3
KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 22. JAHRGANG Nr. 7 I3. FEBRUAR x943 0BERSICHTEN. DIE URSACHEN DER ULCUSENTSTEHUNG IM MAGEN UND DUODENUM. Von M. STAEMMLER und H. MERKEL. Aus dera PathologischenInstitut der Universit~tBreslau. Bei der Frage nach der Ursache der Uleusbildung muB von den altbekannten sicherstehenden Tatsachen ausgegangen werden. Diese sind : i. Die anatomisehe Lokalisation der Ge- schwfire. Wit finden Geschwfire im Magen selbst, im Anfangsteil des Duodenums bis zur Vaterschen Papille, inl Jejunum nach kfinstlicher Gastroenterostomie, im Endteil des Oesophagus, im Meckelschen Divertikel, wenn es Inseln yon Magenschleim- haut tr~gt. Des Ulcus ist in diesem Falle nicht in dieser dystopischen Magenschleimhaut, sondern in der Dfinndarm- schleimhant lokalisier t. Im Magen selbst sitzt des Geschwiir vornehmlich an der kleinen Kurvatur und im Antrum pylori. Von der kleinen Kurvatur ist der Pylorusteil, die Gegend des sog. Isthmus (AscHo~F) uud die Kardia bevorzugt. Aus dieser Lokalisation ergibt sich, dab zur Entstehung des Ulcus die Wirkung des aktiven sauren Magensaftes Vor- bedingung ist. Alle Theorien, die sich mit der Entstehung der Geschwiirsbildung befassen, mfissen diesen Punkt in erster Linie berticksichtigen. Die Produktionsst~tten des sauren Magensaftes selbst sind im allgemeinen ulcusfrei. 2. Der anatomische Aufbau des Geschwtirs. Des voll- entwickeite ~tltere Geschwfir tiberschreitet auf jeden Fall die Muscularis mucosae. Es durchbricht in der Regel die Mus- cularis propria. Sein Grund zeigt meistens folgende Schich- tung : a) Exsudatzone ; b) Zone der fibrinoiden Nekrose ; c) Granulationsschicht; d) Calluszone. Die Zone der fibrinoiden Nekrose wird in der Regel als Folge der Einwirkung und weiteren Seh~digung durch den Magensaft angesehen. 3. Die ulcusferne Magenschleimhaut zeigt in der Regel eine chronische Gastritis mit frischen entzfindlichen Schtiben (STOERK, MOSZKOWICZ, ORATOR, I~ONJ]~TZNY U. a.), in deren Verlauf Epitheldefekte und Drtisendegenerationen auftreten. Das Verh~ltnis dieser Gastritis zum Ulcus kann nicht als gekl~rt angesehen werden und ist auch wohl nicht einheitlieh. Die Entziindung der Magenschleimhaut finder sieh vornehm- lieh im Pylorusgebiet. 4. In der Zeit der Entstehung des Magengeschwfirs besteht eine erh6hte Salzs~urebildung. Beim ~lteren Magengeschwfir braucht diese Hyperacidit/it nicht mehr nachweisbar zu sein. Ulcera duodeni und jejuni gehen stets mit Hyperacidit~t einher. 5. Mit dem Ulcusleiden ist vielfach eine Labilits des vegetativen Nervensystems verbunden. Auch anatomigehe Ver~nderungen in den vegetativen Zentren des Gehirns gehen mit einer Neigung zur Ulcusbildung einher. 6. Des Ulcusleiden zeigt eine Neigung zur Erbliehkeit, wenn anch der Gang der Vererbung oder der Angriffspnnkt des Erbfaktors nicht eindeutig ersiehtlich ist. Wir kennen 3 Gradauspr/igungen des Utcerationsprozesses : die Erosion, meist in der MehrzahI vorhanden, das akute Ulcus, des ehronische Ulcus. Jedes Ulcus ist ein Oberfl/~chendefekt der Schleimhaut, der durch Abstol3ung einer Nekrose entsteht. Wir sprechen yon einer Erosion, wenn sich die Defektbildung auf die Schleimhaut beschr/inkt, yon einem Ulcus, wenn zum min- desten die Muscularis mucosae fiberschritten ist. Die Frage nach der Ursache des Ulcus ist die Frage nach der Nekrose, deren Abst0gung zum Geschwiir fiihrt. Das chronische Ulcus entwickelt sich aas dem akuten. Das aknte Ulcus kann aus der Erosion entstehen