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266 Fig. 8. Fig. 9. Fig. 10. Fig. 11. Fig. 12. Josef Schaffer: Querschnitt einer in Alkohol gehKrteten und mit H~matoxylin ge- f's Muskelfaser yon Musca vomitoria. Quersehnitt einer mit 0smiums~ure behandelten Flossenmuskelfaser yore Seepferdchen. Die Figuren 1, 3, 4, 5, 7, 8 und 9 bei derselben Vergr6sserung gezeiehnet. Lebende Muskelfaser von Geotrupes sylvatieus. Abei tiefer, B bei hoher Einstellung des Mikroskopes. Bild einer lebenden Insectenmuskelfaser nach M el 1and und v a n Gehuehten. Bilder geh~rteter Muskelfasern von Insecten. R, bei tiefer, R,, bei hoher Einstellung, M. naeh Melland, G. naeh van Gehuehten. Die VerknScherung des Unterkiefers und die 1Ketaplasiefrage. Ein Beitrag zur Lehre yon der Osteogenese. Von Dr. Josef Schaffer~ Assisten~ am Institute ffir tIistologie und Embryologie in Graz. Hierzu Tafel IX--XII. Inhalt. L Einleitung. II. Allgemeines und Historisches iiber Metaplasie. III. Der Unterkiefer. IV. Material. Untersuzhungsmethode. V. Erste Anlage des Gelenk- und Kronenfortsatzes. -- Knoehenbildungsge- webe (osteogenes Blastem). VI. Die Knorpelkerne. A. Erstes Auftreten. B. Weitere Entwieklung. VII. Die Ossificationsvorg~nge an den Knorpelkernen. 1. Verkn~eherung des Kronenfortsatzes. 2. VerknSeherung des Gelenkfortsatzes. A. Ossificationsvorg~nge bis zur Entwicklung einer Ossifications- linie. -- Perlchondraler Typus (Typus der Auflagerung). B. Weitere Ossification. -- Modificirt endoehondraler Typus (Typus der Einlagertmg). VIII. Schluss und Zusammenfassung. Erkl~rung der Abbildungen.

Die Verknöcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage

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Fig. 8.

Fig. 9.

Fig. 10.

Fig. 11.

Fig. 12.

J o s e f Schaf fe r :

Querschnitt einer in Alkohol gehKrteten und mit H~matoxylin ge- f's Muskelfaser yon Musca vomitoria. Quersehnitt einer mit 0smiums~ure behandelten Flossenmuskelfaser yore Seepferdchen. Die Figuren 1, 3, 4, 5, 7, 8 und 9 bei derselben Vergr6sserung gezeiehnet. Lebende Muskelfaser von Geotrupes sylvatieus. Abei tiefer, B bei hoher Einstellung des Mikroskopes. Bild einer lebenden Insectenmuskelfaser nach M el 1 and und v a n Gehueh ten . Bilder geh~rteter Muskelfasern von Insecten. R, bei tiefer, R,, bei hoher Einstellung, M. naeh M e l l a n d , G. naeh va n G e h u e h t e n .

Die V e r k n S c h e r u n g des Un te rk ie fe r s u n d die 1Ketaplasiefrage.

Ein Beitrag zur Lehre yon der Osteogenese.

Von

Dr. J o s e f Schaffer~ Assisten~ am Institute ffir tIistologie und Embryologie in Graz.

Hierzu Tafel IX--XII.

Inhalt. L Einleitung. II. Allgemeines und Historisches iiber Metaplasie. III. Der Unterkiefer. IV. Material. Untersuzhungsmethode. V. Erste Anlage des Gelenk- und Kronenfortsatzes. - - Knoehenbildungsge-

webe (osteogenes Blastem). VI. Die Knorpelkerne.

A. Erstes Auftreten. B. Weitere Entwieklung. VII. Die Ossificationsvorg~nge an den Knorpelkernen.

1. Verkn~eherung des Kronenfortsatzes. 2. VerknSeherung des Gelenkfortsatzes.

A. Ossificationsvorg~nge bis zur Entwicklung einer Ossifications- linie. -- Perlchondraler Typus (Typus der Auflagerung).

B. Weitere Ossification. - - Modificirt endoehondraler Typus (Typus der Einlagertmg).

VIII. Schluss und Zusammenfassung. Erkl~rung der Abbildungen.

Die Verkn~cherung des Unterkiefers und die Metaplaslefrage. 267

I. Einleitung. ,,Es giebt keine Frage, die je widerspruehsvoller gewesen

wKre, als die tiber die Entwicklung des Knoehengewebes. Alle mSgliehen Anschauungen wurden da aufgestellt oder wieder be- stritten."

l~ach diesen einleitenden Worten giebt C h a r l e s J u l i n 1) in seinem unten cir. op. eine gesehiehtliehe Uebersicht tiber die Ent- wicklung des Knochengewebes, wie sie uns der Hauptsache naeh sehon yon H. Mtlll e r ~) eingangs seiner elassisehen Arbeit ,,Ueber die Entwicklung der Knoehensubstanz nebst Bemerkungen tiber den Bau rhaehitischer Knochen" geboten wurde. Aus beiden aber, wie aueh aus dem Litteraturverzeichnisse der letzten diesen Gegen- stand in extenso behandelnden Arbeit yon M. K a s s o w i t z 3) wird der Leser die Richtigkeit der oben citirten Worte ersehen.

Ftirwahr, kaum in einer anderen Frage dtirfte es so schwer sein, sich tiber das jeweilig Gewollte oder Erreiehte eine klare An- schauung zu versehaffen und ftir die vielen heterogenen Ansichten einen einheitliehen Gesichtspunkt zu gewinnen. Diese Sehwierig- keit liegt aber weniger darin, dass Jeder seine pers~nlichen Unter- suchungen zu sehr verallgemeinert sehen wollte, wie Ch. J u l i n meint, sondern in der ungemeinen Sehwieriffkeit des Gegenstandes selbst, im Mangel einer charakteristisehen Reaktion oder Tinction, tiberhaupt einer coneisen, alle Entwieklungsstadien des Knochens umfassenden Definition desselben, in der Sehwierigkeit der seharfen Trennung desselben vom Knorpel und in der mangelhaften Kennt- niss des Baues und ,,Vorkommens" dieses letzteren.

Wie ieh jetzt eine genaue Kenntniss des Knorpels in seinen vielfaehen Formen als eine fundamentale Erforderniss ftir eine er- folgreiche Bearbeitung der Osteogenese hinstellen muss, so forderte v. E b n e r 4) vor mehr als einem Decennium eine genaue Kennt- hiss der feineren Struetur des Knoehens und es dtirfte Niemanden entgangen sein, wie sehr gerade dureh die zunehmende Erkennt-

1) Recherches sur l'ossification du maxillaire inf~rieur etc. Arch. d. Biolog. T. I. 1880, S. 75.

2) Zeitschr. f. wissensch. Zool., Bd. 9, 1858. 3) Die normale Ossification etc. Wien, Braumiiller 1881. 4) Sitzungsber. d. kais. Akad. der Wissensch. Wien. LX,~r Bd. L

u. I I .H.

968 Josef Schaffcr:

niss des Banes der Knochen seit seiner bahnbrechenden Arbeit, auch die ihrer E n t w i c k l u n g gewonnen hat: ich erinnere nur daran, dass der ~achweis der discontinuirlichen Structur des Knochen tin Postulat fiir die heutige Resorptions~ and Appositions- lehre war.

So ist nun auch zu hoffen, dass ein eingehenderes Verstiind- hiss des zweiten Hauptfactors in der Frage der Ossification, des Knorpels neues Licht auf die Entwicklungsgeschichte des Knochen- gewebes werfen wird. Einen wichtigen Aafschluss dtirfen wit auch yon der Anwendung des neuen Wissens tiber Karyokinese auf den Gegenstand erwarten.

Bei der Mannigf~ltigkcit der Anschauun~'cn ist es niithig, bevor wit zu unserem eigentlichcn Gegenstande iibergehen, einen Blick auf seine Entwicklung zu werfen, wie wir fast im Beginne jeder hrbeit fiber Knochenentwicklung einc mehr minder er- schiipfende historische Uebersicht des Gegenstandes finden.

Eingehendere Beachtung hat die Geschichte der Osteogenese ausscr bei H. Mt i l le r und Ch. J u l i n auch noch bei K~il l iker , O l l i e r , S t r e l z o f f u . A. gefunden; hier gentigt es zur Orien- tirung einen fllichtigen Blick auf die .iiingsten Fortschritte and den heutigen Stand dieser Frage zu werfen.

Da muss uns vor allem der Umstand auffallen, dass, anderen Fragen gegentiber im Gebiete der Knochenentwicklungslehre, der wirklich unbestrittene Gcwinn an Erkenntniss in keinem Verh~tlt- nisse steht zur geleisteten Arbeit, die nach der Zahl der Publica- tionen jlihrlich "eine schr grosse ist. Meist aber dienen diesc Ab- handlungen nur zur StUtzun~ eincs Parteistandpunktes and nicht zur Ausgleichung der Anschauungsdifferenzen.

Ueber die prim~ren Knochenentwicklungsvorgiinge herrschten und herrschen zum Theil noch drei Anschauungen, die, wie B a s c h 1) darthut, aus tier ,zuerst dichotomischen Theilung in die meta- plastische and neoplastische Theorie" hervorgingen. Aus letzterer spaltete sigh als jtingste und heute allgemein zur Geltung gelangte die Osteoblastentheorie ab.

Die Charakterisirung dieser drei Ansichten findet man in kurzen Worten im oben cit. Vortrage, auf das Wesen der meta-

l) Die drei Theorien der Knochenbildung. Yerhandlg. tier phys. Ge- sellsch, zu Berlin. J'ahrg. 1879--80~ ~r. 1.

Die Yerkn~icherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 269

plastisehen Theorie muss ieh gegenstandlieh sp~tter etwas naher eingehen.

Ueber die weiteren Formbildungs- und Waehsthumsvorgange des Knochens haben wir ebenfalls mehrere Ausichten zu erwahnen, yon denen freilich wieder die jtingste heute zur fast alleinigen Annahme ge- langt ist. Es ist dies die Lehre yon der Apposition und Resorption: d a s r i c h t i g e V e r h a l t n i s s d i e s e r b e i d e n V o r g a n g e b e d i n g t a l l e i n F o r m u n d W a e h s t h u m , eine St~rung desselben ist Ursache vieler pathologiseher Zustande der Knoehen.

Eine andere Ansehauung stellt ,ungleiehmassiges Waehsthum als formbildendes Prineip der Knoehen" auf, und eine dritte, alteste Theorie, deren Anhanger aueh S t re l z o f f ist, lasst den Knoehen dureh Intussusception waehsen (Expansionslehre).

Diese beiden letzten Theorien sind aber heute bereits fallen gelassen worden, H. Mai le r ' s neoplastische Theorie wurde aus- gebildet, und das ist der gr~sste Fortsehritt, den die Lehre yon der Osteogenese in den letzten 15 Jahren gemaeht hat, dass die ver- haltnissmassig einfache Lehre yon der Apposition und Resorption, verbunden mit Osteoblasten- und Osteoklastentheorie immer mehr an Boden gewinnt, da sie uns in anspreehender, einfacher Weise viele sehwierige Fraffen plausibel beantwortet und zahlreiehen Be- obachtungen ungezwungen entsprieht.

Ich bin jedoeh weir enti~rnt davon zu glauben, dass mit der modernen Ossifieationslehre ein allgemeines Verstandniss in der grossen Frage gesehaffen ware, eine lange Reihe gewiehtiger Fragen ist noch unbeantwortet und fUr manche anscheinend einfache Erklarung gilt das adhue sub judiee lis est.

Die Verhii.ltnisse liegen eben oft so eomplicirt, sind direkter Beobachtung so wenig zuganglieh, dass eine Erkliirung nieht aus- reieht und man sieh gen(ithigt sieht, zu einer anderen zu greifen.

So gentigt die moderne Ossifieationslehre vielen Forschem nicht zum u der Verkniieherungsvorgange an einigen Skelettheilen, z. B. am Tubereulum radii, elavieula 7 spina scapulae, am Unterkiefer, und hier sehen sie sieh genSthigt, die alte Ausehau- ung yon der direkten Ossification zu Htilfe zu nehmen.

Ist es nun einerseits befremdend eine Lehre, der sehon seit Nesb i t t , D u h a m e l und spater dureh S h a r p e y , Bruch , B a u r und H. Mtil 1 e r fast aller Boden entzogen wurde, immer wieder her- angezogen zu sehen, so ware es andererseits um des idealen Priuzipes

270 Josef Schaffer:

einor cinheitlichon Gesotzm~ssigkeit in der Knochenentwicklung nur zu wtinschen, die Annahmo der indirckten Ossification auch ftlr die bestrittenon Gobieto ausreichon zu sehon. Dies wurde auoh zu wiederholten Malen versucht, so yon Lov~n l ) , S t i o d a 2 ) , S t e u d o n e r ~) u. A.

Wenn diosor Versuch abor dennoch noch nicht allgemoino Anerkennung gcfunden, so ist dies weniger ein Bewois dagegon, als fiir die grosse Sehwierigkcit dos Gcgenstandes.

Wenn ieh es nun, trotz grtindlichor Erw~gung allor dioser Sehwierigkcitcn, gewagt habe, dieso Frago zum Gogenstande folgen- der Untersuchung zu machen, so that ieh cs einerseits im Ver- trauen auf das allgemeine Interessc dor Sacho, andererseits in dcr Hoffnung, yon einom kleinen Gebioto aus oin Vorstandniss ftir die grosse allgemeino Frage zu gowinnen und bitte daher die vielen Unzulangliehkoiten folgender Zcilen mit dora guten Willen zu ent- sehuldigen.

Worm ich yon der Verwerthung der umfangroiehen Litoratur viclfach mehr Gebrauch gomaeht babe, als es einer gef,411igon Kiirzc der Arboit zutr~glich war, so geschah dies einerseits aus dem Grunde, well ich es fiir cine Saeho der Gewissenhaftigkeit hielt, alle mir zug:,tnglichen, einschl~igigen Beobaehtungcn kritisch zu verwerthen, und ich es anderersoits nicht flir undankbar crachtete, die verstreuten und zu machtiger Zahl angewaehsenen Abhand- lungen fur ktinftigo Bearbciter dor Osteogencse zusammenzustollen und yon oiner neuen Seite zu bolouehten.

Meinem hoehverohrton Lohror und Vorstando, Prof'. R. v. Ebner , sago ioh hier gcbUhrend don horzliehsten Dank ftir die liobenswiirdige Theilnahme, mit wolohor or den Fortgang diesor Arbeit verfolgt und gcf'6rdcrt hat.

II. Allgemeines und Historisehes iiber Metaplasie. Die motaplastischo Ossificationslohre ist eigcntlieh die Kltesto

und einst aussohliosslich geltondo Anschauung tiber das Zustande-

1) Medicinsk Archiv. utgifed of L~rarne rid Carolinska Instituter, I. Bd. 1II. H. 1863.

2) Arch. f. mikr. Anat., XL Bd. 3) Be~trag zur Lehre yon dor Knochenentwicklung m dem Knochenwachs-

thum. Halle 1875.

Die VerknScherung des Unterkiefers und die Metaplasiefragc. 271

kommen der definifiven Knoehen, indem man aus tier h~ufigen Wahrnehmung, dass immer an Stelle yon Knorpel sparer ein form- iihnlicher Knoehen zu finden war, den einfachen Sehluss post hoc, ergo ex hoe zog: aus dem Knorpel ist Knochen geworden.

Als man sparer die Knoehenk~rperehen als Zellen erkannte, die in einer starren Grundsubstanz eingelagert sind, erweiterte man noeh die Kenntniss yon der direkten Ossification (Metaplasie), liess die Grundsubstanz des Knorpels durch Aufnahme yon Kalksalzen starr und die Knorpelzellen durch Aussendung yon AuslKufern ein- fach zu Knoehenk~rperehen werden, wobei man sieh um das Sehieksal der Knorpelkapseln, welehe doeh einem direkten Aussenden und unter einander in Verbindung treten yon Forts~tzen hinderlieh sein mussten, nicht viel kUmmertel). So hatte man u n t e r P e r - s i s t e n z d e r Z e l l e n e i n e A e n d e r u n g des G e w e b s e h a r a k - t e r s erhalten - - eine Definition, die yon V i r e h o w 2) herrtthrt und bezeichnete fortan diesen Vorgang als M e t a p l a s i e (Um- b i l dung ) .

Vor V i r e h o w besehr~nkte sich die Ansehauung tiber Meta- plasie, wie erw~ihnt, vornehmlieh auf den direkten Uebergang yon Knorpel in Knoehen unter normalen, wie pathologisehen Ver- hiiltnissen.

Ieh unterlasse es. die lange Reihe der Anh~inger dieser Rich- tung hier anzufUhren und erwiihne nur, dass H. Meyer , V i r ehow, K ~ l l i k e r u. A. an der alten, metaplastisehen Anschauung noeh festhielten, als man bereits die periostale und intermembran~se Verkn~eherung yon der endoehondralen gesondert hatte.

So fand H. M e y e r 3) das Wesen der Verkn~cherung - - in ganzer Unkenntniss der feineren Knochenstruktur -- in der Ab- lagerung yon Kalksalzen in vorhahdene Gewebe und im engeren Sinne in einer Impriignation yon Elementartheilen und Zwisehen- substanz mit Kalksalzen, so dass sie zu mehr minder homogener Masse versehmelzen. Freilieh entging ihm selbst nieht das Mangel- hafte einer solehen Auffassung und wenn er sagt: ,Es ist eine be- kannte Thatsaehe, dass jeder Knoehen, bevor er als Knoehen auf-

1) Man verglciche B a u r in M e i s s n e r ' s und 1857, S. 90.

2) Virch. Arch. 97, S. 410. 3) Arch. f. Anat. u. Phys. 1859, S. 292.

H e n l c ' s Beriehten

272 J o s e f S c h a f f e r :

tritt, bereits als Knorpel vorgebildet gefunden wird; dieser Knorpel, verkn(iehert, sell den zuktinftigen Knoehen darstellen", so ftigt er gleich hinzu: .eine solche Ansicht konnte nicht verfehlen in ihrer Unklarheit die verschiedensten Meinungen fiber das Waehsthum der Knoeben zu erzeugen 't.

V i r ehow ~) wurde hauptsiiehlieh dutch Beobaehtungen an pathologischen Objeeten, die er einfaeh auf normale Vorgiinge aber- trug, za seiner metaplastisehen Ansehauung geftihrt, obwohl Ki~l- liker*), der bald die Haltlosigkeit derselben erkannte und der Metaplasie des Knorpels nur mehr eine sehr besehrii.nkte (weiter unten zu besprechende)Bedeutung zuerkannte, betonte, dass die Beobaehtungen an raehitisehen Knoehen nieht auf die normale Ossification tibertragen werden k~nnen, da bei dieser die Knorpel- kapseln an der Bildung tier Knoehenzellen keinen Antheil haben. Uebrigens ist die Darstellung, welehe V i r c h o w (1. e.) yon der Ossification des Knorpels nach K~il l iker und H. M e y e r gibt, eine nieht ausreichende und lassen sieh aas derselben ebenso gut Be- weise fur die gegentheilige ,Verdr:,tngungs- oder Ersatztheorie" entnehmen: ,Zuerst lagern sich in die Intereellularsubstanz and in die dickwandigen Kapseln der Knorpelhtihlen Kalksalze ab and dann sehmilzt ein Theil dieser Ablagerungen wieder ein and es bilden sieh die Markriiume der spongittsen Knochensubstanz aus . . . . . . ; die erste, verkalkte, feinarriiolare Sehieht ist demnaeh k e i n e i g ' e n t l i c h e r K n o e h e n und e b e n s o w e n i g g e h t sie in i h r e r Totalitii , t in Kn(~ehen tiber. Und wenn V i r e h o w bald darauf bemerkt, dass fast de r g a n z e aus dem K n o r p e l h e r v o r g e g a n g e n e K n o e b e n endlich wieder in tier Markh~ihle z u s a m m e n s e h m i l z t , so miichte man an seiner ganzen, meta- plastisehen Ansehauung irre werden.

Bevor wit nun zur Besprechung des giinzlichen Umsturzes dieser Ansiehten dutch 13. Mt i l l e r sehreiten, mtissen wit noeh der Vertreter der gegentheiligen Ansehauung bis zu seiner Z~it ge- denken. Wie viele Wahrheiten oft sehon frfihe erkannt warden, verloren gingen and immer wieder betont werden mussten, um endlieh zur Geltung zu gelangen, so ist es aueh mit unserer Frage.

Dieselbe besehaftigte, wie B r u e h bemerkt, bereits die Ann-

1) Virch. Arch. g 1853. 2) KSlliker~ Gewebelehre 1867, S. 82.

Die Verkn~cherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 273

tomen des 17. Jahrhunderts, K e r k r i n g , M a l p i g h i und R uysch . Aber bereits N e s b i t t 1) erkannte, dass ,der alte und gemeine Be- griff, als ob alie Knochen ursprtinglich knorpelig whren~ ein ge- meiner Irrthum sei", dass der pr~formirte Knorpel ganz zerst~rt we~-de, ja er erkannte bereits die vom Knorpel unabh:.ingige, perio- stale Anlage der meisten Sch~delknochen. ,,Wie wenig die Frucht- knochen yon den Knorpeln, in denen sie erzeuget werden, depen- diren, kann deutlieh erwiesen werden, wenn eini~'e davon, da die Knorpel den Knochen ganz und gar oder doch mehrentheils um- geben, lange genug in Wasser gehalten werden; denn alsdann wird der Knochen naeh einer einzigen Spaltung des Knorpels, so- bald als die grossen Gef'fisse, die in seine Substanz gehen, zer- theilet sind, so leichte, wo nieht noch leichter heransschlfipfen, als eine Eichel aus ihrer Schale. Und aus der Glhtte und Politur der Theile, sowohl des Knorpels, als aueh des Beines, die sich einander bertlhren, erhellet zur Gentige, dass hier keine Ver- misohung ihrcr Theilehen oder Fortsetzung der Fascrn der einen Substanz in die Fasern der anderen habe sein kSnnen."

Ebenso hat D u h a m e l ~) sehon in der Mitte des vorigen Jahr- hunderts die periostale Ossification unabhangig yore Knorpel naeh- gewiesen.

Fast ein Jahrhundert blieben diese Thatsaehen nun wieder vergessen, bis der blaehweis eehten Faserknochens durch Job . MUller 3) die Frage auf's neue anregte und die hnsieht, dass nicht alle Knoehen knorpelig vorgebildet sind, der Knorpel tiber- haupt nur eine provisorische Bedeutung besitzt an den Englandern S h a r p e y 4) und HasallS), und an den Deutsehen B r u e h 8) und B au r 7) entsehiedene Vertreter fand.

Freilich bezeichnet B r u e h den damaligen hnschauungen ge- m~ss die Verkalkung des Knorpels noeh als (primordiale) ,Ver- knSeherung', fligt aber ausdrticklich hinzu, dass in den friseh ver-

1) Nesbit t , Human Osteogeny. London 1736. Deutsch yon Greding, Altenb~rg 1753.

2) Hist. de Facad. 1743. 3) Abhandlg. d. Berl. Acad. 1839. 4) Quain's Anatomy. V. edith. 1848. 5) Mikroskop. Anatom Uebersetzt yon Kohlschiitter. Leipzig 1852. 6) Denkschr. d. $chweiz. naturforsoh. Gesellsch. Bd. XII~ 1843. 7) Arch. f. Anat. u. Phys. 1857.

274 J o s e f S c h a f f e r :

kn~eherteu (d. h. verkalkten) Theilen gleich hinter dem Verkn~ehe- rungsrand (Verkalkungsrand) eiu w a h r e r, g r o s s a r t i g e r S e h m e l z u n g s p r o z e s s beginne und sagt sp~ter: ,Niemals habe ich eine Ablagerung yon Kalksalzen in das Innere der Knorpel- hShlen oder gar in die Knorpelzellen gesehen und insbesondere s tehen die Knorpe lze l l en n icht in der e n t f e r n t e s t e n g e n e t i s c h e n B e z i e h u n g zu den K n o c h e n k ~ r p e r e h e n " . Er betonte auch bereits die analoge Entstehungsweise ,con Binde- gewebs- und endochondralem Knochen, indem er sagt: ,Ich sehe den Knoehen keineswegs als das Endprodukt zweier verschiedener Gewebe an und meiner Ansicht nach v e r k n S c h e r t k e i n e s w e g s das B indegewebe als solches."

Wenn Bruch zu wiederholten Malen sieh gegen die An- nahme einer endogenen Knorpelzellwneherung verwahrt und den Knorpel nur durch periphere Apposition und Intussusception wachsen l~sst, so nimmt Baur fur die KnorpelverknScherung eine Verkal- kung der Knorpelkapseln und eine Proliferation der Knorpelzellen an, welche Zellen dann frei werden und das junge Mark bilden; ,,die peripher dcr verkalkten Knorpelkapsel anliegenden Zellen finder man mit eider Schicht weicher, streifiger Zwischensubstanz umgeben, diese verkn~chert, die Zellen werden zu Knochenk~irper- chert und so muss die erste Knochensubstanz in Form einer jede verkalkte Knorpclhtihle auskleidenden Rtihre auftreten." Die zwi- schen diesen KnochenrShren stehen bleibenden, verkalkten Knorpel- reste l~isst Baur resorbirt werden, um der neuen Knochensnbstanz Platz zu machen. Zum Sehlass bemerkt er, dass dem Gewebe des hyalinen Knorpels die Fahigkeit einer direkten Verkn~ehe- rung abgesprochen werden mtisse, ,well nachgewiesener Maassen w e d e r se ine G r u n d s u b s t a n z , noeh seine Z e l l e n als s o l e h e in den g l e i c h n a m i g e n E l e m c n t e n des K n o e h e n p e r s i s t i r e n " und glaubt somit die Lehre yon tier direkten Um- wandlung widerlegt zu haben.

Die gauze Darstellung ist eigentlich somit ein Vorl~ufer der Lehre H. MUller's.

Aber erst seit dem Erseheinen der Eingangs citirten Arbeit dieses seharfen Beobachters verlor die metaplastisehe Lehre fast allen Boden. Er sprach zuerst kurz und klar jene S~,tze aus, die das Fundament fur die gauze moderne VerknScherungslehre ge- wordensind: E e h t e r K n o e h e n e n t s t e h t b e i M e n s c h e n

Die YerknScherung des Unterklefers und die Metaplasiefrage. 275

u n d T h i e r e n t i b e r a l l a u f d i e s e l b e W e i s e und zwar a u s e i n e r d e m B i n d e g e w e b e ~ h u l i c h e r e n M a s s e . D a s i n t r a e a r t i l a g i n S s e W a e h s t h u m g e s e h i e h t n i c h t d u r c h d i r e k t e n U e b e r g a n g d e s K n o r p e l s i n K n o e h e n s u b s t a n z , d e r K n o r p e l g e h t z u G r u n d e , e r h a t n u r e i n e p r o v i s o r i s e h e B e d e u t u n g .

Dennoch wagte er es nicht den letzten Schritt zu thun und desshalb l~sst er die Markzellen und somit auch die Knochen- k~rperehen wenigstens theilweise aus den Knorpelzellen hervor- gehen, wie es aueh B a u r betont hatte. W~hrend er in diesem letzten Punkte, wie wir sp~ter sehen werden, eine unverkennbare UnschlUssigkeit an den Tag legte, sttitzte er seine tibrigen Behaup- tungen dureh klare, scharfe Beobaehtungen und gebtlhrt ihm aueh das grosse Verdienst, zuerst auf die Grtinde aufmerksam gemacht zu haben, welehe zur metaplastischen Anschauung geftlhrt haben mochten. So bemerkt er unter Anderem: ,,Der Umstand, dass sich die neue Knoehensubstanz in die pr~existente Form der Knorpelh~hlen abtagert, hat hauptsachlieh dazu beigetragen eine direkte Ossification des Knorpels anzunehmen." Fast alle Forseher erkannten die Richtigkeit der MUller 'schen Lehre und erkl~rten sich ganz oder theilweise zu seinen Anh~ngern, nur L i e b e r k t i h n beharrte auf der alten Anschauung, die er auf jede m~gliche Weise zu stiitzen versuchte, worin er aber ausser R o b i n 1) und S a p pe y~) wenige Anhanger fand.

Da man nun das Gebiet der normalen Ossification im grossen Ganzen filr die metaplastische Lehre verloren sah, so suehte man sie zun~chst noch an pathologischen Objeeten naehzuweisen, be- sonders a n E n c h o n d r o m e n 3 ) und am C a l l u s , obwohl aueh da yon anderer Seite betont wurde, dass der verkn~eherte Callus Knorpelknochen sei und sich vom eehten Knochen durch den Mangel des lamellSsen Banes und die unregelm~ssige Anordnung der KnoehenkSrperehen unterseheide4).

1) C. Robin, 8ur lesconditions de l'ost6og6nie avec ou sans cartilage pr6existant. Journ. de l'anat, et de la phys. Sept. 1864.

2) 8iehe bei Stieda 1. c. 3) So beschreibt Lachmann (M iiller's Arch. 1857) an einem Enchon-

drome ganz gcnau die gmwandlung der Knorpelzellen im Knochenk~rperchen. 4) Schweigger-Seidel, De callo. Diss. 1859.

276 J o s e f S c h a f f e r :

Abet auch an wenigen Stellen bei normaler Ossification sollte noch eine direkte Umwandlunff yon Knorpel in Knochen stattfin- den; so behauptete dies Aeby 1) far die symphysis ossium pubis, Klebs -~) f'tir die Verkn~cherungsvorgi~nge bei Reptilien, Gegen- baur 8) ftir die Stirnzapfen juuger Ki~lber, den Rosenstoek der Rehe und die Trachealringe der V~igel, K S l l i k e r 4) far die Reh- und Hirschgeweihe, S t r e l z o f f 5) ftir die Spina scapulae und den Unterkiefer. Von griisstem Interesse fur die Entwicklung der osteogenetischen Ansehauungen ist abet die lebhafte Controverse, welehe sich kurz naeh dem Erscheinen der Arbeit FI. Ma i l e r ' s tiber die VerknSeherung der Vogelsehnen und Geweihe vornehm- lich zwischen L i e b e r k t i b n und H. MUller entspann.

L i e b e r k t i h n o) sehilderte die Verkn~eherung tier Sehne als eine direkte, allmiihliche Umwandlung derselben in echte Knochen- substanz yon lamell~sem Bau und geordneten KnochenkSrperchen. Diese KnochenkSrperchen entstehen erst nach l~eubildung yon Zellen und knorpelartiffer Substanz, nach welcher erst die Ver- kalkung auftritt. Er widerleg~ zugleich Vi rchow's Ansicht vom Vorhandensein sternfi~rmiger Bindegewebsk~rper und betont anderer- seits gegen F(irster~), dass auch nicht ein Fall erwiesen sei, in dem sich die Bindegewebsk~rper in KnoehenkSrperchen umge- wandelt hatten.

Diese Darstellung land heftigeGeffner in Hen l e und dessert Schiller Less ing . Ersterer kritisirt sic einfach mit den Worten: ,den Uebergang der sehnigen in die wahre Knochenstruktur ver- standlicb zu machen gelang dem Verfasser nieht", wiihrend er doch naeh Eiusieht der Priiparate L i e b e r k t i h n's zugeben musste, dass wirklieh echter Knochen in der vcrkalkten Sehne vorkomme. Diese Beobaehtung hatte auch H. Miiller in Uebereinstimmung mit L i e b e r k U h n gemaebt, sic aber naeh sciner Anschauung so erklart, dass die verkalkte Sehnensubstanz mit der Zeit dureh

1) Zeitschr. f. rat . Med. 4. Bd. 1858. 2) Arch. f. exper. Pathol. Bd. H, 1875. 3) genaische Zeitschr. Bd. III, Heft 2. 3. 4) Handbuch der Gewebelehre, 4. Aufl. 5) Untersuchungen aus dem pathol. Inst. Ziirich~ herausgcg, v. E b e r t h I. 6) Arch. s Anat. u. Phys. 1860, 1862. 7) Arch. f. path. Anat. u. Phys. Bd. XVIII~ 1859.

Die Yerknlicherung des Unterkiefers und die Metaplasiefragc. 277

echten, lamelli~sen Knochen ersetzt werde, aber erst nach Zer- stiJrung des Bindegewebsknochens, welche yon der Umgebung der gefiisshaltigen Raume ausgeht.

Diese Anschauung untersttitzte im allgemeinen auch L an- dois 1) und die spiiteren Angaben yon R e n a u t ~) und RanvierS). L e s s i n g 4) hingegen wollte den 5Tachweis liefern, dass dieser ,,Knochen" nichts anderes sei, als eine yon Kalkerde impr~tgnirte Sehne, zu welcher, gewiss unrichtigen Auffassung ihn wohl auch L iebe rk t ihn ' s ~) Behauptung verleitet haben mochte, dass sich die verkn(icherte Vogelsehne im polarislrten Lichte ebenso ver- halte, wie die unverkniJcherte~ selbst dann, wenn sic Knochen- struktur angenommea habe. Eine eigentliche Entscheidung wurde in der Frage abet erst durch die theoretisch-praktischen EriJrte- rungen v. Ebner ' s 8) gebracht. Iqach ihm besteht die verkn(icherte Vogelsehne theils aus dem bei VSgeln gewi~hnlichen, parallel- faserigen Knochengewebe, theils aus einem eigeuthtimlichen Ge- webe, das am besten als sehncnartiges Knochengewebe bezeichnet werden kann. ,,Beide Gewebeibrmen gehen continuirlich ineinan- der tiber, stehen aber ebenso wcnig mit einander in genetischer Be- ziehung, als verschiedene Typen des Knochengewebes an andcren Orten. Beide Gewebe sind ohne Zweifel direkt aus embryonalem Bildungsgewebe entstanden, denn die Annahme, dass leimgebende Fibrillen, die naeh einem bestimmten Typus geordnet sind, nach- trttglich sieh nach eiuem ganz anderen Typus ordnen, ist vtillig unmtiglieh, wenn man nieht die ganze Zellenlehre auf den Kopf stellen und den geformten Produkten der Zellen eine aktive, dem Protoplasma allein zukommende Rolle zutheilen will". Er kann also weder L i e b e r k t i h n beistimmen, noeb H e n l e und Les- s ing , sondern sieht in der verkniJcherten Sehne vielmehr einen Typus eigener Art, tier sehon mit der ersten Entwieklung gegeben 8ein muss.

Wenn Kassowi tz ~) in jiingerer Zeit den Gegenstand noch-

1~ Med. Centralbl. 1865, Nr. 18, 32. 2) Arch. de Phys. 1871--1872. 3) Arch. de Phys. 1874. 4) Zeltschr. f. rat. Med. Bd. XII, H. 3. 5) Arch. s Anat. 1862, H. VI. 6) 1. c. S. 121. 7) 1. c. S. 33.

278 Josef Schaffer:

reals besprieht und eine ganz eigene Ansehauung darUber auszu- sprechen glaubt, so dtirfte es dem aufmerksamen Beobaehter kaum entgehen, dass seine Anschauungen nieht wesentlich andere sind, als die eben besprochenen v. Ebner ' s . Er schildert die Vorgiinge an der Vogelsehne so, dass man tiberzeugt ist, dass die Sehne, welche verkn~iehert ein anderes Gebilde ist, wie die gew(Ihnliche Sehne; ,,die Zellwueherang in der niichstea N~the der Gefitsse (deren Anbildung eine reichliche ist) auf Kosten des fibrillaren Antheils ist so bedeutend, dass man ~hnlich, wie in einer stark faserigen periostalen Wucherungsschicht, recht zahlreiche Zellen in einer geringen Menge iaseriger Zwischensubstanz findet.' ~qach dieser Beschreibung finde ich es zum mindesten unlogisch~ wenn K a s s o w i t z nachher behauptet, dass yon einer ursprtingliehen, eigenthtimlichen Anlage des spater ossificirenden Antheils der Sehne, wie v. Ebn er voraussetzt, nieht die Rede sei. Denn, wenn das night eine ,eigenthtimliche Anlage" ist, dass die parallelfaserige Sehne mit ihren spiirliehen Bindegewebszellen in einen zell- und gefitssreichen Strang mit ,,geringer Menge faseriger Zwisehensub- stanz" umgewandelt wird, um dann erst zu ve~'kniichern, so weiss ich nicht, was K a s s o w i t z unter ,,eiffenthtimlicher Anlage" ver- steht.

Was nun die Frage tiber die Verkniichcrung der Geweihe an- langt, so glaubte L i e b e r k t i h n in derselben eine Sttltze fUr die metaplastische Ossifieationslehre gefunden zu haben.

Er suchte in einer Reihe yon Abhandlunffen 1) den Beweis zu erbringen, dass hier der hyaline Knorpel ohne Resorption in Knochen tibergehe. Naeh seiner Darstellung geht ans dem hya- linen Knorpel der Geweihe zani~ehst spongiSses Knoehengewebe (Knorpelknoehen) hervor. Gegen den Stirnfortsatz verliert dasselbe seinen 'Character, es geht tiber in compactes Knochengewebe, in welehem nunmehr auch die bis damn nicht sichtbaren Lamellen- systeme h~rvortreten. ~/irgends finder man w~thrend des VerkniJ- eherungsprozesses eine Andeutung, dass spongii~ses Knoehengewebe resorbirt wird, am dem echten Knochen Platz zu maehen.

Diese Angaben wurden yon K i i l l i k e r und G e g e n b a u r be- stlitigt.

