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Zbl. Vet. Med. B, 23, 617-637 (1976) @ 1976 Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg ISSN 0044-4294/ASTM-Coden: ZVRBA2 Institut fir Pathologie Direktor: Prof. Dr. L.-Cl. Schulz Klinik fur kleine Klauentiere und forensische Medizin und Ambulatorische Klinik Direktor: Prof. Dr. W. Schulze Jowie Physiologisches Institut Direktor: Prof. Dr. W. Hill der Tierarztlichen Hochschule Hannover Die pathogenetische Bedeutung der akuten Rotlaufphase fur die Manifestation der chronischen Organveranderungen Vergleichende experimentelle Untersuchungen bei Schwein, Maus und Ratte Von L.-CL. SCHULZ, H. EHARD, W. DROMMER, D. SEIDLER, G. TRAUTWEIN B. HERTRAMPF, W. GIESE und A. S. HAZEM A4it 6 Abbildungen und 2 Tabellen (Eingegangen am 14. Oktober 1975) Der akute bakteriamische Rotlauf steht weit weniger als die chronische Verlaufsform im Vordergrund des wissenschaftlichen Interesses. Da er hin- sichtlich Diagnose und Therapie weniger Schwierigkeiten bereitet, erscheint seine okonomische Bedeutung gering. Strittig ist auflerdem, ob der unter dem Bild des akuten Kreislaufversagens stehende akute Rotlauf direkte patho- genetische Zusammenhange mit dem wirtschaftlich bedeutsamen chronischen Rotlaufgeschehen besitzt. Es besteht kein Zweifel, dafl diese akute Phase wesentlich durch Storungen der Blutgefaflpermeabilitat gekennzeichnet ist (SCHULZ, BRASS u. NUSSEL, 1961; RENK, 1962; KAST, HERBST u. STOLL, 1971). Eine methodisch moglichst vollstandige Bearbeitung des aufgefiihrten Pro- blemkreises vorzunehmen, ist ein Hauptanliegen des Sonderforschungsbereiches 54 ,,Rheumatoide Krankheiten des Tieres". Die erste Phase der Untersuchun- gen war durch den Versuch einer Standardisierung des Rotlaufs als Modell- krankheit hinsichtlich Erregervirulenz, Applikationsform und Tieralter beim Schwein gekennzeichnet (BOHM et al., 1975). Eine neue Phase wurde durch die Isolierung eines schockauslosenden Toxins aus Rotlaufbakterien (LEIMBECK, 1973) eingeleitet. Auflerdem standen die morphologischen Veranderungen im Hinblick auf die Vergleichbarkeit mit Zbl. Vet. Med., Reihe B, Bd. 23, Heft 8 41

Die pathogenetische Bedeutung der akuten Rotlaufphase für die Manifestation der chronischen Organveränderungen : Vergleichende experimentelle Untersuchungen bei Schwein, Maus und

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Page 1: Die pathogenetische Bedeutung der akuten Rotlaufphase für die Manifestation der chronischen Organveränderungen : Vergleichende experimentelle Untersuchungen bei Schwein, Maus und

Zbl. Vet. Med. B, 23, 617-637 (1976) @ 1976 Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg ISSN 0044-4294/ASTM-Coden: ZVRBA2

Institut f i r Pathologie Direktor: Prof. Dr. L.-Cl. Schulz

Klinik f u r kleine Klauentiere und forensische Medizin und Ambulatorische Klinik Direktor: Prof. Dr. W . Schulze

Jowie Physiologisches Institut Direktor: Prof. Dr. W . Hill

der Tierarztlichen Hochschule Hannover

Die pathogenetische Bedeutung der akuten Rotlaufphase fur die Manifestation der chronischen Organveranderungen

Vergleichende experimentelle Untersuchungen bei Schwein, Maus und Ratte

Von

L.-CL. SCHULZ, H. EHARD, W. DROMMER, D. SEIDLER, G. TRAUTWEIN B. HERTRAMPF, W. GIESE und A. S. HAZEM

A4it 6 Abbildungen und 2 Tabellen

(Eingegangen am 14. Oktober 1975)

Der akute bakteriamische Rotlauf steht weit weniger als die chronische Verlaufsform im Vordergrund des wissenschaftlichen Interesses. D a er hin- sichtlich Diagnose und Therapie weniger Schwierigkeiten bereitet, erscheint seine okonomische Bedeutung gering. Strittig ist auflerdem, ob der unter dem Bild des akuten Kreislaufversagens stehende akute Rotlauf direkte patho- genetische Zusammenhange mit dem wirtschaftlich bedeutsamen chronischen Rotlaufgeschehen besitzt. Es besteht kein Zweifel, dafl diese akute Phase wesentlich durch Storungen der Blutgefaflpermeabilitat gekennzeichnet ist (SCHULZ, BRASS u. NUSSEL, 1961; RENK, 1962; KAST, HERBST u. STOLL, 1971).

Eine methodisch moglichst vollstandige Bearbeitung des aufgefiihrten Pro- blemkreises vorzunehmen, ist ein Hauptanliegen des Sonderforschungsbereiches 54 ,,Rheumatoide Krankheiten des Tieres". Die erste Phase der Untersuchun- gen war durch den Versuch einer Standardisierung des Rotlaufs als Modell- krankheit hinsichtlich Erregervirulenz, Applikationsform und Tieralter beim Schwein gekennzeichnet (BOHM et al., 1975).

Eine neue Phase wurde durch die Isolierung eines schockauslosenden Toxins aus Rotlaufbakterien (LEIMBECK, 1973) eingeleitet. Auflerdem standen die morphologischen Veranderungen im Hinblick auf die Vergleichbarkeit mit

Zbl. Vet. Med., Reihe B, Bd. 23, Heft 8 41

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Vers. Nr.

16

18

der Rheumatoiden Arthritis des Menschen im Vordergrund (SCHULZ et al., 1975). Wie ein 1974 veranstaltetes Symposion ,,Vergleichbarkeit von Tier- modellen mit der Rheumatoiden Arthritis des Menschen'' ergeben hat, ist am hlodellcharakter des Rotlaufs fur die atiologisch ungeklarte und therapieresi- stente Rheumatoide Arthritis nicht mehr zu zweifeln.

Nachdem nunmehr der Rotlauf auch im Rattenexperiment standardisiert und durch Anwendung gerinnungsphysiologischer, biochemischer und biophy- sikalischer Methoden erganzt werden konnte, sol1 nachfolgend eine synthe- tische Darstellung der Rotlaufpathogenese erfolgen. Hierbei wird besonders der Obergang der akuten Schockphase des Rotlaufs in die Manifestations- phase der chronischen Organveranderungen einschliefllich der systemischen Prozesse an den arteriellen Gefaf3en und der Aorta berucksichtigt werden.

Anzahl Versuchstier - Bakt. Vers. Zielsetzung Inf. I K. art I Stamm Stamrn dauer und Methodik

5 / 3 Isolator- T 7 2 I S.C. L lg. Kurzzeitversuche:

6 2 schweine T 28 1 oral 6 la. Pathogenese der

Material und Methode Versuchstiere

R 1

2

3

3

Gruppe I Versuche zur Verfolgung der artspezifischen Rotlaufpathogenese bei Schwein, Ratte uiid Maus

SPF-Han: I I 8 1 - Wistar Ratten T 2 8 I S.C. I Mo 151 8 T 2 8 I S.C. 1 Mo

l h l 8 T 2 8 I S . C . 1 Mo

37 I16

Konvent. T 2 8 / s. c. Sauafer kel . .

