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ARCHIV DER PHARMACIE, 21. Band, 7. Heft. A. Originalmittheilungen. Die Ptomaine und ihre Bedeutung fiir die gericht- liche Chemie und Toxikologie. Von Prof. Th. Husemann in Gottingen. (Schluss.) Wir haben in dem Vorhergehenden die uns zugllngigen Data der Literatur, welche sich auf das Vorkommen von Ptomaxnen in Leichnamen beziehen , ausfiihrlich besprochen und hoffen damit dem toxikologischen Experten die niithige Handhabe gegeben zu haben, um im EinzeWe ein bei der Untersuchung auf Alkalo’ide isolirtes Ptoma‘in als solches zu recognosciren. Sehen wir von dem sogenann- ten Leichenconiin ab, so ist kein Ptoma’in bekannt, welches irgend- wie Anspriiche daxauf machen kiinnte, mit einer wirklichen organi- schen Base aus dem Pflanzenreiche identificirt zu werden. Die in einzelnen populiiren naturwissenschaftlichen Zeitschriften gehegte Vermuthung, dass Delphinin, Morphin und Zihnliche Stoffe sich im faulenden Cadaver erzeugen kijnnen, hat niemals die Sanction Sel- mi’s oder eines anderen mit der Erforschung der Ptoma’ine beschiif- tigten Chemikers gefunden. Das atropinhlich wirkende Alkaloid von Sonnenschein und Zuelzer giebt nicht die Reaction von Guglielmo und ist somit nicht Atropin; das Selmi’sche Ptomain, welches Blumengeruch unter Zihnlichen Verhdtnissen wie Atropin erzeugt, besitzt keine mydriatische Wirkung und geht aus murer Liisung in Aether iiber, ist somit ebenfalls kein Atropin. Das vera- triniihnliche Ptomain von Brouardel und Boutmy envies sich durch sein Verhalten gegen Ferricyankalium und durch seine phy- siologische IndifFerenz als ein vom Veratrin verschiedenes Ptomain. Wir haben danach in den sogenannten Cadaveralkaloiden Stoffe, welche sich mit gewissen allgemeinen Alkalo’idreagentien einerseits wie die Nehzahl der Pflanzenbasen verhalten nnd ausserdem eine oder Arch. d. Pharm. XXI. Bds. 7. Hft. 31

Die Ptomaïne und ihre Bedeutung für die gerichtliche Chemie und Toxikologie

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ARCHIV DER PHARMACIE, 21. Band, 7. Heft.

A. Originalmittheilungen.

Die Ptomaine und ihre Bedeutung fiir die gericht- liche Chemie und Toxikologie.

Von Prof. Th. Husemann in Gottingen. (Schluss.)

Wir haben in dem Vorhergehenden die uns zugllngigen Data der Literatur, welche sich auf das Vorkommen von Ptomaxnen in Leichnamen beziehen , ausfiihrlich besprochen und hoffen damit dem toxikologischen Experten die niithige Handhabe gegeben zu haben, um im EinzeWe ein bei der Untersuchung auf Alkalo’ide isolirtes Ptoma‘in als solches zu recognosciren. Sehen wir von dem sogenann- ten Leichenconiin ab, so ist kein Ptoma’in bekannt, welches irgend- wie Anspriiche daxauf machen kiinnte, mit einer wirklichen organi- schen Base aus dem Pflanzenreiche identificirt zu werden. Die in einzelnen populiiren naturwissenschaftlichen Zeitschriften gehegte Vermuthung, dass Delphinin, Morphin und Zihnliche Stoffe sich im faulenden Cadaver erzeugen kijnnen, hat niemals die Sanction Sel- mi’s oder eines anderen mit der Erforschung der Ptoma’ine beschiif- tigten Chemikers gefunden. Das atropinhlich wirkende Alkaloid von Sonnenschein und Z u e l z e r giebt nicht die Reaction von Guglielmo und ist somit nicht Atropin; das Selmi’sche Ptomain, welches Blumengeruch unter Zihnlichen Verhdtnissen wie Atropin erzeugt, besitzt keine mydriatische Wirkung und geht aus murer Liisung in Aether iiber, ist somit ebenfalls kein Atropin. Das vera- triniihnliche Ptomain von Brouardel und Boutmy envies sich durch sein Verhalten gegen Ferricyankalium und durch seine phy- siologische IndifFerenz als ein vom Veratrin verschiedenes Ptomain. Wir haben danach in den sogenannten Cadaveralkaloiden Stoffe, welche sich mit gewissen allgemeinen Alkalo’idreagentien einerseits wie die Nehzahl der Pflanzenbasen verhalten nnd ausserdem eine oder

