12
Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 231, S. 199--210 (1957) Aus dem Pharmakologischen Institut der Universit~t Kiel (Direktor: Prof. Dr. B. BEHRENS) Die Substanz P-Konzentration im Gehirn bei verschiedenen Funktionszust~inden des Zentralnervensystems ~ Von GERHARD ZETLER und ~ERTA 0HNESORGE ~ Mit 3 Textabbfldungen (Eingegangen am 23. Mgrz 1957) Substanz P (SP), das yon EULE~ u. GADDUM (1931) erstmals be- sehriebene pharmakologiseh aktive Polypeptid, seheint ffir die Funktion des Gehirns yon Bedeutung zu sein. SP kommt nieht nur in eiuer charakteristischen Verteilung im Gehirn vor (KoPv, RA u. LAZA~INI 1953 ; L~MBECK 1953; PERNOW 1953; ZETLE~ U. SC~LOSSER 1953, 1954, 1955; AMIN, CRAWFORDU. GADDDM1954), sondern sic fibt auch bei der Zufuhr yon aul~en einen EinfluB auf die Funktion des Zentralnervensystems aus, den man vielleieht hemmend nennen kSnnte (E~LER U. P~.R~OW 1954, 1956; Z~TLER 1956a, b; STERN U. HUKOWC 1956). Es interessierte uns nun die Frage, ob die Konzentration yon SP im Gehirn sieh mit der Funktion des Organs ~ndert. Ffir viele im Gehirn vor- kommende Substanzen trifft dies zu. Wir erw£hnen nur die Abh~ngig- keit der Acetyleholin-Konzentration veto Funktionszustand des Gehirns. Bisher ist erst eine Arbeit erschienen, die sich mit der Beziehung zwischen der eerebralen Konzentration you SP und der Funktion des Gehirus befaflt (PxAso~ u. VOGT 1956); es land sich keine J/mderung der SP- Konzentration im Nucleus caudatus und im Hypothalamus bei der Ein- wirkung yon Pharmaka, die den Gehalt der gleichen Gebiete an Serotonin ver~nderten. Wir stellten uns die Aufgabe, das Zeutra]nerveusystem yon M~usen auf pharmakologisehem Wege zu erregen oder zu liihmen und zu unter- suehen, ob diese Mal~nahmen einen Einflufl auf die SP-Konzen~ration im Gehirn haben. Ein solches Vorgehen, bei dem zentrale Stimulantien und Narkotiea augewandt werden, hatte sich anderen Autoren bew~hrt bei Untersuchungen fiber das Vorkommen und Verhalten yon Ammoniak und Aeetyleholin im Gehirn (Literatur siehe Diskussiou). * Mit dankenswerter Unterstiitzung durch die Deutsche Forsehungsgemein- schaft.. ** FFI. OHNESORGEwird unsere Ergebuisse ausfiihrlich in ihrer Dissertation darstellen. Arch. cxper. Path. u. PharmakoL, Bd. 231 14

Die Substanz P-Konzentration im Gehirn bei verschiedenen Funktionszuständen des Zentralnervensystems

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Die Substanz P-Konzentration im Gehirn bei verschiedenen Funktionszuständen des Zentralnervensystems

Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 231, S. 199--210 (1957)

Aus dem Pharmakologischen Institut der Universit~t Kiel (Direktor: Prof. Dr. B. BEHRENS)

Die Substanz P-Konzentration im Gehirn bei verschiedenen Funktionszust~inden

des Zentralnervensystems ~ Von

GERHARD ZETLER und ~ E R T A 0HNESORGE ~

Mit 3 Textabbfldungen

(Eingegangen am 23. Mgrz 1957)

Substanz P (SP), das yon EULE~ u. GADDUM (1931) erstmals be- sehriebene pharmakologiseh aktive Polypeptid, seheint ffir die Funktion des Gehirns yon Bedeutung zu sein. SP kommt nieht nur in eiuer charakteristischen Verteilung im Gehirn vor (KoPv, RA u. LAZA~INI 1953 ; L~MBECK 1953; PERNOW 1953; ZETLE~ U. SC~LOSSER 1953, 1954, 1955; AMIN, CRAWFORD U. GADDDM 1954), sondern sic fibt auch bei der Zufuhr yon aul~en einen EinfluB auf die Funktion des Zentralnervensystems aus, den man vielleieht hemmend nennen kSnnte (E~LER U. P~.R~OW 1954, 1956; Z~TLER 1956a, b; STERN U. HUKOWC 1956).

Es interessierte uns nun die Frage, ob die Konzentration yon SP im Gehirn sieh mit der Funktion des Organs ~ndert. Ffir viele im Gehirn vor- kommende Substanzen trifft dies zu. Wir erw£hnen nur die Abh~ngig- keit der Acetyleholin-Konzentration veto Funktionszustand des Gehirns. Bisher ist erst eine Arbeit erschienen, die sich mit der Beziehung zwischen der eerebralen Konzentration you SP und der Funktion des Gehirus befaflt ( P x A s o ~ u. VOGT 1956); es land sich keine J/mderung der SP- Konzentration im Nucleus caudatus und im Hypothalamus bei der Ein- wirkung yon Pharmaka, die den Gehalt der gleichen Gebiete an Serotonin ver~nderten.

Wir stellten uns die Aufgabe, das Zeutra]nerveusystem yon M~usen auf pharmakologisehem Wege zu erregen oder zu liihmen und zu unter- suehen, ob diese Mal~nahmen einen Einflufl auf die SP-Konzen~ration im Gehirn haben. Ein solches Vorgehen, bei dem zentrale Stimulantien und Narkotiea augewandt werden, hatte sich anderen Autoren bew~hrt bei Untersuchungen fiber das Vorkommen und Verhalten yon Ammoniak und Aeetyleholin im Gehirn (Literatur siehe Diskussiou).

* Mit dankenswerter Unterstiitzung durch die Deutsche Forsehungsgemein- schaft..