1) Monatsberichta der Berliner kcad.7 Febr. 1861. -- Arch. f. Anat. 1861 und 1865.

Die Verkniieherung des (lnterkiefers and die Metaplaslefrage. 279

In einer Erwiderang an L i e b e r k t t h n erkliirte H. Mfil ler 1) hingegen den ganzen Prozess wohl als eineu yon der Norm ab- weiehenden, im Wesentliehen jedoch tibereinstimmend mit ander- weitigen Verknticherungen des Knorpels, indem aueh hier massen- hafte Einsehmelzung des Knorpels und Neubildung echten Kno- chens yon den Markri~umen her stattfinde. Ein rliumlicher Ueber- gang yon Knorpel in Knoehen sei freilich in doppelter Weise ge- geben, indem einerseits yon der Peripherie aus nach periostalem Modus echter Knochen auf dem Knorpel abgelagert werde, anderer- seits der Knorpel von reichlichen Kani~len durchzogen werde, welche mit osteogener Substanz erftillt sind, die dann auch echten Knochen liefert.

Daraus erkliirt sich naeh H. MUller auch der Umstand, dass mit Eintritt der Verkalkung eben so zahlreiche, ri~umliche Ueber- g~nge yon verkalktem Knorpel zu mehr oder weniger vollkommenem Knochen mit strahligen KiJrperehen zu sehen sind.

So sehr ich diese Erkl~trung H. Mt i l le r ' s ftir richtig halte, indem ich ganz analoge Vorgiinge am Coudylus des Unterkiefers nachweisen werde, so kann ich ihm nicht beistimmen, weuu er es gegen L i e b e r k t i h n fur unmiiglich hitlt, dass echter Knochen ohne Trennungslinie an verkalkten Knorpel stosse und unmerklich in den- selben tibergehe. An ungeF~rbten Priiparaten und m~t den gew~hn- lichen Tinctiousmethoden gelingt es an vielen Stellen, gerade auch am Unterkiefer nieht eine deutliche Grenze zwischeu beideu Ge- weben nachzuweiseu and gerade dieser Umstand ist ein Haupt- argument - - freilich ein falsches -- ftir die Metaplasie gewesen.

L andois 2) ging noch weiter und bezeiehnet die Entwieklung dcr Geweihe als eine durchaus periostale, die mit eehtem, hyalinem Knorpel nichts gemein habe.

Eine eingehendere Arbeit fiber den Gegenstand liegt yon R o b i n und H e r r m a n n 3) vor, die ebenfalls bemtiht sind, die Un- richtigkeit der Annahme einer metaplastischen Ossification ftir die H~irner und Geweihe der Wiederk•uer zu beweisen.

Nach ihnen fiudet keine direkte Umwandlung des Knorpels in Knoehen statt, sondern die Knochenbildung findet auch bier

1) Wiirzburg. naturw. Zeitschr. Bd. IV~ H. 1. 2) Med. Centralbl. 1865, Hr. 16. 3) Compt. rend. T. 94, p. 617.

280 Josef Schaffer:

mittelst Osteoblasten start. Die Spitze des wachsenden Geweihes wird yon einer gcwiihnlich fitlschlich fiir Knorpel gehaltenen Sub- stanz gebildet, die kein Chondrin, sondern nur Glutin giebt und yon den Verfassern a|s ,,Vorknochen, substance pr~osseuse" be-

zeichnet wird. Die gleiche Substanz, welche hier in ziemlicher Masse vorkommt~

soll sich auch, wean auch nur in Form dtinner, nur mikroskopisch wahrnehmbarer Forts~ttze an der Peripherie der waehsenden Knochen des Seh~tdeldaches finden. Sie ist homogen und sehr feink~lrnig oder streifig, yon Hohlraumen durchsetzt, die durch dUnne Scheide- wlinde yon einander getrennt sind, wodurch das Gcwebe einen arreol~tren Anblick gewlihrt. Die Hohlriiume sind erftlllt yon Osteoblasten. Wir werden ein ahnliches Gewebe bei der Anlage des Unterkicfergelenkfortsatzes kennen lernen, wo es den Ueber- gang vom prim~ren Knochengewcbe zum alsbald auftretenden Knor- pelkern bildet.

W~thrend man so mit geringem Erfolge bemtiht war auf nor- malem Gebiete Beispiele ftir eine direkte Umwandlung des Knor- pe[- in Knochengewebe zu finden, hatte sich unter V i r e h o w dem SchSpfer des Ausdruckes Metaplasie und ihrem eifrigsten Verfeehter 1) __ eine ganze metaplastisehe Sehule gebildet, welehe begreiflicher Weise unter den pathologischen Anatomen die meisten Anh~tnger gefunden hat. Ftir den pathologisehen Anatomen mag sie auch yon grosser Bedeutung und sehr angeuehm sein, er be- sitzt ja nut die Mtiglichkeit, das Nacheinander aus dem Nebenein- under zu ersehliessen. Sie machen aueh den weitgehendsten Ge- branch yon der Fiihigkeit der Gewebe sieh umzubilden und so fUhrt V i r ehow als Beispiele an: die Umwandlung des Schleim- gewebes in Fettgewebe, das Faserigwerden, das schleimige Er- weichen des Knorpels, die Umwandlung des weissen Markes in g'elbes (fetthaltiges), die Atrophie des Knochens, die rachitische Kn, orpelver~tnderung, die Osteomalacie, die Umwandlung yon Cy- linderepithel in Plattenepithel u. s. w.

A nm. Die Kenntnis8 vieler im folgenden Absehnitte verwertheter Thatsachen verdanke ich einem Collegium Prof. Pom mer's (Innsbruck) ,Ueber Metaplasie", das er im Sommersemester 1887 in Graz gelesen hat;, and sage

1) Siehe seine Abhandlungen: Gesammte kbhandIung, Frankfurt 1856, S. 500 u. 509. -- Cellularpathologi% IV. Aufl.~ S. 70. -- Virchow~s Arch. V, VIII, XCVII. -- Deutsch. reed. Wochenschr. 1884.

Die VerknScherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 281

ich ibm hier herzlichen Dank fiir die giitige Erlaubniss, davon Gebrauch maehen zu diirfen.

Dieser Polytransformismus scheint aber nur den animalen ?

Geweben, besonders den Bindesubstanzen, nicht den vegetativen, mit hSheren Funktionen ausgestatteten, als Muskeln und Nerven zuzukommen. Dies geht aus einem Vortrage V i r e h o w's hervor, den er in jUngster Zeit 1) zur Wiederbeleuchtung seiner vor mehreren Decennien aufgestellten Ansicht tiber Metaplasie gehalten hat und in dem er unter Anderm bemerkt: ,Der typische Organismus, namentlieh der hSheren Thiere und des Mensehen entsteht erst, indem sich Knorpelg'ewebe in Knoehengewebe, Sehleimgewebe in Fettgewebe, Flimmerepithel in einfaehes Cylinderepithel, gewiihn- liche Epithelzellen in Drtisenzellen umgewandelt haben. Diese Eigenschaft besitzen abet nicht alle Gewebe, gerade diejenigen Gewebe der ThierkiJrper, welche die hiiehsten Functionen zu leisten bestimmt sind, Muskel- und Nervenelemente zeigen nicht die mindeste Neigunff zur Transformation."

Soffar den Darwinismus hat man zum Beweise der Metaplasie heranffezogen, aber wohl nur in Ubel verstandener Weise, denn noch kein Anh~inger D a r w i n ' s hat je behauptet, dass sieh ein fer- tiges, abgesehlossenes Individium (wie es auf histoloffischem Ge- biete doch das Knochen- oder Knorpelgewebe ist) in ein lndividium einer an~leren Spezies umgewandelt hi~tte.

Es wtirde zu welt ftihren und wi~re unnUtz, die Beispiele, welche yon den Anhiinffern V i r c h o w ' s noch flir seine Ansicht beigebmcht werden, zu vermehren, nur was die M e t a p l a s i e des K n o r p e l s u n d K n o c h e n s anlangt, muss ieh hier noeh Einiges bemerken.

V ir e h ow 2) li~sst sieh Knochen, Knorpel, Beinhaut und seine drei Markarten in einander umbilden und betont besonders den An- sehauungen seiner Zeit gemi~ss das metaplastische Entstehen des Markes aus den Knorpelzellen. V o l k m a n n a) will bei einem maligned Sarkom den direkten. Ueberffang yon Knochen in Spin-

1) Ueber den Transformlsmus. Vor~rag yon R. V i r c h o v , gehaltea auf der Naturforseherversammlung zu Wiesbaden 1887.

2) V i r e h o w , R., Ueber Bildung und Umbildung yon Knochengewebe im menschl. KSrper. Berl. klin. Woehenschrift 1875, Nr. 1 u. ,9.

3) P i t h a u. B i l l r o t h II, ~. A. &rchiv f. mikrosk. &natomie. Bd. 32. 18

282 J o s e f S c h a f f e r :

delzellgewebe beobaehtet haben. Re d te n b ache r 1) spricht vom Einschmelzen der Knochensubstanz und Freiwerden der zelligen Elemente, welche dann wieder alle FEhigkeiten embryonaler Bil- dungszellen bes~ssen. Ru s t i c k y2) behauptet, dass es, bei Atrophic des Knoehen unter Druekerscheinungeu zu direkter Umwandlung der Knochenb~lkehen in Bindegewebe komme.

So viel zur Bezeiehnung der Anschauungsweise; ieh konnte reich aber, wenn mir aueh eine eingehendere, persSnliche Er- fahrung tiber diesc Objecte fehlt, doch an zah]reichen Pr~paraten P o m m e r ' s Uberzeugen, dass zur Erkl~rung dieser Bilder die nor- malen Vorg~nge der Apposition und Resorption vollst~indig aus- reiehen 3).

Ein eifriger Anh~nger V i r c h o w s - und damit gelangen wir zur abschliessenden Besprechung der modernsten, bis zur Stunde geltenden Ansichten tiber Metaplasie - - ist Z i e g l e r , wel- cher in mehreren Arbeiten 4) seine Anschauungen zur Geltunff bringt. Er sehildert die Metaplasie yon Knochen in Knorpel in Ge- wlilsten und gleich danebeu wicder yon Kuorpel in Knoehen, ebenso metaplasirt nach ibm der rachitische Knorpel sowohl, als der knorpelige Callus wenigstens theilweise in Knochengewebe.

Besehr~nkt Z i e g l e r hier seine metaplastische Ansehauung noeh auf patholoffisches Gebiet, so versucht er sic bereits auf normalcs zu Ubertragen, wenn er die beiden Ossificatibnstypen (den meta- und neoplastisehen) fur nicht sehr verschieden yon ein- ander erkl~rt; ,s]e sind es dann nicht, sobald man naehweisen kann, dass die Knorpelzellen bei der neoplastischen Ossification nicht zu Grunde gehen mtissen, sondern als Markraumzellen per- sistiren oder vielleieht sogar auf Umwegen zu Knochenzellen werden kSnnen. Dann handelt es sieh hier auch strenggenommen um eine Knorpelmetaplasie". Wenn es auch gcrade nicht der neuesten Zeit vorbehalten .war, den Beweis einer auch unter normalen Ver- haltnissen stattfindenden, metaplastisehen Ossification zu ex'bringen,

1) Med. Jahrbficher 1878, S. 347. 2) Virchow's Arch. 79. Bd, S. 210. 3) Siehe auch Pommer: Ueber die Ostoklastentheorie (Virch. Arch.

Bd. 92, S. 306) u. Ueber die lacun~re Resorption in erkrankten Knochen (Sitzgsber. d. K. Acad. el. Wiss. zu Wien~ 83. Bd. III. Abth. 1881, S. 56--62).

4) Virch. Arch. Bd. 70, S. 502 und Bd. 73. S. 355. Vrgl. auch die neueste Aufl. seines Lehrbuches, S. 161.

Die VerknScherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 283

wie Z ie g 1 e r 1) mit Hinweis auf eine Publication yon K a s s o w i t z 2) meint, so war es doeh dieser Autor, welcher die Behauptung S t r e l- zoff's, dass tier Unterkicfergelenkfortsatz und der Kamm des Schulterblattes metaplastisch ossificire - - an welche Behanptung sich eine speziell beim Unterkiefcr zu besprechende Controvcrse kntipfte - - aus ihrer Vereinsamung befreite und die direkte Um- wandlung yon Knorpel -- in Knochengewebe als Regel fur alle Fortsiitze und VorsprUnge, welche unmittelbar auf periostal ge- bildetem Knochen aufsitzen, aufstelIte, so far die Tubcrositas radii, elavieula, Hirseh- nnd Rehgeweihe und die beiden el~iihnten 0b- jecte. Die grSsste Rolle wird der Metaplasie abcr in dem ausftlhr- lichen Werke yon K a s s o w i t z 8) tiber normale Ossification zugetheilt.

Die auf cinem umfangreiehen Literaturstudium basirende At- belt ist als eine durchaus originclle zu bezeichnen, indem sich der Verfasser yon den, bis dahin geltenden alteren Anschauungcn yon H. Mtt l ler , K ~ l l i k e r , R o l l e t t u. A. nicht sonderlich beein- flussen liess und die zahlreichen, in der Ossificationslehre noch sehwebenden Fragcn nach einer yon ihm entwiekelten Theorie ziemlich unzweifelhaft beantwortete.

Ich kann hier nicht n~ther auf die ohncdies bekannten, phan- tasievollen Darstellungen yon K ass o wit z eingehen, sondern muss nut erwithnen, dass er auch ftir die endoehondrale Ossification die metaplastischc Umwandlung der Knorpelgrundsubstanzrcste in Knoehengewebe annimmt und diese seharfrandige ,,eircnmscripte" Metaplasie als eine eigene Form v o n d e r an den erwi~hnten Apophysenkernen stattfindenden ,,diffusen" unterscheidet. Ich komme auf die Unhaltbarkeit dieser Annahme bei den spiiteren Stadien der Unterkieferossification noeh zu spreehen. (Siehe Seite 355.)

Welter lasst er im eentralen Theil der Knorpelzellh(ihlen am Ossificationsrande eine Bildung yon BlutkSrperehen dutch allmKh- lithe Umwandlung aus dem lebenden Inhalte derselben stattfinden und das l~Iarkgewebe als Ganzes seine Entstehung einer Umwand- lung des Knorpelgewebes verdanken.

Dies sind in kurzen Ztigen die metaplastischen Anschauungen

1) Virch. Arch. 73. Bd., S. 355. 2) Med. Centralbl. 1877, Nr. 5, S. 65. 3) 1. c.

284 J o s e f S c h a f f e r :

yon K a s s o w i t z , dutch welche er zu dem Schlusse kommt, dass die Metaplasie des Knorpels in Knochen nicht eine Ausnahme sei, sondern bei keiner einzigen Modification der Knoehefibildunff

im Knorpel habe. Im Ganzen bIieben die Ansiehten yon K a s s o w i t z bisher

ziemlich unangefoehten -- , was ieh aber durchaus nieht ffir eine stillsehweigende knerkennung derselben halte --, nur P o m m e r 1) polemisirte nachdrtieklich gegen die Resorptionstheorie desselben, indem e r d a entsehieden die Anschauung'en K S l l i k e r ' s vertrat und B u s c h ~) erklarte die Get~asstheorie yon K a s s o w i t z far un- zureichend, besonders ftir jene Fiille, wo nach abgelaufenen Hype- riimien sieh die Gefiisse zurtickbilden, ohne dass Knochengewebe gebildet wird. Dagegen halt dieser Autor sonderbarer Weise mit K a s s o wi t z an der Annahme einer einfachen Metaplasie der perio- stalen Knorpelmassen lest und bestreitet auch die Angabe fiber die direkte Umwandlunff der Knorpelreste in Knochengewebe nieht direkt, sondern erklttrt den Prozess nur fur einen neben- s~tehliehen.

Ausser K a s s o w i t z sind in der neuestcn Zeit als Vertreter der Metaplasie auf normalem Gebiete noch zu nennen: K a s t - sehenkoZ) , ein Schiller S t r e l z o f f ' s , der dureh seine Studien an Batraehierknochen einerseits zu dem Resultate kam, dass der Untergang der Knorpelzellen so grob ins Auge fiillt, dass kein Zweifei mehr darUber bestehen kann, dass sic bei der Markraum- bildung n i c h t zu Markzellen werden, andererseits aber die unzer- stt~rt gebliebenen Knorpelbalken unzweifelhaft metaplastiseh ossi-

fieiren liisst. Welter K a e z a n d e r 4 ) , welcher ftir den Talus mensehlicher

Embryonen eine metaplastische Ossification und die Umwandlung der Knorpelzellen in den Inhalt der Markr~ume nachzuweisen

glaubte. S e h m i d - M o n n a r d S ) , der ftir das Znstandekommen der

Knoehen bei den Teleostiern neben einer direkten Bindegewebs-

1) Vir c h. Arch. 92. Bd. 1883. 2) Verhandlg. d. Berl. phys. Gesellsch. v. 10. Dec. 1880. -- Arch. L

Anat. u. Phys. Abth. Jahrg. 1881. 3) Arch. f. mikr. Ana~. XIu Bd., S. 1. 4} Y i r c h. Arch. 87. Bd. 5) Zeitschr. f. wissensch. Zoologic, 39. Bd.

Die Verknlicherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 985

verkn(icherung und osteoblastisehen Thiitigkeit auch eine direkte Ueberftihrung yon Knorpelgewebe in bleibenden Knochen annimmt; B o n o m e l ) , der sich ftir eine indirekte Metaplasie ausspricht, in- dem er das Gewebe der primiiren Markritume, welehe durch das Zugrundegehen der Knorpelzellen entstehen, theils yon den alten Knorpelzellen, theils von den Osteoblasten stammen litsst und end- lieh L i l i e n b e r g 2 ) , der, im Allgemeinen ein Anhiinger der Osteo- blastentheorie, an den R~indern der Gelenkenden bei erwachsenen Thieren deutlich direkte Uebergangsformen yon Knorpelzellen in Knochenk(irperehen beobaehtet haben will.

MI. Der lJnterkiefer.

Der menschliehe und thierische Unterkisfer ist yon jeher ein beliebter Gegcnstand des Studiums der Anatomen sowohl, als auch der Histologen gewescn, well er in vielfacher Weiss beidcn als ein interessantes Problem der Forschung erscheinen musste.

Vorerst moehte er wohI als dsr bewegliehe Tr~iger yon Z:,ihnen zur Untersuchung anregen, 4ann mussten schon am macerirten Untcrkiefer verschiedener Altersperioden die grossen Formveriinde- rungen diesesSkeletsttickcs auffallen. Entwicklungsgeschiehtliches interesse besitzt er als der, mit Ausnahme der Clavieula bei allen Wirbelthieren am frtihesten auftretende Knochen und durch seine Beziehungen zu einem phylogenetiseh wichtigen Gebilde, dem Mecke l ' schen Knorpel.

Die spezielle Histologie land in ihm einen Knochen, an dem dsr gewi~hnliche Knochenbildungsprozess bedeutende l~Iodifieationen erf:,thrt, die oft so sehr yore Typus abweichen, dass man fiir einige seiner Theile eine besondere Art yon Knochengenese aufstellte.

Endlieh galt der Unterkiefer liingere Zeit ftir einen knorpelig priiformirten Knoehen, bis man auch in ibm, wie in den meisten Sehiidelknochen einen sogenannten Bindegewebs- (intermembra- nSsen) oder Deckknoehen erkannte.

Die folgenden Bli~tter werden nieht alle hier angeftihrten Punkte berUhren; so ware es tiberfltissig die zahlreiehen Arbeiten fiber die Beziehungen des Ms eke l'schen Knsrpels zum knSehernen

1) u i r c h. Arch. 100. Bd. 2) J. L i 1 i e n b e r g, Beitr~ige zur Histolog~e des Knoehengewebes.

Memoir. de l'acad, imp. scienc, de St. Peterbourg T. XXXIII, Nr. 2. 1886.

286 J o s e f S e h a f f e r :

Unterkiefer um eine zu vermehren oder yon neuem darzuthun, dass die weitgehenden Formveriinderungen, welche der Unterkiefer dutch die allm~hliche Entwicklung der Ziihne erleidet und die dem Verstiiudnisse seines Wachsthnms so grosse Schwierigkeiten bereiteten, hinreiehend und befriedigend durch Resorption und Apposition erkl~irt werden und dass mit dieser Erkenntniss der Lehre yore expansiven Knochenwachsthum ein wichtiger Anhalts- punkt entzogen istl).

Ich lege im Folgenden das Hauptgewicht auf dig Frage nach d e r A r t der V e r k n ~ c h e r u n g , n a c h der M e t a p l a s i e ; dean, wie der Unterkiefer lunge Zei~ als Sttitze fur die Lehre yore ex- pansiven Knochenwachsthum diente2), so ist vornehmlich er es, auf den man heute noch die immer mehr eingeengte Lehre yon der direkten Verkn~cherung sttitzt.

Naeh S t r e l zo f f 3) ossifieirt nur der Unterkiefer direct, me- taplastisch (in seinem Hauptwerk 4) ftihrt er auch die scapula an) und bei G e g e n b a u r S ) , der in der Ausbildung der modernen Ossificationslehre eine so hervorragende Stelle einnimmt, lesen wit tiber diese Frage: ,,Die metaplastische Ossification ist abet deshalb keineswegs vollsthndig auszuschliessen, denn es bestehen noch gewlsse Localit~iten, an denen Knorpelgewebe direkt in Knochengewebe dureh Umwandlung der Intercelhlarsubstanz und der Zellen Ubergeht, z. B. am Unterkiefer."

Als weitere Anhiinger dieser Anschauung nenne ieh Lieb er- ktihn~), Klebs~), BrunnS), Haabg), im beschr~tnkten Sinne

1) Ich verweise hier auf die interessanten Resultate, welche T o l d t in seiner unten cir. Arbeit durch verglelehende Betrachtung macerirter, menschlicher Unterkiefer erhalten hat.

2) Siehe To l d t , Prager Zeitschr. f. Heilkunde V. S. 14; ausserdem V o l k m a n n , H i i t e r , S t r a s ' s m a n n , S t r e l z o f f u . A . - - V i r c h o w nimmt gerade ffir den Unterkiefer ausnahmsweise ein expansives Wachs- thum an.

3) Beitr~ge zur normalen Knoehenbftdung, ivied. Centralblatt ~9, 1872. 4) Ueber die Histogenese der Knochen. Untersuch. aus dem pathol.

Instit. zu Ziirich. Herausgegeben yon E b e r t h , 1873, Heft I. 5) Lehrbuch der Ana~omie des Menschen, II. Aufl. I. Theft 8. 108. 6) Arch. f. Anat., Phys. u, Med. 5865. 7) Arch. f. exp. Patholog. II. Bd. S. 425. 8) R e i e h e r t ' s Arch. 1874. 9) Untersuch. aus dem pathol. Instit. zu Ziirich, Heft III.

Die VerknScherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 287

Busch1), Baumtil lcr~ K a s s o w i t z ~ ) , Masque l in4 ) , Ju l iuS) u .A .

Eine ein~ehende Untersuehung tiber die Entwicklung des Unterkiefers der S~m~ethiere verdanken wit Brock6), der eben- falls der metaplastischen VerknOchcrung eine grosse Rolle zuschreibt, aber ausser ihr noeh die periostale und eine modificirte, endochon- dralc mitwirken 15sst, eine Auffassung, welche nicht fiir die be- stehenden Vcrhiiltnisse, wohl aber fiir die Miiglichkcit einer cin- facheren Deutung zu complibirt ist.

Eine iihnliche Ansicht sprach naeh ihm B a u m t i l l e r aus, der i'til: die endliche Form und dic histologische Zusammensetzung des Unterkicfers ebenfalls dreicHei Quellen angiebt. Zun~chst die bindegewebigc Grundlage, in der sich die Hauptmasse seines KSr- pers nach periostalem d. h. neoplastischem Typus entwickelt. Seine vordersten Abschnitte, die mit dem Meckel'schen Knorpel in niihcrc Beziehung treten und ebenfalls neoplastisch ossificircn und endlich die aecessorischcn Knorpclkerne, die theilweise nach metaplastischem, theilweise nach neoplastischem Modus verknSchcrn.

Zu demselben Resultat kam schon vor ihm M a s q u e l i n durch seine Studien am Unterkiefer menschlicher Embryonen. Obwohl er S t r e l z o f f ' s Ansicht, dass der Unterkiefer durch direkte Ossi- fication eines primih'en Knorpels entstehe, im Ganzea nicht theilt, so hat er doch an einigen Punkten einc metaplastische Ossification im Sinne S t r e l z o f f ' s beobachten kSnnen. Es ist der knorpelige Gelenkfortsatz, d e r n u r zum Theil indirekt, grSsstentheils aber eine direkte Umwandlung des Knorpels in Knochen zeigt. Ueber- haupt zeigt nach ihm die Entwicklung des Knochengewebes am Unterkiefer, dass es hier keinen schneidendeu, wesentlichen Ge- gensatz zwischen der indirckten und direkten Ossification giebt.

Eine solehe Misohung yon nco- und metaplastischer Ossifica- tion will ausser B r o c k und M a s q u e l i n auch noch S c h u l i n 7)

1) 1. c. 2) Zeitschr. f. wissensch, zoolog. Bd. 39, S. 466. 3) 1. c. 4) Recherches sur le d~veloppement du maxillalre inf~rieur, Bull. de

l'kcad, royal, de Belgique, 2. Ser. T. XLu no. 4, 1878. 5) 1. c. 6) Zeitschr. f. wissensch. Zoolog. Bd. 27, S. 287. 7) Schwalbe's Jahrb. Bd. IV.

288 J o s e f S c h a f f e r :

am Oberarm yon Schaf- und Hasenembryonen nachgewiesen haben, und am Unterkiefer yon Balaenoptera rest. kommt J u l i a sogar zu dem Sehluss, dass es nicht statthaft sei, die direkte yon der indirekten Ossification zu trennen, well sie in Wirkliehkeit durch ihre Vereinigung einen und denselben Ossificationsmodus darstellen.

Im Gegensatz zu diesen Ansehauungen hat bereits B r u e h lange vor Str e l zof f hervorgehoben, dass, sobald der Knorpelkern im Condylus gebildet sei, die weitere Entwieklung sich nicht yon tier der wachsenden Knochen unterseheide, nur enthalte der Knor- pel jene sonderbar verschrumpften Zellen, welehe die Gestalt yon Knochenk~rperehen mit radiRren Strahlen tRuschend nachahmen kSnnen und daher aueh yon Zeit za Zeit als solehe beschrieben zu werden pflegen.

Eine eingehendere Widerlegung der metaplastischen Ansichten S t r e l z o f f ' s fiber den Unterkiefer verdanken wir S t i eda l ) , der dutch die Untersuchung einer Reihe yon Embryonen verschiedener Thiere iiberall zu demselben Resultate kam, nRmlieh, dass die accessorischen Knorpelkerne nur eine provisorische Bedeutung haben, durch das neu sich bildende Knoehengewebe zur Atrophie gebraeht werden und ein direkter Uebergang des Knorpelgewebes in Knoehengewebe, eine Umwandlung der Knorpelzellen in Knoehen- zellen hier am Unterkiefer ebensowenig stattfindet, wie unter nor- malen VerhRltnissen.

Wenn S t i e d a aber behauptet, am Gelenkfortsatz erfolge die Knochengewebsneubildung genau so, wie an einem R~hrenknochen, so geht er za welt, indem wir da wichtige Unterschiede finden werden, welehe der UnterkieferverknScherung einen ganz eigenen Typus verleihen, der bei oberfl~chlicher Betraehtung leieht zur Annahme einer stattfindenden Metaplasie fUhren kann, welche An- nahme aber durehaus nicht gerechtfertigt ist~

Auch S t e u d e n e r ~) hat am Unterkiefer keine direkte Um- wandlung yon Knorpel in Knochen sehen k~nnen, wohl abet be- merkt er sehr riehtig, dass yon der Innenseite des Gelenkfortsatzes eine h~ehst unregelm~ssige Kanalisation des Knorpels dutch Er- ~ffnung der Knorpelh~hlen and Eindriugen der wuehernden Zellen

1) Arch. f. mikr. Ana~. XI. Bd. S. 235--266. 2) Fr. S t e u d e n e r, Beitr~ge zur Lehre yon der Knochenentwicklung

and dem Knochenwachsthum, 1874 (resp. 1877).

Die VerknScherung des Unterklefers und die Metaplasiefrage. 289

der osteoblastisehen Schicht des Periehondriums stattfindet und dass bei der AusfUllung dieser unregelm~tssigen MarkrSume mit Knoehen nieht selten grosse Streeken verkalkten Knorpels in den endochon- dralen Knoehen eingesehlossen erseheinen, deren KnorpelhShlen jedoeh naehtr~tg'lieh ertiffnet und meist vollst:,~ndig mit Knoehen- substanz ausgeftillt werden.

Ein zweiter Punkt, in dem die Angaben der Autoren ausein- anderweichen und der im Folgenden zur ErSrterung kommen soil, betrifft die e r s t e A n l a g e d e s U n t e r k i e f e r s . W~hrend sie yon den meisten Histologen und Anatomen als eine bindege- webige, vom Knorpelgewebe unabh~tngige bezeiehnet wird, war e s

vornehmlieh S t re lzof f , der den ganzen Unterkiefer knorpelig pr~tformirt sein liess; wir werden auf die Ursaehe dieser abwei- ehenden Annahme im speziellen Theil zurtickkommen. Abet selbst jene Autoren, welche im Allgemeinen die Dcekknoehennatur des Unterkiefers zugeben, betonen andererseits die primEr-knorpelige Anlage einzelner Theile desselben. So behauptet Masque l in l ) , dass bei den jtingsten, wie tiltesten, mensehlichen Embryonen, die er zu studiren Gelegenheit hatte, den Condylus immor ein hyaliner Knorpel darstellte.

Obwohl auch hierliber S t i e d a ganz bestimmte Angaben machte, welehe die bindegewebige Anlage des Unterkiefers her- vorhoben, so finden wir noeh bei S t eudene r , dem St ieda ' s Ar- beit bekannt sein musste, folgende bezeichnende Stelle: ,Von allen knorpelig vorgebildeten Knochen bietet der Unterkiefer dem Stu- dium seiner Entwieklung und seines Waehsthumes die gr(issten Schwierigkeiten. Ja, die Frage, ob derselbe ganz oder nur theil- weise knorpelig vorgebildet sei, ist noeh nieht vollstttndig sieher entsehieden."

Zum dritten kann im Folgenden aueh die ebenfalls strittige Frage naeh der Z a h l de r K n o r p e l k e r n e im U n t e r k i e f e r zur Bespreehung kommen. Aueh dartiber finden wir die ver- sehiedensten Angaben und betreffs des Kronenfortsatzes geradezu contr~tre Gegenstttze; w~hrend B r ueh, S t r e l zo f f und Masque l in im Kronenfortsatz versehiedener Thiere und des Mensehen einen Knorpelkern naehweisen, wird dieses Vorkommen yon Ka s s o w it z, Ju l in u. A. vollkommen in Abrede gestellt.

1) L c. p. 463.

290 J o s e f S c h a f f e r :

Uebereinstimmend wird der Knorpelkern im Gelenkfortsatz und Kieferwinkel angegeben, yon S t r e l z o f f einer in der Ineisura semilunaris und yon Mehreren ftir die Alveolarportion, was Mas- q u e l i n an seinen Menschenembryonen nicht best~ttigen konnte, wogegen er bei Embryonen von 95 mm und 170 mm L~ing'e an den oberen R~ndern der Alveolarwttnde einen direkt verknSchernden Faserknorpel land. Er erkl~trt diese weehselnden Angaben aus einem thats~tchliehen Variiren in der Entwicklung" bet den ver- sehiedenen S~tug'ethieren und sogar beim selben Thiere mit dem Alter des Embryo. Ich kann nur tiber die Knorpelkerne des auf- steigenden Astes positive Angaben maehen, da der Alveolarast und meist aueh der Angulus mandibulae nicht mehr im Bereieh meiner Untersuehungen lagen, wohl aber muss ich den yon B r o c k ftir Schweineembryonen und yon K as s o w it z ftir menschliche Em- bryonen betonten Zusammenhang des Knorpelkerns im Coudylus mit dcm des Angulus ftir Schafembryonen direkt in Abrede stellen, da ich in keinem meiner Pr~tparate die knorpelige Anlage des Ge- lenkkopfes so welt herunterreichend fand.

Ich beschr~tnkte meine Untersuehungen, wie gesagt, auf den aufsteigenden Ast des Unterkiefers, da gerade die Anlage und Verkn6eherung dieser Theile noch Gegenstand getheilter Ansiehten sind und gerade letztere yon vielen Autoren, wie L i ebe rk t i hn , Brock, Baumt i l l e r , Kassowi tz , Masque l i n , J u l i n u. A. als Beweis einer metaplastischen Ossification angefUhrt wird.

Endlieh habe ich im Verlaufe meiner Untersuchungen ge- funden, dass der Knorpel des Gelenkfortsatzes tiber den histolo- gischen Bau des hyalinen Knorpels einige interessante Aufsehltisse gewiihrt, wi,ihrend der Kronenfortsatz ein unvergleichlich gtinstiges Object zum Studium der Resorption darstellt, so dass seine genaue, darauf gerichtete Untersuehung noch manehe Frage tiber Ursprung, Bedeutung und Thiitigkeit der Osteoklasten zu l~isen vermag.

IV. ~Iaterial. Uutersuchungsmethode.

Ieh gebe nun im Folgenden die Resultate meiner eigenen Untersuchungen, die grSstentheils an Unterkiefern yon Sehafem- bryonen vorgenommen wurden, da solche am leiehtesten in den gewtinschten und n~thigen Altersstufen zu besehaffen waren. Die untersuchte Reihe umfasst Embryonen yon 2--35 em Scheitel-

Die Verkngche rung des Unterk iefers und die Metaplasiefrage. 291

steissl~s (~iber die R~lekenkrtlmmung gemessen)1); mit dieser Angabe folge ich einer bekannten Gepflogenbeit, die den Vorzug der KUrze besitzt, obwohl ich ausdrUcklich betonen muss, dass dieses LRngenmaass nicht auch ein absolutes Maass fur den Ent- wicklungsgrad des Embryo ist, indem recht gut'ein Embryo yon 5 cm L. dieselben histologisehen und entwicklungsgesehiehtlichen Details bieten kann, wie einer yon 61/2 cm L., gerade so, wie ein ausgewachsener menschlicher Embryo 40 cm lang sein kann, wiihrend ein anderer yore selben Alter 50 cm misst. Daher messe ich auch einer Untersuehungsreihe, die alle Embryoneu genau yore cm zu cm Liinge umfasst, nicht den Werth zu, wie es z. B. B r o c k gcgen S t i e d a thut, abgesehen davon, dass es sehr sehwer und hRufig Sache des Zufalls ist, eine solche geschlossene Reihe yon Embryonen desselben Thieres zu erhalten. Welter haften der Messung noch leicht gr~ssere Fehler an, je naehdem sic am frischen Object oder an dem mit verschiedeuen I-tartungsfltissigkeitea die auch verschiedene Sehrumpfungsgrade bedingen - - behandelten vorgenommen ist. Besser ware jedesfalls die Bezeiehnung der ein- zelneu Entwicklungsstadien nach dem Auftreteu mehrerer eharak- teristisehen Merkmale, die den ganzeu Bau betreffen, ahnlich wie die Altersbestimmung menschlicher Embryonen nach T o l d t . Ich bleibe hier, wie gesagt bei der Angabe der ScheitelsteisslRnge,

1) Ich lasse hicr das Verzeichniss der L~ngenmasse der un te r such ten

E m b r y o n e n folgen, um mich sparer e infach auf die Zahlen beziehen zu kSnnen:

Schafembryo. Scheitelsteissl~inge:

Schweineembryo. ,,

2 cm 15 cm

4 , 19

4,2 , 19,5 ,

5 , 21 ,

5,5 , 21,5 ,

6,5 , 24 ,,

7,2 ,, 26 ,,

7,5 ,, 27 ,,

8 ,, 28 ,,

9 ,,

10 ,, 30 cm

121/2 ,, 35 ,, 16 ,,

53,7

Ausserdem wurde als Schluss der Reihe der Unterk iefer eines j u n g e n L a m m e s un~ersuch~.

292 J o s e f S c h a f fer ."

welche sieh (we nieht andere Angaben) auf Embryonen bezieht, die in Mfil ler 'scher Fltissi~'keit geh~irtet sind.

Bei den jtingsten Stadien wurde der gauze Seh~idel, bei den spateren der obere Theil der Rami ascendentes mit Gelenk- und Kronenfortsatz 1) in Mtiller 'scher Fltissigkeit geh:~irtet und schnitt- fahig gemacht (wobei besonders die ausgezeiehnete Eigenschaft derselben, kalklose und kalkhaltige Partien gut zu differenziren beachtet wurde, die zuerst P o m m e r ~) hervorgehoben hat), in Celloidin eingebettet und mit dem l~Iikrotom in Schnittreihen zerlegt.

Zum Zwecke der Untersuchung auf Fibrillen wurde auch in v. Eb n e r 's salzs~iurehaltiger Kochsalzl~sung und in Pikrins~ure entkalkt und in Alkohol nachg'ehartet.

Um fiber einige Zelltheilungsvorg~inge an gewissen Stcllcn Aufschluss zu erhalten, wurden einige Rami asceadentes direkt aus dem Uterus in Chromosmiumessigsaure gcbracht und nach F l e m m i n g mit Saf~anin gefarbt.

