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Aus dem Pharmakologisehen Institut der Universit~t Giegen. (Direktor: Prof. Dr. F. Hildebrandt.) Die Priifung der Analgetica im Tierexperiment mittels einer neuen Methode 1. Von F. Hildebrandt. Nit 8 Textabbildungen. (Eingegangen am 25. XI. 1933.) Die tierexperimentellen Prtifungsmethoden fiir analgetiseh wirkende Substanzen sind bisher wenig befriedigend, well sic verMltnismi~Big grob sind und keine irgendwie geartete Abstufung des Sehmerzreizes gestatten. Dies gilt sowohl fiir die yon Haffner e sowie Hesse a angegebene Methode, bei der als Test fiir den $chmerzreiz das Kneifen der Anal- sehleimhaut und Sehwanzwurzel bei der Maus verwandt wird, als aueh die yon Koehmann 4 -= Bertihren der Sehnauze mit einer gltihenden Nadel. Eine gewisse Abstufbarkeit des Reizes hat EddyS neuerdings dadareh zu erzielen versueht, da6 er als Sehmerzreiz den Druek auf das Sehwanzende der Katze anwandte. Die ])ruekst~rke kann dabei -- es wird eine Art Presse verwandt variiert werden und wird in Kilogramm ausgedriiekt. Wit haben es daher unternommen, eine neue Methode auszuarbeiten, die als Sehmerzreiz den Temperaturreiz verwendet und uns sehr be- friedigende Ergebnisse bei der Priifung analgetiseh wirkender Substanzen geliefert hat. Methode. Das Prinzip der 3/[ethode beruht darauf, da6 auf die iiu6ere Haut des l~Ieresehweinehens Bin Temperaturreiz yon bestimmter HShe aus- geiibt wird, der bei l~Tbersehreitung eines bestimmten Temperaturgrades eine Sehmerzempfinung und damit Abwehrreaktion auslSst. Die Methode sei in folgendem kurz gesehildert: Ausgewachsene lVIeersehweinehen werden am Tag vor dem u auf beiden Seiten der Lendenwirbelsgule mit einem Enthaarungsmittel enthaart. An dieser Stelle legt man zur Prtifung tier normalen Empfindliehkeit einen mit Wasser gef~illten und mit dnem Thermometer armierten Metallzylinder yon Reagenzglasform an. Man beginnt mit einer Wasserftil]ung von 40 ~ Zeigt das 1 Ausgefiihrt im Auftrag der Deu~schen Pharmakologischen Gesellsehaft mi~ Mitteln des Reichsministeriums des Innern. -- e Dtseh. meal. Wschr. 1929,731. -- a Arch. f. exper. Path. 158, 233 (1930). -- 4 Ebenda 162, 685 (1931). -- a a. Pharmacie 45, 339 (1932). Arehiv f. experiment. Path. u. Pharmakol. Bd. 174. ~7

Die Prüfung der Analgetica im Tierexperiment mittels einer neuen Methode

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Page 1: Die Prüfung der Analgetica im Tierexperiment mittels einer neuen Methode

Aus dem Pharmakologisehen Inst i tut der Universit~t Giegen. (Direktor: Prof. Dr. F. H i l d e b r a n d t . )

Die Pri i fung der Analget ica im Tierexperiment mittels einer neuen Methode 1.

Von F. Hildebrandt.

Nit 8 Textabbildungen.

(Eingegangen am 25. XI. 1933.)

Die tierexperimentellen Prtifungsmethoden fiir analgetiseh wirkende Substanzen sind bisher wenig befriedigend, well sic verMltnismi~Big grob sind und keine irgendwie geartete Abstufung des Sehmerzreizes gestatten. Dies gilt sowohl fiir die yon H a f f n e r e sowie Hesse a angegebene Methode, bei der als Test fiir den $chmerzreiz das Kneifen der Anal- sehleimhaut und Sehwanzwurzel bei der Maus verwandt wird, als aueh die yon K o e h m a n n 4 -= Bertihren der Sehnauze mit einer gltihenden Nadel. Eine gewisse Abstufbarkeit des Reizes hat EddyS neuerdings dadareh zu erzielen versueht, da6 er als Sehmerzreiz den Druek auf das Sehwanzende der Katze anwandte. Die ])ruekst~rke kann dabei - - es wird eine Art Presse verwandt variiert werden und wird in Kilogramm ausgedriiekt.