oder sich von vornherein aus einer Nekrose entwickeln, die auch tiefere Schiehten der Magen- wand ergriffen hat. I. Die Erosion. Wenn wir yon der reinen anatolnischen Beschreibung ausgehen, miissen wir 3 Formen unterscheiden: a) die Erosion y o n CRUVIglLHIER-BENtgKE; b) die Erosion yon NAUWERCK-I~oNJETZNY; c) die Erosion yon Bf3CttNER. a) Die Erosion von CRUVEILHIER. Vorwiegend am Leichen- magen beobacbtet. Meist in der Mehrzahl im Fundus und im Antrum pylori. StecknadelkopfgroBe bis etwa ffinfmark- stfickgroge, runde oder streifige schwarzrote flache Defekte der Schleimhaut des Magens oder Zw61ffingerdarmes. Mikroskopisch sind sie im frischen Zustand scharf begrenzte, oft keilf6rmige hS~morrhagische oder anS,mische Nekrosen der Schleimhaut vom Aussehen yon Infarkten. Die fibrige Magensehleimhaut ist unvergndert, zeigt im besonderen keine Entztindungsprozesse. Sp~tter entstehen an der Stelle der Nekrose flache Defekte mit fibrinoider Nekrose des Erosions- grundes und geringffigiger entzfindlicher 1Reaktion der n~ch- sten Umgebung. Oft sieht man sie im Zustand der Abheilung mit Regeneration des Epithels und der Drtisen. Viele von ihnen scheinen spurlos zu verheilen. Es gibt also sicher Erosionen des Magens, die mit einer prin~ren Entzi~ndung der Sehleimhaut niehts zu tun haben. Die Vorstellung, dab diese Erosionen postmortaler Natur sind, ist, wie ItAUSER besonders betont hat, v611ig abwegig. Sie tragen das Zeichen vitaler Reaktion. Wie entstehen sie ? Gelegentlich kann man Gef~g~zerstop- fungen der Schleimhautgef/~13e an ihrem Grunde nachweisen (Fettembolie, Bakterien). Dann ist ihre Entstehung auch kausal klar. Experimentell k6nnen sie dutch Gef/iBverschlfisse im arteriellen (z. B. HONDA) oder ven6sen (PAYR) System des Magens erzeugt werden. Die meisten Erosionen des Leichenmagens lassen aber organische Gef/~Bverschliisse ver- missen. Deshalb der Gedanke, dab funktionelle Unter- breehungen des Kreislaufes dutch Gef/il3kr~inpfe oder Muskel- kontraktionen mit Abklemmung der Gef/ige an ihrer Ent- stehung schuld sind (BENEKE, HART, BERGMANN, ROSSLE, AscHo~F). Diese Krampfzust~inde werden auf Reizzust~inde im vegetativen Nervensystem zurfickgeftihrt. Im mensch- lichen Material sind solche anatomisch nicht nachzuweisen. Zahlreiche Tierversuche der verschiedensten Art am Vagus und Sympathicus haben zur Entstehung solcher Erosionen gefiihrt. Auch mit pharmakologischer Reizung der Nerven gelang es, sie zu erzeugen; doch wird sich nie klar erweisen lassen, ob diese Eingriffe sich nur in Krampfzust~tnden aus- wirken, oder ob sie nicht gleichzeitig auch die Sekretion des Magensaftes beeinflussen (GuNDELFINGER). Versuehe yon MERKEL mit hohen Dosen yon Histamin bei Meerschweinchen ergaben in allen F/illen positive Befunde, die am vorgelagerten Magen yon der ersten Entstehung bis zur Perforation verfolgt werden konnten, Die Ver/inde- rungen begannen, wie ausgiebig mikroskopisch s werden konnte, stets mit starker Erweiterung der Schleim- hautcapillaren und kleinen Venen, gingen fiber in eine lokale Stase der terminalen Blutbahn und ffihrten dureh diese zur lokalen h/~morrhagischen Infarzierung. Ganz entsprechende Bilder lieBen sich (wenn auch natfirlich nieht in so regel- m/~Biger Stufenfolge) bei Cruveilhierschen Erosionen am Menschenmagen nachweisen. In sp/~teren Stadien kommt es zur Abstogung des nekrotischen Gewebes (wahrscheinlich in- folge Abdauung) und znr Bildung des Schleimhautdefektes, KliniseheWoehensehrift, 22. Jahrg 1 3