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mehrere der sogenannten Farbenreactionen bestimmter Alkaloide geben, daneben aber auch einzelne Reactionen zeigen , welche letz. teren nicht zukommen, oder einzelne rermissen lassen, welche letztere charakterisiren. Wenn der Gerichtschemiker einen basischen Kiirper dieser Art mit gewissermaassen buntscheckigen Farbenreactionen, von denen die eine auf dieses, die andere auf jenes vegetabilische Alkaloid passt, in die Hand bekommt, so liegt die griisste Wahrscheinlichkeit vor, dass er es mit einem Ptoma'ine zu thun hat. Mit besonderem Nach- drucke weist daher die durch so viele Untersuchungen zweifellose Existenz der Ptomaine den Gerichtschemiker darauf hin, sich mit den allgemeinen Filllungsmitteln fir AlkaloYde und mit einer einzigen Farbenreaction nicht zu begniigen, sondern die verschiedensten Kijrper auf das vermeintliche Alkaloid oder dessen Salz einwirken zu lassen und ausserdem in jedem Falle, wo es irgendwie angeht, die Einwir- Bung desselben auf den thierischen Organismus zu priifen. Die Mit- theilungen, welche wir aus den verschiedenen Arbeiten Selmi's iiber das Verhalten von Ptomainen gegen bestimmte Sauren, Alkalien u. s. w. gemacht haben , geben dem Gerichtschemiker Fingerzeige , welche Substanzen er vorzugsweise anzuwenden hat, um die in bestimmte Solventien iibergegangenen Ptomaine als solche zu recognosciren.

Es ware gewiss von besonderem Interesse, ein allgemeines Reagens aufzufmden , durch welches die Ptomaine von siimmtlichen Alkaloiden des Pflanzenreiches unterschieden werden kiinnten. Tro t ta re l l i glaubt ein solches in dem Verhalten gegen Nitroprus- sidnatriiim und spateren Zusatz von ~ Palladiumnitrat gefunden zu haben, wobei die wassrige Liisung der Ptoma'insulfate vor dem Zu- satze des Palladiumnitrats keine Verhderung erleide , wahihrend spii- ter ein flockiger , griiner Niederschlag entsteht, der beim Ekw-en in Rothbraun (in Aether liisliche Ptomaine) oder Rijthlichgriin (in Chloroform lijsliche Ptoma'ine) iibergeht , bis bei fortgesetzter &Sir- mung Schwarzf&bung eintritt.

Leichter als ein allgemeines Ptomahreagens liesse sich vielleicht ein solches fiir die den Gerichtschemiker vor Allem interessiren- den Ptomaine , welche bei Anwendung des S t a s ' schen Verfahrens

1) Das fragliche Reagens SOU vor der Verwechslung mit Chinin, Veratrin, Morphin, Bruch, Strychnin, Cinchonin, Coffe'in, Narcotin, CodeYn und Atro- pin schiitzen. Von diesen Basen geben Veratrin, Brucin, Strychnin und Narcotin bereits mit Nitroprussidnatrium Niederschlilge, und zwar Veratrin reinen regenbogenfarbenen, der beim Zusatze von Palladiumnitrat und h a -

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aus alkalischer Liisung in Aether iibergehen, auffinden. Schon S elmi hat die reducirenden Wirkungen auf Jodsaure und andere Stoffe , welche gerade diesen Ptoma'inen zukommt , pfignant hervor- gehoben. Auf diese Eategorie von Ptoma'inen beschrankt Rich auch ohne Zweifel die in neuester Zeit (1881) von Brouardel und B o u t m y als allgemeine Ptomainreaction angegebene Reaction mit Ferricyankalium, welches durch Ptomaine auf der Stelle in Ferro- cynkalium iibergefiihrt wird, wie sich dies durch die bei Zusatz verdiinnten Eisenchlorids unmittelbar auftretende Berlinerblaureaction zu erkennen giebt. Brouardel und Boutmy haben durch dieses Verhalten gegen Ferricyankalium ein in allen charakteristischen Reactionen mit Veratrin iibereinstimmendes Ptoma'in als letzteres erkannt und ihr Resultat mittelst des physiologischen Nachweises bestiitigt. Da sich die franziisischen Autoren, soweit dies aus ihren Publicationen hervorgeht , bisher mit den nicht in Aether, sondern nur in Amylalkohol iibergehenden Ptomainen besch5ftigt haben und da gerade unter diesen sich solche finden, denen reducirende Wir- kungen abgehen, werden wir vorlziufig die fragliche Reaction wohl nur auf die bei dem Stas'schen Verfahren abgeschiedenen Cadaver- basen zu beziehen haben.