I I I - I I I Inoie'

thistolo-

Isolator - schweine

+ kutan

+ kontakt

2 8 5 1 2 I T 2 8 Is. c. I 10 Tg. I 9 1 4 0 1 19 I

I I I I # I

Beteiligte Ar beitsgr uppen

Klin., Mlkrobiot., Histol., Elektro- nenmikrosk., lrnrnunpathol., Biochem ie

I

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Die pathogenetische Bedeutung der akuten Rotlaufphase 619

Nahere Angaben zur Methodik siehe: BOHM et al., 1975 sowie SCHULZ et al., 1975. Zur quantitativen Auswertung der Gelenkveranderungen wurden verwertet : Schweine: Ratten: 154 Gelenke (Versuche 1-3) Mause: keine

103 Gelenke (Versuche 21, 22; 24-26)

Gruppe II Erganzende Versuche zur Bestimmung des Gerinnungsstatus bei Rotlaufinfektion und -Schock und des Bindegewebsstoffwechsels sowie zur Erzeugung einer systemischen Aortenthrombose

SPF-Han:

2 5 1 6 Histol., Elektro-

Sprague-

I 16 I 1 3 0 1 3 0 I S P F - H a n : -1

Glykosamino-

L Mo Fluss. Szintiallation

3 Wo I Syst. Aortenthrom- Wistar I Ratten bose, Glutathion-

wo status

Pathogenese,

3 1 1 3 1 1 3 1 1 30 h

1 2 1 L

Klin., Mikrobiol., Histol., Elektro- nenmi kroskopie, Ger innungsphy- siologie

Methoden zur Gruppe 11 1. Flussigkeitsszintillation: In zwei verschiedenen Versuchen mit zwei

verschiedenen Alters- und Gewichtsklassen (150 g und 220 g KGW) wurde an Ratten bis zu vier Wochen nach einer Rotlaufinfektion der 35S04- und 3H- Prolineinbau in mesenchymale Gewebe untersucht. Jeweils 5 Ratten erhielten in 2- bis 3tagigen Abstanden bis zum 28./30. Versuchstag simultan (NatS5S04 und 3H-Prolin (25 pli 35s04 und 50 pli SH-Prolin pro 100 g Korpergewicht) in isoton. NaC1-Losung i. p. injiziert. Die Tiere wurden 24 Stunden danach in Narkose entblutet. Folgende Gewebe wurden entnommen, bei 105 O C fur 24 Stunden getrocknet und flussigkeitsszintillationsspektrometrisch gemessen: Aorta, Herzbasis, Haut von Schwanzspitze und Schwanzansatz, Tarsal- gelenke, Kniegelenke, Menisken, Achillessehnen und Cartilago xiphoidea. Die Mei3werte fur 35S und 311 wurden nach Korrektur fur den Nulleffekt und Loscheffekt in O / o der Dosis/g Trockengewicht umgerechnet und pro Gewebe als Gruppenmittelwert (n = 5) uber die Zeit graphisch dargestellt. Ein Ver- gleich der 35S- bzw. 3H-Mei3werte mit denen aus nicht infizierten Kontrollen gibt Hinweise auf die gesteigerte Synthese sulfatierter Mukopolysaccharide und Kollagen.

41*

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2 . Gerinnungsphysiologische Methoden: Bei den Tieren der Gruppen R 10 und R 13 wurden folgende gerinnungsphysiologische Verlaufsunter- suchungen durchgefuhrt : Zur Bestimmung der Globalzeiten: Quickwert, PTT und Thrombinzeit sowie die Bestimmung der Faktoren 11, V, VII, VIII und XI1 wurden fur Gerinnungsanalysen des Menschen ubliche, im Handel befind- liche Reagenzien der Firma Merz und Dade verwendet, die Fibrinogenbestim- mung erfolgte nach der Methode Ratnoff -Menzie. Die Thrombozytenzahl wurde nach Bjorkmann bestimmt.

3. Nachweis von Glykosaminoglykanen, des Glutathionstatus sowie der Lipoproteidlipaseaktivitat: siehe DELBRUCK (1975) und SCHOLE (1975).

4 . Die elektuokardiographische Uberpriifung erfolgte an 20 Mausen und 20 Kontrollen in einem Zeitraum von 27 bis 48 Stunden, sowie an 30 infizier- ten Ratten und 13 Kontrollen uber einen Zeitraum von 14-16 Tagen.

5 . Zur histologischen Untersuchung wurden die Organe in Paraplast ein- gebettet. Die Gelenke der Mause und Ratten kamen daruber hinaus in toto nach der Hartschnittechnik von BURKHARDT (1966) zur Fixierung und Ein- bettung.

6. Fur elektronenmikroskopische Untersuchungen wurde Gewebe von Herzmuskulatur, Gehirn, Ruckenmark, Aorta sowie Synovialis von Knie-, Tarsal-, Schulter- und Carpalgelenk in Gewebeblocken von 1 mm Kanten- lange entnommen. Vorfixierung: In mit Phosphat gepuffertem 5 O/uigem Gluta- raldehyd bei p H 7,2 und 4 OC uber 2 bis 4 Stunden; Nachfixierung der Blocke: Mit 1 O/uigem Osmiumtetroxyd 2 Stunden; Dehydrierung; Einbettung in Epon; Orientierungsschnitte mit Toluidinblau; Ultradunnschnitte mit Reichert- und LKB-Ultramikrotom. Teilweise Nachkontrastierung mit Bleizitrat nach REYNOLDS; Auswertung mit den Elektronenmikroskopen Siemens Elmiskop 1 und Zeiss EM 10 bei 60 und 80 KV. Immunhistologischer Nachweis: Tief- gefrierung der Gewebsproben in flussigem Stickstoff; Aufbewahrung bei - 70 "C. Sonstige Methode siehe SEIDLER et al. (1971).

Ergebnisse A ) Initiale vaskulare Schockphase

I . Endothclreaktton, monozytarer Stickingeffekt und hyaline Thrombose Die in der Abbildung 1 chronologisch zusammengefaflten Ergebnisse las-

sen erkennen, dafl der akute Rotlauf mit einer schockartigen vaskularen Phase beginnt. Diese Schockphase tritt unabhangig davon ein, ob der lebende Erreger subkutan appliziert wird (Abb. 1, linke Seite) oder eine intravenose Verabfol- gung des nach LEIMBECK (1973) isolierten Toxins erfolgt (Abb. 1, rechte Seite). Elektronenmikroskopisch laflt sich bereits eine Stunde post infectionem (h/p. i.) ein oberflachlicher Kontakt von Rotlaufbakterien mit dem Endothel der Blut- gefafle beobachten. Die Bakterien zeigen dabei verschiedengradige Metamor- phosen. In der Kontaktzone finden sich im Gegensatz zu anderen Endothel- abschnitten Vesikulationsvorgange im Sinne einer Pinozytose. Nur bei der

Abb. 1-6. Erklarungen zu den Zeichnungen &he T e x t ; die Zuordnung der einzelnen Ver- suche zu den einzelnen pathogenetischen Stadien ist wie folgt angegeben: Zeitliche Zuordnung; verwandte Tierspezies; Bezeichnung der Versuche (LAV = Lebendantigenversuche mit Schweinen; B-C = Mause; R = Ratten. Siehe auch: Material und Methode); prozentualer Anteil der jewciligen GefaR- oder Organveranderung; N = Gesamtzahl der verwandten Vcrsuchstiere; Angabe der jeweils verwandten Methoden; Angaben zur Art der Gefiiflver- underungen: i. E. = intakter Endothelverband, h. M. = hyaline Mikrothrombose, St. E. = nionozytarer Stickingeffekt, f . M. = fibrinreiche Mikrothrombose, E. A. = Endothelaufbruch, Ex. -- Exsudation, M. R. = perivaskulare Mesenchyinreaktion. - Angaben zur Elektro-

cardiographie: R R = Pulsperiodendauer; PQ = Erregungsausbreitung

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Die pathogenetische Bedeutung der akuten Rotlaufphase 62 1

Vaskulare Schockohase beim Rotlauf der Spezies Schm.Ratte ~

I nfe k t ion Schock otlaufbakterienstamm T28

sbc.

