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9. JULI ~925 Abb. x, KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 4-JAHRGANG. Nr. 28 1359 Eine unmittelbare Verzeich- nung der Milzkontraktionen scheint bisher noch nicht ver- sucht worden zu sein. Schneidet man aus der Milz eines ,frisch get6teten Tieres einen Streifen und suspendiert ihn in der ffir glattmuskelige Organe gebr~uch- lichen Anordnung in k6rper- warmer, O~-durchperlter Salz- 15sung, so 1Ai3t sich seine Muskel- t~tigkeit unschwer fetsstellen. Wir haben solche Versuche mit Milzstreifen der verschiedensten Art (beiderseits bekapselte oder nur ein einseitiges Kapsel- band umfassende L~ngs- oder Querstreifen yon Katze oder Kaninchen) ausgefiihrt und unter dem EinfluB geeigneter Pharmaca TonusAnderungen graphisch aufzeichnen k6nnen. Die Abb. I gibt eine Kurvenschar wieder, welche Kontraktionen eines einseitigen Milzkapsel- L~ngsstreifens yon der Katze unter der Einwirkung ver- schiedener Adrenalin- und Bariumchloridkonzentrationen zeigt. Spontankontraktionen kommen bei dieser Versuchs- anordnung am ausgesehnittenen Streifen nicht zur Beobach- tung. Die pharmakologische Reaktion gleicht weitgehend der- jenigen der GefaBmnskulatur, Parasympathicuspharmaca wurden bisher nicht recht wirksam gefunden *). Die Intensit~t der Reaktion l~tgt sich aus anatomisch verst~ndlichen Griinden mit derjenigen muskelreieher Organe nicht vergleichen, die h6chsten bisher beobachteten L~ngen~nderungen bleiben unter 50% der mittleren L~nge des eingeh~ngten Streifens. Bei der Verwendbarkeit der Methode fiir manche klinische Fragestellung soll sie durch diese vorl~ufige Mitteilung zu~ g~nglich gemacht werden; die Einzelergebnisse der noch im Gang befindlichen Versuche werden ausftihrlich an anderer Stelle mitgeteilt werden. (Institutum Pharmacologicum Uni- versitatis Dorpatensis. ) PRAKTISCHE ERGEBNISSE. DIE THERAPIE DER LUES CEREBROSPINALIS. Von Prof. R. HENNEBERG, Berlin. Eine Darstellung der modernen Therapie der Lues cerebro- spinalis st6Bt auf gewisse Schwierigkeiten. Es ist zunAchst schwer abzugrenzen, was in das Gebiet dieser speziellen, was in das Gebiet der allgemeinen Syphilistherapie geh6rt. Des weiteren haben sich die Grenzen der Hirn- und Rtickenmark- tues der Metalues gegeniiber verwischt. Lues und Metalues beruhen in gleicher Weise auf Invasion yon SpirochXten. Wenigstens in einem Tell der ParalvsefAlle linden wir neben dem typischen paralytischen Befunde VerXnderungen, die sich yon denen der Lues cerebri nicht unterscheiden (syphi- litische VerAnderungen an den kleinen GefAgen, kleine Gum- menL Bei der genulnen Tabes spielen syphilitische VerAnde- rungen an den Wurzelnerven zum mindesten eine sehr wesent- liche Rolle (NAGEOTTE, RICHTER) Wir k6nnen lediglich ver- muten, dab bei der Metalues auger dem Vorhandensein der SpirochAten noch ein weiterer Faktor -- HAUPTMANN ist ktirzlich auf Grund yon Tierexperimenten wieder fiir eme Toxinwirkung eingetreten -- bald mehr, bald wemger wirk- sam ist. Fest steht, dab bei der Paralyse eine Aussaat der t~2rankheitserreger in das ektodermale nervSse Gewebe statt- findet, w~hrend die Spirochete sonst, auch bei der Lues cere- brospinalis ein an den mesodermalen GefAg-, Lymph- und Bindegewebsapparat gebundener Parasit ist. Im engeren Sinne ist nur die Paralyse und vielleicht die Taboparalyse ,, Metalues", Es ist zu vermuten, dab bei der typischen Tabo- paralyse -- eine genuine Tabes, zu der spXter eine Paralvse hinzutritt, ist keine Taboparalyse toxisch bedingte intra- medullAre Nervenfaserdegenerationen eine Rolle spielen. IViehr in die Augen springend sind die klinischen Differenzen zwischen Lues und Metalues. Es sel nur hingewiesen auf die sehr bemerkenswerte Tatsache, dab die Lues cerebrospinalis keine Disposition fiir metaluische Erkrankungen schafft. DaB Lues cerebrospinalis im allgemeinen therapeutisch mit den antiluischen Mitteln leicht angreifbar ist, wAhrend sich die Metalues ihnen gegeniiber im ganzen refrakt~r verhiilt, war stets so evidend, dab der Begriff der Metalues sich in erster Linie auf diese Tatsache griindete. Alle diese Differenzen bedingen zur Zeit noch kein so weitgehendes Auseinanderfallen ~) In diesem Punkt scheint unser Milzpr~parat eine gewi~se Ahnlichkeit mit dem Lig. rotundum uteri zu besitzen, dessen Muskelreaktion von JUNKMANN und STROSS in einer w~.hrend der Korrektur erschienenen Mitteilung aus WIECHOWSKIs Institut (diese Wochenschr, Jg. 4, S. ii I9~ beschrieben wird; irLanderen Richtungen scheinen sich t~eide Pr~parate nach unseren inzwischen erweitertei1 Erfahrungell zu unterseheiden. ~o dab das hiermit er6ffrtete Studium der Muskelt~tigkeit soleher kapsui~rert bzw. ligame~taren Bindegewebskomplexe ma~lehe belangreiehen Aulsehliisse verspricht. der Therapie der Lues und Metalues, daB~eine gesonderte Besprechung zweckentsprechend erscheinen k6nnte. Wir sind zu dem in der Praxis nicht so selten gar nicht in der Lage, mit Sicherheit die Differentialdiagnose zwischen Lues und Metalues zu stellen. Hingewiesen sei bier lediglich auf die grol3en Schwierigkeiten, die die Unterscheidung zwischen Paralyse, Psychose bei Hirnlues und Tabespsychose bereiten kann. Schliel31ich sind die Erfahrungen fiber die neuen Mittel und Behandlungsmethoden noch keineswegs so umfassende und gesicherte und die theoretischen Grundlagen der anti- luischen Therapie tiberhaupt noch keineswegs so weft geklArte, dab nicht allerlei Meinungsverschiedenheiten und Zweifel be- sttinden, kann man doch nicht einmal mit roller Sicherheit behaupten, dab bei Lues c die neuen Mittel nnd Anwendungs- formen generell wirksamer wXren als die alten. Ein unzweifel- halter Fortschritt der Therapie ist aber darin zu erblicken, dab wir in einem Falle, in dem eine angewandte Behandlungs- methode versagt, zahlreiche weitere zur Verfiigung haben, die evtl. yon Erfolg sein k6nnen. Die hier gegebene, lediglich aus ~uBeren Griinden**) die Metalues nicht beriicksichtigende Darstellung der Therapie der Lues c. soll lediglich zur Orientierung des in der allge- meinen Praxis stehenden Arztes dienen. Von Literaturan- gaben konnte daher abgesehen werden. Hingewiesen sei auf die zusammenfassenden VerSffentlichungen yon NOIqNE (Syphilis und Nervensystem, Berlin i924), OPPEI~HEIM- NONNE (im Lehrbuch der Nervenkrankheiten, Berlin i923) , FORS~ER (KRAus-BRuGSCH, Spezielle Pathologie und Therapie) und CITI~OI~ (ebenda). Die Mittel, die uns zur spezifischen Behandlung der Lues c. zur Verfiigung stehen, sind die der Luestherapie iiberhaupt: Quecksilber, Jod, Arsen und Wismut. Wenn diese Mittel auch in der Regel in Kombinationen gegeben werden, emp- fiehlt es sich doch zun~chst ihre Indikation und Art der An- wendung gesondert zu besprechen. Die Hg-Behandlung in Form der Schmierkur ist jahr- hundertelang die haupts~chliche Waffe der ti_rzte gegen die Syphilis fiberhaupt und auch gegen Lues c. gewesen. Sie hat auch heute keineswegs ihre Berechtigung verloren, sie wtirde auch jetzt noch wesentlich hXufiger in Anwendung kommen, wenn sle nicht vielfach bei den J~rzten und beim Publikum als unmodern gAlte, schwer in diskreter Weise durchftihrbar w~re, und wenn sle dem Therapeuten mehr Gelegenheit zur Be- tAtigung bSte. Die Wirkung der Schmierkur -- die Technik kann hier uner6rtert bleiben -- ist bei Lues cerebrospinalis in den meisten FXllen eine gute. Ein Erfolg muff naturgem~13 wie **) Vergt, HENNEBERG, Die Therapie der Tabes. Klia, Wochensehr. 1922 , Nr. 28.

Die Therapie der Lues Cerebrospinalis

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Page 1: Die Therapie der Lues Cerebrospinalis

9. J U L I ~925

Abb. x ,

K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 4 - J A H R G A N G . Nr. 28 1359

Eine unmittelbare Verzeich- nung der Milzkontraktionen scheint bisher noch nicht ver- sucht worden zu sein. Schneidet man aus der Milz eines ,frisch get6teten Tieres einen Streifen und suspendiert ihn in der ffir glattmuskelige Organe gebr~uch- lichen Anordnung in k6rper- warmer, O~-durchperlter Salz- 15sung, so 1Ai3t sich seine Muskel- t~tigkeit unschwer fetsstellen. Wir haben solche Versuche mit Milzstreifen der verschiedensten Art (beiderseits bekapselte oder nur ein einseitiges Kapsel- band umfassende L~ngs- oder Querstreifen yon Katze oder Kaninchen) ausgefiihrt und unter

dem EinfluB geeigneter Pharmaca TonusAnderungen graphisch aufzeichnen k6nnen. D i e Abb. I gibt eine Kurvenschar

wieder, welche Kontraktionen eines einseitigen Milzkapsel- L~ngsstreifens yon der Katze unter der Einwirkung ver- schiedener Adrenalin- und Bariumchloridkonzentrationen zeigt.

Spontankontraktionen kommen bei dieser Versuchs- anordnung am ausgesehnittenen Streifen nicht zur Beobach- tung. Die pharmakologische Reaktion gleicht weitgehend der- jenigen der GefaBmnskulatur, Parasympathicuspharmaca wurden bisher nicht recht wirksam gefunden *). Die Intensit~t der Reaktion l~tgt sich aus anatomisch verst~ndlichen Griinden mit derjenigen muskelreieher Organe nicht vergleichen, die h6chsten bisher beobachteten L~ngen~nderungen bleiben unter 50% der mittleren L~nge des eingeh~ngten

S t r e i f e n s .

