10
Die Makromolekulare Chemie 175, 261 7-2626 (I 974) Zentrale Forschung der Bayer AG, Leverkusen, BRD Die Rolle des Zentralatoms bei der ringoffnenden Polymerisation Vergleich zwischen Wolfram und Moly Man*) Giinther Lehnert, Dieter Maertens, Gottfried Pampus und Manfred Zimmermann (Eingangsdatum: 20. Dezember 1973) ZUSAMMENFASSUNG: Die beiden Katalysatorsysteme aus MoC15, (CIC4Hs)20, Sn(CrH5)4 und wc16, (C2H5)20r Sn(CzH5)4sind zur ringoffnenden Polymerisation von Cycloolefinen gut geeig- net. Anhand der Versuchsergebnisse wird der EinfluB der Zentralatome auf die Bildung der aktiven Spezies erortert. Zur Erklarung unterschiedlicher Reaktionsweisen wird unter anderem die Raumerfullung der Metallhybridorbitale diskutiert. SUMMARY: The catalytic systems consisting of MoC15, (CIC4H&0, Sn(C2H5)4, and wc16, (CzHs)20, Sn(C2H5)4 are efficient promoters of ring-opening polymerization of cycloo~e- fines. Based on the experimental results the influence of the central atoms on the formation of the active species is discussed. The diverse modes of reaction are attributed to the different sizes of the metal hybride orbitals. Die Elemente der 4. bis 8. Nebengruppen des Periodensystems bilden Ubergangsmetallkatalysatoren zur ringoffnenden Polymerisation cyclischer Olefine'). Neben einigen Metallen, die keine aktiven Katalysatorsysteme bil- den, unterscheiden wir zwei Gruppen : eine ist nur bei hochgespannten Ringen wie Cyclobuten und Norbornen wirksam, die andere wandelt auch weniger gespannte Ringsystem wie Cyclopenten und Cycloocten in Poly(alkeny1ene) (Polyalkenamere) um (Abb. 1). ~ *) Vorgetragen beim XXIV. IUPAC-KongreB, Hamburg, September 1973. 2617

Die rolle des zentralatoms bei der ringöffnenden polymerisation. Vergleich zwischen wolfram und molybdän

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Die rolle des zentralatoms bei der ringöffnenden polymerisation. Vergleich zwischen wolfram und molybdän

Die Makromolekulare Chemie 175, 261 7-2626 ( I 9 7 4 )

Zentrale Forschung der Bayer AG, Leverkusen, BRD

Die Rolle des Zentralatoms bei der ringoffnenden Polymerisation

Vergleich zwischen Wolfram und Moly Man*)

Giinther Lehnert, Dieter Maertens, Gottfried Pampus und Manfred Zimmermann

(Eingangsdatum: 20. Dezember 1973)

ZUSAMMENFASSUNG: Die beiden Katalysatorsysteme aus MoC15, (CIC4Hs)20, Sn(CrH5)4 und wc16,

(C2H5)20r Sn(CzH5)4 sind zur ringoffnenden Polymerisation von Cycloolefinen gut geeig- net. Anhand der Versuchsergebnisse wird der EinfluB der Zentralatome auf die Bildung der aktiven Spezies erortert. Zur Erklarung unterschiedlicher Reaktionsweisen wird unter anderem die Raumerfullung der Metallhybridorbitale diskutiert.

SUMMARY: The catalytic systems consisting of MoC15, (CIC4H&0, Sn(C2H5)4, and wc16,

(CzHs)20, Sn(C2H5)4 are efficient promoters of ring-opening polymerization of cycloo~e- fines. Based on the experimental results the influence of the central atoms on the formation of the active species is discussed. The diverse modes of reaction are attributed to the different sizes of the metal hybride orbitals.

Die Elemente der 4. bis 8. Nebengruppen des Periodensystems bilden Ubergangsmetallkatalysatoren zur ringoffnenden Polymerisation cyclischer Olefine'). Neben einigen Metallen, die keine aktiven Katalysatorsysteme bil- den, unterscheiden wir zwei Gruppen : eine ist nur bei hochgespannten Ringen wie Cyclobuten und Norbornen wirksam, die andere wandelt auch weniger gespannte Ringsystem wie Cyclopenten und Cycloocten in Poly(alkeny1ene) (Polyalkenamere) um (Abb. 1).