Wit haben es daher unternommen, eine neue Methode auszuarbeiten, die als Sehmerzreiz den Temperaturreiz verwendet und uns sehr be- friedigende Ergebnisse bei der Priifung analgetiseh wirkender Substanzen geliefert hat.

Methode.

Das Prinzip der 3/[ethode beruht darauf, da6 auf die iiu6ere Haut des l~Ieresehweinehens Bin Temperaturreiz yon bestimmter HShe aus- geiibt wird, der bei l~Tbersehreitung eines bestimmten Temperaturgrades eine Sehmerzempfinung und damit Abwehrreaktion auslSst. Die Methode sei in folgendem kurz gesehildert:

Ausgewachsene lVIeersehweinehen werden am Tag vor dem u auf beiden Seiten der Lendenwirbelsgule mit einem Enthaarungsmittel enthaart. An dieser Stelle legt man zur Prtifung tier normalen Empfindliehkeit einen mit Wasser gef~illten und mit dnem Thermometer armierten Metallzylinder yon Reagenzglasform an. Man beginnt mit einer Wasserftil]ung von 40 ~ Zeigt das

1 Ausgefiihrt im Auftrag der Deu~schen Pharmakologischen Gesellsehaft mi~ Mitteln des Reichsministeriums des Innern. - - e Dtseh. meal. Wschr. 1929,731. - - a Arch. f. exper. Path. 158, 233 (1930). - - 4 Ebenda 162, 685 (1931). - - a a. Pharmacie 45, 339 (1932).

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406 F. HILDEBRANDT :

Tier innerhalb yon 20 Sekunden keinerlei Abwehrreaktion (Wegspringen, Aus- sehlagen mit den Hinterbeinen , Einziehen des Rfiekens), so mu6 angemnomen werden, dab dieser Temperaturreiz noch nieht als Schmerzreiz empfunden wird. Man prtift darauf eine Wasserffillung yon 450 und sieht bei den meisten Tieren dabei eine deutliche Abwehrreaktion, die mit der Stoppuhr als Reaktionszeit abgelesen wird. Geht man noeh 50 hSher, also auf 50 ~ so zuckt das Tier sofort bei der Berfihrung zusammen und entzieht sieh der Einwirkung. Um Wasser yore gewfinschten Temperaturgrad zu erhalten, stellt man die Metallzylinder in ein oder mehrere Wasserbi~der yon der entspreehenden Temperatur. Das Wasser in den Metallzylindern und damit der Metallzylinder selbst, h~lt w~hrend der Prfifungszeit yon 20 Sekunden den Temperaturgrad praktisch genau ein; (der Metallzylinder muB natfirlich vor dem Anlegen an die Haut abgetrocknet werden).

Zu beachten ist yon vornherein, dab nicht alle Tiere ffir diese Versuehe geeignet sind und dab die Tiere his zu einem gewissen Grade ,,erzogen" werden mtissen. Es gibt Meersehweinchen, die erst auf einen verh~ltnismiiBig hohen Temperaturgrad mit Abwehrreaktion ansprechen. Diese sind als ungeeignet auszuscheiden. Andere Tiere zeigen zwar bei den ersten Prtifungsversuchen keine deutliehe Reaktion, sie sind so hngstlich, da$ sie sich aueh bei Schmerz- empfindung nicht zu bewegen wagen. Derartige Tiere lassen bei 6fterer Priifung eine gute Reaktion erkennen, sie miissen also gewissermaBen erst lernen, was sie auf den Reiz hin tun sollen. (Auch die Gewfhnung an die ver~nderte Um- gebung ist notwendig, wir haben die Tiere zur Prfifung in flaehen Steingut- tSpfen mit einer lichten Weite von etwa 30 cm gesetzt.) Wieder andere Tiere zeigen sogleieh eine deutliche Abwehrreaktion, die bei Prfifung an verschiedenen Tagen yon einer auffallenden Konstanz auf einen ganz bestimmten Temperatur- grad ist.