Bei der Verwendbarkeit der Methode fiir manche klinische Fragestellung soll sie durch diese vorl~ufige Mitteilung zu~ g~nglich gemacht werden; die Einzelergebnisse der noch im Gang befindlichen Versuche werden ausftihrlich an anderer Stelle mitgeteilt werden. (Institutum Pharmacologicum Uni- versitatis Dorpatensis. )

PRAKTISCHE ERGEBNISSE. D I E T H E R A P I E D E R LUES CEREBROSPINALIS.

V o n

Prof. R. HENNEBERG, Berlin.

Eine Darstellung der modernen Therapie der Lues cerebro- spinalis st6Bt auf gewisse Schwierigkeiten. Es ist zunAchst schwer abzugrenzen, was in das Gebiet dieser speziellen, was in das Gebiet der allgemeinen Syphilistherapie geh6rt. Des weiteren haben sich die Grenzen der Hirn- und Rtickenmark- tues der Metalues gegeniiber verwischt. Lues und Metalues beruhen in gleicher Weise auf Invasion yon SpirochXten. Wenigstens in einem Tell der ParalvsefAlle linden wir neben dem typischen paralytischen Befunde VerXnderungen, die sich yon denen der Lues cerebri nicht unterscheiden (syphi- litische VerAnderungen an den kleinen GefAgen, kleine Gum- menL Bei der genulnen Tabes spielen syphilitische VerAnde- rungen an den Wurzelnerven zum mindesten eine sehr wesent- liche Rolle (NAGEOTTE, RICHTER) Wir k6nnen lediglich ver- muten, dab bei der Metalues auger dem Vorhandensein der SpirochAten noch ein weiterer Faktor -- HAUPTMANN ist ktirzlich auf Grund yon Tierexperimenten wieder fiir eme Toxinwirkung eingetreten -- bald mehr, bald wemger wirk- sam ist. Fest steht, dab bei der Paralyse eine Aussaat der t~2rankheitserreger in das ektodermale nervSse Gewebe statt- findet, w~hrend die Spirochete sonst, auch bei der Lues cere- brospinalis ein an den mesodermalen GefAg-, Lymph- und Bindegewebsapparat gebundener Parasit ist. Im engeren Sinne ist nur die Paralyse und vielleicht die Taboparalyse ,, Metalues", Es ist zu vermuten, dab bei der typischen Tabo- paralyse -- eine genuine Tabes, zu der spXter eine Paralvse hinzutritt , ist keine Taboparalyse toxisch bedingte intra- medullAre Nervenfaserdegenerationen eine Rolle spielen. IViehr in die Augen springend sind die klinischen Differenzen zwischen Lues und Metalues. Es sel nur hingewiesen auf die sehr bemerkenswerte Tatsache, dab die Lues cerebrospinalis keine Disposition fiir metaluische Erkrankungen schafft. DaB Lues cerebrospinalis im allgemeinen therapeutisch m i t den antiluischen Mit te ln leicht angreifbar ist, wAhrend sich die Metalues ihnen gegeniiber im ganzen refrakt~r verhiilt, war stets so evidend, dab der Begriff der Metalues sich in erster Linie auf diese Tatsache griindete. Alle diese Differenzen bedingen zur Zeit noch kein so weitgehendes Auseinanderfallen

~) In diesem Punkt scheint unser Milzpr~parat eine gewi~se Ahnlichkeit mit dem Lig. rotundum uteri zu besitzen, dessen Muskelreaktion von JUNKMANN und STROSS in einer w~.hrend der Korrektur erschienenen Mitteilung aus WIECHOWSKIs Institut (diese Wochenschr, Jg. 4, S. i i I9~ beschrieben wird; irL anderen Richtungen scheinen sich t~eide Pr~parate nach unseren inzwischen erweitertei1 Erfahrungell zu unterseheiden. ~o dab das hiermit er6ffrtete Studium der Muskelt~tigkeit soleher kapsui~rert bzw. ligame~taren Bindegewebskomplexe ma~lehe belangreiehen Aulsehliisse verspricht.

der Therapie der Lues und Metalues, daB~eine gesonderte Besprechung zweckentsprechend erscheinen k6nnte. Wir sind zu dem in der Praxis nicht so selten gar nicht in der Lage, mit Sicherheit die Differentialdiagnose zwischen Lues und Metalues zu stellen. Hingewiesen sei bier lediglich auf die grol3en Schwierigkeiten, die die Unterscheidung zwischen Paralyse, Psychose bei Hirnlues und Tabespsychose bereiten kann. Schliel31ich sind die Erfahrungen fiber die neuen Mittel und Behandlungsmethoden noch keineswegs so umfassende und gesicherte und die theoretischen Grundlagen der anti- luischen Therapie tiberhaupt noch keineswegs so weft geklArte, dab nicht allerlei Meinungsverschiedenheiten und Zweifel be- sttinden, kann man doch nicht einmal mit roller Sicherheit behaupten, dab bei Lues c die neuen Mittel nnd Anwendungs- formen generell wirksamer wXren als die alten. Ein unzweifel- halter Fortschri t t der Therapie ist aber darin zu erblicken, dab wir in einem Falle, in dem eine angewandte Behandlungs- methode versagt, zahlreiche weitere zur Verfiigung haben, die evtl. yon Erfolg sein k6nnen.

Die hier gegebene, lediglich aus ~uBeren Griinden**) die Metalues nicht beriicksichtigende Darstellung der Therapie der Lues c. soll lediglich zur Orientierung des in der allge- meinen Praxis stehenden Arztes dienen. Von Literaturan- gaben konnte daher abgesehen werden. Hingewiesen sei auf die zusammenfassenden VerSffentlichungen yon NOIqNE (Syphilis und Nervensystem, Berlin i924), OPPEI~HEIM- NONNE (im Lehrbuch der Nervenkrankheiten, Berlin i923) , FORS~ER (KRAus-BRuGSCH, Spezielle Pathologie und Therapie) und CITI~OI~ (ebenda).

Die Mittel, die uns zur spezifischen Behandlung der Lues c. zur Verfiigung stehen, sind die der Luestherapie i iberhaupt: Quecksilber, Jod, Arsen und Wismut. Wenn diese Mittel auch in der Regel in Kombinationen gegeben werden, emp- fiehlt es sich doch zun~chst ihre Indikation und Art der An- wendung gesondert zu besprechen.

Die Hg-Behandlung in Form der Schmierkur ist jahr- hundertelang die haupts~chliche Waffe der ti_rzte gegen die Syphilis fiberhaupt und auch gegen Lues c. gewesen. Sie hat auch heute keineswegs ihre Berechtigung verloren, sie wtirde auch jetzt noch wesentlich hXufiger in Anwendung kommen, wenn sle nicht vielfach bei den J~rzten und beim Publikum als unmodern gAlte, schwer in diskreter Weise durchftihrbar w~re, und wenn sle dem Therapeuten mehr Gelegenheit zur Be- tAtigung bSte. Die Wirkung der Schmierkur -- die Technik kann hier uner6rtert bleiben -- ist bei Lues cerebrospinalis in den meisten FXllen eine gute. Ein Erfolg muff naturgem~13 wie

**) Vergt, HENNEBERG, Die Therapie der Tabes. Klia, Wochensehr. 1922 , Nr. 28.

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bei allen anderen Behandlungsmethoden in allen F~llen aus- bleiben, in denen es sich um nicht reparabele sekund~tre Ver- ~nderungen, mn Folgen yon /31utungen, Erweichungen, Nervenfaserdegenerationen und degenerative Muskelatrophien handelt. Man sucht ~in solchen F~llen eine weitere Sch~tdigung dutch den luischen ProzeB zu verhindern. Alle ~lteren .~rzte wissen, daB man mit Schmierkuren (in Verbindung mit Jod) in der Zeit vor der Salvarsanperiode bei Lues cerebrospinalis sehr Oft recht gute Erfolge erzielte. Die Vorteile der Schmier- kur sind Schmerzlosigkeit, relative Ungef~hrlichkeit, Einfach' heir der Anwendung und gute Dosierbarkeit, die Nachteile die Unreinlichkeit und der Umstand, dab in dringlichen F~llen die Wirkung nicht schnell genug erzielt werden kanm Einzelne Kranke, namenti ich solche mit groflen Hirngummen und luischen Prozessen in der Medulla oblongata und im Halsmark gingen rasch zu grunde,bevor die Kur ihre Wirkung entfalten konnte. Doch auch bei Anwendung der neuen Mittel kommen soiche ungfinstigen F~lle vor.

Die . Inunk t ionskur wird je nach der Schwere des Falles und je ~aeh de r eintretenden Wirkung leichter oder intensiver ( ioo~2oo g Ung. cin.) gestaltet. Moderne Salben, wie UnnaS Hg-Salbenseife, Hg-Vasogen, Hg-Res0rbin, Hg-Vasenol, k6n- hen verordnet werden. -~rztliche Kontrolle wXhrend der Kur (namentlich betreffs der Mundpflege, der Darmfunktion und des Zustandes der Haut) ist notwendig. E S gibt FXlle, d i e ' bereits auf milde Kuren prompt reagieren. Ob es Sinn hat, die gew6hnlichen Dosen in dringlichen F~tllen wesentlich zu fiber- Schreiten, Wie ZIEMSSEN, LEREDDE u. a. empfehlen, also fiber 5--6 g Ung. cin. am Tage hinauszugehen, ist nicht erwiesen. Bei nichtausreichender Wirkung k a n n man die /~ur durch Injektionen yon Hg. salicyl, verst/irken. An Stelle der Schmierkur kann man das, besonders yon ZIELER empfohlene Oleum cinereum -- zur Zeit wird meist das Pr/kparat Mercinol (mit 40% Hg) gebraucht -- in Anwendung bringen. Man injiZier t m i t der ,,Pr/izisionsrekordspritze" intramuskul~tr, ein Teilstrich der Spritze entspricht o,oI Hg. Man gibt ca. IO In- Jektionen zu 0,03--0,06 Hg in Zwischenr~umen ?rOll ca. einer ~Voche. Das Verfahren ist yon intensiver Wirkung, kann aber zu schmerzhaften Infi l traten und auch zu Intoxikationen ftihren. Es ist daher nur mit Vorsicht anzuwenden. Das H g kann ferner in F o r m yon unl6slichen und 16slichen Verbin- dungen in Anwendung gebracht werden. Den unl6slichen Hg-Verbindungen wird eine nachhaltigere und intensivere Wirkung zugeschrieben. Die eingespritzten Substanzen blei- ben als Depot l~ngere Zeit im Gewebe liegen, damit ist abet die M6glicltkeit schmerzhafter Infiltrate gegeben. Die Injek- tionen wer~en ilf gr613eren ZwischenrAumen (4- -7 Tage) wie- derhol~. Die Technik der intramuskul/iren (intraglut~Lalen) Injektionen erfordert Sorgfalt und I~bung (Getahr der Ver- letzung einer Vene und Embolie). Von den unl6slichen Hg- Salzen wird am meisten das Hg. salicyl, in Anwendung ge- bracht (0,05--0,08 pro dosi) in iopr0z. Suspension. Es sind auch gebrauchsfertige Pr~parate i m Handel. Man injiziert intramuskul/ir w6chentlich i - - 2 real, insgesamt ca. i,o g , be- ginnend mit kleinen Dosen. Manche bevorzugen das intensiver wirkende aber leiehter zu Vergiftungen ffihrende I{alomel, das in Suspensi0nen und Emulsionen (Olemn Calo- melanos, Calomelol) i,ntraglut/ial inj iz ier t wird. Infolge der starken Sehmerzen, die die Injektionen zur Folge haben, wird man niar in besonders gearteten F/illen das Mittel in Anwen, dung bringen.

