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Die Morphologie der Epithelk6rperchen im Zusammenhang mit dem Ca-Stofhvechsel des Huhnes I?. DORN Der tagliche Ca-Bedarf einer legenden Henne allein zur Eierschalen- bildung ist, auf die Korpergewichte umgerechnet, vergleichsweise etwa zehn- ma1 hoher als der einer Kuh mit hoher Mikhleistung. Dies erfordert ein besonderes Regulationssystem, das Resorption, Speicherung und rasche Bereitstellung von Ca sichert. Das abstimmende Ineinandergreifen dieser Funktionen ist ausschlaggebend fur den Kalkgehalt bzw. die Festigkeit und Bruchsicherheit der Eierschalen und damit wirtschaftlich aui3erordentIich be- deutungsvoll. Die Resorption von Ca aus der Nahrung, die nach SruRKIE 60-70% des zur Schalenbildung benotigten Ca-Bedarfes direkt dedrt, erfolgt unter Mitwirkung von Vitamin D. Die restlichen 30-40 7. Ca fur die Schalen- bildung werden nicht direkt der Nahrung, sondern einern zusltzlichen Vor- ratssystem, dem sogenannten ,,Follikulinknochen", entnomnien. Unter den1 Einflui3 von steigender Follikelhormonmenge wird beim legereifen Huhn vor Ablegen des ersten Eies der Ca-Serum-Wert etwa verdoppelt und gleichzeitig ein Ca-Reservoir in den langen Rohrenknochen angelegt. Bei der Eischalen- bildung sinkt der Ca-Gehalt des Blutes, ein Vorgang, der bei allen Tieren eine Aktivierung der Epithelkorperchen auslost, die ihrerseits ein Freiwerden von Ca aus dem Knochen veranlassen. Eine spezifische Reaktion der Epithel- korperchen des Huhnes in Abhangigkeit von der Legeleistung ist also zu erwarten. Im Schrifttum finden sich kaum Angaben uber die funktionelle Morpho- logie der Epithelkorperchen beim Huhn. In Anlehnung an Untersuchungen verschiedener Autoren uber Funktionszustande der Epithelkorperchen bei Menschen und Ratten (HANSSLER, EGER, SANDRITTER) und unter Beruck- sichtigung der Zusammenhange zwischen Zellmorphologie und Funktion des betreffendcn Organes kommen wir zur Prazisierung von drei Hauptzelltypen im HE-gefarbten Schnittpraparat der Epithelkorperchen des normalen Huhnes. Die dunkle Hauptzelk ist der uberwiegende Bestandteil des inaktiven Epi- thelkorperchens, diese Zellen Iiegen unter Bildung einer Randzone in der Peripherie des Epithelkorperchens dichter als im Zentrum. Sie sind gekenn- zeichnet durch einen meist polygonalen, dunklen, chromatinreichen Kern, den ein schmaler, leicht basophil anfarbbarer Cytoplasmasaum umgibt. Zell- grenzen sind, besonders bei dichter Lagerung, kaum erkennbar (Abb. 1). In flieaendem Obergang zur nachsten Zellart werden im aktiven Epithelkorper- &en Zellen in zunehmender Grofle angetroffen, deren Charakteristikum ein heller, haufig ovaler Kern mit deutlichem Chromatingerust und in iedem Falle deutlich sichtbaren ein bis zwei Nucleoli ist. Das Cytoplasma dieser hellen Hauptzellen wachst gleichfalls, zeigt meist leichte Granulierung und keine deutliche Zellbegrenzung. Nicht selten sind perinucleare Vakuolen anzutreffen

Die Morphologie der Epithelkörperchen im Zusammenhang mit dem Ca-Stoffwechsel des Huhnes

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Die Morphologie der Epithelk6rperchen im Zusammenhang mit dem Ca-Stofhvechsel des Huhnes

I?. DORN

Der tagliche Ca-Bedarf einer legenden Henne allein zur Eierschalen- bildung ist, auf die Korpergewichte umgerechnet, vergleichsweise etwa zehn- ma1 hoher als der einer Kuh mit hoher Mikhleistung. Dies erfordert ein besonderes Regulationssystem, das Resorption, Speicherung und rasche Bereitstellung von Ca sichert. Das abstimmende Ineinandergreifen dieser Funktionen ist ausschlaggebend fur den Kalkgehalt bzw. die Festigkeit und Bruchsicherheit der Eierschalen und damit wirtschaftlich aui3erordentIich be- deutungsvoll.