Als Einschlussmasse wurde Xylol-Canadabalsam fiir die meisten gefarbten, Glycerin, Wasser und Kal. acet. fiir ungefiirbte Schnitte verwcndet.

Was die Tinction anlangt, so war ich Anfangs bestrebt einen charakteristisehen Farbenuutersehied zwischen Knorpel und Knochen zu erzielen, da ja in der aufgeworfenen Frage eine der grSssten Sehwierigkeiten in dieser Unterscheidung besteht. R~umliche Ueberg~nge yon Knorpel in Knochen kommen zahlreieh vor, des- halb muss aber letzterer nicht aus ersterem durch molekulare Ver~,inderungen unter Persistenz der Zellen hervorgegangen sein. Eine seharfe Differentialtinktion w~ire hier yon entseheidendem Werthe.

Ich bediente reich gr~stentheils der Buseh 'schen H~ima- toxylin-Eosinf~rbung und der yon mir beschriebenen 3) Safranin- fiirbung; aber auch die tibrigen bekannten Kuochen- und Knorpel- tinctionen wurden eontrollweise gefibt, da fast jede einen eigenen Vortheil bietet.

1) Prec. coronoides analog dem P. coracoides richtiger ,,Kr~ihenschnabcl- fortsatz".

.'2) Zeitschrift fiir wissensch. Mikrosk. II. Bd. S. 155. - - V i r ch . Arch. XCII. Bd. S, 308.

3) Zeitschr. f. wisseusch. Mikrosk. V. Bd. I. Heft.

Die Verkn~cherung des Unterklefers und die l~Ietaplasiefrage. 293

Die folffende Beschreibung der einzelnen processi ist immer das Ergebniss der Reconstruction derselben aus der Schnittserie.

Ich glaube, dass diese, durch sorfffttltiges Studium jedes ein- zelnen Schnittes gewonnene, plastische Ansehauungsweise des ganzen Ramus verticalis am Besten geeignet ist, den verwiekelten Vorganff, verstiindlich zu machen, wobei natUrlich oft gerade ein- zelne Sehnitte (mediane Ltingsschnitte) ftir das Verstiindniss der Entwicklunff des ffanzen Fortsatzes maassgebend sind und daher speciell beschriebeu wcrden mtissen.

Man wird vielleicht die etwas weitlttufige Beschreibung jedes einzelnen Entwicklungsstadiums ftlr tiberfitissig halten; ich bin jedoch durch die jahrelange Beschiiftigung mit dem Geffenstande zur Einsicht ffelangt, dass dies ftir das richtige Versttindniss g'erade- zu nSthig ist. Denn der Unterkiefer macht sowohl betreffs seiner Morphologie, als besonders betreffs der Gewebc, die ihn zusammen- setzen, yon der ersten Anlage bis zur Vollendun~ so gewaltiffe Ver- itnderunffen dutch, dass kS unmSfflich ist, ein frtihes und ein spates Stadium ohne Kenntniss der Zwischenstadicu in richtiffen ent- wicklungsgeschichtlichen Zusammenhanff zu bring'en.

Welter finden wir beim Aufbau des Unterkiefers alle Modi- ficationen des Ossificationsprocesses in mannifffacher Combination th:.ttig, you der bindegewebiffen Anlage dutch eine Reihe yon Verkn(icherunffsvorgtingen, die theils einzig dastehen, theils welt yore bekannten Modus abweichen his zu einem Bilde, das weniff verschieden ist v o n d e r typischeu, endochoudralen Ossification. Sehon diese interessante Mannigfaltiffkeit erfordert eine einffehende Betrachtung der einzelnen Stadien.

Zum Sehlusse noch einige Worte tiber die Zeiehnungen. Jedem, der sich mit 0ssificationsstudien besch~iftigt hat, wird es zur Gentiffe bekannt sein, wie schwer es ist, anschauliehe Bilder des Gesehenen zu liel'ern. Meist sind ftir das Verstitndniss der Verhtiltnisse Tiefenbilder welt wichtiger als das, was sich bei einer bestimmten Einstellung in eine Fliiche projicirt. So muss man in der Zeichnung verschiedene ~iveau's in eine Fliiehe bringen, was meist die Klarheit des Bildes so triibt, dass man auf das Schematisiren angewiesen ist. Und in der That, die meisten kbbildungen yon Ossificationspriiparaten leiden an dem Fehler zu ffrosser Schematisirunff.

Noeh viel grSsser wird die Schwierigkeit, wenn man ffefiirbte

294 J'o se f S c h a f f e r :

Pr@arato wiederzugeben sueht, was gerade in unserer Frage, we Farbentlberg~inge eine so ffrosse Rollc spielen, oft nSthig ist. Da findet man nun h~ufig, dass yon einem nnmerkliehen Uebergang des Knorpels in den Knochen gesprochen wird und wenn man die Zeiehnung ansieht, so finder man im Gegentheil dic Grenzo zwischen beiden Gewebon viel sch~rfer markirt, als dies in der That der Fall ist. Oder es tritt der h~iufige Fall ein, dass eiue dtinno, blaugeftirbte Lage yon Knorpelgrundsubstanz auf massiffem, rothen Knoehen liegt. Da wird man bei hoher Einstellu~g am Rande vielloicht noeh eine deutliche Grenze wahrnehmen, w~hrend bei etwas tieferer nothwendig eine Mischfarbe zwischen blau und roth entsteht.

Ieh habe reich bemtiht, meine Zeichnungen so weniff als m~glieh zu sehematisiren und so wird man bei genauer Betrach- tung derselben vielleieht manches wichtige Detail finden, welches bei oberfl~chlicher Besichtigung verloren geht. Ausserdem soil eine ffenaue Beschreibunff die M~ngel derselben wom~fflich gut maehen.

Die Bilder sind sammtlich mit der Camera yon O b e r h a u s e r , schwachere Vergr~sserungen mit dem Zeichenapparat yon Win k e I angelegt und naeh einer entsprechend st~rkeren VergrSsserung ausgefiihrt.

V. Erste Anlage des fielenk- und Knoehenfortsatzes. - - Knoehenbildungsgewebe (osteogenes Blastem).

Das jiingste, yon mir untersuchte Stadium ist ein Embryo yon 2 cm Scheitelsteisslange, dessert Kopf in frontale Schnitte zer- l e~ wurde. An ihm findet sich noch keine Spur der kn~chernen Unterkieferanlage. Ein Complex dieht gedr~ngter Bildungszellen, welche an weiteren Schnitten mehr Grundsubstanz zwischen sieh aufnehmen, grenzt sich fast kreisrund gegen das umgebende Blastem (embryonale Zellgewebe) ab und stellt die erste Anlage des M e c k e l- schen Knorpels im Querschnitt dar; aussen, oben davon liegt be- reits deutlieh differenzirt der Ram. alveol, herr. V. und an der Innenseite der Knorpelanlage, diese und den bTerv umfassend ein Muskelbttndel, das wohl dem M. pteryg, int. entspreehen dtirfte. Die erste kn~cherne Anlaffe des Unterkiefers tritt, wie bei den meisten Siiugethieren, auch beim Sehafe in Form einer lateral- w~rts yore M eekel ' schen Knorpel gelegenen, leieht S-f6rmig fie-

Die VerknScherung des Unterklefers und die Metaplasiefrage. 295

kriimmten Lamelle auf, deren obere Coneavit~i~ nach innen den Alveolarnerv umfasst, unter dem der Meckel ' sche Knorpel liegt. Ich fund diese erste Anlage bei Embryonen yon 3--4 cm Liinge. Sp~ter tritt auch zwischen Nerv und Knorpel eine schriig nach uaten gerichtete Knochenlamelle auf, welehe als mediale mit der lateralen die naeh oben offene Alveolarrinne bildet, in deren Bil- dungsgewebe zun~chst nur der Nerv verl~uft.

Um diese Zeit geht auch bereits das hintere Ende der late- ralen Lamelle, welches anFanglieh unvermerkt in das Bildungsge- webe tiberging, Ver~inderungen ein, welche wir als erste Anlage des verticalen Astes mit seinen Fortsatzen bezeiehnen mtissen.

Pr~tparirt man an einem wenig tiber 4 cm langen Schafembryo den Unterkiefer heraus, so erh:,tlt man die beiden horizontalen Aeste, deren jeder lateral vom Meckel 'sehen Knorpel eine wohl- entwickelte Knochenlamelle besitzt und an Stelle des verticalen Astcs eine membranartig durchscheinende, bindegewebige Lamelle, welehe um das Sehl~ifenbein gegen die Scheitelbeine hinaufzieht und in welcher die Entwicklung" des vertiealen Astes erfoIgt. Legt man Sagittalschnitte durch den Unterkieferast, so findet man den Gelenkfortsatz sich bereits als halbovoide Kuppe unter sehr stumpfem Winkel yore horizontalen Ast abheben und vor demselben in dreieckiger Form den Kronenfortsatz angelegt, der bereits yon einer m~tchtigen Muskelanlage, dem M. temporalis tiberlagert er- scheint (siehe Fig. 1, Taf. IX).

Von einer medialen Lamelle ist zu dieser Zeit noch keine Spur, wir mtissen daher beide Fortsiitze als der lateralen Lamelle zugehSrig erkennen, was bereits R e i c h e r t ~) betont.

Aber schon in diesem Stadium liegen Gelenk- und Kronen- fortsatz nicht mehr in der Vertikalebene des Atveolarastes, sondern erscheinen leicht nach aussen geneigt, so dass es night gelingt, auf einem medianen L~tngsschnitte auch einen optisehen Li~ngs- schnitt der gauzen Unterkieferh~lfte zu erhalten. Diese erste An- lage des Gelenk- und Kronenfortsatzes ist, wie wir im Folgenden sehen werden, am besten geeignet uns eine Vorstellung der primi- tivsten Knochenbilduug und der eigentliehen Thittigkeit der Osteo- blasten zu geben.

In der Axe des Gelenkfortsatzes, wo sp~ter die prim~ire

1) Miil ler 's Archiv 1837, S. 195.

296 J o s e f Soha f f e r :

Knochenlamelle zur Entwicklung gelangt, zeiffen die Zellen des Bildungsblastems, welche nichts anderes sind als embryonale Bil- dungszellen, dieselbe reg'ellose Vcrtheilung, wie in der Umgebung, nut erscheint die Grundsubstanz um dieselben nicht homogen, sondern blasig', streifig, etwas reichlicher.

Bei dcr Frage nach dem Ursprunge dieser Grund- oder Zwischensubstanz mtissen wit uns vor Augen halten, class das Ge- bier der nachherigen Ossification im Beginne nut aus Bildungs- zellen besteht und dass somit auch jede zwischen diesen Zellen auf'tretende Substanz in ihrer Entstehung auf dieselben zuriickge- fUhrt werden muss.

Nach alteren und neuesten Ansichten tiber die Entstehung der Grundsubstanzen der verschiedenen Gewcbe muss man wohl auch ftir die Intercellularsubstanz der ersten Knochenanlage, des osteogenen Blastems einen cellularen Ursprung annehmen, was aueh yon den meisten Forsehern gesehehen ist.

Wie die Fibrillen aus dem Protoplasma entstehen, ob direkt oder dutch Vermittlung einer yon ersterem gelieferten formlosen Grundsubstanz (wie eine solche, freilich unabh~ingig yon den Zellen entstanden, yon K a s s o w i t z angenommen wird), die dann auf irgend eine Weise, vielleicht, um nut cine Vorstellung'smSglich- keit anzufiihren, durch orientirten Wachsthumsdruck 1) fibrillar wird, dUrfte auch heute nieht leicht zu entschciden sein; keinesfalls je- doch kann man sich mit einer Auffassung befreunden, die den Produkten des Protoplasma, der geformten oder fbrmlosen Grund- substanz, dieselben vitalen und potentiellen Eigenschaften zusehreibt, wie dem Protoplasma der lebenden Zelle selbst.

Zerzupft man einen Schnitt, welcher dieses osteogene Gewebe enth~lt, so gelingt es sehr leieht, gr~ssere, sehon verkalkte Partien aus ihrem Zusammenhang zu l~sen und die genaue Untersuchung der Rissr~nder bei starker Vergr~sserung (Wasserimmersion J Ze i s s , aber auch schon Obj. VII, Oc. 3 H a r t n a c k ) in einer schwach lichtbreehenden Substanz (Wasser, Jodserum, Kal. acct.) gibt uns weitere Aufschltisse tiber das Verhaltniss der Zellen zur Zwischensubstanz, die Anordnung dieser letzteren und die Auf- nahme der Kalksalze.

1) Vgl. v. Ebne r, Untersuchungen fiber die Ursaehen der Anisotropie organisirter Substanzen, Leipzig 1882, S. 221--223.

Die u des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 297

Man sieht altenthalben an den Rissrlindern ziemlieh stark liehtbrechende, zarteF~iserchen herausragen, oft aufl~ingere Strecken hin unverzweigt, wie tiberhaupt eine Verzweigung dersdben nieht mit Sicherheit naehzuweisen ist. Wohl aber verkrtimmen und ver- flechten sie sich uuter einander, so dass LUcken zwischen ihnen entstehen, die entweder leer oder yon einer Zelle ausgefUllt sind. Oefter sieht man diese Fasern direkt in den Protoplasmaleib einer solchen Zelle, die wir bereits als Osteoblasten bezeichnen mtissen, tibergehcn, oft bildet eine Faser eine Kreistour um die Zelle, wie eine gebogene Wddenruthe. F~illt die Zelle am Schnitt heraus so verleihen diese gekrtimmten Fasern, die das Lieht stiirker brechen als das Protoplasma der Ze|len, der Grundsubstanz jenes oben erwi~hnte, blasig'e Aussehen.

An den zarten, herausgerissenen F~iserchen kann man an Priiparaten, die nieht zu lunge in M till e r'scher Fltissigkelt geleffen,, meistens auch dunkle, kleine, krtimmclige KSrnchen anlagern finden, welche weiter nach innen zu in den Zwiseheur~umen zwi- schen den Fasern zu einer homogenen, starren Masse verschmelzen. Es sind dies KalkkSrnchen; also auch bier tritt die Impriignirung mit Kalksalzen zuerst in Form yon KSrnchen auf, nieht sofort, wie es Ki~l l iker 1) einst als Unterschied von der Verkniicherung praformirten Knorpels hervorgehoben und wie es an Lackpr~ipa- raten den Eindrack macht, homogen.

Noeh bevor man aber die ersten Spuren der Kalkablafferung im osteogenen Gewebe bcobachtet, finder man ziemlich reichliehe, weite capillare GeF~isse, d e r e n A u f t r e t e n m a n a l s e i n e d i e K n o e h e n g e w e b s b i l d u n g v o r b e r e i t e n d e Ve r - ~ t n d e r u n g a u f f a s s e n m u s s .

Gegen den Rand der Verkalkung liegen die Knoehenbildungs- zellen diehter aneinander, dureh weniger Zwischensubstanz ge- trennt. Dies beruht einerseits darauf, dass hier die Grund-(Zwi- sehen-)substanzbildung vom oberfiiiehliehen Zellprotoplasma noeh

1) Diese Ansicht KSll iker 's theilt aueh H. Miiller. Nach Jul. Wolff (Untersuchungen ~iber die Entwicklung des Knochengewebes, Dissert. Dorpat 1875, S. 4_9) trit~ im Fasergeriist die Verkalkung auch in KSrnchen- form auf: Dagegen nimmt die, durch Umwandlung des Protoplasma der Bildungszellen gebildete Substanz die Kalksalze ganz gleichm~ssig, ohne Kriimmel auf.

Archly f. mikrosk. Anatomie. Bd. 32. 19

298 J o s e f S c h a f f e r :

nicht begonnen hat, andererseits, weil hier noch lebhafte Theilung der Knochcnbildungszellen vor sich geht. Ich g'laube diesen Urn- stand hier besonders hervorheben zu mtissen, da man kaum an r anderen Stelle des Mesoderms so reichliche Mitosen finden wird, als in der Umgebung dieser Ossificationsstellen.

Man finder an Pr~paraten aus Mtil ler 'scher FlUssigkeit in diesem Knochenbildungsgewcbe zahlreiche Zellkerne mit grosseu, oft einffeschntirten Vacuolen, so dass die Kernsubstanz als schmaler, gl~nzender Ring, oder in Bisquitform erscheint, welcher Umstand das blasige Aussehen des ganzen Gewebes noch erh~ht. H e n l e 1) hat meines Wissens zuerst auf dicse eigenthUmliche Wirkung der Chromsalze auf dic Mitosen aufmerksam gemacht und erkl:,i.rt die Erscheinung aus einer Quellung der Kernfitden; nach seiner An- schauung sind die Bilder so charakteristisch, ,dass mit ihrer Hiilfe die Thatsache der Kerntheilunff ebenso sicher and mitunter sogar leichter, als mittelst der eigentlichen karyokinetischen Figuren constatirt werden kann." Seither haben diese Beobachtungen viel- fache BestStigung crhalten und in jiingster Zeit ist die ganze Frage zum Gegenstand einer Controverse zwischen FIr m m i n g and P f i t z n r r geworden, welchr durch T a n g 1~ der unter F 1 e ra- m i ng ' s Anleitung die Arbeiten P f i t z n e r's 3) nachprtifte, vor- l~ufig dahin erledifft zu sein scheint, dass dutch die Einwirkung yon Chromsalzen die charakteristischen Umrisse der Mitosen wohl erkenntlich bleiben, doch stark verSndert und gequollen erscheinen und dass durch diese Methodr weder das Achromatin, noch der Gesammtkern fiat fixirt werdr Untersucht man analoge Pr~tparate, die frisch in F l e m m i n g ' s Gemisch gebracht und nach seiner Methode mit Safranin gef~irbt sind, so sieht man in der That zahl- reiche Kerntheilunffsfiguren in den verschiedensten Stadien, beson- ders in den Kernen der peripheren Knochenbildungszellen.

Doff, wo die Verkalkung bereits vorgeschritten ist, gelingt es schwer auch mit der besten Methode wohlerhaltene Karyo- kinesen nachzuweisen, aber viele Kerne zeiffen neben ganz wohl- erhaltenem ein so verkrUmmtes, verkrtippeltes Aussehen, dass man sio mit der gr~ssten Wahrscheinlichkeit als schlecht erhaltene

1) Arch. f. mikrosk. Anat. XX. Bd., S. 420. 2) Arch. f. mikrosk. Anat. XXX. Bd., S. 529. 3) ~orph. Jahrbuch XI. Bd. 1885.

]Die Verkngcherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 299

Theilungen ansprechen kann. Vielleicht liegt der Grund dieser Erseheinunff in einer Behinderung der vollen fixirenden Wirksam- keit der Chromosmiumessigs~ure yon Seite der Kalksalze.

Jedenfalls miissen wir diese l e b h a f t e Z e l l v e r m e h r u n g und die lqeubi ldung yon Gef~s sen als zwei w ieh t ige , p r ~ p a r a t o r i s c h e V e r ~ n d e r u n g e n im Knochenb i ]dungs - gewebe be t r ach t en.

Welter nach innen rticken die Knoehenbildner nun allm~hlich auseinander, die faserige Grundsubstanz nimmt zu, die Verkalkunff wird homogener, wir erhalten im folgenden, zu bespreehenden Stadium das Bild der prim~ren Knochenlamelle, welche die Axe des Gelenkfortsatzes bildet.

Process. glen. eines 5 cm 1. Sehafembryo. -- An L~ngssehnitten finden wir in der Axe des bereits wohldifferenzirten und gegen das librige embryonale Gewebe 1) schon durch eine spiudelzellige Periostschicht abgegrenzten Gelenkfortsatzes, dessen Kopftheil bereits etwas verbreitert ist (siehe Fig. 2), eine schmale Lamclle, die sich nach oben zu unvermerkt in die osteogene Substanz ver- liert. Sie hat die ungeordneten, etwas vergrSsserten Bildungs- zellen, welche, wie erw~ihnt, bereits spezifisehen Osteoblasten- character haben, auseinandergedr~ngt, so dass diese gleiehsam meehaniseh in zwei begrenzende Reihen angeorduet werden und umgekehrt wieder den Anschein geben, als sei dieser starre Streifen zwischen ihnen dutch eine Art Sekretion entstanden.

Diese Lamelle hebt sich dutch ihre gelbliche Farbe und st~rkere Liehtbrechung yon den mit H~matoxylin blau geF~irbten Zellkernen ab und l~sst aueh Forts~tze zwischen die Zellen hinein erkennen, dureh welehe einzelue oder auch mehrere ganz um- umsehlossen und so in die Masse eingebettet werden.

Im verbreiterten Kopftheil verliert sieh die Lamelle in das ungeordnete osteogene Gewebe, welches wieder als blassgelbliches l~etzwerk erscheint, in dessert Maschen die Bildungszellen (Osteo- blasten) liegen und zahlreiche eapillare Gei~sse verlaufen.

Welter nach unten zu nimmt die Lamelle bereits Kalksalze auf, wodurch sie krtimmelig und dunkler erscheint. Dies scheint

1) Es sind Schnitte durch die ganze pars praemastoidea, da die Iso- lirung des vertikalen Kieferastes schwierig ist; man hat so aber verschiedene embryonale Gewebe zum Vergleich nebeneinander.

300 Jose f Scha f fe r :

in ihrer Mitre zu beginnen, well sic da mit H~matoxylin bereits bl~uliehe F~rbung annimmt, w~thrend die Rander, an denen fort- w~thrend neue Zellen aufgenommen werden (wodureh die Lamelle aa Dicke zunimmt), gelblich bleiben. Durch die relativ grossen, eingeschlossenen Zellen, die enge aneinander liegen, gewinnt diese Lamelle das Aussehen eines n e t z f O r m i g e n , g r o s s b l a s i g e n Kuochen, dermit dem sp:,tter am Unterkiefer vorkommenden ver- kalkten Knorpel, welcher dureh eine ebenso regellose Anordnung seiner Zellen in einer spiirliehen Grundsabstanz ausgezcichnet ist and mit dem er auch in engen, r~tamlichen Zusammenhang tritt, eine grosse Aehnliehkcit hat, weshalb ich ibn als e h o n d r o i d e n Knochen bezeichne. Diesen aasgesprochen chondroiden Charakter besitzen aber immer nur die jtingsten Partien, w~thrend die ~tltern durch die noeh zu bespreehende Thiitigkeit der Osteoblasten bald die gew(ihnliche Besehaffenheit eines intermembranSsen Knochens annebmen.

So g e s t a l t e t s ieh also die e r s t e A n l a g e des Ge- l e n k f o r t s a t z e s als eine e c h t i n t e rmembran i i s e , o h a e j e d e M i t b e t h e i l i g u n g e i n e s Knorpels .

Was nun die e rs te A n l a g e des Process. c o r o n a r i u s anlangt, so ist dieselbe genau so besehaffen, wie die bereits be- sprochene des Gelenkfortsatzes, nur liegen morphologisch die Ver- hiiltnisse hier noch einfaeher 2 ich m~chte sagen typischer, weil er lange Zeit nur yon einer dlinnen, axialen Lamelle gebildet wird und erst relativ spat an seiner Spitze ein die Wachsthumser- scheinungen complicirender Knorpelkern auftritt.

Da die Ossification am Kronenfortsatz gegen die Spitze bin fortschreitet, so wiederholt sieh an seinem oberen Ende bis zum Auftreten des Knorpelkerns immer wieder das Bild der ersten Anlage und ist er ein besonders geeignetes Object, die Ver- kniicherungsvorg~inge in klarer Reihenfolge in continuo zu ver- folgen.

Besonders instructiv sind da Querschnitte, senkreeht zu seiner L~ingsaxe.

Fig. 15 Tai. X stellt einen solchen dureh die Spitze eines Kronenfortsatzes dar~ der dem Unterkiefer des 61/2 cm langen Schafembryo entnommen ist. In der Liingsaxe des ovoiden Quer- schnittes sehen wir yon hinten nach vorne, erst bis zur Mitre reichend, die prim~tre Lamelle, die aus einer seheinbar homogenen7

Die Verkn~cherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 301

sta~k lichtbrechenden, gelblichen Grundsubstanz besteht. An ihren seitlichen Oberflitchen liegen in zierliehen Reihcn die gr(issten Zellen des Querschnittes, Osteoblasten, deren Protoplasma gegen die Knoehenanlagc in dieselt)e tiberzugehen scheint, wlihrend weiterhin das Gewebe lockerer wird, aber dcutlich den Character eines Fasergewebes annimmt, bis es gegen das spindelzellige, schmale Pcriost hin wieder in rundzelliges Bildungsgewebe tibergeht.

Den Eindruck des Fasergewebes erhiilt man weniger durch eine Faserung der Grundsubstanz, die noch kaum angedeutet ist, als durch die langen, spindeligen Formen der Zellcn, welehe eine bestimmte Orientirung zeigen, die wit bis in die spiitestcn Stadien erhalten finden. Die Litngsaxen der Zellen sind im Bereich der Lamelle alle schr:,tg zur Oberfi~tche derselben gerichtet, so dass sie dieselbe gleiehsam wie in einer Schleifcntour yon hinten tiber ihr vorderes Ende umfangen (siehe Fig. 16). Am Liingsschnitte verlaufen sie yon oben ausseu schriig auf die Lamelle nach uuten, oft in so spitzen WinkeIn, dass sic fast parallel der Lametle orientirt erscheinen. Dieselbe Riehtung mit diesem Faserzuge halten die Osteoblasten ein, so dass in diesem Stadium der Kronenfortsatz an seinem oberen Ende im L:,tngsschnitt das zierliehe Bild eines gefiederten Palmenblattes bietet. Untersucht man die blassgrtin- lieh-gelbe I~amelle mit starker Vergriisserung (Wasserimmersion Zeiss J oder Obj. VIII. Ocul. 3 Hartnaek), so erseheint sie un- deutlich gestreift, gegeu die grob granulirten Kerne der Osteo- blasten mit einem stark lichtbrechenden Contour, der einfach der Kerncontour ist, abgegrenzt. Deutlich sieht man auch in ihr ein- geschlossene Zellen yon der Griisse der Osteoblasten, aber nieht durchgehends yon ihrer Form; vielmehr zeigen dieselben dreieckige, liingliehe Contouren, die, je welter wir die Knoehenlamelle naeh abw~rts verfolgen, dest'o deutlieher die platte, bauchig-spindelige Form der Knochenk(irperchen annehmeu.

An einzelnen dieser Knoehenzellen kann man einen gliinzen- den Saum wahrnehmen, der lebhaft an die dureh Salzsliure isolir- baren Knochenkapseln erinnert.

In tier Fortsetzung der Lamelle nach rome, wo sie noch nicht angelegt erscheint, machen die spindelf6rmigen Zellen einem diehteren Rundzellencomplex Platz, in dem wit wieder zahlreiehe, vacuolisirte Kerne beobachten, sehleeht erhaltene Formen der

302 J o s e f S c h a f f e r :

Kerntheilungen, welehe hier der Knoehenbildung vorangehen und zahlreiehe, weite Capillargef'~sse, die sieh haupts~ichlieh um diese Stellen gruppiren.

Um hier gleich das Bild des Kronenfortsatzes in diesem Stadium mit kurzen Zt~gen zu vollenden, obwohl es eigentlieh nieht mehr in den Rahmen der ersten Anlage gehSrt, verfolgen wir die Lamelle welter naeh unten. Bald wird sie breiter, d. h. dicker, es treten in ihr dunkle Ki~rnehen auf, ihr Ansehen wird ein krtimmeliges, opakes, die Kalkablagerung nirnmt his zur S~ittigung des Gewebes zu, bis sie welter naeh unten eine homogene, gleieh- m~ssige wird.

Hier bietet die Lamelle schon ganz das Aussehen eines ferti- gen Knoehenbalkens, der mehrere Zellen nebeneinander einschliesst, sie wird aber aueh sehon yon hiuten her resorbirt, so dass man fast an jedem Quersehnitte an ihrem hinteru Ende 2--3 grosse 0steoklasten und typisehe Resorptionslacunen findet (siehe Fig. 16, 0). Umsehlossen wird die gauze Anlage yore spinde]zelligen Periost, in welches die Muskelfasern des Temporalis einstrahlen und zwar genau in der Riehtung der Spindelzellen innerhalb des Periostes, so dass man die gauze eigenthtimliche Anordnung derselben mit dem Wachsthumszuge des Schl~fenmuskels in Zusammenhang bringen m~chte.

Es w~re hier noch am Platze auf die Th~itigkeit der Knoehen- bildungszellen (0steoblasten)n~her ein zu gehen; ich will dies aber erst sparer thun, wo wir im Kronenfortsatz ~ilterer Embryonen ein besonders giinstiges Object zur Besprechung dieser Frage kennen lernen werden.

Die intermembranSse Anlage des Unterkiefers wurde schon friiher erkannt.

H. Meyer1), ein bekannter Vertreter der metaplastischen Ossifications- lehre, thut derselben bereits Erw~ihnung. Er l~isst die Spongiosa aus tier urspriinglichen Knorpelanlage des Knochens hervorgehen, die Compac~a jedoch betrachtet er als ein verkn6cherndes Exsudat der Beinhaut. ,Es giebt abet auch eine falsche spongiSse Knochensubstanz, welche aus einer Umwandlung der harten Knochensubstanz durch stellenweise Aufl6sung hervorgeht; zu dieser geh~Jrt; unter anderen die Spongiosa des Unterkiefers".

An anderen Stellen sagt NI e yer auch, class d~r Unterkiefer nur nach Art eines Deckknochens entstehe und daher fehle auch seinem Gelenkkopfe tier Gelenkknorpel.

1) 1. c.

Die u des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 303

Diese Anschauung war bis in die ersten siebenziger Jahre die herr-

schende uud wurde yon den meisten Forschern, darunter yon B r u e h , L o v ~ n ,

K S l l i k e r und H f i t e r best~tigt. Bekanntlich war es nun S t r e l z o f f , welcher fiir den ganzen Unter-

kiefer, im Gegensatz zu den meisten anderen Gesichts- und $ch~delknochen,

eine knorpelige Anlage nachgewiesen zu haben glaubte und mit dieser mehr- faeh vertheidigten Behauptung eine lebhafte Controverse hervorrief.

Freilieh lautet der Aussprueh S t r e l zo f f ' s nieht so bestimmt, wie man gewShnlieh annimmt, er nennt es nur h6ehst wahrscheinlieh, dass tier ganze

Unterkiefer knorpelig pr~iformirt ist und sehliesst dies aus eombinirten Be- obachtungen an Mensehen- und Schweineembryonen.

Schon diese Thatsache musste gerechte Zweifel gegen seine Ansehau- ung erwecken und in der That haben die sp~teren, gleich zu erw~ihnenden Untersuehungen die Ansich~ S t r e 1 z o f f ' s einstimmig als elne irrthiimliche

erwiesen. Nur W o 1 f f (Moskau) soll nach einer Anmerkung yon K a s s o - w i t z t) den Unterkiefer such noeh fiir knorpelig vorgebildet halten. Dies

bedarf jedoeh einer Berichtigung, zu welcher ieh W o l f f ' s ~') eigene Worte hierher setze: ,Wiihren d i m Alveolarfortsatz des Unterkiefers die Knochen- substanz in bindegewebiger Grundlage auftritt, sind der Winkel und die hin- teren Fortshtze des Unterkiefers durch ein knorpelhartes, zellenreiches Gewebe

vorgebildet, das ebenso dureh Druck yon den aus dem Alveolarfortsatz weiter-

wuehernden Gefhssen aufgelSst wird, wie hyaliner Knorpel."

Wie wir sehen werden, ist diese Beobachtung eine ganz richtige, nur theilt sie mit der eben so richtigen S t r e 1 z o f f ' s denselben Fehler, dass

ihre Autorea die beobachteten Stadien fiir die allerersten Anlagen hielten, w~hrend es bereits n~chsthShere Entwicklungsstufen waren. Dies erkUirt

uus auch die sonderbare Thatsaehe, wie ein im Gebiete tier Knoehenent- wicklung so erfahrener Forscher, wie S t r e 1 z o f f, eine aller anderen Beob- achtung widerspreehende Ansicht vertheidigen konnte. W~khrend er glaubte, dass die knorpelige Anlage des Unterkiefers deshalb so lange iibersehen wurde, well sie sehr friihe verkn6ehert, war auch das yon ibm beobaehtete jiingste Sta- dium (ein Schweineembryo yon ,5,5 em L.) schon fiber die erste Anlage entwickelt.

Die Grenze zwischen der echten Deckknochenanlage und dem Auftreten

jenes ,,knorpelharten, zellenreichen" Gewebes (W o 1 f f) in den hinteren Kiefer- absehnitten ist eine sehr labile und kann leicht iibersehen werden, wenn diese

Frfihstadien nicht in einer engen Entwieklungsreihe untersueht~ werden. Ich

land beim Schafembryo yon 5 cm die besehriebene Deekknochenanlage, bei dem yon 5,5 cm bereits jedes knorpelartige Gewebe, das die Franzosen als

Faserknorpel bezeichnen, und beim Embryo yon 61/2 cm schon echten Hy- alinknorpel ira Condylus.

Seither wurde nun die erste Unterkieferanlage yon zahlreichen Forschern

1) 1. z. S. 77. 2) 1. c. S. 79.

304 J o s e f S c h a f f e r :

an den verschiedensten Thieren studirt, so yon S e ram e r an Schaf- und Miiuseerabryonen, yon S ~ i e d a an Katzen-, M~iuse- und Kaainchenerabryonen, yon K a s s o w i t z und besonders genau yon M a s q u e l i n an Menschen-

erabryonen, yon J u l i n an einera Embryo yon Balaenoptera rostrata und sowohl yon dlesen, als vieleu Anderen (B a u ra ii 11 e r , B r o c k) iiberein-

stiramend die Deckknochennatur des Unterkiefers dargethan.

Schon im n~chsten Verlaufe der Entwicklung des Gelenkfort- satzcs, bei einem Embryo yon 51/2 cm ergeben sieh bedeutende Ver~nderungen im Bilde, die ich im folgenden nach einer Serie yon Sagittalschnitten, welche naeh Busch gef'~rbt sind, bescbrei- ben will.

Die knScherne Anlage hat sieh verbreitert, so dass sie (am Sagittalsehnitt 1) fast den ganzen Contour des p. glen. ausftillt und nur im oberen, besser hinteren Theile des Gelenkkopfes (seine Ascendenz ist noeh immer eine kaum merkliehe) geht sie diffus in das Bildungsgewebe tiber. Sie erseheint gegen den Alveolarast zu mit Eosin lebhaft roth gef~rbt, was yon der vermehrten Grund- substanz abhangt; die noch immer dicht gedrangten Knoehenzellen besitzen grosse, runde, bis wenig langliche Kerne, die mit Hama- toxylin blau gefi.irbt sind; die Zellh~hlen sind kleiner, hie und da bereits zackig, so dass ihr glanzender Saum dicht an den grossen Kern, der nut mehr einen sparlichen Protoplasmamantel besitzt, herantritt.

Diese Anlage typisehen, emb~Toualen Knoehens ist aber keine zusammenhangende, sondern dutch mehr minder unregelmassige Raume unterbroehen, deren Umfang yon einer Schieht Osteoblasten, die dem Knochen anliegen gebildet ist, w~hrend im Centrum spar- liehe, runde Markzellen in heller, streifig-blasiger Grundsubstanz und Blutgefasse mit den Spindelzellen ihres Endothels und mit rothen BlutkSrperehen zu sehen sind.

Gegen das Periost hin grenzt sieh der Knoehen ziemlieh seharf ab und liegen ihm gr~sstentheils schSne Osteoblastenlagen auf; das Bildungsgewebe ist nut mehr in sehmaler Sehieht vorhanden.

Am Kronenfortsatz, dessen Knochenanlage der bis jetzt be- sehriebenen entsprieht, reicht der Knochen bis an die Cambium-

1) Man darf nlcht vergessen, dass die Laraelle des Gelenk- wie Kronen- fortsatzes raedian-sagi~tal liegt, daher am Frontalschnit~ als schraaler Streifen

yon Bildungsgewebe urageben erschelnt, w~hrend man am Sagittalschnit~ die breite Fl~r erh~ilt (s. Fig. 14 Taft X).

Die VerknScherung des Unterkiefers and die Metaplasiefrage. 305

schicht des Periosts, zeigt aber auch sehon lcbhafte Resorpt].ons- erseheinungen an seinem vorderen Rande. (Siehe Fig. 14 Taf X.)

Gegen die Kuppe des Gelenkkopfes geht nun die Knochen- anlage zuerst in Streifen, dann diff~s in das Bildangsgewebe tiber, welches bier aber gegen das frtihere Stadium eine wichtige Ver- itnderung zeig't.

Die auslaufenden Knochenbalken werden wieder yon grob- maschigem Knochea gebildet, die Zwischcnsubstanz ist deutlich faserig, die Fasern umschlingen die weiten Zellenhtihlen und zwi- schen ihnen finden wit wieder k(irnige Kalkablagerungen, withrend nach unten zu die Verkalkung eine ganz homogene ist.

Dieser grossblasige chondroide Knochen geht nun allmlihlieh in ein ebenso grosszelliges Gewebe tiber, das in der Fortsetzung der Knochenbalken Ztige zwisehen dem gewShnlichen Bildungsgewebe bildet und dessert hervorrag'endste EigenthUmlichkeit die ovalen, mit schi~nem, verschieden geformten Protoplasmaleib versehenen Zellen sind, die in einer mit Eosin und Hiimatoxylin fast nicht f'arbbaren, reichlichen Grundsubstanz liegen. Diese Grundsubstanz bildet r6rmliche Kapseln um die Zellen, welche sich racist etwas retrahirt haben, so dass zwisehen ihnen und dem scheinbaren Kapsdrand ein freier Raum bteibt. (Fig. 14u.)

