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Arch. Oto-t~hino-Laryng. 209, 217--221 (1975) by Springer-Verlag 1975 Die Mindestgefriertemperatur fiir eine Hautnekrose und ihre Beeinflussung durch K/ilteschutzsubstanzen H. Lenz, G. Goertz und H. PreuBler Julius-Maximilians-Universit~t Wfirzburg, Hals-, Nasen-, Ohrenklinik (Direktor: Prof. Dr. med. It. L. Wullstein) Abt. ffir Pathologic des Stgdt. Krankenhauses Heckeshorn, Berlin (Chefarzt: Dr. H. PreuBler) Eingegangen am 13. Dezember 1974 The Minimal Freezing Temperature for a Necrosis of the Epidermis and the Influence of Cryoproteetive Agents Summary. The sensitiveness to cold of the epidermis (cold threshold) is determind on the auricular skin of 24 rabbits, using freezing temperatures of --10, --15, --20, --25, --30, and --40~ and a freezing time of 30 sec. The experiments are performed with and without application of cryoproteetive agents (DMSO, glycerol and aethanol in a 10~ solution) before cryosurgery. Only at --20 ~ C a necrosis of the epidermis is seen whereas after application of cryo- protective agents before freezing a necrosis of the epidermis first appears at --30 o C. Following these experiments clinically it might be possible to protect the epidermis in the periphery of the freezing area up to a certain degree with the use of cryoproteetive agents, so that a topographically more concentrated epidermis-necrosis and therefore a limitation of the eryoeffect to the epidermis to a certain degree could be possible. Key words: Epidermis of Rabbit Ears -- Cryosurgery -- Freezing -- Supercooling -- Cold-Threshold of the Epidermis -- Cryoproteetive Agents (DMSO, Glycerol, Aethanol) -- Necrosis of the Epidermis -- Limitation of the Cryoeffeet. Zusammen/assung. An der Ohrmuschelhaut yon 24 Kaninehen wird mit Gefriertem- peraturen von --10, --15, --20, --25, --30 und --40 ~ C bei einer Gefrierzeit yon 30 see die Kglteempfindlichkeit der Epidermis (K~lteschwelle) geprfift. Die Yersuche werden ohne und mit Applikation yon Kiilteschutzsubstanzen (DMSO, Glycerin und Jkthanol jeweils in 10~ L5sung) vor dem kryochirurgischen Eingriff durehgefiihrt. Erst bei einer Gefriertemperatur von --20 ~ C zeigt sich eine sichere Nekrose der Epidermis. Nach Applikation yon KEIteschutzsubstanzen vor dem Gefrieren tritt dagegen eine Nekrose der Epidermis erst bei --30 ~ C auf. Damit kSnnen durch Anwendung yon KElteschutzsubstan- zen Epidermisbereiche besonders in der Peripherie des zu gefrierenden Gewebes bei der klinischen Anwendung der Kryochirurgie his zu einem gewissen Grade geschiitzt werden, so dab eine topographisch gezMtere Epidermiszerst5rung und damit eine bessere Abgrenzbarkeit des Kryoeffektes auf die Epidermis mSglich gemacht werden k6nnte. Ziel der tierexperimentellen Untersuchungen ist kS, an der Haut festzustellen, welehe Gefriertemperaturen mindestens erforderlich sind, um eine sichere Nekrose der Epidermis bei der Kryoehirurgie zu erzielen, und bei we]chen Gefriertem- peraturen die Haut gerade noeh iiberlebt. Ferner wird geprfift, ob durch Appli- kation yon K~tlteschutzsubstanzen, sogenannte ,,cryoprotective agents" wie DMSO, Glycerin und auch Xthanol vor dem kryochirurgisehen Eingriff noch tiefere Tem- peraturen yon der ttaut toleriert werden k6nnen. DMSO und Glycerin werden bei 16"

Die Mindestgefriertemperatur für eine Hautnekrose und ihre Beeinflussung durch Kälteschutzsubstanzen

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Arch. Oto-t~hino-Laryng. 209, 217--221 (1975) �9 by Springer-Verlag 1975

Die Mindestgefriertemperatur fiir eine Hautnekrose und ihre Beeinflussung durch K/ilteschutzsubstanzen

