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XXVIII. Aus dem pharmakologisehen Institut der Universititt Bonn. Die Demonstration der Zersetzung des Chloroforms im Gaslichte. Von Paul Gerlinger. (Mit I Abbildung.) Die Thatsaehe, dass giftige Gase entstehen, wenn Chloroform- d~tmpfe an Gas- oder aueh an gewShnliehen Petroleumfiammen vor- beistreiehen, ist in den letzten Jahren mehrfaeh erSrtert worden. Den ersten Hinweis darauf seheint v. Langenbeek's Bemer- kung zu bilden, dass ,Operationen bei Gaslieht dadureh gef$ihrlieh werden kSnnen, dass bei dem Verdunsten des Chloroforms das irre- spirable Chlorkohlenoxyd sieh bildet", t) E v e r s b u s e h stellt lest; dass bei Operationen nnter diesen Um- st~nden 5fter naeh etwa ~/2 stfindiger Dauer ein sehr heftiger Husten- reiz bei allen Anwesenden eintritt~ ein Uebelstand, dem dureh kr~tftige Ventilation zu begegnen sei. ~) Z weifel berichtet fiber 7 Laparotomieen, bei welehen in Folge der gleiehen Ursaehe theils Husten und Rasseln~ theils sehwere katarr- halisehe Pneumonien entstanden. 3) P a t e r s o n besprieht mehrere F/ille yon Erkrankungen~ bestehend in heftigen Hustenanfttllen~ Brennen und Constrietionsgeftlhl auf den Sehleimh/iuten des Halses und Kehlkopfes, Sehwindel und Kopf- sehmerzen, welehe dureh die Zersetzungsproduete des Chloroforms verursaeht worden sind. 4) 1) B. v. Langenbeck, Vorlesungen iiber Akiurgie. Mit Benutzung hinter- lassener Manuskripte herausg, v. Th. Gluck. 1888. S. 9. 2) Eversbusch, Ueber den nachtheiligen Einfluss des Leuchtgases bei gleichzeitiger Anwendung yon Chloroform. Miinch. medicin. Wochenschr. 1889. Nr. 13. S. 212. 3) Zweifel, UeberLungenentztindung nach Laparotomieen in Folge von Zer- setzung des Chloroforms im Gaslicht. Berl. klin. Wochenschr. 1889. Nr. 15. S. 317. 4) P a t er s o n, On a danger attending the administration of chloroform by gaslight. The Practitioner. Juni 1889. S. 418.

Die Demonstration der Zersetzung des Chloroforms im Gaslichte

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Page 1: Die Demonstration der Zersetzung des Chloroforms im Gaslichte

XXVIII.

Aus dem pharmakologisehen Institut der Universititt Bonn.

D i e Demonst ra t ion der Zerse tzung des Chloroforms im Gaslichte.

Von

Paul Gerlinger. (Mit I Abbildung.)

Die Thatsaehe, dass giftige Gase entstehen, wenn Chloroform- d~tmpfe an Gas- oder aueh an gewShnliehen Petroleumfiammen vor- beistreiehen, ist in den letzten Jahren mehrfaeh erSrtert worden.

Den ersten Hinweis darauf seheint v. L a n g e n b e e k ' s Bemer- kung zu bilden, dass ,Operationen bei Gaslieht dadureh gef$ihrlieh werden kSnnen, dass bei dem Verdunsten des Chloroforms das irre- spirable Chlorkohlenoxyd sieh bildet", t)

E v e r s b u s e h stellt lest; dass bei Operationen nnter diesen Um- st~nden 5fter naeh etwa ~/2 stfindiger Dauer ein sehr heftiger Husten- reiz bei allen Anwesenden eintritt~ ein Uebelstand, dem dureh kr~tftige Ventilation zu begegnen sei. ~)

Z w e i f e l berichtet fiber 7 Laparotomieen, bei welehen in Folge der gleiehen Ursaehe theils Husten und Rasseln~ theils sehwere katarr- halisehe Pneumonien entstanden. 3)

P a t e r s o n besprieht mehrere F/ille yon Erkrankungen~ bestehend in heftigen Hustenanfttllen~ Brennen und Constrietionsgeftlhl auf den Sehleimh/iuten des Halses und Kehlkopfes, Sehwindel und Kopf- sehmerzen, welehe dureh die Zersetzungsproduete des Chloroforms verursaeht worden sind. 4)

1) B. v. L a n g e n b e c k , Vorlesungen iiber Akiurgie. Mit Benutzung hinter- lassener Manuskripte herausg, v. Th. Gluck. 1888. S. 9.