Naehdem an mehreren Tagen hintereinander die normale Temperatur- reizschwelle festgelegt ist und die Tiere sich an das Milieu gewiihnt und die Bedeutung des Temperaturreizes erkannt haben, kann die Prfifung des Anal- geticums erfolgen. Selbstverst~ndlieh wird zuerst mehrere Male die normale Reaktion geprtift und der Versuch nur dann begonnen, wenn das Tier an diesem Tag mit Schmerzreaktion auf den gleiehen Temperaturgrad reagiert wie an den frfiheren Tagen. Unter dem EinfluB eines Analgeticums beobachtet man nun, dab die Reizsehwelle eine wesentliehe ErhShung erf~thrt. Im Abstand yon 10--15 Minuten prfift man nun die Reaktion des Tieres. Man beginnt mit 40~ vertrfigt das Tier diesen Temperaturreiz 20 Sekunden lang, ohne sich zu bewegen, so prfift man mit 45~ bleibt aueh hier 20 Sekunden lang jede Reak- tion aus, so geht man wiede r 50 hfher und so fort, bis innerhalb yon 20 Sekunden eine deutliche Abwehrreaktion einsetzt. Temperaturen fiber 650 habenwir nicht gepriift, well dadureh die Haut gesehiidigt wird.

An analgetisch wirkenden Substanzen haben wir geprtift: Opium- derivate, weiter Veronal, Atophan, Acetylsalicylsiiure, Antipyrin, Pyra- midon, Phenacetin, Chinin, Aconitin und eine Anzahl von Spezialpr~- paraten des Handels: Togal, Treupelsche Tabletten, Veramon, Novalgin, Gelonida antineuralgica, Titretta analgica, Neuramag und Doloresi.

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Alle Substanzen wurden verfiittert, was bei einiger {}bung ohne nennenswerten Substanzverlust gelingt.

Zu diesem Zweck lggt man die Tiere festhalten und iSffnet mit einer ]:Iand vorsichtig das Maul. Die Substanz wird dann mit ttilfe eines Lfffels in kleinen Portionen eingesehtittet und zwischenhinein immer etwas Wasser mit einer Pravazspritze in das Maul gespritzt. Die Tiere gewShnen sieh sehnell an diese Darreichung und schlueken aueh bitter sehmeckeitde Substanzen wie Chinin bray hinunter. Gut 15sliehe Substanzen werden direkt mit der Prawzspritze in das Maul gegeben. Versuehe, in denen nennenswerte Nengen verloren gingen wurden nicht gewertet.

Sgmtliehe angegebenen Dosen verstehen sich auf rag/100 g KSrper- gewicht.

Wir beginnen mit den bei Morphin und Opiumderivaten gewonnenen Ergebnissen.

Morphin. Die angewandten Dosen lagen zwisehen 0,2 und 5,0 mg Morphin.

hydrochl, pro 100 g K~irpergewieht. Zwei typische Kurven (Abb. 1) seien

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Abb. 1.

hier wiedergegeben% Die gestrichelte Linie betrifft den Versueh mit der kleinen Dosis yon 0,5 rag, die ausgezogene den Versueh mit der Dosis von 2 rag. Nan sieht, dab nach der kleinen Dosis das Maximum der Wirkung naeh etwa 40 Minuten eintritt und dann schnell wieder abklingt. Naeh der grSBeren Dosis ist die Unterempfindliehkeit gegen den Tem- peraturreiz entspreehend st/~rker, erst bci 60 0 wird auf dem ttShepunkt der Wirkung der Wgrmereiz a.Is Schmerz empfunden. Das N~zximum bleibt ann/~hernd 1 Stunde bestehen, dann erfolgt die langsame tlaekkehr zu normalen Werten, die nach etwa 6 Stunden wieder erreieht werden. Die Tiere waren, so lung sie unter der Morphinwirkung standen, deutlieh