H. Lenz, G. Goertz und H. PreuBler

Julius-Maximilians-Universit~t Wfirzburg, Hals-, Nasen-, Ohrenklinik (Direktor: Prof. Dr. med. It. L. Wullstein)

Abt. ffir Pathologic des Stgdt. Krankenhauses Heckeshorn, Berlin (Chefarzt: Dr. H. PreuBler)

Eingegangen am 13. Dezember 1974

The Minimal Freezing Tempera tu re for a Necrosis of the Epidermis and the

Inf luence of Cryoprotee t ive Agents

Summary. The sensitiveness to cold of the epidermis (cold threshold) is determind on the auricular skin of 24 rabbits, using freezing temperatures of --10, --15, --20, --25, --30, and --40~ and a freezing time of 30 sec. The experiments are performed with and without application of cryoproteetive agents (DMSO, glycerol and aethanol in a 10~ solution) before cryosurgery.

Only at --20 ~ C a necrosis of the epidermis is seen whereas after application of cryo- protective agents before freezing a necrosis of the epidermis first appears at --30 o C.

Following these experiments clinically it might be possible to protect the epidermis in the periphery of the freezing area up to a certain degree with the use of cryoproteetive agents, so that a topographically more concentrated epidermis-necrosis and therefore a limitation of the eryoeffect to the epidermis to a certain degree could be possible.

Key words: Epidermis of Rabbit Ears -- Cryosurgery -- Freezing -- Supercooling -- Cold-Threshold of the Epidermis -- Cryoproteetive Agents (DMSO, Glycerol, Aethanol) -- Necrosis of the Epidermis -- Limitation of the Cryoeffeet.

Zusammen/assung. An der Ohrmuschelhaut yon 24 Kaninehen wird mit Gefriertem- peraturen von --10, --15, --20, --25, --30 und --40 ~ C bei einer Gefrierzeit yon 30 see die Kglteempfindlichkeit der Epidermis (K~lteschwelle) geprfift. Die Yersuche werden ohne und mit Applikation yon Kiilteschutzsubstanzen (DMSO, Glycerin und Jkthanol jeweils in 10~ L5sung) vor dem kryochirurgischen Eingriff durehgefiihrt.

Erst bei einer Gefriertemperatur von --20 ~ C zeigt sich eine sichere Nekrose der Epidermis. Nach Applikation yon KEIteschutzsubstanzen vor dem Gefrieren tritt dagegen eine Nekrose der Epidermis erst bei --30 ~ C auf. Damit kSnnen durch Anwendung yon KElteschutzsubstan- zen Epidermisbereiche besonders in der Peripherie des zu gefrierenden Gewebes bei der klinischen Anwendung der Kryochirurgie his zu einem gewissen Grade geschiitzt werden, so dab eine topographisch gezMtere Epidermiszerst5rung und damit eine bessere Abgrenzbarkeit des Kryoeffektes auf die Epidermis mSglich gemacht werden k6nnte.

Ziel der t ie rexper imente l len Unte r suchungen ist kS, an der H a u t festzustellen,

welehe Gef r ie r tempera turen mindestens erforderl ich sind, um eine sichere Nekrose

der Ep idermis bei der Kryoehi rurg ie zu erzielen, und bei we]chen Gefriertem-

pera tu ren die H a u t gerade noeh iiberlebt. Ferner wird geprfift, ob durch Appli-

ka t ion yon K~tlteschutzsubstanzen, sogenannte , ,cryoprotect ive agents" wie DMSO,

Glycerin und auch Xthanol vor dem kryochirurgisehen Eingri f f noch tiefere Tem-

pera tu ren yon der t t a u t to ler ier t werden k6nnen. DMSO und Glycerin werden bei

16"

218 H. Lenz et al.

Abb. 1. Schematische Darstellung der Haut und ihre Umspritzung mit 10~ DMSO: In der Mitre das zu gefrierende ttautareal, in der Peripherie die mit 10~ DMSO halbkreis-

fSrmig umspritzte Epidermis (dunkel gemusterte Zone)

der K/~ltekonservierung yon iso]iertem Gewebe verwendet . Deswegen liegt es nahe, diese Substanzen aueh im kryochirurgisehen Grenzbereieh zu erproben, um fest- zustellen, ob die H a u t vor K/i l teeinwirkung bis zu einem gewissen Grad gesehfitzt und ob dami t Grundlagen ffir eine Abgrenzbarkei t des Kryoeffektes geschaffen

werden k6nnen.