** FFI. OHNESORGE wird unsere Ergebuisse ausfiihrlich in ihrer Dissertation darstellen.

Arch. cxper. Path. u. PharmakoL, Bd. 231 14

Page 2: Die Substanz P-Konzentration im Gehirn bei verschiedenen Funktionszuständen des Zentralnervensystems

200 G. ZETLER und G. OHNESORGE:

Material und Methoden

Den Gehalt der Hirnext rakte an SP bes t immten wir am isolierten Ileum des Meerschweinehens nach AMId, CRAWFORD U. GADDUM (1954); das Darmstiick war in 2 ml Tyrode-LSsung suspendiert. Diese LSsung enthiel t in 1 1 destillierten Wassers 8,0 g ~aC1, 0,2 g KC1, 0,2 g CaCl2, 1,0 g Dextrose, 0,05 g Natt2PO 4 und 1,0g NaI-ICO~; die Temperatur betrug 32 ° C. Bei dem isolierten Kaninchen- J e junum enthiel t die Tyrode-LSsung auflerdem noeh 0,1 g MgCl2; die Temperatur dieses Bades war 37 ° C. Um den Meerschweinchen-Darm fiir Aeetylcholin, His tamin und 5-Oxytryptamin (Serotonin) unempfindlich zu machen, enthielt die LSsung 10 -7 Atropin, 10 -e Neo-Antergan und 2 . 1 0 -~ Tryptamin. Bei dem Kaninchen- J e junum enthiel t die Tyrode-LSsung nur Atropin und Neo-Antergan in obiger Konzentra t ion. Das Standard-Pr~para t yon SP war aus Rindergehirn hergestellt und ha t te eine Akt iv i ta t yon 8,5 E/mg; nach PERNOW (1953) entspricht eine SP-E der Wirksamkei t yon 7- -10 SP-Schwellendosen am isolierten I leum des Meer- schweinchens in 3 ml Tyrode-LSsung.

Wir untersuchten die Gehirne yon m~nnlichen M~usen, die 2(L--25 g schwer waren. Die M~use wurden schnell mi t der Schere dekapit iert und das Gehirn ent- nommen. Die eaudale Grenze war die Spltze des Calamus scriptorius; das Cere- bellum wurde verworfen, da es prakt isch frei yon SP ist. Die Gehirne wurden dann gewogen und in einem MSrser mit etwas Seesand zermahlen. Von der Dekapitat ion bis zu diesem Zei tpunkt verging nieht mehr als 1 min.

Die bisher angewandten Methoden zur Ext rakt ion yon SP aus Gewebe, etwa Nervengewebe, bestehen im wesentlichen darin, dal3 das Gewebe mit saurer w~B- rigor Extrakt ionslSsung zerrieben und dann fiir wenige Minuten gekoeht wird. Diese Art der Ext rak t ion ist aber m5glieherweise schon eine sehr eingreifende Mal3nahme, durch die beispielsweiso freies Acetylcholin aus der im Nervengewebe vorliegenden gebundenen und biologisch unwirksamen Form in Freiheit gesetzt wird (Ubersicht bei LOEWI 1956). Es ist prinzipiell mSglieh, dab auch bei der bisher geiibten Ar t der Ex t rak t ion yon SP ~hnliehe Vorg~ngo unbemerkt ablaufen, die freilich nichts mi t einer ZerstSrung yon SP zu tun haben; SP ist bekanntl ich gegen Kochen in saurem Milieu sehr resistent. Wir fragten uns deshalb, ob es nicht mSg- lieh sei, SP mi t milderen Methoden, also ohne Anwendung yon S~ure und Hitze zu extrahieren. Eine Beachtung dieser Fragen ware deshalb wichtig, weft die an den nervSsen Prozessen aktuell betefligte Menge yon SP vielleicht leiehter zu extrahieren ist als eine physiologiseherweise noch unwirksame Depotform dieser Substanz; dies scheint bei Aeetylcholin der Fall zu sein.

Wir zerrieben deshalb die Gehirne, die nach der Entfernung des Cerebellums durchschnit t l ich 360 mg wogen, mi t etwas Seesand im MSrser und setzten 3 ml destillierten Wassers zu. Um inertes Eiweil~ nach MSgliehkeit auszuf~llen, gaben wit 9 ml 96°~o igen ~thyla lkohols zu. Nach 5 rain langem Zentrifugieren mit 3200 U/ rain wurde das Uberstehende abgetrennt , auf dem Wasserbade eingedampft und die Tyrode-LSsung aufgenommen. Dieser Ex t r ak t s a ha t te eine Aktivi t~t von etwa 56 E/g Gehirn (Feucht-Gewieht). Um zu sehen, ob diese Extrakt ion des Gehirns vollstandig war, nahmen wir den naeh dem Zentrffugieren zuriickgebliebenen Ri ickstand erneut in destilliertem Wasser auf und verfuhren wie bei der Herstellung yon Ex t r ak t a r Wie die Tab. 1 zeigt, ha t te der so gewonnene Ex t rak t a s noch eine Aktivi t~t entsprechend 14 E/g Gehirn. Wir wiederbolten deshalb diese Art der Ext rak t ion noch zweimal (Extrakte a 3 und a4). Nachdem wir das Gehirn auf diese Weise viermal nacheinander kalt extrahier t hat ten, suspendierten w i r e s wieder in 3 ml destillierten Wassers, brachten die Suspension mi t n HC1 auf p~ 3, stellten sie 2 rain in koehendes Wasser, gabon nach dem Abkiihlen 9 ml ~ thano l zu, verminder ten die Aeidit~t dureh Zuffigen yon n NaOH bis zum Ausfallen der

Page 3: Die Substanz P-Konzentration im Gehirn bei verschiedenen Funktionszuständen des Zentralnervensystems

SP-Konzentration im Gehirn bei verschiedenen Funktionszust~nden 201

EiweiflkSrper (PH 6) und zentrifugierten fiir 2 rain mit 3000U/min. Das ~berstehende lieferte nach dem Eindampfen auf dem Wasserbade und naeh der Aufnahme in Tyrode-L5sung den Extrakt bp Auf diese Weise lieB sich noch SP extrahieren, die mit der ,,milden" kalten Methode nieht zu fassen war. Abet auch die einmalige heiBe Extraktion war noch nieht erschSpfend; eine Wiederholung lieferte immer noch etwas SP (Extrak$ b2). Insgesamt enthielt das Gehirn der Maus (ohne Cere- bellum) etwa 92 E/g SP, wovon 76 E/g bereits durch viermalige kalte Extraktion gewonnen werden konnten.

