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137 Die hellen Strahlensysteme des Mondes, geologish gedeutet Von R. SCHWINNER, Graz Eingegangen 1943 Juni IZ Es wird versucht, die hellen Strahleneysteme des Mondes - im Einklang mit geologischen Erfahrungen Um die Oberfkichenformen des Mondes zu deuten, ist das naheliegendste Hilfsmittel der Vergleich mit denen dq Erde, wobei allerdings die groDe Verschiedenheit der physikalischen Bedingungen und geocheniischen GrundIagen entsprechend in Rechnung zu stellen ist. Das mag rechtfertigen, wenn wir uns hier - wie ubrigens schon andere Geologen fruher getan haben - mit einer der auffalligsten Erscheinungen der Mondoberfhche beschaftigen wollen, namlich mit den sogenannten sHellen Strahlen-Systemencc, und die Annahme der Erwgung und Nachprufung anempfehlen: die hellen Strahlensysteme des Mondes entsprechen dem Ausgehenden von Pegmatit-Gangen. Peg mat ite sind Ganggesteine aus dem Granitgefolge, die hauptechlich aus groDen Kri- stallen von Quarz und Feldspat bestehen, daneben enthalten sie meistens groBe Tafeln von Glimmer (aller Nutzglimmer wird aus solchen Gesteinen gewonnen), und zwar uberwiegt da das Vorkommen von weiBem Kaliglimmer (Muskovit). Unter Gang versteht man die Fullung einer im Felsgerust der Erdkruste aufgerissenen Spalte. 1st diese Spalte ebenflgchig und lotrecht (was auf Erden das haufigste ist), so erscheint ihr AusbiB auf der Kugel als groDter Kreis, ferner ist an der Linie eines solchen lotrechten Scbnittes Berg und Tal nicht als Ablenkung zu spiiren -was beides fur die hellen Strahlen auch meist zutrifft. Abweichungen von dieser Normallage - nicht ganz steiles Einfallen, Krummung oder Knickung dw Scherflache sind aber auf Erden nicht selten, und konnen daher am Monde auch nicht verwundern. Das Harte Gestein einer solchen Ganzfiillung mag an der Mondoberflache ursprunglich wie eine Mauer aufgeragt haben (wie unsere vielen $Teufelsmauerncc usw.), ist aber mit der Zeit zer- stort worden. Die allmonatliche Temperaturschwankung von 200' bis 300' an der Mondober&che kann ein gemengtes Gestein nicht aushalten, die verschiedene Ausdehdung reiBt die Korner aus- einander, aus ihrem Zusammenhang') und laBt das Gestein zerbrockeln. Schon in irdischen Wusten wird beobachtet, daD die Erhitzung - die dort doch vie1 geringer ist als am Mond - Steine zersprengt. Die abgesprengten Kristallstticke wandern abwiirts und von der Mauer weg, solange das Gefiille es ermogIicht. Derart legt sich an die Mauer auf beiden Siten eine stets wachsende Schutthalde, bis sie die Mauerkrone erreicht : dann bteiben die weiter locker werdenden Korner oben liegen und schutzen den tieferen Fels vor weiterer Zerstorung: die Felsmauer ist in einen Schutt- und Sandrucken umgewandelt, dessen Boschung - wenn man die Jahrmilliarden bedenkt, in denen Erwtirmung und Abkiihlung allmonatlich ihre Schubkrafte ansetzen - recht flach sein muD. Daher ist ein riiumliches Abheben de r Strahlen fast nicht zu bemerken, aber im 2.5 m-Reflektor des Mt. Wilson ist doch ein geringer Schattenwurf bei niedrigem Sonnenstande erkannt worden (K. Graff: Astrophysik 1928, S. 41). Bei diesem Abbrijckeln und Abrutschen des Schuttes werden die mehr kugeligen Mineralkorner (und die sie begrenzenden Spaltflichen) alle Raumlagen' etwa gleich haufig einnehmen, die Platten und Tafeln der Glimmer werden da- gegen vorwiegend flach, mit geringer Neigung gegen die Oberfliiche geschichtet sein. Das erklart die optische Besonderheit der Strahlen. Pegmatit ist an und fur sich schon lichter als der l) Auadehnungskoeffizienten der Pegmatitmineralien: Quarz parallel zur Achse 0.0000078, normal dazu o.oooo14; Orthoklee nach den drei Achsen: o.oooorg, -0.0oooo20, -0.ooooo15 (a. b. Kontraktion bei Erwkmen, nach zwei Achsenl) auf der Erdoberflxche - als Pegmatitghge in tektonischen Spalten zu erklken. Astron. NPchr. Bd. 174 18