Die Vor~eile der 16slichen Pr/iparate liegen in der bequemen Handhabung Und in der geringen lokalen Reizwirkung. Man wird sie namentlich bevorzugen, wenn es s i ch um wenig dr ingl iche Krankheitsf~lle oder um alte, schwXchliche und mit ein~in das Leben verkfirzenden bzw. gefXhrdenden ander - weitigem Leiden behaftete Personen handelt. Auch bei sehr fiberempfindlichen und ~ngstlichen Psychopathen wird man sie gelegentlich in Anwendung bringen. DaB die Pr~parate infolge rascher Ausscheidung weniger intensiv und nachhaltig wirken als die unl6slichen Hg-Verbindungen ist wohl sicher. Man muB sie daher in kurzen Zwischenr/iumen anwenden und die Kur genfigend lange ausdehnen. ]3ei schweren, das Leben gef~hrdenden Zust~nden M.nd sie unzul~nglich.

Von dem in der allgemeinen Praxis stehenden Arzte werden fertige, in Ampullen zu beziehende 16sliche Hg-Verbindnngen bevorzugt, die subcutan bzw, intramuskulgr injiziert werden ,und dem Patienten keine oder nur geringe t3eschwerden ver- ursachen. Zu diesen Mitteln geh6rt: das Enesol = salicyl- arsinsaures Hg, 2o-- 3 ~ intramuskul/ire Injektionen ~ I -- 2 ccm, das Embarin (Heyden) = mercurisalicylsulfonsaures Natrium, io Injektionen in Abst/inden yon I - 2 Tagen/t 1/2--i Ampulle, unc[ das Novasurol ~ oxymercurichlorphenoxylessigsaures Natrium, alle 3 Tage 1--2 ccm der Ioproz. L6sung. Ffir das Enesol ist besonders NONNE eingetreten. Cyarsal, ein orga- nisches Hg-Pr~parat, wurde in Verbindung mit Neosalvarsan (Mischspritzen) empfohlen, o,5--2,o ccm Cyarsal + 0, 4 Neo-

�9 salvarsan, int raven6s zweimal w6chentlich. Auch das Nova- surol kann in• gegeben werden, 0, 5-- ~,o ccm pro dosi.

Die innere Darreichung yon Hg-Pr~paraten wie Mergal~ Merjodin, Merlusan, Mercuriol, Hg-Glidine usw. spielt zur Zeit in der Therapie der Lues c. keine wesentliche Rolle. Die Wirkung ist eine wenig intensive.

Die Gefahren, die die Hg-Behandlung mit sich bringt (be- sond~s Kolitis, Dermatitis und Stomatitis) sind bei richtiger Dosierung und ~berwachung nicht hoch anzuschlagen. Hg-Neuritis ist, wenn nicht eine besondere Disposition bei dem Kranken vorlieg t, aui3erordentlich selten. Sehr erfahrene Autoren, wie }~RB und NONNE, sahen niemals eine Hg-Poly- neuritis. Neuritis opt ica , S~auungspupille, Opticusatrophie bilden keine Kontraindikafi0n. Es liegt in der Natur der Sache, daB gelegentlich die Opticuserkrankung trotz der 13e- handlung progressiv verlAuft,

Das Jod, das zweite Mittel der alten Luestherapie, hat: frfiher in der Therapie der Lues c. eine gr613ere Rolle gespiell: Ms zur Zeit. Ich erinnere reich, d a b (Ende vorigen Jahr- hunderts) nicht so selten Kranke mit dem ]3ilde eines Hirn- tumors in die Charit6 aufgenommen wurden nnd nach wenigen Wochen be{ ausschlieBlicher intensiver Jodbehandlung an- scheinend v611ig gesund wurden. Die/3ehandlung lediglich rail: Schmierkur gait bei gumm6ser Lues c. mit Recht als eirl Fehler. Zur Zeit wird der therapeutische Wert des Jodes bei Lues ci gelegentlich untersch~ttzt. Die Autoren nehmen a u c h meist an, daB das Jod die Spiroch/iten nicht abt6tet, sondern lediglich die Resorption der entzfindlichen luischen Produkte begfinstigt. Die /~!teren Therapeuten haben vielfach betont, dab das Jod im Gegensatz zum Hg, das bei prim/irer und sekund/irer Lues angezeigt sei, bei der Sp/itlues, besonders auch bei der des Nervensystems, seine VVirkung entfalte. Man gab gelegentlich sehr hohe Dosen, bis 24 g Jodkalium am Tage: Ob derartig groI3e Mengen tats/~chlich eine st~trkere Wirkung entfalten als gew6hn!ich e Dosen (3--4 g), ist zum mindesten zweifelhaft. Das wirksamste J0dprAparat ist allem Anschein nach auch heute noch das K a l i u m (oder Natrium} jodatum. Immer ist es ratsam, mit der Medikation einzu- schleiehen, um die bekannten l~stigen Nebenwirkungen durch Gew6hnung m6glichst zu vermeiden. VV/thrend des Krieges und in der Inflationszeit wurde vielfach der Ersparnis wegen Jodt inktur (3 • ca. 5 Tropfen in viel Wasser) 'mi t gutem Erfolg verordnet. DaB die zahllosen modernen J0dpr~tparate (Sajodin Jodostarin Jodocitin, Jodglidine, Jodtropon, Aiival, Dijodyl usw.) eine h6here therapeutische ~Virkung entfalten, ist nicht erwiesen und nicht wahrscheinlich. Zuzugeben ist,.

�9 dab sie in der Regel ohne st~rkere Nebenwirkungen genommen werden k6nnen.

Wird Jod innerlieh durchaus nicht vertragen, so kan t /man Jodipin, das aueh innerlich gegeben wird, intraglut~al an- wenden. Man gibt Dosen yon lO--2o g d e r Emulsion, und zwar t~glich, 8~. to Tage lang. Intramuskul~r wird auch Alival und Mirion (kolloida!es Jod) gegeben. Diese Mittel,. auch Natr. jodatum (ScI~ACHERL, KLEMPERER) hat man neuerdings auch intraven6s in Anwendung gebracht. Er - wS.hnt seien hier auch die Preglsche L6sung, Presojod und Jodonascin, Jodverbindungen, denen bei Lues c. keine b e , sondere Wirkung.zukommt, die somit z u m mindesten ent- behrlich sind. Zusammenfassend kann ma n Sagen , d a b d a s Jodkalium yon keinem neuen JodprXparat an Vgirkung bei Lues c, fibertroffen wird, man wird es in alien FXllen; in denen

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9. JULI 1925 KLINISCHE W O C H E N S C H

es v e r t r a g e n wird, a n w e n d e n . Es h a t ke ineswegs ledigl ich den W e r t e ines A d j u v a n s , w e n n es a u c h n i em a l s a l le in die Lues a ls solche zur A u s h e i l u n g zu b r i ngen ve rmag .

Die g rogen H of f nungen , die m a n bei der B e k a n n t g a b e des S a l v a r s a n s auf dieses neue Mit te l setzte , s ind i m grol~en u n d ganzen , sowei t d ie Lues u n d Meta lues des N e r v e n s y s t e m s in F r a g e k o m m t , n i c h t in Er f i i l lung gegangen . Der groBe Ge- wlnn , den die E i n f i i h r u n g des Sa lva r sans in die L u e s t h e r a p i e b r a c h t e , l iegt auf a n d e r e m Geb ie te (Aushe i lung der Lues im s e r o n e g a t i v e n F r f i h s t a d i u m , rascher Bese i t i gung de r infek- t i6 sen OberflAchenlues) . W a s die Neuro lues a n b e l a n g t , so h a t s ich zunAchst gezeigt , d a b auch eine sachgem~Be B e h a n d l u n g de r s e ropos i t i ven Fr f ih lues m i t S a l v a r s a n keineswegs m i t e in iger S icherhe i t die Gefahr , a n Lues c. u n d Meta lues zu er- k r a n k e n , bese i t ig t . MARBURG h a t a n e inem n i c h t k le inen (176 FAlle), g u t f i b e r s e h b a r e n Mate r ia l gezeigt , d a b die Hg- S a l v a r s a n b e h a n d l u n g n i c h t m e h r vo r de r Meta lues und Lues c. schf i tz t als die a l te H g - B e h a n d l u n g . Das I n t e r v a l l zwischen I n f e k t i o n und den SpAtfolgen erschein~ sogar bei H g - S a - B e h a n d l u n g a b g e k i i r z t , bei de r Hi rn lues auf 3/4 tier Zeit . TrAfe da s l e tz te a l lgemein zu, so miiBte eine Zu- n a h m e de r Hi rn - u n d Rf i ckenm ar ks l ue s zu k o n s t a t i e r e n sein. E s h a b e n d e n n a u c h KEHRER find STRUZlI~A (Bres lauer Kl inik) fiir den Z e i t r a u m 1913 1921 eine Z u n a h m e de r Lues cerebr i yon 1,96 au f 2,36 % der A u f n a h m e n k o n s t a t i e r t . Se lbs t w e n n a b e t e ine de ra r t ige Z u n a h m e a l lgemein erwiesen ware, k 6 n n t e sie n i c h t m i t S i che rhe i t au f die S a l v a r s a n t h e r a p i e bezogen werden. I~r iegswi rkungen k 6 n n t e n z. B. e ine Rol le spielen. DaB bei unzulAngl icher u n d ausschl ieBl icher S a l v a r s a n b e - h a n d l u n g die Gefah r de r Neuro lues gr6Ber i s t als bei der a l t en Therap ie , k a n n dagegen k a u m m e h r b e s t r i t t e n werden. Des wei te ren i s t a u c h in Zweifel gezogen worden, ob dem Sa lva r san , dessen W i r k u n g bei der P a r a l y s e zweifellos sehr Bering, bei der T a b e s unbe f r i ed i gend ist, eine we i t e rgehende W i r k u n g als d e m H g - J o d bei Lues c. z u k o m m t . M a n c h e A u t o r e n h a b e n dies v e r n e i n t , und ich b in geneigt , w e n n auch n u r auf G r u n d eines a l lgeme inen E indruckes , reich d iesen an- zuschl iegen .