Tabelle 1. Ergebnisse der sechsmal nacheinander er/obgenden Extraktion yon S P au~ 6 Gehirnen yon Mdusen, wobei die ersten d Extraktionen (a-Extrakte) bei t~aum- Temperatur mit destilliertem Wasser und ~thanol, die beiden /olgenden Extraktionen (b-Extrakte) bei pH 3 und 100°C vorgenommen wurden. Die Zahlen bedeuten die

pro Gramm /rischen Gehirns extrahierte Menge S P in Einheiten (E/g)

Gehirn a-Extrakte b-Ext rakte

:Nr. al a~ bl b2

58 46 67 50 58 54

Mittel . . [ 55,5

a2 al

7,5 4,7 16,0 3,4 18,0 9,3 16,0 6,0 14,0 4,7 9,6 3,0

1,0 3,0 1,4 2,0 1,0 2,4

8,6 10,0 23,0 14,6 18,0 10,0

13,5 5,2 1,8 14,0

76,1

91,9

1,2 1,7 5,0 1,0 0,8 1,0

1,8

15,8

Zur Kontrolle extrahierten wir 20 Gehirne mit einer ExtraktionslSsung, die zu gleiehen Teilen aus destilliertem Wasser und Methanol bestand und mit tt2S0 ~ auf PH 2---3 gebraeht worden war (ZETLER U. SCHLOSSER 1954). Das in dieser LSsung zerriebene und suspendierte Gehirn extrahierten wir nur einmal, indem wir die Suspension auf dem Wasserbade zweimal kurz aufkoehen lieBen, filtrierten, das Filtrat eindampften und den Riiekstand in Tyrode-LSsung aufnahmen. Die so untersuehten 20 Gehirne enthielten im Mittel 97 E/g SP, also fast die gleiehe Konzentration wie nach der in Tab. 1 dargestellten seehsmaligen Extraktion.

Die yon nns angewandte fraktionierte Extraktion yon SP lieferte demnaeh zwar keine grSBere Ausbeute, aber sie bot m5glieherweise gewisse Anhaltspunktm flit das Vorliegen zweier Zustandsformen yon SP im Gehirn. Um an dieses Problem heranzugehen, haben wir frisehe Gehirne yon Miiusen zerrieben, in 3 ml destillierten Wassers suspendiert und diese Suspension vor der oben besehriebenen weiteren Extraktion dialysiert oder autolysiert. Bei diesen Versuehen, die wir unter ver- schiedenen Bedingungen durehfiihrten, verhielten sieh die b-Extrakte immer ganz anders als die a-Extrakte. Wir wollen diese Ergebnisse jetzt noeh nieht ausfiihrlieh publizieren, da wir sie ohne weitere Experimente noeh nieht befriedigend deuten kSnnen.

Es schien uns auf Grund dieser Beobaehtungen ratsam, die umsti~ndliche fraktionierte Extraktion yon SP beizubehalten. Allerdings vereinigten wir bei allen weiteren Versuchen die 4 a-Extrakte vor dem Eindampfen auf dem Wasserbad, dasselbe gesehah mit den beiden b-Extrakten. Auf diese Weise erhielten wir yon jedem Gehirn einen a-Extrakt und einen b-Extrakt.

14"

Page 4: Die Substanz P-Konzentration im Gehirn bei verschiedenen Funktionszuständen des Zentralnervensystems

202 G. ZETLER und G. OHNESORGE:

Die endgiiltigen, in Tyrode-L5sung aufgenommenen Extrakte waren triibe, was wohl auf in Wasser unlSsliche Lipoide zuriickzufiihren ist. Eine Reinigung der Extrakte gelang uns, indem wir den triiben Extrakten Aceton bis zum Auftreten reichlicher F~llung zusetzten und zentrifugierten. Nach dem Eindampfen des Uber- stehenden auf dem Wasserbade, der Aufnahme des Riickstandes in destilliertem Wasser und dem erneuten Zentrifugieren ergaben sich klare Extrakte. Lcider hatten die gereinigten a-Extrakte nur noch 64% der Aktivit~t der rohen Extrakte, weshalb wir weiterhin auf diese Reinigung verzichteten.

Alle den M~usen injizierten Pharmaka wurden in 0,9%iger NaC1-LSsung gelSst. und in einem Volumen von 0,01 ml/g den Tieren tells subcutan, teils intraperitoneal verabreicht.

Lysergs~uredi~thylamid (LSD): Wir injizierten 10mg/kg subcutan. Schon wenige Minuten nach der Injektion begann der Erregungszustand, der bei der 60 min sparer erfolgenden TStung der Tiere nicht mehr in voller St~rke vorhanden war. - - Pikrotoxin: Wir gaben 6 mg/kg subcutan, wonach yon 9 Tieren 7 spontar~ 8, 5, 9, 12, 13, 15, 18 und 20 rain sparer starben. Die beiden iiberlebenden Tiere hatten je 3 schwere Krampf-Anf~lle und wurden 30 min nach der Injektion gc- t5tet. - - Benzedrin (Amphetamin--d-l- l -Phenyl-2-aminopropan): Die M~use erhielten 10 mg/kg subcutan und wurden 40 min nach der Injektion dekapitiert. - - Morphin: Wir verabreichten 15mg/kg subcutan, wonach es zu einer starken Steigerung der Motilit~t und zum Auftreten des Straub'schen Ph~nomens kam. 60 min nach der Injektion wurden die Tiere get6tet. - - Urethan: ~Nach der intra- peritonealen Gabe von 1,6 g/kg kam es mit Sicherheit zur Narkose (Seitenlage). Nach 30 rain langer Narkose dekapitierten wir die Tiere. - - Luminal-Natrium (Natrium phenyl~thylbarbituricum) : 175 mg/kg intraperitoneal fiihrten zun~chst zu einem Excitationsstadium, das 15--20min lang dauerte. Nach 30min langer Narkose t6teten wir die Tiere. Chloroform: Wir narkotisierten die MiSuse in Glas- flaschen von 5 1 Inhalt, in die auf einen Wattebausch 0,134 ml Chloroform gegeben wurde. Das Excitationsstadium dauerte 10--30 min. Nach 30 min langer Narkose wurden die Tiere dekapitiel~.

