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Fortschritte der Kieferorthop idie Band 34, 1973 Heft 4 Aus dem Anatomischen Institut der Universit~t G6ttingen (Direktor: Prof. Dr. E. B I e c h s c h m i d t) Die Entstehung des Unterkiefers Eine funktionelIe Differenzierung im 1. Fertilisationsmonat1 Von E. Blechschmidt, Gi~ttingen Mit 17 Abbildungen E s ist bekannt, dafg Differenzierungen weit friiher beginnen, als anf~inglich zu sehen ist. Das heifer nicht, dat~ sie subrnikroskopi, sch in verkleinerter Form ,,pr/iformiert" w~iren. Dies gilt auch fiir die Kieferbildung, im besonderen fiir die des Unterkiefers. Dafg die Vorentwicklung der Kiefer noch nicht genauer untersucht wurde, hat vielerlei Gr~inde, u. a. den, dat~ die friihen Stadien der mer~schlichen Entwicklung nur in selter~sten Ausnahrnen zur Untersuchung ge- langen. Abet auch den, dat~ selbst bei sehr genauen mikroskopi, schen Unter- suchungen auch einwandfrei fixierter Schnittserien die Topographie der Vor- stufen der sp~iteren Organe schon so kompliziert ist, daf~ man auf sehr zeit- raubend herzustellende Rekonstruktionen yon Schnittserien angewiesen ist. Nut an ihnen las.sen ,sich die Lagebeziehungen der mikroskopischen Strukturen erkennen und so wenigstens die ersten Systeme der molekularbiologischen Prozesse beurteilen. Deswegen mug bier zun~ichst einige,s demon~striert werden, bevor versucht werden kann, aus den Befunden ein Bild zu bekommen. Methode und Material Da gut fixierte junge menschliche Embryonen ~iut~erst seltenes Unterrichts- material sind, wurden die hier wiedergegeberten Pr~iparate au.sfiihrlicher be- schriftet als es fiir das vorliegende Thema ur~mittelbar n6tig ist. Weitere Einzelheiten zu den bearbeiteten Ernbryonen finden sich bei C. M. B 1 e c h s c h m i d t (1974) und E. B 1 e ch s c hmidt (1973). Ergebnisse Abbildu,ng 1. Der 3,1 mm grot~e menschliche Embryo ist in seiner Hals- region lordotisch gekrtimmt. D~s ,,Lordosestadium" ist typisch fiir einen 1 Vortrag auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft fiir Kieferorthop~idie am 25. 5. 1972 in Erlangen

Die Entstehung des Unterkiefers

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Page 1: Die Entstehung des Unterkiefers

Fortschritte der Kieferorthop idie Band 34, 1973 Heft 4

Aus dem Anatomischen Institut der Universit~t G6ttingen (Direktor: Prof. Dr. E. B I e c h s c h m i d t)

Die Entstehung des Unterkiefers Eine funktionelIe Differenzierung im 1. Fertilisationsmonat 1

Von E. Blechschmidt, Gi~ttingen

Mit 17 Abbildungen

E s ist bekannt, dafg Differenzierungen weit friiher beginnen, als anf~inglich zu sehen ist. Das heifer nicht, dat~ sie subrnikroskopi, sch in verkleinerter Form ,,pr/iformiert" w~iren. Dies gilt auch fiir die Kieferbildung, im besonderen fiir die des Unterkiefers. Dafg die Vorentwicklung der Kiefer noch nicht genauer untersucht wurde, hat vielerlei Gr~inde, u. a. den, dat~ die friihen Stadien der mer~schlichen Entwicklung nur in selter~sten Ausnahrnen zur Untersuchung ge- langen. Abet auch den, dat~ selbst bei sehr genauen mikroskopi, schen Unter-

suchungen auch einwandfrei fixierter Schnittserien die Topographie der Vor- stufen der sp~iteren Organe schon so kompliziert ist, daf~ man auf sehr zeit- raubend herzustellende Rekonstruktionen yon Schnittserien angewiesen ist. Nut an ihnen las.sen ,sich die Lagebeziehungen der mikroskopischen Strukturen erkennen und so wenigstens die ersten Systeme der molekularbiologischen Prozesse beurteilen. Deswegen mug bier zun~ichst einige,s demon~striert werden, bevor versucht werden kann, aus den Befunden ein Bild zu bekommen.

Methode und Material

Da gut fixierte junge menschliche Embryonen ~iut~erst seltenes Unterrichts- material sind, wurden die hier wiedergegeberten Pr~iparate au.sfiihrlicher be- schriftet als es fiir das vorliegende Thema ur~mittelbar n6tig ist.

Weitere Einzelheiten zu den bearbeiteten Ernbryonen finden sich bei C. M. B 1 e c h s c h m i d t (1974) und E. B 1 e c h s c h m i d t (1973).

Ergebnisse

Abbildu,ng 1. Der 3,1 mm grot~e menschliche Embryo ist in seiner Hals- region lordotisch gekrtimmt. D~s ,,Lordosestadium" ist typisch fiir einen

1 Vortrag auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft fiir Kieferorthop~idie am 25. 5. 1972 in Erlangen

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men schlichen Keim zu Beginn der 4. Fertilisation.swoche. Der Lordose entspre- chend ist der 3,1 m m Embryo h6her al.s die Embryonen der nachfolgenden Sta- dien e twa des 25.~28. Tages, die kyphot isch gekrf immt sind. Der Embryo zeigt

Abb: L Embryo B 1 e C;h:s c h m i d t~ 3,1 mm gro/~, ca. 24 Tage alt, mif :ca: !3 S0miten~: paaren. Nach Fixierung im Schr~igli&f fotografiert. Kopfregion des jungen Embryo = (A)~

Halsregion = (B), Rumpfregion = (C).1 = H e r z

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eine typische Dreigliederung: den noch h~iutigen Kopf, den h~iutigen Hals und den mit freiem Auge kaum erkennbaren, kaudalw~irts (,apikal") zugespitzten, noch kurzen Rumpf.

Abb. 2. Schnittserienrekonstruktion des 3,1 mm grogen menschlichen Embryo. Ansicht yon ventral. Mesenchym entfernt. Zur Orientierung unterhalb der Augenregion zwischen Am- nion und Entoderm Herz mit zu- und ableitenden Blutgef~if~en freigelegt. 1 Entoderm, 2 Eingang in die Augenblase (Sulcus opticus), 3 Pharyngealbogen I, 4 Herz, 50berkiefer-

wulst, 6 Amnion

Abbildung 2. Schnittserienrekonstruktion des 3,1 mm Embryo in Seiten- armicht. Der ju.nge Embryo ist noch nicht viel gr/31~er als die Nabelanlage, in deren kranialem Bereich der Herzwulst ,sichtbar ist. Im Kopfgebiet .sind die Augen- und Kieferregion deutlich. Die ganze Kopfregion zeigt Knickungen, die in ihrer Proportionierung _~hnlichkeit mit einem ,scharf gekriimmten Finger haben: die Augenregion ist gegen die h~iutige Oberkieferregion und diese gegen die Unterkieferanlage flektiert, ahnlich wie ein flektiertes Fingerendglied gegen das Mittelglied und dieses gegen das Grurtdglied.