2) E v e r s b u s c h , Ueber den nachtheiligen Einfluss des Leuchtgases bei gleichzeitiger Anwendung yon Chloroform. Miinch. medicin. Wochenschr. 1889. Nr. 13. S. 212.

3) Zwe i fe l , UeberLungenentztindung nach Laparotomieen in Folge von Zer- setzung des Chloroforms im Gaslicht. Berl. klin. Wochenschr. 1889. Nr. 15. S. 317.

4) P a t er s o n, On a danger attending the administration of chloroform by gaslight. The Practitioner. Juni 1889. S. 418.

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S t o bw a s s e t hat bei )Iee rsehweinehen und Kaninehen~ welehe er diese Zersetzungsproducte einalhmcn liess~ schwere Dyspnoe und LungenSdem~ zum Theil mit nachgefolgtem Tode~ auftreten s e h e n .

Wie P at e r s o n findet c ra l s haupts~iehlich in Betracht kommend Chlorkohlenoxyd und Salzs~ture. 1)

Nach K u n k e l sind die enlstehcnden Stoffe Salzs~ture und eine geringe Menge yon Chlor~ nebcn nicht n~ther untersuchten brenz- lichen Substanzen. Dagegen hat er Chlorkohlenoxyd~ Ameisens~ture und Kohlenoxyd night gefunden. 2)

Aueh E i s e n l o h r und F e r m i finden kein Chlorkohlenoxyd, sondern in erster Linie Salzs~ture und daneben wenig Chlor.a)

Hingegen schreibt S e h u m b u r g die Giftwirkungen besonders dem Chlorkohlenoxyd zu, welches nicht nur die Schleimh~tute reize~ sondern such im Blute in Folge Zerfalles in Salzs~ture und Kohlen- oxyd den Tod durch Kohlenoxydvergiftung herbeiftihren kSnne. 4)

Aueh die neueren Lehrbticher der Pharmakologie u. a. machen auf die Gefahr aufmerksam~ welche die Anwendung yon Chloroform bei Gaslicht mit sich bringt. 5)

1) Stobwasser, Ueber Zersetzung des verdunstcten Chloroforms in der Leuchtflamme. Berl. klin. Wochensehr. 1889. Nr. 34. S. 760.

2) K unk el, Ueber die Chloroformzersetzung durch kiinstliche Lichtquellen. Wfirzb. Sitzungsber. 1890. Nr. 2. S. 29.

3) E isen lohr u. Fermi, Die Zersetzungsproducte des Chloroforms bei Chloroformirung in mit Flammen erleuchteten Rhumen. Arch. f. Hyg. 1891. Bd. XIII. S. 269.

4) Schumburg , Ueber die Art der Bildung yon Zerseizungsproducten des Chloroforms bei Gaslicht. Hyg. Rundschau 1898. Nr. 19. S. 92l.

5) Ygl. z. B. : C. Binz, Vorlesungen fiber Pharmakologie, 2. Aufl., S. 3 0 . - 0. Schmiedeberg, Grundriss d. Arzneimittellehre. 3. Aufl. S. 44. - - A. Dastre, Les anesth~siques. 1890. S. 136.

Weitere einschlagige Abhandlungen, deren Originale mir nicht zughnglich waren, sind folgende:

H elmuth, Operations under chloroform by gaslight (a peculiar and unique occurrence). Rep. ,,Helmuth tIouse", New-York 18S8/$9. III. S. 9.

Miller, Chloroform narcosis in the presence of gaslight as a cause of ca- tarrhal pneumonia (?). Proc. Philad. Co. M. Soc. Philad. 1889. X. S. 247.

Rud ol p h, Die Zersetzung yon Chloroformdampfen durch Gaslicht. Wfirz- burg 1891.

Ma, rt ln, On the dangers and disadvantages of administering chloroform in the presence of a naked flame. Birmingb. M. Rev. 1892. S. 83.