~

* ) Vorgetragen beim XXIV. IUPAC-KongreB, Hamburg, September 1973.

2617

Page 2: Die rolle des zentralatoms bei der ringöffnenden polymerisation. Vergleich zwischen wolfram und molybdän

G. Lehnert, D. Maertens, G. Pampus u. M. Zimmermann

Abb. 1 . Aktivitat der Ubergangselemente bei der ringoffnenden Polymerisation von Cycloolefinen geringer und hoher [( )] Ringspannung nach G. Dall’Asta und G. Motroni’). (E): hochaktiv; (=): aktiv; (-): wenig aktiv

Die besten Katalysatoren enthalten Molybdan- und Wolfram-Verbindun- gen. Den EinfluB, den die Ubergangsmetallkomponente auf die Bildung der aktiven Spezies und den Verlauf der Polymerisation ausubt, untersuchten wir aus verschiedenen bereits dargelegten Grunden’) an Systemen, die durch Umsetzung von WCI6 oder MoC15 mit Zinntetraalkylen entstehen3’.

Zur Stabilisierung und Erhohung der Loslichkeit enthielt das Wolfram-Sy- stem Dialkylather. Im Falle des Molybdan-Systems mufiten Di-(chloralky1)- ather venvendet werden, da chlorfreie Alkylather unter den Versuchsbedingun- gen mit MoC15 uber die Stufe des Molybdanchloroalkoxids zu MoOC13 reagieren, das durch Zinntetraalkyl nur schwierig alkyliert wird. Die dadurch bedingte Verringerung der Katalysatorkonzentration fuhrt zu abfallenden Po- lymerisationsumsatzen (Abb. 2).

Fur die Untersuchung wurden Modellkatalysatoren der folgenden Zusam- mensetzung ausgewahlt : WC16/2(C2H5)20/2Sn(CzH5)4 und MoC15/ 2(C4H&l)zO/I Sn(C 2H5)4.

In allen Ansatzen wurden Losungen mit 2&25 Gew.-% der Monomeren in Toluol und 1 mmol Ubergangsmetallverbindung je 100 g Monomer verwen- det.

Unter diesen Bedingungen erreicht man bei der Herstellung von trans-Poly- pentenamer nahezu den Gleichgewichtsumsatz, der bei 20 “C durch eine Mono- merkonzentration von ca. 0,8 mol/l gekennzeichnet 1st (Abb. 3).

Beide Katalysatorsysteme (Mo- und W-Katalysator) sind in Abwesenheit von Monomeren uber 60 min bestandig und entwickeln nach Zugabe des

2618

Page 3: Die rolle des zentralatoms bei der ringöffnenden polymerisation. Vergleich zwischen wolfram und molybdän

Die Rolle des Zentralatoms bei der ringoflienden Polymerisation

J

8 75-

50-

10 2 5 -

(C4H8Cl)ZO m-a-a-a-a a- bzw. (C2H4C1)20

x\x

\*\a

CH,-O-C(CH,), x\-z: (C4H9)20 (c2 H 5)20

l X - x X- CH,-O-C4Hg - :*x

2619

c m 2 .3 8 7 5 - W ~ Kat .

X ax- a x y 7 ' MG - Kat .

Page 4: Die rolle des zentralatoms bei der ringöffnenden polymerisation. Vergleich zwischen wolfram und molybdän

G. Lehnert, D. Maertens, G. Pampus u. M. Zimmermann

MoCl, reagiert unter den geschildertenversuchsbedingungen zu MoC14C2H , wahrend WC16 - im Gegensatz zu der von Thiele et al.4' untersuchten heteroge- nen Umsetzung von WCl6 und Sn(C:2Hs)4 in Aliphaten - unter Abspaltung von Athylradikalen der Reduktion zu WCls unterliegt. Das Atherat des WC15 wird sodann durch weiteres Zinntetraathyl alkyliert. Die in Aromaten relativ stabilen Ubergangsmetallalkylverbindungen sind in beiden Fallen die Atherate des MtC14C2H5, in denen das Zentralatom die Oxydationszahl + 5 besitzt''.