Abbildung 3. Die Schni~tserienrekonstruktion zeigt uns bei st~irkerer Ver- grSf~erung die Organe des 3,1 mm Embryo in der Kopfregion. Man kann er- kennen, datg die Wachstumskriimmung des jungen Embryo (zu Anfang der 4. Entwicklungswoche) um das schleifenfSrmige Herz als Hypomochtion er- folgt i.st. Die Beugefalten des Ektoderms sind ann~hernd zirkul~ir zur Liing,s- achse des embryonalen Kopfes bzw. seines Entoderms (das hier noch vor allem die epitheliale Anlage des Pharynx i st) eingestellt. In Ventralansicht l~it~t sich

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vorn der offene Neuroporus sup. und da die Eiag~inge in die Augenblasen (Sulcus opticus) sehen. Dahinter finden wir den Oberkieferwulst des noch h~iutigen Obergesichts. Darunter (also mehr kaudal)sehen wir den ,Mandibularbogen" (Unterkieferwulst) des noch h~iutigen Untergesichts. Parallel zu diesen bogigen KSrperteilen (PharyngealbSgen) liegt der n o & kurze ,Unterzungenbogea" (Hyoidbogen): Am ventralen Rand des Fen~sters, das i n die Augenhaut (Ekto- derm) des Embryo geschnitten ist, erkennt man, durch weit~e Schraffur mar- kiert, die noch kapillare Aorta dorsalis sini.stra.

Abb. 3. Ausschnitt aus der zuvor abgebildeten Schnittserienrekonstruktion des 3,1 mm Embryo, 1 AugG 20berkieferwulst, 3 UnterkieferwulSt (!ateraler Tell des Pharyngeal' bogens I), 4 Unterzungenwulst (lateraler Tell des Pharyngealbogens II), 5 Eingang in die Augenblase = Sulcus opticus, 6 Amnion, 7 dorsaler Teil des Neuroporus superior, 8 Aniage der Ohrblase = Ohrplakode. Unter (6) Herz entfernt: Uber Und unter der Mundbucht h~in- gen die Wiilste (2) und (3) als schmale l:alten mit den entsprechenden Wi.ilsten der rechten

K6rperh~Ifte zusammen

Abbildung 4. Das Erscheinungsbild des Untergeskhts (Pharyngealbogen I) l~it]t sich dutch Fensterung des Ektoderms und Freilegen der noch kapillaren Aorta topographisch genauer bestimrnen, wenn man das Fiillgewebe, das em- bryonale Binnengewebe (Mesenchym), zwischen der ~iut~eren und inneren epi- thelialen KSrperwand, also zwischen dem Ektoderm und Entoderm (den beiden frtihen ,Grenzgeweben"), entfernt. Wenn man den Rau~m des M~senchyms als einen epithelbegrenztert, subektodermalen Leerraum darstellt, lassen sich die Lagebeziehungen des Mesenchyms zu den Grenzgeweben leicht in allen Raum- richtungen bestimmen. Dann sieht man vom Raum d~s Mese~chyms aus medial dicht neben der bereits blindsackfSrmigen Augenblase (Saccus optict~s = Vesica optica), entlang dem Scheitelhirn (Mesencephalon), das obere Ende der

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kapillaren Aorta (die Anlage der A. prosencephalica). Sie geht hier in Gestalt einer Gef~ifischlinge konform mit der Kriimmung des Mesencephalon in die grof~e Kopfvene fiber. Diese kann als V. capitis, als Hauptvene des Kopfes be- zeichnet werdea. Die Vene ist der Kopfteil der V. cardinalis superior, also der gro~en oberen K~Srperwandvene.

Der Innenraum des h~iutigen (noch bogenfSrmigen) Untergesichts wird bei unserem 3,1 mm Embryo zu einem grot~en TeiI yon der no& kapillaren I. Pha- ryngealbogen,,arterie" ausgefiillt. Sie stellt die erste Anastomose zwischen der

Abb. 4. Derselbe 3,1 mm Embryo (Dorsolateralansicht). Ektoderrn wieder gefenstert: Die ersten (noch kapillaren) Arterien der linken K6rperhalfte freigelegt (schwarz). I. Pharyn- gealbogenarterie (4) in die linke Aorta dors. (7) iibergehend. Bei 5 II. Pharyngealbogen noch nicht vaskularisiert. Bei 1 A. prosencephalica (3) am Scheitel des arteriellen Gef~iBbogens in den ventSsert Gef~if~scheitel (Wurzel der V. cardinalis) iibergehend. 2 Kontaktfl~che der Augenblase mit dem (hier entfernten) Mesenchym, 6 Amnion, 8 Entoderm, 9 Neuroporus sup.

yon der Ausflut~bahn des Herzens kommenden tmpaaren Gef~it]anlage (Aorta ventralis = Bulbus aortae) und den paarigen Aortae dorsales dar. Der 2. Pha- ryngealbogen l~iBt noch keine Kapillarisierung nachweisen.

Die fahenfSrmige Gliederung in der Kopfregion wird, wie wir neuerdings erst wissen, durch eine Straffung des Binnengewebes lateral yon den friih-

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embryonalen Mundwinkeln eingeleitet Sie h~ingt entwicklungskinetisch da- mit zusammen, daf~ im Verlauf des ersten L~ingenwachstums des Embryo links und recht,s in der oberen Rumpfregion interzellul~ire Fliis.sigkei t !m Mesenchym ausgeschwitzt wird (Entstehung des rech:ten und linken Cavum pleuropericar- diale). Zwischen beiden differenziert sich das junge Mesenchy,m zur friihembryo- nalen Herz~nlage (B 1 e c h s c h m i d t , 1961, Abb. 460). Dieses Mesenchym strahlt beim weiteren L~ngenwachstum des Embryo nach oben in das Stmma der fr/ihen ~,Wangenregion" ein Und bildet damit einen bilateralen Haite" apparat fiir den friihembryonalen Kopf. Im Bereich dieses Halteapparates dr~ngt die Interzellularsubstanz das Ektoderm und Entoderm auseinander (Ent- stehung des Pharyngealbogens I). Diese dr~ingen durch ihr Fl~ichenwachstum die angrenzenden Gewebe auf engerem Raum zusammen (Biidung der 1. Cer- :vicalkerbe sowie der 1. Pharyngealtasche). Auf der Grundlage des entstande- nen 1. Pharyngealbogens entstehen .successiv die folgenden Pharyngealb6gen II, III und IV. Dadurch wird die KtSrperwand im 1[lbergangsgebiet zw/.schen Kopf und Rumpf abwechselnd verdickt und verdiinnt:

Das fr/ihembryonale Gehirn wird nun relativ zu den mit ihm verhafteten Aortenanlagen l~inger. Die entwicklungskinetische Folge davon ist eine st~rkere Kriimmung des jungen Embryo in seinem Kopfgebiet. Die ur~mittelbare ent- wicklungskinetische Folge wiederum dav6n ist die zunehmende Deutlichkeit der Beugefalten des Embryo, welche die PharyngealbSgen vorbereiten. Im Ver- lauf der Kriimmung des Embryo nimmt die L~_nge und Dicke der Pharyngeal- b~Sgen zu und gteichzeitig die Verdii.nnu.ng der Kopfwand zwischen ihnen, d. h. aut~en die Vertiefung der Cervikalfurchen und irmen die Vertiefung der Schlundtaschen. Es i.st f/ir das Folgende wichtig zu wissen, datg durch die erste Kriimmung des Embryo der Kopfdarm, also vor allem der vorl~iufige Pharynx, dicht /iber dem Herzen liegt; also zun~chst noch nicht aufgerichtet ist. Wir betonen da, mit, dat~ d{e Formentwicklung der bogenfSrmigen Faltungen sich nicht yon der Lageentwicklung des friihembryonalen Kopfes trennen l~if~t. Wir werden sehen, dag yon dieser friihen Formbildung die Strukturentwick- iung im I~_neren der Kiefe~region eingeleitet wird. Da.s wichtige Prinzip, d~s wir dabei bemerken, ist die Gesetzm~it~igkeit der Verlaufsrichtung der Differenzierungen. Der Prozet~ der Differenzierung schreitet regelm~i~ig von autgen nach innen fort. Er beginnt nicht etwa bei den Zellkernen (Differenzie- rung.srichtung, B 1 ec h s c h m i d t , 1973):

