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Die Politische Ökonomie von Verkehrsvorhaben in Afrika: Zur Einschätzung der ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Wirkungen von großen Eisenbahn- und Straßenprojekten Author(s): Rolf Hofmeier Source: Africa Spectrum, Vol. 14, No. 1 (1979), pp. 4-18 Published by: Institute of African Affairs at GIGA, Hamburg/Germany Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40174151 . Accessed: 15/06/2014 13:19 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Institute of African Affairs at GIGA, Hamburg/Germany is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Africa Spectrum. http://www.jstor.org This content downloaded from 188.72.126.55 on Sun, 15 Jun 2014 13:19:49 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Die Politische Ökonomie von Verkehrsvorhaben in Afrika: Zur Einschätzung der ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Wirkungen von großen Eisenbahn- und Straßenprojekten

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Die Politische Ökonomie von Verkehrsvorhaben in Afrika: Zur Einschätzung derökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Wirkungen von großen Eisenbahn- undStraßenprojektenAuthor(s): Rolf HofmeierSource: Africa Spectrum, Vol. 14, No. 1 (1979), pp. 4-18Published by: Institute of African Affairs at GIGA, Hamburg/GermanyStable URL: http://www.jstor.org/stable/40174151 .

Accessed: 15/06/2014 13:19

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Eisenbahnstrecken in Afrika

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Die Politische Ökonomie von Verkehrsvorhaben in Afrika

ROLF HOFMEIER

Zur Einschätzung der ökonomischen, gesellschaftlichen und politi- schen Wirkungen von großen Eisenbahn- und Straßenprojekten.

Von der UN- Vollversammlung wurden im Dezember 1977 die Jahre von 1978 bis 1988 zur Dekade des Verkehrswesens in Afrika erklärt. Dies sollte zum Ausdruck bringen, daß noch weitere gewaltige und international abgestimmte Anstrengungen erforderlich sind, um eine für die angestrebte soziale und wirtschaftliche Entwicklung des Kontinents unerläßliche Verbesserung des Transportsektors der afrikanischen Länder tatsächlich realisieren zu können. Ein leistungsfähiges Verkehrssystem ist nicht nur eine unabding- bare Voraussetzung für das Funktionieren eines jeden modernen Staatswesens und einer

arbeitsteiligen Volkswirtschaft, sondern in besonderem Maße auch für jegliche Ansätze zur Kooperation zwischen verschiedenen Ländern, sei es im regionalen, kontinentalen oder globalen Zusammenhang.

In den letzten zwei Jahrzehnten, also etwa seit 1960 als markantem Datum im Hin- blick auf die Gewinnung der Unabhängigkeit einer großen Zahl afrikanischer Länder, sind ohne Zweifel bereits große Fortschritte in bezug auf eine Verbesserung aller Arten von Verkehrsträgern in Afrika erzielt worden, doch ist der Grad dieser Entwicklung von Land zu Land außerordentlich unterschiedlich. Insgesamt gilt im globalen Vergleich al-

lerdings auch heute noch, daß die verkehrsmäßige Erschließung Afrikas weit hinter der aller anderen Kontinente zurückliegt1. Nach wie vor sind weite Landstriche in Afrika nur

völlig unzureichend mit der Außenwelt verbunden; zwar gibt es heute kaum hoch tat- sächlich vollständig abgeschnittene Gebiete, doch haben die ungenügende Qualität und die hohen Kosten der vorhandenen Verbindungen häufig zumindest für große Teile des

Jahres praktisch diese Auswirkung. Während einerseits in beachtlichem Umfang in nahezu allen Ländern ein Neubau von

Hauptstraßen und von ländlichen Nebenstraßen und - in begrenzterem Umfang - auch von Eisenbahnstrecken zu verzeichnen gewesen ist, kann andererseits auch nicht überse- hen werden, daß außerordentlich häufig bereits vorhandene Verkehrsadern so unzurei- chend unterhalten und betrieben werden, daß sie den an sie gestellten Anforderungen nicht mehr gerecht werden können. Viele ländliche Nebenstraßen sind heute in weitaus schlechterem Zustand als zu Anfang der 60er Jahre, auch asphaltierte Hauptstraßen wer- den in vielen Ländern völlig ungenügend unterhalten; die Leistungsfähigkeit vieler natio- naler Eisenbahnsysteme hat sich teilweise drastisch verschlechtert. Somit ist die Rehabili-

tierung an sich bereits vorhandener Verkehrseinrichtungen inzwischen zu einem wichti-

gen zentralen Punkt verschiedenster internationaler Entwicklungshilfeanstrengungen im Bereich des Verkehrswesens geworden. Hierin dokumentiert sich die nach wie vor in vie- len Staaten völlig unzureichende personelle wie finanzielle Kapazität für den adäquaten Unterhalt der vorhandenen und neu hinzukommenden Verkehrsinfrastruktur. So ver-

1 Den umfassendsten deutschsprachigen Gesamtüberblick gibt derzeit immer noch, ob-

gleich in einzelnen Punkten natürlich überholt, Heinze, W.: Der Verkehrssektor in der Ent-

wicklungspolitik - unter besonderer Berück-

sichtigung des afrikanischen Raumes. München 1967. Im übrigen sei auf die regelmäßigen Be- standsaufnahmen zum Verkehrswesen in Afrika in der Zeitschrift Industries et Travaux d' Outre-Mer (Paris) verwiesen.

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ständlich der allseitige Drang nach Schaffung neuer hochwertiger Verkehrsachsen ist, so wichtig wäre zunächst einmal eine Erhaltung und optimale Nutzung der bereits vorhan- denen Einrichtungen.

WECHSELBEZIEHUNGEN ZWISCHEN VERKEHRSAUSBAU UND SOZIALÖKONOMISCHER ENTWICKLUNG

Über genaue Art und Intensität der kausalen Zusammenhänge zwischen Ausbau des Ver- kehrswesens und allgemeiner sozio-ökonomischer Entwicklung in Entwicklungsländern besteht auch unter darauf spezialisierten Verkehrsökonomen und -geographen keine Ei- nigkeit2. Häufig wird der grundlegende Erschließungseffekt von Verkehrsinvestitionen in den Vordergrund der Betrachtung gestellt; zweifellos ist ein auf einem gewissen Mini- mumstandard befindliches Verkehrsnetz Grundvoraussetzung für jede Art einer umfas- senderen sozio-ökonomischen Entwicklung. Doch gibt es inzwischen genügend kon- krete Erfahrungen, die deutlich machen, daß Verkehrserschließungen lediglich Erlaubnis- charakter haben und nicht schon selbst unmittelbar die wirtschaftliche Entwicklung eines bestimmten Gebietes induzieren. Das Vorhandensein von Verkehrs Verbindungen ist so- mit zwar eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung für die Ingangset- zung eines sozio-ökonomischen Entwicklungsprozesses. Vielmehr ist der dem jeweiligen Entwicklungsstand entsprechende angemessene und ständig neuerlich zu überprüfende Ausbau der Verkehrskapazitäten zu sehen als lediglich ein Teil einer umfassend verstan- denen Entwicklungsplanung, bei der eine Vielzahl von Querverbindungen zwischen ein- zelnen Sektoren berücksichtigt werden müssen.