Janssen, Chloroform en Kunstlicht. Nedcrl. mi]. geneesk. Arch. Leiden 1893. S. 557.

Brandenberg , Ueber Chloroformzersctzung bei offenem Gaslicht. Corr. BI. f. schweiz. Aerzte. t~asel 1897. S. 687.

A r c h l y f. experiment. Pathol. u. PharmakoL Bd. XLV]I. 30

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440 XXVlII. GERLINGER

l~iehtsdestoweniger seheint diese Thatsaehe manehen Aerzten noeh unbekannt zu sein, wie ein yon L o r e n t z mitg'etheilter Fall aus dem Jahre 1898 beweist. 1) Derselbe mSge hier angeftihrt werden~ weil er die ernste Bedeutung der Saehe klarzulegen besonders ge- eignet ist.

In dem katholisehen Krankenhause einer Stadt Westfalens wurde an einem Sehussverletzten eine umfangreiehe Operation (Laparotomie und Versehluss zweier Magenwunden) vorgenommen; die bei Gaslieht stattfindende :Narkose dauerte fiber 3 Stunden. Es waren 2 Aerzte and 4 Krankensehwestern zugegen.

W~thrend der Operation wurden alle 6 Anwesenden yon heftigem~ krampfhaftem Hustenreiz befallen, doeh ffihlten sie sieh naeh be- endigter Operation unter dem Einflusse friseher Luft wieder voll- kommen wohl. Drei Stunden naehher traten bei allen Betheiligten mehr oder minder starke VergiftungsanfKlle auf, die in Cyanose , Athembesehwerden, Beklemmungen und Husten, bei einigen aueh in Collapsanfltllen bestanden. Eine Krankensehwester v e r s e h i e d 28 Stunden naeh Schluss der Operation.

Der Krankenhausarzt, der die Operation ausgeflihrt hatte, er- krankte sehr sehwer und sehwebte mehrere Tage in Lebensgefahr; die anderen Personen genaseu in verhitltnissm~tssig kurzer Zeit.

Auf Anordnung der Staatsanwaltsehaft wurde die Obduetion der Leiehe der Krankensehwester vorgenommen; das Ergebniss war ein negatives, insbesondere faudeu sieh keine wesentliehen Verltnderun- g e n d e r Athemwege und~der Lung'ea vor; das im Iterzeu befindliehe Blur war dunkelroth und geronnen and enthielt kein Kohlenoxyd.

Die Leiehe des Verletzten, der 6 Stunden naeh der Operation starb, wurde gleiehfalls obdueirt; als Todesursaehe stellte sieh eine Sehusswunde der Leber und des Magens mit grossem Blutaustritt in die Bauehhiihle heraus. Das Blur hatte idie gleiehe Besehaffenheit wie das der Krankensehwes te r . -

Die Zersetzung des Chloroforms im Gasliehte verlauft bekannt- lieh in der Weise, dass dureh direete Oxydation in der Umgebung der Flamme zuniiehst das heftig reizende C h l o r k o h l e n o x y d (Phos- gengas) and Salzs/~ure entsteht, en~spreehend der Formel:

CHCI3 -}- 0 ~ HC1 + COCI2.

Dass wirklieh Chlorkohlenoxyd auftritt, giebt sieh sehon kund dutch den Gerueh, der yon dem des Chlors und der Salzsaure deut-

l) L o r e n t z, Giftige Wirkung der Diinste, die durch Zersetzung des Chloro- forms bei Gaslicht eatstehen. Zeitschr. f. Medicinalbeamte 1898. :Nr. 3.

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lich versehieden ist, sowie durch d i e - fUr S~urechloride eharakte- r i s t i s c h e - Bildung yon weissen l~ebeln an tier feuchten Luft.