Die Resorption von C a aus der Nahrung, die nach SruRKIE 60-70% des zur Schalenbildung benotigten Ca-Bedarfes direkt dedrt, erfolgt unter Mitwirkung von Vitamin D. Die restlichen 30-40 7. C a fur die Schalen- bildung werden nicht direkt der Nahrung, sondern einern zusltzlichen Vor- ratssystem, dem sogenannten ,,Follikulinknochen", entnomnien. Unter den1 Einflui3 von steigender Follikelhormonmenge wird beim legereifen Huhn vor Ablegen des ersten Eies der Ca-Serum-Wert etwa verdoppelt und gleichzeitig ein Ca-Reservoir in den langen Rohrenknochen angelegt. Bei der Eischalen- bildung sinkt der Ca-Gehalt des Blutes, ein Vorgang, der bei allen Tieren eine Aktivierung der Epithelkorperchen auslost, die ihrerseits ein Freiwerden von Ca aus dem Knochen veranlassen. Eine spezifische Reaktion der Epithel- korperchen des Huhnes in Abhangigkeit von der Legeleistung ist also zu erwarten.

Im Schrifttum finden sich kaum Angaben uber die funktionelle Morpho- logie der Epithelkorperchen beim Huhn. In Anlehnung an Untersuchungen verschiedener Autoren uber Funktionszustande der Epithelkorperchen bei Menschen und Ratten (HANSSLER, EGER, SANDRITTER) und unter Beruck- sichtigung der Zusammenhange zwischen Zellmorphologie und Funktion des betreffendcn Organes kommen wir zur Prazisierung von drei Hauptzelltypen im HE-gefarbten Schnittpraparat der Epithelkorperchen des normalen Huhnes. Die dunkle Hauptzelk ist der uberwiegende Bestandteil des inaktiven Epi- thelkorperchens, diese Zellen Iiegen unter Bildung einer Randzone in der Peripherie des Epithelkorperchens dichter als im Zentrum. Sie sind gekenn- zeichnet durch einen meist polygonalen, dunklen, chromatinreichen Kern, den ein schmaler, leicht basophil anfarbbarer Cytoplasmasaum umgibt. Zell- grenzen sind, besonders bei dichter Lagerung, kaum erkennbar (Abb. 1). In flieaendem Obergang zur nachsten Zellart werden im aktiven Epithelkorper- &en Zellen in zunehmender Grofle angetroffen, deren Charakteristikum ein heller, haufig ovaler Kern mit deutlichem Chromatingerust und in iedem Falle deutlich sichtbaren ein bis zwei Nucleoli ist. Das Cytoplasma dieser hellen Hauptzellen wachst gleichfalls, zeigt meist leichte Granulierung und keine deutliche Zellbegrenzung. Nicht selten sind perinucleare Vakuolen anzutreffen