In dieser Beziehung lisst sich dieser Reaction ein bestimmter Werth nicht absprechen, obschon ja eine Reihe von F'flanzenbasen existirt , welche ebenfalls Ferricyankalium in Ferrocyankalium ver- wandeln. Ausser Morphin und Atropin kommt dieser Effect nach Clautier auch dem Hyoscyamin, Emetin, Igasurin, Nicotin und namentlich auch dem Apomorphin zu, doch tritt die Berlinerblau- reaction bei keiner dieser Pflanzenbasen mit solcher Schnelligkeit ein wie bei den Ptomainen. Meist dauert die Reduction mehrere

men bladichroth wird ; Bruoin fleischfarbenes Pracipitat, durch Palladiumni- trat blutroth werdend; Strychnin weissen Niederschlag, durch Palladiumnitrat nichtverihdert und beim Erwarmen aschgrau werdend ; Narcotin ebenfalls weisses Pracipitat, das sich beim Erwirmen wieder lost, bei Zusatz von Palla- dimitrat und Erwiirmen goldgelbes Pracipitat. Die iibrigen Alkaloyde geben mit Nitroprussidnatrium weder F;illung nach Triibung; bei Zusatz von Palla- diumnitrat und Erwikmen wird C h i n fleischfarben, Morphin orangegelb. Cinchonin griinlich, Coffek orangegelb, init einem Stich ins Griine, Codeih zeisiggriin gefttbt; Atropin giebt ein gaues, beim Erwiirmen griinliohgelb werdendes Pracipitat.

1) Bull. de 1'Acad. de M6d. No. 20. p. 620. 1881. 31*

484 !I%. Husemann, Bedeutung d. Ptomdno f. gerichtl. Chemie II. Toxikologie.

Stlinden oder selbst mehrere Tage. In sehr schwacher Manier zeigen auch Theobromin und Pikrotoxin die Reaction, wZihrend alle iibrigen in der forensischen Chemie bisher wichtigen Stoffe aus dem P0an- zenreiche die Reaction nicht geben. Dagegen bildet sich Berliner- blau unter den angegebenen Verhdtnissen, und zwar z. Th. ausser- ordentlich rasch, durch verschiedene organische Basen aus der Reihe der Phenyl- und Pyridinhasen , nlimlich durch Anilin , Methylanilin, Paratoluidin und Diphenylamin, Pyridin , Collidin, Hydrocollidin und Isodipyridin , ferner mit Naphthylamin , Diallylendiamin und Aceton- amin. Bei den meisten dieser Basen ist allerdings die Bildung des Berlinerblau eine langsame , doch geben Methylanilin und Hydro- collidin unmittelbar reichliches blaues Prlicipitat und auch beim Diallylendiamin tritt der blaue Niederschlag ziemlich rasch ein. Auch von diesen Stoffen, welche gegenwZirtig nur ein untergeordne- tes toxikologisches Interesse besitzen, obschon ja das anilin und die Pyridinbasen sehr stark wirkende Gifte sind, die entweder isolirt (Anilin) oder in Gemengen (z. B. im Zitherisehen Thierijl) Jedermanii zugiinglich sind, wird man fibrigens leicht Reactionen ermitteln, welche dieselben von den Ptoma'inen unterscheiden. Vermuthlich gehijrt zu diesen organischen Basen auch der von Schaer neuer- dings im Castoreum aufgefundene basische Kiirper, welcher die Rem tion der Ptoma'ine giebt und der mijglicherweise in einer genetischen Beziehung zu dem friiher von Wiihler im Canadischen Bibergeil aufgefundenen Phenol steht.