1 h. -- -

RTVK 1-3

en Mikr.1

Monozytenst icking 3,5 h. Maus

24 h. Ratte 36 h. Schwein -- - ~-

Faktoren:II.~VlI!JM,XI

Monozyteninkorporation fibrinarme Exsudation

och keine Fibroblastenaktivierung

- _ _ - ~ 12h. Maus

Bakt.Ansied1.h Endothel - _ _ 12h. Maus j m

-___ Exsudation/Arteriolen - -

Schwein Stichoroben: --- 19 h. Thrombozytensturz /Schwein Ferri tintracer.

-- 19h. - Verbrauchskoagulopathie/ 9 9 Unters. der Faktoren:II.V.VII.VIII.XII

45 h. V e k q u l o p a t h i e / R a t t e

Abb. 1

Maus lafit sich eine fruhe, meist massenhafte Aufnahme von Bakterien im Endothel, beginnend 12 h/p. i. nachweisen. Der Hahepunkt des bakteriellen Kontaktes am Endothel ist bei der Ratte 29 h/p. i. und beim Schwein 60 h/p. i. zu beobachten.

3,5 h/p. i. bei der Maus, 24 h/p. i. bei der Ratte und 36 h/p. i. beim Schwein treten Monozyten in Endothelnahe in Form ekes monozytaren Sticking-Effektes auf. Diese Annaherungs- und schliefilich Haftungstendenz am Endothel stellt sich elektronenmikroskopisch durch Pseudopodienhaftung der Monozyten am Endothel dar, wobei bereits Gerinnungsprodukte in Form von Fibrinfaserkomplexeri mit eingeschlossen werden konnen (Abb. 1) .

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Simultan mit dem Sticking-Effekt sieht man beim Schwein bzw. rnit einer geringen Verzogerung bei der Maus 6 h/p. i. und bei der Ratte 29 h/p. i. die beginnende Ausbildung lichtmikroskopisch hyaliner Mikrothromben im End- stromgebiet. Elektronenmikroskopisch handelt es sich um wenig Fibrinfasern enthaltendes locker-granulares Material. Teilweise sind bereits locker parallel gepackte Fibrinfasern mit eingeschlossen.

Bei der intravitalen Perfusionsfixierung der Versuchstiere fur elektronen- mikroskopische Untersuchungen wird ein Teil dieser hyalinen Thromben aus dem postkapillaren Schenkel herausgespult, jedoch nicht die typisch-tropfen- formig am Endothel haftenden monozytaren Zellen des Sticking-Effektes. Diese feste Haftung ergibt sich zunachst durch eine innige Verzahnung rnit dem Cytoplasma der Endothelzellen und spater durch eine Inkorporation der Monozyten im Endothelzellverband (Abb. 1).

Parallel mit der morphologisch im Endstromgebiet feststellbaren Mikro- thrombose ist eine passagere Verbrauchskoagulopathie durch Untersuchung der Gerinnungsfaktoren 11, V, VII, VIII und XI1 sowie der Thrombozyten zu ermitteln. Partielle Thromboplastinzeit und Quickwert verhalten sich ent- sprechend der knderung der Aktivitat der Einzelfaktoren. Thrombozyten und antihaemophiler Faktor VIII sowie Fibrin steigen nach dieser passageren Ver- brauchsphase sehr schnell wieder an. Der reaktive Fibrinanstieg betragt beim Schwein das Funffache (1100 mg/O/o), bei der Ratte das 31/2fache der Aus- gangswerte. Wahrend diese Verbrauchsphase bei der Infektion des Schweines nach etwa 19 h/p. i. (Ratte 45 h/p. i.) beginnt, tritt sie nach intravenoser Ver- abfolgung des Rotlauftoxins zwischen 1,5 und 4 h nach Applikation auf.

Parallel mit der hyalinen Mikrothrombose beginnt eine zunachst fibrin- arme Exsudation im Endstromgebiet. Die Monozyten konnen vollstandig in das Endothel inkorporiert werden. Eine Fibroblastenaktivierung im Sinne einer Mesenchymreaktion ist im perivaskularen Bereich in diesem Stadium noch nicht nachzuweisen.

II. Vbergang der hyalinen in die fibrinreiche Mikrothrombose mit Beginn der perivaskularen Mesenchymreaktion, als Ausdruck der beginnenden Manifestationsphase

Die fibrinreiche Mikrothrombose (Abb. 2, f. M.) beginnt bei der Maus etwa 36 h/p. i., beim Schwein 48 h/p. i. Sie ist bei der Ratte im Endstromgebiet nur ausnahmsweise nachzuweisen, dagegen ausgepragt an den Endothelien der groi3en GefaBe. Die Abbildung 2 stellt dar, daB mit dem Obergang der hya- linen in die fibrinreiche Mikrothrombose eine Oberleitung der vaskularen Schockphase in die Manifestationsphase, d. h. die erste mefibare Reaktion des perivaskularen Bindegewebes erfolgt. Sie ist am Gelenk am 4. Tag durch den Einbau von SH-Prolin und s5S04 im Bindegewebe der Synovialschleimhaut durch Szintillationsmessungen als Indikatoren fur die beginnende Synthese von Grundsubstanz und Kollagen zu objektivieren (Abb. 6 ) . Wie die Abbildung 2 halbschematisch erkennen laBt, wird in dieser Obergangsphase neben der hya- linen Thrombose mit weitgehend intaktem Endothel sowie anhaltendem Sticking-Eff ekt simultan mit der einsetzenden Mesenchymreaktion ein Endo- thelaufbruch und der Bzginn der fibrinreichen Mikrothrombose beobachtet. Diese Parameter der Ubergangsphase sind bei den Spezies Maus, Schwein und Ratte unterschiedlich ausgebildet. Die Maus uberlebt nicht die Schockphase und den Endothelaufbruch. Beim Schwein ist der Obergang in die eigentliche Mani- festationsphase besonders gut zu beobachten, wahrend sich bei der Ratte diese Prozesse besser in den groi3en GefaBen, insbesondere am Aortenendothel, verfolgen lassen.

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d 6 h Hyaline Mikrothrombose riahe fob.,

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stems gut quantifiziert werden kann. Morphologische Grundlage der Hyali- nisierung ist eine im Bereich der Exsudate stattfindende Kollagenfibrillen- querschnittsvergroierung von 700 bis 3900 A. Im zentralen Nervensystem und im Bereich des Auges herrschen die hyalinen Thromben vor. Ein Endo- thelaufbruch l a i t sich sehr selten im ZNS feststellen.

In den Rattenversuchen R 5, R 6, R 7 und R 18 lieien sich Aortenthrom- bosen bei 60 bis 100 O / o der jungen wachsenden Ratten (150 g KGW) nach- weisen, dagegen in den Versuchen R 1 , R 2 und R 3 mit 180 g schweren Tieren nur bei 54 O/o. Bei alteren Ratten mit 220 g KGW lagen keine groflflachigen Aortenthrombosen vor, dagegen Veranderungen im Randstromgebiet der Aorta, die denen der hyalinen Phase der Koagulopathie im Endstromgebiet entsprechen (Abb. 2). Wahrend bei Maus und Schwein in der Aorta keine systematischen endothelialen Prozesse nachzuweisen waren, zeigte sich bei die- sen alteren Ratten neben Sticking-Effekt und schneller Inkorporation der Monozyten in den Endothelverband am 4. Tag eine deutliche subendotheliale Fibrin enthaltende Plasmainkorporation. Sie fiihrte schliefllich zu einem arka- denformigen Udem. Insbesondere an groflflachigeren Semidunnschnitten lief3 sich nachweisen, dafl der Endothelverband in diesem Stadium trotz des hoch- gradigen subendothelialen Insudates mit Ausnahme der Monozyteninkorpora- tion keine wesentliche Diskontinuitat erkennen la i t , solange keine zusatzliche Belastung des Tieres beispielsweise durch eine Narkose erfolgt. Dagegen konnte in den Versuchen R 1, 2 und 3 sowie R 5, 6, 7 und 1 8 bei jiingeren Ratten ein Endothelaufbruch mit groflflachiger Thrombose und beginnender Muskelzelltransformation in aktivierten Mesenchymzellen in Nachbarschaft der Fibrinablagerungen nachgewiesen werden (Abb. 2). In diesen Versuchen kann das Aortenlumen im cranialen Brustbereich bis zu 90 O/o verlegt sein. Das Verteilungsmuster der Thrombenplaques beginnt mit groflen Polstern am Aor- tenbogen und lauft mit einer gewissen Rhythmik nach caudal hin aus. Es ergab sich eine statistisch gesicherte negative lineare Regression zwischen dem relati- ven Aortenverschlufi und der relativen Entfernung des entsprechenden Aorten- querschnitts vom Herzen. Aui3erdem ist die Reendothelisierung und Organi- sation der Thromben, beginnend 36 h nach Thrombosebeginn seitlich der Fibrinpolster zu verfolgen.