6 Die Kreuze vor dem Nullpunkt geben die normale ]/eaktion an. 27*

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408 F. ttILI~ESSA~DT :

beruhigt, ohne aber irgendwelche Zeichen von beginnender ~arkose auch bei den hSheren Dosen zu zeigen.

Die Morphinwirkung war bei allen untersuchten Tieren, soweit sie iiberhaupt fiir die N[ethodik brauchbar waren, deutlicb, wenn auch die individuellen Unterschiede in der Starke der Reaktion auf das N[orphin nicht unerheblich waren. Bei den Dosen yon 2 mg aufwarts war die analgetische Wirkung bei allen Tieren stark ausgepr~gt. Bei der Dosis von 1 mg reagierten in ffinf Versuchen von fiinf Tieren zwei mit starker ErhShung der Reizschwelle, eines mit nur geringer, ein viertes mit nicht deutlicher und das ffinfte mit gar keiner ErhShung der Reizsehwelle. Die darunter liegenden Dosen erwiesen sich bei einigen Tieren als wirksam, bei anderen dagegen nicht. Die Dosis von 1 mg Morphin darf somit als durehschnittlieher Sehwellenwert angenommen werden, die darfiber liegenden sind mit Sieherheit wirksam, die Zeitdauer der Reaktion er- streckt sich bei hohen Dosen fiber mehrere Stunden.

Codein.

Fiir Codein lagen die untersuchten Dosen zwischen 2 und 20 mg Codein. phosphor, pro i00 g KSrpergewieht. Die Dosis yon 2--5 mg Codein zeigte sieh als unsieher in der Wirkung, in drei yon vier Ver- suchen stieg die Reizschwelle unbedeutend an. Die Dosis yon i0 mg zeigte deutliche Ausschl~ge, die einige Stunden anhielten, nur in einem yon ffinf Versuchen war gar keine Reaktion feststellbar (allerdings war es ein Tier, das im ganzen fiberhaupt ziemlich schwach auf die ver- sehiedensten Mittel reagierte). Die Dosis yon 20 mg Codein war in einem yon drei Versuchen sehr stark und fang wirksam, in einem anderen eben- falls stark aber nieht yon so langer Dauer und in einem dritten Versuch deutlich aber nicht sehr intensiv.

Im ganzen erwies sieh demnach das Codein zwar als deutlich wirk- sam, aber in seiner analgetischen Wirkung yon anderer GrSl~enordnung als das Morphin, was wir auch yon vornherein erwartet hatten.

Dicodid.

Die Wirkung des Dieodids fibertraf die des Morphins nieht unerheb- lich. Schon 0,25 mg steigerte die Reizschwelle um etwa 10 o, 0,5 mg hatte bereits eine sieh fiber mehrere Stunden erstreckende Wirkung (Kurve), wahrend hohe Dosen (5 mg) die Reizschwelle auf dem HShe- punkt der Wirkung bis um 250 steigerten (Kurve). Im Vergleich zu ~Iorphin setzte die Wirkung des Dicodids schneller ein, was wir mit der weniger oder kaum ausgepragten stopfenden bzw. die Magenperi-

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staltik hemmenden Wirkung des Dicodids in Zusammenhang bringen mSchten.

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Ze# nach Yerfdfferuny der Subs/anz Ih Itll'nufen

Abb. 2.

390 q20

D i l a u d i d .