Die Ursachen der Ulcusentstehung im Magen und Duodenum

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Die Ursachen der Ulcusentstehung im Magen und Duodenum

KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 22. J A H R G A N G Nr. 7 I3. F E B R U A R x943

0BERSICHTEN. DIE URSACHEN D E R ULCUSENTSTEHUNG

IM MAGEN UND DUODENUM.

Von

M. STAEMMLER und H. MERKEL. Aus dera Pathologischen Institut der Universit~t Breslau.

Bei der Frage nach der Ursache der Uleusbildung muB von den al tbekannten sicherstehenden Tatsachen ausgegangen werden. Diese sind : i. Die anatomisehe Lokalisation der Ge- schwfire.

Wi t finden Geschwfire im Magen selbst, im Anfangsteil des Duodenums bis zur Vaterschen Papille, inl Je junum nach kfinstlicher Gastroenterostomie, im Endtei l des Oesophagus, im Meckelschen Divertikel, wenn es Inseln yon Magenschleim- haut tr~gt. Des Ulcus ist in diesem Falle nicht in dieser dystopischen Magenschleimhaut, sondern in der Dfinndarm- schleimhant lokalisier t.

Im Magen selbst sitzt des Geschwiir vornehmlich an der kleinen Kurvatur und im Antrum pylori. Von der kleinen Kurvatur ist der Pylorusteil, die Gegend des sog. Isthmus (AscHo~F) uud die Kardia bevorzugt.

Aus dieser Lokalisation ergibt sich, dab zur Entstehung des Ulcus die Wirkung des aktiven sauren Magensaftes Vor- bedingung ist. Alle Theorien, die sich mit der Ents tehung der Geschwiirsbildung befassen, mfissen diesen Punkt in erster Linie berticksichtigen. Die Produktionsst~tten des sauren Magensaftes selbst sind im allgemeinen ulcusfrei.

2. Der anatomische Aufbau des Geschwtirs. Des voll- entwickeite ~tltere Geschwfir tiberschreitet auf jeden Fall die Muscularis mucosae. Es durchbricht in der Regel die Mus- cularis propria. Sein Grund zeigt meistens folgende Schich- tung : a) Exsudatzone ; b) Zone der fibrinoiden Nekrose ; c) Granulationsschicht; d) Calluszone. Die Zone der fibrinoiden Nekrose wird in der Regel als Folge der Einwirkung und weiteren Seh~digung durch den Magensaft angesehen.

3. Die ulcusferne Magenschleimhaut zeigt in der Regel eine chronische Gastritis mit frischen entzfindlichen Schtiben (STOERK, MOSZKOWICZ, ORATOR, I~ONJ]~TZNY U. a.), in deren Verlauf Epitheldefekte und Drtisendegenerationen auftreten. Das Verh~ltnis dieser Gastritis zum Ulcus kann nicht als gekl~rt angesehen werden und ist auch wohl nicht einheitlieh. Die Entziindung der Magenschleimhaut finder sieh vornehm- lieh im Pylorusgebiet.

4. In der Zeit der Entstehung des Magengeschwfirs besteht eine erh6hte Salzs~urebildung. Beim ~lteren Magengeschwfir braucht diese Hyperacidit/ i t nicht mehr nachweisbar zu sein. Ulcera duodeni und jejuni gehen stets mit Hyperacidi t~t einher.

5. Mit dem Ulcusleiden ist vielfach eine Labil i ts des vegetativen Nervensystems verbunden. Auch anatomigehe Ver~nderungen in den vegetativen Zentren des Gehirns gehen mit einer Neigung zur Ulcusbildung einher.

6. Des Ulcusleiden zeigt eine Neigung zur Erbliehkeit, wenn anch der Gang der Vererbung oder der Angriffspnnkt des Erbfaktors nicht eindeutig ersiehtlich ist.

Wir kennen 3 Gradauspr/igungen des Utcerationsprozesses : die Erosion, meist in der MehrzahI vorhanden, das akute Ulcus, des ehronische Ulcus.

Jedes Ulcus ist ein Oberfl/~chendefekt der Schleimhaut, der durch Abstol3ung einer Nekrose entsteht. Wir sprechen yon einer Erosion, wenn sich die Defektbildung auf die Schleimhaut beschr/inkt, yon einem Ulcus, wenn zum min- desten die Muscularis mucosae fiberschritten ist. Die Frage nach der Ursache des Ulcus ist die Frage nach der Nekrose, deren Abst0gung zum Geschwiir fiihrt. Das chronische

Ulcus entwickelt sich aas dem akuten. Das aknte Ulcus kann aus der Erosion entstehen oder sich von vornherein aus einer Nekrose entwickeln, die auch tiefere Schiehten der Magen- wand ergriffen hat.

I . Die Erosion.

Wenn wir yon der reinen anatolnischen Beschreibung ausgehen, miissen wir 3 Formen unterscheiden:

a) die Erosion yon CRUVIglLHIER-BENtgKE; b) die Erosion yon NAUWERCK-I~oNJETZNY; c) die Erosion yon Bf3CttNER.

a) Die Eros ion von CRUVEILHIER. Vorwiegend am Leichen- magen beobacbtet. Meist in der Mehrzahl im Fundus und im Antrum pylori. StecknadelkopfgroBe bis etwa ffinfmark- stfickgroge, runde oder streifige schwarzrote flache Defekte der Schleimhaut des Magens oder Zw61ffingerdarmes.