Worauf die giftige Wirkung dieses KSrpers beruht, seheint noeh nieht ~entigend aufgeklitrt zu sein. Das Chlorkohlenoxyd zersetzt sieh~ wie bekannt, mit heissem Wasser raseh, mit kaltem dagegen nur lan~sam~ gem~ss der Gleiehung:

COCh -~- H~0 ----- COs -~- 2HCl. Aueh bei der Temperatur des thierisehen Organismus dtirfte die-

ser Process an dea Sehleimhauten der Athmungsorgane langsum genug vor sich gehen, um einem Theile des Chlorkohlenoxydes als solehem alas Eindringen in die Gewebe zu ermSgliohen. Unwahrscheinlieh ist aber jedenfalls die Annahme S e h u m b u r g ' s z), nach welcher im Blute eine Spaltung desselbea in Kohlenoxyd uad Salzs~ture statt- findet. Dieselbe ist sowohl veto reia ehemisehen Staadpunkte aus 2), als aueh aufGruad tier yon S t o b w a s s e r und vor Allem yea Lo- r e a t z mitgetheiltea 0bductionsbefuade zu veraeinen.

Aus dem Verhalten des Chlor- kohlenoxydes gegen Wasser geht selbstverstandlieh aueh hervor, dass die yon einigen vorgesehlag'enen Maassregeln - - Aufstellen yon Soda- 0der BoraxlSsung oder Kalkmileh in den Operationsrltumen u. s.w. - - zur Beseitigung tier Vergiftungs- gefahr unzureichend sin&

Der beistehend abgebildete, einfaehe Apparat, tier die bei einer Gaslampe in Betracht kommenden Verh~tltnisse wiedergiebt, sell in tier Vorlesung die Umwandlung der

Chloroformd~tmpfe demonstriren. Herr Prof. Bin z hat denselben im vorigea uad in diesem Jahre be- nutzt und ihn handlieh und zweek- entspreehend gefunden.3)

Von dem oberen Ende des unten offenen Glaseylinders C ftihrt

/

D

1) S. o. 2) Eine Spaltuag des Phosgens in Kohlenoxyd, Salzsi~ure und Ameisens~ure

fiadet erst bei mehrstiiudigem Erhitzen mit Wasser auf 225 ~ C. statt. 3) Ob bereits ein i~hnlicher existirt oder nicht; ist mir unbekannt.

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442 XXVHI. GE~L]~C~, Die D(monstration der Zersefzung des Chloroforms.

ein doppelt gebogenes Glasrohr bis nahe zum Boden des Kolbens D, weleher etwa zur tt~lfte mit verdtinnter SilbernitratlSsung oder mit Wasser, das man dutch e i n i g e T r o p f e n Methylorangel~isung gelb gefarbt hat, angeftillt ist. Ein zweites, tiber der Fliissigkcitsfi~iche mtindendes Rohr verbindet den Apparat (bei E) mit einer Wasser- strahlpumpe. In dem nnteren Theile des Cylinders C brennt eine kleine Bunsenflamme 1), deren Verbrennungsgase mittelst der Wasser- strahlpumpe aus dem Cylinder ab- und dureh die Fltlssigkeit in D hindurchgesaugt werden. Hierbei finder keinerlei Reaction start. Sobald aber aus dem Kolben A, tier etwas Chloroform enth~,tlt, ein Gemiseh yon Chloroformd~tmpfen und Luft an der Flamme vorbei in den Cylinder eingeblasen wird, beginnt in D sich tin Nieder- schlag yon Chlorsilber zu bilden oder abet die g e l b e Farbe des Methylorange in eine ro the Uberzugehen, w~thrend tiber der Fltissig- keit weisse Nebel yon Phosgen siehtbar werden. Wenige Tropfen Chloroform in A und ein etwa 1/4-1/2 Minute andauerndes Blasen genUgen, um bereits nach 2 - - 3 Minuten die Reaction mit grSsster Dentliehkeit hervortreten zu lassen. Auch kann man Silber- und Me)hy]orangelSsung (am besten in dieser Reihenfolge) in zwei ver- sehiedenen Kolben zu gleieher Zeit einschalten~ da bei dem raschen Durehtreten der Gase dutch die Fliissigkeit die Absorption der Salz- s~ture in dem ersten Kolben durehaus keine vollst~tndige ist.

Das Chloroform allein bildet kein Chlorsilber - - wenn es rein ist - - und flirbt das Methylorange nieht roth.

Nimmt man nach einigem Durchleiten die Flasehe D fort~ so gewahrt man sogleich in den Luftwegen den seharfen Reiz des Chlorkohlenoxyds.

1) Eine leuchtende Gasflamme oder ein Auerbrenner haben die gleiche Wirkung.