Die Durchführung bestimmter Verkehrsprogramme kann also potentiell durchaus unterschiedliche Effekte haben3. Diese können entweder - direkte positive Stimulierungseffekte auf eine breite gesellschaftliche und wirtschaftli-

che Entwicklung auslösen, - rein permissiven und damit neutralen Charakter haben, indem sie zwar Voraussetzun-

gen schaffen, aber keine weiterreichenden Wirkungen in Gang setzen, - sogar negative Effekte insofern auslösen, als übermäßige Verkehrsinvestitionen die

sehr begrenzten vorhandenen Finanzressourcen möglicherweise von anderen produk- tiveren Verwendungszwecken abziehen und somit das Gesamtwachstum der jeweili- gen Volkswirtschaft mindern. Auch können einzelne schwach entwickelte Regionen durch verbesserte Verkehrsverbindungen in verstärktem Maße einem Sog übergeord- neter Ballungszentren ausgesetzt werden, die zumindest aus regionaler Sicht zu negati- ven Entleerungseffekten führen. Einzelne Verkehrsinvestitionen können also in einem Fall erst die notwendigen Vor-

aussetzungen für eine umfassendere gesamtwirtschaftliche Entwicklung schaffen als auch andererseits als Reaktion auf eine bereits durch anderweitige Kräfte in Gang gesetzte Entwicklungsdynamik notwendig werden, um den steigenden Anforderungen an Ver-

kehrsleistungen gerecht werden zu können. Im zweiten Fall hat der Ausbau des Ver- kehrssektors eher eine dienende, anderen Kräften nachfolgende denn eine neue Entwick-

lungen initiierende Rolle. Ein ähnlicher Zwiespalt zeigt sich auch bei dem in allen Ent-

wicklungsländern ständig auftretenden Widerstreit zwischen den Forderungen nach ei-

2 Der Stand der Diskussion wird anschau- lich dargestellt in dem Sammelband von Hoyle, B. S. (Ed.): Transport and Development. Lon- don 1973. Vgl. hierzu auch Heinze, W. : a. a. O. und Hofmeier, R.: Der Beitrag des Verkehrs- wesens für die wirtschaftliche Entwicklung Tanzanias - unter besonderer Berücksichtigung des Straßenverkehrs. München 1970. (Englische

Fassung unter dem Titel Transport and Econo- mic Development in Tanzania, München 1973).

3 Vgl. hierzu Gauthier, H. L. : Geography, Transportation and Regional Development. - In: Economic Geography 46 (1970), abgedruckt in: Hoyle, B. S. (Ed.): a. a. O., S. 20-21, und Hofmeier, R.: a. a. O., S. 9.

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nem immer hochwertigeren Ausbau der bereits vorhandenen Hauptverkehrsachsen und einer Ausweitung, engmaschigeren Verknüpfung und einem technischen Minimalstan- dard entsprechenden Verbesserung der Zubringerstraßen in den weitläufigen ländlichen Gebieten der afrikanischen Länder.

Trotz ständig weiterer methodischer Verfeinerungen der wirtschaftlichen Bewer- tungskriterien auf der Ebene von jeweils isolierten Einzelprojekten bleiben die Möglich- keiten für eine umfassende gesamtgesellschaftliche und gesamtwirtschaftliche Beurtei- lung verschiedener denkbarer Programme für den Ausbau des jeweiligen Verkehrssek- tors weiterhin ausgesprochen ungenügend und unbefriedigend. Die Zurechenbarkeit al- ler direkten und indirekten Effekte von Verkehrsvorhaben - gerade auch bei Berücksich- tigung der äußerst langen zeitlichen Dimension solcher Auswirkungen - ist nur in einem sehr begrenzten Maße möglich. Im übrigen ist die Sichtweise von verschiedenen mit der Beurteilung von und der Entscheidung über Verkehrsprojekte befaßten Personengrup- pen außerordentlich unterschiedlich.

UNTERSCHIEDLICHE PERSPEKTIVEN DER BEURTEILUNG VON VERKEHRSPROJEKTEN

Die ökonomische Beurteilung in Form verschiedener Spielarten von Kosten-Nutzen-

Analysen, die üblicherweise zur Grundlage von Investitionsentscheidungen durch inter- nationale Entwicklungshilfe- und Finanzierungsinstitutionen gemacht werden, be- schränkt sich weitestgehend auf quantitativ faßbare und dem jeweiligen Projekt einiger- maßen direkt zurechenbare Faktoren. Durch verschiedene methodische Weiterentwick-

lungen wird heute immerhin versucht, auch z. B. unterschiedliche Auswirkungen im Hinblick auf die Verteilungswirkungen von Projekten berücksichtigen zu können oder im Fall von ländlichen Straßensystemen auch die dadurch voraussichtlich zusätzlich in- duzierte Agrarproduktion zu erfassen4. Dennoch berücksichtigen ökonomisch ausge- richtete Projektstudien eigentlich stets alle übrigen wichtigen und sehr weitreichenden Effekte von Verkehrsvorhaben entweder gar nicht oder völlig unzureichend, vor allem aber kann die politisch-strategische Bedeutung von großen Verkehrsvorhaben bei dieser Betrachtungsweise nicht gebührend erfaßt werden.

Verkehrsgeographen werden nur selten zur Planung und Entscheidungsfindung von

Verkehrsprojekten herangezogen, doch bieten gerade mit einem wirtschaftshistorischen Ansatz angelegte verkehrsgeographische Arbeiten grundlegende Erkenntnisse über die

längerfristigen Auswirkungen verschiedener Verkehrsträger auf die räumlichen, sektora- len und sozio-ökonomischen Strukturen der betreffenden Länder5. Bei dieser Art von

4 Die hier angesprochene Art der ökonomi- schen Beurteilung von Verkehrsprojekten schlägt sich vor allem in einer Vielzahl von Fea- sibility-Studien für konkrete Einzelprojekte nieder. Die methodische Diskussion ist inzwi- schen sehr weit gefächert; einen handlichen Überblick über die üblicherweise von der Welt- bank an Projektstudien angelegten Kriterien bietet Adler, H. A.: Economic Appraisal of Transport Projects: A manual with case studies. Bloomington-London 1971. Einen anschauli- chen Eindruck von den Effekten ländlicher Zu- bringerstraßen vermittelt Mitchell, B.: Impact socio-economique de Pacces routier. - In: Le Courrier (Brüssel) (März- April 1979) 54, S. 88-89.

5 Eine inzwischen geradezu klassische Stu-

die dieser Art ist Taaffe, E., R. Morrill, P. Gould: Transport expansion in underdeveloped countries, a comparative analysis. -In:The Geo- graphical Review 53 (1963), S. 503-529. (Deut- sche Übersetzung in Bartels, D. (Hrsg.): Wirt- schafts- und Sozialgeographie. Köln-Berlin 1970, S. 341-366). Weitere ähnlich angelegte Fallstudien bieten u. a. Hofmeier, R. : a. a. O.; Hoyle, B. S. : Transport and Economic Growth in Developing Countries: The Case of East Africa. - In: Osborne, R. H., F. A. Barnes, J. C. Doornkamp (Eds.): Geographical Essays in Honour of K. C. Edwards. Nottingham 1970, abgedruckt in Hoyle, B. S. (ed.): a. a. O., S. 50- 62; Stanley, W. R. : Transport Expansion in Li- beria. - In: The Geographical Review 60 (1970).

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Analyse wird die ungeheure gesamtwirtschaftliche Prägekraft von großen Verkehrsvor- haben deutlich, die viele andere strukturelle Entwicklungen entscheidend mitbeeinflus- sen kann. Allerdings belegen verschiedene Einzelstudien immer wieder überzeugend, daß heute getätigte neue Verkehrsprojekte auch nicht mehr entfernt derartig prägende Gesamteffekte hervorrufen wie etwa die vor mehreren Jahrzehnten gebauten ersten Er- schließungsbahnen in den verschiedenen afrikanischen Ländern; der historische Zeit- punkt der Verkehrserschließung bzw. des Ausbaus vorhandener rudimentärer Verkehrs-

verbindungen spielt hier eine entscheidende Rolle. Gerade aus historischen und geogra- phischen Untersuchungen der Entwicklung des Verkehrswesens in Afrika wird aber auch eindringlich deutlich, daß der Ausbau des Verkehrssektors nicht dem freien Spiel der Marktkräfte überlassen werden darf, weil sonst durch kumulative Agglomerationseffekte im Laufe der Zeit eine immer stärkere räumliche - und damit verbunden schließlich auch sektorale und sozio-ökonomische - Herausbildung von dualistischen bzw. heterogenen Strukturen induziert würde. Es muß gerade Aufgabe einer langfristig angelegten Ver-

kehrspolitik sein, diesen Tendenzen entgegen zu steuern und durch Vorgaben im Bereich der Verkehrsinfrastruktur dafür zu sorgen, daß ein räumlich ausgewogener und gut inte-

grierter Wirtschaftsraum und damit auch ein ausgeglichenes Staatswesen ohne allzu große interne Spannungen entstehen kann6. Diese Art von verkehrspolitischer Strategie erfor- dert allerdings in einigen Fällen eine wesentlich andere Orientierung, als sie durch die An-

lage rein ökonomischer Kriterien angezeigt wird, die eben die langfristigen strukturellen