Mikroskopisch sind sie im frischen Zustand scharf begrenzte, oft keilf6rmige hS~morrhagische oder anS, mische Nekrosen der Schleimhaut vom Aussehen yon Infarkten. Die fibrige Magensehleimhaut ist unvergndert, zeigt im besonderen keine Entztindungsprozesse. Sp~tter entstehen an der Stelle der Nekrose flache Defekte mit fibrinoider Nekrose des Erosions- grundes und geringffigiger entzfindlicher 1Reaktion der n~ch- sten Umgebung. Oft sieht man sie im Zustand der Abheilung mit Regeneration des Epithels und der Drtisen. Viele von ihnen scheinen spurlos zu verheilen.

E s gibt also sicher Eros ionen des Magens , die m i t einer p r i n ~ r e n Entz i~ndung der Seh le imhaut niehts zu t un haben. Die Vorstellung, dab diese Erosionen postmortaler Natur sind, ist, wie ItAUSER besonders betont hat, v611ig abwegig. Sie tragen das Zeichen vitaler Reaktion.

Wie entstehen sie ? Gelegentlich kann man Gef~g~zerstop- fungen der Schleimhautgef/~13e an ihrem Grunde nachweisen (Fettembolie, Bakterien). Dann ist ihre Ents tehung auch kausal klar. Experimentel l k6nnen sie dutch Gef/iBverschlfisse im arteriellen (z. B. HONDA) oder ven6sen (PAYR) System des Magens erzeugt werden. Die meisten Erosionen des Leichenmagens lassen aber organische Gef/~Bverschliisse ver- missen. Deshalb der Gedanke, dab funktionelle Unter- breehungen des Kreislaufes dutch Gef/il3kr~inpfe oder Muskel- kontrakt ionen mit Abklemmung der Gef/ige an ihrer Ent- stehung schuld sind (BENEKE, HART, BERGMANN, ROSSLE, AscHo~F). Diese Krampfzust~inde werden auf Reizzust~inde im vegetat iven Nervensystem zurfickgeftihrt. Im mensch- lichen Material sind solche anatomisch nicht nachzuweisen. Zahlreiche Tierversuche der verschiedensten Art am Vagus und Sympathicus haben zur Ents tehung solcher Erosionen gefiihrt. Auch mit pharmakologischer Reizung der Nerven gelang es, sie zu erzeugen; doch wird sich nie klar erweisen lassen, ob diese Eingriffe sich nur in Krampfzust~tnden aus- wirken, oder ob sie nicht gleichzeitig auch die Sekretion des Magensaftes beeinflussen (GuNDELFINGER).

Versuehe yon MERKEL mit hohen Dosen yon Histamin bei Meerschweinchen ergaben in allen F/illen positive Befunde, die am vorgelagerten Magen yon der ersten Ents tehung bis zur Perforation verfolgt werden konnten, Die Ver/inde- rungen begannen, wie ausgiebig mikroskopisch s werden konnte, stets mi t starker Erweiterung der Schleim- hautcapillaren und kleinen Venen, gingen fiber in eine lokale Stase der terminalen Blutbahn und ffihrten dureh diese zur lokalen h/~morrhagischen Infarzierung. Ganz entsprechende Bilder lieBen sich (wenn auch natfirlich nieht in so regel- m/~Biger Stufenfolge) bei Cruveilhierschen Erosionen am Menschenmagen nachweisen. In sp/~teren Stadien kommt es zur Abstogung des nekrotischen Gewebes (wahrscheinlich in- folge Abdauung) und znr Bildung des Schleimhautdefektes,

Klinisehe Woehensehrift, 22. Jahrg 1 3

Page 2: Die Ursachen der Ulcusentstehung im Magen und Duodenum

*[~4 ~TAEMM~I~R und MERKEL, Ulcusentstehung. Rlinische Wochenschrift

der dann am Grunde die fibrinoide Nekrose und entzfindliche Reaktion zeigte, also auch mit den sp/iteren Bildern der Cruveilhierschen Erosionen fibereinstirnmte.

/3ei der Entstehung der Infarkte spielten offenbar die die Gef/ii3wand sch~tdigende Wirkung des Histamins die ausschlag- gebende Rolle. DaB auch die Wirkung des Magensaftes be- teiligt war, war daraus zu erkennen, da/3 bei Anffillung des Magens mit einer leicht alkalischen Flfissigkeit weder Infarkte noch Erosionen entstanden. Offenbar tr/igt der Magensaft zu der Infarktbi ldung dadurch bei, dab er die gesch/idigte Capillarwand durchdringt und das Blur in den Gefitl3en zur Gerinnung bringt, wie das in der sehr starken ]3ildung yon salzsaurem H/imatin in den Gef/il3en dieser infarzierten Ge- biete zu sehen war.