Parallel zur Aortenthrombose werden auch mittlere Arterien und ins- besondere die kleineren Arterien an den Akren von der systemischen Throm- bose betroffen. Bei 15 O/o der infizierten 180 g schweren Versuchsratten ist nach vier Tagen als Folge der systemischen Arterienverschliisse ein beginnendes Gangran der Schwanzspitze vorhanden. Nach 10 Tagen zeigt etwa die Halfte aller infizierten Tiere eine deutliche 1-3 cm vor dem Schwanzende beginnende Zyanose. Die eigentliche Nekrose setzt bei 20 O/o nach 8-12 Tagen ein. Am 16. Tag kommt es schliefllich bei 8 O / o zur Abstoiung des mumifizierten Schwanzspitzengewebes.

B ) Vergleichende Manifestation der Organveranderungen bei Maus, Schwein und Ratte

Die Organmanifestationen spielen sich bei den drei untersuchten Spezies zwar graduell artspezifisch, jedoch einheitlich hinsichtlich der Fibrininkorpo- ration und der startenden Mesenchymreaktion an den gleichen Pradilektions- stellen ab.

I . Vergleichende Organmanifestation in der Herzmuskulatur Die Organmanifestation in der Herzmuskulatur (Abb. 3) ist, beginnend

beim Schwein am 2. Tag, bei der Ratte am 3. Tag bei allen Spezies durch

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Die pathogenetische Bedeutung der akuten Rotlaufphase

Vergleichende Organmanifestation an der Herzmuskulatur

l.-B.Tglp.j. Maus

Exsudation

. . vorher Exitus ~ ,!

Schwein

+++ t *+

keine signifikanten EKG - Ableitungen

b Mikrothrornben

L I . . , , , ,

2 4 6 8 lOTg von den multifokakn Myo kardnekrosen sind 658 der linken u. 72""der rechten unter-

suchten Karnrnerwand - flache erfasst

- LAVl6.18.19.21.22.24-26.28 40

+ I

Methoden Histol, Hartschnitte. Elmi lmmunlluoreszenz,Zytometrie.EKG u Gerinn- Parameter I

Ratte

1 - hlyokardfibrosen +++ I

625

Abb. 3

Mikrothrombose und simultane Exsudation gekennzeichnet. In den Exsudaten lassen sich mit immunfluoreszenzhistologischen Methoden Albumin, Fibrin, IgG und Komplement C 3 nachweisen. Hieraus resultieren multifokale Myo- kardnekrosen und schliefilich eine fibrose multiple Vernarbung. Die Maus zeigt zwar eine Mikrothrombose, erlebt aber nicht das Stadium der Nekrose.

Der Nachweis einer unmittelbaren Auswirkung der vaskularen Faktoren auf die Organfunktion ist am Beispiel der Herzmuskulatur durch Elektro- kardiographie zu objektivieren. Wie die Abbildung 3 erkennen laflt, sind bei der Maus parallel zu Thrombozytensturz und Ausbildung der Mikrothrom- bosen die EKG-Ableitungsparameter RR und PQ gegeniiber den Kontrollen verandert. Diese Veranderung ist gleichermaflen in den beiden Mausever- suchen C 2 und C 4 nachzuweisen, jedoch abhangig vom Korpergewicht der Tiere mit einem 1 Sstundigen Intervall. Beim Schwein sind die Ableitungs- storungen trotz der erheblichen Parenchymschaden nicht signifikant, wahrend

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626 SCHULZ, EHARD, DROMMER, SEIDLER, TRAUTWEIN, HERTRAMPF, GIESE u. HAZEM

Vergleichende Organmanifestation an der Herzklappe

1.% Tg@ M x s

I

flkhenhaft Thmnben €A. +++ I n s u d a t i , K l ~ s t r a n a .

nnrlun ++ - M.A. k g n n vorTod(3Tag)

f 90 80 zj. :I;, 2 , 4 , 6 , ,

Versuche: CI-4

Methoden: Hi.stologie.Hart N-Tierr: 57

I I

Schwein

(+I lmmdluoreszenz + + weisst nur kleine

passagere tkrinhaltge Thmmben nach

+ +

Stromaoedem enthalt:

2)Fibrinogen +++

3. 2 4 6 8

Ratte

9 + : :a -- ++ ++ ++

Bei Ratten mit KGW 1809: nur ausnahmsweiseKlappen- ver;inderugen ++ IP

LAv.16.18.19.21.22.24-26.28 A , - 3

40 I 37 mi!!. Elrni. Imnwryfluoreszenz rnit pti-Fibrinogen ud.?ntidkunin,

Abb. 4

die Ratte parallel zum Thrombozytensturz nur eine Abweichung des QT-Wer- tes erkennen lai3t.

Zytometrische Untersuchungen bei zweidimensionaler Messung an Stufen- schnitten ergaben, dai3 von den multifokalen Parenchymausfallen in vier zyto- metrisch ausgewerteten Versuchen mit Schweinen (Nr. 24, 25, 26 und 28) in der Zeit zwischen dem 2. und 13. Tag p. i. 72 O / o der rechten und 65 O / o der linken Herzmuskulatur betroff en sind.

II. Vergleichende Organmanifestation an der Herzklappe Die Manifestation an der Herzklappe beginnt analog zu den Veranderun-

gen im Endstromgebiet bzw. der Rattenaorta mit einer dem hyalinen Stadium der Koagulopathie entsprechenden Thrombozytenhaftung an der Oberflache

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Die pathogenetishe Bedeutung der akuten Rotlaufphase 627

Vlrgleichende Organmanifestation am Zentralen Nv. S y E

I I

1 5 4Tag M z s

- MR

%hyaline Koa- gubmthie u. '0801 ,// . , ,

Exsudation

20 ,

40 Tod am 3Tag

- 2 4 6Tg.

Schwein

b++

t++

+ I I

1 1.

2 4 679.

LBy16.18.19.21.22.24-26.28 40

Ratte I

b++ hyaline Koagdo- pathie u. Exsudatmn

++ I+) I

Rj-3 37

Versuche: C I - 4

Methoden:Histologie.Hartschnitte. Ehi. Zytometrk.lmmunofkreszenr N-Tiere: 57

Rotlaufmfektion als auch nach Rotlauftoxinsc

- Malazie oder hyaltne pertvaskulare Blndegewebsverquellung

lokale Erweichungee bes anHirnsbma u Ruckenrnark

1 .3) perivaskulpfibrose +

Abb. 5

mit Plattchenmetamorphose und nachfolgender fibrinreicher Thrombose bei Maus und Ratte, jedoch nur ausnahmsweise beim Schwein (Abb. 4). Der Endo- thelaufbruch und eine nahezu diffuse Thrombose erfolgt bei der Maus bereits nach 36 Stunden, bei der Ratte umschrieben erst zwischen dem 4. und 6. Tag. Beim Schwein konnte im Untersuchungsmaterial bis zum 26. Lebendantigen- versuch nur einmal eine Thrombendokarditis nach dem 11. Tag ermittelt werden.