NONNE s t e h t au f d e m S t a n d p u n k t , u n d OPPENHEIM h a t t e s ich im Ahnl ichen S inne be re i t s 1914 ausgesprochen , d a b in den we i t aus m e i s t e n Fa l l en yon Lues c. S a l v a r s a n n i c h t m e h r le is te t als Hg u n d Jod. I n e inze lnen FAllen erziel t m a n n a c h S a l v a r s a n eine r a sche re u n d i n t e n s i v e r e W i r k u n g als m i t Hg und Jod. Zuwei len k a n n man , w e n n H g und J o d u n z u r e i c h e n d gewi rk t haben , m i t Sa lva r san noch elne wei te re B e s s e r u n g erzielen, keineswegs ist dies j edoch i m m e r der Fall .

Abe r auch. w e n n m a n der yon N O N N E u . a. v e r t r e t e n e n An- s i eh t be ip f l i eh te t , wi rd m a n zur Zei t in j e d e m n i c h t l e i ch t en Fal le yon Lues c. zur S a l v a r s a n b e h a n d l u n g ra t en , w e n n n i c h t b e s t i m m t e K o n t r a i n d i k a t i o n e n vor l iegen. Man wird S a k v a r s a n zweifellos d a n n Itir ind iz ie r t ha l t en , wenn H g - J o d - K u r e n o h n e bef r ied igenden Er fo lg geb l ieben sind. In v ie len a n d e r e n FXllen wird m a n auf G r u n d der sehr b e r e c h t i g t e n Vors te l lung hande ln , d a b zwei bzw. drei ve r sch iedene Mi t te l eine s icherere u n d n a c h h a l t i g e r e W i r k u n g v e r s p r e c h e n als eins.

Auf die T e c h n i k der i n t r a v e n 6 s e n S a l v a r s a n t h e r a p i e u n d auf die yon der g e s a m t e n Lage des Fal les abhAngige Dos i e rung k a n n h ie r n i c h t des nAheren e ingegangen werden Alle A u t o r e n s ind s ich da r in emig, d a b zu kleine G e s a m t d o s e n m e h r s chaden als nf i tzen I Gefahr des Neurorez id ives ) . Die m i l d e r e n Sa lva r sanp rApa ra t e . das N eos a l va r s an u n d Neo- s i lbe r sa lva r san (in K o m b i n a t i o n m i t Hg/ , we rden zur Zei t am me i s t en in A n w e n d u n g gebrach t : M a n g ib t N e o s a l v a r s a n an- s te igend ill E inze ldosen yon o , i 5 bis h 6 c h s t e n s 0,6, bei F r a u e n 0,45, in Abs tAnden yon 4 - - 5 T a g e n i n t r a v e n 6 s , b is zur Ge- s a m t m e n g e yon h 6 c h s t e n s 6,0, bei F r a u e n 4,0; Neos i lber - s a l v a r s a n in Dosen von o . i - - o , 4 bzw. 0,3, his zur G e s a m t - menge 4,5 bzw. 4,o. Die Kur wi rd in a l len Fa l l en m i t Hg, m i t S c h m i e r k u r oder I n j e k t i o n e n yon H y d r . salicyI, b e g o n n e n , Man g ib t Hg~Spr i tzen evt l . auch zwischen den S a l v a r s a n d o s e n . Nach A b s c h l u g der K u r i s t J od angezeigt . M a n b e h a n d e l t , ,chronisch i n t e r m i t t i e r e n d " , i n d e m m a n je n a c h Lage des Fal les in ZwischenrAumen yon W o c h e n bis M o n a t e n die K u r evt l . m e h r m a l s wiederhol t . V o r a u s s e t z u n g ist, d a b der P a t i e n t

R I F T . 4. J A H R G A N G . Nr . 28 1 3 6 1

das S a l v a r s a n gu t ver t rAgt . Die E i g e n h e i t e n des Fa l les s ind bei d e m V o r g e h e n sorgf~l t ig zu ber i i cks ich t igen , das V e r h a l t e n der L i q u o r r e a k t i o n e n da r f n i c h t a l le in a u s s c h l a g g e b e n d ffir da s t h e r a p e u t i s c h e H a n d e l n sein. S e h n e r v e n v e r A n d e r u n g e n b i lden ke ine K o n t r a i n d i k a t i o n . K o m m t es t r o t z sachgemABer Be- h a n d l u n g zur At roph ie , so k a n n dies n i c h t auf 1Rechnung de r B e h a n d l u n g gesetz t werden .

Bei E r w e i c h u n g s h e r d e n bei vasculArer Lues muB das Sal- v a r s a n ebenso wie jedes a n d e r e an t i l u i s che Mi t t e l ve r sagen . Zu e r re i chen i s t in1 b e s t e n Fa l le ein S t i l l s t a n d des Prozesses . J~uBerst gefAhrlich i s t die L o k a l i s a t i o n der lu i schen Ver- Anderungen im Bere iche der Medul la o b l o n g a t a u n d des Cerv ica lmarkes . S a l v a r s a n e m p f i e h l t s ich i m H i n b l i c k au f die r a sche W i r k s a m k e i t , e r s c h e i n t ande re r se i t s sehr b e d e n k - l ich im H i n b l i c k au f eine m6gl i che R e a k t i o n . I n e inem Falle, in d e m ich S a l v a r s a n anr ie t , t r a t de r E x i t u s r a s c h ein, in e inem anderen , in d e m S a l v a r s a n ve rmiedeu wurde , war de r Ausgang ebenfa l l s ein ungf ins t iger . J edenfa l l s wird m a n in d e r a r t i g e n p rognos t i s ch u n g t i n s t i g e n F A l l e n n e b e n H g - S p r i t z e n sogleich, w e n n a u c h sehr kleine, S a l v a r s a n d o s e n geben, die m a n l angsam ste iger t .

E i n e K o n t r a i n d i k a t i o n b i lden Z u s t ~ n d e y o n schwere r E r s c h 6 p f u n g u n d A b m a g e r u n g , Nephr i t i s , Myocard i t i s , T u b e r - kulose, schwerer Ar te r iosk le rose u n d v o r g e s c h r i t t e n e m Senium. I n so lehen FAl len wi rd m a n s ich auf mi lde K u r e n m i t 16slichen H g - V e r b i n d u n g e n , wm Enesol , E m b a r i u , Novasu ro l , W i s m u t - u n d Jodp rApa ra t en , beschrAnken.

N a c h d e m m a n die U b e r z e u g u n g g e w o n n e n h a t t e , d a b die inner l ich , s u b c u t a n u n d i n t r a v e n 6 s a n g e w a n d t e n a n t i l u i s c h e n Mi t t e l nu r in ger inger Menge bzw. gar n i c h t in den Liquor*) bzw. in das N e r v e n g e w e b e f ibe r t r e t en , lag de r G e d a n k e , S a l v a r s a n in den L i q u o r zu b r ingen , n a h e ( M A R I N E S C O ,

WECHSELMANN, SWIFT u n d E L L I S ) . Der t h e r a p e u t i s c h e W e r t der i n t r a l u m b a l e n Sero- u n d L i q u o r - S a l v a r s a n b e h a n d l u n g wird noch sehr ve r s ch i eden eingeschAtzt .

NONNE b e h a n d e l t e 30 FAlle yon Lues des Z e n t r a l n e r v e n - sys t ems (einschlieBlich P a r a l y s e u n d Tabes) n a c h de r M e t h o d e yon SWIFT u n d ELLIS u n d k o m b i n i e r t e diese m i t Schmie r - ku ren D a b e i s a h e r e i n m a l e rheb l i che N e b e n w i r k u n g e n . D a s E r g e b n i s der B e h a n d l u n g war kein we i t e rgehendes als bei a n d e r e n Ver fah ren . N e u e r d i n g s l e h n t e NONNE die e n d o l u m - ba le B e h a n d l u n g v611ig ab. GEN~ERICH h a t die L iquo r - S a l v a r s a n m e t h o d e in den l e t z t en J a h r e n ausgeb i lde t u n d sys tematxsch in A n w e n d u n g geb rach t . Seine H y p o t h e s e yore L i q u o r e i n b r u c h in das N e r v e n p a r e n c h y m infolge Durch l~ss ig - kei t der e r k r a n k t e n P i a u n d A u s l a u g u n g des P a r e n c h y m s u n t e r g le ichzei t iger E i n s c h w e m m u n g v o n Spi rochAten is t n i c h t s weniger als ges icher t (ich verweise h ie r auf die K r i t i k ]3IEL- SCHOWSKYS, PLAUTS und REDLICHS~. Mi t d e m g le ichen R e c h t k 6 n n t e m a n die A n n a h m e v e r t r e t e n , d a b d u r c h die v e r d i c k t e , ch ron i sch -en tz f ind l i ch ve rAnder t e P i a der L i q u o r zurf ick- geha l t en und a b g e s p e r r t wird . Die U n r i c h t i g k e i t de r T h e o r i e bewei s t na t i i r l i ch n ich t , d a b die M e t h o d e ve r f eh l t ist. Diese wurde yon GENNERICIt i m m e r k o m p l i z i e r t e r ges ta l t e t . E r e m p f i e h l t j e tz t , m zwei v e r s c h i e d e n e n H 6 h e n zu p u n k t i e r e n . J ede P u n k t i o n s n a d e l wi rd m i t e iner Bf i r e t t e v e r b u n d e n . M a n 1ABt 20 25 ccm L iquor in die obere ]3i iret te s ich a n s a m m e l n , v e r s e t z t ihn m i t S a t v a r s a n bis 0,005 auf 20 ccm, 1Agt d a r a u f in die u n t e r e ]3firette m 6 g l i c h s t viel L i q u o r e in laufen . N u n - m e h r l~13t m a n den L i q u o r der o b e r e n Bt i r e t t e zur i ick laufen , d a n a c h den L i q u o r der u n t e r e n . Dieses V e r f a h r e n soll d ie W i r k u n g h a b e n , d a b der S a l v a r s a n e n t h a l t e n d e L i q u o r n a c h d e m H i r n zu gedr i i ck t wird. Das V e r f a h r e n Wird yon GEN- NERICH in den f r i schen S t a d i e n Syphi l i t i scher Mening i t i s zwecks A s s a n i e r u n g des L iquor s und V o r b e u g u n g m e t a l u i s c h e r E r - k r a n k u n g e n , abe r n i c h t bei Meta lues , N e u r o r e z i d i v e n u n d bei Leus c. an gewand t . Die M e t h o d e f i ih r t n i c h t se l t en zu Fieber u n d Reiz- u n d L A h m u n g s e r s c h e i n u n g e n wie Kopf- schmerzen , E r b r e c h e n , ep i l ep t i f o rmen AnfAllen, B l a s e n - M a s t -

*) Da in der Frfihperiode eine Sanierung des Liquors bei intraven6ser Behandlung oft zu erreichen ist, liegt es nahe anzunehmen, dab wenigstens zeitweilig Arsen irL den Liquor gelangt. In der Tat hat WEICHBRODT in der Mehrzahl der yon ihm untersuchten FMle im Liquor Arsen nachweisen kOnne~, und zwar etwa in der gleichen Menge wie im Blur. BRUHNS und DITTRICH . tanden jedoch in 50 FAllen nur dreimal Arsen im Liquor.