Anatomisch sind also diese Histaminerosionen mit denen am Menschenmagen identisch. Damit soll natfirlich nicht gesagt werden, dab die letzteren etwas mit Histamin zu tun haben. Die Histaminexperimente sind gleichsam Modell- versuehe, die zeigen, daft eine rein 5rtliche Ge/~flwandsch~digung beim Vorhandensein eines aktiven Magensa]tes zur Erosions- bildung ]i~hren kann.

Niedrige Dosierungen yon Histamin, von denen wir wissen, dab sie auf die Gef/il3e nicht in dern Sinne wirken, wohl aber die Sekretion des Magensaftes anregen, verliefen negativ, wie es ja auch sonst nie gelungen ist, bei Meerschweinchen rnit Histamin Erosionen zu erzeugen. Der hyperaktive Magen- saft allein (wenn ein solcher vorhanden ist) erweist sich also bei diesen Versuchstieren als unwirksam.

Die Versuche fanden tibrigens nicht am hungernden Tier start, wenn auch aus Grfinden der Narkose ffir eine gewisse Leere des Magens gesorgt wurde.

b) Die JL'rosion yon NAUWERCK, I~ONJETZNY. I(ONJETZNY untersuchte systematisch in sehr sorgf/iltig mikroskopischen Studien die operativ gewonnenen Ulcusm/igen und land in ihnen in Best/itigung frfiherer Befunde von STOERK, ~V[osz- KOWlCZ U. a. in der Regel eine schwere Antrumgastritis, die in etwa der H/ilfte der F/ille mit (oft zahlreichen) Erosionen der Schleirnhaut, besonders der Leistenspitzen, einherging. Seine Ergebnisse Mud formal durchweg best/itigt worden (BOCHNER, HAMP:ERL, SCHMINCKE U. a.). KONJETZNY sah niemals Infarktbildungen, keine gr6beren Zirkulationsst6run- gen, keine Nekrosen. Er erkl/irt die ]s als Folge der exsudativen Entzfindung rnit explosionsartiger Aufsprengung der Leistenspitzen durch rauchschwadenartige Exsudats- str6rne. ~tiologisch lehnt er die Wirkung des Magensaftes bei der Entstehung der Erosionen (wie zuerst such PUHL) ab und denkt offenbar rnehr an exogene Sch/iden (Untersuchun- gen fiber die erosive Gastritis der Absatzk/ilber). KONJETZNu hat die erosive Gastritis such ohne Ulcus gesehen bei Menschen, die wegen Erscheinungen des Ulcus operiert worden waren. Es k6nnen diese Erosionen also nicht einfach Folge des Ulcus sein. fi~hnliche Bilder wurden yon I~AUFFMANN erzeugt, wenn bei Tieren durch Bestrahlung der Haut rnit H6hensonne oder durch Setzung steriler Abscesse gr6bere Gewebseinschrnel- zungen hervorgerufen wurden. Er denkt an die Wirkung k6rpereigener Zerfallsprodukte, die durch den Magen aus- geschieden werden. Nekrosen wurden such yon KAUFFMANN nicht beobachtet.

ttistologisch waren in den Versuchen yon I~AUFFMANN allerdings sehr starke Capillarerweiterungen zu sehen, die an gewisse peristatische Vorg~Lnge der terminalen Strombahn denken lieBen.

Es gibt also eine Bildung von Erosionen, die mit starken Entziindungsprozessen in der Magenschleimhaut einhergeht und die sich ]ormal yon den Erosionen yon CRUVEILHIER und MERKEL unterseheidet. Schleimhautinfarkte werden dabei nicht beobachtet. DaB such diese Erosionen irgendwie mit der ver- dauenden Wirl~ung des Magensaftes zusammenh/ingen, ergibt sich aus ihrer Lokalisation. Auch sie kommen nur in der Reichweite der Salzs/iurewirkung vor. Irn unteren Duodenum und irn fibrigen Dtinndarm werden sie nicht gefunden, Es kann also dem Standpunkt yon KO~UETZNY nicht zugestimrnt werden, dab die Salzs/iure oder der Magensaft ffir die Ent- stehung dieser Erosionen bedeutungslos seien.