Die mit den beiden Stadien der Koagulopathie einhergehenden Insuda- tionen in das Klappenstroma enthalten, wie durch die Immunofluoreszenz ermittelt wurde, ebenfalls Fibrinogen und reichlich Albumin. Die Odeme (39 O/o beim Schwein) gehen in die unspezifische Mesenchymreaktion und schliefllich in Fibrosen uber. Bei der Maus kommt es vorher zum Tod, bei der Ratte bei 52 O/o zur persistierenden Thrombendokarditis, bei 15 O/o der

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Schweine zu fibrinoiden Nekrosen. Letztere lassen gelegentlich einen granu- lomartigen Charakter erkennen mit palisadenformiger Demarkation, wie sie im rheumatischen Formenkreis des Menschen vorkommt. (Fotografische Doku- mentation siehe: SCHULZ et al., 1975).

Ill. Vergleichende Organmanifestation im zentralen Nervensystem Die Manifestation im ZNS ist nur beim Schwein ausgepragt. Sie fuhrt

zwar, wie bei anderen Schockablaufen, zur hyalinen Koagulopathie mit simul- taner, geringgradiger Exsudation bei allen untersuchten Tierspezies. Zu hoch- gradigen, teils raumfordernden Exsudationen ab 4. Tag p. i. mit darauf folgen- den Malazien kommt es jedoch nur beim Schwein (Abb. 5). Diese Malazien konnen beim Schwein gleichermafien durch die intravenose Applikation des Rotlauftoxins schon nach 24 Stunden hervorgerufen werden.

Wenn die Tiere iiberleben, resultieren hyaline Verquellungen und schliefi- lich Hyalinisierungen und Fibrosen des perivaskularen Bindegewebes (Abb. 5).

IV. Vergleichende Organmanifestation an den Gelenken Die Manifestation im Gelenk ist ebenfalls durch das simultane Auftreten

von Koagulopathie, Angionekrose und Exsudation gekennzeichnet. Infolge des fruhen Todes der Versuchsmause manifestiert sich bei dieser Spezies keine Arthritis. Dagegen fuhren Mikrothromben, zusammen mit Exsudationen und Angionekrosen bei Schwein und Ratte bereits am 3.-4. Tag zur Arthritis. Im Gelenk befindet sich Fibrin, histologisch und in der Immunofluoreszenz, sowohl neben den Gefai3en als auch auf der Oberflache der Synovialis sowie zwischen den proliferierenden Synovialdeckzellen. Die deutlichsten Binde- gewebsproliferationen treten im Bereich der starksten Fibrinablagerungen auf.

Die Arthritis ist klinisch durch Gelenkschwellung am 3. und 4. Tag fest- zustellen. Gleichzeitig sind ab 4. Tag als sicheres Zeichen der einsetzenden Mesenchymreaktion in der Szintillationsmessung der Einbau von %04 und :IH-Prolin als Indikatoren der Grundsubstanz- und Kollagensynthese nach- zuweisen (Abb. 6 ) .

Wahrend die Arthritis beim Schwein am 3. und 4. Tag beginnt, entsteht sie bei der Ratte in Abhangigkeit vom Korpergewicht bzw. vom Alter der Tiere. Bei leichteren und damit jiingeren Tieren (150 g KGW) tritt sie am 4. Tag, bei schwereren (220 g KGW) am 6. Tag und bei der schwersten Gruppe (240 g KGW) zwischen dem 7. und 10. Tag auf. Von den Arthritiden sind jeweils alle infizierten Ratten, wenn auch nicht alle Gelenke, betroffen. Die Arthritis beginnt mit Fibrininkorporation im Bereich des perivaskularen Binde- gewebes und der Synovialdecktellen. Das synoviale Bindegewebe wuchert als subchondraler Pannus, den Knorpel unterwandernd, oder dem Knorpel auf- Legend und ihn von oben destruierend. 71 O/o der Ratten bilden zwischen 3 und 11 Monaten p. i. periartikulare Fibrosen aus (Abb. 6). Nach 11 Monaten befinden sich bei 20 O/o fibrose, teils Spangen enthaltende Ankylosen. Der Hohepunkt der voranlaufenden destruktiven Phase liegt bei der Ratte zwi- schen der 2. und 4 . Woche.

V . Obrige Organsysteme Am 4. bis 11. Tag entwickeln sich bei 66 O/o der Ratten leukozytare In-

filtrationen der Cornea. Sie sind schon am lebenden Tier durch Corneatrubung nachzuweisen. Nur bei einem Teil der Tiere konnen gleichzeitig in kleinen Venen des Limbus Gerinnungsprodukte nachgewiesen werden. Fibrinreiche Thromben fehlen.

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Die pathogenetische Bedeutung der akuten Rotlaufphase 629

3.3 Tg. p. i.

- Vergleichende Organmanifestation am Gelenk

- h.M.

i.E.

St.E. - - !.hJ.

€.A.

Ex. - - Mht )

%Arthritis

oi0 der Dosish Gewebe 35 S04/3HPro_Iin

-- Versuche: Schwein: LAV2l.22.24-26 NIGelenke: 103

VGelenke: 154 Methoden: Hartxhnitt.Elmi.lmmunfluoteszenz.

Ratte: R1-3: Ri5 :Szintillation

BiochemieSzintilbtion 4 6 8Tg.

Schwein

Ratte

%!gender Arthritis : (bei Ratten 3-11Mon.p. i.) : 71°0periartikulare Fibrosen

20%fibr& Ankvlosen

Abb. 6

Leber Neben Gerinnungsprodukten in den Sinusoiden zwischen dem 2 . und

6. Tag wurden beim Schwein und in einzelnen Fallen auch bei der Ratte Ery- throphagie der Kupfferschen Sternzellen sowie Haemosiderin nachgewiesen. Die infolge der Gerinnungsstorungen belastete Leber ist durch eine grof3e Mitoserate der Leberparenchymzellen ausgezeichnet.

Auch bei der Maus sind die Regenerationsbemuhungen in der Leber, ahn- lich wie bei der Ratte, festzustellen. Sie treten ubereinstimmend am 2 . bis 3 . Tag auf (hierbei ist zu berucksichtigen, daf3 die Mause bei Anwendung des Stammes T 28 den 3. Tag nur no& teilweise uberleben).

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Niere 51 O/u der zwischen dem 4. und 11. Tag untersuchten Schweine zeigen

mehr oder weniger umfangreiche Mikrothromben in den Glomerula und den kleinen Venen der Rindenmarkgrenze. Sie sind begleitet von hochgradiger fibrinreicher Exsudation. Gleichzeitig finden sich Eiweiflzylinder in den Sam- melrohren. Sie werden in fein bis grober Form teilweise wieder tubular ruck- resorbiert, wonach sie immer noch durch die Immunofluoreszent als Fibrin- bestandteile zu identifizieren sind. Parallel findet man Schwellungen des Mesangiums und nach Oberstehen der Koagulopathie auch einzelne leukozy- tare und lymphozytare Infiltrate, d. h. Anzeichen einer Glomerulonephritis. Bei den Ratten sind gleichartige Prozesse bei 13 O/o der Tiere nachzuweisen, jedoch ohne deutliche Anzeichen von Ruckresorbtion. Bei der Maus betragt der Anteil der mit Mikrothromben verbundenen Eiweii3nephrose 56 O/o.