Abbildung 5. Etwa am 26. Tag ist der menschliche Embryo auch in der Hals- region kyphotisch gekr/immt und daher jetzt im ganzen weniger hoch als zuvor. Er hat sich jetzt eingerollt. Sein grN~ter Durchmes,ser betr~igt in unserem wieder- gegebenen Stadium ca. 2,5 mm. Eine Schnittserienrekonstruktion der ~iu~eren Form im Kopf-Hals-Bereich zeigt nun fast mit schematischer Deutlichkeit die ektodermalen Beugefalten. An der ,,Streckseite" des Kopfes sehen wir den fr[ih- embryonalen Vorderkopf noch in hohem Mat~e yon der gro~r~iumigen Augen- region beherrscht. Oberhalb der Mundregioa i s t das Relief des Oberkiefer- wulstes gut sichtbar. Dorsal yore Eingang in die Anlage des Munde,s, d. h: dor- sal vonder jetzt durchgebrochenen Mundmembran, kommuniziert die Anlage des Fruchtwasserraums mit dem embryonalen Pharynxraum.

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Beidseits der Mundbucht liegt, lateralw~irts konvex, die bogenf6rmige An- lage des merLschlichen Untergesichts. Zu ihr ist der unter der Zunge gelegene Unterzungenbogen (Pharyngealbogen II = Hyoidbogen) fast parallel ausge- richter, Aber er ist jetzt ~iu~erlich sch~rfer abgrenzbar als bisher. Beide grof~en Pharyngealb/Sgen sind ziemlich zirkul~ir zur L~ingsachse des Kopf-Hals-Darm,~ (also vor allem der Pharynxanlage) eingestellt. Caudal angrenzend an die bei- den ersten relativ grof~en Pharyngealb~gen finder sich jetzt bei unserem 2,5 mrn grot~en Embryo der dritte Bogen, die mikroskopische Anlage des Pharyngeal- bogens III. Ihn diirfen wir im Hinblick auf die in ihm ,schon erkennbare Vasku- Iarisation topographisch als ,Caroti,sbogen" kennzeichnea: Hier wird das ent- wicklungskinetische Prinzip der Kieferbildung erkennbar: Bei l und 2 und auch

Abb. 5. Schnittserienrekonstruktion des Embryo B 1 e c h s c h m i d t 2,57 ram, ca. 26 Tage, ca. 23 Somitenpaare. Hinter den beiden grof~en Pharyngealb6gen (1) und (2), die bereits das Anlagegebiet des ~iu~eren Ohres darstellen, ist jetzt der III. Pharyngealbogen (3) zu sehen. Er bleibt in de r Folgezeit relativ klein. 1 Pharyngealbogen I (h~utiges Untergesicht), 2 Pha- ryngealbogen II = Hyoidbogen (h~utiger Unterzungenbogen), 3 Pharyngealbogen III =

Carotisbogen (vorl~iufiger Kehlkopfwulst), 10 Herzwulst

schon bei 3 sind durch lokale Erhebungen des Grenzgewebes im Bereich des Ektoderms und entsprechend durch Erhebungen des Entoderms in Richtung auf die Fliissigkeit im Kopfdarml~men (d. i. zur Haup~sache im Pharynxlumen) lokale Oberfl~ichenvergrSt~erungen und dazwischen durch Einsenkungen yon Grenzgewebe Zonen relativ verminderten Fl~tchenwach,stums entstanden. Hier haben sich die Mesenchymzellen unter lebhafter Zell~ermehrung senkrecht zui ~ ektodermalen Basalmembran dicht aneinandergedr~ngt. Ihre Zellkerne sind dicht an die Oberfl~iche des gewSlbten Ektoderms geriickt. Das Ektoderm hat hier mit Unterstiitzung durch das unmittelbar angrenzende Mesoderm im Fl~chenwachstum -- verglichen mit dem der Kopfwand im Bereich de.s Mund-

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eingangs und der Cervicalkerben -- 8rtlich zugenommen; d. h. das Fl~ichen- wachstum ist im Bereich der Gesichts-Hal,s-Region des jungen Embryo un- gleichm~it~ig geworden. Wir werden hierauf bei Besprechung der Abbildungen 10 und 11 zuriickkommen, abet schon jetzt das Prinzip nennen, datg die ganzen friihen Gewebs.systeme trajektorielle Hauptrichtungen haben, die auf gesetz- m~it~ig ausgerichtete Stoffwechselbewegungen schliet~en lassen.

NY N ~ '/ N~

Abb. 6. Derselbe 2,57 mm Embryo wie zuvor. Die Zonen des Ektoderms, die tiefer liegendem Grenzgewebe naheliegen, sind durch Schraffur gekennzeichnet. 10hrblase, 2 Augenblase, 3 Ektoderm nahe am Wangenentoderm, 4 Mundbucht, 5 Ektoderm nahe der I. Schlundtasche, 6 Pharyngealtasche II freigelegt, 7 Pharyngealtasche III freigelegt, zwischen 5 und 6 sowie zwischen 6 und 7 bereits Nerven der PharyngealbSgen, 8 Entoderm der noch gemeinsamen

Oesophagus- und Tracheaanlage, S Pericardabschnitt der Serosa

Abbildung 6. Schnittserienrekonstruktionen unseres 2,57 mm Embryo zeigen die r~iumlichen (topographischen)Beziehungen (Lageverh~iltnisse)in den Kieferregionen deutlich, wenn man zwi.schen Herzwulst und Gehirn die ento- dermalen Beugefalten der Gesichts-Hals-Region, wie unsere Abbitdung ver- anschaulicht, yon lateral freilegt. Dann sieht man im Inneren der Pharyngeal- b~igen die jetzt entwickelten Leitungsbahnen (Vgl. Abb. 5 und 6).

Eine geeignete Teilrekonstruktion zeigt die ersten Gehirnnerven, den N. V und N. VII. Diese Leitung.sbahnen verlaufen innerhalb der PharyngealbSgen jeweifs in deren Hauptrichtung. Das junge Mesenchym bildet ihre Leitstruktur. Medial yon den Hal.skerben des Ektoderms sind vom Lumen des embryonalen Pharynx aus die Pharyngealtaschen (Schlundtaschen) sondierbar. Sie erscheinen yon lateral freigelegt als scharfkantige Faltenk~mme. Sie stehen, wie erkl~irt, in engem Kontakt mit den Kerben des Ektoderrns (Cervicalkerben): Ento- derm und Ektoderm liegen hier dicht aneinander. Dies ist nicht nebel~s~chlich zu bemerken: Denn regional vergleichende Untersuchungen zeigen, daf~ generell lokal verschiedene Fl~ichenbildungen Momentbilder kinetisch vers.chiedenen

