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Die Krankheiten der Zwischenwirbelscheiben. Veil Dr. Ernst Lyon-KOln. (Ein, gegan,gen, am 14. Ja~zuar 1928.) Die Wirbels~mle ist ans ziemiieh flt~ehen Knoehenblfcken und kompliziert gebauten knorpelartigen Zwisehenwirbelseheiben zusa.mmengeset.zt und dutch kr~iftige :Bandverbindungen gehalten. Dnreh diese Bauart ist vet allem eiae hohe Elastizit.~it erreiehb, welehe weir grfger als die des Knoehens ist. Die Zwischenwirbe|seheiben erm6gliehen ausgiebige Biegung der Kfrpersimte. Sic bestehen naeh Sehmorl aus drei histologiseh und funktionell verschiedenen _amteilen : dem nach ~mBen gelegeuen Fa.serknorpelring, dent im hmern gelegenen Nucleus pulposus und einer dfinnen Knorpelplatto. Der empfindliehste Tell der J3andseheibe ist der Nucleus pulposus, ein Rest der Chorda, welche zu einem halbfliissigen Gewebe weiter entwiekelt, ist, Auf ihm ruht. der Wirbelkfrper wie auf einem Was~serkissen; die eigentliehe Last wird dureh die besondere Liege des Nucleus pulposus in den einzelnen Wirbelsiiulentei|en gletchndil3ig anf den F,~serknorpelring ttm den Nucleus pulposus herum verteilt...Die Fasern sind in fast konzentriseher L~ge angeordnet, und kreuzen sieh. Die Zwischen- substanz zwischen den Fasern fist, Knorpelgrundsubstanz. Diese ist widerst.ands- f/ihiger gegen Druck als Bindegewebe. Gegen den Knoehen gehb sie in die diinne hyaline Knorpelscheibe fiber (s. Braus). Naeh Sehmort ist die Band- seheibe gef~iglos und kann nur dutch Diffusionsstrfme yon der Spongiost~ des Knochens her ernS~hrt werden. Die,Zwisehen'~-irbelseheiben ent.wiekeln sieh aus dem Mesenehym-Corda-Skelet in a.naloger Weise wie (lie Gelenke. Der Nucleus pulposus stellt eine Art rudimentim~r GelenMtf}fle d~r und kann gleiehsam als deren G ele1~ksehmiere aufgefagt werden (L u s e h k a, S e h a f f er). Die Sehlu 13platte, der l[Jberrest der hyalinen Knorpel,~nlage ist dem Gelenkknorpel gleichzuaehten. Von besondcrem Int.erer, se sind die neuen pM.hologisch-anatomiseken Forschmlgen, welehe die Bedeutung der Zwisehenwirbekseheiben fiir viele Krankheiten der Wirbelsi~ule erwiesen haben (z. B. Hueek, Schmort). Es ist erstaunlich, wie wenig tier Versueh gemacht win'de, die Klinik dieser Krank- heiten dureh diese neuell Erkenntnisse zu vertiefen. Die Krtmldmiten sind weir h/itffiger als man bisher annahm; nach Schmorl sind im hfheren Alter 100~ der WirbelsSulen krank. Die Bandseheiben sind dabei am h/iufigst.en betroffen. Bei den Krankheiten der Zwisehenwirbekseheiben spielen prim//~r meisg Degene- ration, dureh die verschiedensteJt Ursaehen bedin~, eine golle; ferner grebe Verletzungen, Bei den sekund[ia~n Krankheigen der Bandseheiben kommen Irdektions- und andere Krankheiten und Vertetzungen in Bet.racht, die die Wirbelkfrper primer gesch'Sdi~ haben.

Die Krankheiten der Zwischenwirbelscheiben

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Die Krankheiten der Zwischenwirbelscheiben.

Veil

Dr. E r n s t Lyon-KOln .

(Ein, gegan,gen, am 14. Ja~zuar 1928.)