Lunge 22 O/o der Schweine lassen kapillare hyaline fibrinreiche Thromben in den

Lungenkapillaren erkennen, verbunden mit mai3iger interstitieller Aktivierung und einer deutlichen fibrinreichen Exsudation in die Alveolen, wobei das Fibrin im Gegensatz zu anderen Organen starkere fibrillare Strukturen aufweist. Am Alveolarrande werden bisweilen starkere Verdichtungen der Exsudate beob- achtet, jedoch keine eindeutige Koazervationen zu hyalinen Membranen. Bei der Ratte lassen sich keine Anzeichen von Mikrothromben in der Lunge nach- weisen, jedoch ein ausgepragter Sticking-Effekt. Die Maus zeigt in 68 O / o der untersuchten Tiere ahnliche Veranderungen wie beim Schwein.

Besprechung der Ergebnisse Die wesentliche Manifestation der spateren chronischen Rotlaufverande-

rungen an Herzmuskulatur und Herzklappe sowie an den Gelenken und arte- riellen Gefai3en volltieht sich bereits in der bakteriamischen Fruhphase. Dieses geschieht zwischen dem 2 . und 6 . Tag p. i., demnach in einer pathogenetischen Phase, in der bei Gnotobioten und SPF-Tieren noch keine anaphylaktische Reaktion ablaufen kann (SCHULZ et al., 1975). Die nunmehr vorliegenden erganzenden gerinnungsphysiologischen und szintillations-spektrometrischen Untersuchungen lassen erkennen, dai3 die vaskulare Phase beim Schwein schon 19 Stunden p. i. und nach Verabfolgung der Rotlauftoxinfraktion schon nach 4 Stunden ausgepragt ist und kontinuierlich in die Bindegewebsaktivierung ubergeht. Auch AJMAL (1970) konnte bereits 2 Tage p. i. bei Schweinegnoto- bioten Arthritiden und am gleichen Tage auch bei Kaninchen feststellen. Dai3 die akute Phase als eine Folge der direkten Bakterienwirkung anzusehen ist, wurde auch von WELLMANN (1954), RENK (1962), GRABELL et al. (1965) und GEISSINGER (1968) vermutet. Diese Tatsache schien lange Jahre die Vergleich- barkeit des Rotlaufs mit dem rheumatischen Formenkreis des Menschen zu belasten. Sie war nicht in Einklang zu bringen mit der in der Rheumaforschung vertretenen Meinung, dai3 die eindeutig das Leiden einleitende Permeabilitats- krise erst nach erfolgter Sensibilisierung, d. h. allergisch, beginnt. Hierfiir sprachen die von KLINGE (1931) nach zweimaliger Applikation von artfrem- dem Eiweii3 ausgeloste rheumaahnliche Kaninchenarthritis und gewisse aller- gische Phanomene bei dem durch Streptokokken verursachten rheumatischen Fieber des Menschen. Allerdings ist auch beim Menschen der Nachweis nicht erbracht worden, dai3 die genannte Permeabilitatskrise allergisch ausgelost wird. Vielmehr ergeben sich mehr und mehr Anzeichen dafur, dai3 auch die rheumatoide Arthritis des Menschen durch eine infektiose Noxe ausgelost und durch persistierende Antigene unterhalten wird. Beim Rotlauf wurde die Mog-

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Die pathogenetische Bedeutung der akuten Rotlaufphase 63 1

lichkeit, dai3 schon vor der evtl. zur Perpetuation der Krankheit beitragenden Immunphase durch die Antigenwirkung direkt vaskulare Prozesse ausgelost werden, die schlief3lich eine allgemeine systemische rheumatoide Bindegewebs- krankheit initiieren, von unserer Arbeitsgruppe vertreten (SCHULZ, BRASS u. NUSSEL, 1961). Diese Theorie wird durch die vorliegenden Untersuchungen bestatigt. Damit nahert sich die Interpretation der Rotlaufpathogenese weit- gehend derjenigen bei der rheumatoiden Arthritis des Menschen.

Auch die rheumatoide Arthritis wird in der Initialphase durch Fibrinexsu- dation bestimmt (FASSBENDER, 1971; GLYNN, 1975). Erst spater in der Perpe- tuationsphase konnen Immunreaktionen zur Auswirkung kommen und mog- licherweise zur Perpetuation der chronischen Prozesse beitragen. Inwieweit diese Immunfaktoren auch in der chronischen Phase des Rotlaufs von Bedeu- tung sind, ist noch nicht sicher erwiesen (TRAUTWEIN et al., 1972). An gegen- wartig laufenden Langzeitversuchen in unserer Arbeitsgruppe sollen diese offenen Fragen geklart werden. Daf3 die reine Antigenwirkung und die Im- munreaktion sehr wahrscheinlich nicht alternativ zu betrachten sind, sondern beide nacheinander ablaufen, wurde bereits von COHRS und SCHULZ (1958) vermutet.

Im vorliegenden Rotlaufmodell 1af3t sich insbesondere die direkte Aus- wirkung des Bakterienkontakts am Endothel bzw. nach Rotlauftoxinappli- kation verfolgen. Der danach eintretende monozytare Sticking-Effekt ist einer- seits ein Ausdruck der zellularen Abwehr gegenuber dem Rotlaufantigen in der bakteriamischen Phase. Andererseits deutet die vollstandige Integration dieser Zellen im Endothel darauf hin, dai3 hierdurch zugrundegegangene Endothelzellen ersetzt werden konnen.

GODGLUCK und WELLMANN beschrieben 1953 bei der Rotlaufseptikamie ,,Thrombosierung durch hyaline Massen". Dai3 beim Rotlauf ebenso wie bei verschiedenen experimentellen Schockablaufen, so auch bei der Colienterotoxa- mie des Schweines, systemische hamostatische Prozesse ablaufen, konnte 1961 von SCHULZ, BRASS und NUSSEL ermittelt werden. Sie wurden als ,,Sedimen- tation und Gerinnung als Ausdruck der intravitalen Haemokonzentration" beschrieben. Erst nach Bekanntwerden der umfangreichen gerinnungsphysio- logischen Untersuchungen von LASCH et al. (1967) konnten diese Haemokon- zentrationen als echte Gerinnungsstorungen gedeutet werden. Sie treten auch bei anderen, insbesondere virusbedingten Krankheiten der Tiere auf (HEENE et al., 1971).

Die vorliegenden Untersuchungen lassen erkennen, daf3 diese systemische Koagulopathie mit einem passageren klinischen Verbrauch von Gerinnungs- faktoren einhergeht (detaillierte Darstellung erfolgt an anderer Stelle). Diese gerinnungsphysiologischen Untersuchungen ermittelten einen reaktiven Fibrin- anstieg um das Funffache beim Schwein und das Dreieinhalbfache bei der Ratte. Da diese Phase simultan mit der Fibrininkorporation in den Manifesta- tionsorganen auftritt, wie sich durch immunhistologische Untersuchungen nach- weisen lie& liegt trotz des hohen Fibrinanstieges ein kaschierter Verbrauch vor. Letzterer la& sich als absoluter Verbrauch nur bei jungeren Ratten mit einem Korpergewicht von 150 g nachweisen, bei denen tatsachlich ein hoherer Fibrin- verbrauch durch die ausgedehnten arteriellen Thrombosen stattfindet.

Das Model1 spricht dafur, daf3 Fibrinogen, IgG und Komplement C 3 als auslosende Faktoren der durch die Szintillationsmessung nachweisbaren Mesen- chymreaktion anzusehen sind. Ein schneller Fibrinogenanstieg im Blut ist auch bei lokalen Entzundungen festzustellen (KoJ, 1968; GANROT, 1973). DEL- BRUCK (1975) konnte in unserer Arbeitsgruppe nachweisen, dai3 die den Knochen und Knorpel destruierende Bindegewebsproliferation bei der Rot-

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laufarthritis des Schweines eine Enzymaktivitat besitzt, die mit derjenigen schnell wachsender Tumoren vergleichbar ist. Die neuen Untersuchungen lassen aber auch erkennen, dai3 durch die reine Schockphase des Rotlaufs, ausgelost durch das Rotlauftoxin zwar Malazien im ZNS und perivaskulare Hyalini- sierungen erzeugt werden konnen, eine perpetuierende Bindegewebsreaktion jedoch nicht zu provozieren ist. Die zur Perpetuation notwendigen zusatzlichen Paktoren sind bislang unbekannt.