Page 4: Die Therapie der Lues Cerebrospinalis

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da rmpa re se , Schmerzen , Pa r / i s thes i en usw. Diese w e n n a u c h me i s t ohne d a u e r n d e Sch~idigung des P a t i e n t e n a b l a u f e n d e n N e b e n w i r k u n g e n h a b e n einige A u t o r e n . ve ran la t l t , das Ver- f ah ren als gef i thr l ich zu ve rwer fen (BUZZARD n. a.), FORSTER sp r i ch t s ich sehr energ i sch gegen dasse lbe aus. E r e rw/ ihn t zwei TodesfMle u n d sah in m e h r e r e n F~l len t31asenparese. A u c h ich s ah Blasenparese , Cys t i t i s u n d I m p o t e n z als Folge- e r sche inungen , a u c h wurde mi r von e inem Fa l l yon Parap leg ie be r i ch te t . NONNE z ieh t den p r o p h y l a k t i s c h e n W e r t des Ver- f ah rens in Zweifel, er t e i l t e mi t , dal3 in zwei F~illen die M e t h o d e eine spAtere s t a r k e L i q u o r e r k r a n k u n g bzw. e ine P a r a l y s e n i c h t zu v e r h i n d e r n v e r m o c h t e . Ande re A u t o r e n e m p f e h l e n abe r die Me thode n a m e n t l i c h a u c h in K o m b i n a t i o n e n m i t i n t r a v e n 6 s e r S a l v . - A n w e n d u n g (WEYGANDT, K6S~ER, PHLEPS U.a . ) . I n e inem v o m G e s u n d h e i t s a m t de r Vere in ig ten S t a a t e n h e r a u s g e g e b e n e n M e r k b l a t t wi rd die M e t h o d e ffir al le F~lle v a n r a s c h f o r t s c h r e i t e n d e m S e h n e r v e n s c h w u n d und-#on Lues c., in denen die i n t r a v e n 6 s e B e h a n d l u n g ve r s ag t hat, a n g e r a t e n .

Die e n d o l u m b a l e S a l v a r s a n t h e r a p i e i s t neue rd ings be- sonders a u c h yon A. WITTGENSTEIN in der K l in ik GOLD- SC HEIDERS v ie l fach ausgef ib t u n d e r p r o b t worden . Bei ca. 300 I n f u s i o n e n h a t sie Sch/~digungen yon B e l a n g n i c h t b e o b a c h t e t . Die Ergebn i s se w a r e n fo lgende: Bei a s y m p t o m a t i s c h e r m e n i n - gealer Lues war die L i q u o r s a n i e r u n g regelm/~Big zu erzielen. a u c h in F~llen, in d e n e n die ven6se Sa lv . -13ehandlung ve r s ag t h a t t e Bei Lues c. und bei Tabes war der Er fo lg im allge- m e i n e n n i c h t besser als bei der gew6hn l i chen t 3 e h a n d l u n g (zu d e m gleichen E r g e b n i s k a m G. L. DREYFUSSh Die d u r c h - aus k r i t i s chen D a r l e g u n g e n der A u t o r i n df i r f ten den Beweis g e b r a c h t h a b e n , d a b die Me thode n i c h t ohne W e r t ist. M a n wird sie besonders in den F/t l len yon L iquor -Lues u n d Lues c. empfeh len , in d e n e n eine Aushe i lung sons t n i c h t zu erzie len ist. Sie wird abe r vo r aus s i ch t l i ch e in U l t i m u m re fug ium blei- ben. schon well ihre H a n d h a b u n g viel ~ b u n g vo raus se t z t . E t w a s zweife lhaf t e r sche in t mir, ob die W i r k s a m k e i t des Ver- f ah rens auf das Sa lva r san oder auf eine R e i z w i r k u n g auf die Meningen , die evt l . d u r c h weniger d i f fe ren te K 6 r p e r zu er- zielen w~ire, zu se tzen ist. Erw~ihnt sei hier, d a b m a n d u t c h L u f t e i n b l a s u n g (A. L0WENSTEINI und d u r c h i n t r a v e n 6 s e 14ochsalz infus ionen den l ~ b e r t r i t t des Sa lva r sans in den L i q u o r zu begf ins t igen ve r such te . Die U n t e r s u c h u n g e n yon BRUHNS u n d DITTRICI~ zeigen d a b der l e tz te re Weg zu k e i n e m pos i t i ven E r g e b n i s ffihrt . D e n k b a r ist. d a b das ebenfa l l s in Vorsch lag g e b r a c h t e Ab la s sen groBer L i q u o r m e n g e n (Liquor- d r a i n a g e " ) an u n d fiir s ich gf inst ig wirkt , v ie l le icht d u r c h E n t f e r n u n g yon Toxinen , v ie l le icht d u r c h e inen Hyper~t lme b e d i n g e n d e n Re izzus t and . Von m a n c h e n A u t o r e n wird j e d o c h de r sp ina len Dra inage jedeB W e r t abgesprochen .

Man h a t des wei te ren das S a l v a r s a n d i r e k t in die Carot is , in die Cis te rna magna , u n t e r die D u r a m a t e r cerebr i (Dural- in fus ion n a c h JAcoB u n d WORSLEu und in den Ven t r i ke l ge- b r a c h t . Es er f ibr ig t sich, au f diese E x p e r i m e n t e e inzugehen , sie h a b e n keine E r g e b n i s s e gezei t igt , die die W i e d e r h o l u n g de r Versuche r e c h t f e r t i g e n k 6 n n t e n . Es h a t s ich zudem ganz vo rwiegend um ~F~tlle yon D e m e n t i a paral . , n u t se l ten m n Lues c. gehande l t .

I n der Gesch ich te de r Sa lv . -The rap ie h a b e n die sog. Neuro- rez id ive eine be sonde re Rol le gespielt . Man b e o b a c h t e t e zu- n / i chs t n i c h t se l t en eine sehr bald (bis einige Tage) n a c h d e m B e g i n n der B e h a n d l u n g a u f t r e t e n d e V e r s c h l i m m e r u n g yon bere i t s v o r h a n d e n e n H i r n n e r v e n s y m p t o m e n , besonders yon se i t en des Acust icus . Diese E r s c h e i n u n g wird als H e r x h e i m e r - sche R e a k t i o n gedeu te t , sie b i lde t s ich in de r Regel r a sch zurfick. Viel s chwerwiegende r s ind die , ,Neurorez id ive" au f G r u n d loka l i s ie r te r basa l e r H i rn lue s (gumm6se Mening i t i s u n d Neur i t i s de r H i r n n e r v e n ) , da sie zu d a u e r n d e r Sch~idigung des K r a n k e n bis E r t a u b u n g (es k o m m t a u c h ge legen t l i ch zu lu ischer E r k r a n k u n g des i n n e r e n Ohres), A b n a h m e der Seh- k r a f t usw. f f ihren k6nnen . Viel s e k e n e r s ind sp ina le P a r a - p legien infolge yon Men ingomye l i t i s syph Neuro rez id ive k o m m e n besonde r s vor, w e n n i m se ropos i t iven F r f i h s t a d i u m u n z u r e i c h e n d (sog. , , A n b e h a n d l u n g der F~ille") u n d aus- schl ieBlich m i t S a l v a r s a n b e h a n d e l t wird. Aber a u c h bei v611ig sachgem~iBer u n d i n t e n s i v e r k o m b i n i e r t e r 13ehandlung kom-

men Neurorez id ive , w e n n a u c h n i ch t hXufiger als bei de r Hg- Jod -The rap i e , vor, sie w u r d e n auch .kf i rz l ich bei W i s m u t - b e h a n d l u n g b e o b a c h t e t . M a n m u 8 a n n e h m e n , d a b jede spezif ische B e h a n d l u n g de r Lues m i t s t a r k w i r k e n d e n M i t t e l n i m gewissen S inne die G e f a h r de r Neuro lues infolge S t 6 r u n g de r na t f i r l i chen i m m u n i s a t o r i s c h e n Vorg/~nge s te igerr . Die Z u n a h m e de r Neuro lues in de r Neuze i t u n d die S e l t e n h e i t der- se lben bei p r i m i t i v e n V61kern s ind zwar v ie ldeu t ige T a t s a c h e n . sie b i lden j edoch i m m e r h i n eine Stf i tze ffir diese Auf fassung .

Die syph i l i t i sche N a t u r de r , ,Neurorez id ive" , die an f angs in Zweifel gezogen wurde, s t e h t n u n m e h r test . Schon a l le in die Ta t sache , daB m a n in F/illen, die m i t Lues n i ch t s zu t u n h a b e n , z. 13. bei Sclerosis mu l t ip l ex , n iemals , ,Neurorez id ive" n a c h S a l v a r s a n b e h a n d l u n g b e o b a c h t e t , beweis t die syphi - l i t i sche N a t u r der K r a n k h e i t s e r s c h e i n u n g e n (NONNE). Ande- rerse i t s i s t a n z u n e h m e n , d a b a u c h Arsensch/~digungen des N e r v e n s y s t e m s bei S a l v a r s a n b e h a n d l u n g ge legen t l i ch vor- k o m m e n , h~uf ig s ind sie s icher l ich n ich t . Zweifellos b e r u h t der r e l a t i v sehr se l tene (nach MEIRO%VSKY k o m m t auf r62 800 I n j e k t i o n e n I Todesfal l ) S a l v a r s a n h i r n t o d (nur e in Tell der F/~lle zeigt den B e f u n d de r sog. E n c e p h a l i t i s h a e m o r r h a g i c a ) auf Arsenwi rkung . Es h a n d e l t s ich dabe i u m schwere auf da s H i rn loka l i s ie r te SchAdigung de r B lu tbewegung , die zu P ra - s tase und Stase ff ihrt (vgl. die neue ren Arbe i t en yon BRUHNS, HAHN u n d FAHR, HENNEBERG).

N a c h d e m der S t r e i t f iber das Wesen des Neuro rez id ivs bei S a l v a r s a n b e h a n d l u n g in dem Sinne en t sch i eden war, d a d es s ich dabe i n i ch t u m Arsensch~idigung, sonde rn u m ein Auf f l acke rn de r Lues hande l t , war der e inzusch lagende W e g der T h e r a p i e d a m i t vorgeze ichne t . Es h a t s ich auch gezeigt, d a b bei i n t e n s i v e r W e i t e r b e h a n d l u n g , sei es m i t S a l v a r s a n (DREYFUSS e m p f i e h l t meh re r e S a l v a r s a n n a t r i u m - k u r e n in I n t e r v a l l e n yon 5 8 Wochen) , sei es mi t e inem a n d e r e n an t i l u i s chen Mit te l (besonders Hg), das Neurorez id iv s ich zur f ickbi lde t u n d me i s t zu v611iger Aushe i lung k o m m t . I m Laufe der W e i t e r b e h a n d l u n g pf legt in so lchen F~illen a u c h die W a R . im 13lute zu schwinden . Weir schwerer ge l ing t es in der Regel, die pos i t i ven L i q u o r r e a k t i o n e n zu besei t igen, yon e inigen A u t o r e n wird d a h e r in solchen F~l len die e n d o l u m b a l e ]3ehand lung anempfoh len . Die P r o p h y l a x e des Neuro rez id ivs e rg ib t s ich o h n e wei teres aus der E r f a h r u n g und der Theorie . Zu v e r m e i d e n is t eine e insei t ige S a l v a r s a n b e h a n d l u n g mi t k le inen u n d v e r z e t t e h e n Dosen.