Die Wirbels~mle ist ans ziemiieh flt~ehen Knoehenblfcken und kompliziert gebauten knorpelartigen Zwisehenwirbelseheiben zusa.mmengeset.zt und dutch kr~iftige :Bandverbindungen gehalten. Dnreh diese Bauart ist vet allem eiae hohe Elastizit.~it erreiehb, welehe weir grfger als die des Knoehens ist. Die Zwischenwirbe|seheiben erm6gliehen ausgiebige Biegung der Kfrpersimte. Sic bestehen naeh S e h m o r l aus drei histologiseh und funktionell verschiedenen _amteilen : dem nach ~mBen gelegeuen Fa.serknorpelring, dent im hmern gelegenen Nucleus pulposus und einer dfinnen Knorpelplatto. Der empfindliehste Tell der J3andseheibe ist der Nucleus pulposus, ein Rest der Chorda, welche zu einem halbfliissigen Gewebe weiter entwiekelt, ist, Auf ihm ruht. der Wirbelkfrper wie auf einem Was~serkissen; die eigentliehe Last wird dureh die besondere Liege des Nucleus pulposus in den einzelnen Wirbelsiiulentei|en gletchndil3ig anf den F,~serknorpelring ttm den Nucleus pulposus herum verteilt...Die Fasern sind in fast konzentriseher L~ge angeordnet, und kreuzen sieh. Die Zwischen- substanz zwischen den Fasern fist, Knorpelgrundsubstanz. Diese ist widerst.ands- f/ihiger gegen Druck als Bindegewebe. Gegen den Knoehen gehb sie in die diinne hyaline Knorpelscheibe fiber (s. Braus) . Naeh S e h m o r t ist die Band- seheibe gef~iglos und kann nur dutch Diffusionsstrfme yon der Spongiost~ des Knochens her ernS~hrt werden. Die,Zwisehen'~-irbelseheiben ent.wiekeln sieh aus dem Mesenehym-Corda-Skelet in a.naloger Weise wie (lie Gelenke. Der Nucleus pulposus stellt eine Art rudimentim~r GelenMtf}fle d~r und kann gleiehsam als deren G ele1~ksehmiere aufgefagt werden (L u s e h k a, S e h a f f er). Die Sehlu 13platte, der l[Jberrest der hyalinen Knorpel,~nlage ist dem Gelenkknorpel gleichzuaehten.

Von besondcrem Int.erer, se sind die neuen pM.hologisch-anatomiseken Forschmlgen, welehe die Bedeutung der Zwisehenwirbekseheiben fiir viele Krankheiten der Wirbelsi~ule erwiesen haben (z. B. H u e e k , S c h m o r t ) . Es ist erstaunlich, wie wenig tier Versueh gemacht win'de, die Klinik dieser Krank- heiten dureh diese neuell Erkenntnisse zu vertiefen. Die Krtmldmiten sind weir h/itffiger als man bisher annahm; nach S c h m o r l sind im hfheren Alter 100~ der WirbelsSulen krank. Die Bandseheiben sind dabei am h/iufigst.en betroffen. Bei den Krankheiten der Zwisehenwirbekseheiben spielen prim//~r meisg Degene- ration, dureh die verschiedensteJt Ursaehen bedin~, eine golle; ferner grebe Verletzungen, Bei den sekund[ia~n Krankheigen der Bandseheiben kommen Irdektions- und andere Krankheiten und Vertetzungen in Bet.racht, die die Wirbelkfrper primer gesch'Sdi~ haben.