Manche Zellen haben verbogene, halbmondfSrmige Kerne und das Ganze macht den Eindruck eines knorpelartigen Gewebes, dessert ziemlieh grobfaserige Zwischensubstanz sich abet noch in- tensiv mit Eosin f~rbt. Es geht allm:ahtich in das umgebende Bil- dungsgewebe tiber, dessen Beschaffenheit wir bereits kennen, and bildet ein Uebergangsgewebe zu dem, in den niichsten Stadien bier auftretenden Hyalinknorpel. E s a n d e r t s ic h a 1 s o h i e r d e r G e w e b e t y p u s, eine Thatsaehe, deren Vorkommen uns noeh weitere Beobachtungen bestiitigen werden and die wir als solche anerkennen mtissen, wenn uns aueh die ursaehliehen Mo- mente noeh unbekannt sin& (Vergl. S. 336.)

Was dis histologisehen Details der ersten Anlage betrifft, so war ihre netzfiJrmige Struktur sehon b lesb i t t 1) bekannt und B r u c h 2) vergleieht die erste Knochenanlage mit einer netzftir- migen Gerinnung einer weichen Substanz, die sich yon den Ver- kn~cherungspunkten ausbreitet and sagt weiter: ,Die weiehen

1) 1. e. 2) 1. c.

306 J o s e f S c h a f f e r :

knorpelartigen Randstrah!en, welche das Gitterwerk darstellen und der Verkniicherung tiberall vorauseilen, rtihren yon ether fl'isehen hblagerung her und sind in das t~tserige Gewebe der Grundlage gleichsam eingetragen oder eingegossen." Diese Beobachtung ist sehr treffend; diese erste Grundsubstanz, welche ganz analog ist den schmaien, stark lichtbrcchenden S:,iumen, welehe sich bet der intracarfilag'inSsen Ossification an die Reste der verkalkten Knor- pelgrundsubstanz anlagern und hier wie dort Product der Knochen- bildungszellen ist, hat eine Aehnlichkeit mit Knorpelgruudsubstanz ; ist aber in dem einen Falle durch die Osteoblasten, in dem an- deren durch die Knorpelzellen hinl:,tnglich genetisch unterschieden. Wenn daher B r u c h meint, man k~innte aus dem physikalischen und opfischen Charakter dieser Substanz tblgern, dass aueh der seeund'Sren oder sogenannten BindegewebsverknScherung eine Ab- lagerung yon Knorpelsubstanz vorausgehe und der Unterschied yon der intracartilaginiisen nur in der Art der Ablagerung und in dem Zeitpunkte der Verkn~icherung zu sehen set, so ist dies wohl nur ein Versuch, beide Ossificationstypen unter einen einheitlichen Ge- sichtspunkt zu bringen. Es konnte aber auch dutch diese Auffassung der alte Satz, dass der Knochen aus der Verkn(icherung des Knorpels hcrvorgehe, keine neuc Sttitze erhalten oder tiberhaupt wahrscheinlich gemacht werden, was yon Bruch, ganz im Gegensatz zu seinen sonstigen Ansehauungen, mit der obigen Deutung versucht wurde.

Nach ihm schildert Baur 1) die Entstehung der Deckkuochen aus einem Blastem, das direkt verknSchert und aus undeutlich fibrilliirer Grundsubstanz, in weleher sich einfaehe Bildungszcllen des Bindegewebes eingestreut finden, besteht. Die Intercellular- substanz geht dutch Aufnahme yon Kalksalzen ohne scharfe Grenze in Knochensubstanz tiber, w~thrend die Zellen zu zaekigen Knochen- kiirperehen werden. Von ether vorangehenden Trtibung durch ab- gelagerte Kalkkrtimmel sah er niehts, scheint also auch der (Seite 297 besproehenen) Ansieht H. Mti l ler ' s und K S l l i k e r ' s zu sein.

Wenn nun auch manche der besprochenen Beobachtungen noch heute als richtig anerkannt werden mtissen, so griff eine ge- nauere Kenntniss des primliren Knochenbildungsgewebes und da- mit eine einheitliche Auffassung' des Verkn(icherungsvorganges erst seit H. Mti l ler Platz, weleher uns den bTachweis lieferte, dass jede Verkn(ieherung aus demselben Gewebe hervorgehe, welches er als

1) l~Iiiller's Archiv 1857.

Die VerknScherung des Unterkiefers und die Metap|asiefrage. 307

o s t e o i d e , o s t e o g e n e S u b s t a n z bezeichnete. Ueber die Herkunft und Entwieklung dieses osteogenen Gewebes ist man heutzutage noel nieht ganz einig, indem ein Theil der For- seher eine einheitliche Entstehung sowohl bei der periostalen, als endoehondralen Verkn~icherung annimmt, wlihrend ein anderer Theil fUr die endochondrale Ossification die Knorpelzellen an der Bildung desselben Theil nehmeu li~sst, worauf ich bei der Ver- kni~cherung der Knorpelkerne noeh zurUckkomme.

Nach Ki i l l ike r 1) ist die Entwicklung des osteogenen Ge- webes auf die ersten Embryonalzellen zurtiekzufUb, ren, welche nach und naeh eine Zwisehensubstanz zwisehen sick abseheiden, die sparer faserig wird; eine hnschaunng, fur deren Richtigkeit aueh meine Beobaehtungen spreehen. Er sah die erste Spur der Kiefer bei Schaf und Kalb in Gestalt zusammenhiingender, ze|lenloser Balken, die als Absonderunff einer praehtvollen, epithetartigen Lage yon Osteoblasten anzusehen ist; erst sp~ter nehmen auch die Zellen an der Kuochenbildung Antheil. Der Ansicht Ki i l l iker ' s jedoeh, dass sieh das fibrill~re Bindeffewebe direkt in Kuoehen umwandle, was mit ihm aueh V i r e h o w , G e g e n b a u r , W a l d e y e r und manehe Neuere betoneu, kann ich reich nicht ansehliessen. Wie wit wissen, hat dieser innige Zusammeahang der ersten Knochen- substanz mit der bindegewebigeu Grundlage eine ganz andere Be- deutung. Ich halte aueh diese Auffassung yon Metaplasie als aus derselben Quelle stammend, wie bei der endochondralen Ossification, wo man auch das enge Ineinandergreifeu yon StUtzwerk und daran abgelagerter Knoehensubstanz als eine Umwandlung des einen in das andere deuteu zu mtlssen glaubte.

Ebenso unstatthaft ist es mit M a s q u e l i n anzunehmen, dass zuerst Bindegewebe direkt verkn~ehere und dann Osteoblasten die Weiterbildunff des Knoehens tibernehmen. Dieses ,Bindegewebe" ist eben sehon osteogene Substanz. die Zellen sind sehon Osteo- blasten und werden nieht erst dazu gemacht, indem sie sp~ter dutch die wachsende Anlage in Reihen anffeordnet erseheinen. Mit einem Wort, ieh m~ehte zwiseheu gewiShnlichem Bindegewebe and dem Gewebe, welches unsere erste Knoehenanlage liefert, also der osteogenen Substanz, den Untersehied aufreeht erhalten wissen, welcher letzterer verm~ge eines, dureh pr@aratorisehe Veranderunffen gegebenen spezifisehen Charakters zukommt.

1) Gewebelehre 1867.

308 J o s e f S e h a f f e r :

Eine eingehende und mit den yon uns gewonnenen Ansehau- ungen tibereinstimmende Darstellunff yon der bindegewebigen An- lage tier ersten Knoehensubstanz und der in derselben stattfinden- den, vorbereitenden Prozesse (welehe sie eben erst zur osteogenen Substanz machen) giebt Wol f f ' ) auf Grand zahlreieher Unter- suehungen an Mensehen- und Thierembryonen. ~aeh ihm ist die osteogene Substanz identisch mit dem embryonalen Bildungsge- webe und finden hier als die Verkn(ieherung vorbereitende Pro- zesse Erweiterung und :Neubildun~", yon Gefitssen, Verg'r(isserung und Vermehrung-der Zellen (Bildung yon 0steoblasten) start.

Gerade die :Neubildung yon Gef~,issen, welche nur dutch Aus- waehsen and Sprossenbildung sehon vorhandener Gef:,tsse entsteht (wie im Innern der Markrii, ume knorpelig priiformirter Knoehen), spielt eine Hauptrolle bei der Bildung tier Knoehengrundsubstanz, obwohl diese nicht unmittelbar am die Gefiisse, sondern immer in einiger Entfernung davon entsteht, indem sie dureh versP, trkte Zu- fuhr yon :Nahrungsmaterial die Vergr~isserung and Vermehrung der Zellen and dureh ihre Ausbreitung" die Riehtung der Anlage bedingt.

Die erste Knoehensubstanz selbst tritt auf als seheinbar ho- mogene, bei st~rkerer Verg'riisserung streifig aussehende Masse zwischen den ffrossen, polymorphen Bildungszellen, ist sfitrker licht- brechend als die Umgebung', an frisehen Pr~iparaten stark gl~nzend and Farbt sich mit Karmin intensi~r roth.

Welter ftihrt aueh Wolff, in Uebereinstimmunff mit K(il- l i ke r und Anderen, die Intereellularsubstanz der bindegewebigen Knochenanlaffe in ihrer Entstehung auf die Bildungszellen zurtick and betont, dass er niemals ein yon den Zellen nnabh~ingiges Auf- treten der zartfaseriffen Zwischensubstanz constatiren konnte, wo- gegen K as sowi t z ~) naeh seiner bekannten Theorie die Fasern unabhi~ngig yon den zelligen Gebilden aus seiner ,lebenden Grund- substanz" entstehen l~sst and damit den Beweis einer Bindegewebs- metaplasie erbracht zu haben glaabt.

Da ieh der Ansehauungen Wolff 's tiber die Thiitiffkeit der Knoehenbildungszellen noeh spi~ter gedenken werde, so kann ieh

1) Petersburger med. Zcitschr. 1868, Bd. XIY. - - Centralbl. f. reed. Wissensch. 1875, S. 307. - - Untersuchuagen fiber die Eugwieklung des Knochen-

gewebes. Diss. Dorpat. 1875. 2) 1. r S. 37.

Die VerknScherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 309

zur Vervollstandigung der Auffassung yon K a s s o w i t z fiber die erste Knochenanlage noch hinzuftigen, dass nach ihm das Bildungs- gewebe aus dem erw~hnten glashellen, scheinbar strukturlosen, gegen Farbstoffe fast unempfindliehen, lebenden Grundgewebe be- steht, in welchem rundliehe oder mit Forts~itzen versehene und haufig aueh anastomosirende Zellen vertheilt sind.

Gegen die Annahme einer solehen Grundsubstanz l~tsst sich, wie ich schon erw~thnt, nicht viel einwenden; das Fehlerhafte der ganzea Theorie beruht abet in der Auffassung, dass diese Grund- substanz unabhiingig yon den Zelleu, der letzten Quelle alles orga- niseh Geformten, entstanden sei. Den Folgerungen, die Kasso- witz welter aus dieser ialschen Priimisse ftir unsere Frage zieht, wird kein gewissenhafter Physiologe oder Histologe so leieht Glauben schenken.

Er l:,isst diese ,seheinbar strukturlose" Grundsubstanz weiter e n e r g i s e h waehsen, die auf die obeu erwiihnte Weise entstan- denen FaserbUndel das zwisehenliegende Bildungsgewebe immer mehr einengen, bis zur Bildung zaekiger ZellhShlen, die er ftir die ktinftigen Knochenk(irperehcn zu halten scheint. An dieser Um- wandlung liisst er auch die Zellen theilnehmen, indem sie langsam in der fibrillSren Textur der Knochengrundsubstanz aufgehen.

Im Gegensatz zu diesen, der S t r i cke r -He i t zmann ' schen Sehule eigenthtimlichen Anschauungen stimmen neuere Angaben wieder mit den yon uns entwiekelten tiberein; so die ziemlieh aus- ftihrliehen yon M a s q u e l i n und Ju l i n und eine kurze Angabe yon G r a d e n i g o l ) , welche alle das H e r v o r g e h e n de r O s t e o - b l a s t e n aus den B i l d u n g s z e l l e n d u r c h V e r g r S s s e - r u n g u n d die a u s s e h l i e s s l i e h e B i l d u n g des o s t e o - g e n e n O e w e b e s a u f K o s t e n y o n Zel len betonen.

V. Die Knorpelkerne. A. Ers tes Auf t re ten . Im letzten besehriebenen Stadium

haben wir bereits die Ver~nderungen kennen gelernt, welche auf das nunmehrige Auftreten eines Knorpelkernes im oberen Theil des Gelenkfortsatzes hindeuten.

Wit beobachten dasselbe bei Sehafembryonen yon 51/2--61/2 em Liinge. Der folgenden Besehreibung liegt der Gelenkfortsatz eines 61/2 em langen Embryo zu Grunde; der Proe. glen. mit dem

1) Op. cir. Seite 311.

31o J o s e f S c h a f f e r :

Meeke l ' schen Knorpel, der einen dem ersteren parMlelen Strei- fen darstellt, ist isolirt in frontale Schnitte zerlegt.

Die Lamelle des aufsteigendcn Astes erscheint breiter, nach unten zu mi~ kurzen, parallelen Lamellen, die allseitig Osteo- blastenbelege zeigen, dureh Querbalken verbunden, also iiberge- hend in das netzartige KnochengerUst des Ah'eolarastes. iNach oben zu geht sic tiber in eine ann~ihcrnd kegelfSrmige, mit der abgerundeten Basis naeh oben gekehrte Masse grosser, knorpel- ~hnlicher Zellen, die gegcn die Oberflache des Gelenkkopfes hin immer kleiner, platter werden, ihre L~ngsaxen quer stellen nnd endlich mittelst einer ziemlich m~chtigen, rundzelligen Cambium- schicht tibergehen in das spindelige Periost, resp. Perichondrium. (Siehe Fig. 18, Taf. X.)

Die kn~cherne Anlage sammt dem Knorpelkern lieg't wieder in einem Bildungsgewebe, dessen, spindelige Zellen meist schr~g gegen Knochen und Knorpel verlaufen und welches reiehliehe, weite Blutgefasse durchsetzen, die meist parallel mit der Knochen- anlage verlaufen. Ieh habe die m~chtige Zellmasse, welehe nun das Langenwachsthum des aufsteigenden Astes tibernimmt, bereits als Knorpelkern bezeichnet; als solchen charakterisirt das Gewebe seine morphologisch-histologische Beschaffenheit, die grossen, ovalen Zellenh~hlen, welche sieh gegen die reiehliehe Grundsubstanz mit einem scharfen Rand (Kapsel) abgrenzen und die eharakteristischen, geschrumpften ZellkSrper. Eine Faserung der hyalinen Zwischen- substanz ist ebensowenig zn erkennen, als an anderen frisehen Hyalinknorpeln.

Auff'~llig ist das f~rberische Verhalten dieses Knorpelkernes, besonders im Vergleiche zum M e e k e l ' s c h e n Kuorpel. Dieser er- seheint mit I:I~matoxylin in der charakteristischen Weise fief blau gef~.irbtl), w~hrend der Condylusknorpel ganz farblos bleibt. Aueh mit der empfindliehen Safranintinction sehen wir ersteren eine tieforange F~irbung annehmen, wahrend letzterer kaam einen gelb- lichen Ton zeigt: der Knorpelkern ist eben wohl seiner morpho-

1) Ich glaube bier auf die Erseheinung besonders hlnwelsen zu mfissen, dass der Meckel'sche Knorpel anderen Hyalinknorpeln gegenfiber sehr frfih- zeitig als reifer d. h. histologisch und chemisch vollkommen vollendeter Hy- alinknorpel auftritt und halte es Fdr annehmbar, diesen Umstand mit selnem hohen, phylogenetischen Alter in Zusammenhang zu bringen.

Die VerknScherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 311

logisehen Besehaffenheit nach bereits eehter Hyalinknorpel, nicht aber seiner chemischen, er ist noch ein ,unreifer" Knorpel, you dem G r a d e n i g o 1) bekanntlieh gezeigt hat~ dass er sieh mit Hitma- toxylin nieht fiirbt. Ich halte diese Auffassung ftir kaum anfecht- bar und damit auch die Bedeutung der Blau- beztiglich Orange- f'Krbung des ,reifen" Knorpels mit den erwiihnten Farbstoffeu als ether chemischen Reaction Ftir h(ichst wahrscheinlieh.

Was das Wachsthum dieses Knorpelkernes anlangt, so ist das- selbe augenscheinlich ein appositionelles vom umgebenden Bildungs- gewebe her, indem wir da alle Uebergangsformen zwischen der grossblasigen Knorpelzelle bis zur spindeligen Zelle des anliegen- den Gewebes sehen, welche erst einen spiirliehen Protoplasmaleib besitzt.

Ausserdem mUssen wir noeh ein inheres, expansives Wachs- thum annehmen, dutch welches die anfangs dicht aneinanderliegen- den Zellen auseinanderrtieken und immer mehr Zwisehensubstanz zwischen sich aufnehmen. Nahe der chondrogenen Zone findet an den bereits differenzirten Knorpelzellen ausserdem noeh hSchst wahrscheinlich eine Zelltheilung statt, wie ich wegen der hier vor- kommenden vacuolisirten Kerne an Priiparaten aus Miil ler 'scher Flttssigkeit vermuthe. Speziell auf Kerntheilungen habe ich die Region nicht untersueht. Jedenfalls ist es auffallend, dass weiter naeh unten zu, wo die Knorpelzellen grSsser, gebi~ht werden, keine Spur yon vaeuolisirten Kernen zu findeu ist. Nach unten zu, wo der Knorpclkern sieh verschmKlernd in die primate Lamclle Ubergeht, vcrkalkt er bereits; zuerst in winzigen, diskreten KSrn- chert, die um die Kapsel in der InterceUularsubstanz auftreten, dann in griiberen Krtimmeln, die endlich zusammen fliessen zu eincm ziemlich breitbalkigen Kalkgertist, das noeh immer ein mehr minder kiirniges Aussehen besitzt und in dem die rundlieheu, ovalen Knorpelzellen etwas kleiner erscheinen, als in der hyalinen Grundsubstanz. Ob dieser subjective Eindruck, den ieh yon allen untersuchten Schnitten erhalten babe, auf einer wirkliehen Ein- engung der KnorpelhShlen dureh die Aufnahme yon Kalksalzen in die Zwischenzellsubstanz beruht oder auf dem Umstande, dass man bet den Zellen in der hyalinen Grundsubstanz immer leieht auf

1) E. G r a d e n i g o , Die embryonale Anlage des Mittelohres etc. (Mittheilg. a. d. embryolog. Inst. d. k. k. Univ. Wien, Heft 1887).

312 Jose / " S o h a f f e r :

den optischen Querschnitt einstellen kann, wahrend man in der undurchsiehtigen Grundsubstanz hie entscheiden kann, ob eine Zellhi}hle im grhssten Dnrehmesser getroffen ist, dlirfte sehon des- halb kaum dutch exakte ~fessung'en entschieden werden khnnen.

Sieher aber verleihen die vielfach nut gekappten H~hlen und die relativ reichliche, starre Zwischensubstanz dem ganzen Gewebe ein mehr osteoides Aussehen. Bei der Regellosigkeit der An- ordnung tier Knorpelzellen, welche nicht die geringste Orientirung zeigen, sondern mit ihren langsten Durchmessern naeh allen Rich- tungen aufeinanderstehen, entstehen Uherhaupt sehwer zu deutende, verwickelte Schnittbilder, die sich ,nit jeder geringsten Drehung tier Mikrometerschraube ver~ndern. Es kann oft den Anschein hubert, dass mehrere Zellen in eiuer I-Ihhle liegen; unterdessen projicirt sich eine tiefer liegende Zelle durch eine diinne, unverkalkte Scheidewand in eine dartiber liegende gekappte Knorpelhhhle, oder es hat sich eine vielkernige Riesenzelle yon unten her in den Knorpel eingelagert und wird yon oben dutch die Lumina meh- rerer Knorpelhhhlen gesehenl), die dann nattirlich such scheinbar yon Zellmasse mit mehreren Kernen erfiillt erseheinen u. s. f.; mit einem Wort, das Gewebe bietet auf den ersten Anblick an vielen Stellen, besonders dort, wo die Verkalkung gleichmassiger ist, e i n e A e h n l i c h k e i t m i t d e m g r o s s b l a s i g e n , p r i - m a r e n K n o e h e n im S t a d i u m d e r V e r k a l k u n g u n d d a r f t e n i c h t u n p a s s e n d a l s o s t e o i d e r K n o r p e l b e z e i e h n e t w e r d e n (siehe Fig. 17, Tar. X).

Schliesslich muss ich noch einer wichtigen Erseheinung ge- denken, welche far den yon tier endoehondralen Ossification ab- weiehenden Verkn~cherungstypus des Unterkiefers yon gr~sstem Belange ist: s o w o h l a n d e n s e i t l i e h e n O b e r f l i i e h e n d e s u n v e r k a l k t e n K n o r p e l k e r n e s , a l s s u c h a n d e n B u e k e l n u n d B u e h t e n d e s v e r k a l k t e n l a g e r n s i e h b e r e i t s O s t e o b l a s t e n an (siehe Fig. 18 u. 19), die such sehon einen sehmaten Saum einer homogenen oder leieht strichetigen, opalinen Substanz, in der hier und da eine Zelle halb eingesehlossen erscheint, auf den Knorpel ablagern. Ueber dessen Sehicksale und Bedeutung sol1 aber erst bei Besprechung der Ossification die Rede sein.

1) Ein u dessert bercits P omm e r (Yirch. Arch. Bd. XCII~ S. 306) als einer quelle yon T~-uschungcn erw~hnt.

Die VerknScherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 313

Es ertibrigt uns noeh die Querschnittsbilder dieses Stadiums zu bespreehen, welche uns das an Li~ngsschnitten gewonnene Bild vervollstandigen sollen und andererseits Aufschluss geben tiber die Topographie des Knorpelkernes in den tieferen Partien.

Verfolgen wit das Quersehnittsbild yon oben naeh unten, so treffen wir knapp unter dem Periehondrium das zellreiche Bildungs- gewebe, das nur spi~rliehe Grundsubstanz erkennen l~sst, in dem aber einzelne, dureh Eosin markant gefarbte (also blutftihrende) Blutgef'~sse verlaufen, die aus dem reiehen Gefi~ssnetz, das um den Gelenkkopf und zwischen diesem und dem Meekel 'schen Knorpel verliiuft, eindringen. An den folgenden Schnitten nimmt die Grundsubstanz gegen die Mitte zu, d. h. die Zellen rticken da auseinander und neben den rubinrothen Blutgefasspunkten sehen wir sehon hier und da eine rundliche Insel in der Form etwas yon der Umgebung abweiehender, mit starker blau gef'~irbten Kernen versehener Zellen, die sich meist um ein Gefi~ssehen gruppiren; nieht immer jedoeh ist ein solehes zu erkennen.

Schon auf dem ni~ehstfolgenden Schnitte bemerken wir aueh eine Differenzirung zwischen dem centralen und peripheren Ge- webe. Dieses nimmt deutlieh den Charakter eines faserigen oder Spindelzellgewebes an, in dem wir auch Gei.issehen parallel der Faserriehtung d. h. senkrecht zur Langsaxe des aufsteigenden Astes streichen sehen, wiihrend im Centrum die farblose Grund- substanz in breiteren Ztigen die blasser gef'arbten, etwas gri~sseren, dreieckigen, halbmondfSrmigen, in abgegrenzten HShlen liegemen Zellen umgiebt, wieder von nesterartigen Gruppen kleiner Rund- zellen unterbroehen. Wir tiberzeugen uns also am Quersehnitte besser als am L~ingsschnitte, dass der Knorpelkern nicht solid ist, sondern bereits beginneude Canalisation zeigt, welche mit einer yore Periehondrium ausgehenden Vaseularisation Hand in Hand geht. Untersueht man diese Zelluester (Quersehnitte der Knorpel- kanale; Fig. 19 Kk) mit starker VergrSsserang, so findet man, dass die Protoplasmaleiber der Zellen keine deutliehe Abgrenzung erkennen lassen, vielmehr gegen den Knorpel zu eineu iihnliehen opalinen Saum bilden, wie der Osteoblastenbeleg rings um den Knorpelkern (Fig. 19 O).

Was ist nun die Entstehungsweise dieser Knorpelkaniile, was ihre Bedeutung? Wir wollen auf die mannigfaehen Deutungen, die sie erfahren haben~ nieht nigher eingehen; hier nur so viel, dass

Archly f. mikrosk. s Bd. 32. ~0

314 J o s e f S o h a f f e r :

ieh die Frage nach der Abgrenzung dieser Zellnester im Inneren des Knorpelkerns gegen diesen und des Knorpelksrns gegen das umgebende Bindegewsbe ohne Studium dsr Mitosen ftir nieht wohl entscheidbar halte.

J u 1 in zeichnet die Zellnester hervorgegangen aus Theilung der Knorpelzellen und das den Knorpelkern umgebende Fass r - z e l l g e w s b e wird yon den msisten Autorsn ftir eine chondrogene Sehicht gshalten, so dass es also dis Matrix dieses Knorpelkernes ware, eine Ansieht, deren Riehtigkeit aueh wir hetont haben.

Was aber die Auffassung tiber den Knorpelkanalinhalt be- trifft, welchs ihn aus einer Proliferation der Knorpelzellen hervor- gehen l~isst, so erinnere ich daran, dass der Knorpel ja selbst aus dem Bildungsgewebe hervorgegangen ist; sollte diese Entwieklung nun an einzelnen Stetlen wieder umgekehrt werden? Dies ist wenig wahrseheinlich und diirfte noch schwerer zu beweisen sein.

Wohl abet betone ich nochmals, wie wir am Embryo yon 5 em gesehen haben, dass sieh das Uebergangsgewebe znm Knorpel und dieser selbst nieht als geschlossene, den ganzen Gelenkkopf erfiillende Masse, sondern (am Sagittalschnitt gesehen) in mehr minder breiten Ztigen entwickelt (siehe Fig. 14 bl.), so dass also, k~rperlich gedacht, der Knorpelkern sehon w~hrend seiner Ent- wickhmg mit Kan~tlen versehen wird. Was muss nun der Inhalt dieser Kaniile ssin? Nattirlieh das Gswebe, welches wir zwisehen den Ztigsn des werdenden Knorpels sahen, das ist Bildungsgewebe, osteogene Substanz, in weleher, wie vordem Ze]lvermehrung und Blutgef,4ssneubildung oder, da sie ja bersits Gefiisse enthiilt, Weiter- bildung stattfindet. So wird uns der opaline Santo um diese Ka- nRle verstlindlich and unsere Deutung erfiihrt eine weitere Be- stRtigung bei Betraehtung tiefer liegender Querschnitte.

Legt man dutch die Basis des Kronsnfortsatzes, knapp unter dem freien Rande der Ineisura semilunaris einen t][orizontalschnitt, der dann aueh den Processus glenoidalis trifft, so finder man im eigenflichsn K(irper des Gelenkkopfss keinen Knorpelkern mehr, sondern nur eine sagittale Lamells, wslshe tibergeht in den weiter gegen die Ineisur gertiekten Knorpelkern, der hier als mliehtiges Gebilde zwisehen Proe. glen. und cot. auftritt (Fig. 19 Kp).

An sinem noeh tieferen Schnitte erseheint er ganz in die Incisur gertiekt, bildet noeh sin ziemlieh grosses, dreieekiges Ge- bilde und geht endlieh, sich nach untsn zu versehmiiehtigend, in

Die Verkn5cherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 31~

das Knoehengewebe des aufsteigenden Astes tiber. W i r h a b e n

s o m i t d e n m t t e h t i g e n K n o r p e l k e r n i m G e l e n k -

k o p f b e s t R t i g e t ; s i n e i g e n e r K n o r p e l k e r n f t i r

d i e I n e i s u r e x i s t i r t n i e h t , sondern der hier thatsRehlich

vo rkommende Knorpel ist die Spitze der Knorpe lpyramide , welehe

sich naeh vorne, gegen die Basis des Kronenfor tsatzes hin krllmmt,

wRhrend ihr K~rper den Ge lenkkopf mehr m i m e r ausfUllt.

Ich will hier, bevor ieh die weiteren, allen Knorpelkernen

gemeinsamen Schieksale und ihre his tologischen Eigenthtlmlieh-

kei ten bespreehe, noch der anderen, im aufsteigenden Kieferast

vo rkommenden Knorpelkerne gedenken.

Der fur uns wichtigste und interessanteste ist der vielbe-

str i t tene Knorpe lkern des Kronenfortsatzes.

Der Erste, der d esselben Erw[ihnung thut, ist meines Wissens B r u e h I), der bei Besprechung des 2 Zoll langen RindsfStus hervorhebt 7 dass am hintereu Eude des Knochenscherbchens, als welches urspr[inglich der Unterkiefer ange- legt war drei iibereinanderstehende7 knorpelige Apophysen yon betr~ehtlicher St~irke aufgetreten sind, welehe dem Proc. coronarius, glenoidalis uud angulus max. inf. entsprechen und die Form des definitiven Unterkiefers herstellcn. Er setzt noch hinzu~ dass in der Apophyse des Proc. coron, welche die kleinste ist, die Grundsubstanz nich~ ganz hyalin, sondern etwas tr[ib und streifig gefunden wird, wie in m~nchen Fascrknorpeln.

Weiter w~ire St rel z o f f zu nennen, der beim Sehweineembryo einen knorpeligen Punkt Ms die Spitze des Kronenfortsatzes land und in seiner ausftihrliehen Arbeit Taf. III Fig. 15 Knorpelreste im Proc. coron, zeiehnet, wozu B rock s) bemerkt, dass er so etwas nie" gesehen habe.

S t r e 1 z off geht nicht n~her auf die Beschreibung dieses Knorpelpunktes ein, er musste eigentlieh sein Vorkommen consequenter Weise annehmen, da er ja den ganzen Unterkiefer knorpelig vorgebildet sein l~isst. Eine ge- naue Besehreibung und unzweifelhafte Best~tigung des Knorpelkernes im Kronenfortsatz liegt eigeatlich nur yon M a s q u e l i n vor, der ihn bei mensch- lichen Embryonen nachwies und seine VerknScherung, allerdings im meta- plastisehen Sinne, eingehender beschrieb. Bei den [ibrigen Forschern, welche s ieh mit der Entwieklung des Unterkiefers besch~ftigen, finden wir keine Angabe tiber einen solehen Knorpelkern oder sie stellen sein Vorkommen direkt in Abrede. So scheint er sonderbarer Weise S t i eda entgangen zu sein und K a s s o w i t z sah im Kronenfertsatz nie Knorpel, ,sondern h~ehstens eln mit grossen ZellenhShlen versehenes, osteoides Gewebe", welches er an

1) 1. c. S. 158. 2) 1. e. S. 319.

316 J o s e f S c h a f f e r :

anderer Stelle 1) als veto Perlost gelieferten, direkt ossificlrenden Faserknorpel bezeichnet.

Ich konnte hinwiderum im Kronenfortsatz yon Schafembryonen einen wohlentwickelten, hyalinen Knorpelkern best~itigen, so dass ich mir zuniiehst die Frage vorlegen musste, weber in diesem Punkte die Ungleichm~issigkeit in den Angaben der versehiedenen Autoren riibre. M a s q u e l i n suchte sie in einer thats:,'tchlichen Variation bei den verschiedenen S~iugethieren und beim selben Thiere mit dem Alter des Embryo zu erkl~iren und ftir den letzten Theil dieser Anschauung muss ich mich vollst~,indig anschliessen.

Wiihrend der Knorpelkern im Gelcnkfortsatz schon schr fr/ihe auftritt und bis zur Geburt fortbesteht, daber kaum tibersehen wer- den konnte, bleibt der Kronenfortsatz des Scbafes lange Zeit ohne Knorpel; erst beim Embryo yon 121/2 cm konnte ich an der Spitze des Prec. eoron, einen wohldefinirten, hyalinen Knorpelkern nachweisen, der fortan auch bier das L~ngenwaehstbum iibernimmt.

Aber die Dauer dieses Gebildes ist ebenfalls eine relativ kurze und bereits beim Embryo yon 211/2 cm /st er an der Spitze gesehwunden und nur einzelne Ueberreste yon Knorpelzellen, dereu Stehenbleiben wir fur die Ossification des Unterkiefers als charakte- ristiseh kennen lernen werdcn, deuten auf die einstige Anwesenheit eines Knorpelkernes. (Ieb muss hier bemerken, dass ich anderer- seits bei einem Embryo yon 24 cm L~inge noeh Knorpel in der Spitze des Kronenfortsatzes fand. Ob diese Differenz dutch einen Fehler in der Messung, oder thats~ichliehe Variation im Zeitpunkt seines Zugrundegebens bedingt ist, kann ieh nieht sieher entsoheidon.)

Sp~iterhin sehwinden aueh diese Reste und der gauze Kronen- fortsatz besteht nur aus parallelen Knoehenl~ngsbalken, welehe dutch kurze Quer- und Sehr~igbalken verbunden und direkt vom Periost Uberzogen sind.

So ist es begreiflieh, dass Einem sogar bei Untersuchung mehrerer Entwicklungsstadien dieses transitorische Gebilde eut- gehen kann und man um so v/el weniger berechtigt ist, aus der Untersuehung eines Exemplares auf das Fehlen des Knorpelkernes zu sehliessen, wie es J u l i n fiir den yon ihm benutzten Embryo yon Balaenoptera rostrata thut, we man gerade aus seiner eigenen

1) Med. Centralblatt 1877, Nr. 5.

Die YerknScherung des Unterkiefers u~l die Metaplasiefrage. 317

Beschreibung, wie wir sehen werden, auf ein solches V'orkommen sehliessen kann.

Ieh glaubte nun zu dem Sehlusse bereehtigt zu sein, dass der Knorpelkern im Kronenfortsatz bei alien Thieren nur eine vorUber- gehende Bedeutunff besitzt, wohl auch alien zukommt, abet aus dem erwahnten Grunde bei den meisten tibersehen wird. In dieser meiner Annahme wurde ieh wieder wankend, als ieh bei zwei ziemlieh versehiedenen Entwicklungsstadien yon Schweinsembryonen (16 em u. 35,7 cm) keine Spur eines Knorpelkernes entdecken konnte.

:Nun drangte sich mir die Vermuthung auf, dass das Auf- treten des Knorpelkernes mit der Lange des Kronenfortsatzes in Zusammenhang zu bring'en ware und nur jenen Thieren zukomme, die einen langen Kronenfortsatz besitzen, wie dies bei den meisten Wiederkiiuern und beim Mensehen der Fall ist, wahrend er bei der Bildung eines niederen, hSekerfSrmigen, wie ibn das Sehwein be- sitzt, nberfltissig ist.

So wi~re ieh jedoeh selbst in den yon mir gertigten Fehler verfallen, denn ich hatte nut zwei Schweineembryonen diesbe- ziifflich untersucht und ausserdem widersprach dieser Annahme die BeobachtungS t re lzoff ' s , derja auch beim Schwein einen Knorpel- punkt im Kronenfortsatz erwahnt.

Die exaete L~isung der Frage wUrde eine umfangreiehe, zeit- raubende Untersuehung eribrdern, auf die ieh reich night einlassen konnte und so begnUge ieh reich hier beim Sehafembryo einen wohlentwiekelten, hyalinen Knorpelkern naehgewiesen zu haben, kntipfe abet daran die naeh dem Gesagten ffewiss bereehtigte Ver- muthung, dass d e r G r a d s e i n e r E n t w i e k l u n g u n d d i e D a u e r s e i n e s V o r h a n d e n s e i n s m i t d e r G r ~ s s e d e s f e r t i g e n K r o n e n f o r t s a t z e s i n Z u s a m m e n h a n g zu b r i n g e n i s t under daher bei Thieren mit sehwaeh ent- wiekeltem Kronenfortsatz leieht tibersehen werden kann. Das Auf- treten und alas Waehsthum des Knorpelkernes im Kronenfortsatz beim Sehafembryo ist ganz analog dem im Gelenkfortsatz.

Er bildet am Frontalsehnitte (Fig. 22, Tar. XI) einen langen, sehmalen Streifen, der aueh hier bis gegen die waehsende Spitze direkt yon Osteoblasten tiberlagert erseheint, die abet alsbald Knoehen produeiren, so dass der Knorpelkern mit Ausnahme seiner Spitze allseitig yon einer Knoehenkruste tiberlagert erseheint, was an Safraninpr~paraten besonders plastisch hervortritt (Fig'. 22, Kn).

318 J o s e f S c h a f f e r :

Da die Oberfl~iehe des Knorpelkernes keiae gleiehmtissige ist, son- dern einzelne Zellen und Zellengruppen buekelige, halbovoide Vor- ragungen bilden, so findet die Auflagerung yon Knochen oft zwi- schen zwei benachbarte Knorpelzellen hinein statt, so dass diese fast ihrem ganzen Umfange naeh yon Knoehen umsehlossen er- scheinen; die dadureh hergestellte, innige Continuitiit kann sehr leieht zur fehlerhaften Annahme einer stattfindenden Metaplasie ftlhren, umsomehr, da sich dieser aufgelagerte Knochen bei Ftir- bungen ~hnlicher dem Knorpel verhtilt und erst, wenn die Schieht dicker, der Knochen tilter wird, die Grenze zwischen beiden Ge- weben deutlicher wird. Mit HUlfe der Safl-anintinction kann man jedoch stets eine seharfe Grenze erhalten und wird so, wenn man auch noch den Entwieklungsgang der Gewebe berticksiehtigt, leicht erkennen, dass der Knochen hier eine neoplastische, veto Knorpel unabh~ngige Bildung ist.

