortes erseheinen. Wi~hrend dieser Zunahme der Antwortrate der Vorausserien tr i t t parallel dazu beim laterMen Reizort eine Abnahme der Antwortrate ein, die quanti tat iv etwa dem jeweiligen Verbraueh an Erregbarkeit durch die dazugeh6rige Vorausserie ent- sprieht. Naeh 4- -5 Tagen (11.--15. Versuehstag) ist dann vom mediMen t~eizort aus wieder eine hohe Antwortrate zu erzielen und die :Folgerage ist dementspreehend gering. Damit ist praktiseh der Status der gleieh- m~tBig trainierten Reizorte wieder erreicht. Die nun 10 weitere Tage beibehaltene Reihenfolge ,,Vorausserie medial - - ~olgeserie laterM"

164 LUDWIG ~RAIqZISKET :

Tabelle 1.

Ver- ~uchs-

tag

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 l l 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29

Re 1

goransserie I Folgeserie

lat. 72 med. 26 lat. 63 med. 28 lat. 69 med. 22 lat. 73 reed. 17 lat. 74 med. 11 lat. 65 reed. 24 lat. 67 reed. 16 lat. 72 reed. 13 lat. 76 med. ]4 lat. 69 med. 13

med. 17 lat. 6~ med. 17 lat. 58 reed. 23 lat. 63 reed. 39 lat. 47 reed. 48 lat. 46 reed. 65 ]at. 23 reed. 62 lat. 19 reed. 71 lat. 16 reed. 67 lat. 15 reed. 83 lat. 9 reed. 69 lat. 10 reed. 67 lat. 14 reed. 72 lat. 16 reed. 73 lat,. 8 med. 79 lat. 11 lat. 14 reed. 63

:Re 2

Vorausserie] Folgeserie

lat. 73 lat. 73 ]at. 76 lat. 69 lat. 78 lat. 64 fat. 69 lat. 81 lat. 84 lat. 75 reed. 1~ ned. 3( ned. 3( ned. 4~ ned. 6~ ned. 71 lat. 62 ned. 7~ ned. 7(~ ned. 7~ ned. 7~ ned. 7~ ned. 7~ ned. 7( ned. 7" ned. 7~ ned. 71 lat. 8

]at. 22

Re 3

gorausserie] Folgeserie

lat. 67 ]at. 64 lat. 64 lat. 67 lat. 73 lat. 56 lat. 59 lat. 58 lat. 64 lat. 75 reed. 20 med. 30 reed. 48 reed. 53 reed. 48 med. 62 med. 73 med. 74 med. 74 med. 75 reed. 76 reed. 82 med. 75 med. 81 med. 79 lat. 12 lat. 16 lat. 30 lat. 36

med. 31 med. 27 med. 24 med. 24 reed. 21 reed. 17 reed. 22 reed. 18 reed. 18 reed. 14 ]at. 20 lat. 59 ]at. 46 ]at. 41 ]at. 24 lat. 13 lat. 19 lat. 11 l&t. 6 lat. 8 lat. 5

lat. 13 lat. ]1 lat. l l

reed. med. med. 58 med. 44

Bemerkung

Kombinationsreihe laterM vor medial

bedingte Hemmung

Abbau der bedingt~ Hemmung

(Priifung Re 2)

Kombinationsreihe medial :~or lateral

bed. Hemmung l~e 1

bed. Hemmung bei ]

( 1 6 . - - 2 5 . V e r s u c h s t a g ) f i ihr~e z u e i n e r g l e i c h e n b e d i n g t e n H e m m u n g

d e r A u s l S s b a r k e i t de s W i s e h r e f l e x e s n u n a b e r v o m l a t e r M e n R e i z o r t aus .