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F1/ichenwachstums sind. Irn besonderen i st das Flgchenwachstum der Pharyn- gealtaschen und der Cervikatkerben, also der Epithelrinnen, die jeweils engen Kontakt miteinander haben, im Verh~iltnis zu dem Fl~ichenwachstum an den Hochreliefbildungen gering (pathologisch: Anlage von Fi~steln; bei Tieren in besonderem Grade, wie bekan, nt ist, unter den dort gegebenen Voraussetzun- gen und Umstgnden vielfach Anlagen von Kiemenspalten. Beim Mer~schen

Abb, 7. Wieder derselbe 2,57 mm Embryo wie zuvor. Schnittserienrekonstruktion vor allem des Gehirns, der Gehirnnerven und des embryonalen, noch kapillaren, Gef~systems. 1 Chorda dorsalis, 2 rechte Aorta dorsalis, 3 V. cardinalis superior, 4 Herzwulst, 5 Plexus venosus praeoticus der Hauptvene des Kopfes (V. card. capitis), 6 Umschlag des Epicard ins Pericard, 7 Aortenanastomose Iim Pharyngealbogen I, 8 Laryngopulmonaldivertikel (epi- theliale Anlage des Respirationstrakts no& hoch in der frtihembryonalen Halsregion)

haben sich keine Kiemen nachweisen lassen). Lateral von der 1. Pharyngeal- tasche ist in unserer Abb. 6 ein derartiger diinner Teil der Kopfwand als An- lage des TrommelfelIs gut diagnostizierbar.

Abbildung 7. Der 2,57 mm Embryo l~f~t dutch vorsichtige Pr~iparation Festig- keitsunterschiede der in vivo turgeszenten histologisch verschiedenen Gewebe nachweisen. Die jungen (kapillaren) Blutgef~it~e sind elas~sch spannbare Schl~uche. Die jungen Nerven sind relativ zugfest. Das Mesenchym ist in ver- schiedenen Richtungen verschieden fest. Die ganzen Strukturen der Pharyngeal- bSgen stellen, physikali.sch gesehen, ein trajektorielles Verspannungssystem dar (trajektorielle Ausrichtung der Anlagen der Gehirnnerven zu den Anlagen der paarigen Aorta dorsales und den Vv. cardinales superiores).

Abbildung 8. Eine Schnittserienrekonstruktion unseres 3,4 mm grot~en Em- bryo zeigt die weiter zunehmende kyphotische Kriimmung de,s Embryo, Die Beugefalten des Ektoderm.s und die ihnen sozusagen im Spiegelbild gegen- tiberliegenden Beugefalten der entodermalen Pharynxwand siad jetzt hSher. Die Kerben zwischen den PharyngealbSgen ,sind aut~en und innen tiefer. Aul~en erscheint jetzt hinter dem 3. Pharyngealbogen die tiefe Halsbucht (Sinus cer- vicalis). Der Grund der Cervicalbucht ist vom Rand der Bucht verdeckt. Prtipa- ratorisch isoliert zeigen die PharyngealbSgen Spangenform. Dies ist wichtig zu

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bemerken, weil die spangenf6rmigen Haut fa l ten in der f r t ihembryonalen Ge- ,sichtsregion nachweislich die entwicklungskinetischen Vorausse tzungen ,sind, fiir die sp~itere Spangenform des embryonalen Unterkieferskelet ts und Zungen- beins.

Abbildung 9. Das Innere der drei ersten PharyngealbtJgen wird bei unserem 3,4 m m grot~en Embryo nun vor allem yon drei Gef~it~anastomosen eingenom- men, die sich jeweil~s durch Sprossungen zwischen der sehr kurzen, das Blur aus dem Herzen ableitenden unpaaren Aor ta ventrali, s und der paar igen Aor ta dor- salis links und rechts in dem Stroma (Binnengewebe) der PharyngealbSgen nach und nach gebildet haben (spezielle Abbi ldungen 1973). Das Kaliber dieser

Abb. 8. Schnittserienrekonstruktlon des Embryo B I e c~h s c h m i d t 3,4 mm, ca. 27 Tage, ca. 27 Somitenpaare. Pharyngealb6gen I--IIL 1 Auge, 2 Sinus cervicalis; 3 Herzwulst

Abb. 9. Die epithelialen Strukturen im Inneren des 3,4 mm Embryo. 1 Augenblasr Z Mittel- him, 30hrblase, 4 V. cardinalis capitis, 5 Chorda dorsalis, 6 R. dors. aortae, y Epicard, 9 Aorta dorsalis, 14 Mund und Aorta ventralis (Wurzel des Gef~f~korbs der Aorten). Die drei Aortenm~astomosen (Pharyngealbogengef~if~e I=-IfI) leiten vorfibergehend jeweils gleich

viel Blur

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Gef~if~e ist bei Embryonen dieses Alters (Stadium 12 nach O'Rahilly, 27 So- mitenpaare, ca. 26. Tag) etwa gleich grote, so data_man die PharyngealbSgen noch atle als Gef~it~bSgen ansehen darf, Gegeniiber dem Kaliber der 1. Pharyn~ gealbogenarterie des oben beschriebenen 3,1 mm Embryo (13 Somitenpaare) ist das der 1. Pharyngealbogenarterie eines 3,4 mR Embryo kleiner geworden und zwar deshalb, weil dieses Gef~it~ jetzt schw~icher durchblutet wird und mehr Blur auf dem kiirzeren Weg dutch die Anastomosen im2. und 3, Pharyngealbogen die paarigen Aorten erreicht. Die Gef~ifle des 2. und 3. Pharyngealbogens haben dadurch an Kaliber zugenommen. Das heiflt, daft jetzt vori~bergehend alle drei Anastornosen fast ein gleich grofles Lumen haben. Allein schon diese Differen- zierungen best~itigen unsere Auffassung, daft schon die friJhen Differenzierun- gen entwicklungsdynami.sche Differenzierungen darstellen (B 1 e c h s c h m i d t 1973). Wie bereits erw~ihnt, wachsen in die h~iutig vorgebildeten Pharyngeal- bSgen die ersten Hirnnerven ein. Sie folgen regelm~i~ig einer rneser~chymalen Leitstruktur. Was nun .speziell den N. V in der Kieferregion betrifft, .so ist in vorstehendem Zusanamenhang folgendes zu sagen. Bei den 2--3 mm groflen menschlichen Embryonen hat das Birmengewebe zwischen den Grenzgeweben der ganzen Obergesichtsregion regelm~iflig lokal ungleiche Dicke. Noch bevor die )~ste des N. V entstehen, sind regelm~iflig drei besonde~s dicke Me senchym- bezirke nachwei.sbar: im Raum zwischen Mittelhirn und Augenblase, sowie zwischen Augenblase und Mundspalte und zwischen Mundspalte und erster Cervicalkerbe. Diese drei dicken Mesenchymformationen sind Me~senchy.m, straflen. Sie konvergieren zum Entstehungsgebiet des N: V. Jede der Stra/~en bildet zu Anfang der 3. Entwicklungswoche jeweils die Leitstruktur fiir je einen der bekannten Haupt~iste des N. V. Auch diese Differenzierung in der Kieferregion ist wieder eine lagebedingte entwicklungsdynamische Differen- zierung, kein Zeichen dafiir, dan da.s menschliche Embryo i.n dieser Phase etwa ein Fisch sei. Bei Fischen sind die dynamischen Faktoren ihrer Entwicklung nicht untersucht und al.s Prinzip unbekannt.