Hieraus ergeben sich folgende Reaktionsgleichungen fur die Katalysator- bildungsreaktion:

WCl, + 2Sn(C,H,), -, WCl,C,H, + 2SnCI(C,H,), + C2H5-

MoCl, + Sn(C,H,), + MoCl,C,H, + SnCl(C,H,),

Im einzelnen zeigt die Reaktionsfolge im folgenden Schema, in dem wiederum zur Vereinfachung die Bildung der Atheratc nicht gezeigt ist, dalj sich ein Katalysatorsystem auf der Basis WCls analog dem MoCls-System verhalten sollte.

3 [W(Mo)C14I"

AktiGe Spezies

Sn(C,H,), W(Mo)Cl,C,H, --SnCIIC,H,),

Das wird in der Tat durch das Experiment bestatigt. WC1, wird durch Sn(C2H5)4 in Gegenwart von Diathylather ~ ohne Abspaltung von Athyl- radikalen - im Molverhaltnis 1 : 1 optimal alkyliert. Die experimentellen Daten des WClS/1 Sn(C2HS),-Systems sind denen des WC16/2 Sn(C2Hs)4- Systems innerhalb der Fehlergrenzen gleich. Unterschiede zwischen dem Mo- lybdan- und Wolfram-System zeigen sich jedoch in der Stabilitat der Atherate von MtC1,R (Mt=Mo, W) und der aktiven Spezies MtC14R(CPE)2 bzw. MtC14 (CPE)', die wir in der vorhergehenden Arbeit') als ,,CIK" und ,,TRAK" bezeichnet haben.

Die Spezies WC14C 'H ist in Abwesenheit olefinischer Verbindungen nach H-NMR-spektroskopischen Messungen bei 16°C iiber 24 h haltbar, dagegen

zerfallt die entsprechende Molybdan-Verbindung MoC14C2H5 unter gleichen Bedingungen vollstandig.

Wolfram-Katalysatoren polymerisieren noch nach 4 h Praformierung bei 20°C Cyclopenten zu Gleichgewichtsumsatzen mit nur geringem Anstieg der Molekulargewichte im Vergleich zum nicht praformierten System. Der analoge

2620

Page 5: Die rolle des zentralatoms bei der ringöffnenden polymerisation. Vergleich zwischen wolfram und molybdän

Die Rolle des Zentralatoms hei der ringiflienenden Polymerisation

Molybdan-Katalysator zeigt bereits nach 1,5 h Praformierzeit einen deutlichen Abfall der Ausbeute.

Die Lebensdauer des Wolfram- und Molybdan-Systems bei 20‘ C 1aDt sich durch geteilte Monomerzugabe bestimmen. Hierbei werden 50% des Gesamt- monomeren bei der Katalysatorbildung und die restlichen 50% nach verschie- denen Zeiten zugesetzt. 1st die nach weiteren 3 h ermittelte Gesamtausbeute kleiner als der Gleichgewichtsumsatz, wird eine Zersetzung des Katalysators angezeigt. Aus Abb. 4 ist zu ersehen, daD die Wolfram-Spezies uber 3 h voll polymerisationsaktiv ist, wahrend sich eine Zersetzung der Molybdan-Spe- zies TRAK bereits nach 90 min in einem Ausbeuteabfall zu erkennen gibt.

25 t ’ O r 1 2 3 OO

t l h Abb. 4. Bestimmung der Katalysatorlebensdauer durch geteilte Monomerzugabe; Kata- lysatoren, Reaktionstemperatur und Losungsmittel wie in Abb. 3. Die insgesamt zugegebe- ne Monomermenge entsprach einer Konzentration von 25 Gew.-%. Zeitangabe in h bis zur zweiten Monomerzugabe

Deutliche Unterschiede zwischen den beiden Katalysatorsystemen WCk/(C 2H5)20/2 Sn(C 2H5)4 und M o C I ~ / ( C ~ H ~ C ~ ) ~ O / I Sn( C2H 5)4 zeigen sich auch bei der Bildung von cis-Poly( I-pentenylen) (Polypentenamer), das nach den vorliegenden Ergebnissen-” an der Spezies CIK entsteht. Wahrend das Wolfram-System bei - 30°C in guten Ausbeuten (bis 70%) stereospezifisch cis-Polypentenamer liefert, lafit sich unter analogen Bedingungen mit dem Molybdan-System kein cis-Polymer herstellen. Selbst bei - 30 ‘C werden bei Umsatzen von 20% Polypentenamere mit nur 40% cis-Doppelbindungen erhalten (Abb. 5).