Bei Dosen yon 0,2 mg war bereits oine deut, liche Wirkung des ])ila.u- dids erkennbar, 0,5 mg wirkten starker und die dariiberliegenden Dosen zwischen 1 und 5 mg machten die {[ ere auch ftir hOhe Temperaturgrade

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Abb. 3.

unempfindlich, die Reizschwelle stieg in den meisten Versuchen auf 600 ja 650 an (s. Kurve). Im Vergleich zum Dicodid war die Wirkung des Dila.udids etwa die gleiche, beide Substanzen iibertreffen das Morphin erheblich, was auch mit den klinischen Erfahrunge1~ in Einklang steht.

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410 F. ~IILDEBRANDT :

Veronal .

Die analgetische Wirkung des Veronals war in unseren Versuchen stark ausgesprochen und zwar schon bei Dosen, die noch unter den narkotisehen Grenzwerten lagen. In den meisten Versuchen geniigten schon 2 mg Veronal, um eine deutliche Heraufsetzung der Temperatur- reizschwelle hervorzurufen. 5 und 10 rag, die die Tiere zwar noeh nicht in Sehlaf versetzen, aber doch deutlieh beruhigten, waren schon starker wirksam und aueh die Dauer der Wirkung war eine erheblich l~ngere. Bei 20 mg war etwa 11/2 Stunden nach der Darreichung mit den hSchst angewandten Temperaturreizen von 650 - - hShere Temperaturgrade haben wir nieht angewandt, well durch sie eine Verletzung der Haut ge- setzt worden w~re - - keine Abwehrreaktion mehr auszulSsen, doch waren die Tiere durch diese Dosen in tiefer Narkose mit Seitenlage bei er- haltenem Cornealreflex. Nur bei einem Tier blieb das Veronal in der Dosis yon 10 mg vollkommen wirkungslos, das Tier reagierte allerdings in para- doxer Weise mit deutlieher Erregung auf diese Dosis.

Sal icyls~ure- und An t ipy r ing ruppe .

Die Reaktion auf Acety ls a l icy ls~ure war nicht einheitlieh. 10 mg erwiesen sich als wirkungslos, bei 20 mg beobachteten wir in vier von sieben Versuehen eine deutliehe und sich fiber 2--3 Stunden erstreekende Heraufsetzung der Temperaturreizsehwelle, die restliehen drei waren negativ.

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Zeif nach VePfdllePung deP Subslanz /n hl/nuten

Abb. 4.

Auch beim A n t i p y r i n batten wir keine einheitliehe Reaktion: 10 mg zeigten keine Wirkung, 25 mg setzten in fiinf von neun Versuchen die Reizschwelle um etwa 150 hinauf; aber auch auf die hSchstange- wandten Dosen yon 50 mg war keine konstante Reaktion zu verzeichnen.

Die Wirkung des P y r a m i d o n s war vollkommen negativ..Wir haben diese Substanz in 19 Versuchen in der Dosierung zwischen 1 und

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20 mg untersueht, ohne dal~ die geringste Wirkung zu erkennen gewesen ware, An den Tieren selbst kann der negative Ausfall unm6glich gelegen haben, weil die gleiehen auI ~ eoo Pyranl.idon nieht reagieren- .~ ~: den riere auf Morphin oder .~ oS. ~ 5 5

l~[orphinderivate einwandfrei ~ ~o.~5" und intensiv reagiert hatten. ~ 5oo

Dagegen hatte Phen- ~ 7s"

ace t in einen guten Effekt. ~4s5. In der Dosierung yon 10 mg ~ ~o" war schon eine gewisse Wir- .~-qoo kung angedeutet, die gel ~ 20 mg sehr deutlich wurde

:

0 ,?0 60 90 1s 150 lgO 210 Ze/l 'nach llerfdfleeun 2 dee ,.~ubsfanz /n M[nulen

Abb. 5.

(je drei Versuehe); 30 mg erhShten die Reizschwelle um etwa 15o ftir die Dauer yon 2 Stunden.

Von den untersuchten Substanzen der Salicyls~ure- und Antipyrin- gruppe war demnach das Phenacetin entsehieden alas nfit der st~rksten und vor allem konstantesten Wirkung.

Chinin.