Diesen Vorgang Ms bedingte Hemmung zu bezeichnen setzt voraus, dab seine Ursaehe Mlein in der HintereinanderschMtung der 2 tAglichen Reizserien bes teht und nichf in einem passiven ErlSschen der Reakt ionsakt iv i t~t einer 10 Tage nur im Zustand ermfideten Reflexzentrums gereizten Reflexbahn. Es k6nnte ja eine Redukt ion dadurch eingetreten sein, dM3 bei den Folgeserien die Wirkung der Reize dureh die Ermiidung des Zentrums aufgehoben ware und damit fiir diesen Reizort an den 10 Tagen prakt isch gar kein weiteres Training s ta t tgefunden h~tte. Wie aber bereits frfiher gezeigt, blMbt die Erregbarkei t einer trMnierten Reflexbahn aber mindestens 21 Tage ohne weiteres Training auf einem hohen 7Niveau. Dabei waren die FrSsche jedoch ruhiggestellt worden, also ist noch die M6glichkMt zu beriicksichtigen, ob in dem FMle, in dem ein anderer Reizort weitergereizt wird, n ieht doeh die Reaktionsaktivi tAt der inzwisehen niehtgereizten Stelle herabgesetzt werden k6nnte. Zu dieser Kontrolle wurde Re 1 im Ansehlu~ an die dargestellten Kombinat ionsversuche durch ]5 Tage abwechselnden Trainings beider Reizorte wieder in einen Zustand gebraeht, in dem yon beiden Reizorten gleichm~i~ig hohe Antwor t ra ten zu erhMten waren. Danaeh wurde nun auf den laterMen Reizort Mlein 10 Tage ]ang ti~glieh eine Serie appliziert, ohne dab jetzt auf den mediMen Reizort eine Serie folgte. Am l l . Tag wurde dann der mediMe

Die Bildung einer bedingten Hemmung bei Riickenmarksfr6schen. 165

Reizort durch eine Serie gepriift und zeigte mit einer Antwortrate yon 69 Wisch- bewegungen bei 100 l~eizen, dal3 eine Reduktion der Erregbarkeit fOr die Reflex- auslSsung hier nicht eingetreten war.

Mit diesem Kontro]lversueh ist festgestellt, dab die leichte Ausl5sbar- keit der Wischbewegung nicht durch die Zeit erloschen ist. Die Kombi- nat ion yon , ,Reizung frischer Rezeptoren" mit , ,Ermfidung des spezifi- schen Ref lexzent rum" hat zu einer _&nderung der Reakt ionsnorm des Rfickenmarkstieres geffihrt, die als bedingte H e m m u n g erscheint.

Besprechung der Ergebnisse. Schon aus der Anzahl der Wischbewegungen der l~olgeserien ist

eine besondere Entwieklung der Reakt ionsnorm des entspreehenden t~eizortes und seines Reaktionsweges zu erkennen: Die an sich schon kleinen Antwor t ra ten der Folgeserien nehmen w~hrend der 10t~gigen Kombinat ion bei allen 3 FrSschen durchschnit t l ieh ab. Die Abnahme ist statJstisch real. Weiter zeigt sich bei den Folgeserien, dab die Ra te der Wischbewegungen, die ursprfinglich schon auf den ersten Reiz bin einsetzte und mit ihrem Schwerpunkt am Anfang der Serie lag, yon Tag zu Tag eine Auflockerung erf~hrt (s. Abb. 2). Der erste Reflex

/~/y'ckenre/zun 9 in fol, qeser/en mmM m i n----- r l 14 llm m II m I mmm lllll Imm fill m IIIEI]III m )I J][IlX~m ll~m II m III m ]lllllll:m IFII

mml ml ~qll mmm mm ilnm m mmm mm m i inn mmil~J J iE)1111alll~lllnr JEIII m i~ii m ]inlnnnnnn ~,,, ,iil~rlrll)l

3 lllllmmllmm nm n ii1111m ENI~JlLINIIIIFIIIN Lrlll4 mmlllllm r m iimlllll~inlJllll~iiEmHlll]mlrl

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~' n,n1~nnn~l~n~l~llnm r~,,,,, ,,~ m ennn,, ,,,~,,~lll~lll:imlllm)rallllUlmm~mnmnm n ~ m [ : ~ ] m m

~0 lll~llllp~rr m]ul~l~l~nl~m mlm ~ll~lllml~lllllm(~l~m U[llllllm ll~llm lllm ~lll~ll:llr~lm~ll

R~'c~enr'e/zuno.q /n Voraus~er/e ~ i i i i m �9 m m ~ i m { l ~ m i i i i m i l a N I ~ r r l l l l m l l l l r l m l l l l ~ l l l l ~ m I I I J l l l ~ l ~ l ; i m ~ L l ~ ] l l l l l ~ i r l ]

Abb. 2. Die t~eflexlage au f den Folgeser ien yon 10 Xrersuchstagen m l t Kombina/~ions- reizung. Die jeweiligen Vorausserien sind der t3bersicht halber fortgelassen. Die 11. Zeile zeigt die auf den nun bectingt gehemmten medialen ]~eizort applizierte Vor~usserie. (Re 2.