Betrachtet man die Temperaturabhangigkeit des cis-Anteils im Polymeren, so wird deutlich, da8 es sich keineswegs um ein thermodynamisch bestimmtes Isomerisierungsgleichgewicht von cis- und trans-Doppelbindungen handelt, sondern da8 die entstehende Struktur katalysatorspezifisch ist.

2621

Page 6: Die rolle des zentralatoms bei der ringöffnenden polymerisation. Vergleich zwischen wolfram und molybdän

G. Lehnert, D. Maertens, G. Pampus u. M. Zimmermann

6 100-

5 75-

, 50-

m

U 3 W - K a t .

e

n

L?

e0 25-

v)

a Q

%

10 -

Polymerisationstemperatur in O c

Abb. 5 amer). Katalysatoren und Monomerkonzentration wie in Abb. 3

Temperaturabhangigkeit der Mikrostruktur von Poly( I-pentenylen) (Polypenten-

Wurde das Polypentenamer in einer rein thermodynamisch kontrollierten Reaktion gebildet, so muI3te der Gehalt an trans-Doppelbindungen mit fallen- der Temperatur ansteigen, wie es z. B. beim 2-Buten und Polybutadien der Fall ist5). Es wird jedoch - wie Abb. 6 fur das Verhaltnis von trans- zu cis-Doppelbindungen zeigt - ein vollig andersartiger Verlauf gefunden. Beim Wolframsystem nimmt der cis-Gehalt ab 0°C stark zu. Bei -30°C entsteht praktisch reines cis-Polypentenamer. Beim Molybdansystem ist der Verlauf ahnlich, doch werden maximal 40% cis-Gehalt bei - 30°C erreicht.

Ein weiterer Hinweis auf die unterschiedliche Stabilitat von CIK bei Molyb- dan- und Wolfram-Katalysatoren ergibt sich aus der Untersuchung der Poly- merstruktur als Funktion der Polymerisationszeit (Abb. 7).

Nach wenigen Minuten liegen im wolframkatalysierten System auch bei 25 'C uber 35% der Polymerdoppelbindungen in cis-Konfiguration vor. Im molyb- dankatalysierten System ergeben sich unter den gleichen Bedingungen jedoch Polymere mit nur 25% cis-Doppelbindungen. Mit fortschreitender Polymerisa- tionszeit andert sich dann die Struktur der Polymeren bis zum Grenzwert von ca. 20Y0 cis-Doppelbindungen. Wir konnen bisher nicht unterscheiden, ob die anfangs gebildeten cis-Doppelbindungen von der bei 25 "C stabilen aktiven Spezies TRAK bis zum Grenzwert (ca. 80%) umgelagert werden oder als ,,cis-Block" erhalten bleiben, hoffen jedoch, dieses Problem durch

Fur die deutlich hoheren cis-Gehalte von 25 bis 40% bei geringen Umsatzen (1 bis 10% Polymer), die noch weit vom Polymer-Monomer Gleichgewicht entfernt sind, sind zwei verschiedene Deutungen moglich :

3C-Kernresonanzspektroskopie aufklaren zu konnen.

2622

Page 7: Die rolle des zentralatoms bei der ringöffnenden polymerisation. Vergleich zwischen wolfram und molybdän

Die Rolle des Zentralatoms bei der ringoflienden Polymerisation

Polybutad ien

Polypentenarner \ (Mo - Kat ,)

- t l °C

x \

Polypentenarner ( W -Ka t . )

50 30 0 - 30 I 1 I I I 1 1

3,O 3,5 4,0

Abb. 6. Temperaturabhangigkeit von K bei Polybutadien’’ und Polypentenamer. Kataly- satoren wie in Abb. 3, Monomerkonzentration 20-25 Gew.-% in Toluol

1) Unter den in Frage kommenden Reaktionsbedingungen 1aBt sich die Bildung und die Aktivitat der Spezies CIK in geringer Menge nicht ausschlie- Den. cis-Gehalte von iiber 20% in einem Polymerisationsverlauf, der durch die Spezies TRAK beherrscht wird, lassen sich deshalb zwanglos durch noch vorhandene Aktivitat von CIK erklaren. TRAK selbst erzeugt unabhangig vom Umsatz und von der Temperatur ein Polypentenamer von 8G82%0 trans-Gehalt.

