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Die Milz als Blutkorperchonreservoir. Methodische Bemerkungen zur Frage des Zusammenhanges von Blutbeschaffenheit und Konstitution. Yon Artliiir Sclieunert uiid Fr. \Yilhelm Krzywanck .4iih tlem rt.t.-liligsiolcigisclit.n Institat drr l-iiiveisitiit 1,eilizig. In ueuert’r Zeit hat die Frage, oh dit: Blutl~csclin~etiliei t cines ‘I’ieres ziti’ Beurtcilung seines ziicliterisclieii \Vertes licrangezogen werclen kanii, vine riolseitige Beiirbeitung erfahren, und \-or kurzeni ist sie in djesei- Zeitsclirift einer objektiven kritischen Rcarbeitung uuterzogen n.orden (Hiittgcr’), I<rsnaclieI, Riittger, Ogrizek und Xcliiiperz)). Ditbse lint die iiul~erordentlictie Vielseitigkeit des l’rohlenis utid die groRe Schwierig- lieit,: aueh nur einigermallen giiltigc Schliisse zu ziehen, dcittlich Iiervor- gdiobeti titid zii einer ini groRen und ganzen al)letinc,nden Stellung- tiitlinie gef ii hrt. Wenn wir ids Ph~siologeti zii dieser E’rage Stellung nehnicn, so g(mtiietit dies, uni auf einige iieuere Arbeiten iiher die Rolle dcr Nilz ini lireislaufsystem aufnierksam zu mactien, die, wie wir gli~ilbe~i, zeigen, tlan dle bishcrigen Arbeiten, soweit sie sicli methodisch der Hlutentiiwlinie t)cdienen, auf einer recht unsichereu Basis ruhcn. Die Arbeiten Barcrofts, uber die diescr Autor soebcn ZUS~III~III~II- fassend berichtct h;tt,:$) Iiaben ergeben, dall die 11 ilz, uber dercn Funk- tioneti histier bekanntlicti sehr wenig Klarheit hcrrsctite, als eiti Blut- htlhiilter aufgefallt werdcn muR, welcher in der Lage ist, Blut aus dem gro9en Krtlislauf zuriickzuhaltcn und bei Bedarf wieder in ihti zu ent- Icereti. Barcroft zeigte z. B. an Biintgenaufnnhmen, daQ die Milz ihrc OriiRe veriindert und gleichsinnig mit diescn Veriinclerungen der Hiinlo- globingehalt des Blutes scliw-ankt. Er konnte ferner hei Hunden die Jlilz opei’ativ nacli auflen rerlegen und dann demonstrieren, dnB sie bei Rutie des Tieres am griiliten ist uiid sich bei Bewegung verklcincrt. l) Th. Hiittger, Zeitschr. f. Ticrziiclitg. 11. Zii(htiiiigshio1. Vll. 1, 1926. 2, C. Kroriaclier, TI!. Biittger, i\. Ogrizek uiitl IV. Schiiiier! Zeitsclii.. f. 3, .I. Ilui~criift, Ergebii. d. I’hysiol. 25, 818. 1926. ’I’itBrziichtg. 11. Zuchtoiigssbiol. VIII, 183, 1926. Zeitschrift fur Tiorziichtung und %iich(unpsbioIode. IX, 1. 8

Die Milz als Blutkörperchenreservoir : Methodische Bemerkungen zur Frage des Zusammenhanges von Blutbeschaffenheit und Konstitution

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Die Milz als Blutkorperchonreservoir. Methodische Bemerkungen zur Frage des Zusammenhanges

von Blutbeschaffenheit und Konstitution. Yon

Artliiir Sclieunert uiid Fr. \Yilhelm Krzywanck

.4iih tlem rt.t.-liligsiolcigisclit.n Institat drr l-iiiveisitiit 1,eilizig.

In ueuert’r Zeit hat die Frage, oh dit: Blutl~csclin~etiliei t cines ‘I’ieres ziti’ Beurtcilung seines ziicliterisclieii \Vertes licrangezogen werclen kanii, vine riolseitige Beiirbeitung erfahren, und \-or kurzeni ist sie in djesei- Zeitsclirift einer objektiven kritischen Rcarbeitung uuterzogen n.orden (Hiit tgcr’) , I<rsnacl ieI , Riit tger, Ogrizek und Xcliiiperz)). Ditbse lint die iiul~erordentlictie Vielseitigkeit des l’rohlenis utid die groRe Schwierig- lieit,: aueh nur einigermallen giiltigc Schliisse zu ziehen, dcittlich Iiervor- gdiobeti titid zii einer ini groRen und ganzen al)letinc,nden Stellung- tiitlinie gef ii hrt.