Die Verhtiltnisse an der wachsenden Spitze wurden bereits yon Masque l in ausftihrlieh beschrieben, es sind ganz dieselben, wie beim Gelenkfortsatz, auch hier findet ein al]mtihlicher Ueber- gang yon den fertigen Knorpelzellen bis zu den spindeligen Zellen des Perichondriums statt, welche Uebergangssehicht bereits B r oc k als den Ausdruck des Knorpelwachsthums auffasste und die Hi t ter 1) far den wachsenden Gelenkfortsatz so trefflich beschrieben hat.

Was den yon den Autoren erwtihnten Knorpelkern im Angulus anlangt, so konnte ich sein Vorhandensein ebenfalls nachtrtiglich constatiren, ohne aber iiber Form und Entwicklung ntihere An- gaben maehen zu k~nnen. Nur muss ich fur Schafembryonen wenigstens auch hier wieder seine Unabh~ngigkeit yore Knorpel- kern des Gelenkkopfes betonen.

B. W e i t e r e E n t w i e k l u n g . Kehren wir nun zum Knorpel- kern des Gelenkknopfes zurtiek und verfolgen wir seine weitere Entwicklung, so k~nnen wir zuntichst schon im folgenden Stadium {71/2 cm) eine bedeutende Volumzunahme desselben constatiren. Er bildet fast den ganzen Gelenkkopf und hat das Cambium auf eine relativ schmale Zone zurtickgedr'~ngt, so dass dieses nur innen, oben eine breitere, vorspringcnde Schicht bildet (Fig. 4, Tar. IX).

1) Virchow's Archiv Bd. 29, S. 121.

Die VerknSchcrung des Untcrkiefers und die ~Ietaplasiefrage. 319

Gegen diese und naeh der Gelenkfliiche zu grenzt sich der Knorpelkern mit ziemlich scharfem, geradlinigem Contour ab, so dass seine Form viel priignanter crscheint, als im vorigen Stadium. Eine beili~ufige Messung mit dem Ocularmikrometer ergab eine Hiihe yon 1,5--2 mm.

Am Frontalschnitte erscheint er als abgestutzte Pyramide, deren Basis naeh oben gekehrt ist und eine leichte ~.Neigung yon aussen nach innen zeigt, welehe auch noch die fertige Gelenkfl:,tehe beim crwachsenen Thiere beibehi~It.

Was uns welter aut~,illt sind die miichtigen und zahlreieheu Kani~Ie, welehe den Knorpelkern in axialer Riehtuug yore Periehon- drium aus durchsetzen und die Verkalkung, welehe you unten nach oben ziemlich unregelm~tssig in den KnorpelzUgen zwisehen diesen Kan:,tlen fortschreitet. Aussen und lunch wird der KnorpeN kern yon einer schmalen Lamelle begreuzt und zwar reieht die itussere immer viel welter nach oben. Der innere, oberste Theil des Gelenkkopfes, wo noch Knorpelbildung erfblgt, ist uuver- kalkter, hyaliner Knorpel mit der erw:~thnten, miichtigcn Cambium- schicht, welche vom Ende der Grenzlamelle an nach innen vor- springt und so die Kopfform des Gelenkfortsatzes vollendet (Fig. 4, Tar. IX).

Bedeutung und Sehieksale dieser Greuzlamelle sollen bei der Ossification besprochen werden.

Der Art tier Verkalkung habe ich bereits gedaeht, ich e r - wahne nut noeh, dass wiihrend im Beginne derselben racist mehrere geblahte Knorpelzellen. yon einem zierlichen, perlschnurfSrmigen Kranze dunkler KSrnehen umsehlossen werden, sparer diese KSrn- chert zusammenfliessen zu groben KSrnern und Krtimmeln und gegen das untere Ende des Knorpels die Zellen endlieh yon dieken, mit H:,tmatoxylia intensiv gei~rbten Balken eingeschlossen werden, so dass wieder jener osteoide Knorpel entsteht, der unmittelbar an die Knoehenbi~Ikchen der primli, ren Lamelle stSsst.

In den ni~ehsten Stadien erreieht der Kuorpelkern bereits seine vollstitndige Entwiekluug, d. h. er fiirbt sich zuniiehst an der Innenseite in mehr minder welt hinaufreichenden Ztigen mit Hiimatoxylin blau, nimmt an Breite zu~ wodureh das C~mbium auf e ine sehmale Schieht zusammengedrangt wird und seine Zellen zeigen ganz eharakteristische Eigenthtimlichkeiten, die wir im Folgenden besprechen mtissea.

3~0 J o s e f S c h a f f e r :

Weiter macht sich die Erseheinung immer mehr bemerkbar, dass die Knorpelzellen nacb unten zu, wo sic an Knochen stossen, immer gr(isser werden, weshalb man auch bier, wenn man will, mehrere Sehiehten am Knorpelkern unterscheiden kann, eine chon- drogene, kleinzellige and grosszellige (hypertrophisehe, Ju 1 i n), wozu spiiter, wenn sieh eine Ossificationslinie ausbildet noch eine vierte kommt, so dass dann die kehnliehkeit mit einem Epiphysenknorpel allerdings nieht yon der Hand zu weisen ist.

Endlich ist der Knorpel ehemiseh und morphologiseh fertig; er fi~rbt sieh in allen seinen Theilen mit Safranin gelb oder mit Hamatoxylin blau, nur die Schieht knapp unter der ehrondrogenen Zone bleibt immer farblos oder zeigt nut Spuren yon Fi~rbbarkeit. Diese Beobaehtuug machte auch N e u m a n n 1) mit der Jodfi, irbung der Knorpelzellen, die er ebenfalls ftir ein physiologisches Attribut derselbeu halt; ,schon beim Embryo tritt die Braunfitrbung mit Jod auf, eine Ausnahme machen nur die platten, kleinen Knorpel- zellen, die an der Peripherie dicht unter dem Periehondrium liegen; sie scheinen stets fi'ei yon der Ver~inderung zu bleiben". Der Knorpelkern effiiIlt den ganzen Gelenkkopf; aber noch immer ist er yon einer Gewebssehiebt Uberzogen, die eine deutlicbe Scbieh- tung erkennen l~tsst and zwar folgt auf die platten, spindeIF6rmigen ZeIlen der chondrogenen Zone eine sehmale Schicht kleiner Rund- zeUen mit intensiv blaugeF~irbten Kernen und auf diese erst das faserzeIlige Periehondrium.

W~hrend gegen die Gelenkfl~,iehe zu die chondrogene Schicht immerfort Knorpelzellen producirt, lockert sie sich an den Seiten auf und liefert einen mehr minder eontinuirlichen Osteoblasten- beleg ftir den Knorpel, dessert wit bereits beim Embryo yon 61/2 em gedaeht haben.

B i s h e r i s t d e r K n o r p e l k e r n d u r e h v e r k a l t e n ( o s t e o i d e n ) K n o r p e l i m m e r g a n z a l l m ~ t l i e h i n d e n c h o n d r o i d e n K n o e h e n d e s a u f s t e i g e n d e n A s ~ e s t i b e r g e g a n g e n ; n a n b e g i n n t s i e h (beim Embryo yon 10 cm im vorderen Drittel) e i n e O s s i f i e a t i o n s l i n i e a u s z u - b i l d e n , d. h. der Knorpel setzt sieh scharf gegen das andrin- gende Markgewebe, das zahlreiehe und weite Geftisse hesitzt, ab und zugleich tritt an die Stelle der Osteoblastenresorption des

1) Arch. f. mikr. Anat. Bd. 14, 1877, S. 54.

Die VerknScherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 321

Knorpels naeh und nach ein Aufl~sungsprocess desselben, der bei der Ossification nRher beschrieben werden soll.

Weuden wit uns nun zur Bespreehung der morphologisehen und histologischen Eigenthtimlichkeiten der Knorpelzellen selbst, so haben wit bereits gesehen, dass i h r e A u o r d n u n g in d e r Grund- s u b s t a n z ei ne r e g e l l o s e ist, indem sic ziemlich gleichmlissig in derselben vertheilt sind, was auch H. Mti l ler ftir den Gelenk- kopfknorpel des Ncugeborenen hervorhebt.

Ist im Anfange der Knorpelbildung die Zwischensubstanz noch eine reichliche, wie sic es gegen die Waehsthumsfii~ehe des Knorpels immer bleibt, so wird sic d u r c h V e r g r S s s e r u n g d e r Ze l l h ( i h l en bald so sp i i r l i ch , dass der Gelenkkopfknorpel, ~hulich wie der Kopil~norpel der Petromyzonten, so recht ein Bei- spiel far das Gewebe wird, welches Ki i l l iker 1) als Z e l l e n k n o r - pel, R o l l e t t 2) als P a r e n c h y m k n o r p e l bezeichnet hat, wobei man aber nicht an ein Zellparenchym im strengen Wortsiune, nRm- lich ohne jede Zwischensubstanz denken darf.

Diese characteristische Eigenthtlmlichkeit des Kuorpels ist abet auch yon grossem Einfiuss auf das sonderbare Ossifications- bild und bedingt sp~itcr den Hauptunterschied vom verknScherndcn Epiphysenknorpel, den das ,,Gerichtetsein" der Zellen auszeichnet.

Fig. 25 gibt uns ein ziemlieh naturgetreues Biid des Gelenk- kopfknorpels eines Embryo you 121/2 cm LRnge. Betraehten wit die einzelnen Zellen, so wird uas ihre Aehnliehkeit mit pfianz- lichen Zellen sogleich auffallen und in der That hebt dies V i r - c ho w in seiner Cellularpathologie (4. Anti. S. 8) hervor und vcrgleieht man die yon ihm gegebene Abbildung einer mit Wasser behandeltcn Zelle yon Solanum tuberosum, so wird man unmittel- bar an unsere Bilder erinnert, ohne dass freilich die Homologie der Theile eine ebenso leicht zu deutende wih'e.

Eine weitere Eigenthiimlichkeit ist das f~rberische Verhalten der einzelnen Zellen.

An nnserem Pr~parate (Fig. 25), welches mit H~imatoxylin- Eosin doppelt gefarbt ist, erseheint die Kapsel dunkelblau, die sternfSrmige Protoplasmamasse der Zelle leuchtendroth und ausser- dem sieht man aber noch am die Zelle ein blutgefRrbtes Netz-

1) KSlliker, Gewebelehre 1867, S. 66. 2) Str icker 's Gewebelehre S. 79.

322 J o s e f S c h a f f e r :

werk, das oft sternf'6rmig, als Fortsetzung der Zacken der Knorpel- zclle erseheint, aber doeh etwas yon ihr verschiedencs ist. Oft erinnert dieses perieellulare Gebilde in seiner Form an die Dritseu- k~rbe gepiuselter DrUsen (R').

Wenn es bei vorgesehrittener Ossification zu einer Eriiffnung der KnorpelhShlen kommt, so sehen wir zuerst dieses ~etzwerk schwinden, die rothgefitrbte, gesehrumpfte Zelle bleibt noch oft im Bereich der blaugefErten KapseI liegen (R). Dies gesehieht fast re- gelmiissig in der Zellsehicht, welche unmittelbar an das Markgewebe stlisst and welche daher an H~imatoxylinpr~iparaten als h e l l e r S t r e i f e n erscheint (vgl. S. 352). Br ueh scheint nach der yon nns S. 288 citirten Stelle der Ansieht gewesen zu sein, dass die zaekige Sternform auch den intacten Knorpelzellen zukomme; wit mtisseu daher, um zu einer richtigen Ansehauung dieser Verh:~tltnisse zu gelangen ganz frische PrEparate untersuehen. Fertigt man vom Gelenkkopfknorpel eines eben getSdteten, jungen Lammes Schnitte an und untersucht sic im humor aqueus des Thieres, so finder man die Zellen ihre H(ihlen vollkommen ausftillen, wie beim typischen Hyalinknorpel. Sic sind dicht gedr:,ingt, ihre sh~rk gl:~tnzenden Umrisse, welche nichts anderes sind als die sp~trliche Zwisehen- substanz, durchschneiden sich vielfaeh optisch, iihulich wie die Con- turen yon Fettzellen.

Das Plasma der Zelle ist g'egen die dasselbe umgebende, spiirliche Zwisehensubstanz so blass und sehwaeh lichtbrechend, dass auf den ersten Anbliek die Hiihlen leer erseheinen, um so mehr, als man den Kern der Zelle nicht wahrnimmt.

l~ach langerem Liegen im humor aqueus treten im Protoplasma reichlich Vacuolen auf, so dass es wie ein Schwamm mit rSthlichen Masehen aussieht.

In physiologischer KochsalzlSsung untersneht geben die Pr:,t- parate ein ~hnliches Bild, nnr werden die Kerne als kugelige, doppelt eontourirte Gebilde sehwaeh siehtbar and treten nach l:,tngerem Liegen stark lichtbreehende KSrper im Plasma aui:

Seharf treten die Kerne bei Behandlung mit 1/2~ Alaun- liisnng hervor und da sieht man auch immer zwei oder auch mehrere stark g'l:~tnzende Kiirnehen in demselben, wovon eines durch seine GrSsse sieh als KernkSrperehen erweist. Aueh die Kapseln treten als ungemein stark gliinzender, doppelter Contour hervor, abet die Zellen eri~il]ea noeh die gauze H(ihle. lqie sieht

Die Yerknlicherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 323

man solche halbirte oder in Quadranten zerfallende Zellen, wie z. B. im Knorpel des Obersehenkelkopfes yore Frosch, sondern sie sind alle gleichm~ssig kugelig oder ovoid. Auoh ist die Consistenz des Knorpels beim Sehneiden eine sehr weiche, fast sueculente, was einerseits vonder geringen Zwisehensubstanz, andererseits yon einer in der ZellhShle frei vorkommenden Fltissigkeit her- riihren maff.

Denn, trotzdem die Zelle der Kapsel ganz anzuliegen scheint, m t i s s e n w i t z w i s e h e n b e i d e n n o e h e i n e S p a r f r e i e r F l t i s s i g k e i t a n n e h m e n , umunsdiesonderbaren Bilder an in Chromsalzen ffeharteten Pr@araten zu erklaren.

Dutch den Hartungsprozess sehrumpft die ausserordentlieh cmpfindliche Zelle und die sparliche, pericellulare Fltissigkeit ge- rinnt in der erwahnten Form. Eine andere Vorstellung ware h~chstens die, dass die Zelle bei der Sehrumpfung Fllissigkeit aus- presst, welehe gerinnt; dann ware mir abet das auffallend ver- schiedene Verhalten gegen die zwei Farbstoffe unerkl:,~rlieh.

h'och eine wichtige Beobachtung kSnnen wit am frisehen Praparat machen. G e g e n d i e K n o r p e l k a n a l e , wo d i e Z e l l e n i m m e r k l e i n e r w e r d e n u n d g ' e g e n d i e V e r - k a l k u n g s g r e n z e zu t r i t t e i n e p h y s i o l o g i s c h e S e h r u m p f u n g d e r s e l b e n a u f und zwar sehon dann, wenn aueh nut die ersten Spuren der Verkalkung in Form tier winzigen, glanzenden KSrnehen in der Intereellularsubstanz zu sehen sind.

Der Kern bleibt zunachst noeh deutlich, das Protoplasma zieht sieh zusammen, wird grobk~rniff, endlieh versehwindet aueh tier deuttiehe Kern and in der grossen H~hle liegt ein ver- sehrumpftes, zaekiges Protoplasmakltimpehen, die ehemaliffe Zelle.

Alle diese Beobaehtungen konnte ieh an anderen Objeeten (Kaninehen) bestatigen; damit im Einklang stehen aueh gewisse Bilder am gehi~rteten Praparat. Auch hier kann man in den noch unverkalkten Partien des Knorpels die Kerne noeh deutlieh er- kennen, w~ihrend sie ffegen die V e r k a l k u n g s - u n d E r ( i f f - nungs f f renze zu g~inzlieh zu m a n g e l n sche inen oder doch die wenigen Bilder, welche noch fUr die Anwesenheit der Kerne gedeutet werden k~innen, als Unterg'angsbilder derselben impo- niren.

Gegen die Er ( i f fnungszone zu s e h e i n e n die Knorpel-

324 J ' o s e f S c h a f f e r :

z e l l e n a l s o o f f e n b a r d e m U n t e r g a n g e v e r f a l l e n , eine Beobachtung, auf die wir bei der Ossification noch zurUckkommen

werden. Ich muss mlch bier einfach mit tier Beschreibung dieser VerhKltnisse

begnligen, ohue auf ihre Deutung n~her eingehen zu kSnnen. Ich erinnere nur, dass Brunn 1) zwischen Knorpelzelle und Kapsel eine freie Fliissigkeit annehmen zu mlissen glaubt, yon der S t r e l z o f f angiebt, dass sie sich mit H~matoxylin blau fiirbt, w~hrend Kassowitz, der sich auf die Seite der N eumann'schen Auffassung stell~, diese Pericellularsubstanz als ein granu- lirtes, durchsichtiges, nicht tingirbares Gewebe bezeichnet.

Wenn Pruddeu 2) in der sternfSrmigen Verschrumpfung der Knorpel- zellen nicht unbedingt ein Zeichen des Todes sieht, so ist dies fiir viele ver- schrumpfie Zellen richtig; wohl aber miissen wir die physio]ogische Schrum- pfung im Verkalkungsgebiet, an den Knorpelkan~ileu und an der Ossifications- grenze als ein Zeichen beginnenden Verfalls auffassen, wobei ich mich gegen den etwaigen Einwand, als ob auch diese Schrumpfung durch mechanischen Insul(oder Wasserwirkung ents~anden sei, verwahren muss, indcm man dies durch vielfache und aufmerksame Be~rachtung wohl auscinander halten kann.

Was die weiteren Schicksale des Knorpelkernes betrifft, so sehen wir in den folgenden Stadien, dass er in dem Maasse schwindet~ als die Verkniicherung vordringt (vergl. Fig. 8--12), so dass er zuletzt (Fig. 12) nur mehr einen sehmalen, oberflach-

lichen Strcifen darstellt. Wie wir bis jetzt an allen untersuchten Stadien gesehcn

haben und wie bereits B r o c k und S t i e d a betonen, r a g t d e r K n o r p e l d e s G e l e n k k o p f e s n i e n a c k t in d i e G e - l e n k h 5 h l e , sondern ist immer yon einer dicken Sctlicht spin- deliger Zellen tiberzoffen, deren Liingsaxen senkrecht zur Ober- fl~tche ffestellt sind und die in den frtihcrcn Stadien erst vermittelst verschiedener Uebcrgangsformen, deren Gesammtheit wir nun als c h o n d r o g e n e S c h i c h t bezeiehnen mtissen, in die wohlgebildcten Knorpelzellen tiberffehen. Die beiden obengenannten Autoren be- zeichnen diesen Fasertiberzug als Periost, weil derselbe ursprting- lich die erste Anla~e, welche eine intermembraniis kn(icherne ist, tibcrzieht. Spiiter wird er zum Perichondrium und beh~ilt diese Bedeutunff wlihrend des ganzen FStallebens, ja tiber dieses hinaus. Betrachten wir jedoch einen Frontalschnitt dureh den Gelenkibrt- satz eines jungen Lammes (Fig. 13)7 so schen wir die sonderbare

1) Arch. f. Anat. u. Phys. 1874. 2) u Archly 75. Bd., 1879.

Die VerknScherung des Unterkie~'ers und die Metaplasiefrage. 325

Erscheinung, d a s s s i e h d a s g a n z e P e r i e h o n d r i u m - - und damit bekundet es am besten seine chondrogene Aufgabe - - a u f l ( i s t in e i n e n s c h m a l e n K n o r p e l t i b e r z u g m i t o b e r f l i t c h l i c h k l e i n e n , r u n d e n , d i c h t g e d r i ~ n g t e n K n o r p e l z e l l e n .

VII. Die Ossiflcationsvorg~nge an den Knorpelke~rnen.

1. V e r k n i i e h e r u n g d e s K r o n e n f o r t s a t z e s .

Wie ich schon mehrmals betont babe und wie theilweise be- reits aus demVorhergehenden ersichtlich ist, liegt der Grand der Annahme einer metaplastischen Ossification am Unterkiefer in dem regellosen Neben- und Durcheinandcr yon morphologisch ahnlichen, aber genetisch verschiedenen Geweben, welches eine Verfolgung der Entwicklung derselben ungemein sehwierig macht. Wit haben weiter gesehen, wie beim Gelenkfortsatz sich erst naeh und nach eine Ossificationslinie ausbildet, die Knorpelh(ihlen jedoch unregel- miissig er(iffnet werden, da die Zellen nicht in langen Reihen an- geordnet sind, zahlreiche Inseln geschlossener Knorpelzellen in die Region des jungen Markgewebes gerathen und hier, yon verschie- denen Seiten yon neoplastischem Knochen Uberlagert, eingesehlossen werden und die Verfolgung des Zusammenhanges der Markriiame eine sehr schwierige ist (tI. Mtiller). Es scheint hier am Unter- kiefer der Ossificationsvorgang so ganz ohne irffend eine Regel vor sich zu gehen, die uns z. B. bei dem endochondralen das Ver- stiindniss des Prozesses so sehr erleiehtert.

Diese Regellosigkeit ist aber eben nur eine scheinbare, die man besonders an der yon den meisten Autoren untersuehten Re- gion, dem Proe. glen. kaum zu entwirren vermag, weil hier die Verh~tltnisse am verwickeltsten sind.

Wie ich bereits bei der ersten Anlagr des Knoehengewebes betont habe, liegen sie beim Kronenfortsatz viel einfacher, typiseher and dies gilt aueh far den Verkniicherungsvorgang; wir wollen daher mit seiner Besprechung 'am Kronenfortsatz beginnen und wcrden dann relativ leicht die hier vorgefundenen and gesetz- miissig einfaeh wiederkehrenden Vorgiinge beim Gelenkfortsatz wiederiinden.

Ueber Auftreten and Beschaffenheit des Knorpelkernes im Kronenfortsatz haben wir uns im vorigen Kapitel orientirt. Zum

326 J o s e f S c h a f f e r :

Studium der ossificatorischen Vorgiinge bedienen wir uns aus- schliesslich der Frontal- uud Querschnitte.

Betrachten wir nun z. B. einen Frontalschnitt dutch den Kronenfortsatz des Embryo yon ]5 cm (Fig. 22, Taf. XI), so sehen wir den Knorpelkern an seiner Oberfliiche allseitig bis auf seine Wachsthumsschichte an der Spitze des Fortsatzes tiberlagert yon einer osteoblastischen Knochenschichte. Dicses Verhiiltniss finden wir an allen untersuchten Stadien, so lange ein Knorpelkcrn vor- handen ist, wiederkehren und dies ist einer der yore gew(ihnlichen Typus abweichenden und wichtigsten Vorgiinge bei der Unterkiefer- ossification, d a s s n e o p l a s t i s c h g e b i l d e t e r K n o c h e n a u f u n z e r s t i i r t e n , v e r k a l k t e n u n d u n v e r k a l k t e n K n o r p e l d i r e k t a u f g e l a g e r t w i r d . Wiihrend so an der Spitze des Kronenfortsatzes immer Knorpel gebildet und mit Knochen Uberlagert~ gleiehsam umgossen wird, sehreitet der 0ssi- ficationsprozess in den tiefcren Partien weiter, indem der Knorpel, nacbdem er seinen Zweck erftillt hat, wieder zerstiirt wird.

Ich muss hier an die miichtigen Gef'~isse erinnern, welche parallel und nahe dem aufgelagerten Knochen den Kronenfortsatz seiner ganzen L';inge nach durchziehen (vergl. Fig. 22 b, Tar. IX). Diesc Gefitssc senden in den tieferen Regionen Aestchen gegen den aui~elagerten Knoehen und alsbald sehen wir d i e s e Ge- f i i s s c h e n a u e h an v i e l e n S t e l l e n d e n K n o e h e n d u r c h b r e c h e n u n d in e i n e d u r c h d i e R e s o r p t i o n d e s e e n t r a l e n K n o r p e l k e r n s e u t s t a n d e n e M a r k - h (i h I e e i u mii n d e n (Fig. 21b u. E). Dieser Vorgang ist also hingcgen wieder in volle Uebereinstimmung zu setzen mit der Bildung des primiiren Markraumes in der Diaphyse eines Ri~hren- knochens, nur dass am Kroneufortsatz der Einbrucb an zahlreichen Stellen stattfindet.

Betrachten wir uns diese Verh~iltnisse etwas genauer, so sehen wir, dass dieses seitlicbe Eindringen der Ge~sso in der verschie- densten H~ihe und in ganz regellosen Abstiinden erfolgt, immer aber erst dort, wo bereits eine Knochensehicht aufgelagert erseheint. So sehen wir oft auf einzelnen Sehnitten (Fig. 21, Taf. X) dureh Gefi, isse f'6rmlich abgegrenzte Stticke, an denen neoplastiseher Kno- chert direkt tibergeht in Knorpel, welcher yon innen, obeu and unten her resorbirt wird.

Bei diesem Resorptionsvorgang geht theilweisc auch der neu-

Die VerknScherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 327

gebildete Knoehen mit zu Grunde, oder aber es wird der ganze axiale Knorpelstrang fiirmlich herausgemeisselt, so dass wir in den tieferen Partien des Kronenfortsatzes, wo er durch rein osteo- blastisch gebildete, zu der den Knorpelkern einsehliessenden Haupt- lamelle parallels Lamellen breiter wird, an Stelle dieser Haupt- lamelle zwei parallele Lamellen (die ehemals den Knorpelkern be- grenzenden Knochenschichten) erblicken, die an HKmatoxylinprit- paraten ihr intimerss Verhiiltniss zum resorbirten Knorpelkern nur durch die sehwach blaugefiirbten, inneren, einander zugekehrten R~tnder beurkunden.

Ich will hier vorweg bemerken, dass an diesen vom Knorpel befrciten Knochenrandern nun neuer Knochen angelagert wird, so dass man sp~tter oft noch mitten in dem deutlieh osteoblastischen Knochenbalken einen bliiulichen Streifen verlaufen sieht, dessert Gencsis uns nach dem Gesagten verstandlich ist.

Nisht immer jedoeh ist der Resorptionsprozess ein so grtind- lieher, dass aller Knorpel entfernt wtirde, sondern o f t b l e i b e n g a n z v e r e i n z e l t e o d e r k l e i n e G r u p p e n y o n 2--5, a u c h m e h r K n o r p e l z e l l e n s t e h e n u n d w e r d e n nun bei erneuerter Apposition, die immer mit der Resorption wechselt, abermals in n e o p l a s t i s c h e n K n o c h e n e i n g e s e h l o s - s e n , jedoeh nicht am vielleieht demselben assimilirt, sondern um s i e h e r y o n e i n e r a n d e r e n S e i t s h e r r e s o r b i r t zu w e r d e n .

Das Stehenbleiben dieser einzelnen Zellen wird leichter ver- stiindlich, wenn wir uns erinnern, dass tier Knorpelkern eine h(ishst unregelmlissige Obsrfliishe besitzt, an der einzelne Knorpelzellen als Halbkugeln und Buekel vorspringen und sehon frtihzeitig fast in ihrer ganzen Peripherie yon Knochen umlagert werden.

Ist die Hauptmasse des Knorpels nun zu Grunde gegangen, so kiinnen diese im Knoehen eingeschlossenen Zellen leicht ver- schont bleiben. Ihre Kapseln bleiben aber meistens wohl erhalten, nie bemerkt man an ihrem Protoplasmaleib die geringste vitale heusseruug, vielleieht Production yon Grundsubstanz, s i e b e u r- k u n d e n v i e l m e h r h ~ t u f i g i h r e n b e g i n n e n d e n Z e r - fa l l d u t c h A b n a h m e d e r e h a r a k t e r i s t i s e h e n F~irb- ba r k e i t (indem sie sieh mit der Safraninmethode mshr r(ithlich, als orange, naeh der B usch 'sshen in einer Misehfarbe yon blau and roth, start rein blau Farben), wsiter dureh verbogenwerdea

328 J o s e f S c h a f f e r :

der Kapseln and k6nnen in solchem Zustande allerdings iihnlichcr einer Knochen- als eider Knorpelzelle aussehen, so dass man die erw~ihnten Degenerationserscheinungen ]eicht als metamorphotische auffassen ki~nnte. Das Unzul~issige einer solchen Auffassung und die l='rovenienz der Zellen wird uns aber sofort klar, wenn wir den Zellleib und die Grundsubstanz um die Zellen genau betrachten.

Ich habe diesen Vorgang hier etwas niiher besehrieben und muss beim Gelenkfortsatz, we er noeh in viel ausgcbreiteterem Maasse vorkommt, noch einmal darauf zurUckkommen, well diese versprengten Knorpelzellen vor ihrer definitiven Resorption die tiiuschendstenBilder einer scheinbaren Metap]asie gewiihren. Immer jedoch verfallen sie der Resorption, wie ieh reich an zahlreiehen Schnitten verschiedenster Stadien durch ganz untriigliehe, nicht misszuverstehende Bilder tiberzengte.

Den sprechendsten Beweis des endlichen, totalen Untergangs des Knorpels gebe njene spateren Stadien des Kronenfortsatzes, we sich nut mehr spiirliche Knorpelzellen als deutlieh erkennbare Reste vorfinden und die Spitze des immer noeh waehsenden Kronen- fortsatzes aus rein osteoblastisehen Biilkehen gebildet wird.

Fragen wir uns nun nach der Art der Resorption, welcher der Knorpel anheimfiillt, so mtissen wir wieder dem Verlaufe der einbrechenden Gefiisse folgen. Da sehen wir nieht die einzelnen Knbrpelh~ihlen er~ffnet und dureh neuen Knochen ausg'eftilt werden, wie bei der endoehondralen Ossification, sondern im Verlaufe der sieh verzweigenden Gef'~tssehen, meist an den Enden ihrer Sprossen, sehen wir Riesenzellen dem Knorpel auflagern, unregelm~tssig con- tourirte Lacunen desselben ausfiillen (Fig. 20, 21 und 22 Ok), grosse Markr~tume entstehen, die endlich nach beiden Seiten nur mehr yon Knoehen, nach oben and unten yon Knorpel begrenzt oder dureh eine Knorpelbrtieke yon einem benaehbarten Markraum getrennt sind and endlieh zusammenfiiessen, kurz wir s e h e n den K n o r p e l in t o t e u n t e r d e r s i e h t b a r e n V e r m i t t l u n g y o n Gef~tssen und R i e s e n z e l l e n ( O s t e o k l a s t e n ) s e h w i n - d e n , so dass wir fast nie jene ftlr die endoehondrale Ossification yon Riihrenknochen so eharakteristisehen Zwiekel yon verkalkter Grundsabstanz als Ueberreste des Knorpels finden, wohl aber, wie erwlihnt, einzelne gesehlossene Knorpelzellen, welehe veto Zer- stSrungsprozess versehont bleiben and sp~tter in die neue Knoehen- anlage gerathen.

Die VerknScherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 329

Der Kronenfortsatz des embryonalen Sehafunterkiefers is t eines der giinstiffsten Objecte zum Studium der ResorptionsvorgRnge, insbesondere der Osteoklasten, welehe auf jedem Schnitte zahlreieh zu sehen sind; ieh kann jedoeh hier nieht nRher auf die interes- sante Frage eingehen, da ein speziell darauf gerichtetes Stadium den Absehluss dieser Arbeit zu sehr hinaus gezogen haben wtirde, and theile im Folgenden nur kurz meine Ansieht tiber Resorption mit, welehe ich mir durch diese Untersuehungen gebildet habe.

FUr's erste muss ich betonen, dass ieh vorlRufiff dureh das Ge- sehene gezwungen bin, an der Ansehauung K S l l i k e r ' s festzu- halten, dass die yon ibm so benannten Osteoklasten eine knoehen- zerstSrende Funktion besitzen; ich glaube, dass sie indirekt an der Resorption betheiligt sind, welche ich als einen ehemisch-lythisehen Stoffwechselprozess auffasse, der vornehmlich yon den BlutgefRssen besorgt wird.

Wet einen Bliek auf einen Gelenkfortsatz wirft, bei dem sich bereits eine Art Ossificationslinie herausgebildet hat, dem kann es nicht entffehen, dass die eolossale Blutgefassentwiekiung" unterhalb derselben, die bis knapp zu ihr heranreichenden Get:,tsssehlingen mit diesem Resorptionsvorganffe einerseits, anderseits mit dem substitutiven Aufbau neuer Knoehensubstanz in nahe Beziehung gebraeht werden mUssen.

Ebenso sieher ist aueh das V o r k o m m e n yon O s t e o - k l a s t e n i m m e r an d ie G e g e n w a r t yon GefRssen fie- b unde n, und wenn man an zahlreiehen Stellen Osteoklasten wirk- lieh oder scheinbar ohne Gefasse findet, so hat sieh das zuffehSriffe Gefliss involvirt, der Resorptionsvorffanff (and somit die Aufgabe des Osteoklasten) ist abffelaufen oder aber es gelingt nieht, das vorhandene Gef~ssehen nachzaweisen.

Am Gelenk-, wie am Kronenfortsatz sieht man zahlreiehe Bilder, die die enge Beziehung zwischen Blutgei~ssen, Blutk~Jrper- chen und Osteoklasten zweifellos beweisen. HRufig sieht man ein Gefass in eine Resorptionsbucht ziehen und bier unmittelbar in eine vielkernige Riesenzelle tibergehen (vgl. Fig. 20, Oe' u. b' d). Der Zusammenhang ist oft sehwer oder gar nieht zu constatiren, wUrde viel unzweifelhafter aus IsolationsprRparaten hervorgehen, aber an einzelnen gUnstigen Stellen ist er anch an Sehnitten sieher naehzuweisen. In Fig. 17, Tar. X sehen wit einen riesigen Osteo- klasten eine lange Zunge unter den verkalkten Knorpel hinein-

Archiv f. m~,.rosk. Anatomie, Bd. a2. ~I

830 J o s e f S c h a f f e r :

sehieben and hier in der Weise enden, dass die Spitze noeh 4--5 Blutktirperehen bilden, welche noch deutlich als solche erkennbar sind, sowohl dutch die charakteristische Eosinfiirbung, als durch die eigenthUmliehe, kernnetzartige Struktur der zusammeng'e- backenen Pl~tttchen, welche sie bei Einwirkung yon Chromsalzen zeigen. Da es mir besonders in diesem Fail daran gelegen war, die unmittelbare, sichere Zusammengehih'igkeit der Blutkiirperchen und des Osteoklastenleibes zu erweisen, so untersuchte ich das Pr~iparat noeh mtiglichst vorsichtig mit homogener, apochroma- tischer Immersion (Zeis s), welche Controlle mir die Liebens- wiirdigkeit des Herrn Prof. K l e m e n s i e w i e z ermiiglichte.

Ftir reich herrseht nach dem Gesehenen kein Zweifel mehr, dass das Bild keine andere Deutung, als die erwithnte zul~isst und wird dieses Vorkommen dutch zahlreiche andere Bilder be- stlitigt.

An vielen Stellen sieht man aueh in der 5T~the yon Resorp- tionsfliiehen eine Gruppe you rothen BlutkiJrperehen, umsehlossen yon einem Endothelsaum mit einem oder mehreren Kernen, also offenbar ein Quer- oder Schr:,tgsehnitt durch ein Gefitss oder Ge- fitssende; diese rothen Blutki~rperehen zeigen abet nimmer, wie an benaehbarteu Stellen, ihre wohlerhaltenen Contouren, sondern sind zusammengebaeken, fliessen mehr in eine homogene Masse zu- sammen, in der an Eosin-H:,tmatoxyliupr:~iparaten mehrere blauge- fitrbte Kerne (yon Lymph- und Endothelzellen) erseheinen und welche aueh die lebhafte Eosinfiirbung, welche hiimoglobinhaltige Blutkiirperehen geben, viel sehwiieher zeigt und sich somit in ihrem Ansehen mehr einem vielkernigen Protopiasmaklumpen nithert.

Endlieh sah ieh Bilder, an denen ein Gef'ass am L:,tngsschnitte, noeh wohl begrenzt dutch das kernftihrende Endothel, seinem In- halte nach ganz umgewandelt war in einen Protoplasmaklumpen and vollkommen den Eindruck eines langgestreekten, wurst- oder spindelfiirmigen Osteoklasten maehte.

Diese sieheren und nieht vereinzelten Beobaehtungen dr~tngen Einem unwillklirlieh die Frage auf, ob nicht Gefassenden oder ausgebuchtete Stellen yon Gef~tssen sammt ihrem Inhalt an weissen und rothen Blutkiirperehen e i n e Umwandlung in Osteoklasten, vielkernige Riesenzellen erfahren kiinnen. Ieh kann, wie gesagt, eine solehe Ansehauung bier nieht behaupten, halte sie aber nieht fiir unmiiglieh, worin reich noeh das einheitliche Verhalten der

Die VerknScberung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 331

Riesenzellen und der Blutgei%isse dem hzoblau gegenUber best~rkt, welches, wie ich anderwi~rts betont habe, diese beiden Gewebe distinct yon allen anderen roth f~rbt.