Eine rezidivierende Endothelschadigung durch eine bakteriell ausgeloste Fibrininkorporation im Bindegewebe ist nicht auszuschliefien, zumal Fibrin ein bekanntermai3en starker Initiator der Bindegewebsreaktion bei allen Ent- zundungen sein kann (SHEN, 1967; GLYNN, 1975).

Die herdformige Reaktion des Bindegewebes nach Fibrininkorporation lai3t sich besonders ubersichtlich in den Aorten jungerer Ratten verfolgen. Hier- bei ist eine Transformation der glatten Muskelzellen in aktive Mesenchym- zellen lediglich dort nachzuweisen, wo ein Endothelaufbruch mit Fibrinablage- rungen, d. h. eine lokale Thrombose nachweisbar ist.

Das Aortenmodell lafit daruber hinaus erkennen, da8 im Bereich der im Thrombus angesiedelten Bakteriennester keine proliferative Reaktion der Aortenintima nachzuweisen ist. Demnach veranlassen die Bakterien, deren schnelle Verbreituiig im Korper von FREY und WEIDLICH (1921) und hinsicht- lich ihrer Organverteilung von SAKUMA et al. (1973) festgestellt wurde, zwar mit Sicherheit die vaskulare Reaktion, wahrend sich kein Beweis fur die mesen- chymale Reaktion und Proliferation ergibt.

Die Thrombose in den kleineren Arterien, besonders in der Schwanzspitze der Ratte, hat in letzter Zeit vergleichende Bedeutung gewonnen, da ahnliche Prozesse auch bei rheumatoider Arthritis des Menschen in den Fingerarterien nachweisbar sind (WITTENBORG, 1974). Hierbei kommt es ebenfalls zu einem Fingerspitzengangran. Es ist daher zu diskutieren, ob der Obergang der hya- linen in die fibrinreiche Mikrothrombose als ein fruher Indikator der unmittel- baren nachfolgenden Manifestationsphase auch beim rheumatischen Formen- kreis des Menschen angesehen werden kann (SCHULZ, 1974). Dieses scheint nicht ausgeschlossen, zumal in neuerer Zeit auch der Sticking-Effekt in ahn- licher Form wie beim Rotlauf bei der rheumatoiden Arthritis des Menschen als ein wichtiger Indikator angesehen wird (BRANEMARK, 1971 ; FASSBENDER, 1974). Neuerdings konnten auch in den mittleren Arterien beim Fingerspitzen- gangran des von rheumatoider Arthritis befallenen Menschen Fibrin, IgG und Komplement in unserer Arbeitsgruppe nachgewiesen werden (WITTENBORG, 1974). Systemische Koagulopathien wurden aber auch schon friiher von ande- ren Autoren bei der rheumatoiden Arthritis des Menschen beschrieben (BRANE- MARK, 1971; GARDNER, 1972; BENEKE et al., 1973; LEKA, 1974).

Dai3 es sich beim Rotlauf um ein rheumatoides Krankheitsgeschehen han- delt, zeigt auch die ubereinstimmende Manifestation der Organveranderungen an den gleichen Pradilektionsstellen wie im rheumatischen Formenkreis des Menschen, d. h. an Herzmuskulatur, Herzklappe, arteriellen GefaBen, Gelen- ken und Auge. Wie beim Menschen folgen pathogenetisch uniform auf die Fibrininkorporation eine fibrinoide Verquellung und schliei3lich Fibrosen. Die Ausbildung von Rheumagranulom-ahnlichen Formationen beschranken sich in unsereni Material lediglich in wenigen Fallen auf die Herzklappe des Schwei- nes (SCHULZ et al., 1975).

Wie ein voni SFB 54 1974 in Bad Nenndorf veranstaltetes Symposion uber Vergleichbarkeit von Tiermodellen mit der rheumatoiden Arthritis des Menschen ergab, ist an der Vergleichbarkeit der Rotlaufarthritis mit der rheu- niatoiden Arthritis des Menschen nicht mehr zu zweifeln. Die Abweichungen

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Die pathogenetische Bedeutung der akuten Rotlaufphase 633

zwischen dem Rotlauf urid der wichtigsten rheumatischen Krankheit deb Men- schen sind teilweise geringer als die Variation der rotlaufbedingten Verande- rungen bei den einzelnen Tierspezies. Im Gegensatz zu anderen Modellen, insbesondere zur Adjuvans-Arthritis, eignet sich insbesondere der Rattenrot- lauf wegen der zuverlassigen Reproduzierbarkeit zum Simulieren und geziel- ten Inhibieren der einzelnen pathogenetischen Phasen. Der besondere Vorteil ist die genaue zeitliche Elinengung der Manifestationsphase an den einzelnen Organen. Groi3ere Zuverlassigkeit des Rotlaufmodells im Vergleich zu anderen Tiermodellen ist besonders dadurch begriindet, dai3 sich die rheumatoid ver- laufende Rotlaufarthritis in Abhangigkeit vom Korpergewicht der Tiere schon nach dem 3 . Tag p. i. bei ,illen im Versuch befindlichen Ratten, wenn auch nicht an allen Gelenken gleichzeitig, erzeugen lai3t. Die Reproduktionsfahigkeit ist heim Schweim zwar nicht annahernd so zuverlassig, dafur bietet das Schwein aber bei analytischen Untersuchungen eine quantitativ reichlichere Ausbeute.

Der scheinbare Nachteil des Rotlaufs als ein infektios ausgelostes Model1 mit hochgradigen Storungen des Allgemeiiibefindens erweist sich andererseits als Vorteil, da die Testung von Antirheumatika auch eine infektiose Initial- phase mit den dabei reaktiv ablaufenden Abwehrprozessen einschliei3lich der endokrinen Umstellung der Rotlauftiere (SCHOLE, 1975) mit einbeziehen sollte. Dieses bestatigen die z. 2. in unserer Arbeitsgruppe laufenden Inhibitionsver- suche. Die Simulierung eines infektiosen Startes bei einem rheumatoiden Tier- model1 diirfte um so wichtiger sein, da erwiesen ist, dai3 das Rheumafieber des Menschen mit Sicherheit durch Streptokokken verursacht wird und bei der therapieresistenten rheumatoiden Arthritis des Menschen eine infektiose Ur- sache z. 2. allgemein angenommen wird (ZIFF, 1972).

Aber auch fur die veterinarmedizinische Praxis ist von Interesse, dai3 der durch ein akutes Kreislaufversagen gekennzeichnete bakteriamische Rotlauf bei zu spat erfolgender Therapie mit Antibiotika das chronische therapieresi- stente Rotlaufgeschehen einleitet. Diese chronische Phase ist beim Schwein nicht nur durch Arthritiden und gelegentlich auch durch Endocarditis gekennzeich- net, sondern durch einen bleibenden Myocardschaden.

Diese durch multifokale Nekrosen eingeleitete Manifestation am Herzen tritt bereits 24 Stunden €1. i., d. h. auf dem Hohepunkt der rotlaufbedingten Schockphase, d. h. ein bis zwei Tage vor der klinisch feststellbaren Manifesta- tion an den Gelenken ein. Fur die Unterbindung der Folgeschaden des akuten Rotlaufs ist demnach die Kenntnis der zeitlichen Manifestation der spater chronisch perpetuierenden Organmanifestationen wegen ihrer nach wie vor groi3en wirtschaftlichen Bedeutung von Interesse.