Wenn wir ids Ph~siologeti z i i dieser E’rage Stellung nehnicn, so g(mtiietit dies, uni auf einige iieuere Arbeiten iiher die Rolle dcr Nilz ini lireislaufsystem aufnierksam zu mactien, die, wie wir gli~ilbe~i, zeigen, tlan dle bishcrigen Arbeiten, soweit sie sicli methodisch der Hlutentiiwlinie t)cdienen, auf einer recht unsichereu Basis ruhcn.

Die Arbeiten Barcrof t s , uber die diescr Autor soebcn Z U S ~ I I I ~ I I I ~ I I -

fassend berichtct h;tt,:$) Iiaben ergeben, dall die 11 ilz, uber dercn Funk- tioneti histier bekanntlicti sehr wenig Klarheit hcrrsctite, als eiti Blut- htlhiilter aufgefallt werdcn muR, welcher in der Lage ist, Blut aus dem gro9en Krtlislauf zuriickzuhaltcn und bei Bedarf wieder in ihti zu ent- Icereti. Barcrof t zeigte z. B. an Biintgenaufnnhmen, daQ die Milz ihrc OriiRe veriindert und gleichsinnig mit diescn Veriinclerungen der Hiinlo- globingehalt des Blutes scliw-ankt. Er konnte ferner hei Hunden die Jlilz opei’ativ nacli auflen rerlegen und dann demonstrieren, dnB sie bei Rutie des Tieres am griiliten ist uiid sich bei Bewegung verklcincrt.

l) Th. Hiit tger, Zeitschr. f . Ticrziiclitg. 11. Zii(htiiiigshio1. Vll . 1, 1926. 2, C. Kror iac l ie r , TI!. Bi i t tger , i\. Ogr izek uiitl IV. Schiii ier! Zeitsclii.. f .

3, . I . I l u i ~ c r i i f t , Ergebii. d. I’hysiol. 25, 818. 1926. ’I’itBrziichtg. 11. Zuchtoiigssbiol. VIII, 183, 1926.

Zeitschrift fur Tiorziichtung und %iich(unpsbioIode. IX, 1. 8

114 S c 11 eu ne I’ t ond K r z y w a n e k :

Diese Befunde zeigten zunachst, daB die Blutmenge eines Tieres nicht konstant ist , sondern unter physiologischen Verhaltnissen je nach den herrschenden Bedingungen Schwankungen unterliegt. Sach den Angaben Barcrof t s vermag die Milz der Katze schiibungsweise 10-12 O/o des Geeamtblutes in sich aufzuspeichern. Wir selbst versuchten das Fassungs- vermogen der Milz ungefahr zu bestimmen, indem wir bei Hunden die abgebundene Milz nach der Splenektomie wogen, sie dann durch zahlreiche Einschnitte ihres Blutes beraubten und wieder wogen. Auf diese Weise kamen wir in 5 Versuchen zu fdgwden Zahlen, wobei die erste Zahl das Gewicht der vollen Jlilz in Gramm, die zweite Zahl das Gewicht der aus- gebluteten Milz ergibt: 190 : 49; 109 : 42; 128 : 51; 110 : 43 und 175 : 52. Wenn diese Zahlen natiirlich auch keinen Anspruch auf Genauigkeit machen konnen, so sieht man doch, daB die in der Milz enthaltenen Blut- mengen recht betrachtlich gewesen waren. Rechnet man schatzungsweise auf die Gesamtblutmenge um, so ergibt sich nach unseren Versuchen, dafi die Hundeniilz ebenfalls 10-15 des Gesamtblutes in Rich aufspeichern kann. Abderha lden und Roskel), welche unsere Versuchsergebnisse im iibrigen voll und ganz bestiitigen konnten, komnien hinsichtlich des Fassungsvermogens der Milz zu kleineren Zahlen wie wir (7 O/J. Dieser Unterschied erklart sich aber zwanglos aus der technischen Anlage der Versuche. Wiihrend namlich in der Chloralhydratnarkose die Milz Blutkiirperchen aufnimmt, ist dies in der Aethernarkose nicht der Pall. Da wir nun in Chloralhydratnarkose die Milz entfernten, Abderha lden und Roske aber in Aethernarkose, erklart sich das geringere Fassungs- vermogen der Milz bei den Hunden dieser Autoren. Jedenfalls geht aus allen diesen Versuchen hervor, da13 die Blutmenge keineswegs konstant ist und Schwankungen unterliegt, die im Augenblick der Rlutentnahnie nicht zu bestimmen sind.