Das gleiche Verhalten der Ptoma'ine und verschiedener Biinst- licher organischer Basen gegen Ferricyankalium deutet vielleicht darauf hin, dass diese Stoffe eine grijssere Verwandtschaft besitzen als die Leichenbasen und die in Pflanzen erzeugten m o ' i d e . Mit der Bezeichnung Cadaveralkaloide oder Pseudoalgalo'ide, wie derselbe urspriinglich von Selmi fiir die Ptomake gebraucht wurde, hat fibrigens niemals etwas anderes gesagt sein sollen, als dass diese Stoffe basische Natur besitzen und gegen gewisse allgemeine Rea- gentien sich wie Pflanzenbasen verhdten. Neuerdings hat Casali die Differenzen der Ptomaine und der im Pflanzenorganismus erzeug- ten Blgaloide besonders accentuirt und die Ptomaine als Amidver- bindungen putriden Ursprungs in Gegensatz zu den Pflanzenbasen und Amiden gesetzt. Viele der fib diese Anschauung sprechenden Cfriinde lassen sich allerdings bestreiten. Wenn z. 3. Casali darauf Lflnweist, dass einzelne Ptoma'ine eine doppelte Function als Siuren

Th. Husemann, Bodeutung d. Ptoma'ine f. gcrichtl. Chemie u. Toxikologic. 4%

und Basen zeigcn, was auf alle Ptomaine anzuwenden doch gewiss nicht ohne Weiteres erlaubt ist, und wenn er ein solches Verhaltcn als einem wahren Alkaloide und Amine nicht zukommend, bezeichnet, so ist nach den neueren Untersuchungen von Grimaux fiber das Morphin ein demtiger Grund unhaltbar. Der Hauptgrund, welchen Casa l i fibrigens vorfuhrt, ist das Verhalten slmmtlicher Ptomaine, aus welchem Material dieselben dargestellt und in welches Auszugs- mittel dieselben iibergefiihrt wurden, gegen gewisse Reagentien nach Art der Amine, insofern dieselben wie das Glycocoll und die Gtal- len&uren im Contact mit salpetriger Saure Stickstoff frei machen. Diese k t i o n konnte sowohl unter Anwendung von Natriumhypo- chlorit als mit Natriumhypobromit unter Zusatz stickoxydhaltiger SchwefelsZure erhalten werden. Es ist nicht in Abrede zu stellen, dass es beim ersten Anscheine etwas frappirt, offenbare Producte der Fiiulniss, wie sie die Ptomaine darstellen, mit Producten des Pflanzenlebens zusammenzustellen und dass man leicht geneigt sein wird, die Ansicht von C a s a l i zu adoptiren, weil sie einerseits wesentliche Erleichterung fiir das danach vie1 einfachere Studium der Ptomaine in Aussicht stellt, andererseits weil sie letztere in die Reihe der normalen Producte der fauligen Zersetzung oder die Spal- t u g von Eiweisskiirpern einfiigt. Auf alle FUe aber wird der Be- deutung, welche die Ptoma'ine fiir den Nachweis @ger vegetabili- scher Basen besitzt dadurch nicht geschmgert, dass diese Stoffe ihrer Constitution nach von den Alkaloiden etwas abgeshgt werden.'

1) Vgl. iiber das Verhalten dor Ptomaine zu den Blkalo'iden und &do- vorbindungen dio Schrift von Cas a l i : Sugli acidi e sali biliari nelle ricerche chimico - tossicologiche e sulla natura chimica delle ptomaine del Solmi. Fer- rara 1881. In Italien ist die Ansicht von C a s a l i keineswegs iiberall adoptirt worden, und namenlich hat G i o v a n n i Zeni die von C a s a l i vor- gebrachten Argumente in einer Reihe von Aufsatzen in dor Gazzetta Ferra- rese im September 1882 (No. 218-220) als nicht stichhaltig dargcthan. Das ausser dem oben angef*cn Scheingrunde hauptsachlichste Argument Casal i ' s , dass die Ptomaine keine Doppelsalze mit Platin und Goldchlorid bildeten, ist voUig unrichtig und kann kaum noch in Batracht kommcn, seit G a u t i e r und E t a r d (Compt. rend. 1882 Juin 12) auf Grundlage der yon h e n dargestellten Chlorgold - und Chlorplatindoppelsalze die elementare Zusammenseteung der Ptoma'ine zu studiren vonucht haben. Eine Zugeho- rigkeit einzelner Ptomaine zu den Aminen mag vorhanden sein, aber bei der Mannigfdtigkeit der Eigenschaften der bisher aufgefundenen Cadaveralkaloide, die gerade wie die'Pflauzenbasen in feste und fliissige zerfallen, wird man auch die Cadaverbasen bei weiterem Eindringen in deren Studium nicht als