Die Zah] der an t i l u i sch w i rkenden Grunds to f f e is t neuer - d ings d u r c h das yon f ranz6s i schen T h e r a p e u t e n eingeff ihr te , be re i t s im v o n g e n J a h r h u n d e r t schon e i n m a l e m p f o h l e n e ~vVismut v e r m e h r t worden . Das W i s m u t wird in v e r s c h i e d e n e n V e r b i n d u n g e n in t ramuskul~ i r a n g e w a n d t zur i n t r a v e n 6 s e n 13ehandlung e igne t es s ich wemg , und zwar in Dosen, die o.o2 W. en t sp r echen . Die b i s h e r g e m a c h t e n E r f a h r u n g e n s ind gfinstige, bezfigl ich de r Neuro lues lassen sich j edoch die I n d i k a t i o n e n n o c h n i c h t m i t gen i igender S iche rhe i t f ibersehen. 13ei Tabes u n d Pa ra lvse s ind mi t W ke ine Erfolge erz ie l t worden. Die Z e l l v e r m e h r u n g im L iquor geh t r a sch zurfick, w/ ihrend die pos i t ive W a R n i ch t schnel l u n d regelm/if3ig bese i t ig t wird. W. l~f3t s ich im L iquor n u r in e inem k le inen Tell d e r F~lle nachwe i sen (JAttNKE und SCHACKER).

Die W . - P r ~ p a r a t e s t e h e n im ganzen h in s i ch t l i ch ih re r VVirk- s a m k e i t zwischen dem H g u n d de ln Sa lvarsan . l nd iz i e r t is t ihre A n w e n d u n g besonde r s in den F~llen. in denen a n d e r e Mi t te l s ch lech t v e r t r a g e n werden oder ohne genf igende ~vVir- k u n g b le iben . ]3el de r l a n g s a m e n ~Virkung des "VV. k o m m t es in al len F/i l len yon Lues c., in d e n e n Lebensge fah r be s t eh t . n i ch t in Frage . In a l len ande ren F~l len k a n n das Hg bei de r k o m b i n i e r t e n K u r d u r c h Wq e r se tz t werden. Es b i e t e t den Vorteil , d a b une rwf insch te Nebenwi rkungen , wie lokale s c h m e r z h a f t e R e a k t i o n e n , In f i l t r a t e , S t o m a t i t i s nu r se l t en v o r k o m m e n . Es s ind bere i t s e ine ganze Reihe yon W.-Pr~i- p a r a t e n in den H a n d e l u n d in A n w e n d u n g g e b r a c h t worden . G e n a n n t se ien: Tr6pol , Neo t r6po l ( K a l i u m n a t r i u m w i s m u t - t a r t r a t ) , Q u i n b y (Wismutch in in jod id ) , Wismulen , 13ismo- genol, 13ismoluol, Nad i san , Nesurol , Milanol, Milanol61. W i s m u t h y d r o x y d u. a. 13esonders empfoh l en wi rd das Spiro- bismol, eine K o m b i n a t i o n yon wasser l6s l i chem K a l i u m -

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9. JULI z925 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 4. J A H R G A N G . N r . 28 1 3 6 3

n a t r i u m b i s m u t y l t a r t r a t u n d wasse run l6s l i chem W i s m u t c h i n i n - jod id ill F o r m e iner 61igen Emuls ion . W e n n s ich alles, was dem Mi t t e l n a c h g e r f i h m t wird (CITRON, JOSEPH U. a.) be- w a h r h e i t e t , so s te l l t es ein gefahrloses Mi t t e l dar , das yon d e m p r a k t i s c h e n A r z t in e in facher u n d den P a t i e n t e n wenig be- 1Astigender A r t ( in t ramuskulAr) v e r a b r e i c h t w e r d e n k a n n . Das P r A p a r a t soll s ich besonders a u c h bei Lues c. bewAhren. M a n g ib t wSchen t l i ch zwei I n j e k t i o n e n yon 1 = 2 ccm, im g a n z e n ca. 3 ~ ccm der in A m p u l l e n kAuflichen Subs t anz .

E i n a l lgemein gfilt iges S c h e m a ffir die B e h a n d l u n g der Lues c. m i t al l d en e rwAhnten Mi t t e ln k a n n n i c h t aufges te l l t werden. E ine s t r e n g ind iv idua l i s i e rende V e r w e n d u n g der- se lben is t bei der Lues c. d u r c h a u s E r f o r d e r n i s . . H a n d e l t es s ich u m e inen P .a t ien ten m i t Lues c.. der n o c h gar n i c h t oder vo r 1Angerer Zei t an t i l u i s ch b e h a n d e l t wurde , so b e g l n n e n wir in all_en n i ch t d r ing l i ch e r s c h e i n e n d e n FAllen m i t S c h m i e r k u r u n d Jod. N a c h ca. io Tagen gehen wir evt l . zur S a l v a r s a n - b e h a n d l u n g fiber, falls ke ine B e d e n k e n auf G r u n d i rgend- welcher K o m p l i k a t i o n e n gegen eine solche vor l iegen u n d die K r a n k h e i t s e r s c h e i n u n g e n n i c h t n u r le ichte sind. Liegt der Fa l l sehr dr ingl ich , so wi rd m a n sofor t m i t k le inen ganz all- mAhl ich a n s t e i g e n d e n Dosen die S a l v a r s a n k u r b e g i n n e n u n d spa re r in i rgende ine r F o r m das H g hinzuff igen N a c h Ab- schluB der k o m b i n i e r t e n K u r v e r o r d n e t m a n ffir 1Angere Zei t Jod. A u c h bei gf ins t igem Erfo lg der K u r und S c h w i n d e n de r p o s i t i v e n R e a k f i o n e n m u g in -Abs tAnden yon e in igen Yionaten eine zweite u n d d r i t t e K u r u n t e r n o m m e n werden, evt l . u n t e r S u b s t i t u t i o n des H g d u r c h W i s m u t . I s t der P a t i e n t schon wegen Lues c. i n B e h a n d l u n g gewesen, so wird m a n eine K o m b i n a t i o n yon Mi t t e ln wAhlen, die noch n i c h t in Anwen- d u n g g e b r a c h t war . evt l . nach e iner Pause yon W o c h e n oder Mona ten , wenn die ]3ehand lung soeben abgesch lossen wurde , vorausgese tz t , d a b der Fal l n i ch t d r ing l i ch liegt. Ve r sag t die ]3ehand lung u n d k o m m t m a n a u c h bei Be r f i cks i ch t igung de r i~eak t ionen zu de r Oberzeugung , d a b n i ch t ledigl ich n i c h t m e h r r epa rab l e R e s i d u e n eines abge l au f enen lu i schen Prozesses vor l iegen -- v ie l fach wi rd in so lchen FAllen zweck- u n d ziellos w e i t e r b e h a n d e l t - - , so k o m m t als u l t i m u m re fug ium eine P r o t e i n k 6 r p e r - bzw. F i e b e r b e h a n d l u n g in K o m b i n a t i o n m i t S a l v a r s a n (evtl. e n d o l u m b a B in Frage . F i n d e n wir bei e inem P a t i e n t e n , de r frf iher an Lues c. ge l i t t en hat , bei e iner Nach- u n t e r s u c h u n g einen pos i t iven Liquor , so werden wit zu e lner , ,S i che rhe i t skur" i m m e r h i n r a t en , a u c h w e n n ke ine neu ro - logischen S y m p t o m e vorl iegen. W i r wissen zur Zei t abe r n i c h t m i t S icherhe i t , ob de ra r t ige S i e h e r h e i t s k u r e n zweck- m~dlig s ind (Gefahr e iner Mobi l i s i e rung de r Lues c.), m a n wi rd sie d a h e r n u r m i t Vor s i ch t e in le i ten u n d sie n u r in so lchen FAllen d r ing l i ch empfeh len , in d e n e n der L iquor sehr aus- gesprochen pos i t i v r eag ie r t und die Z e l l v e r m e h r u n g (als Aus- d r u c k e iner noch f lor iden E n t z i i n d u n g ) eine s t a r k e ist. L ieg t ledigl ich eine pos i t ive W a R . des B lu t e s oder des L iquors vor, so werden wir yon der B e h a n d l u n g A b s t a n d n e h m e n , den P a t i e n t e n abe r wei te r b e o b a c h t e n .

E i n besonde res Geb ie t der The rap i e b i lde t die B e h a n d l u n g de r Frf ih lues des Nervensys t emes , die in neue re r Zei t eine be- s o n d e r e B e a c h t u n g ge funden hat . Sie 1ABt s ich n i ch t scha r f gegen die FrtihfAlle yon ce rebrosp ina le r Syphi l i s abgrenzen , .die s ich in n i c h t s yon den gew 6hn l i chen der SpAtlues zu- g e r e o h n e t e n Krankhe i t s fAl len un te r sche iden . Es muB ge- fo rde r t werden , d a b in j edem Fal le yon f r i scher Lues n a c h B e e n d i g u n g der e rs ten oder zweiten N u r bzw. n a c h Absch lug d e r 13ehandlung die L u m b a l p u n k t i o n zwecks Fes t s t e l l ung , ob e ine frf ihluische M e n i n g e a l e r k r a n k u n g vor l iegt , g e m a c h t wird. Der L i q u o r b e f u n d k a n n bei n e g a t i v e m B l u t b e f u n d aus- g e s p r o c h e n pos i t i v sein. Vie l le icht f i nde t in f a s t a l len FAllen wenigs tens vo r f i be rgehend im sekundAren S t a d i u m eine I n v a s i o n yon SpirochAten ill das Z e n t r a l n e r v e n s y s t e m s t a t t . Man mul3 a n n e h m e n , d a b in den wei taus me i s t en FAllen die E r r ege r h ier s p o n t a n oder infolge der T h e r a p i e z u g r u n d e gehen. I n ca. 20% der FAlle, n a c h m a n c h e n A u t o r e n sehr v ie l hAufiger (his 6o%), lX13t s ich d u r c h die L i q u o r u n t e r s u c h u n g die In fek- t i on der Men ingen nachweisen . Es l i n d e n s ich Z e l l ve rmehrung , E r h 6 h u n g des Druckes , E iwe iBve rmehrung , L y m p h o c y t o s e , VV'aR. usw. A m hAuf igs ten i s t der pos i t ive B e f u n d i m zwei t en