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(Abb. 2). Bei der dritten Zellart, den wasserhellen Zellen, kommt es zu einer krassen Verschiebung der Kern-Plasma-Relation. Ein kleinerer, &romatinreicher Kern liegt zentral oder peri- pher gelagert im aufgeblah- ten, wasserhellen, nicht an- farbbaren Cytoplasma, das eine deutliche Zellgrenze zeigt (Abb. 3). Die Beziehun- gen der Kern- unmd Plasma- groQen untereinander und der drei Zellarten im Ver- gleich zueinander sind aus Tabelle 1 ersichtlich. Durch- schnittswerte in Mikrometer- einheiten sollen keine abso- luten MaBe angeben, sondern zur Veranschaulichung der Groflenunterschi,ede dienen. Die wasserhellen Zellen sind nur vereinzelt im Blidtfeld aktivierter Epithelkorperchen zu sehen. Nach unserenuber- legungen ist mit dieser Zell- form der Kreis der Funk- tionsstadien vom Ruhekern iiber Kernaktivitat und Speicherform zuriick zum Ruhestadium geschlossen. Das nahezu vollige Fehlen von Kernteilungsfiguren wird aus diesem Funktionswechsel er- klarlich. Es handelt sich hier weder um Wachstums- no& um degenerative Vorgange, sondern um einen gesetz- mai3igen Funktionsablauf. Es sei betont, daQ zwischen allen drei Zellformen fliei3ende Obergange bestehen, 'die, so variabel sie sind, do& eine Zusammenfassung auf diese drei Zelltypen gestatten. Die dunkle Hauptzelle ist als in- kretorisch inaktives Ruhe- stadium anzusprechen, die helle Hauptzelle mit ihrer ,,funktionellen Kernschwel- lung" (BENNINGHOFF) als ak-

Abb. 1 (oben). Dunkle Hauptzelle rnit polygonalen, chromatinreichen Kernen. H.E.-Firbung. Vcrgr. 800fach Abb. 2 (Mitte). Helle Hauptzellen. Helle Kerne rnit deutlichem Chromatingeriist. H.E.-Farbung. Vergr.

800fach Abb. 3 (unten). Wasserhelle Zellen. Chromatinreiche Kerne peripher verlagert im wasserhellen Cytoplasma.

H.E.-Farbung. Vergr. 800fach

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tive Form im Sinne einer vorbereitenden Hormonproduktion und die wasser- helle Zelle als Kennzeichen iiberschrittener Hochstleistung mit wahrscheinlicher Hormon-Stapelfunktion.

Nach Festlegung der drei Funktionskriterien der Epithelkorperchen beim Huhn interessierte uns die Beziehung Epithelkorperchen-Follikulinknochen, letzterer als Erfolgorgan eines erhohten Ca-Stoffwechsels beim legenden

T a b e l l e 1 T a b e l l e 2 S ' c h e m a t i s c h e D a r -

s t e l l u n g d e r K e r n (K)-

S c h e m a t i s c h e D a r s t e l l u n g d e r d u r c h s c h n i t t l i c h e n K e r n (K)- u n d P l a s m a P I - G r o g e n v e r h a l t n i s s e

u n d P l a s m a (P)- G r o g e n v e r h a l t n i s s e

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H u h . H i e n u wurden die formalinfixierten Epithelkorperchen von 60 aus- gewahlten Huhnern aus dem Sektionsmaterial histologisch ausgewertet und durch Auszahlung von 10 Blickfeldern pro Praparat der Anted verschiedener Zellformen ermittelt. Das AusmaQ der Follikulinknochenbildung wurde bei allen Tieren bestimmt und die Legeleistung, soweit moglich, 6 Monate zuriick verfolgt. Die Auswertung ergab: Eine gleichmaflig hohe Legeleistung zeigt bei normalen Haltungs- un,d Fiitterungsbedingungen eine weitgehende Aus- mauerung der langen Rohrenknochen. Gleichzeitig damit wird eine ausgepragt gesteigerte Epithelkorperchenfunktion beobachtet. Sie driickt sich in 10- bis 20fachem Uberwiegen der hellen Hauptzellen iiber die beiden anderen Zell- formen aus und kann zum volligen Fehlen sowohl von Ruhe- als auch von Stapelzellen fiihren. Geringere Legeleistung bei Normalhaltung ist mit shwacher Ausbildung des Follikulinknochens und mit verminderter Epithel- kiirperchenfunktion verbunden. Die Zahl der dunklen Hauptzellen nimmt zu und kann in mengenmaflig gleicher Verteilung wie die hellen Hauptzellen auftreten. SchlieBlich fehlt bei nicht legenden, erwachsenen Tieren die Aus- mauerung der langen Rohrenknochen, und die Ruhefunktion der Epithel- korperchen driickt sich durch nahezu ausschliefllich vorhandene dunkle Haupt- zellen aus.