1. ll. Versuchstag.)

ersche~nt unter Umst~nden erst nach recht vielen vergeblichen ReiZell (Abb. 2, 8. Versuehstag). Aueh das gruppenweise Auft re ten der Reflexe 15st sieh im Ver]auf tier Versuchsreihe nach und nach bei den Folge- serien auf, so d~13 schliel~lich die wenigen Reflexe vereinzelt, gleich- m~13ig fiber die Serie verteilt erseheinen. Aus dieser Erscheinung ist der fortschreitende Aufbau der bedingten H e m m u n g w~hrend des Versuehs zu erkennen.

166 L v , w ~ ~ Z ~ S K ~ :

Die Tatsache, die sich im Vorversuch (s. S. 162) gezeigt hatte, dab nach intensiver Reizung nur eines Reizortes keine Abstumpfung des Wischreflexes eintritt, zeigt, dab ein Schutzmechanismus dem Wisch- bewegungszentrum vorgeschaltet sein muB, der vor ~berreizung schfitzt. Einen solchen in der Afferenz zu lokMisierenden ermfidungs~hnlichen Mechanismus (Schranke) hatten bereits frfihere Versuche aufgedeckt (L. FRANZISKET 1953). Er verhindert offensichtlich, dab das Reflex- zentrum iiberbeansprucht und damit in seiner Funktionsnorm veri~ndert wird. Wird diese afferente Schranke aber dutch Reizung eines neuen afferenten Weges 5rtlieh umgangen, so treffen die Erregungen doch in das bis zu einem gewissen Grade erschSpften Bewegungszentrum ein

,gtnwac,~s~ def ,~/lfWof/fg/e in del7 Voraysser/en ~ l i l l e i i m i l i ~ l i i i l l l i t l ~ i i i i P r r ~ l L r i i i i i l ~ i l l l l l l a l l r i i ~ l l ~ l m i i i i i ] l i t l l l l l l ~ l l m l l H

~ 2 L k [ m m e i m i m i I l i r l l l i l n mum I I r l m i i l l m i l l i B a R i m l l i l l l i ~ l t l J I I I I I l i i I l l l l l ~ l ~ l m H

I m m m m R l i I l i a i i I 1 ~ 1 1 1 ~ 1 i ~ m i mR I l i u m i a m I l l m i I I ~ l l m l l l E I I J m i m i I q l l E i l i I I l r l | |

~ i N i l i l i l i l l l l l l l i E g i l l i e I I i l l l l l l i i i B i B i m B i B e I �9 �9 E1 i lU l i U l i I E I iD l e �9 I Rim �9 t �9 �9 / I ] �9 I

~ i N i N l l N l l N n i l l l i R i l i l n i i I H i l l i n g i i I Rig I I i l l l U l l i n i n N E I i l l i l ~ l i nD I gR iN �9 i i i �9 U J I I I I I I

Abb . 3 , D ie Vo rausse r i e~ . a~ f den b e ~ g ~ gehemm~e~_ ~e i zo r~ ze i ge~_ yon T~g z~ T ~

e i n e Z u n a h m e d e r 2 ~ t ~ w o r t r ~ t e u n d e i n e g l e i c h m ~ I ~ i g e V e r t e i l u n g 4 e r R e f l e x e . ( R e 2 ,

1 1 . - - 1 6 . V e r s u c h s t a g . )

und ]nduzieren damit nach mehrt~giger Wiederholung die bedingte Hemmung, die au~ diesen Reaktionsweg beschr~nkt ist und demnach ~hnlich ]okMisiert angenommen werden darf wie der aHerente Schu~z- mechanismus.