])as Chinin in der Dosierung zwisehen 5 und 20 mg zeigte nur in einem einzigen yon sieben u eine deutliehe Wirkung, sonst war die Reaktion negativ.

Atophan. Aueh das Atophan war ohne deutliche Wirkung. \Ton acht Yer-

suehen mit Dosierung zwischen 20 und 50 mg war nur in dcr Hi~lfte der FNle eine nieht ganz siehere Wirkung erkennbar, die analgetisehe Wirkung ist demnaeh bei dieser Substanz nur angedeutet.

Aeonitin.

Das Aconitin haben wir sowohl in der Form dcr Tinctura Aconiti als auch in tier Form hconit, napell. Teep. D. 3 Dr. Madaus untersucht, ohne einheitliche Resultate erzielen zu kSnnen. Erst hohe Dosen der Tinktur yon der GrSl3encrdnung eines 1/2 cem pro Tier liel3en in den meisten FNlen eine deutliche Wirkung erkennen, doch waren diese Dosen schon sehwer toxisc, h, denn die Tiere gingen am niiehsten oder iiber- n~ehsten Tag zugrunde.

Mischpr~iparate. Wir haben eine Reihe yon Mischpr'~paraten des ttandels in der

gleichen Richtung untersucht. Die Tabletten wurden gepuivert und die

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412 F. ~-IILDEBRANDT:

rein gepulverte Masse den Tieren verffittert. Die Angaben in Milligramm beziehen sieh jewefls auf die gepulverte Tablettenmasse. Geprfift wurden: Treupelsehe Tabletten, Gelonida antineuralgica, Titretta analgica, Tablet- tae Doloresi, Neuramag, Veramon und Togal.

T r e u p e l s c h e T a b i e t t e m

Nach der Deklaration enthhlt eine Tablette zu 10, g 0,02 Phenacetin, Acetylsalicyls~ure und Codein. 2 mg der Tablettenmasse hatten eine zwar kurz dauernde aber doch deutlich erkennbare Wirkung, 5 mg

f f t I r .~. 7s. ^ j ~ - - - z~ / l oog ~eu/oe/~che ra~/e~n

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O 3g eO SO 120 150 leo 210 2#0 ,~70 300 $#0 Zeil nach Venf/fflenung de/" Subsfanz /n M/nuten

Abb. 6.

wirkten Schon erheblieh starker, die Wirkung erstreekte sich fiber mehrere Stunden. Bei 10 mg zeigte sich wieder eine Absehwiiehung, so dal~ bei diesen Tabletten ein Optimum vorzuliegen scheint.

G e l o n i d a a n t i n e u r a l g i c a .

lgach der Deklaration ist das Pritparat qualitativ analog den Treupel- schen Tabletten, quantitativ jedoch dureh einen viel hSheren Gehalt an Phenacetin und Acetylsalicyls~ure yon diesen verschieden.

Auch bei diesem Pritparat war in der Dosierung yon 2--25 mg eine analgetische Wirkung nicht zu verkennen, sie war aber im ganzen etwas schwhcher als bei den Treupelschen Tabletten ausgepr~gt. Bei einigen Tieren hatten wir auch Versager, trotzdem die Tiere auf Morphin sehr intensiv reagiert hatten.

T i t r e t t a a n a l g i c a .

:Nach der Deklaration enthi~lt eine Tablette 0,02 Co@in und !garko- tin, Theobromin 0,05 und Pyramidon 0,3. In der Dosierung yon 10 mg erwies sieh das Pri~parat als praktisch wirkungslos. Bei 50 mg war eine Wirkung angedeutet, hShere Dosen haben wit nicht untersucht.

: N e u r a m a g .

Ebenso war das Pr~parat Neuramag (naeh der Deklaration enth~lt eine Tablette zu 0,3 g 0,2 Aeetylphenetidin, 0,025 Coffein und 0,01 Co@in.