Versuehe und Versuchsanordnung Insgesamt werden fiir die Versuche 24 ausgewachsene Bastardkaninchen beiderlei Ge-

schlechts verwendet. An einer oder mehreren Stellen werden beide Ohrmuscheln eines jeden Tieres behandelt. Es wird eine 15 cm lunge, runde Silbermassivsonde mit 1 cm ~ benutzt. Diese I{ryosonde wird in einem vorgekfihlten Athanolbad auf die gewfinschte Gefriertem- peratur gebracht.

Am narkotisierten Tier wird 1 --2 cm 3 der Kgltesehutzsubstanz in 10~ L6sung auf der Augenseite der Ohrmusehel in die Subeutis injiziert. Auf diese Stelle wird naeh einer Einwirk- zeit yon mindestens l0 min die gekiihlte Kryosonde aufgesetzt. Die Gefrierzeit betr~gt bei allen Versuehen 30 sec. Sowohl bei den Versuchen mit als aueh ohne Kiltesehutzsubstanzen werden Gefriertemperaturen yon --10, --15, --20, --25, --30 und --40~ verwendet. Bei einigen Tieren wird nur die K~ltesehutzsubstanz appliziert, um die Veri/nderungen im Gewebe zu priifen. Nach einer Uberlebenszeit yon 2 Tagen werden alle Tiere get6tet, die Priiparate in

Abb.2A--L. Schematisehe Darstellung der kryochirurgisehen morphologischen Veri~nderun- gen, reehts (B, D, F, H, J, L) ohne und links (A, C, E, I, K) naeh Umspritzung yon 10~ DMSO vor dem kryochirurgisehen Eingriff. Man beachte das unterschiedliehe AusmaB der Epidermisnekrose und des Epidermisdefektes nach Applikation derselben Kryodosis (Ge- friertemper~tur, -zeit, Sondensystem und -grSBe). (A und B) Aufgesetzte Kryosonde mit markierten Thermogradienten yon --20 und --30 ~ C. In (A) mit und in (B) ohne Umspritzung yon 10~ DMSO. Die zwisehen --20 und --30 ~ C liegende Epidermiszone f~llt nach vor- heriger Umspritzung mit DMSO nicht der Nekrose anheim. Deswegen resultieren trotz Applikation der gleichen Kryodosis nach anf~nglichem 0dem (C and D) in (E) eine kleinere Nekrose als in (F) und entsprechend ein kleinerer Gewebedefekt in (G) als in (H) nach Ab- stol3ung der Nekrose. Auf Grund der kleineren Nekrosezone (E) und des dadurch bedingten kleineren Gewebedefektes (G) nach vorheriger Umspritzung mit DMSO entsteht in (I) eine schnellere Regeneration der Epidermis als in (J) ohne vorherige Umspritzung. (G und H)

zeigen den Endzus~and mit geepitelialisierung und subepithelialer Fibrose

Hautnekrose und ihre Beeinflussung durch K~ilteschutzsubst~nzen 219

Abb. 2 A - - L

220 H. Lenz et al.

Formaldehyd nach Lillie fixiert, in aufsteigender Alkoholreihe entw~ssert, in Paraplast ein- gebettet und in Hamatoxilin und Eosin gefarbt. Es werden jeweils mehrere Stufenschnitte angefertigt und lichtmikroskopisch untersucht.

Ergebnisse 1. Ohne Kiilteschutzsubstanzen

Bet einer Temperatur yon --10~ zeigt sich lediglieh eine Hyper~mie im Corium bef intakter Epidermis. Bet --15 ~ C t r i t t zusgtzlieh ein 0dem mit geringer leukoeyt~rer Infiltration im Corium auf. Die Basa]zel]sehicht ist intakt. Bet ether Gefriertemperatur yon --20 ~ C markiert sich erstmals eine deutliehe Nekrose der Epidermis mit starker leukoeyts Infiltration und eine Epidermolysis. Diese Nekrose ist gleichermal~en bet den Versuchen mit --30 und --40 ~ C konstant zu beobachten. Bei --40 ~ C tr i t t zus~tzlich auch eine Nekrose an den Drfisenepitelien im Corium auf.