Gesamtwirkungen nicht ausreichend in ihr Kalkül einbeziehen können. Trotz immer stärker verwissenschaftlichter Projektstudien, die lediglich den An-

schein einer vollständigen quantitativen Erfassung aller nur denkbaren Einflußfaktoren erwecken, werden die meisten Entscheidungen über wichtige Verkehrsprojekte jedoch letzten Endes - und das durchaus nicht nur in Afrika - auf einer gesamtpolitischen Ebene

gefällt. Je nach konkreter Situation kann dies positiv oder negativ bewertet werden. In bestimmten Fällen ist es eben unbedingt notwendig, daß eine langfristig-strategische po- litische Gesamtsicht sich durchsetzen kann gegenüber tendenziell immer etwas engstirni- gen ökonomischen Rechenkünsten; bei Anwendung heutiger Kosten-Nutzen- Analysen wären die großen afrikanischen Erschließungsbahnen in den ersten Phasen der Kolonial- zeit wohl nie gebaut worden - die Investitionsentscheidungen beruhten lediglich auf sehr

generellen und vagen Erwartungen bezüglich des potentiellen Verkehrsaufkommens, das durch den Bau der Bahnlinien induziert werden könnte7. Andererseits haben aber gerade aufwendige Verkehrsprojekte eine besondere Attraktivität auf viele Politiker, da sie zu- nächst einmal als Beweis für die Aktivitäten der jeweiligen Regierung gut geeignet und meist auch populär sind. Hier ergibt sich leicht die Gefahr einer auf reines Prestigedenken ausgerichteten, volkswirtschaftlich sinnlosen Vergeudung von knappen Ressourcen durch übermäßig hohe Investitionen für Verkehrsprojekte. Es ist bekannt, daß diese Art öffentlicher Fehlinvestitionen im Verkehrsbereich besonders häufig anzutreffen ist, da im

Gegensatz zu anderen Bereichen das Ausmaß der falschen Mittelallokation nicht so of- fensichtlich deutlich wird und es daher nur äußerst selten Sanktionsmechanismen gegen falsche Investitionsentscheidungen im Verkehrssektor gibt8. Zur Abwehr allzu willkürli- cher Entscheidungen dieser Art haben die auf die Berechnung des ökonomischen Nut- zens ausgerichteten Projektstudien natürlich dann doch eine wichtige Funktion.

6 Dies fordert besonders vehement Voigt, F.: Die volkswirtschaftliche Bedeutung des

Verkehrssystems. Berlin 1960, S. 312 und ders. : The Importance of the Transport System for Economic Development Processes. E/CN.14/CAP/39, UN-ECA, Addis Abeba 1967. Vgl. hierzu auch die Einleitung von Hoyle zu seinem Sammelband und das Schlußkapitel

von Hofmeier, R.: a. a. O., S. 405 - 415. 7 Bezüglich der britischen Uganda-Bahnli-

nie vgl. etwa van Dongen, I.: The British East Africa Transport Complex. Chicago 1954, S. 25.

8 Dies wird besonders hervorgehoben von Hirschmann, A. : Die Strategie der wirtschaftli- chen Entwicklung, Stuttgart 1967, S. 79.

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DIE HISTORISCHE HERAUSBILDUNG NATIONALER VERKEHRSNETZE

Die bisher angesprochenen allgemeinen Aspekte von Problemen der Verkehrsplanung und der Entwicklung des Verkehrssektors gelten mehr oder weniger gleichermaßen für alle Länder in Afrika; im Hinblick auf die konkreten Fortschritte bezüglich eines Aus- baus des jeweiligen nationalen Verkehrswesens ergeben sich allerdings bereits sehr erheb- liche Differenzierungen zwischen verschiedenen Ländern oder Ländergruppen. Generell typisch für die Verkehrspolitik der Kolonialmächte in allen afrikanischen Ländern war die von einigen Hafenstädten an der Küste ausgehende verkehrsmäßige Erschließung des unmittelbaren Hinterlandes in der jeweiligen Kolonie, in der ersten Phase weitgehend durch Bahnlinien und später ergänzt durch den Bau von Straßen. Innerhalb der einzelnen Kolonien und späteren unabhängigen Staaten wuchsen die verschiedenen isolierten Ver- kehrsadern erst allmählich in einem langsamen Prozeß enger zusammen und bildeten ein mehr oder weniger zusammenhängendes integriertes Verkehrssystem9. Sowohl in der Phase der Kolonialherrschaft wie auch nach der Unabhängigkeit war die Verkehrspolitik vorwiegend auf die jeweiligen lokalen Bedarfe des einzelnen Landes und hier auch häufig nur einiger bereits besser entwickelter Regionen ausgerichtet. Größere zusammenhän-

gende und mehrere Länder umfassende Verkehrssysteme konnten hierbei in den meisten Fällen nicht entstehen. Dies wird besonders deutlich bei den vielen auch heute noch un- verbunden nebeneinander bestehenden nationalen Eisenbahnnetzen mit unterschiedli- chen Spurweiten und auch anderweitig verschiedenen technischen Systemen (Bremsen, Kupplungen)10, in etwas weniger krassem Ausmaß aber ebenso bei einer Betrachtung der auf einem hochwertigen Ausbaustandard befindlichen Hauptstraßennetze11. Nur in ei-

nigen Regionen, in denen mehrere benachbarte Länder derselben Kolonialmacht unter- standen, entstanden Ansätze zu einem länderübergreifenden Verkehrsverbund (beson- ders im Maghreb, in Ostafrika und in Zentral- und Südafrika, dagegen nur rudimentär in Französisch West- und Äquatorialafrika). In der ersten Phase nach der Unabhängigkeit wurden die diesbezüglichen Kooperationsansätze - von wenigen Ausnahmen abgesehen - dann aber eher wieder reduziert, da jeder neue Nationalstaat sich zunächst ausschließ- lich auf die vordringlichen Bedürfnisse des eigenen Landes konzentrierte.

Für jeden jungen Staat mußte es ein wichtiges Primat seiner gesamten Politik sein, die nationale Integration im ökonomischen wie im politisch-gesellschaftlichen Bereich wei- ter auszubauen und zu festigen, denn auf Grund der gesamten Kolonialgeschichte und der willkürlichen Grenzziehungen war der diesbezügliche Zusammenhalt der einzelnen Länder ja nur sehr schwach entwickelt. Eine ganz wesentliche Voraussetzung für ein en-

geres Zusammenwachsen der jeweiligen Nation bildete dabei der Ausbau der physischen verkehrsmäßigen Infrastruktur, die erst eine erhöhte Mobilität der Bevölkerung inner- halb des Landes erlaubt12.

Bei einem kursorischen Überblick über die Verhältnisse in den einzelnen Ländern des Kontinents zeigt sich, daß heute äußerst signifikante Unterschiede in bezug auf die Errei-

9 Vgl. hierzu die unter Fußnote 5 aufge- führten Studien.

10 Neben Heinze, W.: a. a. O. bietet einen noch immer gültigen Überblick Kämpfe, K.: Vereinigung afrikanischer Eisenbahnen. - In: Afrika Spectrum 5 (1970) 1, S. 13 - 33. Dieser basiert auf einer detaillierten Studie für die ECA: Technical and Economic Study of Rail- way Linkages in the African Region. E/CN.14/TRANS/WP 25, Addis Ababa 1966.