Die Milzfunktion ist aber damit noch nicht erschopft und beeinflulit die Blutbeschaffenheit in noch viel grofierem AusmaQ: D i e Mi lz i s t naml ich auch noch Blutkiirperchenbehiilter. Wir wurden auf diese Funktion gelegentlich von Versuchen aufmerksam, die von C. Miiller2) uber die Veranderungen angestellt wurden, welche die Blutbeschaffenheit von Pferden erleidet, die sportliche Eochstleistungen ausfiihrten. Es stellte sich dnbei heraus, daR ini Blute kurz nach der in Absolvierung eines Jagdgalopps bestehenden Arbeit viel mehr rote Blutkorperchen enthalten waren als bei den ruhenden Tieren. Wir konnten dann feststellen,3) daB diese Unterschiede bereits nach ganz geringfugiger und kurzer Bewegung

1 ,

l ) E. A b d r r h a l d e n und G. Hoske,‘ I’fliigers Arch. f . d. ges. Physiol. 216.

*) C. hIiiller, Inrtug. Diss. Tieriirztl. Hochsch. Berlin 1923. A. Scheuner t und

3, A . S c h e u n e r t u. Fr. N’. Krzywanek, Pflugeis Arch. f. (1. ges. Physiol. 212,

308, 1927.

C. Pdiiller, Pflugers Arch. f. d. ges. I’hys. 212, 468, 1926.

477, 1026.

imftreten, ja, dalj die Illatkorperchennienge im Blutc, welches der Vena jugularis des Pferdcs entnonimen war, mit jeder Bewegungssteigerung sprungweise zunimmt und mit der Riickkelir zu ruhiger Gangart w ide r abnimmt. In einem Versuch wurden z. R. folgende \\’c.ite niit der Hiiniatokritniethode ermittelt:

Hlutentnahme erfolgtte hinteiviiiandei. r1ac.h

Hnhe . . . . . . . .5 Min. Schritt . . . . 5 ,, Trah . . . . . 5 ,, Trab und Galopp 5 ,, Schritt . . . . 5 ,, Ruhe . . . . .

HK-Yenge in Vol. O l i o

. . . 32, 1,3480

. . . 39 1.348 7

. . . 37 1,34S2

. . . 32 1,3480

I3rechunpindcs des des Gexamthliites Plasmas Iiei 210

. . . 35 1 p s 2

. . . 41 1,:<48S

(ileichzeitig veriinderte sich auch, \vie die l‘abelle zeigt, d(1r Brechungs- index des Plasmas. Wir konnten weiter durch Serumanalysen zeigen I),

daB diese dnderung dvs Brechungsindea auf eintar Vermehrung der EiweiR- kiirper beruht. Das Hut der Pfercie crlitt also bei der Hewegung auch deutlich eine Anderung seiner chemischen Zusaniniensetzung. Die Ver- niehrung der Blutkorperchen kommt auch in der Erythrocytenzahl Zuni Ausdruck, die durch Hewegung eine erhebliche, his CA. 30 ”/,, betragendo Erhiihung erfaliren kann.