H a l b j a h r n a c h der In fek t ion , bei B e h a n d e l t e n is t er hAufiger (bei u n z u r e i c h e n d B e h a n d e l t e n bis 60%) als bei N i c h t b e h a n - de l ten . Kl in i sch h a n d e l t es s ich e n t w e d e r u ln s y m p t o m l o s e Fr f ihsyph i l i s des N e r v e n s y s t e m s oder u m FAlle m i t l e i c h t e r e n oder schwere ren s u b j e k t i v e n und o b j e k t i v e n S y m p t o m e n (Kopfschmerz , be sonde r s in de r N a c h t , Akus t ikusschAdi - gungen , A u g e n s y m p t o n l e ) . ScHou u n t e r s c h e i d e t zwei F o r m e n der men ing i a l en Fr t ih lues eine benigne , episodische, r a s c h aushe i lende , die eine Te i l e r sche inung der A l l g e m e i n i n f e k t i o n i s t u n d eine chronische , rez id iv ie rende , die in spAteren S t a d i e n zur Lues c., Pa r a ly se u n d Tabes f f ihren k a n n . Ungt ins t ig , t r o t z i n t e n s i v e r B e h a n d l u n g ve r l au f ende FAlle yon ce reb rosp ina l e r F r t ih lues (Hemiplegie , Parap leg ie) k o m m e n ge legent l i ch vor. DaB die schwerere F o r m der f r f ihen N e r v e n s y p h i l i s se i t E in - f t i h rung der S a l v a r s a n b e h a n d l u n g hAufiger geworden ist , i s t n i c h t s icher erwiesen, abe r i m m e r h i n wahrsche in l i ch . I n dell gew6hn l i chen FAllen v o n men ingea l e r Fr f ih lues ( , ,Liquor- lues"} gel ingt es in de r Rege l d u r c h die T h e r a p i e die Aus- he i lung zu erz ie len ( , ,L iquo r san i e rung"L FAlle m i t ausge- s p r o c h e n e n k l in i schen S y m p t o m e n bed t i r fen biswei len e iner besonde r s i n t e n s i v e n B e h a n d l u n g . Man v e r o r d n e t m e h r e r e au s r e i chend s t a r k e k o m b i n i e r t e Kuren , e rse tz t evt l . das H g d u r c h W i s m u t . Zwischen den Kuren , die I n t e r v a l l e sol len a c h t W o c h e n n i c h t f iberschre i ten , e m p f i e h l t es s ich J o d zu geben. I n ha r tnAck igen Fa l len wi rd m a n s ich evt l . zu r endo- l u m b a l e n B e h a n d l u n g entschl ieBen. L a n g d a u e r n d e L iquor - kon t ro l l e i s t n a c h Abschlul3 der B e h a n d l u n g n6t ig . Ge l ing t die S a n i e r u n g des L iquor s auch d u r c h m e h r e r e K u r e n n i ch t . so muB m a n die B e h a n d l u n g a b b r e c h e n u n d n a c h 1Angerer P a u s e m i t n e u e n K o m b i n a t i o n e n der Mi t t e l wieder b e g i n n e n .

Auf gewisse F o r m e n der Lues c. i s t noch besonders h inzu - weisen, da sie bezfigl ich der e i n z u s c h l a g e n d e n T h e r a p i e n i c h t se l ten zu Zweifeln Anlat3 geben. N ich t se l ten f inden wir bei e inem P a t i e n t e n zufAllig L i c h t s t a r r e der Pup i l l en oder a n d e r - wei t ige P u p i l l e n s y m p t o m e . E r g i b t die e x a k t e U n t e r s u c h u n g ke iner le i wei tere E r sche inungen , so wird mai l bei n e g a t i v e n R e a k t i o n e n , de r a r t i ge FAlle sind n i c h t so sel ten, n a m e n t l i c h w e n n es s ich u m Altere P e r s o n e n hande l t , yon e iner 13ehand- l ung a b s e h e n k 6 n n e n Man wird n i ch t fehlgehen, w e n n m a n ann imm~, d a b es s ich in so lchen FAllen (falls es sich n i c h t u m R e s i d u e n e iner E n c e p h a l i t i s hande l t ) u m eine s p o n t a n oder infolge yon f r t iheren K u r e n ausgehe i l t e Lues c. bzw. u m eine s tat ionAre, ganz a b o r t i v e T a b e s hande l t . E r fo rde r l i ch ist , d a b m a n de ra r t ige P e r s o n e n yon Zei t zu Zei t n a c h u n t e r s u c h t .

H a b e n wir das BiId de r t a b i s c h e n A t roph i e des O p t i k u s vo r uns. das o h n e i rgendwe lche t a b i s c h e n S y m p t o m e im enge ren S inne b e s t e h e n k a n n so werden wir uns a u c h n u r d a n n zu e iner i n t e n s i v e n K u r entschl ieBen, w e n n pos i t i ve R e a k t i o n e n vorl iegen. Nnde ren fa l l s wird m a n sich au f mi lde Med ika t ionen beschrAnken .

13esonders ungf ins t ig ffir die The rap i e l iegen die FAlle yon vasculArer H i r n l u e s ( E n d a r t e r i i t i s ob l i te rans) , in d e n e n es r a sch zu w i e d e r h o l t e n I n s u l t e n auf G r u n d yon t h r o m b o t i s c h e r E n c e p h a l o m a l a c i a mu l t i p l ex k o m m t , die of t zu pseudobulbAr- p a r a l y t i s c h e n S y m p t o m e n u n d zu D e m e n z ffihren. De r zu erz ie lende Erfo lg b l e i b t n i c h t se l t en ein d u r c h a u s unbe f r i e - d igender . Es ge l ing t n i c h t e inma l i m m e r den ProzeB d u r c h die B e h a n d l u n g ( Jod i s t besonde r s angezelgt ) zum S t i l l s t a n d zu b r ingen , auch d a n n n ich t , w e n n die R e a k t i o n e n d a u e r n d n e g a t i v geworden s ind oder es yon v o r n h e r e i n waren .

H i n z u w e i s e n i s t noch auf die n i c h t p a r a l y t i s c h e n Lues- psychosen . In n i c h t wen igen FAllen f inden wir n e b e n de r Psychose H i r n n e r v e n s y m p m m e und ande rwe i t ige Ausfa l l s - e rsche inungen. - Die v o r k o m m e n d e n K r a n k h e i t s b i l d e r s ind n i c h t e inhe i t l i che r Genese, n i c h t so se l ten b l e i b t es zwei fe lhaf t , ob es s ich u m eme Luespsychose oder um eine Psychose be i e m e m Syph i l i t i s chen h a n d e l t , a u c h die D i f f e ren t i a ld i agnose der Pa ra ly se gegenf iber k a n n sehr schwier ig u n d m a n c h m a l e rs t n a c h 1Angerer B e o b a c h t u n g m6gl i ch sein. Die c h r o n i s c h e n Defek tzus t f inde (pos t syph i l i t i s che Demenz) b i e t e n ffir die B e h a n d l u n g wenig Auss i ch ten . l ~be r r a schende Erfo lge s i eh t m a n dagegen bei Pseudopa ra ly se . Ich h a b e m e h r e r e als Pa ra ly se d i agnos t i z i e r t e FAlle gesehen, in d e n e n eine T h e r a p i e ats auss ichts los zunAchst ga r n i c h t e inge le i te t wurde , die d a n n

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I364 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

in der w e i t g e h e n d s t e n Weise a n t die an t i l u i sche B e h a n d l u n g (in e inem Fal le besonde r s an t Jod) reag ie r ten . Es k o m m e n des we i t e r en V e r w i r r t h e i t s - u n d Di tmmerzus t~nde , a m n e - s t ische, del i r6se u n d h a l l u z i n a t o r i s c h e K r a n k h e i t s b i l d e r vor, de ren Prognose bei energ i scher B e h a n d l u n g n i c h t n n g t i n s t i g ist. I ( e inen Er fo lg s ah ich bei m a n i s c h - d e p r e s s i v e n Zus tAnden bei Syphi l i t i schen , a u c h d a n n n ich t , w e n n s ich das Le iden e rs t i m vo rge r t i ck t e ren A l t e r a n das A u f t r e t e n yon S y m p t o m e n einer Lues c. e n t w i c k e l t h a t t e . Es i s t a u c h wohl a n z u n e h m e n , dab de r Z u s a m m e n h a n g m i t der Lues ein ganz i n d i r e k t e r u n d kompl i z i e r t e r ist .

Epi lepsie , a u c h KrAmpfe bei S~ugl ingen, k 6 n n e n das ein- zige f e s t s t e l lba re k l in i sche S y m p t o m e iner Lues c. bzw. e iner Lues c. h e r e d i t a r i a sein. In w e n n a u c h n u r s e l t enen F~l len k a n n m i t e iner a n t i l u i s c h e n B e h a n d l u n g ein gu te r Erfolg, erziel t werden . In j e d e m Fal l yon Epi lepsie , n a m e n t l i c h auch yon Sp~tepi leps ie , i s t s o m i t auf Lues zu f a h n d e n u n d a u c h bei d e m ge r ings t en A n h a l t s p u n k t e ffir das B e s t e h e n e iner so lchen eine K u r wen igs t ens ve r suchswe i se e inzule i ten . Wi r werden auch in a l len F~l len yon ce rebra le r K inde r lXhmung , Hydrocepha lu s , Id io t i e usw. der F rage e iner Lues h e r e d i t a r i a nAher t re ten . I n der Regel h a n d e l t es s ich a l le rd ings u m ab- ge laufene Prozesse, die d u r c h an t i l u i s che K u r e n n i ch t bee in- flul3bar s ind.

Die n ich t spez i f i sche ] a e h a n d l u n g der Lues c. h a t in neues t e r Zei t e rheb l i eh an B e d e u t u n g gewonnen . Es i s t n i c h t e r forder - l ich h ie r au f die B e h a n d l u n g de r I~esiduen in Ges ta l t yon L~th- m u n g e n , Spasmen , At roph~en usw. e inzugehen , a u c h n i c h t auf die B a l n e o t h e r a p i e , die a u c h h e u t e noch, wie a u c h die S c h w i t z k u r e n u n d die Z i t t m a n n s c h e Kur, als U n t e r s t t i t z u n g der m e d i k a m e n t 6 s e n B e h a n d l u n g ihre ] aedeu tung n i c h t v611ig ver loren haben .