Anhand der folgenden Abbildungen wollen wir die Strukturentwicklung im Inneren der PharyngealbSgen kennenlernen. Sie ist eine entwicldungskinetische Folge ihrer fri~hen Formentwicklung. (Allgemeines fiber den konstruktiven Zusammenhang yon Lage, Form und Struktur wurde schon fri~her wiederholt berichtet. Schrifttum: B 1 e c h s c h m i d t 1973,)

Hier wird nun die prinzipielle Feststellung wichtig, da~ Differenziertmgen Richtungen haben. In zahlreichen eigenen Untersuchungen (1961--1973) haben wir immer wieder gefunden, daf~ organische Differenzierunge~t regelm~f~ig Pro- zesse sind, die yon augen nach innen ablaufen.

Oberfl~ichlich finden wir regelm~t~ig vorangehende, weiter in der Tiefe nach- folgende Differenzierungen. Das gilt auch fiir die Differenzierungen der Pha- ryngealbSgen. Hier finden wir zuerst Differenzierungen in der Haut und da- na& erst in der Tiefe. Offenkundig ist die Skelettbildung entwicklungskinetisch streng yon der Haut gefiihrt; nicht umgekehrt. Nie finden wir, dat~ etwa die Mandibula zuerst ent.steht und dat~ dann nachher vielleicht zu ihrem Schutz die Haut in der Region des Untergesichts gebildet wird. ,,Regionalvergleichend" hat sich dieser Sachverhalt leicht als ein entwicklung~skineti.sches Prinzip nach-

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weisen lassen: So finden wir z. B, auch bei den Extremitaten den h~iutigen Ober- arm, den h~iutigen Unterarm, die h~iutige Hand, die h~iutigen Finger entstehen, bevor das Skelett des Oberarms, dann des Unterarms, dann d e r Hand und ,schliet~lich der Finger deutlich wird, Regelm~i~ig finde n wit die:Skelettierungen s t r eng lageabh~ingig t ief innen im Mesenchym entstehen, d. h. auf die Entwick- lungsbewegungen der Haut bezogen, konstruktiv yon ihr vorgezeichnet, durch die Haut wie yon einer Matrize geformt.

Abbildung 10. Schneider man unseren 3,1 mm Embryo in HShe des Vorder- kopfes quer (parallel zum unteren Bildrand der Abb. 3), so ergibt sich das Schnittbild Abb. 10. Das Neuralrohr ist vorn noch nicht geschlos,sen. Der Neu-

Abb. 10. HorizontaIschnitf in HShe der Augenregion des 3,1 mm Embry0: (Abb. 3). Linke Kopfh~ilfte. Die Wand des Sulcus opticus (linkerhand) ist um ein mehrfaches dicker als das Ektoderm der Augenanlage. 1 Neuralepithel des Diencephalon, 2 Eingang in die Augenblase (Sulcus opticus), 3 Neuroporus, 15 Gef~i~scheitel des Embryo, mit Blur gefiillt. Gef~it~wand

im Flachschnitt nicht deutlich, 4 :Grenze des Auges gegen den h~iutigen Oberkiefer:

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roporus steht noch breit of fen. )~hnlich wie der ganze Embryo durch Faltung entstanden ist, entstehen auch die weiteren Differenzierungen in der Gesichts- region zun~ichst dutch Faltungen. Diese bestehen ,seitlich v o m Neuroporus in folgenden Bildungen: in einem faltenf~Srmigen Hochrelief beidseits der Media-

Abb. 11i Parallelschnitt zu dem vorigen Querschnitf des 3,1 mm Embryo, Schr~gschnitt durch den Kopf in der Gesichtsregion. 1 Kopfentoderm fast quer, 2 V. capitis (noch immer Haupt- teil der V. cardinalis superior) mit Blut gef/illt, 3 linkes Atrium, 4 Cavum pericardii, 5 Peri- card, 6 Neuroporus sup., 7 frtihembryonaler Unterkiefer mit Aortenanastomose I (letztere schr~ig geschnitten), 9 Aorta dorsalis sinistra, 16 Ausfluf~bahrt des Herzens (Aorta ascendens

und A. pulmonalis noch nicht voneinander getrennt

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350 Fortschritte der Kieferorthop~idie 34 (1973) 337--358

nen, der Anlage des Diencephalon (Abb. 10 bei 1), einer faltenf6rmigen Ein- senkung (Augenblase, bei 2) und seitlich davon einer scharfkantigen Falten- bildung (Rand der Augenregion, unten in der Abb.). Die ganze Augenregion grenzt sich durch eine Furche ziemlich ,scharf gegen die friihembryonale Ober- kieferregion ab (Abb. 10, unterer Pfeil).

Der Verschlut~ des Neuroporus wird no~nalerweise bei Embryonen, die knapp eine H~he i~ber 2 mm haben, folgendermal~en komplett: das Ektoderm der Augenanlage wird diinner als das Neuralepithel. Der Di&enunters&ied ist am l~bergang dc.s Ektoderms in das Neuralepithel lateral am Sulcus opticus gut er- kennbar. Lateral am Sulcus hat das Gewebe eine Limitans ventriculaGs. Sie wird kr~ftiger als die antiventrikuI~r gelegene Limitans (Ba.salmembran). Die Limitans ventricularis hat geringeres Fl~chenwachstum al.s die angrenzende Schicht der ventrikulSren Mitosen. Mit dem ungleichen Fl~ichenwachstum rollt sich der Rand des Neuroporus zu Beginn der 4. Entwicklungswoche allm~ihlich ein und schlie~t den Ventrikelraum der Gehirnanlage (Ver~schluf~ des Neuro- porus sup. etwa am 25. Tag).

Abbildung 11. Schneiden wir unseren 3,1 mm hohen Embryo (tiefer als in Abb. :tO) im Bereich des !. Pharyngealbogen,s, dann treffen wir den 1. Pharyn- gealbogen nahezu 15ngs und finden folgende Verh~iltnisse. Hier sehen wir die h~iutige AnLage des Untergesichts (Zone 1--7) entspre&end unserer Abb. 3 -ZWiSCl~fi Ol~erk6pf u~d-Herz' eingeengt. In Abb. 11 ist dementsprechend das Cavum oris deutlich quer verbreitert (zellfreier Raum urn die Ziffer 13). Das Grenzgewebe des Pharyngealbogens ist dick. Unter dem Ektoderm ,stehen die Zetlen dicht aneinandergedr~ingt. Die Zellkerne sind bevorzugt peripherw~irts in Richtung zum Ektoderm und Pericard (oberhalb 4) geriickt. Dagegen haben die langen Cytoplasmaforts~itze der ,Zellk~rper" nahe dem Entoderm durch gestaute Interzellularsubstanz so weite Abst~inde voneinander bekommen, dat~ hier durch Einspro.ssen das erste Pharyngealbogengef~i~ hat entstehen k6nnen.

Regional vergleichend wissen wir, daf~ regelm~t~ig jeder Vaskularisation eine Gewebsvakuolisierung vorausgeht (196I und 1973), d. h. im vorliegenden Fail, dab die beschriebene Ansammlung von Interzellularsubstanz die prim~ire, da- gegen die Vaskularisation des Pharyngealbogens die na~chfolgende Differen- zierung ist. Das Stoffwechselfeld dieser Differenzierungen wird an anderer Stelle noch prinzipiell er6rtert (1974).