2) Die nicht auszuschlieBende Aktivitat einer geringen Menge an CIK ist zu vernachlassigen. Das Reaktionsgeschehen wird allein durch die Spezies

2623

Page 8: Die rolle des zentralatoms bei der ringöffnenden polymerisation. Vergleich zwischen wolfram und molybdän

G. Lehnert, D. Maertens, G. Pampus u. M. Zimmermann

C a, ul 2 80

0

n Y 70

E ,-"

C .-

Q Q 0

60

50

W - Kat .

?' I l l I I I

10 20 30 60 120 180 Polyrnerisationszeit in rnin

Abb. 7. Abhangigkeit des trans-Doppelbindungsgehaltes von der Polymerisationszeit. Katalysatoren, Reaktionstemperatur und Konzentrationen wie in Abb. 3

TRAK bestimmt. Die Spezies TRAK polymerisiert Cyclopenten zu einem Poly- pentenamer, dessen cis-Gehalt wir nicht angeben konnen, weil dieselbe Spezies gleichzeitig kettenstandige cis-Doppelbindungen in solche mit trans-Konfigu- ration umlagert. Der trans-Gehalt von 8&82%, der sich mit der Spezies TRAK einstellt, ware dann eine Konsequenz der sterischen und konformativen Bedingungen der cis-trans-Umlagerung.

Welcher der beiden Erklarungsversuche richtig ist, murj noch experimentell entschieden werden. Die folgenden Ergebnisse und Uberlegungen sind unab- hangig davon. Da unsere Modellkatalysatoren - mit Ausnahme der Atherkom- ponente - die gleiche Zusammensetzung besitzen, sollten sich die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Katalysatorsysteme auf die Zentralatome Molybdan und Wolfram zuruckfuhren lassen. Beide Metalle besitzen einen Satz von 6 Valenzelektronen, die fur Molybdan in 4d55s1, fur Wolfram in 5d46s2 aufgespalten sind. Da die Ubergangsmetalle in den aktiven Spezies unserer Katalysatorsysteme in hohen Oxydationsstufen ( + 4; + 5) vorliegen, und die Energieunterschiede der betroffenen Orbitale sehr gering sind, sind unterschiedliche Hybridisierungen nicht zu erwarten.

Die Ionenradien fur die +4-Ionen von Mo und W sind infolge der Lanthani- denkontraktion (Auffullung des 4f-Niveaus) mit 0,7 bzw. 0,68 A innerhalb der Fehlergrenze gleich. Ebenso zeigen auch die Elektronegativitaten der beiden Metalle nur geringe Unterschiede (nach Allred-Rochow Mo 1,3, W

2624

Page 9: Die rolle des zentralatoms bei der ringöffnenden polymerisation. Vergleich zwischen wolfram und molybdän

Die Rolle des Zentralatoms bei der ringornenden Polymerisation

1,4; nach Pauling Mo 2,16, W 2,36). Desgleichen werden in der Literatur fur die a-Abstande Mt-C fast identische Werte angegeben (Mo-C 2,08 *0,04 A, W-C 2,06+0,01 A). Diese Daten zeigen so geringe Differenzen, die oft innerhalb der Fehlergrenze liegen, daD wir fur beide Katalysatorsysteme gleiche Spezifitat und Aktivitat erwarten wurden. Das wird fur die aktiven Spezies TRAK durch die Experimente bestatigt.

Zur Erklarung der hoheren Stabilitat der Spezies CIK des W-Systems zeigen die physikalischen Werte wohl die richtige Tendenz - W besitzt die etwas hohere Elektronegativitat, die a-Bindung W-C erscheint etwas fester als die a-Bindung Mo-C - diese Unterschiede sind jedoch zur Erklarung kaum ausreichend. Es ist deshalb wahrscheinlich, daD sterische Effekte bei der Wechselwirkung zwischen Metal1 und Olefin eine gronere Rolle spielen. Nach den Regeln der Wellenmechanik sollte die Raumerfullung der Orbitale mit steigender Hauptquantenzahl erheblich vergroDert werden. Der gegenlaufi- ge Effekt ergibt sich in unserem Fall durch den Einbau von 4f-Elektronen in der Lanthanidenreihe. Die beiden Effekte kompensieren sich nahezu vollstan- dig, wie bereits an den ungerichteten Gronen der Ionenradien gezeigt wurde. Berechnet man jedoch gerichtete GroDen, z. B. die d-Orbitale von Mo und W, so ergibt sich in guter Ubereinstimmung fur die beiden Berechnungsarten nach Slater und nach Gauss fur den mittleren, relativen Radius des Wolfram-5d- Orbitals ein 10% groI3erer Wert als fur das Mo-4d-Orbital. Analoge Rechnun- gen lassen sich auch fur die entsprechenden s- und p-Orbitale anstellen. Nach diesen Ergebnissen ist zu erwarten, daD auch die spd-Hybride der beiden Metalle einen Unterschied der Raumerfullung in dieser GroBenordnung au fweisen.