11 Vgl. den folgenden Aufsatz in diesem Heft von Hofmeier, R. : Die Transafrikastraßen - Stand der Planung und Realisierung.

12 Durch die Ermittlung eines sogenannten Konnektivitätsindex läßt sich wenigstens grob schematisch die Intensität des Verknüpfungs- oder Integrationsgrades verschiedener Ver-

kehrssysteme messen. Vgl. hierzu Kansky, K. J.: Structure of transport networks, relation-

ships between network geometry and regional characteristics. Chicago 1963. Dies ließe sich

übrigens auch von einer ausschließlichen Be- trachtung nationaler Verkehrssysteme auf sol- che im regionalen und kontinentalen Rahmen

übertragen.

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chung eines qualitätsmäßig einigermaßen ausgebauten und tatsächlich integrierten natio- nalen Verkehrssystems festzustellen sind. Abgesehen von den diesbezüglich überdurch- schnittlich guten Verhältnissen in allen fünf Mittelmeerländern (Marokko, Algerien, Tu- nesien, Libyen, Ägypten) und in Namibia, Rhodesien/Zimbabwe und der Republik Süd- afrika haben durch beachtliche Verkehrsinvestitionen seit der Unabhängigkeit vor allem Kenia, Nigeria und die Elfenbeinküste, in etwas geringerem Ausmaß auch Senegal und Sambia das nationale Verkehrssystem außerordentlich stark verbessern können. Ganz besonders ungenügend sind demgegenüber heute immer noch die Verhältnisse im Sudan, in Zaire und in den meisten frankophonen Ländern der Sahelzone und Äquatorialafrikas.

VERGLEICH DER ENTWICKLUNGSEFFEKTE VON HAUPTSTRASSEN UND BAHNLINIEN

Entscheidenden Anteil an der merklichen Verbesserung der nationalen Verkehrssituation in den angeführten Ländern hatte vorwiegend der Ausbau des Systems von Hauptstra- ßen, meist durch Asphaltierung dieser Straßen, da dies eine signifikante Erhöhung der Leistungsfähigkeit darstellt und vor allem ganzjährige Befahrbarkeit garantiert. Um eini- ges geringer zu veranschlagen ist dagegen der allgemeine wirtschaftliche Entwicklungsef- fekt der meisten während der letzten zwei Jahrzehnte neu gebauten Verlängerungen von existierenden Bahnlinien in bis dahin noch nicht erreichte Landesteile. Alle vorliegenden Untersuchungen weisen darauf hin, daß etwa die Ausdehnung der Bahnlinien nach West- und Nord-Uganda (Kasese, Pakwach), West- und Süd-Sudan (Nyala, Wau), Nordost- Nigeria (Maiduguri) und Nord- Kamerun (Ngaoundere) kaum für die Gesamtqualität der

jeweiligen nationalen Transportsysteme besonders bedeutenswerte Effekte hervorgeru- fen hat. Gegenüber dem Straß envehkehr hat die Bahn eine geringere Einsatzflexibilität und vor allem eine wesentlich geringere Flächendeckung. Wieder ganz anders stellt sich die Situation natürlich dar in bezug auf solche Bahnlinien, die speziell für einen bestimm- ten Zweck gebaut wurden, meist für den Abtransport von Mineralien aus neu zu erschlie- ßenden Bergbaubetrieben (z. B. Liberia, Mauretanien und die gegenwärtig im Bau be- findliche Transgabunbahn). In diesen Fällen ist die Bahnlinie unerläßliche Voraussetzung für den Abtransport großer Mengen eines Massengutes ; sie hat damit ihren Zweck erfüllt, auch wenn die übrigen Entwicklungsauswirkungen auf die jeweilige Region gering blei- ben13.

Kostengünstige Hauptverkehrsadern - ob nun eine Bahnlinie oder eine gut ausgebaute Asphaltstraße - sind jedenfalls unbedingt lebenswichtig für küstenferne Länder und für solche Regionen innerhalb großer Länder, die weitab von den Häfen des eigenen Landes sich befinden. Nur bei Verfügbarkeit solcher Verkehrsmittel, die eine möglichst geringe Kostenbelastung pro transportierter Mengeneinheit und Entfernungseinheit zulassen, ist es möglich, ein anderweitig möglicherweise vorhandenes reiches Entwicklungspotential in bezug auf natürliche Ressourcen in solchen Regionen auch tatsächlich auszuschöpfen. Dabei scheinen neue Bahnlinien heute nur noch dann gerechtfertigt zu sein, wenn ein ge- wisses Mindesttransportvolumen14 tatsächlich von Anfang an konkret gesichert ist, etwa durch die Tätigkeit eines Bergbaubetriebes oder das bereits erfaßbare Außenhandelsvo-

13 Zu den Auswirkungen neuerer Bahnli- nien vgl. O'Connor, A. M.: Recent Railway Construction in Tropical Africa. - In: Trans-

port in Africa. Proceedings of a Seminar held in the Centre of African Studies, University of

Edinburgh, 1969 (wieder abgedruckt in Hoyle, B.S.(ed.),a. a. O.,S. 139-150) und Due,J. F.: Some observations on rail and road tränsport in Commonwealth Tropical Africa. Institute for

Development Studies, Nairobi 1977 (= Discus- sion Paper No. 257). Einen Überblick über den Stand des Eisenbahnbaus in Afrika bietet Indu- stries et Travaux d'Outre-Mer 23 (Dez. 1975) 265.

14 Dieses könnte bei grober Schätzung bei

heutigen Kosten vielleicht bei rund 0,5 Mio.

Jahrestonnen liegen.

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lumen eines meerfernen Landes oder einer geographisch isolierten Region. Generelle Hoffnungen auf den allgemeinen Stimulierungseffekt einer Bahnlinie, die in eine als po- tentiell entwicklungsfähig angesehene ländliche Region vorangetrieben wird, sind dage- gen heute auf Grund der verschiedentlich gemachten Erfahrungen nicht mehr aufrecht zu halten.

DIE POLITISCHE KOMPONENTE DER VERKEHRSVERBINDUNGEN VON BINNENLÄNDERN

Für Länder ohne eigenen direkten Zugang zum Meer erhält das Problem der schwierigen Verkehrsverbindungen noch eine zusätzliche, primär politische Komponente. Diese Länder sind völlig auf die Abwicklung ihres Transitverkehrs durch ihre Nachbarländer angewiesen15. Trotz internationaler Abmachungen und Gepflogenheiten zu diesem Themenkomplex besteht diesbezüglich ein ausgesprochenes Unsicherheitsmoment für jede Regierung eines meerfernen Landes, vor allem auch in Anbetracht der häufigen Re- gierungswechsel in vielen afrikanischen Ländern und der schwer vorauszuschätzenden, teilweise recht erratischen Verhaltensweisen einiger politischer Führer. Jedes meerferne Land muß daher ein grundlegendes Interesse daran haben, sich möglichst viele Optionen für verschiedene Verkehrsverbindungen zum Meer zu erhalten bzw. überhaupt erst auf- zubauen, denn zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehende freundschaftliche Beziehun- gen zu einzelnen Nachbarländern können sich jederzeit drastisch verändern und dies kann dann plötzlich zu wirklich bedrohlichen Schwierigkeiten führen. Diese Grundfra- gen der Erhaltung der nationalen Unabhängigkeit und der Sicherung eines ausreichenden Manövrierspielraums betreffen letzten Endes rein politische Kategorien und können nicht mit ausschließlich ökonomischen Kriterien gemessen werden. Es gibt daher immer wieder Situationen, in denen die beiden unterschiedlichen Betrachtungsweisen in Kon- flikt geraten : aus rein ökonomischer Sichtweise mögen existierende Verkehrsadern völlig ausreichend sein, doch bei Berücksichtigung der politischen Faktoren kann sich der Bau von neuen Verkehrssachen einfach als notwendig erweisen, auch wenn dies insgesamt zu einer überhöhten und als Gesamtheit dann nicht mehr voll ausgelasteten Transportkapa- zität führt.