Die hellen Strahlensysteme des Mondes, geologisch gedeutet

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Die hellen Strahlensysteme des Mondes, geologish gedeutet Von R. SCHWINNER, Graz

Eingegangen 1943 Juni IZ

Es wird versucht, die hellen Strahleneysteme des Mondes - im Einklang mit geologischen Erfahrungen

Um die Oberfkichenformen des Mondes zu deuten, ist das naheliegendste Hilfsmittel der Vergleich mit denen d q Erde, wobei allerdings die groDe Verschiedenheit der physikalischen Bedingungen und geocheniischen GrundIagen entsprechend in Rechnung zu stellen ist. Das mag rechtfertigen, wenn wir uns hier - wie ubrigens schon andere Geologen fruher getan haben - mit einer der auffalligsten Erscheinungen der Mondoberfhche beschaftigen wollen, namlich mit den sogenannten sHellen Strahlen-Systemencc, und die Annahme der Erwgung und Nachprufung anempfehlen: die hellen S t r ah lensys t eme des Mondes en t sp rechen dem Ausgehenden von Pegmat i t -Gangen.

Peg m a t i t e sind Ganggesteine aus dem Granitgefolge, die hauptechlich aus groDen Kri- stallen von Quarz und Feldspat bestehen, daneben enthalten sie meistens groBe Tafeln von Glimmer (aller Nutzglimmer wird aus solchen Gesteinen gewonnen), und zwar uberwiegt da das Vorkommen von weiBem Kaliglimmer (Muskovit). Unter Gang versteht man die Fullung einer im Felsgerust der Erdkruste aufgerissenen Spalte. 1st diese Spalte ebenflgchig und lotrecht (was auf Erden das haufigste ist), so erscheint ihr AusbiB auf der Kugel als groDter Kreis, ferner ist an der Linie eines solchen lotrechten Scbnittes Berg und Tal nicht als Ablenkung zu spiiren -was beides fur die hellen Strahlen auch meist zutrifft. Abweichungen von dieser Normallage - nicht ganz steiles Einfallen, Krummung oder Knickung dw Scherflache sind aber auf Erden nicht selten, und konnen daher am Monde auch nicht verwundern.

Das Harte Gestein einer solchen Ganzfiillung mag an der Mondoberflache ursprunglich wie eine Mauer aufgeragt haben (wie unsere vielen $Teufelsmauerncc usw.), ist aber mit der Zeit zer- stort worden. Die allmonatliche Temperaturschwankung von 200' bis 300' an der Mondober&che kann ein gemengtes Gestein nicht aushalten, die verschiedene Ausdehdung reiBt die Korner aus- einander, aus ihrem Zusammenhang') und laBt das Gestein zerbrockeln. Schon in irdischen Wusten wird beobachtet, daD die Erhitzung - die dort doch vie1 geringer ist als am Mond - Steine zersprengt. Die abgesprengten Kristallstticke wandern abwiirts und von der Mauer weg, solange das Gefiille es ermogIicht. Derart legt sich an die Mauer auf beiden S i t en eine stets wachsende Schutthalde, bis sie die Mauerkrone erreicht : dann bteiben die weiter locker werdenden Korner oben liegen und schutzen den tieferen Fels vor weiterer Zerstorung: die Fe l smauer i s t i n e inen S c h u t t - u n d Sandrucken umgewandel t , dessen Boschung - wenn man die Jahrmilliarden bedenkt, in denen Erwtirmung und Abkiihlung allmonatlich ihre Schubkrafte ansetzen - recht flach sein muD. Daher ist ein riiumliches Abheben de r Strahlen fast nicht zu bemerken, aber im 2.5 m-Reflektor des Mt. Wilson ist doch ein geringer Schattenwurf bei niedrigem Sonnenstande erkannt worden (K. Graff : Astrophysik 1928, S. 41). Bei diesem Abbrijckeln und Abrutschen des Schuttes werden die mehr kugeligen Mineralkorner (und die sie begrenzenden Spaltflichen) alle Raumlagen' etwa gleich haufig einnehmen, die Platten und Tafeln der Glimmer werden da- gegen vorwiegend flach, mit geringer Neigung gegen die Oberfliiche geschichtet sein. Das erklart die op t i sche Besonderhei t der S t rah len . Pegmatit ist an und fur sich schon lichter als der