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1. Vorzeitiges Altern bei Minderwertigkeit des Mesmmhyms ver~ndert ebenso wie die Gelenke aueh die Zwischenwirbelscheiben. Die ersten Anf{inge des Alterns finden sich gelcgentlich in friihen Lebensaltern. H u e c k befaBt sich besonders mit der Bedeutung yon Altersver~inderungen f/ir die Pathogenese bestimmter primgrer Bandscheibenerkrankungen. Er betont in Cbereinstim- mung mit 5,1teren Arbeiten, dal~ der im Laufe des Lebens erfolgende Umbau der Zwischenwirbelscheiben die Gruudlage ffir die Spondylitis deformans bildet. Diese Vergnderungen sind nach H u e c k wesensgleich mit den :~At~rsvergnde- rungen aller mesenehymalen Gewebe. ,,Sie bestehen in einer zunehmenden Fibrillisierung der Orundsubstanz, was fiir die Zwisehenwirbelseheibe eine Art veil Austroekmmg bedeutet, wenn man sie in funktioneller Beziehung mit einem Wasserkissen vergleicht. Je nach dem Grade der Abnutzung (wozu sowohl meetmnisehe als aueh ehemische N:omente gehSren), scilreitet dieser ProzeB for~, auf der einen Seite bis zur vSlligen Verfestigung, evtl. Verkalkung der intraeellul~iren Substanz, ~uf der anderen Seite bis zur Defibriltierung, Ver- fett.ung, Erweichung und Zeffall, ev-N. mib naehfolgender Verkalkung. Stet,s verbunden shld damit Neubildungsvorggnge, Zelhvucherung, Neubildung yon Fibrillen". Der histologisehe Pr0zeB ~vird also yon Hu eek durehaus mit Athero- sklerose in Parallele gestellt. Die Spondylitis deformans unterscheidet sieh nach H u e e k nur dutch quantitative Steigerung, d. h. dutch sehnelleres Fortschreiten yon den geschilderten AltersverSnderungen. Diese Ver~inderungen an den Zwisehenwirbelseheiben haben VerSnderungen an den knOehernen Teilen, dem Bandapparat zur Folge, da dutch den Fortfa]l der Pufferwirkung der Wirbel- knoehen sowohl der dauernden Betastung dureh den KSrper, als aueh vielen Ersehiittertmgen st, grker ausgesetzt wird. Die Spondylitis deformans ist keine primSre Knochenerkrankung. Die Deformitiit ist sekundSr, das ]s von regressiven Veri~nderungen der Zwischenwi,'belseheiben. Als Ursache derselben kommen also Alt.ersverSnderungen, die hiiufig dutch schwere KOrper- arbeit vorzeitig eintreten kOnnen, in Betraeht. Aueh allgemeiue Erkrankm~gen spielen eine ut~gehliehe Rolle, z. B. Gieh~; bei der Ochronose kann eine Schgdi- gung der Zwisehenwirbelseheiben als Folge einer dureh Jahrzehnte bestehenden alkaptonurisehen S~offweehselst6rung auf~re~en und eine Spondylitis deformans zur ]'~olge haben. Veriinderungen an den Zwisehenwirbelseheiben k6nnen dureh Verletzungen hervorgerufen werden. ~[au weiB dureh B e n e k e , dab 1Rupturen der Bandscheiben gar nieht so ~qten vorko,nnmn. Infolgc yon St6Ben tr i t t an der gupturs~l te selbst und in weiterer Ausdehmmg der Bandseheibe eine diffuse Degeneration der yon ihnen abhi[ngigen Formsysteme ein. ])iese Degene- ration is~ der Beginn der Spondylitis deformans. Die Spondylitis deformans ist ein ehroniseher, vielfaeh st.iIlstehender, yon Zeit zu Zeit fort.sehreit~,,nder Prozeg, der vorzugsweise in den unteren Brust- und Lendenwirbeln lokalisie~ ist.. Sie ist hgufiger bei 3'I'gnnern. Das R6ntgenbild zeigt an den oberen und unteren RSndern der ~'irbelk6rper Zaeken und Vorsprfinge, die zu klammerartigen kn6ehernen Verbindungen benaehbarter Wirbel f/ihren k6nnen. An den seitliehen Riindern der Wirbel werden derbe Wueherungen ab und zu gefunden. Die Zwisehenr:,tume zwisehen den einzelnen Wh'belk6rpern, die den Bandseheiben entspreehen, sind oft versehmLiletr die It6he der Wirbelk6rper ist unregelmiil3ig. Infolge der Defor- mierung der Wirbelk6rper treten nieht selten Kyphosen und Kyphoskoliosen tin.