Auch die interessanten Beobachtungcn Sig. Maye r ' s 1) fiber die Riick- bildungserscheinungcn an Blutgef'~ssen miissen bei einer cingehenderen Be- arbeitung dieser gcwiss dankbaren und wichtigen Frage Beriicksichtigung finden. Er hat gezeigt, dass ,die Elcmcnte der Blutgef'~isswand auf einen, dem embryonalcn iihnlichen Zustand zuriickkehren kiinncn, in welchen sic Anlass geben zum Schwindcn des Lumens" und ich weiss nieht, ob S. M a y e r nicht auch schon die Osteoklastcn im huge gehabt hat, wenn er am Sehlusse seiner ersten, vorliiufigen Mittheflung bemerkt, ,dass gewissc, yon den Hi- stologen vielfach diseutirte Befunde einer befriedigenden Erkli~rung zugefiihrt wcrden kiinnen, wenn man erw~igt, class bei dem vielverbreiteten u der Gef~ssriickbildung eigenthfimliche Elemente entstehen, die entweder liingere Zei~ persistiren oder noch weiterc Veriinderungen eingchen kSnnen".

Uebrigens ist die Anschauung, dass die Blutgefiisse cine wichtigc Rolle b c i d e r Resorption spielen, einc alte und wird hcutc noch yon Ranv ie r~ ) ziemlich ausschliesslich betont; ein bestimmtes Ycrhiiltniss und eia Zusammen- hang der Osteoklasten mit den Blutgef'assen wurde bekanntlich auch schon yon W c g n e r 3 ) , Lo tze4 ) , Maas~) u. A. angenommen und wean auch KS1- l i k e r in seincn Objecten eine solche Beziehungnicht sah, so h~lt er dadurch die Annahme W c g n e r ' s nicht fiir entkriiftet.

Auch P o m m e r % dcr mit Z i e g l e r 7) die Osteoklasten fiir gcnctisch verschieden erklitrt, hebt ihrc nahe Bezichung zu Blut- und Lymphgef'~ssen horror.

Einige gcwichtige Anhaltspunkte f'tir unscre Anschauung yore Verhiilt- nisse der Ricsenzellen und BlutkSrperchen kSnntcn wit auch im Studium des Knochcnmarkes finden.

Bei der Frage nach dem ehemischen Agens, welchem die Osteoklasten gleichsam als Filter dienen, mUssen wit immer wieder an den natlirliehen Kohlens~iuregehalt des Blutes denken und wtirden Injectionsversuehe ~ die zur Liisung dieser Frage jedenfalls n(i-

1) Prag. reed. Wochcnschr. l~r. 29, 1882 u. Sitzungsberichto d e r k . Akadem. d. Wiss., Wien, XCIII. Bd., 1886.

2) Technisches Lchrbuch S. 412. 3) Virch . Archly Bd. 56. 1872. 4) Lotze~ L., Beitrag zur Lehre yore Kuochenwachsthum.- Inaug.-

Diss. G5t~ingcn 1875. 5) Archiv f. klin. Chirurg. Bd. 20, 1877. 6) V i r c h o w ' s Arch. 92. Bd , 1883. 7) Ibid. 73. Bd., 1878.

339 J o s e f S c h a f f e r :

thig wiiren - - die Gef'asschen, welehe mit den Riesenzellen in so inniger Verbindung stehen, als erweiterte Vencneapillareu erweisen, so dtirfte der wenu auch wenig griissere Kohlensiiuregehalt der- selben sehr zu Gunsten einer solchen knnahme sprechen.

Es w~ire tiberhaupt sehr intercssant zu wissen, ob zwischen Appositions- and Resorptionsstellen einerseits und arterieller und venSser GeF~issvertheilung anderseits nicht vicllaicht ein bestimm- tes Abh~tngigkeitsyerhi~ltniss besteht.

Doah ieh will reich bier nicht waiter in speculative ErSr- terungen einlassen und wiederhola nur, dass ich die Blutgefiisse alIein als Vermittler der Resorption, besonders an der Ossifications- grenze, wo eine direkte Eriiffnung der Knorpelh(ihlen und theil- weise Aufliisunff der Grundsubstanz stattfindet, erkenne, w~ihrend dort, wo lacun~re Resorption stattfindet, die Osteoklasten die ver- mittelude Rolle spielen.

Um nach dieser kbsehweifung wieder zur Bespreahunff der Ossificationsvorgange zuriickzukehren, erinnere ieh daran, dass im Kronenfortsatz zucrst nur cine mediale Lamclle vorhanden ist, an deren Spitze der Knorpelkern auftritt, der dutch weitere Auflage- rung yon Knoehen endlieh auch in die Mitre dieser verbreiterten Lamelle aufgenommen erscheint.

W~thrend nun dieser Knorpelkern his zu einem gewissen Sta- dium ausschliesslieh das L:,tngenwachsthum besorgt, erfolgt die Breitenzunahme theils dutch Verdickang" der medialeu Lamelle, theils durah Bildung yon Parallellamellen (Fig. 21 Kn'), welche hauptsachlich nach der medialen Seite hin erfolgt, i~hnlich wie es T o l d t 1) ftir den menschlichen Kronenfortsatz naehgewiesen hat und zwar nimmt auch bier die Lance der Lamellen yon tier l~ngsten medianwi~rts ab, so dass innen unten die ktirzeste zu liegen kommt. Wit wir gesehen haben, entstehen dutch Resorption des Kuorpelkerns aus derMittellamelle ebenfalls zwei Paratlcllamellen, welche nun unter sich und mit allen anderen durch kurze quere und schr~ige Knochenbalken verbuuden jenes bekannte Knoehen- gitterwerk des Uuterkiefers bildeu.

Endlich hlirt der Knorpelkeru an der Spitze zu wachsen auf, seine letzten Reste werden auf dem Wage der Resorption gegen Knoehen umgetanscht und in der letzten Fiitalzeit besteht aueh die Spitze des Krouenfortsatzes aus osteoblastiseh gebildeten Knoehen-

1) Zeitschr. f. Heilkunde, Prag, Bd. V.

Die YerknScherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 333

bi~lkchen, deren faserige Enden direkt in die Faserung des Periosts einstrahlen.

Die Vorgiinge bei der Bildung der osteoblastischen Knochen- balken, welche gerade hier sehr schSn zu verfolgen sind, hubert wir bercits bcsprochcn.

Fassen wir den ganzen Entwicklungsgang und das Endschicksal des Knorpelkerns im Kronenfortsatz zusammen, so driingt sieh uns unwillktirlich eine Ansicht tiber Zweck and Bedeatung dcsselbcn aus

Das Knorpclgewebe ist nicht so compact, wie das Knochen- gewebe, bedarf zu seinem Aufbau aach vie1 ktirzere Zeit, als das letztere. Die bedeutende Liinge des Kronenfortsatzes beim Schaf, tiberhaupt bei den meisten Ruminantien and theilweise auch beim Menschen erfordert ein energisches Wachstham in die HShe, wel- ches durch den lanffsam wachsenden, wenn aach spongiiisen Kno- chen nicht geleistct werden ki~nnte; so mass seine Form gleichsam durch ein weniger werthvolles, rascher wachsendes Gcwebe vorge- bildet werden~ damit es dem solideren Knochen als GerUst diene.

So h a t d e r K n o r p e l , wie es schon yon H. M t i l l e r , L o v 6 n, S t r e 1 z o f f u n d vielen anderen s betont worden ist, e i n e e m i n e n t p r o v i s o r i s c h e B e d e u t u n g , cr d i e n t g l e i c h s a m als Model l , um w e l c h e s nun die K n o c h e n f o r m g c g o s s e n w i r d and w e l c h e s dann zur R e s o r p t i o n g e l a n g t , um dcm d e f i n i t i v e n A u s g u s s c mi t K n o c h e n P l a t z zu m a c h e n, oder, wie es S t r e 1 z off ausdrtickt: der pr~iformirte Knorpel dicnt dazu, am fur die wachsendcn Knoehenbalken ein Gertist zu bereiten and dadarch den Knochenbalken eine dem statischen No- mente des Knoehens entspreehendc Richtung zu gcben. (Vergleiehe auch L o v ~ n (1. c.), der diese Bedeutung des Knorpels bereits treffend characterisirt: ,Die Rolle des Knorpels bei der Bildung der Knochen ist nur eine formbestimmende; der primordiale Knorpel ist in den allermeisten F~llen gleichsam nur eine Gussform fiir das theils in, theils um den Knorpel abffelagerte Knochengcwebe".)

Ueber Entwicklung und Aufbau des Kronenfortsatzes finden wit in der Literatur wenig genauere Angaben und das interessante Verhiiltniss des Knorpels zum Knochen ist allen Beobachtern entgangen oder in metapla- tischem Sinne gedeutet worden.

Masquelin l~sst die verkalkteKnorpelgrundsubstanz unvermerkt in die Knochengrundsubstanz iibergehen. Dies ist fiir die seitlichen Riinder des Knor- pels ganz richtig und erklilrt sich aus der Art der Auflagerung des Knoehens,

334 J o s e f S e h a f f e r :

obwohl man auch hier, wie die besprochene Fig. 20 Taf. X zeigt bei grin- stiger Schnlttffihrung die Grenze zwischen Knorpel und Knochen sehen kann. Fiir den unteren Rand des Knorpelkernes jedoch ist das Zugrundegehen so in die Augen fallend, dass ich nur auf die beziigllchen Bilder verweise.

Vergleicht man fibrigens die Bemerkungen M a s q u e l i n ' s fiber die VerknScherung des Kronenfortsatzes mit unseren Beobaehtungen, so w~rd einem die Uebereins~immung kaum entgehen, nur dass M a s q u e ] in yon selnem Standpunkte aus die Metaplasie sehen muss, w~hrend ich sie nicht sehen kann und nach all' dem Gesagten wohl auch direkt in Abrede stellen muss. So sagt M a s q u e l l n unter Anderem: ,.An dem Umfange des Knorpels, welcher diese Apophyse bildet, kann man meistens eine schmale Zone yon dlrekter VerknScherung ohne vorhergehende Verkalkung beobachten und das so gebildete Knochengewebe sich fortsetzen sehen in das, welches sich durch die Vermi~tlung yon Osteoblasten unterhalb des Perichondriums entwickelt." ttier haben wie es offenbar mit der yon uns beschrlebenen, auf den unverkalk- ten Knorpel aufgelagerten Knochenschichte zu thun, wo ja allerdings ein sehr innlger Zusammenhang zwischen beideu Geweben herrscht; nur wundert es reich, dass M a s q u e l i n die deatliche Resorption dleses axialen Knorpels fibersehen hat und im Gegentheil die Knorpelzellen einfach die Rolle yon 0steoblasten spielen, an der inneren Fl~iche ihrer HShlen Knochensubstanz bilden und sich so in Knochenzellen umwandeln l~isst, eine Auffassung, die schon dureh die Untergangsbilder der Kuorpelzellen, welche eine weitere, so bedeutende vitale Potenz Knochen zu erzeugen ausschliessen, unhaltbar erscheiut.

J u l i n beschreib~ die Vorg~nge der Knoehenbildung an den perlpheren BMkchen im Kronenfortsatz fibereinstlmmend mit dem yon uns gegebenen Bilde yon der ersten Anlage des Gelenk- und Kronenfortsatzes. Obwohl er, wie im vorigen Kapitel erMihnt, die Entwicklung des Kronenfortsatzes ohne Permit~lung eiues Knorpelkernes betont, so finde ieh doch in der Beschrei- bung der Ossificationsvorg~inge eine Stelle, die mir ziemlich deutlich auf die einstige Existenz eines Knorpelkernes hinzudeu~en schelnt.

J u l i n erkennt an der Hauptlamelle des Kronenfortsatzes einen Unter- schied zwischen einer axialen und einer peripheren Partie, und zwar besteh~; der ziemlich dfinne, axiale Theil aus unregelm~issigen, ziemlich umfangreichen Knochenzellen, welche sich leleht unterscheiden lassen yon den Zellen der peripheren Partie, welche mehr abgeplattet sind und dutch Forts~itze in Zu- sammenhang mit den Osteoblasten stehen.

Also auch J u l i n sah das Wesentliche~ dass echt osteoblastischer Knochen aufgelagert wird aufeingrossblasigesGewebe, welches wiralsosteoldenKnorpel, J u l i n als hervorgegangen aus einer scheinbar direkten BindegewebsverknSche- rung, also nach unserer Auffassung als chondroiden Knochen erkannte. Wie sehr sich diese beiden Gewebe ~hneln, haben wir geni]gend erSrtert, um es ffir mSglich zu halten, dass auch J u l i n , der ja nut ein einziges Entwicklungs- stadium untersuchte, Reste des Knorpelkernes yon Knochen fiberlagert vor sich hatte.

Die VerknScherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 335

Naehdem wir nun im Vorhergehenden die Verkn~eherungs- vorg~nge am Kronenfortsatz und noeh frtlher die bei der ersten Anlage kennen gelernt haben, halte ieh es f~ir passend kurz die Frage naeh der N a t u r l ind T h ~ t i g k e i t der spezifisehen Knochenbildungszellen, der O s teoblas ten zu ber|ihren.

Was zun~ehst ihren Zelleharakter anlangt, so haben wir ge- sehen, dass sie Z e l l e n des o s t e o g e n e n B la s t ems resp. j u n g e n M a r k g e w e b e s , B i l d u n g s z e l l e n sind, we lehe un te r dem E in f lu s s r e i e h l i e h e r l~ahrung s i eh l ebha f t t h e i l e n und v e r g r S s s e r n und d a s V e r m ~ g e n b e s i t z e n , K n o e h e n zu e rzeugen . Die Definition ist mangelhaft, dtirfte aber zur Stunde kaum ersehSpfender gegeben werden k~nnen.

Meine Pr~parate, welehe vornehmlich zu einem anderen Zwecke angefertigt sind, gestatten mir nicht in der schwierigen Frage naeh der Herkunft der Osteoblasten mehr zu sagen, da k~nnte h~chstens eine sehr mUhesame Veriblgung der Kerntheilungsvorg~nge ent- seheidend sein; wohl aber kann ieh bestimmt in Abrede stellen, dass sie aus Knorpelzellen entstehen, welche unter anderen aueh yon W a l d e y e r 1) vertretene Ansieht eng verknUpft ist mit tier Frage der Markbildung und bei Bespreehung dieser ausreiehend widerlegt werden soll.

Was die librigen Ansiehten tiber den Ursprung der Osteo- blasten betrifft, so stimmen dieselben im Wesentliehen darin iiber- ein, dass man sie aus jungen Mark- oder Bildungszellen entstehen l~sst.

Auf sieheren Beobaehtungen, die ieh aueh an meinen Pr~pa- raten machen konnte, beruht die Anschauung Lov6n's, S t r e l - zoff 's , Rol le t t ' s u. A., dass bei Mark-, wie Osteoblastenbildung den Gei'~ssen eine grosse Rolle zugetheilt ist, indem man immer mit den einbreehenden Gef~ssen wueherndes Markgewebe beob- aehten kann. Dabei kamen mir oft Bilder zur Beobaehtunff, wo zahlreiehe, junge Markzellen der ~usseren Gef'~sswand auflagern, ~hnliehe Zellen abet aueh der inneren, so dasses ganz den Ein- druek maeht, als f'~nde hier eine Auswanderung yon Bildungszellen aus dem BlutgeF~sse statt, welehe Beobaehtung wohl aueh Wolf f 2) zur Behauptung gefiihrt haben mag, dass sieh Markzellen und

1) Arch-iv f. mikr. Anat. Bd. I. 2) 1. c. S. 79.

336 J o s e f S c h a f f e r :

Osteoblasten in loco aus weissen BlutkSrperchen bilden, ein Aus- spruch, der aber wegen der Vieldeutigkeit der sogenannten ,,weissen BlutkSrperchen" mit Vorsieht anfzunehmen sein dilrfte.

Wenn sich W o l f f im Uebrigen gegen die Bezeichnung der Knochenbildungszellen als Osteoblasten erkl~irt, so hat das heutzu- tage, wo man ebensogut Odonto- und Chondroblasten hat, keine Bedeutung mehr, wohl aber erkl~tre ieh mich ganz mit W o l f f ein- verstanden, wenn er alle diese Arten yon Zellen, zwischen denen wir auch heute noeh weder einen chemischen noeh morphologischen Untersehied kennen, als wesentlieh identisch erkl~irt und als B il- d u n g s z ell e n bezeichnet, deren physiolog'ische Unterscheidung in einer noch unbekannten Verschiedenheit der ehcmisch-formativen Vorg~nge in denselben zu beruhen seheint.

Halten wir an dieser Ansicht fest, so werden wir auch ganz gut plStzliehe Ver~nderungen im Gewebetypus begreifen z. B. dort, wo dasBildungsgewebe eine Zeit lang Knoehen producirt und dann auf einmal Knorpel, so class beide im innigsten, r~iumlichen Zu- sammenhange stehen. Niemand wird sich hier aber gen~thigt sehen an eine Umwandlung des einen Gewebes in das andere zu denken, wenn auch der Grund, warum ein anscheinend gleieh- m~ssiges Keimgewebe jetzt Knoehen, jetzt wieder Knorpel erzeugt heute noch unbekannt ist.

Ich kann mich daher auch mit den wcitgehenden Theorien tiber die Osteoblasten yon B u s c h 1) nicht befreunden, der es einer- seits als eine atavistisch-metaplastische Reminiscenz bezeichnet, wenn Osteoblastenzellen ein anderes Gewebe als Knochen er- zeugen - - denn vorlKufig erkennen wit einen Osteoblasten nur im Zusammenhang mit Knoehen und k~nnen es einer mitten in an- derem Gewebe vorkommenden Zelle nieht ansehen, ob sie Osteo-, Chondroblast oder eine andere Bildungszelle ist - - und anderer- seits l~isst er unabh~ngig yon Osteoblasten durch Metaplasie der ,,niedern Gruppen der Bindesubstanzen" Knochen eutstehen, resp. ein Gewebe, ,,das man vielleicht unm~glich in jedem Falle yon Knochen unterscheiden kann".

Unseren heutigen Anschauungen nach mtissen wit die yon B u s c h im Gegensatz zu R a n v i e r ~) u.A. geforderte, vollkommene

1) Verhandlg. d. phys. GeseUseh. z. Berlin Nr. 10, .'28. Febr. 1879. - - Deutsche Zeitsehr. s Chirurgie Bd. X.

2) Techm Lehrbueh. Entwieklung des Knoeheugewebes.

Die VerknScherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 337

Spezifit~t der Osteoblasten darin suehen, d a s s j e d e r K n o c h c n P r o d u c t yon Z e l l c n ist and w i t d i e sc Z e l l e n cben als O s t e o b l a s t e n b e z e i c h n e n . Was nun die Art, wie sich die Osteoblasten an der Bildung der Knochengrundsubstanz betheiligen, anlangt, so haben wir gesehen, dass die Bildungszellen der ersten Knoehcnanlage vergrSssert sind, so dass sehon S t i e d a 1) die Be- merkung maehte, sic tibertriifen die Osteoblasten der primitreu Markriiume an Umfang, was jedoch nieht durchgehends der Fall ist.

Wir hubert ferner den allmlihlichen Uebergang des Proto- plasmas dieser Zellen in die Knoehengrundsubstanz und ihr Kleiner- werden, Auseinanderrticken und Zaekigwerden beobaehtet. Nirgend aber sah ich nackte Kerne in der ersten Knochenanlage oder Bil- der, welche auf einen gitnzlicben Untergang der Zellen sammt den Kernen deuten wtirden. Ein sehr gtlnstiges Object, um die bin dcnde Thi~tigkeit der Osteoblasten, ihre Beziehungen zur Knoehcn- grundsubstanz und zu deu KnoehenkSrperchcn zu studiren ist der Kronenfortsatz grSsserer Embryonen in scinen tieferen Partien, wo er aus parallelen, neoplastisch gebildeten Knoebenbalken besteht. Hicr trifft man vielfach die Knoehenbalken epithelartig yon den Osteoblastcn bedeckt I ausserdem aber viele Appositiousstellen tier Fliiehe nach, so dass man den ganzeu Osteoblastenbeleg in der Aufsieht vor sich hat.

Sind die Priiparate nach B u s c h gefiarbt, so erscheinen die Protoplasmaleiber sammt ihren Forts~tzcn plastiseh hervorgehoben, wiihrcnd die Kerne eine sehSn blaue Fi~rbung zeigen. Man sieht an solehen Priiparaten die Fortslitze der Osteoblasten ebenso deut- lieh, wie naeh den Methoden you K u t s c h i n 2) und kann die yon dicsem Beobachter betontc Thatsache, dass sieh welter yon der Knoehengrenze abliegende Osteoblastcu dureh eben diese Fortsiitze bereits an der Bildung der Kuochengrundsubstanz betheiligen, sehr wohl constatiren.

Eine Erscheinung an thatigen Osteoblasten seheint mir yon besondcrem Interesse, die bis jetzt der Beobachtung entgangen zu sein seheint~). Wie sehon erwi~hnt bekommt man an Frontal-

1) S t i e d a , Die Bildung des Knochengewebes. Leipzig. 2) 1. c. und yon mir eitirt in Zeitschr. f. wissensch. Mikroskol)ie u Bd., I.H. 3) Es miisste denn W o l f f ~ s Bemerkung, ,,alas Protol)lasma der Bil-

dungszellen wandelt sieh zuerst peripher zu weieher, feinfaseriger Intereellu- larsubstanz und diese sieh gleich darauf an der einen Seite der Zellen durch

338 J o s e f S c h a f f e r :

schnitten durch den Kronenfortsatz h~i,fig den ganz~n Osteoblasten- beleg eines Knochenbalkens in der Flliche zu sehen und da finder man die Knochenbildungszellen als grosse, oft einkernigen Osteo- klasten ahnliche Gebilde yon theils langgestreckter, theils fliichen- haft breiter, nur nach einer Seite zugespitzten Form u n d f a s t i m m e r l i e g t der K e r n in d i e s e m s p i t z e n Po) , an die der Umwandlung des Protoplasmaleibes in Knochengrundsubstanz ent- gegengesetzte Seite gertiekt. Diese P o l s t l i n d i g k e i t der Kerne, die wir ja auch bei den Odontoblasten kennen, ist eine so charak- teristische Erscheimmg, dass man Zellen in Knorpelkan.:tlen, wo noch keine Knochenablagerung begonnen hat, daran als Osteo- blasten erkennt.

Man kann hier oft reeht gut den allm~hliehen Uebergang des Osteoblastenprotoplasma in Knoehengrundsubstanz beobachten, wo- bei zun~ehst dem Kern das Prot0plasma unveriindert bleibt and mit diesem zur Knochenzelle wird.

Auch hier gelang es mir nieht, Aufl~isung oder Untergangs- bilder yon Kernen zu beobaehten und wenn ich einen kernlosen Protoplasmaleib sah, der schon fast ganz in die Gruudsubstanz aufgegangen war, so konnte ich einige Male an dem Pole desselhen deutlich die Drucknische des herausgefallenen Kernes sehen.

Naeh diesen Beobaehtungen kann ieh die ursprtingliche An- schauung G e g e n b a u r ' s , nach weleher die Zellen ihre vollstiin- dige Integritiit bewahren und durch eine Art besehrfinkter Secre- tion die Knoehengrundsubstanz erzeugen, nicht theilen. Bekannt- lich hat W a l d e y e r dem gegenUber behauptet, dass sieh die meisten Osteoblastea mit ihrem Kerne in Grundsabstanz umwandeln, einzelne aber durch eine Differenzirnng ihrer Aussensehieht formativ und ehemisch zu Knoehengrundsubstanz werden. Gegen den letzten Theil dieser Ansicht, gegen die sieh aaoh L a n d o i s 1) im Sinne G e g e n b a u r ' s verwahrt, erhebt K ( i l l i k e r den Einwurf, dass die eben gebildeten Knochenzellen oft nicht kleiner, als die Osteo- blasten sind und dass die die Knochenzellen yon einander trennen-

Aufnahme yon Kalksalzen in Knochengrundsubstanz urn", in ~hnlichem Sinne zu deuten sein. -- Auch K uts c hi n betont das stark einseitige Auswachsen der Osteoblasten, der eigentllchen Lage des Kernes gedenkt aber keiner der beiden Autoren.

1) Centralbl. Med. 1865, Mr. 18.

Die Verkn~cherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 339

den Felder yon Grundsubstanz zu gross w~ren, um ihre Bildung durch einfache Umwandlung der peripheren Theile der Osteoblasten erkliiren zu kSnnen.

Wie ich glaube, verlieren diese Einwtirfe an Kraft, wenn man bedenkt, dass die Erniihrung der Zellen noch fortdauert, wenn auch schon ihre periphere Differenzirung begonnen hat, wobei ich noch daran erinnere, dass K u t s c h i n zweifellos nachgewiesen hat, dass sich ganz entfernt liegende Osteoblasten dutch ihre Fortslitze an der Bildung der Knochengrun~lsubstanz an eiuem gegebenen Orte betheiligen k(innen. Ich schliesse reich daher dem zweiten Theile der Anschauunff W a l d e y e r ' s an, ohue aber auch den ersten zu acceptiren, da ich reich, wie gesagt, vom Untergange der Kerne nicht iiberzeugen konnte und nehme daher mit Wol f f e ine p a r t i e l l e und zwar ober f l i~ch l i che D i f f e r e n z i r u n g des P r o t o p l a s m a der O s t e o b l a s t e n als Quel le der Bi l - d u n g yon K n o c h e n g r u n d s u b s t a n z an, welche Anschauung nach Wolff 's eigenen Worten eine Parallele findet in der Bildung der Intercellularsubstanz des Knorpels, des Zahnbeins, des Binde- gewebes tiberhaupt.

Dabei bleibt immer der Zellkern mit einem Restchen ent- wicklungsf~higen Protoplasmas als eigentliche Knochenzelle, er- halten.

2. Verkn~cherung des Gelenkfortsatzes.

A. O s s i f i c a t i o n s v o r g i i n g e b i s z u r E n t w i c k l u n g e i n e r O s s i f i e a t i o n s l i n i e . -- P e r i c h o n d r a l e r

T y p u s ( T y p u s d e r A u f l a g e r u n g ) .

Den ersten, wohldefinirteu Knorpelkern haben wir beim Em- bryo yon 61/2 cm beschrieben und somit kntipfen wit auch hier die Besprechung der ossificatorischen Vorgange des Knorpels an.

Wir erinnern uns, dass der Knorpelkern in raumlichem Zu- sammenhang mit dem primiir gebildeten, grosszelligen, chondroiden Knochen steht, gleichsam nur eine Fortsetzung desselben an der Spitze des aufsteigenden Astes vorsteUt. Desgleichen muss ich bier nochmals erwiihnen, dass die 0steoblastenschicht, welche der primiiren Knocheulamelle auflagert, iibergeht auf die Oberfii~che des Knorpelkernes und bier einen schmalen, opalinen Saum ab- lagert, welchen wir als unverkalkten Knochen erkennen mtissen,

340 J o s e f Scha f fe r :

da er im nRehsten Stadium als deutliehe, periostale Grenzlamelle erscheint.

Also aueh hier haben wit die aual~)ge Erseheinung, wie beim Kronenfortsatz, dass o b e r f l R c h l i c h au f den K n o r p e l k e r n K n o c h e n a b g e l a g e r t w i r d , der nach unten hin mit der ur- sprUnglichen, rein intermembraniisen Knochenanlage zusammenhRngt.

Was weiter zuni~ehst unsere Aufmerksamkeit verdient, ist die Verkalkung des Knorpels. Dieselbe geht in der bekannten Weise zun~tchst in den dem Knochen niiehsten Theilen des Knor- pels vor sieh and schreitet yon hier an den oberfiRehlichen Partien desselben fort, und zwar ausseu hiiher hinauf, als an der Innenseite, so dass er am Frontalschnitte als dunkler Grenzstreifen erscheint.

In diesem Stadium besitzt der Knorpel noch keine ausffe- pr:,iffte Kanalisation, weshalb sein Inneres nur sp~rliche Verkal- kunff zeifft.

Der verkalkte Knorpel hat nun, wie erw~ihnt, die griisste Aehnlichkeit mit dem anstossenden Knochen (weshalb wir ihn als osteoiden Knorpel bezeiehnet haben), ffrosse, unreffelmRssiffe Zell- hShien, sp~trliehe Zwisehensubstanz und ebenso IRsst auch die ffe- wiihnliehe F:~irbung keine scharfe Greuze zwisehen beiden Geweben erkennen, da ja in dieser Hinsicht junger Knoehea sieh ~thnlieher dem Knorpel verhalt.

Aueh hier kiinnte also leicht wieder an eine metaplastisehe Umwandlung des Knorpels in Knoehen gedacht werden, wenn uns nicht der Entwieklungsgang der Gewebe eines Besseren belehren wtirde.

Was weiter in's Auge fallt, ist eine ungemein lebhafte Re- sorption, welche besonders am Uebergang des Knorpels in den Knoehen, aber auch in beiden Geweben ffetrennt im Gauge ist. Wir sehen hiichst unregelm/issige, buehtige, zaekige Riiume im ver- kalkten Knorpel mit enganliegenden 0steoblasteu and desgleiehen ist die primare Knoehenlamelle oft yon beiden Seiten mit Osteo- klasten bedeekt, anter deren Einfluss sie an manehen Stellen ganz sehwindet.

Daneben finden wir abweehselnd eine rege Apposition osteo- blastisehen Knoehens, meist an den der Resorption abgekehrten Seiten, abet aueh in ehemaligeu, markraam:,thnliehen Laeunen des verkalkten Knorpels, so dass aueh hier wieder neuer Knoehen and Knorpel unmittelbar aneinander stossen.

Die VerknScherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 341

Von e iner E r S f f n u n g e i n z e l u e r K n o r p e l h ~ i h l e n , e i n e r A u s f t i l l u n g d e r s e l b e n mit K n o c h e n oder yon e iner O s s i f i e a t i o n s l i n i e i s t h i e r k e i n e Spur , der Knorpel wird wie beim Kronenfortsatz in tote resorbirt und als einzige Regel llisst sich auch hier wieder aufstellen, dass aufgesehlossene Knorpel- zellen einerseits Knoehen auf~elagert wird, andererseits dieser Knorpel yon einer freien Seite her zersti~rt wird. Man vergleiehe Fig. 17, welehe einem Querschnitte des besprochenen Stadiums entnommen ist und, obwohl mSgliehst naturgetreu, dennoch als Schema fiir den ganzen Vorgang dienen kann, zugleich aber aueh zeigt, wie innig der Zusammenhang zwischen Knorpel und Knoehen, wie sehr dieser verkalkte, osteoide Knorpel jungem Knochen gleicht, wie wenig endlich eine deutliche Grenze zwisehen beiden Geweben zu sehen ist~ so dass die Annahme einer Metaplasie bier gewiss nahe liegt. Ja, ieh muss gesteh~n, dass mir solche Stellen, ehe ieh die einfaehe Gesetzm~ssigkeit des Ossificationsvorganges am Kronenfortsatz erkannte und mir ausser der S tr el z o ff'schen und B useh'sehen Doppelfiirbung, die da geradezu verwirrend wirken, nicht auch die Safraninfitrbung zur Hand war, immer wieder den Zweifel erweckten, ob nicht doch wenigstens in kleinen Bezirken eine direckte Umwandlung des Knorpels in Knoehen stattt~nde. Und solcher Stellen giebt es bis zu einem gewissen Stadium, we die Verhaltnisse klarer werden, zahlreiche.

In dem hier besehriebenen Stadium besehr~tnken sieh diese trtigerisehen Bilder noeh auf eine relativ kleine Zone des Ueber- ganges veto verkalkten Knorpel in die rein periosteale Lamelle (Fig. 3, Taf. IX).

Diese zeigt bereits wieder eine solehe Regelmiissigkeit in ihrer Entstehung dutch lange Osteoblastenreihen und typischen, alter- nirenden Resorption dureh grosse und zahlreiche Osteoklasten, dass ihre Unabhi~u~igkeit yon Kuorpelgewebe leieht einleuehtet. Sie bildet ohne Parallellamellen den aufsteigenden Ast und geht unten in das gefiechtartige Knoehengertist des Alveolarastes tiber.

Im n~iehsten Stadium (71/2em)findeu wit ausser den Ver- iinderungen im Knorpelkerne aueh eineu regen Fortsehritt der Verkn(icherungsvorgiinge.

Der Osteoblastenbeleg des Knorpelkernes hat bereits eine oberfi~chliehe Knoehensehieht (analog wie beim Kronenfortsatz) ab- gelagert, welcher wir am Frontalschnitt bereits als Grenzlamelle

312 Josef Schaffer:

gedaeht haben. Sie besteht anschelnend aus verkalktem Knorpel und seheint sehr hinf~tlligerNatur zu sein, da besonders die innere Lamelle medialw~trts yon zahlreichen Osteoklasten besetzt erscheint. Bei nRherer Untersuehung sieht man jedoeh, dass ausserhalb des verkalkten Knorpels bier und da noeh sehmale B~,tlkchen perio- stalen Knoehens vorhanden sind, Ueberreste der yon den anlagern- den Osteoblasten erzeugten Grenzlamelle, welche gr~sstentheils dureh Resorption geschwunden ist, so dass das Perichondrium resp. Periost und die Osteoklasten nun direkt dem verkalkten Knorpel aufliegen, ein Verhalten, das wir ja aueh bei der Ver- knScherung yon R~hrenknochen kennen. Auch hier geh t also vor der R e s o r p t i o n K n o e h e u d i r e k t in v e r k a l k t e n K n o r - pe l t iber und S t e u d e n e r , dem dies nieht entgangen ist, sagt ausdrficklich (vgl. B r o c k 1. c. S. 300), dass solehe Bilder aller- dings zur Annahme einer metapIastischen Ossification verleiten kSnnten, weist dann aber geradezu auf die Aehnlichkeit mit der sieh zuerst um einen ossifieirenden Rt~hrenknochen bildenden La- melle, der ,perichondralen Grundschieht" (S t re lzoff ) hin, deren periostalen Ursprung hIiemand bezweifle; wo diese sich fiber die endochondrale Ossificationsgrenze hinaus auf den Epiphysenknorpel verl~,tngere, gehe sic ebenso diffus in den Knorpel tiber, als es hier gesehieht, ohne dass Jemand daraus bis jetzt Rhnliche Schltisse gezogen habe.

Die Verkalkung des Knorpelkernes ist, wie bereits erw~ihnt, eine ausgedehntere und dieser verkalkte Knorpel geht wieder in die prim~tre Knochenlamelle tiber, welche aber sehon durch Bil- dung yon NIarkr~tumen und kurzen Parallel- und Querb~tlkehen ein Rhnliehes Netzwerk bildet, wie es der Alveolarast besitzt. (Fig. 4 Taf. IX.)

Von einer Ossificationsgrenze ist aueh bier keine Spur, son- dern diese Uebergangszone ist characterisirt dureh ein ausser- ordentlieh unregelm~tssiges, eomplieirtes Bild, indem eindringendes Markgewebe, verkalkte Knorpelgrundsubstanz, eri~ffnete KnorpeI- htihlen, beginnende osteoblastisehe Ossification und rege Resorp- tion durch Osteoklasten und Blutgefitsse an dieser beschr~tnkten StelIe zusammengedrRngt erseheinen.

Bei aufmerksamer und an mehr als 100 Schnitten dieser Stadien wiederholter Durchforschung bin ieh zur Ueberzeugung gelangt, dass gerade in dieser Ossifieationsregion seheinbar die meisten

Die VerknSeherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 343

Anhaltspunkte ftir die Annahme einer bietaplasie liegen, aber nicht dureh ein klares, unzweideutiges Bild, sondern gerade dutch dieses, fur den oberfli~ehliehen Beobachter wirre Durcheinander, welches der subjectiven Interpretation den weitesten Spielraum gestattet. An ri~umlichen Uebergiingen yon Knorpel in Knochen ist hier kein Mangel, es ist vielmehr geradezu Regel, dass sieh junger, osteoblastischer Knoehen schon anlegt, ehe alle angrenzenden, ver- kalkten Knorpelzellen er~ffnet und resorbirt sin&

In der weiteren Entwicklung (8 em) verf'allt die den Knorpel bedeckende Knochenrinde (am Frontalsehnitt ,,periostale Grenz- lamelle") fast aller Orten der g~nzliehen Resorption und grosse, lunge Osteoklasten, die mit ihren L~ngsaxen parallel den Faser- btindelu des spiirliehen Cambiums gerichtet sind, lagern direkt auf dem groben Gitterwerk des verkalkten, zum Theil aueh auf unver- kalktem Knorpel.

In der Region der Knorpelzerst~irung, die auch hier wieder durch die gr~sste Unregelm~ssigkeit ausgezeichnet ist, f'allt uns die m~chtige Entwieklung des Gef~,~ssbaumes und die geradezu tiber- raschende Massenhaftigkeit der Osteoklasteu auf, unter deren Ein- fluss das verkalkte Knorpelgertist zu Grunde geht.

In der Umgebung der zahlreiehen Gefasse sehen wir ausser den Riescnzellen aueh noeh junges Markgewebe und allenthalben finder regellose Anbildung neuen Knochens statt, so dass hier wie- der ein inniges Ineinandergreifen yon osteoidem Knorpel und jungem, grosszelligem Knoehen die Uebersicht der Verhaltnisse ausserordentlich erschwert.

Die verkalkten Knorpelbalken, welehe nieht nur aus Zwischen- substanz, sondern aus kurzen Ztigen und Gruppen ganzer Knorpel- zellen bestehen, an die sich yon der einen oder anderen Seite Kno- chert auflagert, wiihrend der Knorpel yon der freien Seite her durch 0steoklasten resorbirt wird, gehen allmiihlich tiber in rein osteoblastisch gebildete Knoehenbalken und somit in das Gertist, welches nun durch Markraumbildung and neuentstandene Knochen- b~lkehen an Stelle der prim~ren Lamelle zu sehen ist.