Die Mittelwerte wurden unter der Anwendung der t-Funktion miteinander ver- glichen. Wir nahmen an, dab kein signifikanter Unterschied zwischen zwei Werten besteht, wenn p ~ 0,05 ist. Der in den Tabellen angegebene Wert ~ ist der Mittlere Fehler des Mittelwertes.

Ergebnisse D a die y o n uns a n g e w a n d t e k a l t e E x t r a k t i o n m i t de s t i l l i e r t em

W a s s e r y o n d e n f ib l ichen V e r f a h r e n abwe ich t , e rhob sich d ie F rage , ob d ie

b io logische A k t i v i t ~ t d e r so g e w o n n e n e n E x t r a k t e wi rk l i ch au f S P zu r f i ckzuf f ih ren ist. N a c h a l len E r f a h r u n g e n s ind die v o n uns a m iso l ie r ten M e e r s c h w e i n c h e n - I l e u m a n g e w a n d t e n K o n z e n t r a t i o n e n v o n A t r o p i n , N e o - A n t e r g a n u n d T r y p t a m i n h o e h genug , u m jede S t 6 r u n g d u r c h g le ichfa l l s e x t r a h i e r t e s Aee ty l cho l i n , H i s t a m i n u n d S e r o t o n i n u n m S g l i c h

zu m a c h e n . U n t e r d ie sen B e d i n g u n g e n d e r A u s w e r t u n g k a n n das wirk- s a m e A g e n s in e i n e m E x t r a k t aus G e h i r n n u r n o c h S P ode r die im Z w i s c h e n h i r n v o r k o m m e n d e n t t y p o p h y s e n h i n t e r l a p p e n - H o r m o n e (HILD

U. ZETLnR 1951) sein. Diese H o r m o n e k o m m e n h ie r j e d o c h in so g e r i n g e r M e n g e vo r , dab sie bei d e r A u s w e r t u n g e ines E x t r a k t e s aus e i n e m g a n z e n G e h i r n a u f S P a m M e e r s c h w e i n c h e n - I l e u m n i c h t s tS ren k S n n e n (AMIN, CRAWFORD U. GADDUM 1954). T r o t z d e m v e r s u c h t e n wir, SP n a e h d e r

Page 5: Die Substanz P-Konzentration im Gehirn bei verschiedenen Funktionszuständen des Zentralnervensystems

SP-Konzentration im Gehirn bei verschiedenen Funk~ionszust~nden 203

Methode yon GADDUM (1953) ZU identifizieren, indem wir den isolierten Darm durch eine genfigend hohe Konzentrat ion yon SP in der Suspen- sionslSsung ffir SP desensibilisierten. Naeh den Erfahrungen yon GADDUM (1953), ~ , CI~Wl~OR]) u. GADDUM (1954) sowie PAASOI~.~ u. VOGT (1956) sprieht der Darm w~hrend der Anwesenheit hoher Konzen- trationen von SP in der Suspensionsfliissigkeit auf geringere, vorher

i

! ' , , ! ' , ! o

/

7 2 .? 7 7 2 3 : Im[n

Abb. i . E in f l u~ der Desensibilisierung des Meerschweinchen-Ileums gegen SP auf die Wirksamkeit fiquipotenter Gaben yon SP-Standard (1), a-Extrakt (2) und b-Extrakt (3) aus Gel/ira. Bei der zweiten Abbildung enthitlt die Suspensionsl6sung dauernd die 10fache SP-Menge, n~mlieh 3 , 2 E / m l , bezogen auf die Standard-Dosis (1). -[- = Erneuerung der SuspensionslSsung und Anhalten des

Kymographions f~lr 5 rain

wirksame Dosen nieht mehr an, ohne jedoeh gleichzeitig seine Empfind- lichkeit fiir andere aktive Substanzen zu verlieren. Am so desensibili- sierten Darm (Abb. 1) verhielten sich die beiden Hirn-Extrakte a und b wie der SP-Standard.

Da SP als Polypeptid dureh Trypsin und Chymotrypsin zerst6rt wird, versuchten wir, auch unsere Extrakte dureh Trypsin abzubauen.

Abb. 2. Kaninchen-JeJunum (SUSl~ensionsl~sung 8 m l ) . 1 S P - S t a n d a r d 1,7 ]~. 2 a - E x ~ r a k t ; 3 b - ] ~ x t r a k t ; 2 und 3 in einer Dosis, die am Ileum des Meersehweinehens 1,7 E SP ~quivalent war. 4 u n d 5 wie 3 u n d 2, jedoch nach der Inkubatton mit Trypsin. 6 wie 5, jedoch in einer am Ileum

des Meerschweinchens dem SP-Standard ~quivalenten Dosis

Wir benutzten Trypsin/Merck (Aktivit~t mindestens 40000 Fuld.Grof- E/g). Die in Ampullen eingesehmolzenen Ansi~tze inkubierten wir in einem Wasserbade von 38°C und stellten sie nach dem Ende der In- kubation 30 min lang in koehendes Wasser. Zu unserer Uberraschung zeigte sich (Tab. 2), daft zwar LSsungen unseres Standard-SP-Pr~parates ebenso wie b-Extrakte gleicher Aktivit~t restlos abgebaut wurden, daf

Page 6: Die Substanz P-Konzentration im Gehirn bei verschiedenen Funktionszuständen des Zentralnervensystems

204 G. ZETLER u n d G. OHI~ESORGE.*

dies aber n ich t bei den a - E x t r a k t e n gelang (Abb. 2). Hier be t rug der