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Die Spondylitis bei dcr Tabes dorsalis beruht h~ufig ebenfalls auf primhren mechanischen Sch~digungen lind trophischcn Ver~nderungen yon Zwisehcn- wirbelschciben, die einen Verlust der Elastizit~t der Bandscheiben zur ~_'olgo haben. In der Nachbarschaft dcr geschSdigten Zwischenwirbelpartien kommt es [m Bereieh des Knochens zum Tcil dutch Zerrung zur Blutung und Abhebung der Beinhaut (Verdickung), zum Tell dutch einen funktioncllen Anpassungs- vorgang an den verst~rkten Gcbrauch cur Verdichtung des Knochens. Dutch immer neue Traumcn, die bei der Analgesic kaum bemerkt ~verden, durch r~cksichtslosen Gcbrauch 1;am1 die Verunsta]tung der Wirbelk6rper schlief3heh cinch hohen Grad erreichen und monstr6se Formen zeigen. Die Spondylitis deformans tabic~ ist eine dttrch die Tabes mehr oder ~veniger ver~nderte Spondyl- iris deformans. Sic wird h~ufig yon einer gewShulichen Spondylitis deform~ns nicht zu unterscheiden sein. Eine luctische Erkrankung einer Wirbelscheibe kann einen besondcren lokalen Reiz zur Entatehung der Krankheit darbieten. Die Spondyhtis deformans tabica kommt wahrscheinlich h~ufiger vor, ats man bisher annahm. Dcr Hauptsitz der Krankheit ist die Lendenw~rbelsa~de. Arthro- pathien an a.nderen Stellen kommen gleichzeitig vor. Da subjektive Beschwerden bei vieten Kranken fehlen, siud R6ntgenbilder fiir das rechtzeitige Erkennen der Krankahcit yon grol3er Bedeutung.

Fiir das Verst~ndnis grob-traumatischer W[rbclscheibensch~tdigungen sind die Versuche yon Iffoff m a n n bemerkenswert. ~[ehrere isolierte Wirbelk6rper- s~lflen der Brust- bzw. LendenwirbelsSulo rissen bei Belastungsversuchcn jedesmal

be i einer bestimmten Belaatung ein; der EinriB geschah stets in der untersten Zwischenwirbelseheibc, bei dem zuerst das Ligamentum hmgitudinale post. barst, gleichgSiltig ob eine oder vier Zwischenwirbelscheiben in der tmtersten S~ule enthalten waren. Dies ist die Stelle der st~rksteu Beanspn~chung. Sch m o r l fand ZerrciBung yon degenerierten Bandscheiben nach Operationcn, die in Beckcnhoehlagerung ausgefiihrt waren. Es handelt sich in beiden FSllen um ZerreiBung der :Bandseheiben zwisehen dem 4. und 5. Lendemvirbcl.

II. Von besondemm Intercsse ist die Einwirkung yon Infektionskrank- heiten alff die Zwischenwirbelscheiben. Bei der innigen Verbindung yon Zwischen- wirbelscheibe und Knochen ist es selbstversts dab Entzfindlmgsprozesse des Knochens leicht auf die Zwischenwirbelscheibc iibergehen kSnnen. Erst die neuesten :Forschungen yon S c h m o r l geben uns fiber die fcineren Vorg~nge hierbei Atffschlui]. Als h~nfigste Ver~inderung fielen bei der RSntgenunter- suchung yon Wirbels~ulen, die yon [nfektioraskrankheiten, insbesondere nach Typhus, betroffen wurden, Sch~digungen der Zwisehenwirbelscheiben auf, und zwar: verminderte Durehsichtigkeit und verminderte tt6he des Z~schen- wirbelraumes, sparer Verschmelzung yon zwei angrenzenden Wirbeln, fast immer yon Lendenwirbehl. In besonders guten Aufnahmen (z. B, H a s e l - hors t ) zeigt sich eine Eindcllung der Rhnder der Wirbel im Bereich der be- troffenen Zwischenwirbelscheibc. Wenn wir die charakteristiachen P~Sntgenbefunde mit den patholo~sch-anatomischen Fcststellungen in Einklang zu bringen ver- suehcn, so dient aks Beispiel die am besten bekannte typhSse Wirbelentzfindung. Dcr h~ufigste En~stehun~modus der typhSsen Wirbelerkrankung ist nach K l o s e der Infarkt eines in~rossaten Gef~f~es. Histotogisch ist einc Mark, erkranktmg nachweisbar, die unter Abt6tung yon Spongiosab~lkchen evtl. zur