Den klassischen Fall in dieser Beziehung stellt der Bau einer Eisenbahnverbindung zwischen Tansania und Sambia (Tanzam-Bahn) dar16. Mitte der 60er Jahre, speziell nach der einseitigen Unabhängigkeitserklärung Rhodesiens Ende 1965, zeichnete sich klar ab, daß durch die Verschärfung der politischen Spannungen im südlichen Afrika Sambia zu- nehmend in eine isolierte Lage geraten werde, die bei seiner verkehrswirtschaftlichen Orientierung als signifikantes Faktum zu berücksichtigen war. Dennoch wurden ver- schiedentliche Anträge Sambias und Tansanias für den Bau einer Bahnverbindung vom sambischen Kupfergürtel nach Dar es Salaam von der Weltbank und den Regierungen der westlichen Industriestaaten stets abgelehnt mit der vorwiegend ökonomischen Begrün- dung, daß die vorhandenen Bahnlinien durch Rhodesien, Mozambique und Angola ge- nügend Transportkapazitäten böten und daher der Bau einer neuen Linie wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen sei. Daß Sambia mit seiner hochentwickelten Kupferindustrie auf

1 5 Die speziellen Probleme von Binnenlän- dern in Afrika sind zusammenhängend abge- handelt in dem Sammelband von Cervenka, Z.

(Ed.): Land-locked countries in Africa. Uppsala 1973.

16 Zu Hintergrund und Entstehungsge- schichte der Tanzam-Bahn vgl. vor allem Hae- fele, E. T., E. B. Steinberg: Government Con- trols of Transport - An African Case. Washing-

ton 1965; Bailey, M.: Freedom Railway. Lon- don 1976; Hall, R., H. Peymann: The Great Uhuru Railway. London 1976; Tschakert, H.: Verkehrsströme, Infrastruktur und Koopera- tion in der Konfliktregion Südliches Afrika - unter besonderer Berücksichtigung von Sambia und Botswana. Hamburg 1977 (= Arbeiten aus dem Institut für Afrika- Kunde, H. 11).

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den Bahntransport zum Meer angewiesen war, war unbestritten; nur war man von Seiten der westlichen Regierungen und Finanzinstitutionen nicht bereit, den vorwiegend politi- schen Aspekt der Angelegenheit mit einer entsprechenden Gewichtung zu berücksichti- gen. Schließlich übernahm die Volksrepublik China - zu außerordentlich günstigen Be- dingungen - Bau und Finanzierung der Tanzam-Bahn; in Anbetracht der seither einge- tretenen Entwicklungen kann heute festgestellt werden, daß dies eine ausgesprochen weitsichtige Entscheidung war. Trotz der gegenwärtig bestehenden Operationellen Pro- bleme muß die Tanzam-Bahn ohne Zweifel insgesamt als Erfolg bewertet werden. Sie ermöglicht Sambia in einer insgesamt sehr schwierigen Situation wenigstens eine erheb- lich erhöhte Flexibilität in bezug auf die Abwicklung seiner Außenwirtschaftsbeziehun- gen; außerdem sind deutliche positive Auswirkungen für die allgemeine Wirtschaftsent- wicklung im Südwesten Tansanias unverkennbar, wenn auch ähnliche Effekte in dem durchquerten Landes teil von Sambia nur in sehr viel geringerem Maße festzustellen sind. Die damalige Ablehnung durch die Weltbank wird noch heute von den führenden Politi- kern in Tansania und Sambia als ein ausgesprochener Affront des Westens gegen die ange- strebte Erreichung eines höheren Grades an wirtschaftlicher und damit verbunden natür- lich auch politischer Unabhängigkeit empfunden; die damals gemachte Erfahrung ist durchaus nicht vergessen und spielt bei der Einschätzung der Weltbank eine beachtens- werte Rolle, auch wenn beide Länder seit Jahren in vielen Sektoren erhebliche Unterstüt-

zung durch Weltbank-Projekte erhalten und davon abhängig sind. Es mutet allerdings etwas absurd an, wenn aus führenden Weltbankkreisen heute zu hören ist, die ganze An-

gelegenheit sei ja letztlich für alle Beteiligten sehr positiv gelaufen, denn zu so günstigen Bedingungen wie die Chinesen habe ein westliches Konsortium die Bahn niemals bauen können ; durch die Ablehnung der Weltbank sei die Bahn also für Tansania und Sambia im Endeffekt erheblich billiger geworden17.

Ähnliche, allerdings weniger spektakuläre und nicht so ausgiebig publizierte Fälle gibt es auch noch in anderen Ländern. So gehört in diesen Zusammenhang auch der Ausbau der Straßenverbindung zwischen Botswana und Sambia18. Traditionell ist Botswana wirtschaftlich und verkehrsmäßig ausgesprochen eng verknüpft mit Südafrika und Rho- desien; ein nennenswerter Handelsaustausch mit Sambia oder anderen Ländern im Nor- den existiert bisher nicht. Um sich aus der starken Umklammerung durch die weißen Minderheitenregime im südlichen Afrika zu lösen und mehr politischen Bewegungsspiel- raum zu erhalten, wollte Botswana nun als einzige direkte Verbindungsader zum unab- hängigen Schwarzafrika eine Straße von Francistown zur Kazungula-Fähre über den Sambesi an der gemeinsamen Grenze mit Sambia bauen, obwohl bei Anlegung der übli- chen rein wirtschaftlichen Kriterien keine Rechtfertigung hierfür zu erwarten war. Doch bis Anfang der 70er Jahre hatte sich offensichtlich auch bei den westlichen Regierungen allmählich eine politischere Betrachtungsweise solcher Verkehrsinvestitionen durchge- setzt, denn die USA übernahmen nun den überwiegenden Anteil der Finanzierung der Botzam-Straße (weitere Beiträge kamen von Kanada, Dänemark, Norwegen und der

Bundesrepublik). Als Allwetterschotterstraße wurde die Verbindung von Kazungula nach Nata Anfang 1977 fertiggestellt, das Anschlußstück bis nach Francistown konnte

wenige Monate später als Asphaltstraße eingeweiht werden; eine durchgehende Asphal- tierung auch des nördlichen Abschnitts soll in nächster Zeit abgeschlossen werden.

Das kleine Binnenland Rwanda wickelte seine außenwirtschaftlichen Beziehungen bisher ganz überwiegend auf dem Weg durch Uganda und Kenia über den Hafen Mom- basa ab, nur zu einem kleinen Teil über die wesentlich umständlichere Strecke durch Bu- rundi, über den Tanganyika-See und auf der tansanischen Zentralbahn nach Dar es Sa- laam. Seit der Machtübernahme von Idi Amin in Uganda hat Rwanda mehrmals in unan-

17 Mündliche Äußerungen von Angehöri- gen der Weltbank.

18 Vgl. hierzu Tschakert, H.: a. a. O. und Burgess, J.: Interdependence in Southern Afri-

ca. Trade and transport links in South, Central and East Africa. London 1976 (= EIU Special Report No. 32).