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phosph, und Acid. salicyl, cum Chin. acetylosalicyl.) in der Dosierung von 1, 5 und 20 mg praktisch ohne Wirkung (ie drei Versuche).

T a b l e t t a e D o l o r e s i .

5Iach der Deklaration enth/ilt eine Tablette zu 0,5 g Tinct. Aconiti titrat. 0,05; Chinin. aeetylosalicy]ie. 0,01; Dimethylaminophenazon cum Coll. eitr. 0,2; Phenacetin 0,2; Saponin 0,01. In der Dosierung von 20 und 30 mg war eine gewisse Wirkung im Sinne der Heraufsetzung der Temperaturreizschwelle erkennbar, bei der Dosis yon 50 und 60 mg blieb jedoch die Temperautrreizschwelle wi~hrend der Prtifungszeit von einigen Stunden unveri~ndert. Es seheint also aueh bei dieser Misehung ein ge- wisses Optimum bei den niedrigeren Dosen vorzuliegen. Die hSheren Dosen erwiesen sich au~erdem bereits als toxisch, die Tiere gingen im Lauf der ni~ehsten Tage zugrunde.

V e r a n i o n .

0,1 Veronal mit 0,3 Pyramidon in chemiseher Bindnng, Tabletten zu 0,4 g. In der Dosierung yon 5 mg war keine Wirkung bemerkbar, bei 20 mg sieht man die ersten Anzeichen, abet nur angedentet, wShrend 40 mg in fast allen Versuchen die Temperaturreizschwelle ausgesprocheu

5"~ I I i / !\ - - . ~,o,-~/:oogl ~ !

. . . . . .

< 0 30 60 00 I;0 150 180 210 2~0 270

20n~ I Zeif notch VepPUilerung dee 8ubxtanz /n M/nulen

Abb. 7.

steigerten. Da naeh unseren frtiheren Versuchen mit den Einzelsnb- stanzen alas Pyramidon sieh als wirkungslos, das Veronal dagegen als stark wirksam ergeben hatte, glauben wit die bei den hSheren Dosen des Veramons auftretende analgetisehen Effekt auf die Veronalkomponente zuriiekfiihren zu sollen.

T o g a l .

Tahletten zu 0,33g mit: 12,6% Lithiumsalz; 0,46% Chininsalz; Acetylsa]icylsliure 74,3%; Amylum usw. 12,64% (Gehes Codex 1933).

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414 F. I-IILDEBRANDT :

In hSherer Dosierung zeigte sich das Togal (30 rag, vier Versuche) als iiberraschend gut wirksam (Kurve). Bei der niedrigeren Dosierung von

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0 JO 60 90 120 150 180 210 s 270 Zeif nach tleffS'If#pung de/" Subsfcnz /n M/nu/en

Abb. 8.

5 bzw. 10 mg war das Bild wechselnd, in drei yon acht Versuchen war gar keine Wirkung, in zwei weiteren eben eine Andeutung und in den drei restlichen eine mittlere Wirkung erkennbar.

Besprechung tier Ergebnisse. Die Feststellung der Temperaturreizschwelle als Test ftir den

Schmerzreiz hat zu dem Ergebnis geftihrt, dab die Analgetica der Mor- phingruppe sich sehr stark wirksam erweisen. Die normale Temperatur- reizschwelle, die zwischen 40 und 45 o zu ]iegen pflegt, wird durch diese Pr~parate um Betri~ge his 20 o und dartiber gehoben. Die einzelnen Prh- parate kSnnen dabei his zu einem gewissen Grade nach der quantitativen Seite ihrer Wirkung miteinander verglichen werden. Am st~rksten wirk- sam sind Dilaudid und Dicodid, dann folgt Morphin, das in entsprechend hSherer Dosierung die Wirkung der beiden erstgenannten Substanzen er- reicht. Aber auch das Codein zeigt deutliche analgetische Wirkung, wenn es in etwa der zehnfachen Dosis des Morphins angewandt wird.