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herdweisen Zerst6rung der Wirbelarchitektur und den damit zusammmfllimgenden Folgezustinden fiihren kann. Nach S ch o l z geht die typh6se Wirbelentziin- dung am h/~ufigsten yon den Vorspr/ingen und dem Rande der Flfmhen arts, die an die Zwischenwirbelseheiben grenzen. Bei Erkrankung der Randpart ien der Wirbel werden nach S e h m o r l bereits dureh den normMen Turgor der Band- scheiben, insbesondere des Nucleus pulposus, die erlu'ankten Spongiosapartien, die an die Zwisehenwirbelseheiben angrenzen, zum Untergang gebraeht. Die Bandscheiben w61ben sieh in die Wirbelk6rper mehr oder weniger stark vor. Im R6ntgenbilde sind die Wirbelk6rper an diesen Stellen eingedellt. Die Band- seheiben, (tie im gesunden Zustande gef/~Blos sind, werden spSter sekund/ir vaseularisiert und mit den Gef/tl3en dringen aueh Krankheitserreger in die Bandseheiben ein. Dutch entziindhche und degenerative Ver/~nderungen tr i t t sehliel31ieh eine Verkleinerung der Bandscheiben ein. Kommt der Krankheits- prozefl zt~r Ausheilung, so bleibt als Rest neben der Eindelhmg der Wirbel- k6rper oft eine Verschmilerung der Bandseheiben zuriiek (s. t t a s e l h o r s t ) . Der Prozel3 kanrt aber aueh dadurch, dab mit den Gef/~Ben knochenbildendes Gewebe in die Bandscheibea eintritt., erst naeh vollstimdiger ZerstSrung der Zwisehen- wirbelseheibe mit VerknSeherung beendet sein. Im ROntgenbilde ist (lie Zwisehen- wirbelseheibe vollstis versekwunden, die WirbelkSrper gehen ineinander iiber (Lorey , Lyon) . In einem histologiseh untersuchten Falle yon R u g h fand sigh die Bandsekeibe z~-isehen dem 3. und 4. Lendenwirbel dtLreh ein dicht.es, ziemlich blutreiches Bindegewebe ersetzt, alas in die Knochensubstanz der WirbelkSrper iiberging. Es ist also a~zunehmen, dab die Entziindung der Zwisehenwirbelscheiben, die mart mit ihren Folgezusthnden n ~ h Ilffektions- krankheiten finder, sekundSr yore Knochen alff die urspr~nglieh gesunde, gvfSBlose Bandscheibe /ibergehen, naehdem die Bandseheibe vascularisiert ist. Prims Entziindungen der Zwisehenwirbelseheibe mu:h Typhus sind' trotz des grogen vorliegenden rSntgenologischen Materials nieht naehweisbar und auch nieht wahrseheinlich. Auf den klassisehen J~'all yon H a s e l h o r s t sei besonders hinge~viesen, bei dem sowohl die klinL~ehen Symptoms als aueh die rSntgenologisehen Ver/inderungen bezeichnend sind. Ohne Zweifel disponiert eine abgelaufene infekti6se Spondyhtis zur Spondylitis deformans. Wahr- seheinlich kann sieh die Spondylitis infectiosa mit einer Spondyli'cis deformans kombinieren. Es entwiekeln sieh ent.zdndliche und degenerative Veritndemmgen der Zwischenwirbelseheibe nebeneinander, so dab typische Bilder eirier Spondyl- iris deformans naeh versehiedenen Infektionskrankheiten besehrieben worden stud. Als Spondylitis infeetiosa (gripposa) mit sekundi~rer Beteiligung der Zwisehenwirbelseheiben ist auch das Krankheitsbild, (lms B a r o n besehrieben hat, alffzufassen. Es ha.ndelt sieh um eine rSntgenologiseh nachgewiesene Erkrankung der Bandscheiben z~-isehen dem 12. Brust- und 1. Lendenwirbel trod z~%ehert dem I. und 2. Lendenwirbel, also in der besonders gef:~ihrdeten hunbodorsMen Zone bei einem 12j/~hrigen Kinde. Am 1S. Krankhei'cstage konnte bereits eine partietle Verkalkung yon zwei Bandseheiben und eine leichte AushShlung der Randzone der betreffenden Wh'belkSrper dutch die RSntgen- untersuehung gefunden werden. Diese Ver/inderungen konnten 5Ionate hindureh naehgewie,~en werden; die VerkMkung war erst nach einem Jahre t~icht mehr zu sehen. B a r o n nahm eine akute infektiSse primgre Krankheit der Zwischen-