Verlust an Aktivit/~t e twa 70~o, ganz gleich, ob die Dauer der Inkuba t ion verl/~ngert oder die Tryps in -Konzen t ra t ion erh6ht worden war. An dem

gegen SP desensibil isierten Meerschweinchen-I leum ergab sich nun (Abb. 3), dab offenbar eine neue Substanz in den a - E x t r a k t e n dureh die

Behandlung mi t Tryps in en ts tanden war. Der mi t Trypsin inkubier te

a - E x t r a k t (der erste in Tab. 2) war n/~mlich am fiir SP desensibil isierten

I l eum noeh wirksam, obwohl der n ich t mi t Tryps in behandel te gleiehe

~j A B

Abb. 3. Isoliertes Ileum des Meerschweinchens. 1 SP-Standard 0,26 E (Endkonzentration: 0,13E/ml). Bei Bild B enth~lt die SuspensionslSsung dauernd die 20fache SP-Konzentration, n~mlich 2,6E/ml. 2 ohne Trypsin inkubierter a-Extrakt; 3 der gleiche Extrakt mit Trypsin inkubiert (2 und 3 wurden in Dosen gegeben, die dem 1,Sfachen des Standards ~quivalent waren). 4 und 5 wie 2 und 1, jedoch in doppelter 1V[enge. 6 wie 3, jedoch in halber Menge. 7 Trypsin 0,14 mg, 30 min auf 100 ° C erhitzt (zugesetzte Menge entsprechend 6). 8 wie 7, jedoch 0,27 rag. 9 Trypsin 0,27 rag, jedoch nicht erhitzt

a -Ex t r ak t , der ja am normalen I l eum um 44% ak t ive r war als der Trypsin-behandel te , n ich t mehr wirkte. Die Abb. 3 zeigt, dab die Desensibil isierung gegen SP n u t dazu ausreichte, um die SP-Standard-

Dosis in Bild A und die ~quipotente Dosis des normalen a -Ex t r ak t e s unwirksam zu machen ; die doppe l ten Dosen waren wieder wirksam. Wie

man sieht, wirkte bei dem vor l iegenden Grade der Desensibil isierung die halbe Dosis des mi t Tryps in behande l ten a -Ex t r ak t e s e twa gleieh s tark wie die doppel te Dosis des normalen a -Ext rak tes . Naeh dieser Ar t der

Auswer tung ha t t e sich die biologische Wirksamkei t des a -Ex t rak te s durch die Behandlung mi t Tryps in scheinbar e twa vervierfaeht .

Aus diesen Versuchen mSchten wir schliel3en, dab die a - E x t r a k t e normalerweise nu t SP enthal ten , dal~ durch die Behandlung mi t Tryps in

der SP-Geha l t zerstSrt , gleichzeitig aber eine neue Substanz gebildet wird. Diese Substanz wirkt auch am gegen SP desensibil isierten Meer- schweinehen-I leum und am Kan inchen - Je junum . Sie ist naturgem~i3 resis tent gegen Tryps in und Chymotrypsin , das ja in unserem Trypsin- P r~para t en tha l t en ist.

Page 7: Die Substanz P-Konzentration im Gehirn bei verschiedenen Funktionszuständen des Zentralnervensystems

SP-Konzen~ration im Gehirn bei verschiedenen Funktionszust/~nden 205

Tabelle 2. Versuche zum Abbau yon S P durch.Trypsin

Substrat Trypsin-

Konzentration in mg/ml

Aktivit~t Aktivit~it Dauer nach Inkubation nach Inkuba~ion

der Inkubation ohne Trypsin mit Trypsin in rain E/ml E/ml

Abbau in %

SP-S~andard- P r ~ p a r a t . .

~-Extrakte ,

b-Extrakt .

30

30 30 30 45 45 30 30

30

2,6

2,5 2,14 2,43 2,04 1,94 5,1 3,4

2,4

< 0,07

1,4 0,63 0,62 0,48 0,55 0,85 1,25

< 0,085

> 97

70 74 76 72 83 63

96

69

N a c h d e m wir uns auf diese Weise d a v o n i iberzeugt ha t t en , dab wi r durch unsere Arbe i t sweise wirkl ich nur SP erfaBten, un t e r such ten wir die Gehirne yon 14 no rma len Mi~usen (Tab. 3). I n s g e s a m t liel~en sich 88 E /g SP ex t rah ie ren , wi~hrend das f r ak t ion i e r t e Vorgehen (Tab. 1) 92 E /g l ieferte.

Wie aus Tab. 4 hervorgeht , ~nder t sich die SP -Konzen t r a - 1 t ion im Gehirn bei de r Einwir- 2 kung b e s t i m m t e r P h a r m a k a auf 3 das Zen t r a lne rvensys t em. Diese 4 ~nde rungen , die sowohl bei den 5

6 a - E x t r a k t e n wie auch bei den 7 b - E x t r a k t e n au f t r a t en , waren 8 zum Tell ganz e rhebl ich ; so 9 be t rug d ie sti~rkste A b n a h m e bei 10 den a - E x t r a k t e n 48 % (Luminal) 11 12 u n d bei den b - E x t r a k t e n 44% 13 (Pikrotoxin) , d ie sti~rkste Zu- 14 nahme bei den a - E x t r a k t e n 78 % Mittel: . . (Morphin). Diese J~_nderungen ± e: . . . kSnnen schon nach r e l a t i v kuze r

Tabelle 3. Konzentration yon S P i m Gehirn (ohne Cerebellum) der normalen Maus

Gehirn a-Extrakt b-Extrakt Nr. ]~/g E/g

79 98 51 34 83 75 73 54 49 75 90 72 75 91

71,4 4,86

16 14 13 16 18 22 21 20 20 16 19 12 15 14

16,9 0,845

Zei t e in t re ten , wie m a n a m Beispie l des P ik ro tox ins e rkennen k a n n (2 Tiere s t a rben schon 8,5 und 9 min nach der In jek t ion) .