Abbildung 12. Die Lage, Form und Struktur der Pharyngealb6gen sind bei einem 4,2 mm gro~en menschli&en Embryo (etwa 28. Tag) deutlich konstruk- tiv zu.sammengeh6rig. Schneiden wir einen Embryo dieser Altersklasse sagittal, so finden wir im Bereich der Pharyngealb6gen das abgrenzende Gewebe (Ekto- derm und Entoderm) noch ~mmer dick, das unmittelbar anliegende Binnen- gewebe dicht und extrem interzellularsubstanzarm. Nahe dem Ektoderm und Entoderm stehen die dicken K6rper der Me.senchymzellen mit ihren L~ing,s- achsen noch im.mer vorwiegend senkre&t zum Grenzgewebe. Mitosen sind zahlreich, wenn auch nicht so zahlreich wie in Gebieten mit ventrikul~iren Mi- tosen. Die ASsimilation beim Wachstum der durch die Ze!lvermehrung ent- standenen Tochterzellen ist intensiv. Die Mesenchymzellen erreichen alsbald nach der Zellteilung wieder ihre ursprtingliche Gr/5t~e. Bevorzugte Assimila-

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E+ Blechschmidt, Entstehung des Unterkiefers 351

tionst~itigkeit des oberfl~i&lichen M e s o d e r m s in den Pha ryngea lb6gen ist da- nach sicher. N u r tief im Inneren der jetzt grSt~eren Pharyngealb/Sgen s ind nun st~irkere Aufhe l l unge n als Zeichen ges tauter In terze l lu larsubs tanz nachweisbar . Aber start eines einzigen Pharyngealbogengef~itges finden wir jetzt in den ~lte- ren Pha ryngea lb~gen aufgezweig te Gef~tgb~ischel. Im Querschni t t des P h a r y n - gealbogen.s I i s t jetzt, fast zen t ra l , die S t ruk tur ie rung ver~indert. Das gro~e Pharyngealbogengef~itg ist obliteriert , s o b a ! d mi t de r Ents tehung des Carot is- b z w . Aor t enbogens das Blut mi t dem L~ingenwachstum des Embryo fiber die paar igen 3+ und 4. Pha rynge a l b6ge n Kurzschl/isse zwischen der vent ra len und

Abb. 12. Embryo B l e c h s c h m i d t 4,2 ram, ca. 28 Tage, ca. 30 Somitenpaare, Ausschnitt aus einer Sagittalserie, medialer Teil des h~iutigen Untergesichts fast quer. 1 Mundeingang, 2 Cervicalkerbe zwischen Pharyngealbogen I u. II, 3 Eingang in die 1. Pharyngealtasche (an- geschnitten), 13 primitiver Gaumen, 14 Herzwulst, 15 eine der Venen im Pharyngealbogen I, 17 Schwann'sche Zellen yon V/3, 18 oberfl~chliche Schicht des Mesoderms mit vorwiegend senkrecht zum Ektoderm eingestellten Zellen, 19 II. Aortenanastomose schon unterbrochen

und in mehrere kapiltare Venen iibergehend

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357. Fortschritte der Kieferorthop~idie 34 (1973) 337--358

dorsalen Aorta zur Verfiigung hat. Mit der Ausschaltung des umwegig ge- wordenen 1. Anastomosenpaares wird regelrn~nig der 1. und bald dana& auch der 2. Pharyngealbogen nur noch yon Gef~nb~ischeln versorgt, die dem lokalen Stoffwechselgef~ille im Inneren der gronen ,,K6rper, spangen" entsprechen. Mit der Zunahme des ektodermalen Fl~ichenwachstums vergrSnert sich die Mas.se des Pharyngealbogens nach den beschriebenen Befunden appositionell. Dabei dr~ngen auch hier wieder die ZellkSrper der Mesenchymzellen zur Peripherie und sammeln sich dicht an der Basalraembran entlang dem Ektoderm. Auch dies ~st uns unter kineti.schen G~sichtspunkten gesehen nur so erkl~irlich, da~ in vivo das Ektoderm mit seinem lebendigen Stoffwechsel entwicklung.sdyna- misch wirl~sam i st. Wir sehen Anlan, hier zu erw~igen, da~ das Ektoderm sog~ihn- liche Wirkungen auf die Zellen des Mesenchyms ausfibt. H o I t f r e t e r hat 1939 tierexperimentell Anziehungskr~ifte zwischen Keimbl~ittern me.s.sen kbn- nen. Offensichtlich spielen schon in der Friihentwicklung des Kieferapparats wachstumsfunktionelle Faktoren s~mtlicher beteiligter Systeme bei dem leben- digen Differenzierungsgeschehen eine nicht unwesentliche Rolle. Sicher ist, dan die unterschiedlichen Gewebe nicht ~ihnlich wie BauklStze einzelne starre KSrper sind, ~so.ndern submikroskopisch dutch die Prozesse des lebendigen 5toffwech- sels miteinander zusammenh~ngen. Als Lebensiiunerungen betrachtet haben wir uns sowohl die Ers.cheinungsbilder der Zellgrenzen als auch der Gewebs- grenzen als ,Stoffwechsdfelder" mit lebhaften Permeationen vorzustellen (1973).

Ein Fortschritt der Differenzierung zeigt sich gegen Ende des 1. Entwicklungs- monats bei unserem 4,2 mm Embryo in folgendem: Das Binnengewebe bevor- zugt mit den Hauptachsen seiner Zellen 3 Hauptrichtungen: parallel zum grSn- ten Umfang des Pharyngealbogens, parallel zum klein.sten Umfang des Pha- ryngealbogerLs sowie senkrecht dazu, d. h. senkrecht zur Basalmembran am Epithel. Die erstgenannte Hauptrichtung zeigt das Mesenchym, das die Leit- struktur fiir die Pharyngealbogennerven bildet (Abb. 12 inneres Feld bei 19). Da finden wir vorwiegend spindelige Zellen quer getroffen. Die zweitgenannte Ausrichtung finden wir im Bereich der jungen Gliazellen (bei 17 in unserer Abb. 12). Die letztgenannte Richtung (,senkrecht zu.m Ektoderm) zeigt die friihe Coriumanlage (Zone bei 18).

Trotz dieser schon hohen Differenzierung fehlt noch immer jede Skelett- bildung. Sie beginnt erst w~ihrend der er~sten Tage des II. intrauterinen Ent- wicklungsmonats. Dann sieht man in den weitesten Ab,st~inden vom Grenz- gewebe, also tief innen im Binnengewebe, die bekannten Mesenchymverdich- tungen, die in vivo normalerweise allm~ihlich in Vorknorpel iibergehen. Hier erfolgt die Zellverdichtung kaum durch Zellvermehrung, vielmehr durch all- m~ihtich engeres Anei.nanderriicken der Zellen. Unsere Deutung ist, dan hier Abgabe yon Wasser, al, so tief innen Schwund (vorwiegend mit Dissimilatio- nen) stattfindet, im Gegensatz zum appositionellen mit Synthese verbundenen Wachstum (aunen).

Das Differenzierungsgeschehen ffihrt zu Strukturen, die denen in den h~iutigen Extremit~ite.nanlagen zum Verwechseln ~ihnlich seherf (1961, S. 469 und 1970, S. 106). Vergleichsuntersuchungen an embryo nalen Fingern haben

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ergeben, dan hier dieselben Differenzierungsregeln gelten, die wir auch sonst bei den friihen Skelettbildungen fanden. Ebenso wie ein Fingerskelett w~chst das Skelett des 1. Pharyngealboger~s (der Meckelsche Knorpel) nach erfolgter Mesenchymverdichtung ungleichm~i~ig. Nur im Inneren der Meserrchymver- dichtungen entsteht der eigentliche Vorknorpel, Dieser geht im Verlauf einer langen heute bekannten ,Funktionsentwicktung" erst allm~hlich zur Knorpel- bildung iiber, Auch hier sind wieder r~iumlich geordnete Stoffwechselbewegun- gen leicht morphologisch ersch!ie~bar (1961, 1973). W i t kSnnen an dieser Stelle nicht darauf eingehen. Die bier entwicklungsfunktionell gi~ltigen Regeln sind allgemein in der gesamten Skelettdifferenzierung nachweisbar (1974).