In der Gruppe des Antipyrins und der Acetylsalicylsaure ist das Bild nicht so einheitlich. Das Antipyrin zeigt in etwa 50% der Fiille bei ge- eigneter Dosierung eine gut ausgepri~gte analgetische Wirkung. Das Phenacetin ist dem Antipyrin sogar noch iiberlegen, wiihrend die Acetyl- salicyls~ure nur in wenigen Fallen wirkungsvoll ist. Vollkommen versagt das Pyramidon, das doch klinisch als eines der besten Antineuralgica gilt. Hier ergibt sich ein Gegensatz zwischen klinischer Erfahrung und dem yon uns angewandten Test. Es ist aber zu berticksichtigen, dal~ dieser Test uns nur tiber den Zustand der schmerzpercipierenden Apparate im Zentralnervensystem orientiert. Durch diese Methode sind demnach nur

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solehe Arzneimittel fagbar, deren analgetisehe Wirkung eben auf dieser D~mpfung der Schmerzperception beruht. An@re Substanzen, bei denen die Wirkung auf einer Beeinflussung der Schmerz u r s a e h e n basiert, miissen bei unserem Test wirkungslos sein. Aus diesem Grund erweisen sieh Morphin und an@re Opiumderivate als besonders wirksam an unserem Test, weil sie elektiv die Sehmerzempfindung d~mpfen oder aus- 15sehen. Wenn das Pyramidon auf der anderen Seite hier vollkommen versagt hat, so mu6 dies daran liegen, dal3 es keinerlei Wirkung auf die Schmerzperception besitzt, sondern dab seine kliniseh gut bekannte giinstige Wirkung bei ~Iigrhne und ahnlichen Zustanden auf der Be- seitigung der zu dieser Migr~ne fiihrenden Ursaehen wie Gef~gspasmen usw., beruht.

Die anderen Analgetiea wie Antipyrin, Salieylshure und Phenaeetin besitzen naeh unseren Versuchen eine mehr oder minder stark ausgepr~tgte Wirkung auf die sehmerzpercipierenden Apparate. Aueh bei den Kom- binationsprgparaten ist ein solcher Einflul~ deutlich vorhanden, doeh be- stehen beziiglieh der Sthrke der Wirkung nieht unerhebliehe Differenzen. Das beste Pr~parat ist naeh unseren Erfahrungen die bekannten Treupel- :sehen Tabletten, andere wie Gelonida antineuralgiea, Togal und Veramon waren ebenfalls wirksam, aber doeh deutlieh sehw~eher. Die Tablettae doloresi zeigten nur eine ganz geringe und nieht einheitliehe Wirkung, whhrend die Titretta analgiea und Neuramag bei unserem Test praktiseh vollkommen versagten. Dies seheint darauf hinzuweisen, da6 ein Zusatz yon Purinderivaten wie Coffein oder Theobromin (Titr. analg., Neuramag, Doloresi) die analgetisehe Wirkung absehwiieht, und zwar dadureh, dag die zentralerregende Komponente der Purinderivate der die Sehmerz- perception dS.mpfenden Wirkung der anderen in dem ~isehpulver ent- haltenen Substanzen entgegenwirkt. Indessen sind unsere Erfahrungen mit diesen 3Iisehprhparaten noeh zu wenig zahlreieh, als da6 wir uns ein eingehendes Urteil erlauben mSehten. Wir hoffen aber dureh systema- tisehe Untersuehungen, die bereits in Gang gesetzt sind, zur K15rung dieser Frage beitragen zu kOnnen.

Zusammenfa s sun g .

Es wird eine neue Methode zur Prt~fung alaalgetiseh wirkender Sub- stanzen im Tierexperiment angegeben; sie beruht auf tier Anwendung des Temperaturreizes als Schmerzreiz.

Die Opiumderivate erweisen sieh an diesem Test als sehr stark wirk- sam, die Analgetiea lassen zum Tell eine gute, zum Teil nur eine schwaehe Wirkung erkennen. Das Gleiehe gilt far Misehpraparate des Itandels.