486 Th. Husemann, Bedeutung d. Ptomayne f. gericht. Chemie u. Toxikologie.

Wenn sich vielleicht gewissen chemischen Reagentien gegen- ubq eine Qleichheit der Ptomaine ergiebt, so ist dies geWiss nicht in Bezug auf die physiologischen Reactionen der Fall. Bus den bei den einzelnen Cadaveralkaloiden verzeichneten Daten iiber ihre Wir- kung geht hervor, dass einzelne ganz unwirksam sind und dass unter den giftigen nicht allein der Grad der Giftigkeit, sondern auch die Art und Weise derselben sehr erhebliche Divergenzen darbietet. Was M o r i g g i a als durchgangige Wirkung der Cadaverbasen anfuhrt, dass dieselben anfangs Schwachung der Herzaction und Verlang- samung der Herzschlagzahl, dann Abnahme der allgemcinen Sensi- bilitat und Moetilitiit herbeifiihren , in grbsserer Menge angewendet, auch eine Veranderung des Herzrhythmiis und einc Verlangerung der Diastolen bedingen und gleichzeitig cine schwkzliche Farbe des Blutes herbeifiihren, mag fur die meisten Substanzen dieser Art zutreffen , doch zeigen die von S e 1 mi veranlassten Priifungen verschiedener Ptomaine durch Vel la und Ciacc io , dass ein ent- gegengesetztes Verhalten des Herzens und ein systolischer Herz- stillstand beim Frosche keineswegs zu den Ausnahmen gehbrt. Xor iggia betont, dass in einelnen Palen ein rasch voriibergehen- des Stadium, in welchcm Sensibilitiit und MotiliGt cine Steigerung erfahren, existirt, aber damit ist keineswegs das Bild der Vergiftung durch Ptomaine crschtipfend gezeichnet , denn die verschiedensten Beobachtungen zeigen , dass Krampfe und Mydriasis bei einzelnen Ptoma'hen das Gesammtbild der Vergiftung constituiren. Auf alle Fiille wird es also die Aufgabe des Experten sein, die physiologische Wirkung des von ihm in mbglichster Reinheit abgeschiedenen Pto- mains mit derjenigen des Alkaloids zu vergleichen, mit welchem dasselbe die gbsste chemische Analogie zeigt.' Dass man in dieser Weise werthvolle Anhaltspunkte in forensischen F a e n hat, ist durch verschiedene der von uns besprochenen Criminalprocesse in eclatan- ter Weise dargethan.

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vollkommen gleich constituirt findon konnen, was natiirlich nicht hindert, dass gewissen chemischen Rcagentien gegeniiber eino gewisse Gleichartig- keit existirt.

1) Das Unterlassen vollstiindiger Reinigung hat zweifelsohne die Resul- tate der Arbeiten von Mor iggia beeinflusst, wonach unter den Symptomen der Cadaverbasen die Herzschwhhe und Narcose pravalirt. Es ist das die Wirkung wassrigcr Extracte am exhumirten Leichentheilon, welche mog- licherweise die tetanishende Wirkung sohr energisch wirkender SubstanZen zu verdecken vermogen.

Th. Husemann, Bedeutung d. Ptoma'iue f. gerichtl. Chernie u. Toxikologie. 487

Wenn ich zum Schluss meiner Artikel iiber Ptoma'ine noch einmal kurz auf die Verhdtnisse zuriickkommc, unter denen diesel- ben sich bilden, so geschieht dies, um zu constatiren, dass trotz der recht reichhaltigen Literatur und trotz der zahlreichen Beobach- tungen unsere Kenntnisse sich erst sozusagen im friihesten Ent- wicklungsstadium behden.