Es ware zu ermiidend und tiberfitissiff bei den folgenden Stadien immer wieder dasselbe zu besehreiben; .es gentigt ein Bliek auf die vergleichende Zusammenstellung der Entwiekl~ngsreihe (Fig. 2--12, Taf. IX), um sieh zu Uberzeugen, dass die Verhi~ltnisse bis zum Em- bryo yon 121/2 cm wesentlich dieselben bleiben.

344 Josef Schaf~er:

Jedoch bereits in den unmittelbar vorangehenden Stadien kSnnen wir die ersten Anf~,~nge yon Verb~ltnissen sehen, welehe der U e b e r g ' a n g zu e i n e m e t w a s r e g e l m a s s i g e r e n , d e r e n d o e h o n d r a l e n V e r k n S e h e r u n g ~ h n l i e h e r e n T y p u s ist.

Sehon beim Embryo yon 9 cm sehen wit neben der reiehlichen Osteoklasten-Resorption des Knorpels e ine , allerdings noch be- scbrankte E r S f f n u n g y o n K n o r p e l h ~ h l e n und Z e r f a l l d e r v e r k a l k t e n G r u n d s u b s t a n z , worauf wit bald etwas naher ein- gehen werden.

Dutch diese Resorption ohne Osteoklasten entstehen auch scbon jene eharakteristisehen Knorpelgrundsubstanzreste, auf die nun aueh Knoehen aufgelagert wird, was eine neue Complication des Bildes bedingt, da nebenher noch der alte Modus fortbestebt. Er wird jedoch immer mehr yon dem modificirt endoehondralen verdrangt, womit die allmahliche Ausbildung einer Ossifications- linie Hand in Hand geht. Diese wiehtige Aenderunff im ganzen Bilde beginnt bereits beim Embryo yon 10 cm, aber nut in den vorderen Partien des Knorpelkerns, wo der Knorpel am Frontal- schnitt in einer geraden Linie ohne Osteoklasten zerstSrt wird, in- dem die Knorpelh~hlen erSffnet werden, die Zwisehensubstanz tbeilweise zerf~llt und resorbirt wird, theilweise in Form tier be- kannten Zwickel bestehen bleibt, urn wieder ein GerUst far das Knoehengewebe zu bilden, das weiter unten yon dem massenhaft eindringenden Markgewebe geliefert wird.

Dies findet aber, wie gesagt, nut in den vorderen Partien des Kn0rpels statt, in der Mitte und rUekwarts finden wit wieder Auf- lag'erung yon Knoeben auf die gesehlossenen Knorpelzellen, Osteo- klastenresorptiou neben molekularem Zeri~ll, kurz ein Uebergangs- bild zum naehsten, gleich zu beschreibenden Stadium.

An diesem Embryo yon 10 em kann man ttbrigens wieder sehr deutlich das Zustandekommen yon Bildern sehea, die leicht ftir eine thats~ehliehe Metaplasie in Ansprueh g~nommen werden kSnnen, wenn man die Genese nieht berUeksiehtigt. Am t~uschendsten sind sic dort, wo sieh der Knorpelkern versehmalert und in den aufsteigenden Kieferast Ubergeht. Ueherall gegen die Rander hin werden die Knorpelzellen kleiner und auf dieselben wird ein gross- zellig-er, periostaler Knoehen aufgelagert, tier bei der gew~hnliehen Tinetionsmethode eine Mischfarbe zeigt.

Ein ahnliches, zur Vorsieht mahnendes, abet sehr instruktives

Die YerknScherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 345

Bild finden wir an den tieferen Knorpelkan~ilen, wo sieh noeh die Knorpelzellen gegen das Lumen des Kanals bin abplatten und kleiner werden. Denkt man sich nun auf diese fast spindelf~r- migen Knorpelzellen, deren Aehnlichkeit mit KnochenkSrperchen durch die Verkalkung noch erhSht wird einen grosszelligen Kno- chen abgelagert, der sieh z. B. mit H~matoxylin aueh ein wenig f~rbt, so hat man einen so allm~hliehen Uebergang zwisehen bei- den Geweben, dass man nahezu gezwungen wird an eine Meta- plasie zu glauben.

Nun sieht man aber an jenen Knorpelkan~len, wo die Knochen- bildung noeh nicht begonnen hat, deutlieh den Knorpelw~inden Markzellen auflagern, welche ihre GrSsse und den eharakteristisch polst~indigen Kern unzweifelhaft als Osteoblasten erweist. In derThat kSnnen wir am selben Pr~parat alle Ueberg~nge yon diesem Bilde biszur Auflagerung einer breiten, periostalen Knoehensehicht und Resorption des Knorpels verfolgen. Diese Beobachtung hat auch S t r e l z o f f gemacht, indem er direkt sagt,, dass in den breiteren Knorpelkan~ilen der hypertrophischen Sehicht des Knorpels sieh die wandst~ndigen Zellen zu Osteoblasten entwickeln, welche die Knorpelbalken epithelartig decken.

Der Stiel des Gelenkkopfes, d. h. die Lamelle des aufsteigen- den Astes, zeigt ahnliche Verhaltnisse wie ei~ Kronenfortsatz mit axialem Knorpelkern, nur sind sie viel wirrer; die lebhafte Osteo- klastenresorption 1) zerstt}rt auch den Knoehen, der nieht so seh~n linear angelagert wird, sondern in Resorptionsbuehten des Knor- pels, auf gesehlossene Knorpelzellen und erst welter nach unten zu seinen ehrondroiden Charakter verliert.

Ieh schliesse hiermit die Darstellung des ersten Theiles der Ossificationserseheinungen am Gelenkfortsatz, welehe fiir sich be- trachtet einen eigenen Verkn~cherungsmodus darstellen, der sieh durch ganz allm~hliehe Ueberg~nge in einen anderen umwandelt, dessen letzte Stadien so sehr yon den ersten Ossifieationsvorgiingen

1) Wie energiseh hier die Resorption des Uebergangsgewebes (des ehondrolden Knochens und osteoiden Knorpels) stattfindet~ m5ge fo]gende Thatsaehe beleuchten: An einer Stelle in der Mitre des aufsteigenden Astes

war die ziemlich breite Lamelle g~nzlieh durchbrochen und zwar in einer Breite yon 120--130/~, in einer HShe yon beil~ufig 1 mm und konnte ich an

den W~nden und im Lumen dieser riesigen perforirenden Lacune wenigstens 160 Osteokfasten z~hlen.

~.rchiv f. mikrosk. Anatomie. Bd. 32. ~

346 Jose f Schaffer:

am Gelenkkopfknorpel versehieden stud, dass wir zu der Behaup- tung bereehtigt stud: d e r K n o r p e l k e r n des G e l e n k - k o p f e s o s s i f i e i r t n a c h z w e i v e r s e h i e d e n e n T y - p e n , d e r e n E x t r e m e w o h l c h a r a k t e r i s i r t s t u d ,

d i e a b e r , e t h e r a u s d e m a n d e r e n h e r v o r g e h e n d e i n e R e i h e y o n a l l m K h l i g e n U e b e r g ~ t n g e n z w i - s e h e n s i c h f a s s e n .

Vergegenw~trtigen wir uns noch einmal die vorzllglichsten Kennzeichen des ersten Typus, den man passeud als den der s lagerung (perichondralen) yon dem der Einlagerung (endoehon- dralen) unterseheiden kann, so lassen sich dieselben kurz in fol- gende S~ttze znsammenfassen: grosszelliger (periostaler) Knoehen wird dureh Osteoblasten allenthalben im Ossificationsgebietc a u f gesehlossene, verkalkte und unverkalkte Knorpelzellen aufgelagert und dann erst werden diese yon ether freien Seite her in toto dutch Osteoklasten zerstSrt.

Die Resorption ist h~ufig eine unvollkommene, so dass noeh einzelne Knorpelzellen oder Gruppen yon soleheu stehen bleiben, neuerdings yon Knochen liberlagert werden, aber sehliesslieh immer der Resorption yon einer freien Seite her verfallen.

Eine Ossificationslinie bildet sich nieht, der Knorpel wird stets naeh Art des Knochen resorbirt, d. h. dureh Osteoklasten.

Ueber dieses erste Stadium der KnorpelverknSeherung am Gelenkfort- satz sind die Beobachtungen der Autoren ziemlich sp~.rlich und mangelhaft.

S t r e l zo f f 1) scheint an seinen Pr~paraten nut diesen perichondralen VerknScherungstypus gesehen zu haben, da er behauptet, dass eine Er5ffnung der KnorpelhShlen, endochondrale Ossification und Greazlinie gar nieht existire und dass die Knorpelzellen unter gleichzeitiger Verkalkung und Sklerosirung tier Grundsubstanz direkt zu Knochenzellen werden. Die Auf- lagerung yon periostalen Knochen auf intaeten Knorpel hat S t r e l z o f f in seinen Abbildungen dargestellt und an dem LEngssehnitte dureh den Ge- lenkfortsatz eines 18 cm langen Rindsembryo, den er abbildet (Taf. II Fig 11), kann man die Verh~ltnisse der periehondralen Ossification ganz gut sehen; die Deutung dieser Bilder jedoch, welche sic yon St r el z off erfahren hubert, musste yon vorneherein eine fehlerhafte sein, da er jede, wie immer geartete Resorption des Knoehengewebes in Abrede stellt.

Dass gerade der perichondrale Typus die meisten Anhaltspunkte zur Behauptung einer Metaplasie giebt, liegt wohl auf der Hand und geht auch deutlich aus dem Umstande hervor, dass alle Beschreibangen, die bis jetzt

I 1 Untersuch. aus d. path. Instit. Zfirich, I. H.

Die VerknSeherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 347

darfiber vorliegen, im metaplhstischen Sinne verfasst sind; yon Seite der Gegner der Metaplasie wurde kein Versuch gemacht, diese wirklich schwie- rigen Bilder befriedigend zu erkl~ren.

S t i e d a bezeichnet den Prozess als einen dem endochondralen ganz analogen, S t e u d e n e r l~sst ihn nur in der Weise unregelm{issig seth, dass grosse Strecken verkalkten Knorpels mit in den endochondralen Knochen eingeschlossen werden, was er auch fiir die Ursaehe h~lt, dass S t r e l z o f f bier einen metaplastischen Modus angenommen hat, der nicht existirt.

Beide Autoren~ S t i e d a und S t e u d e n e r k~innen bier also nur sp~tere Stadien vor sich gehabt haben, wo ja wirklieh eine bedeutende Ann~herung an den endoehondralen Typus stattfindet.

Genauere Beobachtungen, die gr6sstentheils anch den yon uns ge- machten entsprechen, liegen von Brock vor, der sie aber freilich in seiner Weise gedeutet hat.

Zuniichst best~itigt er das Vorkommen der yon S t r e l z o f f und Steu- dener angebenen Eigenthiimlichkeiten der Unterkleferverkn~ieherung, dana schildert er sehr einfach die metaplastische Ossification: ,,Ueberall gegen den periostalen Knochen hin sp i t z t sich der Knorpel zu, seine Zellen vergriissern sich so, dass sie fast gar keine Zwischensubstanz zwischen sich zu ]assen seheinen und lagern Kalk in ihre Interstitien ab. Mit wachsender Kalkim- pr~gnation rficken sie auseinander und werden zugleich sternfSrmig, womit der Knochen fertig ist. Diese Umwandlung geschieht zuerst da, wo der Knochen an den Knorpel stSsst, an den Rs desselben. Man sieht hier den Zwischenraum zwischen den einzelnen Knorpelzellen durch weitere Kalkab- lagerung sich raseh vergrSssern, w~hrend dieselben zugleich zackig werden. Das Innere besteht noch aus verkalktem Knorpel mit sehr geringer Zwischen- substanz. Der eehte Knorpel ist daher mit dem eehten Knochen iiberall durch eine Art Uebergangsgewebe verbunden, welches sich an den Riindern schon als Knochen eharakterisirt und im Innern wesentlich nur aus ver- kalktem Knorpel besteht." Sehr richtig erw~hnt Brock auch, dass der fertige Knochen dichtgedrangte Knoehenk~irperchen and einzelne stehenge- bliebene Knorpelzellen enthiilt.

Man sieht, dass die ganze Darstellung dem yon uns Gesagten entspricht. und nur die Schlussfolgerung eine ganz andere ist, was gerade io osteo- genetisehen Fragen so hiiufig der Fall istl).

1) Wie sehr es in der ganzen Frage der Ossification auf die Auffassung und Deutung des Gesehenen ankommt~ beweist der Streit fiber die VerknS- cherung der Geweihe zwischen H. Mfi l le r und L i e b e r k i i h n , wo letzterer einmal (Arch. f. Anat. u. Phys. 1863, S. G20)ausdrficklich bemerkt: ,Obwohl ich yon dem Beobachtungsbefunde H. M i i l l e r ' s in keinem wesentlichen Punkte abweiche, muss ich doch seine Sehlussfolgerung fiir ganz unberechtigt erkl~ren)' Er sucht sogar seine Uebereinstimmung mit H. Mi i l l e r darzu- legen and hebt hervor, dass auch er Einsehmelzung des verkalkten Knorpels

348 J o s e f S c h a f f e r :

Wenn aber B r o c k noch weiter bemerkt, dass der Uebergang in die prim~re, periostale Lamelle eln allmEhliger ist, dass es kein Mittel giebt, belder Antheil yon einander zu scheiden und dass dieser Uebergang noch mehr verwischt wird durch den continuirlichen 0steoblastenbeleg, welcher sowohl den pcriostalen, als auch den Knorpelknochen gleich nach seiner Entstehung bedeckt und die weitere Vergr5sserung des letzteren zu iiber- nehmen scheint, so diirfte dem unbefangenen Beobachter die Richtigkeit un- serer Auffassung nicht mehr zweifelhafb sein.

Selbstverstilndlich konnte B ro c k auch die rege, osteoblastische ThEtig- keit im Ossificationsgebiete nicht entgehen and erklErt er dieselbe seincr Auf- fassung gem~iss dadurch, dass die aus dem Knorpel hervorgegangenen Knochen- lamellen unmittelbar nach ihrem ersten Entstehen yon der innern Schichte des Periostes einen Osteoblastenbeleg beziehen, der nun gemeinschaftlich mit dem Knorpel ihre weitere VergrSsserung besorgt. Diese etwas sonderbare Annahme des unmittelbaren Auftretens erkl~irt mir nun freilich die Erschei- hung, dass ich immer und iiberall an der Oberfl~che und in Resorptionsriiumen des verkatkten Knorpels Osteoblastenth~itigkeit beobachten konnte, abet den- noch n~mmt es mlch Wunder, dass ieh an mehreren tausend Schnitten kein Stadium gesehen habe, wo dieser unmi~telbare Os~eoblastenbeleg noch nicht aufge~reten war und dass andererseits neben der knochenbildenden Th~itigkeit der Osteoblasten~ die knorpelzerstSrende der Osteoklasten so wenig Beriick- sichtigung finder, wo doch Brock diesen wichtigen Vorgang belm Sehweine- embryo 9cm mit folgenden Worten so treffend beschreibt: ,Die hintere Wand und der hintere Theil der lateralen Wand besteht nur aus dem vom Knorpel aus gebildeten Uebergangsgewebe, welches bier einer Resorption unterliegt, ohne jemals zu Knochen geworden zu sein. Ausserdem ist aber die gauze mediane Seite des aufsteigenden Astes wenigstens in den obern zwei Dritteln in eine Resorptionsfl~che verwandelt. Ich sehe bier Riesenzellen nicht nur an der periostalen Einfassung, ich finde sic auch in grosser An- zahl an der freien Oberfl~che des Gelenkkopfes, der an der medianen Seite bis an die Oberfl~iche verkalkt ist." Man sieht auch hier wleder die Ueber- einstimmung in den Beobachtungen~ nur hat Brock bei der Deutung der- selben das erste Auftreten des Knochen zu wenig gewiirdigt. Auch glaube ich wiirde die Schwierigkeit der Erkliirung eine geringere sein, wenn man

annehme, ,n~imHch fiberall da, wo Gef~sse und Markr~iume entstehen, was o h n e h i n e i n e l ~ i n g s t b e k a n n t e T h a t s a c h e ist ~, freilich mit dem nicht unwichtigen Zusatze, dass er das, was Mi i l l e r als verkalkten Knorpel beo zeichnet, als in der Verkn5cherung begriffen auffasst, also etwas ganz An- deres meint. Aehnliches gilt yon den verkn5cherten Sehnen, bezfiglich welcher v. E b n e r (Ueber den feinern Bau der Knochensubstanz 1. c. S. 118), mit den thats~ehHchen Beobaehtungen L i e b e r k i i h n ' s in Ueberelnstimmung steht, aber den Zusamraenhang der Tha~sachen, wie ihn L. supponirt, nich~ anerkennt.

Die Verkn6eherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 349

an der seit v. E b n e r pr~clslrten Definition yon Knochen etwas mehr fest- halten und nlcht vielfach ein Uebergangsgewebe kurzweg f~ir Knochen er- kl~ren wfirde. Hat doch schon H. M f i l l e r bei Besprechung tier rachitischen KnorpelverknScherung darauf aufmerksam gemacht, wie mannigfaltig die Zwischenstufen der verschiedenen Formen der Bindesubstanz sind und selbst L i e b e r k fih n 1), ein sehr entschiedener Verfechter der Metaplasie, sieht sich am Schlusse seiner Abhandlung zu der f'tir die Mannigfaltigkeit der Ossifications- bilder wohl zu beherzlgenden Bemerkung veranlasst: ,Ja, es kann sieh selbs~ ereignen, dass die verschiedensten Dinge einander so ~ihnlich sehen, dass man sle nach ihrer Form allein bis jetzt nicht unterscheiden kann."

Ich verweise bier auf das Gewebe der Zilhne; betrachtet man z. B. den Cement der Backenz~hne yore Meerschweinchen, so wird man ein Gewebe finden, das man schwer|ich entschieden als Knochen oder Knorpel bezeich-

nen kann. Eines der wicbtigsten Momente zum Verst~nduiss des ersten Yerkn~che-

rungsvorganges am Gelenkkopfknorpel ist, wie wir mehrfach gesehen haben, der Umstand, dass neoplastischer Knochen auf intacten Knorpel abgelagert

wird. K a s s o w i t z 3) nun ]iiugnet direkt das Yorkommen einer 0steoblasten-

schicht im Perichondrium eines embryonalen Knorpels und ebenso die Auf- lagerung periostalen Knochens auf kleinzelligen (unverkalkten) Knorpel, ob- wohl er sich auch an anderen Knochen yon Schafembryonen hfitte vom Gegentheil iiberzeugen kSnnen. S. 266 modificirt K a s s o w l t z selbst einiger- massen diese Behauptung, indem er sagt, dass man an den Verkalkungsgrenzen yon RShrenknoehen h~ufig beobachten kann, dass die periostale Knochenbil- dung der eigentlichen Verkalkungsgrenze um eine gewisse, allerdings unbe- deutende Strecke vorauseilt, nur lagere dcr periostale Knochen da immer

auf grosszelligen Knorpel auf. Dem gegenfiber bildet S c h S n e y B) in seiner Fig. 5 eine Stelle ab, wo

an verkalkten Knorpel direckt neugebildeter Knochen stSsst, welche Bilder naeh ihm an dcr Ossificationsgrenze bei Vogelkaochen regelm~ssig wieder- kehren. Die hyaline Zone zwischen verkalktem Knorpel und den ersten KnochenkSrperchen sehrelbt er dem schmelzenden Knorpel zu (es ist dies die unverka]kte, neue Knochensubstanz) und die Osteoblasten l~isst er theilwelse ( i m S i n n e W a l d e y e r ' s ) inKnocbengrundsubstanziibergehen. K a s t s c h e n k o 4) stellte die an doppeltinglrten Pr~parateu zur Beobachtung kommenden Bilder der Metaplasie des Froschknorpels in ParaUele mit denen an den knorpeo ligen Forts~tzen des Unterkiefers bei S~ugethieren und f'dhrt als Grund des Mangels der die endochondrale Knochenbildung characteriss Gebilde an,

1) Arch. f. Anat. u. Phys. etc. 1860. 2) K a s s o w i t z : Die normale Ossificatiou etc. 3) Arch. f. mikr. Anat. Bd. XII, S. 243. t) Ibid. Bd. XIX.

350 Jo se f Schaf fe r :

dass der neoplastische Ossificationsprocess an der Oberfl~ehe der unzerstSrt gebliebenen Knorpelbalken verlgufL

M a s q u e l i n beschreibt ebenfalls die Osteoblastenschieht an der Obero fl~iche des unverkalkten Knorpels und die vonihnen gelieferte Knochensehicht. Weiterhin aber l~isst er diese Knochenlamelle sich verdicken und zugleich die anstossende Knorpelzone direkt verknSehern, ohne eiae Bemerkung fiber Resorptionsvorggnge in diesem ,metaplastischen" Knochen (i. e. osteoiden Knorpel) zu machen.

Bei J u l i n endlich finden wir eine ziemllch eingehende Schilderung jener Bilder, wo eehter Knochen fibergeht in verkalkten, osteoiden Knorpel, der einen ,,ganz eigenthiimlichen" Anbliek gew~ihrt. Die Zellen dieses Ge- webes sind viel kleiner, als die in der Verkalkungsregion, hell, homogen, die einen kugelig, die andern mehr unregelm~ssig, die Grundsubstanz ist mit Pikrokarmin s~ark ro~h gefiirbt und setzt sich einerseits unvermerkt in die verkalkte Knorpelgrundsubstanz, andererseits in die Knochengruadsubstanz fort. J u l l n fasst nun diese Uebergangsschicht, deren Zustandekommen auch wir geschildert haben, irregeffihrt dureh ihre morphologische Ercheinung und das t~irberische Verhalten als den Ausdruck der direkten Umwandlung yon Knorpel in Knoehen auf. Er muss abet auch die Resorption dieses Gewebes gesehen haben, indem er kleine Markr~iume in demselbeu besehreibt, welche anscheinend aus der Vereinigung mehrerer KnorpelhShlen entstanden sind und junges Markgewebe enthalten.

B. W e i t e r e O s s i f i c a t i o n . - - M o d i f i c i r t e n d o c h o n - d r a l e r T y p u s ( T y p u s d e r E i n l a g e r u n g ) .

Fahren wir nun in der Besprechung der weiteren Verkn~che- rungsvorg~nge am Gelenkfortsatz fort, so haben wit beim n~chsten yon arts untersuchten Stadium (121/2 era) eiae gewaltige Ver- ~.nderung ira" ganzen Ossificationsbilde zu verzeichnen and zwar eine Veranderung, die vornehmlieh dureh das Zustandekommen einer fas t g e r a d l i n i g e n , d e u t l i c h e n O s s i f i e a t i o n s g r e n z e bedingt ist, deren Entwicklung bereits im vorhergehenden Stadium begonnen hat.

Da besonders das Studium dieses Stadiums sehr lehrreich ist und mir einige naturgetreue Abbildungen desselben vorliegen (Fig. 24, 25, 26), so will ich an der Hand derselben eine genaue Beschreibung der bier zu beobachtenden Verkn~cherungsvorg~nge geben, dieselben durch Beobachtungen an den alteren Stadien er- g~nzen und so versuchen ein anschauliches Bild der modificirt endoehondralen Knorpelkernossification zu geben.

Betrachten wit das schwach vergr~sserte Uebersichtsbild eines ganzen Frontalschnittes dieses Stadiums (Taf. XI, Fig. 8), so f~llt

Die Verkn5cherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 351

uns bereits die Aehnlichkeit mit einem Riihrenknochen auf. Der Knorpelkern, welcher ausschliesslich den Gelenkkopf bildet, hat den Ansehein eines Epiphysenknorpels, nur fehlt, wie mehrmals erw~thnt, eine Richtung der Knorpelzellen. We Knorpelkaniile aus dem Kern in das Ossifieationsgebiet treten, springt der Knorpel gegen dieses zapfenf(irmiff vor, sonst wird der verkalkte Knorpel l~ngs einer geraden Linie erSffnet und die Knorpelhiihlen mit Markzellen erftillt, ein Bild, das hier um so ausgesprochener ist, weil es in ether hreiten Zone gesehieht, so dass wir das Gebiet als E r iJ f f n u n g s z o n e bezeichnen mUssen gegentiber der O s s i- f i e a t i o n s z o n e, welehe erst wetter unten beginnt.

Diese beiden Gebiete sind nicht seharf yon einander getrennt, nur nach oben und unten abgegrenzt, in der Y[itte gehen sie all- miihlieh ineinander tiber (Fig. 8 mit Tusch angelegt).

Dies ist also wieder als ein bedeutender Unterschied you der endochondraleu VerkniJcherung zu bezeiehnen, we alsbald naeh der ErSffnung der KnorpelhShlen auch Knoehen in dieselben abgelagert wird. Auch die Verkalkung ist keine so regelmiissige, wie beim Epiphysenknorpel der RShrenknochen.

Dass hier verkalkte Knorpelkapselu eriiffnet und mit Mark- zcllen angeftillt, ja schon oft vet der Einlagerung yon Knochen- substanz zerstiirt werden, dass man hiiufiff Triimmer dieser ver- kalkten Knorpelscheidew~inde findet, ist zweifellos. Ein Blick auf das Bild 26, Taf. XII wird gentigen, um dies ansehaulich zu maehen. Jetzt werden wir auch den gewaltigen Unterschied veto periehon- dralen Typus wahrnehmen, da wir im ErSffnungsgebiet jegliehe Osteoklastenresorption vermissen, sondern der Knorpel auf eine ganz eigenthtimliche Weise, gleich wie bet der endoehondralen Ossification sehwindet, worauf wit etwas n~her eingehen mtissen.

K a s s o w i t z 1) macht der neoplastisehen Schule nieht ganz mit Unreeht den Vorwurf, dass sie ihre Behauptung vom giinz- lichen Untergange des Knorpels bet der VerkniJeherung mangel- haft gestUtzt habe und tiber die Art, wie die letzten Knorpelreste schwinden, wenig befriedigende Auskunft gebe. Er ftihrt dann einige Anschauungen verschiedener Autoren an ; so liisst H. Mtill e r die verkalkte Knorpelgrundsubstanz einfach nach und nach schwin- den; nach St i eda sell ,,dutch AnseinanderrUeken der sklerosiren-

1) I. e. S. 186.

352 Josef Schaffer:

den Osteoblasten yon den Markriiumen her die Grundsubstanz all- m~ihlieh schwinden, his die Knochengrundsubstanz an die Stelle getreten ist". K i i l l i k e r 1) l~isst sie der Resorption dureh Osteo- klasten anheimfallen, S t r e I z of f sagt, dass sich die .Grnndsubstanz der Knorpelreste niemals in Knoehen verwandle, sondern dutch den Druek seiner ,,ttalbmonde" wahrscheinlieh dureh molekularen Zer- fall zu Grunde gehen u. s . f . Ftir uns yon grossem Interesse ist auch die Ansieht Waldeyer ' s~ ) , der sie sehwinden l~tsst, indem um jede Knorpelzelle herum dieselbe sieh in Form feinkiJrniger Masse gleichsam anti,st.

Dieser Anschauung gegenliber steht die yon K a s s o w i t z ver- tretene, dass die Knorpelg'rundsubstanzreste in Knocheagrundsub- stanz Uber.gehen und nachtr~iglich Knoehenk~irperchen in diesem metaplastisehen Knochen entstehen, worauf ieh noch einmal zu sprechen komme.

Ieh gehe nun zur Sehilderung des Vorganges, wie ich ihn an meinen Pr•paraten gesehen und mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt habe.

Betrachtet man einen Frontalsehnitt dieses und iilterer Stadien bei schwacher Vergr(isserung, so ftillt einem an naeh B u s c h ge- f'arbten Priiparaten an der ErSffnungsgrenze ein liings dieser hin- laufender, heller Santo auf, der an Safraninpriiparaten, obwohl noeh dem Knorpel angeh(irend, als ziemlieh scharfe r i i t h l i e h e Grenzlinie gegen das andringende hIarkgewebe erscheint. Unter- sueht man denselben bei starker Vergriisserung, so sieht man, dass hier jener mit Hiimatoxylin f'arbbare Inhalt der Knorpelh~hle (vgl. S. 322) geschwunden ist, mit ihm oft aueh die Knorpel- zelle, so dass die Kapsel leer erseheint oder aber dieselbe liegt frei in der Kapsel, selten wohlerhalten, meist gesehrumpft und kernlos geworden in Form eines protoplasmatischen Restes (Fig. 25 k, Fig. 26 Kz). Die zarten Zwischenzellsubstanzbrtieken, welehe diese Yiiihlen begrenzen, sind racist aueh nieht mehr in ihrer ganzen Aus- dehnung erhalten.

Diese grossen, farblosen Hiihlen aneinandergereiht geben das Bild jener hellen Zone (Fig. 25 S). Am Safraninpraparat ist der gelb f'~irbbare Theil aus der Knorpelkapsel versehwunden, daher

1) Wiirzburger Verhdlgn. Bd. IV, 1873. 2) Archly f. mikr. Anat. Bd. I, S. 360.

Die u des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 353

erscheint die Linie r~thlieh, was wir bereits bei der Verkn~eherung des Knorpels im Kronenfortsatz als Zeichen beginnenden Unter- gangs erkannt haben (siehe S. 327).

Bei langerer, aufmerksamer Betrachtung dieser hellen Grenz- zone mit starker Vergriisserung sehen wir aber noeh ungemein zarte, schwach lichtbreehende Contouren, die ihre Form als farb- lose Knorpelkapseln erkennen liisst und die ich nicht anders deuten kann, als dass hier die Knorpelgrundsubstanz vollkommen hyalin geworden ist und ihre Fiirbbarkeit verloren hat (Fig. 25 r).

Selten sind diese leicht zu tibersehenden Umrisse geschlossen, meist nut fragmentarisch vorhanden, so dass man es hier offenbar mit einer AufiSsung der Knorpelgrundsubstanz zu thun hat, zu weleher die reichlieh eindringenden Blutgefitsse in nahe Beziehung zu bringen sin&

Eine solehe ,ganz helle Zone", die nur eine Knorpelzellreihe enthiilt, grenzt nach R o s e n t h a l 1) auch bei der endoehondralen Ossification an die erSffneten Knorpelzellen und B aura), der schon vor mehr als 30 Jahren die Resorption des verkalkten Knorpels betonte, lasst dieser Resorption eine Aufl~sung der Kalkkrtimmel und wieder Glashellwerden des Knorpels vorausgehen.

Unter dieser hellen Grenzlinie sehen wir aber im ganzen Er- ~iffnungsgebiet noch intensiv gefi~rbte, zackige, unregelm~ssig- zwickelfSrmi~e Knorpelgrundsubstanzreste, i~hntieh denen bei der endochondralen Ossification. An diesen liiuft nun vielfaeh ein retrograder, der Knorpelverkalkung entgegengesetzter Prozess der Entkalkung ab, indem die anfangs seharfrandigen, dunkelgefi4rbten Knorpelreste wie angefressen erseheinen (Fig. 26 Kg'), zun~ichst an ihren Riindern, wie Wal de y e r erwiihnt, in jene Kiirnchen zer- fallen, welche wit als erste Spuren der Verkalkung gesehen haben und, was sehr wichtig ist, ihre Fiirbbarkeit verlieren, sehliesslich ebenso blass werden, wie die Knorpelzellcontouren in der hellen Zone und endlich ganz verschwinden.

In dieser Region findet keine naehweisbare Knorpelresorption dureh Osteoklasten statt, sondern diese tritt crst im eigentlichen Ossificationsgebiete auf, we bereits Anlagerung yon Knochen an diese Knorpelreste stattfindet.

1) Ueber die u des Knorpels vor der u Prom. Diss. Berlin 1875. -- Centralbl. f. reed. Wiss. 1875, S. 579.

2) Miiller's Arch. 1857, H. IV, p. 347.

354 Josof Schaffer:

In n~ichster funetioneller Beziehung zu dieser Atrophie des Knorpels steht die riesige Entwicklung yon Blutgefi, tssen ia der Eriiffnungszone. Weite, sinuiise Venenrliume durchbrechen das Ge- rtiste der verkalkten Knorpelreste, welche bereits ganz tiberlagert erseheinen yon .jungen ~Harkzellen; Capillarschlingen dringen bis an die Er~iffnungsgrenze und dureh die Knorpelkaniile in alas Inhere des Knorpelkernes und vielfach sieht man er~iffnete Knorpelhiihlea prall geftillt mit rothen Blutkiirperchen. Aufi~,illig sind die vielen vereinzelten Blutk(irperchen im Markgewebe, die oft naehweisbar in einem Gef'asslumen liegen, oft aber an meinen nieht injicirten Pr:,tparaten anscheinend ganz frei daliegen.

Auf die Bedeutuug dieser auffallend starken Gef:,issentwick- lung fiir die Markbildung mtissen wir noeh sp~tter zurUckkommen.

Wiihrend also beim rein perichondralen Typus die Knorpel- resorption nur dureh Osteoklasten besorgt wird, geh t h i e r de r K n o r p e l u n t e r dem E i n f l u s s e d e r Blu tgef~ tsse dureh e inen e i g e n t h t i m l i c h e n L ( i s u n g s p r o z e s s zu G r u n d e , t ier du rch E n t k a l k u n g , F a r b l o s w e r d e n , m o l e k t l l ~ r e n Z e r f a l l und e n d l i e h e R e s o r p t i o n a u s g e z e i c h n e t i s t und p a s s e n d a l s C h o n d r o l y s e b e z e i e h n e t w e r d e n kann.

In den tiei~ren Partien nun beginnen die massenhaften Mark- zellen auf diese Knorpelreste, noeh ehe sie zerst(irt sind, Knochen abzulagern (Fig. 24) und zwar wird dieser Knochen durch die Art seiner Entstehung ein ganz eigeuthtimliehes Aussehen besitzen.

Vielfach ist die Zerst~irung der Knorpelgrundsubstanz nur bis zur Eriiffnung der Knorpelhiihlen gediehen uud dadureh entstehen lauter kleine Markr~tume yore Umrisse der ehemaligen Knorpel- kapseln, welche nun yon einer oder mehreren Markzellen (Osteo- blasten) mit Kuoehen ausgeftillt werden. Ist der Knorpelgrund- substanzring noeh scharfrandig und deutlieh mit H~imatoxylin ge- fiirbt, so ist der Vorgang der Einlagerung klar und man hat einen echten Globulus osseus vor sich, der freilich anders entstanden ist, als K a s s o w i t z glaubt; im andern Falle erfo]gt die Einlagerung auf halb entfih'bte Knorpelreste (die dann mehr die Eosinf'arbung des Knoehen annehmen) und es gewinnt das Gauze den Ansehein, als ob die KnorpelhShlen sieh allmahlieh mit Knochen geftillt hiitten und die Umwandlung in Knochen nun auch auf die Reste der Knorpelgrundsubstanz fortschreiten wiirde. Das sind nun wie- der Bilder, die man ohne weitere Ueberlegung leicht flir einen

Die Yerkn~cherung des Unterkiefcrs und die Metaplasiefrage. 355

metaplastisehen Vorgang in Anspruch nehmen kSnnte und in An- spruch genommen hat1).

Daran tragen auch die unregelmEssigen, buchtigen Markr~ume

1) Kassowitz giebt 1. c. S. 167 eine Sehilderung der VerKnderungen an den Knoehens~umen gegen den Knorpel zu und zwar in der Weise, als ob er dieselben an einem und demselben Knochensaum bis zur Vollendung be- obaehtet h~tte. Dies kann natfirlieh nur eine Construektion aus versehiedeaen Bildern sein und deren giebt es so zahlreiche, wenig yon einander abweiehende, dass ein suehendes Auge sie leieht zu oiner zusammengehSrigea Reihe ordnea kann, vom schmalen Knochensaum bis zu den breiten, zusammenfliessenden Knochenbuekeln, welche nur mehr die eharakteristisehen, zwiekelfSrmigen Knorpelreste zwisehen sich einseMiessen.

Die ~hnliehen Bilder jedoeh ffir versehiedene, genetiseh zusammenge- hSrige Stadiea eines und desselben Uebergangsstadiums in Ansprueh zu nehmen, halte ieh zum mindestea Fdr eine sehr gewagte und ungerechtfertigto Saehe. Die Formen der KnorpelhShten und Dimensionen der zwisehei1 ihnen ver- laufenden Grundsubstanzsepta sind so verschieden, immer wechselnd und doch ~ihnlich, dass dureh die mehr minder energische, neoplastische Anlagcrung yon Knochensiiumen in diesen Gussformen, die uuzweifelhaft vorkommt, eine Reihe ~hnlicher Bilder entstehen kann, ohne dass man deshalb bereehtigt w~re, hier einen schmiileren Knorpelrest ffir den AbkSmmling eines dort bestehenden, breiteren zu erkl~iren.

Weiters sag tKassowi tz , dass der innere Rand des schmalen Knochen- saumes, der anfangs genau die Oberfl~cheneonfiguration der Knorpelh5hlen wiedergab, nur st~rkere Buckel gegen den Knorpel zu bilden beginnt, die aber mit ,vollstiindig seharfem Rand" abgegrenzt sin& Hier liegt meiner Meinung naeh eine Verweehslang von verkalktem Knorpel mit Knoehen vor (der sieh K. noeh einmal sehuldig maeht), denn ieh wfisste keinen annehm- baren Grund, warum die Metaplasie in dem [iberall gleiehmiissig verkalkten Knorpelgewebe auf einmal in so bestimmten, seharfrandigen Formen auf- treten solI, wie eben nut die Knoehenanbildung in eine bestimmte Form erfolgt.