c) Die Erosion yon BOCHNER, PUHL, HANKE. Die Be- funde yon I~ONJETZNY wurden yon B~CHNER und seiner Schule insofern best/ifigt, als such sie im Magen und Duodenum Erosionsbildungen rnit starken Entzandungsprozessen fanden, die nicht den Charakter yon Infarkten hatten. Nur fanden sich bei ihnen regelm/tt3ig in den Frfihstadien Oberfl/ichen- nekrosen, die zum Teil den Charakter fibrinoider Ver- schorfungen zeigten und als Auswirkungen des Magensaftes angesehen wurden. Dal3 die Fliichenwirkung des Magen- saftes zu solchen lokalen u fiihren kann, er- kl/irt ]3OCHN~R, zurn Teil auf Grund yon Tierversuchen, durch das Oberfl/ichenrelief der Schleimhaut. Das zeigte die experirnentelle Alkoholgastritis (GoTTSCHALK) und die Ver- suche mi t EingieBung von Salzs/iure in den Magen (GoTT- SCHLICH), die zu /ihnlichen Bildern ffihrten, wie sie an den Menschenm/igen gesehen worden waren. Das Verh/iltnis der Bfichnerschen Erosionen zu denen yon ~ONJETZNY wird yon B0CHNER SO angesehen, dab seine Befunde Frfihstadien dar- stellen, w/ihrend die yon I{ONJETZNY als sp/itere Reparations- stadien anzusehen seien. Dafiir sprechen gewisse Epithel- ver/inderungen bei ~ONJETZNY, die schon stark den Charakter des Regenerativen tragen. Die exsudativen Leukocyten- und Fibrinausschwemmungen aus den Leistenspitzen wur- den auch yon BOCHNER beobachtet und als Reaktion der Magenschleimhaut auf die Sch/idigung durch Salzs~ure an- gesehen.

Wenn sich das best~tigt, g/ibe es also rein formal gesehen nur 2 Arten von Erosionen, die yon CRUVEILHIER-B~NEKE (aus Infarkten entstanden) und die yon KONJEa'ZNY-BOcI~NER. DaB auch diese formal gleicher Entstehung sind, wie es BOCI~- ?;ER an einer Stelle sagt, kann ich nicht anerkennen.

Die Vorstellung von der prim~tren und wesentlichen pep- tischen Wirkung eines besonders aktiven Magensaftes wurde durch eine gr6Bere Anzahl von Versuchen yon BOCrtNER und seinen Schfilern, BI~RKLE-DE LA CAMP, SILBERMANN, P uI~L, HANKE U. a., unterbaut. Bei Rat ten entstanden im Hunger- zustand durch subcutane Histamineinspritzungen Erosionen iln Vormagen, HANK]Z erzielte Erosionen durch Einspritzung von Coffein, Morphium und Pilocarpin, SILBERMANN, POHL und BROI)]ZRSEN durch Scheinffitterung an Hunden mit der Pawlowschen Oesophagostomie. Die mikroskopische I*2on- trolle ergab stets (mehr oder weniger deutlich) als erste Ver- /inderung oberfl/ichliche Schleimhautnekrosen, die ant die Wirkung der Salzs/iure bezogen wurden.

So entstand die Theorie yon der reinen oder i~berwiegend peptischen Entstehung der Erosionen. Sie sieht die Haupt- ursache der den Erosionen vorausgehenden Schleimhaut- nekrose in der Wirkung des Magensaftes, besonders des hyper- aktiven und in den leeren Magen ausgeschiedenen. Der Magensaft verdaut also die gesunde Magenschleimhaut. Das ist eigentlich der Kernpunkt der Bfichnerschen Theorie, wenn er such zugibt, dab Mornente, die die Vitalit/it der Schleirn- haut schw~Lchen, die Ents tehung der Erosionen fSrdern.

Gegen die Bfichnerschen Versuche mfissen gewisse Be- denken geltend gemacht werden. Der Vormagen der Rat te neigt auch zu spontaner Geschwfirsbildung. Die Ausbeute an positiven Befunden war in den einzelnen Versuchsreihe*~ eine auffallend verschiedene, so dal3 B~)CI~N~:R an jahreszeit- lich bedingte Schwankungen denkt. Die S/tnrewerte sind weder in den Versuchen yon ]~UCHNER noch denen yon PUHL durchweg als hyperacid anzusehen. Die Lokalisation im Vor- magen der 1Ratte mit seinem Plattenepithel entspricht wenig der im Pylorusteil des Menschen. V611ig abzulehnen ist die Beweiskraft yon Einspritzungen yon Magensaft in das Rec- tum mit Bildung 6rtlicher _;(tzschorfe. Die Ausbeute der Puhlschen Versuche rnit Scheinftitterung ist recht gering. Zum Teil handelt es sich nur urn Epitheldesquamation, die nun wirklich mit der Bildung eines Magengeschwiirs nichts rnehr zu tun hat. Aul3erdem macht PUH5 selbst darauf auf- merksam, dal3 auch St6rungen der Motilit/it in seinen Ver- suchen beobachtet werden konnten. Die Ergebnisse yon I~PPINGER und LEUCHTENBERGER rnit Histamin lassen mehr an prim/ire Zirknlationsst6rungen als an reine Magensaft- wirkungen denken. HEINLEIN und KASTRUI~ lehnen die Be-

Page 3: Die Ursachen der Ulcusentstehung im Magen und Duodenum

Jg. 22, Heft 7 SARRE, Strophanthln, Digitalis und Coronarinsuffizienz. 135 I3. Februar I943

weisffihrung yon BI~CHNER nach ihren eigenen Histamin- versuehen ab.