Abb. 13. Kopfregion eines 5 mm gro~en menschIichen Embryo (Orig.). 1 Auge, 20ber- kieferregion, 3 laterale Unterkieferregion, 4 mediale Unterkieferregion, 5 lateraler Abschnitt

des Hyoidbogens, 6 Epicard des linken Ventrikels. Wand des Herzwulstas gefenstert

Die genannten Entwicklungsbewegungen fiihren dazu, dat~ der rechte u~nd linke Meckel~sche Knorpel in dem dicken ~iltesten Teil des 1. Pharyngealbogens ent, steht und von da allm~hlich distalw~ir~s sich weiterentwickelt. Beide Me&el- schen Knorpel wachsen bekanntlich in der Kinngegend aufeinander zu. DorsaI gehen die Anlagen des Unterkieferskeletts zunachst kontinuierlich in die vor- knorplige Sch~delbasis iiber. Erst nachtr~iglich entstehen hier ,,Wachstums- artikulationen". Diese fi~hren zur Entstehung der GehSrkniSchelchen. Auch alle diese Differenzierungen haben wir, was ihre Dynamik betrifft, wieder als eine ,Funktion" der Lage und der Gr6~e der Differenzierungsgebiete anzusehen.

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Abbildung 13. Dutch die beschriebenen Entwicklung~sbewegungen werden mit dem zunehmenden L~ngenwach.stum des Neuralrohrs u.nd dem Kurzbleiben der Aorten die Proportionen des GesichtS des jungen Embryo bestimmt. Bei einem 5 mm Embryo liegt der Scheitel des Embryo am Mittelhirn noch hoch iJber dem Mund. Der Kopf ist in der Augen- und Mundgegend relativ breit. Die Augen- blasen sind das erste Lateralhirn, das au.s hemi, sph~ren~ihnlichen Blindsacken des Vorderhirns bestehL~Da der Kopf mit der KrLimmung des Embryo noch eng auf dem Herzwul.st ruht, ist das Gesicht im Bereich der Ober- und Unterkiefer- anlage zun~ichst noch nicht hoch. Das L~ngerwerd~n des Gesichts erfolg~ erst mit der Sp~tentwicklung. Die.s zeigen nun die letzten Abbitdungen.

Abbildungen 14"17. Die weitere Organdifferenzierung h~ngt entwicklungs~ kinetisch auch i.m II. Entwicklungsmonat wieder von den jeweil~s gegebenen Lagebedingungen ab. W~ihrend in den ersten Tagen des II. Entwicklungsmonats der Kopf eLnes 8,8 mm Embryo (Abb. 14) entlang dem Kopfteil der Aorten noch eng gekriimmt ist, und der Hauptteil des Gesichts; yon der sti~n verde&t,

Abb. 14. Kopf eines 8,8 mm Embryo (Orig.); 1 linke Nasengrube. Unter de r rechten Nasen- grube zwei normale Einziehungen des Ektbderms (An!agen des Ductus nasolacrimalis und der Lippenfurche~ letztere in patho.logiSchen Fallen En~stehungsgeb~et einer Hasenscharte). Im Oberlippen-Nasenbereich drei typische Hochreliefs" Oberkieferwulst, lateraler und me- dialer ,Nasenwuls~". Zwischen dem Augenbecher und Grot~h~rn ist das Mesenchym strang- artig eingeengt und gestrafft: Durch die Straffung ist die H~ut in Form der Nasengrube retiniert (M. B I e Ch s c h i d t , 1974): In H~he (2) Auge. Bei (H) Herzwulst entfernt

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E. Blechschmidt, Entstehung des Unterkiefers 355

Abb. 15. Kopf eines 25,5 mm Embryo (Orig.). Noch kurzes Gesicht. Kinn noch zuriickstehend

Abb,: 16. Kieferskelett eines 29 mm Embryo. Noch hochstehende Halseingeweide (aus B 1 e c h s c h m i d t , 1973). 21 knorpliges Unterkieferskelett (Meckelscher Knorpel). Am Verweisungspunkt (21) kn6chernes Unterkieferskelett (mentum osseum) abpr~ipariert. Dicht fiber der Squama occipitalis bei 1 Cerebellum (Recessus lat. des IV. Ventrikels gefenstert), 2 Perichondrium des knorpligen Incus, 3 A. vertebralis, Ubergang der knorpligen Sch~idel- basis in das Cornu minus des Hyoid (Perichondrium entfernt), 4 knorplige WirbelbSgen; N. sympathicus; A. carotis int.; Schildknorpel mit Schilddriise, 5 knorpliges Skelett des Obergesichts (laterale Nasenwand), 6 Zahnfleisch der Ober- und Unterkieferregion, 7 Dien-

cephalon mit Opticus und Hypophyse

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356 Fortschritte der Kieferortho~p~idie 34 (1973) 337--358

zwischen Stirn und Herzwulst entwicklungsdynamisch breitgequetscht wird, richtet sich im weiteren Verlauf dens [I. Entwicklungsmonats der Embryo mehr und mehr auf. W~ihrend nun einersei~s das Gehirn, bezogen auf die Eingeweide, aszendiert (Aszensus des Gehirns, Abbildungen in IMAGE, 1972), riickt ande- rerseits im Vergleich zu dem intensiv exzentrisch wachsenden Gehirn der Mundboden mit dem Herzen abwarts (De,szensus der Eingeweide im Verglei& zum Gehirn). In dem neuen entwicklung~sdynamischen Stoffwechselfeld zwi- schen dem aszendierenden Gehirn und den deszendierenden Eingeweiden, i. bes. dem deszendierenden Herzen, findet das wachsende Gesicht nunanehr Platz und entwicklungsdynamisch Veranlassung; si.ch aus einem Breitge.sicht zu dem typi.sch menschlichen Langgesicht zu entwickeln (Abb. 13 und 17). Im

Abb. 17. Kopf eines 43 mm grogen Fetus (Orig}nal). Jetzt l~ngliches GeMcht. Gehirn aszen- diert. Eingeweide deszendiert

Rahmen dieser Gesichtsbildung wachsen die knorpligen Anlagen sowohl des Meckelschen Knorpels als auch der N~senkapsel appositionell caudalw~irts mit (Abb. 16). Die Verl~ingerung des Gesichts erfolgt zwischen dem vorderen Ende der Falx cerebri und dem Zungenbein (B 1 e c h s c h m i d t , 1970, I).