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wirbelscheibcn an. Fiir die auffaUend rasche Kalkablagerung machte er eine erhShte Kalkaffinit~t der entziindeten Knorpelscheiben verantwortlich. Er d~chte auch an die MSglichkeit, dal3 er hi seinem Falle einer chronischen, all- m~hlich zur Verkalkung f[ihrenden Krankhei t gegenfibcrst/~nde. Da aber die Kalkablagerung nach einem Jahre verschwunden war, und nur eine partielle Eindellung von Wh'belkSrperfl/k~hen zurfickblieb, zweifelt auch :Baron sp~ter nicht mehr an einer akuten Entzfindung. In einer sp/iteren Arbeit gemeinsam mit B a r s o n y nahm B a r o n an, dall die Eindellung der WirbelkSrperflgchen in seinem Falle durch ~berdruek tier primer erkrankten expansiv vergr6[3erten Zwischenwirbelscheiben zustandc gekommen ist. Auf Grund der Untersuchungen yon S e h m o r l ist es aber ~vahrscheinlicher, daf~ durch eine Infektion (Grippe!) prim/ir clue Wirbelmarkerkrankung entstanden ist; die gesunde Bandscheib~ verursachte durch ihren normalen Turgor eine AushShlung der erkrankten Wirbelk5rperrandteile. Nach Vascularis~tion erkrankte sekundttr die Band- scheibe. Schlielllieh erfolgte eine Vcrkalkung, die bei dem jungen Kranken infolge l~esorption nach einem Jahre bereits ~deder verschwunden war.

Weitere Zwischenwirbelscheibenkrankheiten hat B u f n o i r beobachtet. Er land in 5 F~iUen im RSntgenbilde dichtc Schatten im Zwischenwirbelraume. Die Kra.nkhcit setzte in Schfiben ein und verlicf im Gegensatz zur tuberkulSsen Wirbelerkrankung intermittierend. Es bestand klin[sch eine leichte Kyphose, starke Schmerzen, die in die Beine und m den Gfirtel ausstrahlten, lokaler Druck und Stauchm~gsschmerzen. Die Ursache dieses Krankheitsbildes bliel~ unklar. Aul]er diesen F/iUen finden noch H o r e n s t e i n sowie C a l v ~ und G a l - l a n d Verkalkungen der Zwischenwirbel~heibe. In H o r e n s t e i n s .Fall handelt. es sich um eine ankylosierende $pondylitis. Auf der frontalen Aufnahme der Brustwirbels~ute sieht man, daI3 der l l. Brustwirbel keilfSrmig deformiert [st und die Spalten der Zwischenwirbelgelenke unscharf und teilwe[se verschattet sind. Im :Raume z~,ischen dem l 1. und 12. Brustwirbel ist ein 1/~nglicher, scharf abgegrenzter Verdichtungsherd vorhanden, der etwas meln- seitlich liegt. Er wird dutch eine Ablagerung yon Kalksalzen im Nucleus pulposus erklhrt. Der- selbe kann nach H o r e n s t e i n im Laufe der Wirbels/~ulcnversteifung einer Degeneration verfallen sein m~d d,~lurch der Kalkab|agerung einem Boden geboten haben. Frfiher durchgemaehte Pocken und noch b6s~hende Lungen- tuberkulose sind bei ErSrterung der Ursaehen ebenfalls in Betracht zu ziehen. Wahrseheinlich haben entzfin(Lliche Prozesse yore 11. Brustwirbel auf die Zwischenwirbelseheibe hinfibergegri/fen und nach Vaseular[sation Entzfindung mid Verkalkung derselben zur Folge gehabt: In dem Falle yon C a l v ~ und G a l l a n d fired sieh zwisehen 9. und 10. Brustwir]~l ein Verdichtungsherd, der seiner Form nach ebenfalls dem Nucleus pulposus entspraeh.