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genehmster Weise seine starke Abhängigkeit von und Ohnmacht gegenüber den Verhält- nissen in diesem wichtigen Nachbarland zu spüren bekommen. Immer wieder einmal war der Transitverkehr durch Uganda für einige Zeit ganz gesperrt19. Obgleich nach reinen

Kostengesichtspunkten die Strecke über Uganda nach Mombasa eindeutig die günstigste ist - zu diesem Zweck ist auch mit Weltbankmitteln die direkte Straße von Kigali zur

ugandischen Grenze asphaltiert worden -, so erwies es sich doch aus übergeordneten strategischen Überlegungen als unvermeidlich, alternative Optionen zur Abwicklung der Außenbeziehungen aufzubauen. Hierzu bot sich vor allen Dingen der Bau einer - bisher nicht vorhandenen - direkten Straßen Verbindung nach Tansania an. Aus eigenen Mitteln beider Länder wurde 1972 eine Brücke über den Grenzfluß Rusumo fertiggestellt. In den darauffolgenden Jahren baute die VR China eine Asphaltstraße von Kigali bis zu dieser Brücke. Auf tansanischer Seite wird gegenwärtig aus Mitteln des EG- Entwicklungsfonds eine asphaltierte Straßenverbindung bis zur nächsten größeren Hauptstraße gebaut, die

Hoffnung auf eine Fortführung bis zur Station Isaka an der Bahnlinie Mwanza-Tabora ist

allerdings auf absehbare Zeit recht gering. Eine Abwicklung des rwandischen Frachtver- kehrs ist in sehr begrenzten Umfang bereits möglich, allerdings zu wesentlich höheren Kosten als auf den eingespielten Standardrouten. Als - wenn auch kostenspielige - Alter- native zur starken Abhängigkeit von einer bestimmten Route wird diese neue Verkehrs- ader ihren Zweck jedoch offensichtlich erfüllen. Auch hier stand die politische Kompo- nente über einem rein ökonomischen Vergleich der verschiedenen zur Verfügung stehen- den Verkehrswege.

DER POLITISCHE STELLENWERT VON ÜBERNATIONALEN VERKEHRSVERBINDUNGEN

Die strategische Bedeutung von großen Verkehrsadern für gesamtpolitische Konzepte kann nach den bisherigen Ausführungen offensichtlich als unbestreitbar angenommen werden. Dies gilt nicht nur für den nationalen Bereich, wo die Existenz hochwertiger Verkehrs Verbindungen ein wichtiges Element für eine interne Integration der jeweiligen Volkswirtschaft und Gesellschaft darstellt, und für den zuletzt angesprochenen Bereich der Aufrechterhaltung verschiedener Optionen zwecks vitaler Existenzsicherung von isolierten Binnenländern, sondern dies gilt ebenso - und hier vielleicht nach außen hin noch deutlicher - in bezug auf übernationale Aspekte20. Große regionale oder gar trans- kontinentale Verkehrsachsen scheinen - zumindest auf den ersten Blick - besonders gut dafür geeignet zu sein, ein engeres Zusammenwachsen der vielen zersplitterten Länder auf dem afrikanischen Kontinent wirkungsvoll zu unterstützen. Wie weit dies in Praxis der Fall ist und welche Erwartungen an eine Realisierung der verschiedenen tr ans afrikani- schen Verkehrsvorhaben geknüpft werden können, wird an anderer Stelle näher zu un- tersuchen sein21.

Große transkontinentale Verkehrsverbindungen haben offensichtlich schon immer in besonderem Maße die Phantasie angeregt. Man denke etwa nur an den Transamerikani- schen Highway von Alaska bis Feuerland oder an die verschiedenen Konzepte einer Transasiatischen Straßenverbindung vom Bosporus bis nach Hinterindien. Auch in Afrika hat der Traum von einer ganz Afrika durchquerenden zusammenhängenden Landverbindung schon lange in den Köpfen vieler Menschen herumgespukt, allerdings

1 9 Vgl . die Presseberichterstattung im März 1979 über ernsthafte Versorgungsschwierigkei- ten in Burundi und Rwanda als Folge des Krie-

ges zwischen Tansania und Uganda. 20 Die strategische Bedeutung von Ver-

kehrsadern wird - allerdings unter erheblicher

Vernachlässigung der ökonomischen Aspekte -

ganz besonders stark herausgestellt von Arnold, G., R. Weiss: Strategie Highways of Africa. London 1977.

21 Siehe den folgenden Aufsatz in diesem Heft von Hofmeier, R. : Die Transafrikastraßen - Stand der Planung und Realisierung sowie auch den Aufsatz von Voss.

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zunächst lange Zeit unter kolonialistischen Vorzeichen vor dem Hintergrund der Erwar- tungen von großen zusammenhängenden Kolonialreichen. Zweifellos am bekanntesten

geworden ist die diesbezügliche Zielvorstellung von Cecil Rhodes von einer durchgehen- den Bahnverbindung vom Kap (der guten Hoffnung) nach Kairo. Aber auch eine mo- derne Verkehrsverbindung durch die Sahara hat schon früh und dann immer wieder auf's neue die Gemüter bewegt. In den ersten Phasen der Kolonialzeit war hiermit der Ge- danke an durchgehende Eisenbahnlinien verbunden gewesen, während heute in diesem Zusammenhang stets von großen Straßenverbindungen ausgegangen wird. Im gewissen Umfang hatten die führenden Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien wenig- stens in einigen Subregionen des Kontinents in Ansätzen zusammenhängende Verkehrs- netze schaffen können, so vor allem im südlichen und zentralen Afrika, in Ostafrika und im Maghreb, doch zu gesamtafrikanischen Verkehrskonzepten kam es schon auf Grund der kolonialen Rivalitäten nicht. Somit war die Ausgangssituation zum Zeitpunkt der Unabhängigkeitswelle der meisten afrikanischen Staaten etwa um das Jahr 1960 nach wie vor gekennzeichnet durch eine Zersplitterung voneinander getrennter nationaler, besten- falls regionaler und meist völlig unzureichend entwickelter Verkehrssysteme.

TRANSAFRIKANISCHE VERKEHRSVERBINDUNGEN ALS VORAUSSETZUNG FÜR EINE VERSTÄRKTE KOOPERATION DER AFRIKANISCHEN STAATEN

Nachdem die Mehrheit der afrikanischen Länder bis Anfang der 60er Jahre ihre politische Unabhängigkeit erreicht hatte, wurde diesen der nahezu vollständige Mangel an unter- einander bestehenden Kommunikationseinrichtungen eindringlich bewußt. Dies manife- stierte sich besonders kraß in den vorwiegend auf die ehemaligen Metropolen ausgerich- teten Flug- und Telekommunikations Verbindungen, ohne daß es direkte Verbindungen zwischen unmittelbaren Nachbarländern gab. Aber auch in bezug auf den Schienen- und Straßenverkehr war die Situation nicht viel anders. Daraus erwuchs der sich allmählich immer stärker artikulierende Wunsch, diese kolonial ererbten Strukturen zu überwinden und graduell auf eine engere Verknüpfung der nationalen Transportsysteme hinzuarbei- ten. Weit stärker als die Organisation of African Unity (OAU) betätigte sich in dieser Be-

ziehung recht konkret die Economic Commission for Africa (ECA) der Vereinten Na- tionen, die durch Studien und Einberufung von Koordinierungsgremien zunächst über- haupt erst die Voraussetzungen für ein engeres Zusammengehen im Verkehrsbereich zwischen den verschiedenen Ländern schaffen mußte22.

Die Bemühungen für eine engere Verbindung der nationalen Verkehrssysteme und die angestrebten Absprachen zur Vereinheitlichung bisher noch stark voneinander abwei- chender rechtlicher und technischer Vorschriften stellen konkrete Schritte dar innerhalb des großen Komplexes der Süd-Süd-Bezeichnungen und der Anstrengungen, die im Hinblick auf die allmähliche Erreichung einer gemeinschaftlichen Politik der Kollektiven „Self-Reliance" der afrikanischen Länder erforderlich sind23. Insgesamt sind in nahezu allen Bereichen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens die Beziehungen der afrikani- schen Länder untereinander vorläufig noch ausgesprochen wenig entwickelt; von einer tatsächlich bewußt betriebenen Politik der kollektiven ,, Self-Reliance" kann zweifellos bisher noch nicht die Rede sein. Manchmal sind sogar eher Rückschläge gegenüber einem bereits erreichten Zustand der Kooperation festzustellen, wie z.B. der Zusammenbruch

22 Ebenda. 23 Eine übersichtliche Gesamteinführung

zu diesem Themenkomplex bieten Khan, K. M., V. Matthies (Hrsg.): Collective Self-Re- liance: Programme und Perspektiven der Drit- ten Welt. Einführung und Dokumente. Mün-

chen-London 1978. Eine ausführlichere Dar- stellung der Problematik gibt Matthies, V.:

Süd-Süd-Beziehungen und Kollektive „Self- Reliance". - In: Verfassung und Recht in Über- see (Hamburg) 11 (1978) 1, S. 59-87.