N u r in e iner r e c h t k le inen A n z a h l yon F~l len k o m m t bei H i rn lue s ein ch i ru rg i sche r E ingr i f f in Frage. Die ~tlteren A u t o r e n h a b e n s ich tel ls pr inz ip ie l l a b l e h n e n d , wie z. t3. V. BERGMANN, ausgesprochen , te l ls s ind sie, wie HORSLEY, GOW]~RS u. a. ffir eine o p e r a t i v e B e h a n d l u n g der H i r n l u e s m i t N a c h d r u c k e inge t re ten . I n neues t e r Zeit h a t m a n die Ind i - k a t i o n e n fiir das o p e r a t i v e Vorgehen fes tzulegen v e r s u c h t SCHLESINGER, lXTONNE U. a.) u n d diese ba ld enger ba ld wel te r

gezogen. N a m e n t l i c h von a m e r i k a n i s c h e n u n d eng l i schen A u t o r e n wurde des 6 f t e ren fiber er folgre iche ch i rurg i sche E n t - f e r n u n g yon H i r n g u r n m e n be r i ch te t . E in ope ra t i ve r Eingr i f f k o m m t vor a l l em d a n n in Frage , wenn das K r a n k h e i t s b i l d emes loka l i s i e rba ren H i r n t u m o r s vor l ieg t und der Er fo lg der a n t i l u i s c h e n ]3ehand lung e in unvol ls t~indiger b le ib t . Man wird be sonde r s auch d a n n zur O p e r a t i o n r a t en , wenn m a n e inen n i c h t lu i schen T u m o r n i c h t m i t S icherhe i t einzuschlieiaen v e r m a g (Progress ion de r S y m p t o m e t r o t z ausgiebiger ]aehand- lung). Des we i t e r en b i e t en die F~ille yon Rindenep i l epa ie auf G r u n d von l u i s c h - m e n i n g o e n c e p h a l i t i s c h e n Ver~inderungen im Bere ich der m o t o r i s c h e n Zone eine I n d i k a t i o n zur T repa - na t ion , w e n n die an t i l u i s che K u r versag t . Der Reiz k a n n yon n a r b i g e n Ver~inderungen ausgehen , die ftir die an t i l u i sche ]3e- h a n d l u n g n i c h t m e h r a n g r e i f b a r s ind. Gehl iuf te Anf~ille (S ta tus hemiep i l ep t i cus ) k 6 n n e n eine I n d i c a t i o v i t a l i s b i lden.

]3ei H y d r o c e p h a l u s infolge yon H i rn lues k a n n Ven t r ike l - p u n k t i 0 n , ]~alkenst ich, Occ ip i ta l s t i ch , T r e p a n a t i o n in F r a g e komnlen . In l e i ch te ren Fi i l len k o m m t m a n rnit w iede rho l t en L u m b a l p u n k t i o n e n aus. E ine [6fters wiederhol te l L u m b a l - p u n k t i o n h i l f t a u c h ge legen t l i ch bei har tn~ickigen lu i schem Kopfschmerz . A u c h bei sp ina le r Lues k a n n eine ope ra t i ve B e h a n d l u n g angeze ig t se~n, w e n n die an t i l u i sche T h e r a p l e versag t . I n d i z i e r t i s t die L a m i n e k t o m i e zun~ichst in a l len F~illen, in d e n e n de r V e r d a c h t be s t eh t , dal3 e in n i ch t lu ischer T u m o r bei e inem L u i s c h e n vor l ieg t . Dieser V e r d a c h t i s t be- grf indet , w e n n das K r a n k h e i t s b i l d t r o t z a n t i s y p h i l i t i s c h e r ] :aehandlung p rogress iv b le ib t . Des we i t e ren k o m m e n FMIe in Frage , in d e n e n sehr he f t ige S c h m e r z e n infolge yon Schwie- l enb i ldung a n e inze lnen W u r z e l n bes t ehen . FREY u n d SCHWAB h a b e n u n t e r d iesen B e d i n g u n g e n mi t Er fo lg oper ier t . Schliefa- l ich s ind wir au f G r u n d unsere r E r f a h r u n g e n auch be rech t ig t , in m a n c h e n F~illen von a b g e l a u f e n e r Men ingomye l i t i s syph

R I F T . 4, J A H R G A N G . N r . 28 9. JULI i925

e inen ch i ru rg i schcn Eingr i f f zu empfeh len . CHIPAULT, OPPEN- HEIM und F. KRAUSE erz ie l ten d u r c h E n t f e r n u n g yon f ib r6sen Schwielen bzw. d u r c h L 6 s u n g yon m e n i n g e a l e n V e r w a c h s u n g e n Besse rung der L~thmungsersche inungen . I~firzlich h a t FORSTER fiber 2 FAlle be r i ch te t , in d e n e n m e n i n g e a l e S c h w a r t e n bzw. G r a n u l a t i o n s g e w e b e m i t Er fo lg e n t f e r n t wurden . Die ge- w6hn l i chen F~tlle yon Men ingomye l i t i s syph . k o m m e n ffir den Ch i ru rgen n i c h t in Frage , s o n d e r n ledigl ich die FMle, in denen der k l in i sche S y m p t o m e n k o m p l e x au f eine c i r cum- scr ip te men ingea l e N a r b e n b i l d u n g h inweis t , u n d diese loka- l i s ie rbar ist.

I m M i t t e l p u n k t des In te resses s t e h t zur Zei t die unspezi - f ische T h e r a p i e syph i l i t i s che r Prozesse d u r c h P r o t e i n k 6 r p e r u n d d u t c h f ieberer regende Mitre] u n d Ver fahren . die s ich au f die begr f inde te Vor s t e l l ung stf i tz t , dal3 der Hei ler folg jeder m e d i k a m e n t 6 s e n B e h a n d l u n g de r Lues ganz wesen t l i ch yon e iner , ,Mi twi rkung des O r g a n i s m u s " (FINGER) d u r c h eine a l lgemeine S te ige rung der v i t a l e n Vorg~inge abh i ing t . I n F rage k o m m e n die in der Tabes - und P a r a l y s e t h e r a p i e er- p r o b t e n Mi t t e l : Ya t ren -Case in , Novopro t in , Ph loge t an , Ar th igon , Milch, Vacc ineur in . N a t r i u m nuc le in icum, T u b e r - kul in , T y p h u s v a c c i n e u n d I n f e k t i o n e n m i t Mala r ia u n d Recur rens .

In g e w 6 h n l i c h e n F~l len yon Lues c., die au f m e d i k a m e n t 6 s e K u r e n p r o m p t reagieren, wird m a n yon der Re izk6rpe r -F iebe r - b e h a n d l u n g a b s e h e n k6nnen . Man wird sich zu ihr en tschl ie - Ben, n a m e n t l i c h w e n n die Di f fe ren t i a ld iagnose der P a r a l v s e gegenfiber uns i che r ist, u n d w e n n eine ausgiebige ande rwe i t ige The rap i e ohne d a u e r n d e n Er fo lg bl ieb. Es i s t sehr wohl m6g- lich, d a b m a n c h e r Fa l l yon H i rn lues bere i t s u n t e r der Feh l - d iagnose Pa ra ly se e iner F i e b e r b e h a n d l u n g u n t e r w o r f e n w u r d e u n d die S t a t i s t i k der erz ie l ten Erfolge besse rn half .

E in s icheres Ur t e i l f iber den W e r t der yon KYRLE neuer- d ings e m p f o h l e n e n N e o s a l v a r s a n - M a l a r i a t h e r a p i e bei Lues c. i s t zur Zei t noch n i ch t m6gl ich. KYRLE ge lang es in zahl- re ichen F/i l len yon ~ilterer Lues mi t pos i t i ven L iquoren , d e n L iquor zu assan ie ren , aueh. inF~i l len die sich bei j e d e r a n d e r e n ] a e h a n d l u n g r e f r a k t ~ r erwiesen h a t t e n . Es b e s t e h t somi t d ie Hof fnung , d a b d u r c h das V e r f a h r e n in m a l i g n e n Fii l len y o n Lues c. eine A u s h e i l u n g zu erzielen sere wird. E in ige gf ins t ig l au t ende Be r i ch t e l iegen bere i t s vo r (LAMPAR).

Was schlielalich die P r o p h y l a x e der Lues c. anbe l ang t , so s ind wir n o c h n i c h t in der Lage, e inen syph i l i t i s ch Inf iz ie r ten (wenn die He i l ung n i c h t i m s e r o n e g a t i v e n Pr im~irs tad ium ge l ing t m i t S iche rhe i t vo r Neuro lues zu schi i tzen. Jede r Neurologe s i eh t zur Zei t n i c h t so se l ten F~ille yon Lues c, Pa ra lyse und Tabes , die i m F r f i h s t a d i u m sorgf~iltig u n d aus- r e i chend m i t k o m b i n i e r t e n K u r e n ( m a n c h m a l a u c h e n d o l u m b a l ) b e h a n d e l t w o r d e n waren, d e n n o c h e r k r a n k t e n die P a t i e n t e n , biswei len sogar au f fa l l end f r f ihzei t ig an Neurolues . Wi r wissen a u c h n ich t , welche Lu i sche ffir die Neuro lues d i s p o n i e r t s ind und worau f die Dispos i t ion b e r u h t . Die Lehre yon d e m N e u r o t r o p i s m u s e iner Spiroch~i tenrasse oder Variet~it (Syphi l i s A v i rus ne rveux) i s t n i c h t gen i igend begr f inde t . D a u e r n d n e g a t i v e L i q u o r r e a k t i o n e n s ind keineswegs e in Beweis, d a b der U n t e r s u c h t e endgf i l t ig aulaer G e f a h r ist, d a u e r n d positive, R e a k t i o n e n begr f inden keineswegs die Voraussage , d a b Ner- ven lues im k l in i schen S inne m i t S iche rhe i t zu e r w a r t e n s teh t . D a u e r n d e ~ b e r w a c h u n g u n d Kon t ro l l e der ]31ut'- u n d L i q u o r r e a k t i o n e n und i n t e r m i t t i e r e n d e ch ron i sche kom- b in i e r t e B e h a n d l u n g bei pos i t iven ]3efunden wird i m m e r h i n die Gefahr , a n Lues c zu e r k r a n k e n , z u m wen igs ten ver- r ingern . Dal3 in Z u k u n f t d u t c h neue an t i l u i s che M e d i k a l n e n t e ein gr613erer S c h u t z der Neurolues gegeni iber erzielt we rden wird. is t z ieml ich unwahrsche in l i ch . Mehr Auss i ch t besteht , . d a b es gel ingt , d u r c h eine die na t f i r l i chen Abwehrk r l i f t e des O r g a n i s m u s mobi l i s i e rende T h e r a p i e der Lues im F r t i h s t a d i u m , ftir eine solche (Sa lvarsan-Mala r ia ) s ind neuerd ings FII~GER u n d KYRLE zielbewul3t e inge t re ten , die Gefah r der Neuro lues zu besei t igen. Diesem Ziel s ind wir vorl i iuf ig noch r e c h t f e rn ; v ie l le ich t i s t das Hel l i i b e r h a u p t n i c h t yon der Therap ie , sonde rn n u r yon der A u s r o t t u n g der Luesseuche.. f i b e r h a u p t z u e rwar ten .