l) Auadehnungskoeffizienten der Pegmatitmineralien: Quarz parallel zur Achse 0.0000078, normal dazu o.oooo14; Orthoklee nach den drei Achsen: o.oooorg, -0.0oooo20, -0.ooooo15 (a. b. Kontraktion bei Erwkmen, nach zwei Achsenl)

auf der Erdoberflxche - als Pegmatitghge in tektonischen Spalten zu erklken.

Astron. NPchr. Bd. 174 18

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Durchschnitt des sonstigen Gesteinesl), geradezu herausleuchtend erscheinen die Streifen, sobald die Spiegelung a n den Glimmern ins Spiel kommt, und das ist - wegen der meist flachen Lagerung der Blattchen im Schutt - nur bei hohem Sonnenstande, um Vollmond herum, in groBe- rem MaRe der Fall.

1st es aber nicht vielleicht bedenklich, ein so re ichl iches Vorkommen von Pegmat i t auf dem Monde anzunehmen, reichlicher anscheinend als auf der Erde ? Pegmatit entsteht aus der sauersten Restschmelze, nach Erstarren des Hauptteiles des Magma. Da der Mond im Gesamt- bestand vie1 sauerer ist als die Erde - was, von allen Theorien abgesehen, unmittelbar die Be- obachtungen uber Dichte und Polarisationswinkel an der Ober&iche bezeugen - so ist nicht un- wahrscheinlich, daB auch der sauerste Rest verhaltnismaBig mehr ausmacht. Auch ist beim Ver- gleich zu beachten, daR auf der Erde vieles von den alteren Pegmatitforderungen wegen Uberdeckung mit Schichtgesteinen -was am Monde fehlt - nicht an der Oberflache zur Geltung kommt, wenig- stens nicht als Gang.

Die hellen Strahlen sind meist klar an gewisse Mandkra te r a l s Mi t t e lpunk te von Biisc heln gebunden. Wie man nun die Entstehung dieser Krater sich vorstellen mag (abgesehen von der wenig wahrscheinlichen Meteoritenhypothese), so erscheinen sie als Zent ren der mag- mat i schen Akt iv i t a t . Es ist verstandlich, daB von solchen Zentren aus Spalten aufgerissen und mit magmatischen Ablegern gefullt werden. DaB nur ein (kleiner) Teil der Krater ein solches Ganggefolge erkennen liiRt, entspricht der Erfahrung, dal3 von den entsprechenden magmatischen Zentren auf der Erde (Massive) nur ein Teil ein Pegmatitgefolge hat, oder ein sehr geringes, das nur etliche hundert Meter reicht, oder auch Pegmatite ohne Glimmer. Das Vorkommen solcher Strahlensysteme auf dem sudlichen Hochlande (Tycho, Furnerius, Stevinus usw.), sowie auf dem nordlichen (Ana xagoras, Thales usw.) entspricht ganz dem der Pegmatite im Grundgebirge unserer ))Alten Schildecc. Allerdings, daB eine grol3e starke Gruppe (Kopernikus, Kepler, Aristarch usw.) gerade in der tiefsten Grube des Mondreliefs drinsteckt, bedarf noch der Erdrterung. So wenig wir von den entsprechenden Tiefgebieten der Erde direkt wissen: daR etwa ahnlich urn Hawai in den Tiefen verborgen ein Strahlensystem von Pegmatitgangen lage, ware nach den heutigen geologischen Anschauungen auszuschlieflen. Aber nach eben diesen Anschauungen liegt dort im StilIen Ozean basisches Sima bloB. Dafur gibt es am Mond keine Parallele, gerade die ,mariaci sind nach ihrer Polarisation unmittelbar als ziemlich saueres ErguBgestein bestimmt, weitab von dem sehr basischen Hawai-Basalt .