N~ch S g a l i t z e r und Seh m o r l gibt es auch eiae Tuberkulose der Zwisehen- wirbelscheibe. Naeh S c h m o r l geht bei einer tuberkul6sen Erkrankung tier Bandscheibe stets eine Vaseularisation voraus. Eine syphilitisehe Erkrankung der Bandscheibe i~t selten. Sch m o r l hat einmal einen gumm6sen Herd bei dcr Untersuchung einer schwer ver/~nderten vascularisierten Bandscheibe gefunden.

:Bei der Osteoporose, dem Knochensch~mnd, fand S e h m or l die interessante Tatsache, dal3 Verbiegungen tier Wirbels~ule den h6chsten Grad erreichen, wenn die Bandscheiben intakt sind. Bei degenerierten Bandscheiben sind diese

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Ver~ndertmgen viel weniger hochgradig, well die Bandscheibendegeneration eine Spondylitis deformans nach sich zieht, bei der die Entstehung st~rkerer Verbiegungen durch die R&ndverkn6ehcrungen hintan gehalten werden. Beim Wirbelsehwund dagegen w61bt sich die gestmde Bandscheibe halbkugelig wie ein Polster in die Spongiosa der Wirbelk6rper vor; es kann daher ein nahezu vollstiindiger Schwund der Wirbelk6rper zwiseken den sick vorw61benden beinahe aneinander liegenden Bandscheiben eintreten. Selbstvcrstitndlich haben diese Bandscheiben ihre durch den normalen Tm'gor bedingte Elastizit/it, besonders die des Nucleus pulposus nicht verloren. S c h m o r l macht darauf aufmerksam, dag Druckatrophie, verursacht durch den normalen Turgor der Bandscheiben, aueh bei anderen Scb~digungen der Spongiosa (Krebs, Osteo- malacie, Osteopathia fibrosa) eine grol~e Rolle spielt.

In einem Falle yon ]3a r so n y und P o l g a r ist eine traumatische Ent- stehung mit Sicherheit anzunehmen. Es handelt sieh urn insetf6rmige intensive Verdichtungsherde zwischen 7. und 8., 8. und 9. und 9. und 10. Brustwirbel bei einem 47 j/ihrigen Mature, der vor 26 Jahren w/thrend der Arbeit yore zweiten Stockwerk auf die Sohlen fiel. Die entsprechenden Wirbelk6rper waren ein- gedellt, der Kranke hatte nut die ersten Wochen starke Rfiekenschmerzen, konnte sich weder bffcken noch sitzen. Nach 10 Tagen verliel] er das Kranken- haus, konnte sick aber noeh nicht bfiekcu, verspC~rte ungefi~hr zwei Monate hindurch starke Riiekenschmerzen, dann war er wieder hergestellt. ]3 a r s o ny und P o l g a r nahmen eine infolge des Unfalles entstandene Nekrobiose im Knorpel an. In diesem nekrotisck gewordenen Gewebe effolgte sp/~ter die Kalkablagerung. Uns erseheint es wahrscheinlieher, dag es sich um klixfisch latent gebliebene Kompressionsbrfiehe der Wirbelk6rper gehandelt hat, so da8 sich die Bandseheiben zuniiehst in die geseh~di~en Wirbelk6rper hinein vor- buchten konnten. Als Rest dieses Zustandes ist die Eflldellung der }Virbel- k6rper naehweisbar geblieben. D e r normale l~6ntgenbefund schlieBt frfihere Veranderungen nicht aus, da sich im Laufe der Jahre normale Strukturen wieder einstellen k6nnen. Die Verkalkung des Nucleus pulposus sprieht dafiir, dag sekund/~r eine Vascularisation der Bandscheiben mit naekfolgender partieller VerkalkuI N stattgefunden hat, die im Nucleus pulposus dauernd naehweisbar geblieben ist. Fiir die K i immel l sche Krankheit sind ghnliche Vorg/inge yon groger Bedeutung. Auch hier entsteht dureh den normalen Turgot tier Band- scheibe eine Atropbie in zerst6rten Teilen der Spongiosa des Knochens.