Erst im III. E,ntwicklung~monat ent.steht Jn der Zone des anf~nglich noch fIiet~enden Ubergangs zwischen der knorpligen Sch~idelbasis und dem Meckel- schen Knorpel mit der Senkung des Hyoids und des an ihm befestigten Mund-

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b o d e n s irn Ve r l au f des Deszensus de r E ingeweide e ine , W a c h s t u m s f r a k t u r " jewefls an de r W u r z e l des r e & t e n u n d l i nken Mecke lschen Knorpe l s , D a m i t e n t s t e h e n die l o k a l e n D i f f e r e n z i e r u n g e n im Bereich des K i e f e r g e l e n k s u n d der GehSrkaSche lchen . Auch diese D i f f e r e n z i e r u n g e n s ind entwicklung.sk iae t~s& u n d d a m i t e n t w i c k l u n g s d y n a m i s c h w i e d e r von ih ren R a h m e n b e d i n g u n g e n , d. h. v o n den v o r a n g e h e n d e n ~iul~eren D i f f e r e n z i e r u n g e n abh~ingig. Auch sie s ind ( en twick lungsk ine t i sch gesehen) n u r ein k l e ine r Bes tand te i l de r e inhei t l i - chen E n t w i c k l u n g s b e w e g u n g e n des g a n z e n mensch l ichen E mbryo . Sie sinct ke ine D i f f e r e n z i e r u n g e n y o n innen her , e twa nach e inem s t a r r v o r g e g e b e n e n M u s t e r , s o n d e r n ,schrittwe~se e n t s t e h e n d e D i f f e r e n z i e r u n g e n u n t e r .st~ndig s i & ~ n d e r n d e n R a n d b e d i n g u n g e n . Nicht n a c h w e i s b a r is t auch die W u n d e r a r z n e i , d ie viele Spez ia l i s t en so ge rn nach A r t e ines ve rme in t l i chen , I n d u k t o r s " als e ine k r i s t a l l i s i e rba re S u b s t a n z i so l i e ren mSchten. Solche P a t e n t l S s u n g e n ha t sich die N a t u r nicht ffir den na t f i r l i chea A b l a u f de r schr i t twe ise e r f o l g e n d e n P ro - zesse de r D i f f e r e n z i e r u n g erdacht .

Zusammenfassung

In Fortsetzung vorangegangener Untersuchungen (B I e c h s c h m i d t , 1961) wird die Faltung des menschlichen Embryo beschrieben, die zur Entstehung der h~utigen Kopf- und Kieferanlagen fiihrt.

Zu Beginn der 4. Entwicklungswoche finden wir bei ca. 3 mm grot~en menschlichen Em- bryonen das Gehirn als den Hauptgestaltungsapparat des Kopfes gekrtimmt. Die Kriim- mung ist ein Zeichen des st~rkeren Liingenwachstums des intensiv Nahrung assimilierenden Neuralrohrs gegeniiber den Nahrung liefernden Aortenanlagen. Im Rahmen der Krtimmung knicken sich die Hauptteile des Gesichts in Form der Augen-, Oberkiefer- und Unterkiefer- anlagen scharf gegeneinander ab. Die Knickungen haben verschiedene Knickungsachsen.

Die drei gro~en embryonalen Gesichtsteile (Auge, Oberkiefer und Unterkieferanlage) haben in st~indigem konstruktiven Zusammenhang eine Strukturentwicklung, die auf ge- setzmat~ige submikroskopische Stoffwechselbewegungen schliet~en l~f~t. Es gibt Gr~inde zu der Annahme, dab das Mesenchym regelm~it~ig im Dienst der Ern~ihrung des formbildenden Ektoderms steht. Diese Beziehungen sind abh~ngig yon der Ausrichtung der Zellgrenzen, d. h. abhangig vonder Struktur des Ektoderms. Dieses bildet im Bereich der Hoch- und Tief- reliefs divergentes bzw. konvergentes Keilepithel. Ausfiihrliche Mitteilungen hierzu mit weiteren Originalabbildungen bei B 1 e c h s c h m i d t , E. ,,Die pr~inatalen Organsysteme des Menschen", Hippokrates, Stuttgart, 1973.

Summary

As a continuation of previous investigations (B 1 e c h s c h m i d t , 1961), the folding of the human embryo, which leads to the establishment of the dermal head and jaw anlagen, is described.

At the beginning of the 4 th week of development (human embryos of approx. 3 mm) the brain, which is the main forming apparatus, has become bent. The bending is an indication of the greater increase in length of the neural tube in comparison with the nutriment-sup- plying early aortae. In accordance with the bending of the brain, the main parts of the early face become sharply bent against one another, forming the anlagen of the eyes and the upper and lower jaws. The axes of bending are different:

A constructive relationship exists between the three large parts of the embryonic face (the anlagen of the eyes, upper and lower jaws) in such a way that it may be concluded that their development is a result of regular metabolic movements. There are reasons to believe that the mesenchyme supports the ectoderm (forming apparatus) by supplying nourishment.

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3 5 8 Fortschr i t te der Kie fe ro r thop~die 34 (1973) 337--358

T h e s e r e l a t i onsh ips are d e p e n d e n t on the a l i g n m e n t of the cell l imi t ing m e m b r a n e s , i. e. on the s t ruc tu re of the ec toderm. T h e la t te r ha s d ive rgen t a n d conve rgen t w e d g e ep i the l ia in the a reas of the h i g h a n d deep rel iefs respect ively .

For imore de ta i l ed i n f o r m a t i o n a n d or ig inal f igures s e e B i e c h s c h m i d t E.: "The p r ena t a l o rgan s y s t e m s of m a n " , Hippoktates , i S tu t t ga r t , 1973

R4sum6

A la sui te de p r6c6den te s recherches (B 1 e c h s c h m i d t , 1961) l ' au t eu r d6crit la cour- bu re de l ' e m b r y o n h u m a i n qui condui t ~ la f o r m a t i o n de la t~te et des maxi l la i res . A u d6but de la 4c semaine , chez des e m b r y o n s h u m a i n s d ' e n v i r o n 3 ram, n o u s e s t i m o n s Ie ce rveau ~tre l ' appare i I essent ie l p o u r la f o r m a t i o n de la t~te d6j~ courb~e~ La courbure es t le s igne d ' u n e p lu s for te c ro i ssance en l o n g u e u r au n i veau du cana l n e u r a l qui ass imi le a c t i v e m e n t de la n o u r r i t u r e q u ' a u n i v e a u de l ' aor te qui la fourni t . A u cours de cette courbure , les pr inc ipa les pa r t i e s de la face, soit les yeux , les max i l l a i i e s sup6r i eu r et in f6r ieur c o n v e r g e n t f o r t e m e n t les u n e s envers les au t res . O n no te diff.6rents axes de courbure .

Le s t ro is g r andes par t i es e m b r y o n n a i r e s de la face (yeux et zones f o r m a t i v e s des maxi l - laires) on t des re la t ions p e r m a n e n t e s d a n s le d 6 v e l o p p e m e n t de leur s t ruc tu re qui s u p p o s e n t des m 6 t a b o l i s m e s s u b m i c r o s c o p i q u e s r6gul iers . II y a des r a i sons de croire que le m 6 s e n c h y m e con t r ibue h a l i m e n t e r l ' e c tode rme en for- ma t i on . Ces re la t ions d6penden t de l ' a l i g n e m e n t des cel lules p6r iph6r iques , c ' es t ~ dire de la s t r uc tu r e de l ' ec toderme. Celui-ci fo rme en p r o f o n d e u r ou en su r face des pouss6es 6pith6- l imes soit convergen tes , soi t d ivergen tes . Pour de p lus amp le s r e n s e i g n e m e n t s et les i l lus t ra- t ions or ig inales , Cf. B 1 e c h s c h m i d t E. , D i e p r~na t a l en O r g a n s y s t e m s des Mensctxen", H i p p o k r a t e s , S tu t tgar t , 1973.

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Anschr . d. Verf . : Prof . Dr. E. B I e e h s:c h m i d t , D i r e k t o r des A n a t o - m i schen Ins t i tu t s der Universit~it GSt t ingen , Kreuz - be rg r i ng 36.