Bei den a - E x t r a k t e n zeigte sich ein k la re r Gegensa tz zwischen den N a r k o t i c a u n d den S t imulan t i en , da die S P - K o n z e n t r a t i o n in de r Narkose u n t e r die N o r m sank, bei de r S t imul ie rung des Gehi rns

Page 8: Die Substanz P-Konzentration im Gehirn bei verschiedenen Funktionszuständen des Zentralnervensystems

206 G. ZETLER und G. OHNESORGE"

jedoch fiber die N o r m anst ieg. U n t e r den e r r e g e n d e n Subs tanzen bi ldete L S D eine Ausnahme, da sich der SP-Geha l t der a - E x t r a k t e n ich t ~nder te . Gerade nach L S D h~t te man viel le icht e inen Anst ieg der S P - K o n z e n t r a t i o n e rwar ten kSnnen, da KRrvov (zi t ier t naeh G A D D ~ '1956) beobach te t ha t te , dab L S D in v i t ro ein im Gehirn vor- kommendes F e r m e n t hemmt , das SP abbau t .

Tabelle 4. Ein/lufl von zentral erregenden Substanzen und yon Narkotica au] die SP-Konzentration im Gehirn

t bedeutet bei den Stimulantien die Zeit vonder Injektion der Substanz bis zum spontanen Exitus oder zur Dekapitation der Tiere, bei den Narkotica die Dauer

der Narkose

Pharmakon

Pikrotoxin . . 9 Benzedr in . . 9 Morphin . . 6 LSD . . . . 11

Chloroform . 8 U r e t h a n . . . 8 Luminal-Na . 6

l p ~ 0 , 0 5 ; 2 p <

l min

~ 1 7 40 60 60

3O 3O 3O

a-Extrakt b-Extrakt E/g ± e E/g

71,4 4,86 16,9

87,92 5,74 9,53 101,44 4,5 9,94 127,04 7,04 14,71 70,61 2,53 10,04

5~,5 a 1,69 11,9 a 44,24 2,14 14,71 36,84 2,58 14,52

< 0,05; 3ff < 0,01; 4p ~ 0,001.

±~

0,845

1,06 i,07 1,17 1,15

1,11 1,26 0,548

a+b Total-

Extrakt E/g

+ 6

88,2 4,89

97,31 5,62 111,33 5,02 141,74 8,23 80,61 2,8

63,44 2,32 59,04 5,13 51,34 2,8

E in Unte r sch ied zwischen er regenden und 1Khmenden P h a r m a k a t r a t bei den b - E x t r a k t e n n ich t in Erscheinung, d a diese E x t r a k t e fas t immer an W i r k s a m k e i t verloren. Somi t i~nderte sich die A k t i v i t ~ t der a- und b - E x t r a k t e im a l lgemeinen bei den Na rko t i ca gleichsinnig und bei den S t imu lan t i en gegensianig. Das Beispie] des P ik ro tox ins zeigt, dab sich diese gegensinnigen ~ n d e r u n g e n aufheben k6nnen: Hie r ~nder te sich die G e s a m t - K o n z e n t r a t i o n yon SP im Gehirn nicht , obwohl oder gerade weil sich die Aktivi t i~t de r a- und b - E x t r a k t e in versch iedenem Sinne ~nderte . Bei de r ausschlieBlichen Un te r suchung der G e s a m t - K o n z e n t r a t i o n yon SP h~ t t e m a n einen EinfluB yon P ik ro tox in auf den SP-Stoffwechsel des Gehirns n ich t e rkennen k6nnen. Ahnl iches gi l t auch ffir LSD, da sich h ie rnach zwar n ich t die G e s a m t - K o n z e n t r a t i o n yon SP, wohl aber die Aktivi t i~t des b - E x t r a k t e s ~nderte .

D i s k u s s i o n

Auf G r u n d der darges te l l t en Ergebnisse mSchten wir d ie F rage auf- werfen, ob SP im Gehi rn in zwei verschiedenen Zus tands fo rmen vorl iegt . Daffir kSnn ten die Unte r sch iede im Verha l t en der a- und b - E x t r a k t e bei

Page 9: Die Substanz P-Konzentration im Gehirn bei verschiedenen Funktionszuständen des Zentralnervensystems

SP-Konzentration im Gehirn bei verschiedenen Funktionszust~nden 207

der Extrakt ion und bei der Einwirkung yon Pharmaka auf das Zentral- nervensystem sprechen; dies gilt sehr wahrscheinlich aueh ffir die Ergebnisse unserer nicht n/~her geschilderten Autolyse- und Dialyse- Versuche. l m Hinbliek auf dieses Problem halten wir unsere Versuehe nur ffir eine erste Orientierung. Wir glauben n~mlich nicht, dab die yon uns angewandte Methode der Extrakt ion die g/instigste ist. So ist bei der Gewinnung der a -Ext rak te die Extrakt ion im hypotonen, alkoholisehen Milieu sicher schon eine differente MaBnahme, die zum Beispiel aus dem im Gehirn haupts/~chlich vorhandenen gebundenen und damit biologisch unwirksamen Acetylcholin freies, biologiseh aktives Aeetyleholin in Freiheit setzen kann (siehe Lo~wI 1956). Deshalb k6nnen wir auch an Hand unserer Resultate noch nicht sagen, dab SP etwa wie Acetyleholin im Gehirn in einer freien (a-Extrakt) und einer gebundenen Form (b-Extrakt) vorkommt.

Wir glauben, dab wir eine neue Substanz beobachtet haben, die auf das isolierte Meerschweinchen-Ileum und Kaninchen-Jejunum aueh dann noeh kontrahierend wirkt, wenn der Darm nicht mehr ffir Histamin, Acetyleholin, Serotonin und SP empfindlich ist. Da diese Substanz erst nach der Einwirkung von Trypsin auf a-Extrakte , also naeh einem EiweiB abbauenden ProzeB erscheint, kann sie schwerlich ein EiweiBk6rper sein; dagegen kSnnte sie der Nucleotid- oder Lipoid-Rest eines Nucleoproteid-, Lipoproteid- oder Proteolipid-Molekfils sein. Bekanntlieh haben be- s t immte Lipoid-Bestandteile eine kontrahierende Wirkung auf isolierte D/irme (Ubersieht: W. VOGT 1957). Zun~ehst jedoeh wird es nStig sein, durch weitere Versuche den Unterschied zwisehen dieser neuen Substanz und SP zu siehern.