Es ist nach allen diesen Untersuchungen zwar zuzugeben, daft Erosionen aueh ohne die Bildung gr6berer In]arktbildungen entstehen kSnnen. Es ist aueh als erwiesen anzusehen, daft die Wirkung des Magensa]tes bei ihrer Entstehung eine wesentliche Rolle spielt. Aber wenn B/3CHNnR ganz richtig sagt, dab es auf die Korrelation Magensaft--Magenwand ankommt, so glauben wir dem letzteren Faktor eine gr6gere Rolle zu- sprechen zu mtissen. Wir glauben, dab BERGMANN das Rich- tige trifft, wenn er sagt: ,,Alles, was zu einem lokalen Gewebs- sehaden an der Magensehleimhaut oder irr~ Magen i~berhaupt ]i~hrt, kann dort, wo die normale peptisehe Verdauung besteht, angedaut werden, well die Vitaliti~t des Gewebes gelitten hat." In diesem Sinne k6nnen ZirkulationsstSrungen entscheidend sein, wie entztindliche Prozesse, wie Stoffweehselsch~den (Avitaminosen), wie hormonale St6rungen oder anderes.

Der Ursachenkomplex, der zur Entstehung der Erosionen ffihrt, ist ein im einzelnen aul3erordentlich verschiedener. Gleiehbleibend ist nur framer die Mitwirkung des Magensaites. U n d e r ffihrt dazu, dab nach einer gewissen Zeit die Erosionen in ihrem anatomischen Bau eine so weitgehende 1)berein- st immung zeigen.

f f . Das Ulcus aeutum. Die Erosion ist noch kein Ulcus. Ein solches liegt erst

vor, wenn die Grenze der Schleimhaut von dem Zerst6rungs- prozeg fiberschritten ist. Die Frage, ob das akute Ulcus aus der Erosion entstebt, wird verschieden beantwortet . Es ist sogar sicher, dab die meisten Erosionen abheilen, ohne dab sie zum Ulcus werden. HAIJS~R ist der Ansicht, dab die Mehr- zahl der akuten Ulcera aus einem Infarkt entsteht, der yon vornherein die Grenze der Schleimhaut tiberschreitet. Doch kann dartiber kaum ein Zweifel sein, dab die Einwirkung der Salzs~Lure schrittweise den Grund der Erosion vertiefen, die Museularis mucosae zerst6ren und so zur Geschwfirsbildung ftihren kann.

Die Versuche yon MERK~L mit Histamin geben auch fiber die Entstehung des akuten Ulcus Auskunft. Sie zeigten in einer ganzen Anzahl von F~llen am vorgelagerten Magen die akute Entstehung des tiefgreifenden Gesehwfirs bis zur Perforation im Verlauf yon 3--5 Stunden. In einem Tell dieser Fglle lieg sich einwandfrei anatomisch nachweisen, dab eine akute hXmorrhagische Infarzierung der ganzen Magen- wand und aus dieser das perforierende Ulcus entstanden war. In anderen F~llen konnte man das schrittweise Fortschreiten

der Erosion in die tieferen Schichten verfolgen. Ob bei diesem Vordringen der Magensaft allein wirksam ist oder ob hierbei Kreislaufst6rungen der frfiher besprochenen Art eine weitere Rolle spielen k6nnen, wird im einzelnen schwer zu sagen sein.

Es kann also die Erosion den Beginn des Ulcus darstellen, dieses kanu sich aber gleichsam auch primAr entwickeln.

I I I . Das Ulcus chronieum.

Am wenigsten bearbeitet ist die Frage, welche Umst~inde zum chronischen Verlauf des Ulcus ffihren, also seine Heilung verhindern. Wir wissen, dab die Schleimhaut des Magens eine unvergleichliche Regenerationsf~higkeit hat. Heilen doch die meisten Wunden der Schleimhaut, wie sie z. I~. bei Operationen gesetzt werden, in kurzer Zeit so aus, dab man kaum die Narbe erkennen kann.