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der Ostafrikanischen Gemeinschaft. Dennoch ist - trotz aller nationalstaatlichen Eifer- süchteleien und egoistischer Durchsetzung von handfesten Eigeninteressen - überall in Afrika immer wieder der grundsätzliche Wille zu einer engeren Zusammenarbeit und das starke Gefühl eines gemeinsamen Schicksals deutlich zu spüren. Für jegliche bescheidene Erzielung konkreter Fortschritte in dieser Richtung bildet die Intensivierung der gegen- seitigen Verkehrsverbindungen und die Schaffung durchgehender transafrikanischer Verkehrsachsen eine ganz wesentliche und unverzichtbare Grundvoraussetzung. Ebenso wie im nationalen Bereich die Schaffung eines leistungsfähigen und integrierten Ver- kehrsnetzes eine notwendige Grundbedingung für die Verfolgung einer binnenmarkto- rientierten und autozentrierten Entwicklungsstrategie ist, so ist im kontinentalen Kon- text der systematische Ausbau der zwischenstaatlichen Verkehrsverbindungen eine un- abdingbare Notwendigkeit für jede über rein verbale Bekenntnisse hinausgehende pana- frikanische Politik.

SCHWIERIGKEITEN FÜR EINE BALDIGE REALISIERUNG GROSSER TRANSAFRIKANISCHER VERKEHRSACHSEN

Einer zügigen Verwirklichung derartiger Zielvorstellungen stehen jedoch ganz gewaltige praktische Hindernisse im Wege, die vorwiegend mit der Einschätzung der ökonomi- schen Rentabilität bei Zugrundelegung der gegenwärtig gegebenen Ausgangsbedingun- gen und mit der Langfristigkeit der erhofften positiven Effekte zusammenhängen, die kaum in ein quantitatives Kosten-Nutzen- Kalkül einzubeziehen sind. Zwar haben zwi- schenstaatliche und gar transkontinentale Verkehrsverbindungen auf den ersten Blick eine natürliche Attraktivität für die beteiligten Regierungen und für internationale Finan-

zierungsinstitutionen (wie z. B. die African Development Bank oder den EG-Entwick- lungsfonds, von dem seit dem Lome- Abkommen 10 % der Mittel speziell für sogenannte Regionalprojekte verwendet werden, wovon die Mehrzahl sich auf den Verkehrsbereich bezieht), doch werden die konkreten Investitionsentscheidungen weitgehend von der Einschätzung der unmittelbaren ökonomischen Rentabilität jedes einzelnen zur Debatte stehenden Teilabschnitts abhängig gemacht. Bei dieser Betrachtungsweise schneiden

häufig gerade die grenzüberschreitenden Abschnitte besonders ungünstig ab, da hier das bestehende Verkehrsvolumen üblicherweise besonders niedrig ist, denn die Verkehrs- ströme sind auf die jeweiligen Wirtschafts Zentren der einzelnen Staaten hin orientiert24. Eine Ausnahme ergibt sich lediglich in den Fällen, in denen über eine bestimmte Ver- kehrsachse der Transitverkehr für ein oder mehrere Binnenländer abgewickelt wird; hier fallen meist erhebliche Verkehrsvolumen an und es besteht daher ein rein ökonomisch begründbarer Sachzwang zu einer entsprechend hochwertigen Ausgestaltung der fragli- chen Verkehrsverbindung.

Anders sieht es jedoch in der großen Mehrzahl der Fälle aus. Die unmittelbaren Grenzgebiete zwischen zwei Ländern sind häufig dünn besiedelt, wegen weitgehend ähn- licher landwirtschaftlicher Strukturen gibt es auch noch kaum einen sich ergänzenden Handelsaustausch über die Grenzen hinweg. Zusätzlich werden möglicherweise auch noch bereits vorhandene Ansätze aus protektionistischen Gründen oder zur Abwehr von Schmuggel unterbunden. Bei einer derartigen Ausgangssituation mit einem gegenwärtig minimalen grenzüberschreitenden Verkehrsvolumen gibt es natürlich bei ausschließli- cher Anlegung rein ökonomischer Kriterien keinen überzeugenden Grund für einen teu- ren Ausbau dieser Verkehrs Verbindungen.

24 Vgl. die diesbezüglichen Erfahrungen der Weltbank, dargestellt von Willoughby, Ch.: La Banque Mondiale et la construetion

routiere en Afrique. - In: Le Courrier (März-April 1979) 54, S. 79-81.

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Ähnlich sieht es aus bei Betrachtung der vorgesehenen großen transafrikanischen Ver- kehrsachsen. Diese sollen möglichst viele Länder und Schwerpunkte der Bevölkerungs- konzentration und fortgeschrittener wirtschaftlicher Aktivitäten miteinander verbinden. Doch dazu müssen sie zwangsläufig große Strecken extrem dünnbesiedelter und wirt- schaftlich nur wenig nutzbarer Gebiete durchqueren. Auch bei vollwertigem Ausbau der Transkontinentalstraßen ist kaum mit einem nennenswerten Langstreckendurchgangs- verkehr zu rechnen, vor allem nicht in bezug auf Massengutverkehr. Für den Gütertrans- port zwischen weit voneinander entfernten Endpunkten (z. B. zwischen Mombasa und Lagos) würde wahrscheinlich in den meisten Fällen der Seetransport immer noch den Vorzug vor einem LKW-Transport auf dem Landweg erhalten. Dies bedeutet, daß das zu erwartende Verkehrsvolumen des Durchgangsverkehrs auf den transafrikanischen Rou- ten nicht allzu hoch angesetzt werden sollte. Auf solchen Streckenabschnitten, auf denen auch die nationale und lokale Verkehrsdichte nur äußerst gering ist, scheint damit dann wieder die ökonomische Rechtfertigung für einen durchgehenden Ausbau dieser Routen hinfällig zu werden.

ERFORDERNISSE EINER LANGFRISTIGEN KONTINENTAL ORIENTIERTEN VERKEHRSPOLITIK

Bei der Erörterung einiger grundlegender Probleme in bezug auf die Einschätzung der

Realisierung der Transafrikanischen Verkehrsachsen zeigen sich im Grunde nur wieder die selben Zwiespältigkeiten wie weiter oben bei der Diskussion nationaler Verkehrspro- jekte. Die rein ökonomische - bei den meisten Investitionsentscheidungen in der Praxis dominierende - Betrachtungsweise reicht nicht aus, um die langfristigen Gesamtauswir-

kungen genügend zu beurteilen. Bessere zwischenstaatliche und transafrikanische Ver-

kehrsverbindungen sind eine Voraussetzung für eine langfristige engere wirtschaftliche und politische Kooperation der Staaten des Kontinents, auch wenn kurz- und mittelfri-

stig diese Verkehrsachsen nicht übermäßig ausgelastet sein werden und daher „unpro- duktiv" erscheinen mögen. Die Gestaltung eines übernationalen und kontinentalen Ver- kehrsnetzes hat langfristig prägende Auswirkungen auf die räumliche Wirtschafts- und Sozialstruktur des gesamten Kontinents. Daher sind entsprechende politische Entschei-

dungen erforderlich, um die Realisierung trans afrikanisch er Verkehrsachsen und die an-

gemessene Anbindung aller Staaten wirklich in die Tat umzusetzen. Analog zur Ver-

kehrspolitik im nationalstaatlichen Raum kann die Forderung aufgestellt werden, daß die