Eine Abhiingigkeit der cerebralen SP-Konzentrat ion yon der Funk- tion des Gehirns ist nicht verwunderlieh, da zwisehen dem EiweiB- Stoffweehsel und der Aktivit~t des Zentrainervensystems enge Beziehun- gen zu bestehen scheinen. Allerdings ist bisher nur wenig fiber diese Verh~ltnisse bekannt ; so schreibt WAELSCH (1953): ,,Histopathologische Studien deuten auf eine relativ hohe Geschwindigkeit des Eiwei~- Stoffwechsels hin, w~hrend die sp~rlichen Versuche mit Isotopen uns eher an einen langsamen Stoffwechsel glauben lassen." Vielleicht bietet die Untersuchung des SP-Stoffwechsels einen relativ bequemen Zugang zu dem gr58eren Gebiete des Eiweii3-Stoffwechsels im Zentral- nervensystem.

Eine Abh~ngigkeit der SP-Konzentrat ion im Gehira yon der Funkt ion des Organs w~re auch deshalb yon Interesse, weil SP bei der Zufuhr yon auBen die Funkt ion des Zentralnervensystems beeinfluBt (siehe Ein- leitung). Unsere Befunde unterstii tzen wohl die Ansieht, dab SP ffir die Funkt ion des Zentralnervensystems yon physiologischer Bedeutung ist. Die a-Extrakte , die die Hauptmenge der im Gehirn vorhaadenen SP

Page 10: Die Substanz P-Konzentration im Gehirn bei verschiedenen Funktionszuständen des Zentralnervensystems

208 G. ZETLER und G. OHNESORGE:

enthalten, nahmen in der Narkose an Aktivit~t ab und bei der Er- regung des Gehims zu. SP verhKlt sich damit etwa ebenso wie NH 3 (RICHTER U. DAWSON 1948; TORDA 1953) und umgekehrt wie Acetyl- cholin (TOBIAS, LIPTON u. LEPINAT 1946; RICHTER U. CROSSLAND 1949; EZLIOTT, SWANK U. HENDERSON 1950; HERKEN U. NEVBERT 1953). Man k6nntc denken, dab in der Narkose mehr SP verbraucht als gebildet und bei Erregung des Gehirns weniger SP verbraucht als gebildct wird; nach GAITONDE U. I~ICETER (1956) ist in der ~ther- und Barbiturat-Narkose die Aufnahme yon S a5 in die Gehirn- Proteine deutlich verlangsamt. Es ist auffallend, dab die b-Extrakte sowohl bei der Narkose wie bei der Erregung des Gehirns an Akti- viti~t verlieren; darin unterscheiden sie sich grundlegend yon den a-Extrakten. Die gcsonderte Auswertung der a- und b-Extrakte war demnach wohl gerechtfertigt. Dies um so mehr, als bei der alleinigen Beobachtung der SP-AktivitKt yon Total-Extrakten aus Gehirn eine Ver~nderung des SP-Stoffwechsels unter Umstiinden nicht erkannt wcrden k6nnte, wie dies aus unseren Versuchen mit Pikrotoxin und LSD hervorgeht.

Angesichts unserer Ergcbnissc fragcn wir uns, warum PAASO~EN U. VOOT (1956) keine Abh£ngigkeit der SP-Konzentration vom Funktions- zustand gefunden haben. Diesc Autorcn injizierten bei jungen und erwachsenen Hunden Benzedrin, Ephedrin, Insulin, /~-Tetrahydro- naphthylamin, Coffein und Reserpin und bestimmten die Konzentration yon SP und Serotonin im ttypothalamus und Nucleus caudatus. Ephedrin, Benzedrin, Insulin und Coffein wurden auf 2 Dosen ver- tcilt, die im Abstand yon 2 Std subcutan injiziert wurden. Zwischen 41/2 und 5 Std nach der ersten Injcktion wurden die Hunde anaesthe- siert und durch Entbluten get6tet. Da nach unseren Beobachtungen Narkotica auf das Verhalten der SP-Konzentration umgekehrt wie Stimulantien wirken, w~re es m6glich, dal~ in den Versuchen yon P~SONEN u. VGGT die finale Narkose die vorangegangene Einwirkung der Stimulantien auf den SP-Stoffwechsel neutralisierte. Wit wissen allerdings bisher nicht, ob dies tatsKchlich m6glich ist. PAASONEN U. VOOT haben die Gesamt-Konzentration yon SP im Nucleus caudatus und Hypothalamus bestimmt; wie wir an unsercm Pikrotoxin- und LSD-Beispiel sahen, kann bei diesem Vorgehen unter UmstKnden eine Anderung des SP-Stoffwechsels verborgen bleiben. In den Versuchen yon PAASONE~ U. VOGT war die zwischen der Gabe der Pharmaka und der T6tung der Tiere vcrstrichene Zeit wesentlich liinger als bei uns. Schliel~lich untersuchten wir abgesehen vom Cerebellum das ganze Gehirn, obige Autoren nur zwei Partien. Alle diese Momente kSnnen dazu beitragen, dab unsere Beobachtungen nicht mit denen yon PAASONEN U. VOGT fibereinstimmen.