Dafiir, dass sich Ptomaine nicht bloss in begrabenen Leich- namen oder Wasserleichen , also unter miiglichstem Ausschlusse des Sauerstoffs , bilden kiinnen , liegen eine Reihe von Beobachtungen vor. Insbesondere haben B r o u ard e 1 und Bout my wiederholt Ptomaine in nicht exhumirten Leichen aufgefunden. Dass eine bestimmte Zeit bis zur Bildung jener basischen Stoffe nothwendig ist, lie@ auf der Hand. Dass diese Zeit aber nicht sehr lang ist, beweist die Beobachtung der franziisischen Experten , wonach eine aufgethaute Leiche im Winter schon nach 8 Tagen ein Ptomain lieferte. Der spateste Termin, in welchem ein Ptoma'in constatirt wurde, war 18 Monate nach dem Tode bei einem von Broua rde l und B o u t m y untersuchten Leichname aus der Seine. Ob diese Base gifbge Eigenschaft besass, geht aus dem Wortlaute der Mit- theilung iiber die angestellten physiologischen Versuche nicht mit Deutlichkeit hervor. Ware dies der Fall gewesen, so a d e n die iilteren Angaben iiber die zeitlichen Gtrenzen der Bildung giftiger Faulnissstoffe wenigstens fiir die Zersetzung bei viilligem oder fast totalem Abschlusse der Luft eine bedeutende Erweiterung erfahren miissen. Nach Schweninger und Hemmer soll unter gewiihn- lichen Verhiiltnissen faulende thierische Substanz in 7 ' I2 Monaten keine giftigen Kiirper mehr liefern. Die Angabe ron Moriggia, wonach sich @ge Stoffe noch in den Leichentheilen bei 80 Tage lang vergraben gewesenen Cadavern constatiren lassen , bezieht sich wohl nicht auf den Erdtermin diesesVorkommens. In den bekann- ten Versuchen Ran kes fehlten bei mit Strychnin vergifteten Hun- den durch Fiiulniss entatandene giftige Stoffe nicht, nachdem die- selben sieben, ja 11 Monate begraben waren. Ranke bemerkt sogar, dass bei seinen Versuchen Extracte, welche aus sehr faulen Cda- vern dargestellt wurden, bei Friischen eine ermiidende und betiiubende, auch die Herzthitigkeit schwiichende und verlangsamende W b h g herrorbrachten , wodurch die Action des Stxychnins hintergehalten und theilweise verdeckt wurde.

1) Arch. f. path. b a t . LXXV.

488 A. Meyer, Gentiana lutea u. ihre aSichsten Verwandten.

Eine bestimmte Beziehung der Todesursache zur Bddung der Ptoma'he iiberhaupt und einzelner Ptoma'ine insbesondere geht aus den bis jetzt vorliegenden Beobachtungen nicht mit Sicherheit her- vor, wenn wir von der Entstehung arsenhaltiger Cadaverbasen abse- hen. Auffillend bleibt es immer, dass sehr haufig die Leichname mit arseniger Saure Vergifteter das Untersuchungsobject bildeten, aus denen ein Ptoma'h dargestellt wurde. Mehrere Beobachtungen voa Se lmi einerseits und Brouardel und Boutmy andererseits, ferner solche von O t t o , L i e b e r m a n n und v a n G e l d e r , bezie- hen sich auf Arsenleichen. Dass auch andere Gifte neben Ptoma'inen in Leichen vorlrommen kiinnen, beweisen nicht allein die Versuche von Ranke an Hunden, welche mit Strychnin vergiftet waxen; auch Brouardel und Boutmy fanden Ptoma'ine in einem Vergiftungs- falle mit Strychnin und in einem anderen mit Aconitin neben die- Ben Phzenbasen. In einem Falle angeblicher Blausawevergiftung, in welchen die beiden franziisischen Experten ein Ptoma'h auffanden, gelang der Nachweis der Cyanwasserstoffsawe nicht. In Leichen an Asphyxie durch Kohlendunst oder Schwefelwasserstoff Verstorbe- ner trafen Br o ua r d e 1 und B o u t m y wiederholt Cadaveralkaloi'de. Dass eins derselben mit dem Ptomaine aus dem Leichname des an Blausaurevergiftung zu Grunde Gegangenen chemisch und physio- logisch identisch war, wurde bereits hervorgehoben und dient als Beweis dafiir, dass das ntimliche Ptomain auch unter sehr verschie- denen Verhdtnissen sich entwickeln kann.

BeitraEge zur Kenntniss pharmsceutisch wichtiger Gewtchse. Von Arthur Meyer,

Assistent am pharmaceut. Institut der Universitiit Strassburg.

V. Ueber Gentiana lutea und ihre ndchsten Ver- wandten.

(Eine von der naturwissenschaftlichen Fakultiit der Universitiit Strasshurg mit dem F'reise gekronte Abhandlung.)

Gentiana Intea. Biologie und Morphologie.

Wenn man die Samen von Gentiana lutea im Herbste sofort nach ihrer Reife in den Boden bringt, keimen dieselben ia niichsten