Entwicklung eines kontinentalen Verkehrssystems nicht dem freien Wirken der Markt- kräfte überlassen werden sollte, sondern daß hier durch politische Willensentscheidun-

gen entsprechende Vorgaben in bezug auf die Schaffung ausreichender Transportkapazi- täten geschaffen werden sollten, die zu einer ausgewogenen räumlichen Struktur der ein- zelnen Subregionen und des Gesamtkontinents beitragen können. Gleichzeitig muß aber davor gewarnt werden, entsprechend diesen Forderungen mehr oder weniger unbegrenzt hohe Investitionen in transafrikanische Verkehrsprojekte zu tätigen. Schließlich muß immer eine - wenn auch im einzelnen nicht exakt zu quantifizierende - Balance zwischen der Förderung von Infrastruktur, sozialen Bereichen und direkt produktiven Aktivitäten

eingehalten werden. Letzten Endes darf nicht übersehen werden, daß die Existenz ausrei- chender Verkehrsverbindungen zwar eine notwendige Voraussetzung für die Intensivie-

rung jeglicher Beziehungen in allen ökonomischen und gesellschaftlichen Bereichen ist, daß aber die Schaffung eines Verkehrsnetzes eben doch nur Erlaubnischarakter hat. Die tatsächliche Nutzung der Verkehrsachsen wird abhängen von einer konkreten Auswei-

tung des gegenseitigen Handelsverkehrs, von einer allmählich zunehmenden Komple- mentarität der nationalen Industrie- und Landwirtschaftsstrukturen und von Fortschrit- ten im Hinblick auf einen inner afrikanischen Reiseverkehr.

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Summary

This article about the political economy oftransport projects in Africa attempts to give an assessment of the economky social and political effects ofmajor railway and road projects. Recent experiences about the relationship between expansion ofthe transport sector and socio-economic development are briefly reviewed. It ispointed out that there are widely differing perspectives ofassessing the impact oftrans- port projects: while economic analyses areprimarily concerned about measuring those costs and bene- fits that can be quantified within a reasonable time horizon, and while geographical and historical studies contribute towards a better understanding ofthe longer-term spatial effects ofvarious trans- port investments it should also be clear that many decisions about transport projects are infact almost exclusively based on largely political considerations. A de finite pattern ofthe gradual development of national transportation Systems both during the colonial andpost-colonialperiods is clearly discernible in most African countries, but a significant differentiation ofthe quality ofthe transport Systems be- tween some groups of countries begins to emerge. A comparison ofthe development impact ofmajor highways and of new railway lines shows that the effects of the construction of railway s are today much smaller than they were in the days ofthefirst colonial penetration lines. Special attention ispaid to the political aspects of the provision oftransport links for landlocke d countries; this is demonstrated based on the specific experiences of Zambia, Botswana and Rwanda.

Finally the political and economic value offorging multinational and transafrican transport link- ages ist elaborated upon byplacing this within the wider framework ofthe discussion ofworking to- wards a collective self-reliance and more effective south-south relations among the various African countries. Existing obstacles that are militating against an early attainment ofthese goals are, how- ever, also taken in consideration. In conclusion it is argued that - in analogy to transport policy on the national level- there is urgent needfor specific political decisions to be taken that can ensure the gra- dual emergence of a balanced transportation System on a continent-wide scale. The development of transafrican transportation arteries should not be entirely left to rather short-term economic consid- erations and to an exclusive reliance upon the effects ofthe free market forces. It must, nevertheless, be warned that the provision oftransport facilities can never have more than apurely permissive char- acter, i. e. permitting the interplay ofvarious economic, social and political forces. The actual realiza- tion of these potential developments is, however, outside ofthe immediate scope ofthe transport sec- tor.

Resume

Cet article sur Veconomie politique desprojets de transport en Afrique essaie de donner une Evaluation des effets economiques, sociaux et politiques des principaux projets ferroviaires et routiers. On passe rapidement en revue des experiences recentes ä propos de la relation entre V expansion du secteur des

transports et le development socio-economique. Il est signale qu'ily a des perspectives fort differentes dans lafacon dyevaluer Vimpact desprojets de transport: alors que les analyses economiques s'occupent avant tout de calculer les coüts etprofits quipeuvent etre quantifies ä Vinterieur d'un espace de temps raisonnable, et que les etudes geographiques et historiques contribuent ä mieux comprendre les effets spatiaux ä plus long terme de nombreux investissements dans les transports, il devrait aussi etre clair

que beaucoup de decisions concernant desprojets de transport sont en fait presqu'exclusivement fon- dees sur des considerations largement politiques. Un type defini de developpement progressif des sy- stemes de transport nationaux pendant les periodes ä la fois coloniale et post-coloniale est nettement discernable dans la plupart despays africains, mais une differenciation importante dans la quakte des systemes de transport commence ä apparaitre entre quelques groupes de pays. Une comparaison de Vimpact de developpement des routes prindpales et des nouvelles voiesferrees montre que les effets de la construction des chemins de fer sont aujourd'hui beaucoup moins importants qu'ils ne Vetaient du

temps des premieres lignes de penetration coloniales. Une attention speciale est accordee aux aspects politiques de la creation de liens de transport pour les pays coupes de la mer; ceci est demontre enpar- tant des experiences specifiques de la Zambie, du Botswana et du Rwanda.

Finalement la valeur politique et economique du developpement de liens de transport multinatio- naux et transafricains est etudiee en replaqant le tout ä Vinterieur du cadre plus large de la discussion d'oeuvrer vers une independance collective et vers des relations Sud-Sud plus efficaces entre les diffe- rents pays africains. Les obstacles s'elevant contre une rapide realisation de ces buts sont cependant

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egalement pris en consideration. En conclusion il est demontre - en analogie avec la politique des

transports au niveau national - quyil est absolument urgent de prendre des decisions politiques speci- fiques qui puissent assurer Vapparition progressive dyun Systeme de transport equilibre ä Vechelle du continent. Le developpement d'axes de transport transafricains ne devraitpas etre entierement Luisse ä des considerations economiques assez ä court terme et ä une confiance exclusive en les effets desforces du libre marche. On doit neanmoins signaler que la creation de moyens de transport ne peut jamais avoir plus qu'un caractere de pure permissiony cyest-ä-dire permettant Veffet reciproque des diffe- rentes forces economiques, sociales et politiques. La realisation actuelle de ces developpements pot- entiels n'entre cependant pas dans la competence immediate du secteur des transports.

DIE DRITTE WELT Herausgegeben von Wolfgang Slim Freund

in Zusammenarbeit mit Günter Endruweit und Dieter Goetze

Band 1, Heft 1 Arkady May: Technological Progressand Political Change C.A.O. van Nieuwenhuijze: Social Development and Non-Economic Factors of Development Robert Hettlage: Modernität als Post-Traditionalität - Aspekte partieller Modernisierung am Beispiel von Eisenstadts „Sozialismus und Tradition" J.O. Müller: Zur Soziologie der Bewässerung in Großprojekten - Analyse und Kritik einer sozialökologischen Problemlage im Gefolge wirtschaftlicher Entwicklung Friedrich Heckmann:, ,Rasse": sozialwissenschaftliche Kategorie oder politischer Kampfbe- griff? Francisco Zapata: Strikesand Political Systems in Latin America

Band 7, Heft 2 Hans Noak: ,AID\ The Helping Process Between the Developed and the Developing Worlds Th. Kempf, G. Link, C. Reichard, P. Wordelmann: Das Planspiel „Argus 2000" als Fortbil- dungsinstrument in der Verwaltungshilfe Herbert Kurze: Ungleichmäßigkeiten durch Diskriminierungen und Lücken in der Einkom- mensbesteuerung auf Barbados, Trinidad und Tobago und in Venezuela Rene König: Neue Linien in der Entwicklungspolitik für Indianer in den Vereinigten Staaten Michael Wolffsohn: Die Umwelt des gouvernementalen Antizionismus - Ein historisches Linkage

Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich. Abonnementspreis 88,- DM, Studentenabonnement 55,- DM, Einzelheft 24,- DM

Verlag Anton Hain • Meisenheim

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