Page 11: Die Substanz P-Konzentration im Gehirn bei verschiedenen Funktionszuständen des Zentralnervensystems

SP-I(onzentration im Gehirn bei verschiedenen Funktionszust~nden 209

Zusammenfassung Es wurde versucht , Substanz P a u s dem G e h i m yon Miiusen mSglichst

vol ls t~ndig zu ext rahieren , und die im Gehirn vorl iegende K onzen t r a t i on dieses Polypept ids zu bes t immen. Subs tanz P seheint im Gehirn in zwei

F r ak t i onen vorzukommen, die sich bei der Ex t r ak t ion , der Autolyse, der Dialyse und bei der ~ n d e r u n g des Yankt ionszus tandes des Zent ra lnerven-

sys tems verschieden verha l ten . Die Konzen t r a t i on yon Substanz P im Gehirn war yon der A k t i v i t ~ t

des Organs abh~ngig: I n der Narkose sank die K onzen t r a t i on un te r die

Norm, bei zent ra ler Er regung stieg sie fiber die N o r m an. Es ha t den Anschein, da[~ eine darmerregende Substanz durch

Tryps in aus einer aus Gehirn ex t rah ie rbaren Vorstufe in Fre ihe i t gesetz t

wird. Diese Subs tanz kann n ich t His tamin , Acetylchol in , 5-Oxy-

t r y p t a m i n (Serotonin) und Subs tanz P sein.

Literatur AMId, A. H., T. B. B. CRAWFORD and J. H. GADDVM: The distribution of sub-

stance P and 5-hydroxytryptamine in the central nervous system of the dog. J. of Physiol. 126, 596 (1954). - - E L L I O T T , K. A. C. , R. L. SWANK and N. HENDERSON: Effects of anaesthetics and eonvulsants on acetylcholine content of brain. Amer. J. Physiol. 162, 469 (1950). - - EULE~, U. S. v., and B. PV, R~OW: Effects of intra- ventrieular administration of substance P. Nature (Lond.) 174, 184 (1954). - - ~%urotropie effects of substance P. Acta physiol, scand. (Stoekh.) 86, 265 (1956). - - GA])DV~, J. H.: Tryptamine receptors. J. of Physiol. 119, 363 ( 1 9 5 3 ) . - Recent work on 5-hydroxytryptamine and lysergie acid derivatives. R~sum~s des Rapports, XX e Congr~s internat. Physiologie Bruxelles, S. 442, 1956. - - GAITO~DE, M. K., and D. RICHTER: The metabolic activity of the proteins of the brain. Proe. Roy. Soc. (Lond.) Ser. B, 145, 83 (1956). - - HERKWN, H., u. D. NEURE~tT: Der AcetylcholingehMt des Gehirns bei verschiedenen Funktionszust~nden. Arch. exper. Path. u. Pharmakol. 219, 223 (1953). - - HILD, W., u. G. ZETLER: Uber das Vorkommen der Hypophysenhinterlappenhormone im Zwisehenhirn. Arch. exper. Path. u. Pharmakol. 218, 139 (1951). - - KOPE~A, H., u. W. LAZARI~: Zur Frage der zentralen Ubertragung afferenter Impulse. IV. Mitteilung. Die Verteilung der Substanz P im Zentrainervensystem. Arch. exper. Path. u. Pharmakol. 219, 214 (1953). - - LEMBECK, F.: Zur Frage der zentralen l~ber- tragung afferenter Impulse. III. Mitteflung. (~ber das Vorkommen und die Bedeutung der Substanz P in den dorsalen Wurzeln des Riickenmarks. Arch exper. Path. u. Pharmakol. 219, 197 (1953). - - Lo~,w:[, O.: On the intraneural state of acetylcholine. Experientia (Basel) 12, 331 (1956). - - P~so~E~, IV[. K., and lV[. VOGT: The effect of drugs on the amounts of substance P and 5-hydroxytrypt- amine in mammalian brain. J. of Physiol. 131, 617 (1956). - - PER~OW, B. : Studies on substance P. Purification, occurrence and biological actions. Aeta physiol, scand. (Stockh.) 29, Suppl. 105 (1953). - - RICHTER, D., and J. C~OSSLA~D: Variation of acetylcholine content of the brain with physiologicM state. Amer. J. Physiol. 159, 247 (1949). - - RICHTER, D., and R. M. C. ]:)Awso~: The ammonia and glutamine content of the brain. J. of Biol. Chem. 176,1099 (1948). - - STER~, P., u. S. Huxo- we: Substanz P und Tetanustoxin. ~aturwissensehaften 48, 538 (1956). - - TOBIAS, J. M., ~I. A. L~TO~ and A. A. L~,PI~AT: Effect of anaesthetics and eonvulsants on brain-acetyleholine content. Proe. Soe. Expe l Biol. a. Med. 61, 51 (1946). - -

Page 12: Die Substanz P-Konzentration im Gehirn bei verschiedenen Funktionszuständen des Zentralnervensystems

210 ZETLER U. OHNESORGE: SP- t~onzen t r a t ion im Gehi rn

TO~DA, C.: Ammonium ion content and electrical act ivi ty of the brain during the preconvulsive and convulsive phases induced by various convulsants. J . Phar- macol, a. Exper. Ther. 107, 197 (1953). - - VOGT, W.: Pharmacologically active lipid-soluble acids of na tura l occurrence. Nature (Lond.) 179, 300 (1957). - - WAELSC~, H.: Eiweifl- und Aminos~urestoffwechsel des Gehimls. Naturwissen- schaften 40, 404 (1953). - - ZETLER, G. : Substanz P, ein Polypeptid aus Darm und Gehirn mi t depressiven, hyperalgetischen und Morphin-antagonistischen Wir- kungen auf das Zentralnervensystem. Arch. exper. Pa th . u. Pharmakol. 228, 513 (1956a). - - Wirkungsunterschied zwischen den Polypeptiden Bradykinin und Substanz P am Zentralnervensystem. Arch. exper. Pa th . u. Pharmakol. 229, 148 (1956b). - - ZETLSR, G., u. L. SCHLOSSER: Substanz P im Zentralnervensystem des Rindes. Naturwissenschaften 40, 559 (1953). - - Substanz P im Gehirn des Menschen. Naturwissenschaften 41, 46 (1954). - - Uber die Verteilung yon Sub- stanz P und Cholinacetylase im Gehirn. Arch. exper. Path . u. Pharmakol. 224, 159 (1955).

Doz. Dr. G. ZETLER, Pharmakologisches Ins t i tu t der Universi t~t Kiel, Hospitalstr. 20