Von grofler Wichtigkeit ist nun, daR diese Yerinderungen der Blut- beschaffenheit ungemein rascli und auf verschiedene Reize hin erfolgen. %. B. verursacht Schreck, Angst, ja schon die Ausfiihrung einzelner Tlnzel- hcliritte eine merkliche Erhohung der Blutkorperchenmenge. Ganz be- honders tritt dies hei lebhaften Tieren und ‘I’ierarten zutagc; daher komnit es, daB man z. B. bei nervosen Pferden, bei Hunden und Schafen, die sicli gegen die Blutentnahme wehren, stets sehr hohe , schwankende Erythro- cytenzahlen crhalt, die Bewegungsblut entsprechen. Wir haben weiter festgestellt, daI3 man be1 Rindern die gleichen Unterschiede mie bei Pferderi findet und dal3 auch bei ihnen Aufregung infolge der Manipulation der ISlutentnahnie eine Erhiihung der Blutkiirperchenwerte bedingt. Endlich konnten wir an Hunden nachweisen 2)) daB diese Unterschiede auf einer Milzfunktion beruhen. Nach der Entmilzung bleiben nanilicbh die vorher zn ischen Iluhc- und Bewegungsblut bestehenden Uiiterschicde aus. Die Milz ist deninach auch ein B 1 u t k o rp e r c h en r e se rvo i r, welches rote Blutkiirperchen aus dem Kreislauf herausnehmen, zuruckhalten und auf- spcichhern nnd qpater auf geoiguete Reize hin den1 nllgemeinen Kreislauf wieder zufiihren kann.

l ) A. S t : h e n n e r t 11. Fr. IV. K r z y w a n c k , I’tlugri~s r\i.cali. f. d. gcs. I’hgsiologie

z, A . Sclreunei,t 11. FI.. IV. K r z y u a n c k , I’fliigtbrs .\r(.lr. f. d. ges. I’hysiologie 213, 198, 1926.

215, 187, 1927. 8*

Reiiii I’ferde hat weiter I-. Brandens te in 1) nacligewiescn, dafl die GriiBe der Milz sehr verschieden ist. Englische Vollblutpferde haben eine 1,Xlmai groliere Milz als ein Durchschnittspferd. Fur die Griille des Ein- tlusses der Milzfunktion spielen also die anatomischen Ausmalie der Milz, die ofienbar recht erheblich von Fall zu Pall schwanken kiinnen, eine sehr wichtige Rolle.

Diese Untersuchungsergebnisse erscheinen uns gerade f rir die Frage nach Beziehungen zwischen Blutbeschaffenheit und Konstitution von erheb- licher Bedeutung deshalb xu sein, weil sie zeigen, dalj weder Blutnienge (beim Pferd auch EiweiBgehalt des Blutes) noch die im krcisenden Blut en thaltene Menge der roten Blutkorperchen konstante GroBen sind. Sie sind infolge Einschaltung der Milz in den Kreislauf von deren Funktions- zustand ahhiingig und kiinnen pliitzliche, erhebliche und unkontrollierbare Anderungen erfahren, so dali bei ein und demselben Tier bei verschiedenen Blutentnatimer? ganz verschiedene IVerte erhalten werden kiinnen und bei verschiedenen Tieren gefundene gleiche oder abweichende Werte auf zu- fdligen Eintliissen beruhen kiinnen , die niit dem physiologischen Habitus dcs ’l’ieres in keineni festen Znsamnicnhang sttbhen. Bei allcn Unter- suchung en , welche von Terteii als Grundlage nusgehen, die das Gesanit- blut eines Tieres betreffen, muR jcdenfalls der neucrlich erkannten Milz- funktion Rechnung getragen werdcn. Dies ist gegenwiirtig methodisch aber nicht durchzufiihren, da wir keine Moglichkeit haben, den Funktions- zustand der Milz im Augenblicke der Hlutentnahme mit Sicherheit fest- zustellen. Der einzige sichere Weg, vergleichbare Werte zu erhdten, ware viellcicht der, an milzlosen Tieren zu arbeiten. Each unseren letzten Ergebnissen an zwei milzlosen Hunden, von denen der eine ein halbes, der andere eiii ganzes ,Jahr die Entmilzung uberlebt hat2), erhielten mir bis jetzt bei Huhe und Bewegung inimer konstante Werte fiir die Blut- kiirperchennienge. In1 tibrigen ist die Miiglichkeit, die Jlilz zu entfernen, nur auf einige wenige Tierarten beschriinkt, somit auch dieser Weg nur niit grof3en Schwierigkeiten gangbar. - -~ -

l ) F. v. B r a n d e n s t e i n . Arch. f. wisi. 11. 1iraI.t. Tieiheilkmide, 51. 68, 1924. *) A . S r h e n n c r t und Fr. IT. E i . z > u a n e k , Pfliig. .\r(.Ii. f J ge5 1’Ii)iiol 1927

(1111 Drwk.)

Eingegangen am 25. April 1927.