Die Anordnung der Strahlen auf der Mondkarte stimmt ohne weiteres zu unseren Begriffen yon Br uch tek t onik, besonders die einander in engmaschigem Netz durchdringenden Gruppen. h’ur daB am Monde die Gangkliifte verhaltnismaBig sehr lang sind. Allerdings haben wir auch auf der Erde ganz ansehnliche Ganglangen: der Great Dyke von Khodesien ist 480 km lang, und auch unser Bayerischer Pfahl - der iibrigens, wenn abgedeckt, einen recht schiinen weil3en Strich auf dem Planetenbild gabe -hat gut 140 km. Aber solche Gange sind auf E d e n nicht so haufig und nicht in ahnlichen Gruppen zu finden wie am Mond. Fur diesen Unterschied mag die groBe T’erschiedenheit in Schwere, Chemismus, Gebirgsbau usw. als zureichende Erkl&ung gelten. Die Bre i t e nimmt bei Gangen vom magmatischen Zentrum weg irn allgemeinen ab, und sie spitzen distal aus. Die Breite der Strahlen ist aber nicht bloD von der Machtigkeit des Ganges bestimmt, es ist die Breite;bis zu der der Zerbrockelungsschutt unter Schwere und Schub der stoBweiBen Erwarmung auseinandergekrochen ist ; sie vPird auch von der Hohe der urspriinglichen Aufragung bestimmt. Das e r k k t leicht Schwankungen in der Breite und unscharfe Begrenzung. Wenn bei einigen Systemen die Strahlen n ich t ganz b is z u m Zen t rum durchziehen (hi Tycho wird 60 km als dunkler Ring angegeben) so liegt die Vermutung nahe, d a B nach der Bildung der Gange von diesen Kratern aus nochmals basisches Material gefordert worden ist - fur solche eRekurrenzencc in der Magmafolge haben wir geniigend irdische Beispiele - und daL3 dieses in der Nahe des Kraters die Pegmatite uberdeckt hat.

1) Wenn J. Franz (Der Mond. 1912, S. 89) gegen Bhnliche Gedankengfmge einwendet: *Lava sieht auch schwarz und nicht weil3 aus, wenigstens auf Erdem, so ist das nur fur den augeablicklichen Erdzustand annehmbar. In der Gesamtheit der in geologischer Zeit geforderten Gangftillungen sind die lichten (saureren, d. i. SO,-reichen) Gesteine (granitische und porphyrische Ganggesteine. Aplite, Pegmatite, hydrothermaler Quarz) Mar und stark in der Mehrheit, und ftir den als Ganzes saureren Mond ist das ebenfalle zu marten.

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Die hiermit umrissene Hypothese e r k l a r t ohne Zwang alle Beobachtungen und Fest- stellungen, welche man an den hellen Strahlensystemen des Mondes gemacht hat, und setzt diese in Vergleich mit wohlhekannten Erscheinungen aus der Geologie der Erde. Auch in die theoretischen Gedankengange iiber Zusammensetzung, Aufbau und Entwcklung des Mondes diirfte si& diese Vorstellung ohne weiteres embaBen I t r s m . Dana& darf mas wold die Astronomen auffordern, zur wei te ren Pri i fung den Aufwand bexmderer Unfersurtmqmn zu riskieren, photometrisch und besonders gurch Untersuchung der Polarisation des reflektierten Lichtes. Dafiir wird sich als nutzlich erweisen, daD die optischen Eigenschaften von 'Muskovit (Brechungsexponenten 1.562, 1.595, 1.603) betrachtlich abweichen von denen vtdkankchen Glases (Obsidian: n p 1.5), was im Polarisationswinkel (tg @ = 42) bis an 2' ausmachen kiirtnte.

IS*