Die Eigenart der t~eflexverteilung der weiteren Ans pal~ sich dieser Auffassung an. An den weiteren Versuchs~agen wird ja der bis dahin bedingt gehemmte mediale Reizort nunmehr in Vorausserie gereizt, wobei sich die bedingte t temmung wieder abbaut, was schlieglich wieder zum Au~treten einer hohen l~ate yon Wisch- bewegungen ~fihr~ (Abb. 3). Dieser Vorgang einer sukzessiven Zunahme der Antwortrate bei t~gliche r Reizung erscheint ja in ~hnlicher Form auch beim normalen Training eines vorher v611ig ungereizten Rfickenmarks- ~rosches. Doch lassen sich wichtige Unterschiede in der Reflexverteilung bei beiden Vorg~ngen ~ests~ellen. Bei dem fiblichen Training liegen die Wischbewegungen mit ihrem Schwerpunkt am An~ang der Reizserie (vgl. Abb. 1 in L. F~A~ZTSKE~ 1953, S. 527 als Beispiel der Reflex- verteilung der Antwortraten bei einer Gewohnheitsbildung). Bei den ersten Trainingsserien, die zu einer Gewohnheitsbildung appliziert werden, ist das Ende jeder Serie ~ast leer yon Reflexen. Auch bei mittelhoher Antwortrate (etwa 3. 4. Trainingstag) ]iegen gegen Ende auff~,llig weniger Reaktionen Ms am Anfang. Die Ursache dieser Eigen-

Die Bildung cincr bcdingtcn Hemmung bei RfickcnmarksfrSschcn. 167

art ist folgcndc: Bei der Gewohnheitsbildung treten 2 Funktions- /inderungen ein, cinmal cine Lcitungser]eichterlmg und zum andern eine Zunahme des Quantums st)ezifischer Erregbarkeit ffir dic Wisch- bewegung. Dabei hat sich gezeigt (L. FRA~ZJSKF.T 1953), dab die Lcitungserleiehterung sehneller gcbahnt ist, als das Quantum an Erreg- barkeit anw~ichst. Das bedeutet, daf3 in einer Reizseric infolge guter Leitung die spezifischc Erregbarkeit gleich am Anfang verbraucht werden kann. W/ire umgekehrt die afferente Lcitung gchemlnt und wfirde das Zentrum dagegen fiber cin hohes Quantum an Erregbarkcit verffigen, so wiirc zu erwarten, dal3 immer dann, wenn doch einmal die Hemmung durch summierte Erregung vom Sinnesorgan fiber-

~bbau der fo/]erofe dutch ste,gende Vorausrz/e ,[! . . . . . . . u . . . . . . . . . . . . . . . . n u m B i n n �9 m a m m a � 9 n i l � 9 i n n a u g � 9 1 4 9 n n i n . �9 I n J � 9 n a m n n . . . . . n � 9 u n ~ �9 n r

~ a m . i m a m , n � 9 . . . . ~ . . . . . . . . . �9 . . . 1 . i R o n I m � 9 I , . . . . . . . n . � 9 � 9 1 4 9 1 4 9 m I I n n I ~ n n �9 n ~ �9 �9 I n p E n n n n n n n n r

f J I l l l l l l a g I I I t . . . . . . . g l i l O B I I I I B I I I ~ I I I I l i m l L i ] R m I I J I ! ] m m m m I f ~ m ] I m R I I I I P I m m m I I ,

~ n ~ i m i i m B e D L ~ F I I I I E l I I i m I F F E l I I ~ I I i ~ l m n [ F ~ I I I i I I I I [ I ~ [ I I I m i m m I I I I I ~ I J I I I I f I � 9 1 4 9 H H i I l i I i I ~ I l i I I ~

~ I U l l l i ~ i m m i m e I I ~ I I I I I I t ~ t m e t i i ~ I I ~ 5 I I I [ ~ / I ~ I I I I I ~ ~ i I I I I I I I I I I L HOW m H ~ n I I I l l F I I I ~ I i I I �9 ~ l l ' l t I I I I