ASCHOFF hat als Ursache ffir das Chronischwerden des Geschwtirs vorwiegend mechanische Faktoren angesehen. Mangelhafte t~eweglichkeit der Schleimhaut, mechanische Beeinflussung der Geschwtirsr~Lnder der MagenstraBe dutch die bier vorbeigleitende Ingesta sollen die Hauptrolle spielen. DaB sie nicht allein mal3gebend sind, zeigen u. a. die Versuche yon MERKEL, bei denen ja die fiberwiegende Zahl yon Erosio- nen sich im Fundus entwiekelten und diese t rotzdem die Tendenz hatten, sich in chronische Geschwiire nmzuwandeln. Daffir scheint nlir (nach Versuchen yon KIRCH) vor allem die Unterbrechung der Muscularis mal3gebend zu sein. Is t diese einmal zerst6rt und schiebt sich ein breiter Granulations- pfropf zwischen ihre Enden, so kann sich schon die Muskel- kontraktion nicht mehr dahin auswirken, dab sich die Schleim- hautr~tnder einander n~hern, Der Magensaft findet hier eine Locus minoris resistentiae, in dem er fortwirkend seine ab- dauende T~tigkeit nach der Tiefe und den Seiten entfalten kann. Er wird vorwiegend daffir verantwortl ich sein, dab die Heilung des Geschwfirs unterbleibt.

So sehen wir, dab die verschiedensten Faktoren zur Ent- stehung des Magengeschwfirs beitragen. Sowohl die Zir- kulationsst6rungen wie die der Sekretion deuten auf Dis- harmonien im vegetat iven Nervensystem bin. St6rungen des Vitamin- und Hormonhaushaltes k6nnen unterstfitzend dazu- kommen. Der Magen ist als Aufnahme- und Ausscheidungs- organ so zahlreichen Sch~tdigungen ausgesetzt, dab der nor- male Gleichgewichtszustand zwischen Magensaft und Magen- wand durch die verschiedensten Einwirkungen ins Wanken geraten kann. Und alles, was dazu beitrggt, ist imstande, einen Faktor bei der Entstehung eines Magengeschwfirs abzugeben.

ORIGINALIEN. DIE URSACHEN DER GEGENS~TZLICHEN

WIRKUNG VON STROPHANTHIN UND DIGITALIS AUF DIE CORONARINSUFFIZIENZ.

Von

Dozent Dr. H. SARRE. Aus der Medizinisehen Universit~tsklinik Frankfurt a. M.

(Direktor: Professor NONNENBRUCH).

Aus klinischer Erfahrung heraus hat sich vor allem EI)~Ns framer wieder ffir die l~berlegenheit des Strophanthin vor den anderen Herzglykosiden eingesetzt. Diese l~ber. legenheit beruht nach EDENS hauptsS~chlich in der ,,Stol3- wirkung" der intraven6sen Anwendung. In der Tat sind auch mit anderen intraven6s anwendbaren Digitalispr~paraten (z. B. Digilanid; v. SACHS, SARRE und WV;u KROETZ, SARRE und 1ViEILINGER) sehr gute Erfahrungen gemacht worden. Beruht der Unterschied zwischen Strophanthin und Digitalis also wirklich nur in dem Unterschied der intraven6sen und peroralen Anwendung? Der Pharmakologe finder den Unter- schied quantitativ, nicht quali tat iv (LENDLE, GREMELS U. a.), kann also in dem Strophanthin nichts wesentlich yon den fib- rigen Herzglykosiden Verschiedenes erblicken. Auf Veranlas- sung von NONN~NBRIJCt~ sind seinerzeit an seiner Prager Klinik

zahlreiche klinische und experimentelle Untersuchungen fiber die Strophanthinwirkung unternommen worden (GoTscK, O. KLXlN). GOTSCK hat mit der Methode yon BROEMSER und RANKE rasche und gesetzmgl3ige Ver/inderungen des Schlag- und Minutenvolumens nach Strophanthin festgestellt. Untersuchungen in gleicher Richtung liegen yon GRASS- MANN und HERZOG U.a. vor. Wir k6nnen bier nicht ngher darauf eingehen. Ein Vergleich aber mit Digitalis stand noch aus.

In Fortffihrung der Prager Arbeiten haben wit zun~chst versucht, die Herzleistung mit den Knippingschen Methoden vergleichend bei den verschiedenen Herzglykosiden zu unter- suchen. Eingehendere Besch~ftigung mit dem Thema (vor allem auch die Arbeiten yon BLUMBERGER und F. MEYER) haben uns aber gezeigt, dab Minutenvolumenbestimmungen beim Herzkranken nngeeignet sind, um die wesentlichsten Folgen der Digitaliswirkung zu erkennen. Unter Anleh- hung an die klassischen Ergebnisse der Herzdynamik (STRAUB, STARLING, O. FRANK) kann man kurz sagen: Das insu/Jiziente Herz ]5rdert meist nieht zu wenig Blut, sondern unter zu schlechten Bedingungen (hoher Venendruck, hohes Restvolumen usw.) unter Verminderung seiner t~eservelcraJt. Die Digitaliswirkung am t terzen l~Bt sich darum meist nicht am Minutenvolnmen, sondern an der Besserung der

13'