Zusammenfassung Die akute exsudative Phase der Rotlaufinfektion wird durch eine schock-

artige Kreislaufkrise eingeleitet. Sie kann ebenso durch eine intravenose Ver- a bfolgung einer toxischeri Fraktion aus Rotlaufbakterien ausgelost werden. Der erste Kontakt zwischen Rotlaufbakterien und Endothel vollzieht sich bereits 1 Stunde nach subkutaner Infektion. Zeitliche Zusammenhange zwi- schen der schockahnlichen Kreislaufkrise und der beginnenden Organmani- Pestation konnen durch simultane plethysmometrische Untersuchungen, Flus- sigkeitsszintillationsmessungen und gerinnungsphysiologische Methoden nach- gewiesen werden. Unmittelbar nach einem Verbrauch der Gerinnungsfaktoren 11, V, VIII, XI1 und Absinken der Thrombozyten ist ein schneller Anstieg des Fibrins im Blutplasma zu beobachten. Diese Fibrinsynthese ist kombiniert rnit einem Fibrinverbrauch in den Manifestationsorganen, was sich durch immun- histologische Untersuchungen nachweisen lafit. Die parallel einhergehende Bin-

Zbl. Vet. Med., Reihe B, Bd. 23, Heft 8 42

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degewebsproliferation ist durch Szintillationsmessungen des Einbaus von 35S0, und H3-Prolin als Indikatoren fur die beginnende Synthese von Grund- substanz bzw. Kollagen zu objektivieren. Die Spezies-spezifische Manifestation an Gelenken, Herzmuskulatur und Herzklappen sowie am zentralen Nerven- system zwischen dem dritten und seinsten Tag wird vergleichend besprochen. Die Beziehungen zwischen der bakteriellen Schadigung des Endothels, der Fibrininkorporation und der beginnenden lokalen Mesenchymreaktion kann in der Rattenaorta ubersichtlicher als in der Endstrombahn studiert werden. Der Prozei3 hangt entscheidend vom Korpergewicht der Versuchstiere ab. Die Bedeutung dieser Befunde fur die vergleichende Pathologie und die Pravention der chronischen Rotlaufstadien beim Schwein wird diskutiert.

Summary The athogenic significance of the acute phase of erysipelas

for the manifestation of chronic changes in organs Comparative experimental studies in the pig, mouse and rat

The acute exudative phase of erysipelas infection is introduced by a shock-like circulatory crisis. This can also be brought about by intravenous inoculation of a toxic fraction of erysipelas organisms. The first contact between the bacterium and the endothelium is already complete one hour after subcutaneous injection. Time relations between the shock-like circulatory crisis and the start of changes in the organs can be studied by plethysmographic studies, fluid scintillation measurements and physiological coagulation methods. Immediately after the use of clotting factors 11, V, VIII and XI1 and a fall in thrombocytes there occurs a rapid rise in the fibrin level in the plasma. This fibrin synthesis is combined with fibrin utilization in the affected organs which can be demonstrated by immunohistological techniques. The parallel connective tissue proliferation can be shown by scintillation measure- ments of the uptake of 3 5 S 0 , and H3 proline as indicators of the beginning synthesis of ground substances such as collagen. The species-specific manifesta- tions in joints, heart muscle and heart valves and also in the CNS between the 3rd and 6th days are discussed comparatively. The relationships between bacterial damage of the endothelium, incorporation of fibrin and the start of a local mesenchymal reaction can be studied more clearly in the rat aorta than in the terminal circulatory system. The process depends ultimately on the bodyweight of the experimental animal. The significance of these findings for the comparative pathology and the prevention of chronic erysipelas in pigs is discussed.

Resume Signification pathogenetique de la phase aigue du rouget

pour l’apparition de lesions organiques chroniques Recherches experimentales comparees chez le porc, la souris et le rat La phase exsudative aigue de l’infection du rouget est introduite par

une crise circulatoire au caractkre de choc. Elle peut &re dkclenchke par I’administration intraveineuse d’une fraction toxique de bactkries du rouget. Le premier contact entre les bactkries du rouget et l’endothklium s’accomplit une heure d6jA apris l’infection sous-cutanke. Des relations dans le temps entre la crise circulatoire semblable A un choc et le dkbut d’une manifestation organi- yue ont pu &tre mises en kvidence par des recherches plethysmographiques simultankes, par des mesures d’instillation de liquide et par des mkthodes phy- siologiques de coagulation. On a observk une augmentation plus rapide de la

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Die pathogenetishe Bedeutung der akuten Rotlaufphase 635

fibrine dans le plasma sanguin aprks l’utilisation des facteurs de coagulation 11, V, VIII, XI1 et la diminution des thrombocytes. Cette synthkse de fibrine se combine avec une utilisation de fibrine dans les organes de manifestation et peut &tre mise en kvidence par des mkthodes immunohistologiques. La proli- fkration du tissu conjonctif, qui se dkroule paralldement, peuts s’objectiver par des mesures de scintillation en incorporant 35S04 et Hs-proline comme indi- cateurs du dkbut de synthkse de la substance fondamentale et du tissu colla- gkne. On compare les manifestation spkcifiques entre les espkces constatkes sur les articulations, le myocarde, les valvules cardiaques et le systkme nerveux central entre le troisikme et le sixikme jour. Les relations entre la lksion bac- tkriennes de l’endothklium, l’incorporation de fibrine et le dkbut de la rkaction mksenchymateuse locale peuvent &re plus clairement ktudikes dans l’aorte du rat que dans les vaisseaux sanguins des extrkmitks. Le prockdk dkpend en fin de compte du poids corporel de l’animal d’expkrience. On discute la significa- tion de ces rksultats pour la pathologie comparke et la prkvention des stades chroniques du rouget chez le porc.

Resumen La importancia patogtnica de la fase aguda de ma1 rojo

para la manifestaci6n de las modificaciones cr6nicas en 10s 6rganos Estudios experimentales comparados en cerdos, ratones y ratas

La fase exudativa aguda de la infecci6n de ma1 rojo se ve iniciada por una crisis circulatoria de tip0 choque. Por tanto, puede ser desencadenada tambikn mediante la administraci6n de una fracci6n dxica de bacterias de ma1 rojo. El contact0 primer0 entre las bacterias de ma1 rojo y el endotelio ya se verifica 1 hora despuks de efectuar la infecci6n subcutinea. Conexiones temporales entre la crisis circulatoria semejante a1 choque y la manifestacidn orginica incipiente se pueden poner de manifiesto por medio de investigaciones pletismogrificas simultineas, mediciones de escintilaci6n en liquidos y mktodos fisiol6gicos de coagulaci6n. Inmediatamente despuks de ser consumidos 10s factores de coagulaci6n 11, V, VIII, XI1 y del descenso de 10s trombocitos, se observa un aumento ripido de la fibrina en el plasma sanguineo. Esta sintesis de la fibrina se halla combinada con el consumo de fibrina en 10s 6rganos de manifestacidn, lo cual se puede probar mediante anilisis inmunohistol6gicos. La proliferacidn de tejido conectivo, paralela concomitante, tiene que ser objetivada por medio de mediciones de escintilacibn de la incorporaci6n de 35S0, y prolina-H3 como indicadores de la sintesis incipiente de substancia fundamental resp. de coligeno. De forma comparada, se describe la manifesta- ci6n especifica de especie en articulaciones, musculatura cardiaca, vilvulas cardiacas y sistema nervioso central entre el tercer y sexto dia. Las relaciones existentes entre la lesi6n bacteriana en el endotelio, la incorporaci6n de fibrina y la reaccidn mesenquimatosa local incipiente se puede estudiar de manera mis sinbptica en la aorta de ratas que en el torrente circulatorio terminal. El proceso depende de forrna decisiva del peso corporal de 10s animales de ensayo. Se discute la importancia de estos hallazgos para la patologia com- parada y la prevencibn de 10s estadios cr6nicos de ma1 rojo en el cerdo.

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Anshrift der Verfasser : Institut fur Pathologie der Tierarztlichen Hochschule, 3 Han- nover, Bischofsholer Damm 15, Germany.