Abb. 4. W~hrcnd, wic in Abb. 3 er,~ichtlich, dic Antwort, r~t(m tier Vol'<'~ll,Ss(~ri(2n Zlliit~hnlcn, geht l*ar;fllcl dazu eino for tschrei tende Verminderung tier zugeh6rigcn Folgeserien einhcr (Re 2, 11.--15. Vcrsuchstag.) Die ll, cfh, 'xvertcihmg ist bei al len 3 FrSschcn prinzipicll

(tie gleiche.

wunden wird, Reflexe erseheinen, ein Vorgang, der natfirlieh fiber die ganze Reizserie verteilt auftritt . Dementspreehemt sind die Reflexe bei den Vorausserien, in denen die bedingte Hemmung noch wirksam ist, fiber die ganze Reizserie verteilt (s. Abb. 3, 11.--14. Versuchstag). Am 15. und 16. Versuehstag in Abb. 3 sind die hcmmendcn Einflfisse offenbar wiedcr al)gebaut: Die Antwortraten sind wieder recht groIl und auch die Schwerpunktlage (ter Reflcxverteilung ist wieder eindeutig an den Anfang verschobcn.

Schlicl31ieh ordnen sieh auch die Verhii]tnisse bci den Folgeserien, die zu den eben beschricbencn Vorausscricn gehSren, in dieses Bild des neuralen Mechanismus ein. Kennzeichnend ffir diese Folgeserien ist ja, (tab sic selbst nicht gchemmt sind, aber gehemmten Xzoraus- sericn folgen. Bis zum 15. Tag treten dic Wischbewegungen imnler noch in Gruppcn, schwerpunktm/illig am Anfang der Serie gelegem auf und zeigen, dal3 eine bedingte Hemmung bis dahin noch nicht eingetreten ist. Erst mit diescm Tag setzen ja dic Bedingungen ein, die zur Aus- bildung dcr bcdingten Helnmung angenommen werden : das ErschSpfen des Reflexzentrums durch eine ungehemmtc Vorausserie und das Ein- treffen yon Erregungen auf unermfideten afferenten Elementen.

Dieser Auffassung entsprechend wurdc in einem besonderen Versueh geprfift, wieweit die Folgcserie in diesem Zustand noeh ungehcmmt war.

Z. verg]. Physiol, Bd. 37. ] ]C

168 LUDWIG FR.aXZISKF.T: Hemmung bei Riiekenmarksfr6schen.

Bei IRe 2 wurde am ].7. Tag der vom 11.- -16. Tag in Folgeser ie gereizte ]aterale Rc izo r t e inma] in Vorausser ie gereizt . Die hohe A n t w o r t r a t v von 62 Wischbewegungen (s. Tabel le 1) zeigte, dal] eine bedingte Hem- mung f(ir den la te ra len R~.izort noch n icht e ingc t re ten war. Nach weiteren 11 Tagen zeigte sigh aber , da[3 nach t~gl ieher K ombina t i on , w~ihrend der dieser Re izo r t wieder in de r Fo]ge gereizt worden war, auch er zum Aufbau e iner bed ing ten H e m m u n g f~hig war.

Zu,~ammen/assung. 1. t t~uf ig wiederhol te Reizung eines berei ts e rmfideten Reflexwegcs

f i ihr t be im l~f ickenmarksfrosch n ich t zu einer Abdressur . 2. E r m t i d e t man das Re f l exzen t rum fiber einen bes t immten a fferen-

t en Weg und re iz t dann fiber e inen zwei ten Weg, der denselben Reflex innervier t , welter, so ff ihrt d ie ]0t~gige Wiede rho lung dieses Versuches zu einer R e d u k t i o n fiir dic Aus lSsbarke i t des Ref lexes fiber den zweiten Weg (bedingte Hemmung) .

3. W i r d fiber die bed ing t gehemmte afferentc Bahn j e t z t wieder bei unermf ide tem Ref lcxzen t rum t ra in ie r t , so is t die bed ing te H e m m u n g nach 4 - - 5 Tagen wieder a ufgehobcn.

Li tera tur . BAGLIONI, S.: Die Hautreflexe der Amphibien (Frosch und Kr6te). Erg.

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Dr. LUDWIG FRANZ[SKI~T, Mtinster (Westf.), ttimmclreichallee 50.