Auf das weehselnde Symptomenbild der verschiedenen Zwischen~-irbel- scheibenkranldleiten soil bier nieht n/~her eingegangen werden. Bei der sekun- dgren Beteiligung der Zwischenwirbelscheibe, wie bei der infekti6sen Spon- dylitis, deckt es sich mit dam h/iufig gesehilderten Krankheitsbild der infekti6sen Wirbelcntziindung. Das Krankheitsbild der Spondylitis deformans ist oft dar- gestellt worden. Zusammenfassend sei nur erwiihnt, dab die R6ntgemmtersuchung ftir die Diagnose yon Zwischenwirbelscheibenkrankhei~en unentbehrlieh ist. S g a l i t z e r empfiehlt bei totaler Zerst6rung der Zw-isehenwirbelscheiben vor- nehmlich die seitlichen Aufnahmen, bei der die Wirbels~ulenachse der Platten- ebene parallel liegt, was bei ventrodorsaler Alffnahmeriehtung infolge der physiologischen Krfimmmlg der verschiedenen Wirbelsi~ulenabschnitt~ nicht tier Fall ist. Diese R6ntgenatffnahmen sind in der Praxis nieht immer m6glieh,

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da bei s tarken Pdickenschmerzen eine gestreekte Lage der K r a n k e n manchmal nicht zu erreichen ist. Geringe Differenzen m tier Weite der Zwisehenwirbel- rgume m~ssen mit Vorsieht beurgeilt werden; speziell gilt das ffir die ven~ro- dorsgle Aufnahme, bei der besonders die Projekt ionsr iehtung eine sorgfgltige Beriieksiehtigung erfahren mug ( S g a l i t z e r ) . Nach unseren Er fahrungen kann bei ventrodorsaler Aufnahme eine Zwisehenwirbelseheibe vol lkommen ver- sehwunden sein, w/~hrend sie bei seitlieher Aufnahme noeh als sehmaler 8treifen siehtbar ist. Auf die Bedeutung der Eindel lung der WirbelkSrper im gSn tgen- bilde is~ bereits 5Iters hingewiesen worden. Sie ist meist eine Jc~olge einer Druck- ~ roph ie der e rkrankten oder t raumat iseh vergnder ten Spongiosa irdolge des Turgors der sieh polsterartig in die Spongiosa einwSlbenden gesunden Band- seheibe Is. S c h m o r l ) , B a r o n und B a r s o n y nehmen augerdem noeh an, dab prim~ire Kratfl<heiten der Zwischenwirbelscheiben eine expansive Ver- grSBerung der Bandseheiben bedingen und eine Eindelkmg hervorrufen, ohne dag der Knoehen primmer ~angiert ist. Sie glauben mit S c h u l t h e S auf3erdem, dag aus funktioneller Urs,~ehe eine Eindell~mg der "WirbelkSrper mSgtieh ist. Bei tordotiseher Ausbiegung der Wirbelsgule wf rde der Nucleus pulposus naeh vorne gech'Sn~ und kSnne dureh seinen auf den Knochen ausgefibten Druek eine Umformung verursachen. Nieht selten sind die Zwischenwirbelseheiben im I{Sntgenbilde vollstSndig versehwunden. :Die WirbelkSrper kSnnen ineinander iibergehen. Es handelt sich d,~bei racist um VerknSeherungen, Folgen einer friiheren Vaseularisation.

Fiir die PraMs ergibt sich aus diesen Ausfi ihrungen, dab geringe Knoehen- ver';~nderungen der Wirbel die grogen Besehwerden oft nieht erklgren. Die 'Befunde an den Zwisehenwirbelscheiben sind yon groBer Bedeutung und mehr sis bisher zu beaehten. Ist rgntgenologiseh noeh kein Befund an Knoehen a n d Zwisehenwirbelseheiben naehweisbar, so mnl~ ma n doch reehtzeitig an die M6glichkeit soleher Krankhe i t en deM<en und dutch wei'cere R6ntgemmter - suehungen in spgteren Krankhei t ss tad ien sieh Klarhei t versehaf%n. Wenn Zwisehenwirbelseheiben im l~Sntgenbilde ausgedehnte Krankheitsprozesse zeigen, sitzt der primgre, r6ntgenologiseh nieht mehr naehweisbare Krankhei tsherd oft ira Wirbelmark.

L i t e r ~ t u r .

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Archiv ffir orthopgdischc ~md UnfM1-Chirurgie. Bd. XXVI. 20