Aus dieser Abhangigkeit erhebt sich die Frage der Remeinsamen Beein- flussung dieser Vorgange. Beim gut legenden Huhn wird Follikulinknochen vermehrt angebaut und gleichzeitig vermehrt Ca aus diesem Speicher ausgelost. Dieser ,,Faserknochenaufbau" (DORN) erfolgt, wie experimentell erwiesen, unter dem EinfluB von Oestrogen. Die gleichzeitige Aktivierung der Epithel- korperchen konnte allein eine Folge des Absinkens der Serum-Ca-Werte bei erhohtem Ca-Bedarf zur Eischalenbildung sein. Wir konnten aber eine, das

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gewohnte Bild iibersteigende Aktivierung der Epithelkorperchen beobachten, nachdem durch hohe Oestrogengaben (2-30 mg Progynon) ein zentraler Kastrationseffekt und damit ein Sistieren der Legetatigkeit erreicht wurde. Die Zahl der wasserhellen Zellen ist gegenuber unbehandelten Tieren erhoht und die Kern-Plasma-Durchmesser um mehr als die Halfte vergrofiert. Auch die hellen Hauptzellen zeigen eine erhebliche Zunahme der Kern-Plasma- Durchmesser (Tabelle 2 und 3). Die Werte sind statistisch gesichert gegenein- ander abgrenzbar (Tabelle 3).

T a b e l l e 3

Helle Hauptzellen Kern 1 Plasma

Wasserhelle Zellen Kern 1 Plasma

Ohm Oestrogen 164 f 7*) 214 f 30 so* 4 240 f 26

Mit Oestrogen 191 f 12 280 & 19 127 f 16 380 f 40

*) Mittlerer Fehler des Mittelwertes. (Dberschreinmgswahrsche~lichkeit 0,27 O/O.)

Diese Aktivierung und Stapelung in den Epithelkorperchen kann nicht mit einem Sinken des Serum-Ca-Spiegels erklart werden. Sie muf3 als direkte Wirkung von Oestrogen auf die Epithelkorperchen angesehen werden. STURKIE konnte keine Erhohung der Serum-Ca-Werte durch Oestrogen bei Epithel- korper-ektomierten Hiihnern feststellen. Dies untentiitzt unsere Annahme, dai3 Oestrogen die Epithelkorperhen-Aktivitat beeinfluat.

Literaturverzeichnis 1 . BENNINGHOFF, A., 1949151 : Funktionelle Kernschwellung und Schrurnpfung. Anat.

Nachr. 1, 50. 2. DORN, P., 1958: Der sogenannte Follikulinknochen brim Huhn. DTW 65, 563. 3. EGER, W., 1954: Beitrage zu einer funktionellen Deutung der Zelltypen mensch- li&er EpithelkGrperchcn mit Wertung ihres Verhaltens bei einzelnen Krankheitszuatanden. Beitr. z. path. Anat. u. z. allg. Path. 114, 323. - 4. HANSSLER, H., 1953: Experimentelk Untersuchungen iiber die Beziehungen der Nebensrhilddriisenmorphologie und Funktion zur Vitamin-D-Wirkung. Z. rexperim. Med. 121, 209. . 5. HANSSLER, H., 1954: Experimen- telle Untersudnmgen iiber das Verhalten der E. K. bei diztatisch erzeugter Rahitis und Tetanie. 2. f . experim. Med. 123, 91. * 6. SANDRITTER, W., 1955: Zur Morphologie und Funktion der EpithelkGrpermenzellen. Frankf. 2. f. Path. 66, 290. 7. STURXIE, P., 1954: Avian Physiology, Comstodc Publishing Assoc. Ithaca, New York. 0 8. STUAICIE, P., 1958: A Survey of Recent advances in Poultry Physiology. Poultry Science 37, 502.

Anschrift des Vortragenden: Dr. P. Dorn, Miinchen, Veterinarstr. 13. Kleintiergesund- heitsdienst Bayern e. V.