Daraus folgt, daD das 4d-Element Molybdan mit den Orbitalen der Liganden - in unserem Falle besonders mit den n-Elektronenwolken des Cycloolefins - nur in geringerem Abstand als das 5d-Element Wolfram durch Hybridorbitale ausreichend uberlappen kann. Es scheint deshalb plausibel, daD wegen der raumlichen Enge am Mo-Zentralatom die sperrige Athylgruppe (a-C-Bindung) abgegeben werden muD, um die Olefinmolekule ausreichend zu binden; d. h. aber, die CIK-Spezies geht in die TRAK-Spezies uber.

Mit dieser Vorstellung stimmt das Verhalten der beiden Katalysatorsysteme gegenuber den cis-C,-Cycloolefinen, cis- 1,5-Cyclooctadien (COD) und cis-Cy- cloocten (COE) recht gut uberein. Der Wolframkatalysator polymerisiert bei 20 "C in nahezu quantitativer Ausbeute COD zu trans-Polybutadien mit ca. 80% trans-Doppelbindungen und COE in gleich guter Ausbeute zu Polyoctena- mer mit ca. 85% trans-Doppelbindungen. Die beim Cyclopenten beschriebenen

2625

Page 10: Die rolle des zentralatoms bei der ringöffnenden polymerisation. Vergleich zwischen wolfram und molybdän

G. Lehnert, D. Maertens, G. Pampus u. M. Zimmermann

Effekte der Bildung von cis-Doppelbindungen zu Beginn der Polymerisation und ihrer ,,Umlagerung" sind auch bei den C 8-Cycloolefinen eindeutig nach- weisbar.

Das Mo-Katalysatorsystem dagegen liefert fur das gegenuber CPE raumer- fullendere COE unter analogen Bedingungen Umsatze unter 50% und mit dem weniger flexiblen COD nur noch Umsatze von 20%. Diese Ergebnisse stehen mit Modellbetrachtungen iiber die sterische Anordnung der Liganden am Zentralatom in guter Ubereinstimmung.

Die bisherigen Betrachtungen ermoglichen Vorhersagen fur mononukleare Komplexe. Fur Bimetallkomplexe, wie sie fur Wolfram- und Molybdan-Alumi- niumorganyl-Katalysatoren wahrscheinlich sind, gelten diese Modellvorstel- lungen zwar prinzipiell, doch konnen Verschiebungen der Elektronendichte und Verzerrungen der Strukturen die relativ geringen Stabilitatsunterschiede der beiden Spezies leicht uberdecken und zu einem andersartigen Verlauf der Polymerreaktion fuhren.

Die Autoren danken Herrn Dr. Graulich und Herrn Dr. Dinges fur die Forderung dieser Untersuchungen. Den Herren Dr. Bayer, Dr. Fitzky und Dr. Wendisch sind wir fur die Aufnahme und Diskussion der IR-, ESR- und NMR-Spektren sowie Herrn Dr. Donner fur Orbital-Berechnungen zu Dank verpflichtet.

G. Dall'Asta, G. Motroni, Angew. Makromol. Chemie 16/17, 51 (1971) G. Pampus, G. Lehnert, Makromol. Chemie 175,2605 (1974), voranstehend

13, 880 ( 1 972) 3, G. Pampus, G. Lehnert, D. Maertens, Am. Chem. SOC., Div. Polymer Chem., Preprints

4, W. Grahlert, K. H. Thiele, Z. Anorg. Allgem. Chem. 383, 144 (1971) 5 , H. G. Elias, ,,Makromolekule", Huthig & Wepf, Base1 1971, S. 597

2626