2. M i t Kiglteschutz~ubstanzen

B~i den lediglich mit 10~ DMSO-, Glycerin- oder ~thanollSsung vor- behandelten Tieren ~st ohne Kfihlung in der Epidermis lediglich eine leukocyti~re, teilweise betont eosinophile Infiltration zu beobachten. Gleiche reaktiv entziind- liche Veri~nderungen zeigen sieh bet den Gefrierversuchen mit Temperaturen yon --10, --15 und --20 ~ C. Selbst bet einer Gefriertemperatur yon --25~ ist die Basalzellschicht der Epidermis nach vorheriger Applikation von K~lteschutz- substanzen noch deutlich intakt. Eine Nekrose t r i t t nach allen drei Ks substanzen erst bet Gefriertemperaturen yon --30 und --40 ~ C auf.

Diskussion Die Ergebnisse zeigen deutlich, dal~ zu einer Nekroseerzeugung der Epidermis

eine MJndesgefriertemperatur von --20 ~ C erforderlich ist, worauf aueh andere Autoren [1,2,4,5] hingewiesen haben. Werden jedoeh vor dem kryochirurgisehen Eingriff K/tlteschutzsubstanzen appliziert, so kSnnen wir auf Grund unserer Ver- suche darfiber hinaus feststellen, da]~ erst bet --30 ~ C eine Nekrose der Epidermis und damit aueh der Basa]zellsehicht auftritt . F/it die klinische Anwendung der Kryoehirurgie kSnnte daraus folgende Konsequenz gezogen werden: Besteht die Gefahr, dal] Haut in der Peripherie eines Tumors unbeabsichtigt mitgefroren wird, so kSnnte dutch gezieltes Umspritzen mit den genannten Ks in der besehriebenen Konzentration eine Kryonekrose der Haut in bestimmtem Umfang vermieden werden (Abb. 1). Da sich bet der Kryoehirurgie bet Verwendung entspreehender Sonden die Eiszone stets kugelschalenfSrmig ~n dem Gewebe ~us- breitet [3], kann durch Anwendung yon K~ltesehutzsubstanzen im kryochirur- gischen Grenzbereich eine topographisch gezieltere Gewebezerst5rung mSglich gemaeht werden.

Das Gefrieren der Epidermis und das AusmaB des nachfolgenden kyro- chirurgiseh-morphologiseh faBbaren Ph~nomens in Form der Nekrosebildung, -abstoBung, Regeneration und Reparation sind mit und ohne Applikation yon ,,cryoprotective agents" in der Peripherie der Kryol/~sion unter Verwendung der gleichen Kryodosis (Gefrierzeit, -temperatur, Kiihlmittel, SondengrSBe und -system) in Abb. 2 A- -L gegeniibergestellt.

Hautnekrose und ihre Beeinfiussung durch K~ilteschutzsubstanzen 221

Literatur 1. Cooper, J. S. : Cryosurgery for cancer. Fed. Proc. 24, 237--240 (1965) 2. Kreyberg, L. : Local freezing. Proc. roy. Soc. B 147, 546--547 (1957) 3. Lenz, H., Eichler, J. : Experimental measurements and theoretical calcualtions on muscle-

and liver tissue during cryosurgery. I. Experiments on freezing of rabbit tissue (to be published in Cryobiology, 1974)

4. Taylor, A. C. : Survival of red skin and changes in hair pigmentation following freezing. J. exp. Zool. 110, 77--111 (1949)

5. Zaearian, S. A., Adam, M. I. : Cryogenic temperature studies of human skin: Temperature recordings at 2 mm human skin depth following application with liquid nitrogen. J . invest. Derm. 48, 7--10 (1967)

Dr. H. Lenz 0berarzt an der HNO-Universit~Ltsklinik HNO -UniversitEtsklinik Kopfklinikum D-8700 Wfirzburg Bundesrepublik Deutschland