Ieh halte diese ganze Darstellung fiir fehlerhaft, weft sie willkfirlich construirt ist, and die weitere Beobachtung, welehe Kassowi t z noeh als Stiitze seiner Anschauung vorbringt, das8 man die neugebildeten Knoehen- kSrperchen niemals unmittelbar am Rande des Markraumes wahrnimmt, ist direkt falseh; denn jeder aufmerksame Beobachter wird an dem schmalen Knoehensaume die anfangs in seichten Dellen liegenden KnoehenzeUen ge- sehen haben, die alsbald, also ganz nahe dem Knorpelsaume in die junge, noch unverkalkte Knochenlage eingeschlossen werden. Diese Annahme fiberhebt uns auch auf die ganz unglaubliche Vorstellung yon Kassowi tz fiber die Bildung der KnochenkSrperchen in den durch NIetaplasie entstandenen Knochen- s~umen einzugehen.

356 Josof Sch~ffer:

Schuld, ein Grund, den bereits H. Mtil ler erkanate und dazu be- mcrkt, dass an solchen Knochen fast die gauze zuerst gebildete Knochenmasse das Anseheu hat, als ob sie nieht ntlr in Knorpel- hShlen gebildet, sondern aus diesen hervorgegangen set.

Der gauze Vorgang ltisst sieh abel-, besonders an Safi'ania- or~paraten, so klar iibersehen, dass man keinen Moment mehr an der Richtigkeit unserer Auffassung zweifeln kann.

Ether Fehlerquelle, die uas aueh an Safraninpriiparatea tiiu- schen kann, muss ich aber hier noeh gedenken. Ich gebe die Schilderung nach einem Saffanin-Lackpriiparate des Gelenkfort- satzes veto Embryo yon 24 cm. Die Knorpelgruadsubstanzreste treten noch tief unten, oft ganz eingeschlossen in breite, weisse Knochenbalken ziemlieh zahlreich auf uad besitzen eine ganz eigenthtimliche Form. Sie heben sieh sehr scharf als orange ge- f'~irbte und, der sp~irliehen Zwisehensubstanz des Knorpels ent- sprechend, membraneaartig dtinne Halbkugelmitntel ab, die vielfach mit ihrer Peripherie zusammenstossen and so jene charakteristi- schen Knorpelinseln mit halbmondfiirmigen Zaeken bilden.

An manchen Stellen kann man sich ganz gut tiberzeugen, dass diese Knorpelreste allseitig yon Knoehen umschlossen sind and zwar so, dass der Knochen in Form yon halbkugeligen Buckeln die Kugelm~iatel der tibrig gebliebenen Knorpelgrundsubstanz ausftillt.

Da dies nach allen Richtungen des Raumes hin stattfindet, so werden bet einer beliebigen Schnittrichtung die mannigfaehsten and tiiusehendsten Bilder zustande kommen, in derea Deutung man sehr vorsichtig sein muss und hie vergessen darf, bet der Erkl~t- rung der Fliiehenansicht eine kiirperliche Construktiou zu Grunde zu legen. So kr solehe mit Knorpelgruadsubstanz tiberzogene Knoehenbuekel so gekappt werden, dass Knoehenmasse rings yon Knorpelgruadsubstanz umschlossen erseheint and vielleicht gerade central im Knochen ein Knoehenki~rperchen liegt - - das sehiinste MetaplasiebiId, wofUr es aueh oft gedeutet wurde. Fiiilt der Sehnitt etwas hiiher, so dass die Fliiehe der Knochenealotte noeh yon ether sehr dUnnen Knorpelsehieht tiberlagert erseheiat, durch die der Knocheu durehsehimmert, so wird sich veto Rand des deutlieh orange gef'~irbten Knorpels zum Centrum hin (we znfiillig wieder ein Knoehenkiirperchen liegt) eine immer lichtere Uebergangsfarbe bilden, welehe man leicht als beweisend ftir die allm:,thliche Um- wandlung des Knorpels in Knoehen ansprechen kiinnte. Bet dem

Die ~'erkn~cherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 357

so sehr eomplieirten und unregelm~ssiffen Vorgange sind der Fehler- quellen eben nur zu viele.

Was ist nun das Schicksal dieses sonderbaren Gewebes? Es liegt auf der Hand, dass ein Knochen, der ganz durehsetzt ist yon einem Gertistwerk verkalkter Knorpelgrundsubstanz~ nur eine vor- iibergehende Bedeutung haben kann und in der That sehen wir gleich nach dem Auftreten der Knocheneinlagerung such sehon osteoklastisehe Resorption in ausgiebigem Maasse auftreten und so lange fortdauern, his aueh der letzte Rest yon Knorpelgrund. substanz verschwunden und an Sidle dieses ersten Knochens durch fortwiihrende Neubildunff rein osteoblastische Knoehenbitlk- ehen getreten sind.

Also auch bier hat der Knorpel wieder nur die provisorische Bedeutung eines GerUstes, das der ersten Knochenanlage zur Uuter- lage dient. Diese Art der Verkn(icherung hat begreiflieher Weise eine hSehst unregelmiissige Markraumbildung zur Folge und giebt vielfaeh Geiegenheit zur Beobachtung direkter Ueberg~tnge yon Knorpel in Knochen.

Dieser letzte Umstand verdient um so mehr BerUcksiehtigung, als auch bei diesem, dem endoehondralen sonst ziemlieh ~hnliehen Typus e i n z e l n e K n o r p e l z e l l e n u n d G r u p p e n v o n so l ehen u n e r S f f n e t b l e i b e n und mitten in das Ossifieationsgebiet ge- rathen, wo sie dann naeh periehondralem Typus yon Knochen tiberlagert und yon einer freien Seite her resorbirt werden. Beide Vorgiinge kSnnen sieh nebeneinander abspielen and so ki~nnen wir einen perichondralen Knoehenbalken fibergehen sehen in eadochon- dral gebildeten Knoehen, der noeh die Knorpelreste enthalt und andererseits kann dieser Balken auch eine Gruppe yon intakten Knorpelzellen einsehliessen (Fig. 24Kz), eine Complication des Bildes, die begreifiieher Weise leieht zur irrigea-Annahme einer Metaplasie ftihren kann, besonders dann, wean die Tinetion alle Ueberg~.nffe dureh Misehfarben vevwiseht.

Da dieses Stehenbleiben geschlossener Knorpelzellen eine so wiehtige Erseheinung bei der Unterkieferossifieation ist, muss ich noeh Einiges dartiber bemerken.

Besonders in den tieferen Partien des Gelenk- und Kronen- fortsatzes finder man h~tufig einzelne, ganz wohI erhaltene Knorpel- zellea eingeschlossen im Knoehen, die an Safraainpri~paraten so distinkt zu Tage treten, dass man ganz iiberraseht ist, mitten im

358 Josef Schaffer:

farblosen Knochen 2--3, oder mehrere ganz isolirte, schiin orange gefarbte Knorpelzellen zu erblicken. Dies kiinnen sowohl einzelne yon der Zerstiirung am Ossificationsrande verschont gebliebene Zellen seia oder es sind am Sehnitt abgetrennte, welt vorragende Zellen, was wir uns ganz gut vorstellen k(innen, nachdem wir ge- sehen haben, dass sowohl in den Knorpelkaniilen, als an den Ri~n- dern der Knorpelkerne einzelne Zellen frei vorragen (vgl. Fig. 22 und 25).

Diese rings yon osteoblastisch gebildeten Knoehen einge- sehlossenen Zellen k(innen noch ihre volle Fiirbbarkeit mit Hiima- toxylin oder Safranin behalten haben und erscheinen dann seharf eontourirt, wie FremdkiJrper im Knoehen eingeschlossen. Sie w~iren in den meisten F~tllen ohne diese markante Farbung yon den umgebenden Knoehenzellen zu unterscheiden, well der runde oder ovale Kapselcontour meist gut erhalten ist. Manehmal ist derselbe jedoeh durch den Druek der rings abgelagerten Knoehen- substanz eingebogen, etwas verkrtimmt und dann ist die Aehnlich- keit mit einer Knochenzelle bedeutend griisser. Dazu kommt noah an Safraninpr~tparaten die Abnahme der F~rbbarkeit, wie sie in der ehondrolytischen Zone immer vorkommt and ein Zeichen des beginnenden Unterganges ist; die Zellen erseheinen nicht mehr rein gelb, sondern gelbliehroth, oft aueh blassroth und sind ver- schrumpft, so dass es gewiss den Ansehein hat, als ob diese ein- zelnen Zellen dem Knoehen als Knochenzellen assimilirt wiirden.

Betrachtet man jedoeh Form und Gr~isse der umgebenden Knochenkiirperchen genau, so wird man nicht im Zweifel sein, dass diese eingesehlossenen Knorpelzellen niemals Knochengrund- substanz produciren k~nnen oder zum Aufbau fertigen, fibrilliiren Knoehens verwerthet werden. Davon tiberzeugt man sieh wieder am besten am Kronenfortsatz, wo man reiehliehe Stellen finden kann, wo sieh der ganze complicirte und wirklich verwirrende Prozess nebeneinander Ubersehen lasst. Eine lebhaft blaugefiirbte Knorpelzellinsel erscheint rings yon faserigem Knochen mit zaekigen Knoehenk~irperchen umsehlossen. Naeh unten zu versehmiilert sieh diese Insel, es sind nur mehr einzelne Zellen, die endlieh ihre Fiirbbarkeit mit Hamatoxylin verlieren und neben eehten, liinglichen, sehwach zaekigen Knochenkiirperchen sehen wir weite Lticken, dureh wenig Zwisehensubstanz getrennt, mit rundliehen, verschrumpften Protoplasmakltimpehen erftillt, eingeschlossene

Die VerknScherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 359

Knorpelzel len. An e iner Stelle, meist in der Axe dieser Knorpel -

insel aber dr ingen zahlreiche Osteoklastcn mit Geliissen ein und

resorb i ren diese dcm j u n g e n Kaochen e inver le ibten Zellen, meiseln

sie fdrmlich heraus.

Wohl alle Bearbeiter des Gegenstandes haben diese isolirten Knorpel- zellen gesehen and thun derselben Erw~hnung, aber sehr versehieden schil- dern sic wieder das Sehicksal derselben. Ueber den Grand der Entstehung dieser Inseln bemerkt B r o c k, es sei nicht undenkbar, class, wenn verkalkter Knorpel welt in ossifieirten hineinragt, wie es doch fiir eine unregelm~ssige Ossifieationsgrenze characteristisch ist, derselbc bei schnellem Fortgange der Ossification you allen Seiten yon Uebergangsgewebe cingeschlossen und damit den unbekannten Einfliissen entzogen wird, welche ihn in Knochen iiberge- fiihrt hubert wiirden.

WKhrend Brock also an ein Stehenbleiben dieser Knorpelinseln zu gIauben scheint, machte S t e u d e n e r (1. e. S. 309) die Beobachtung, dass die Knorpelzellennester, wenn auch sp~t, doch immer noch erSffnet und zer- stSrt werden. Er sah dasselbe an der spina scapulae und bemerkt dazu, dass dadureh bisweilen tier Ansehein entstehe, als wenn der Knorpel direkt ossificire; spKter verschwinde aueh hier dieser letzte Rest yon endochondralcn Knoehen.

Kassowi t z will auch bei der Markraumbildung in centralen Knoehen- kernen and in langsam wachsenden Knoehenenden h~iufig Stehenbleiben yon einzelnen oder ganzer C~ruppen yon Knorpelzellen bcobchtet haben, die sich nach seiner Auffassung natiirlich in Knochensubstanz verwandeln, indem nur ein Theil eincr jeden Zelte um den Kern herum als zackige Knocheuzelle erhalten bleibt. Freilieh giebt Kassowi tz selbst zu, dass er an solchen geschlossenen Knorpelzellen nie einen Knochensaum sah, derselbe abet sofort auftrat, wenn sie auch nut an einer kleinen Stelle durch die Markraumbildung erSffnet werden, selbst wenn sic demgem~ss nut dutch einen schmalen Hals mit dem Mark commuuicirten (1. c. S. 173).

Aueh M a s q u e l i n und J u l i n lassen diese verstreuteu Knorpelzellen direkt verkaSchern. Zu dieser Annahme hat die Beobachter gewiss tier er- wKhnte Umstand bewogen, dass vielfach schmale Ringe yon Knorpelgrund- substanz stehen bleiben, die den Contour der Knorpelkapsel wiedergeben und dann -con dem communicirenden Markraum her mit Knochen ausgef'dllt werden, dabei ihre deutliche F~rbbarkeit verlieren und so globuli ossei bilden, die direkt aus Knorpel hervorgegangen scheinen, ein so h~ufiges u kommen, dass K ass o wi t z im Anschluss an die oben citirte Stelle erwiihnt, dass man die Ossification geschlossener ZellhShlen und deren Umwandlung in globuli besonders ausgepri~gt am Gelenkaste des Unterkiefers finde.

Der Umstand, dass oft zwei KnochenkSrperchen in einer solehen schein- bar geschlossenen Knorpelh5hle erscheinen, ist fiir die Autoren nichts be- fremdendes, da sie ja auch deu Knorpelzellen, die mitten in einem sklero-

360 J o s e f S c h a f f c r :

sirten Gowebe gewiss dem Untergang geweiht sind - - wie es auch ihr Aus- sehen bekundet - - eine Proliferation zuschrelben.

Ich muss hier daran erinnern, dass bereits H. Mfil ler im Resum6 seiner Arbeit hervorhebt, dass die Ausffillung einzelner, zuvor geSffneter Knorpel- h6h]en mit Knochensubstanz, die era ls eine Art Pseudomorphose bezelchnet, hiiufig den Anschein des direkten Uebergangs der Knorpel- in Knochensub- stanz gebe and K u t s c h i n sah bei Quersehnitten yon RShrenknochen Bilder zuStandekommen, die scheinbar sehr entschieden ffir die Metaplasie sprechen. Diese Bilder entstehen, wenn die Markr~iume klein sind und eine rundliche Form besitzen und durch mehrere cage Oeffnungen mit grossen MarkrEumen in Yerbindung stehen. Daun gleichen sie einzelnen Knoehenkapseln mitten im Kuorpel. Kappt nun der Schnitt den Knorpel so, dass die erste An- ]agerung yon Knochensubstanz, die vielleicht schon eine Knochenzelle ent- heft, erscheint, so ist diese Knochenlamelle mit dem KnochenkSrperchen natfirlich rings umschlossen yon Knorpel, der direkt in den Knochen fiber- geht und das wird meist ffir substitutive VerknScherung gehalten.

Wir haben nun die Atrophie des Knorpels, die Zerst~rung seiner Reste und das Entstehen neuer Knochensubstanz besprochen und mlissen zur Vervollst~indigung des ganzen Bildes noch der un- gemein schwierigen und mit der Metaplasie des Knorpels in Be- ziehung stehenden Frage nach dem S c h i c k s a l e der Knorpe l - z e l l e n und der H e r k u n f t der M a r k z e l l e n , welche die KnorpelhShlen ausftillen, gedenken.

An eine Metaplasie des Knorpels in Knochen im Sinne Virchow's kann heute, wo wir die ziemlich complicirte Struktur des echten Knochen kennen, Niemand mehr glaaben, er mtisste denn eine Reihe yon hypothetischen und sehr zweifelhaften An- nahmen zu Hiilfe nehmen, die darch keine thatsEchliche Beobach- tung gesttitzt werden und gegentiber der plausiblen, manchen un- anfechtbaren Wahrnehmungen entsprechenden neoplastischen Ossi- ficationslehre geradezu als unwissenschaftlich bezeichnet werden mtissten.

Eine andere M~glichkeit der Vorstellung, welche wenigstens eine auch fur die neoplastische Ossification noch heute night end- gtiltig entschiedene Thatsache ftir sigh h~tte, w~ire die, dass sigh die Knorpelzellen in Markzellen umwandeln, diese dann den Kno- chert produciren -- also auch eine indirekte Persistenz der Zellen -- und dann die bekannten Reste der Knorpelgrundsubstanz in fibrill~re Knochengrundsubstanz tibergingenl). Den letzten Theil

1) Siehe Z i e g l e r , V i r c h o w ' s Arch. Bd. 73, S. 355.

Die YerknScherung des Unterkiefers und die Metaplaslefrage. 361

dieser Anschauung mtissen wir nach den gegebenen Schilderungen fiir unhaltbar erkli~ren, die Reste der verkalkten Knorpelgrundsub- stanz gehen zu Grunde und haben ftir den Aufbau des Knochen nut die Bedeutung eines hinf~lligen Sttitzwerkes.

Wie steht es abet mit der Beziehung zwischen Knorpel- und Markzellen ?

Es ist dies eine alte und viel umstrittene Frage, in der man zur Stunde noch zu keiner Uebereinstimmung gelangt ist.

Die alteren s mussten gemi~ss ihrer metaplastischen Anschauung auch eine direkte Umwandiung der Knorpelzellen in Markzellen annehmen, worin sie die hitufige und vielfach betonte Beobachtung besti~rkcn moehte, dass an der Ossificationsgrenze die Knorpelzellritume immer yon zellreichem Gewebe erftillt sind, wean sie oft auch seheinbar nieht erSffnet sind, was sieh aber sehr schwer naehweisen liisst.

So halten denn auch heute noeh viele hervorragende Forscher an der Ansehauung des genetischen Zusammenhanges zwisehen Knorpel- und Markzellen lest, wie besonders V i rehow, R a n v i e r , W a l d e y e r , K lebs , l~eumann und ehedem auch K(i l l iker und G e g e n b a u r .

Aber sehon B r u s h hat, wie wit bei der allgemeinen Be- sprechung der Metaplasie gesehen haben, klar and deutlich die genetisehe Unabhiingigkeit beider Gewebe, insonders der Knoehen- kSrperchen yon den Knorpelzellen ausgesproehen. Aber der eigent- lithe Anstoss zum endliehen Brueh mit der alten Lehre mag son- derbarer Weise yon H. MUller ausgegangen sein, der im Grossen und Ganzen ebenfalls an der alten Ansicht festhielt, dass die Mark- und jungen Knoehenzellen im Allgemeinen als Abkiimmlinge der Knorpelzellea zu betraehten sind, abet als erster die Wahrnehmung machte, dass viele in der verkalkten Grundsubstanz enthaltene Knorpelzellea zu Grunde gehen.

Verfolgt man die Darstellung H. MUller ' s , so sieht man daraus des 5fteren, dass er in dieser Frage zu keiner entsehiedenen Anschauung gelangen konnte. Die tiberkommene und damals herr- sehende Ansicht, dass die Markzellen aus Knorpelzellen hervor- gehen, war ibm zu gel~ufig, als dass er sie rundweg ablehnen mochte und andererseits land der gewissenhafte Forseher kein einziges beweisendes Bild ftir eine solehe Umwaadlung. Dass nicht alle Knorpelzellen zu Markzellen werden, sondern viele zu

Archly L mikroak. Anatomle , Bd. 32. 23

362 J o s e f S c h a f f e r :

Grunde gehen spricht er sehon klar aus und an einer anderen SSelle bezeichnet er es als denkbare Auffassung, dass die Kan~le im Innern yon Knorpel, yon denen die Bildung der echten Kno- chensubstanz ausgeht, gewissermaassen EinstUlpungen des Perichon- driums w~ren und alle Knochenze]len Abk~mmlinge der aus Pe- r ichondrium hervorgehenden Markzellen; freilich fligt er gleieh hinzu: ,Es ist dies indessen nicht wahrscheinlieh, da an vielen Stellen w e n i g s t e n s d e r A n s c h e i n sehr daftir ist, dass Abk~mm- linge der Knorpelzellen selbst zu Knochenzellen werden."

Lov~n (l. c.) erkannte bereits," dass der Knorpel dureh den Verkalkungsprozess zu Grunde gehe, indem Blutgef~se yon aussen aus dem periostalen Bildungsblastem in das Innere des Knochen- knorpels eintreten und R o 11 e t t 1) machte der Auffassung V i r c h o w's und seiner Anh~tnger den gewiehtigen und heute noch nicht ent- kriifteten Einwurf, dass er bei ausgedehnter Untersuchung yon Pr~t- paraten niemals Uebergiinge der grossen, he[len Knorpelzellen durch Theilungs- oder Furchungsstadien hindureh zu den dunkel- k(irnigen Zellen, welehe unmittelbar an dieselben stossen, babe auf- finden kSnnen; und solehe Uebergiinge sollte man doeh htiufig erwarten, wenn die Knorpelzellen als Matterzellen das Mark dureh Theilung produeiren wilrden. R o l l e t t ' s Ansieht yon der Unab- h~tngigkeit des Markes yon den Knorpelzellen fand bald weitere Bestiitigung dureh die Untersuehungen seines Schtilers Ku t s ch in (1. e.) und die Levsehin 's2) . Auch S t r e l z o f f und sein Schiller K a s t s e h e n k o 8) traten sehr erfolgreieh daftir ein und Uranoso sow 4) kam durch Untersuehungen an Vogel-, Siiugethier- und Mensehenembryonen zum Sehlusse, dass der Knorpel und dessen zellige Elemente bei der Bildung des Knoehengewebes nieht be- theiligt sind; der Knorpel spiele eine passive Roller indem er durch Atrophie dem sieh entwiekelnden Knoehengewebe Platz mache.

Eine ganz eigenthtlmliche Anschauung vertritt in diesem Punkte die Sehule S t r i c k e r ' s .

1) S t ; r i c k e r ' s Gewebelehre. 2) Zur Entwicklung des Knocheugewebes an den Diaphysenenden dcr

RShrcnknochen der Neugcbornen. Ball. de l'Acad, imp. des sciences de St. Petersbourg T. VIII.

3) Arch. f. mikr. Anat. Bd. XIX. 4) Cir. bei S~ieda , Arch. f. mikr. Anat. Bd. XI.

Die Verkn~cherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 363

S chSney 1) hebt hervor, dass am Ossificationsrande nicht die geringste Andeutung yon Theilung der Knorpelk(irperchen vor- handen sei und dennoch scheint es ihm ausser Frage zu sein, dass aus dem Knorpelgewebe direkt Markgewebe wird, bei VSgcln ebcn so gut wie bei Siiugethieren.

K a s s o w it z nimmt einerseits eine Vermehrung der Zellkiirper innerhalb der noch giinzlich geschlossenen Zellenhiihlen an, anderer- seits llisst er aber auch, wie schon erwi~hnt, das Markgewebe als Ganzes aus einer Umwandlung des Knorpelgewebes entstehen.

Betrachten wir nun die Verh~ltnisse der Markbildung am Unterkiefer, so erinnern wit uns zuniicbst daran, dass beim peri- chondralen Typus der Knorpel in toto resorbirt wird, de r se lbe dahe r ftir die M a r k b i l d u n g n i e h t yore g e r i n g s t e n Be- lange sein kann. Hingegen sehen wir beim processus cor. an den Einbrnchsstellen der Gefiisse, welche si~mmtlieh dem subperio- stalen Gewebe angeh(iren, in den Knorpel (Fig. 21 E) zellige Elemente liings derselben hineinwuchern und in den durch die Resorption des Knorpels gebildeten Markrliumen die Rolle yon Markgewebe (Osteoblasten) spielen.

Ob die miichtigen Protoplasmamassen der Osteoklasten auch zu Markzellen werden kiinnen, wie behauptet wird, kann ich nach meinen Pr~paraten nicht entscheiden.

Ganz dasselbe Mark, welches bei der perichondralen (wie auch periostalen) Ossification zweifellos ohne jeden Zusammenhang mit Knorpelzellen gebildet wird, finden wir nun in den eriiffneten Zellenh~hlen bei der modificirt endochondralen Verkn(icherung. Ich verweise hier auf das bei der Besprcchung dcr chondrolytisehen Zone Gesagte hin und erinnere daran, dass die grossen Knorpel- zellh(ihlen fast immer s t a r k ver i inder te Ze l l en en tha l ten , die ih ren b e g i n n e n d e n Z e r f a U d u r c h den Mangel eines d e u t l i e h e n , w o h l e r h a l t e n e n K e r n e s bezeugen. DieseVer- anderung des Kernes ist welt versehieden yon der als Zeiehen mitotiseher Theilungsvorgiinge beschriebenen Vacuolisirung, besteht vielmehr in einem Verwaschenwerdcn und Verlorengehen des Kern- contours, so dass er sieh aufzul(isen scheint. Dennoch wurden diese Beobaehtungen bezweifelt und geradezu ftir Proliferations- erscheinungen in Anspruch genommen. Daher freut es reich sehr,

1) ~krch. f. mikr. Anat. Bd. XII, S. 246 u. 247.

364 J o s e f S c h a f f e r :

in einer mir soeben bekannt gewordenen Arbeit L e s e r ' s 1) meine Anschauung durch eine nnanfechtbare Methode best~itigt zu sehen. L e s e r hat speziell dieseVorg~inge an der Ossificationsgrenze zum Gegenstand seiner Untersuchung'en gemacht and ist durch die Ver- folgung der Kerntheilungsfiguren an jungen Hunden, Katzen und Kaninchen zu der Ansicht gekommen, ,dass in der Nahe der Mark- raume mit den Knorpelzellen Vcranderungen vorgehen, welche ihren thatslichliehen Untergang (so muss es wohl start des sinnst(irenden Druckfehlers Uebergang heissen) einzuleiten scheinen: das Proto- plasma der Zelle wird blass, es sieht hydropisch aus, tier Kern verliert seine Gertistsubstanz, er erscheint blasenahnlich". L eser sah auch ,,ganz in der Niihe der Verkalkungslinie ~ oft sehr ge- riiumige Knorpelhiihlen ganz leer, einzelne noch mit Resten pro- toplasmatischer Zellsubstanz angeftlllt, nie aber eine Spur karyo- kinetischer Figuren.

Nichts desto weniger geht aus meinen Pr~iparaten zweifellos hervor, dass viele dieser atrophirendcn Knorpelzellen durch die AuflSsung der Kapsel i~ei werden und in das M a r k g e w e b e g e r a t h e n , wo i h r a n g e b a h n t e r U n t e r g a n g b a l d v o l l e n d e t wird.

Dies ist also die einzige Beziehung des Knorpels zum Mark- gewebe, dass knapp unter der chondrolytischen Zone Untergangs- formen der Knorpelzellen in's Markgewebe gerathen, welche hier der endlichen Resorption verfallen, eine Thatsache, die Ro l l e t t (1. c.) bereits vermuthungsweise ausgesprochen hat und die ich an allen meincn Priiparaten unzweifclhaft best~itigen konnte. (Vgl. Fig. 25 k u. Fig. 26 Kz.)

E ine ac t ive T h e i l n a h m e an der M a r k b i l d u n g muss dem Knorpe l u n b e d i n g t a b g e s p r o c h e n werden.

Dagegen sehen wir die Wucherung des Markgewebes an die GefiCsse gebunden, welche unter der chondrolytischen Zone eine m~ichtige Entwicklung erlangen und vielfach mit ihren capillaren Schlingen KnorpelhShlen ausftillen.

Dabei scheint es mir cine nicht unwiehtige Erscheinung zu sein, dass die Axen der Markzellen, welehe vielfach Spindelform besitzen, fast immer parallel zum n~ichsten Gefiissehen stehen

1) L e s e r , histologische Vorg~nge an der Ossificationsgreuze, Bericht iiber d. Verb. d. deutsch. Gesellsch. f. Chit. XVII, Congress 1888.

Die YerknScherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 365

(Fig. 25, m), so dass dieses offenbar die Wachsthumsrichtung des Markgewebes bestimmt und in diesem Sinne muss man die GeF~sse als E i n f u h r s b a h n e n ftir das M a r k g e w c b e bezeichnen. Be- denken wit weiter, dass der ganze Stiel des Gelenkfortsatzes aus einem Sparrenwerk yon Knochenb~lkchen besteht, zwischen wel- ehem allenthalben grosse, communicirende Markr~ume verlaufen, die direkt bis an das Periost rcichen einerseits und die ausser- ordentlich reiche und m~chtige GeF~ssversorgung dieser Markr~ume, die wie ein miichtiges Erniihrungskanalsy~tem die Balken des Ossi- ficationsgewebes umgeben andererseits, so mtissen wi res wohl ftlr

wahrscheiuliGh halten, dass auf d i e se r r e i c h l i c h e n Gefi~ss- bahn M a r k z e l l e n und O s t e o b l a s t e n aus tier B i ldungsge - s c b i c h t e des P e r i o s t e s e i n g e f U h r t w e r d e n und mit den U e b e r r e s t e n der e m b r y o n a l e n B i ldungsze l l en , w e l e h e f o r t w u c h e r n l ) , das j u n g e M a r k g e w e b e b i lden . Ganz deut- lich sehen wit ja am R~hrenknochen das Hereinbrechen des Markes yon aussen her und andererseits kennen wir Knochen, die gar nights mit Knorpel zu thun haben und eben solches Mark besitzen, wie die aus pr~formirtem Knorpel entstandenen.

Diesen Zusammenhang des Markgewebes im Innern knorpelig pr~formirter Knochen mit dem subperiostalen Gewebe derselben hat bereits Vi rch ow 2) gesehen und Lov~n (1. c.) folgerte daraus die Zerst~rung des Knorpels durch das wuchernde Markgewebe.

Auch G e g e n b a u r 3) giebt die M~gliehkeit tier kbstammung des Markes yore Perichondrium zu und wenn ieh zum Sehlusse noch KS l l i ke r , S t e u d e n e r , Busch und Boll 4) als knhtnger dieser Anschauungen nenne, so scheint sie mir den gegentheiligen Behauptungen gegeniiber hinliingliGh gestiitzt, umsomehr, als die Grtinde, welche ftir die Knorpelmetaplasie yon ihrem eifrigsten Vertreter, K as s o wit z6), beigebracht werden, bei n~herer Betrach- tung sich als durchaus night stichhaltig erweisen.

1) Nach J u l i n (1. c. S. 128, Couclusion 13) stammt das junge Mark- gewebe, sei es bei der Ossification yon Knorpe] oder yon Bindegewebe ~h~tig gewesen, yon Ver~nderungen, die das Knochenbildungsgewebe eingegangen hat; ist daher in beiden F~llen dasselbe.

2) V i r c h o w ' s Archiv X. S. 441. 3) Centralbl. f. reed. Wiss. Nr. 2, 1865. 4) Centralbl. f. reed. Wiss. Nr. 42, 1878. 5) 1. c. S. 160 ft.

366 Jose f S c h a f f e r :

Er glaubt bei der sachliehen Widerlegung zuerst den Einwand zu entkrKften, dass eine scharfe Grenze zwischen Knorpel und Mark bestehe (Re l ic t ) , welehen er selbs~ fiir die absolut normalen Yorg~nge (urn die es sich ja schlicssiich bier handelt) nut mit dem Vorbehalte zugesteht, dass auch hier eine organische Continult'~t zwischen beiden Geweben besteht und leicht nachgewiesen werden kann. Er will damit wohl nur sagen, dass riium- lich Knorpel in Markgewebe iibergeht, d. h. das sine auf das andere neben- einander folgt, was wohl nie Jemand bezweifelt hat; beim Gelenkkopf ist iibrigens auch diese enge Continuitgt dureh die chondrolytische Zone unter-

brochen. Welter bezeichnet er es als eine ganz willkiirliehe Annahme, dass in

den Knorpelzellen an der Grenze der Markraumbildung gewisse Zeichen des Alterns und des Zerfalles sichtbar werden sollen. Diese angebllchen regres- siren Vorg~nge sind im Gegentheil nichts, als die pri~paratorischen Veriinde- rungen, welche der Blur- und Markbildung aus dem Knorpel vorangehen und ,,bieten diese Umwandlungsprodukte des Knorpels die Reaction der jungen protoplasmatischen Substanz mit wiinschenswerther Deutlichkeit dar". Be- ~reffs dessen muss ieh auf racine Beobachtungen verweisen und auf die t~e- sultate der Arbeit L e s e r ' s.

Endlich benimm~ K a s s o w i t z der ,,Verdr~ngungstheorid ' den le~zten Halt durch den l~achweis der metaplastischen Ossification des Knorpelge- webes !

Dieser Nachweis kann jedoch meiner Melnung nach nie erbrach~ werden, denn wit kiinnen immer nut einen gegenwi~rtigen Zustand yon Gewebe neben- und naeheinder constatiren, immer aber entzieht sieh in unserem Falle das Werdende und Wachsende unserer direkten Beobachtung. Es k~nnen und mlissen nut zahlreiche Thatsachen gesammelt werden, die fiir die eine oder andere Thatsach6 sprechen und so die eine oder andere wahrscheinlich maehen. Einen Beweis fiir die eine oder andere denke ich mir jetzt noch un- m~glieh. Bei aller Polemik gegen die Anschauung yon der genetischen Un- abhi~ngigkeit yon Knorpel und Mark hat abet K ass o wi~ z auf das wlchtlgste Argument vergessen, welches gegen seine Auffassung spricht, ni~mlich auf den 8fret betonten, unzweileelhaf~en Umstand, dass sich in periostalen Markriiumen ein Mark yon ganz derselben Beschaffenhei~ finder, wie in endostalen.

Wenden wir uns nun zum Sehlusse dieses Kapitels. Wir haben his jetzt nurLAngsschnittsbilder besprochen, mtissen

daher unsere Beschreibung durch die eines Querschnittes kurz er- giinzen.

B r o c k und M a s q u e l i n heben hervor, dass man an Hori- zontalschnitten des Oelenkfortsatzes dasselbe sehen k~nnen, wie bei R~hrenknochen am Liingsschnitt. Dies ist in gewisser Be- ziehung far eine bestimmte Anzahl yon Sehnitten riehtig und zwar far aIIe jene Sehnitte, welche zwisehen zwei Ebenen liegen, wovon

Die Yerkn5cherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 367

die eine durch den vordereu, unteren, die andere durch den hin- teren, unteren Rand des Knorpelkerns gelegt wird.

Die Ossification schreitet ni~mlich yon der hintereu Kante des aufsteigenden Astes nach vorne hin welter und reieht rtickw~rts hiiher hinauf als rome; daher fltllt die untere Fliiche des Knorpel- kerns (die ErSffnungsfliiche) yon hinten nach vorne zu ab, d. h. der Knorpelkern ist vorne dicker als hinten und lege ich nun einen Horizontalschnitt zwischen beiden erw~hnten Ebenen, so treffe ich vorne noch den Knorpel, darauf die Eri~ffnungszone, Ossifieationszone und endlich den fertigen, periostalen Knochen, mit einem Wort, ich erhalte am Horizontalsehnitt yon vorne nach hinten ganz dasselbe Bild, wie am L~tngsschnitt yon oben nach unten.

B r o c k hat eine gute Beschreibung eines solchen Quer- schnittes gegeben, der ich nur die ftir uns interessante Bemerkung entnehme, dass vielfach schon die Zellen der verkalkten Knorpel- balken yon den Markriiumen aus erSffnet werden, bis nut die Grundsubstanz tibrig bleibt. NatUrlich lasst er daneben Knorpel- zellen und Knorpelzellnester deutlich in echte KnochenkSrperchen tibergehen, ein Vorgang, d er dureh den perichondralen Ver- kniicherungstypus, dem diese Knorpelinseln verfallen sind, vorge- tliuscht wird.

Kehren wir nun zu den Liingsschnittsbildern zurUck~ so wird uns der weitere Fortgang der Verknticherung, dessen Details immer dieselben bleiben an der Reihe yon Gelenkfortsiitzen, welche auf Tafel IX, Fig. 8--13 zusammengesteUt sind und an denen das Gebiet der Eriiffnungs- und Ossificationszone dureh einen grauen Tuschton angedeutet ist, klar werden.

Wir sehen mit zunehmendem Alter des Embryo das Ossi- f i c a t i o n s g e b i e t k l e i n e r , s e h m i i l e r w e r d e n u n d hi~her h i n a u f r t i c k e n . Wie wit im vorigen Kapitel gezeigt haben, wird auch der Knorpetkern immer schmi~ler und oberfli~chlicher und so k~nnen wir die weiteren Vorgi~nge der Ossification kurz so zu- sammenfassen, indem wit sagen: Ist einmal der modificirt endo- chondrale Typus durch Bildung einer Ossifieationslinie und Er- 5ffnung der KnorpelhShlen an die Stelle des perichondralen ge- treten, so rtickt die Ossifieationsgrenze im Gelenkfortsatz in dem Maasse hi~her, als der Knorpelkern dutch Atrophie schwindet. Dadurch muss aber auch das Ossifieationsgebiet schmi~ler werden,

368 J o s e f S c h a f f e r :

d. h. die EriJffnungszone und die Ossifieationszone rtleken nRher aneinander. Dureh dieses enge IneinandergTeifen yon Er~ffnung der Knorpelh~hlen, Einlagerunff yon Knoehen und Resorption dessel- ben wird wieder ein eigenthiimliehesAussehen der MarkrRume knapp unter der Ertiffnungslinie bedingt; ihre Beurtheilung ist eine sehwierige, indem sieh der in den Knorpelht~hlen neugebildete Knoehen direkt in das reiehliehe Markgewebe fortsetzt und ihre R~tnder dureh die reichliehe Osteoklastenresorption vielfaeh aasgebuehtet, angenagt sind. Erst welter unten werden ihre R~tnder seharf, die Knoehen- balken glRtter, frei yon Knorpelgrundsubstanzresten, netzf'drmig sich verbindend, yon ht~ehst unregelmRssigen, meist kurz eylinder- fdrmigen Markr~tumen getrennt, deren L~tngsaxen gr~sstentheils parallel der Vertiealaxe des Gelenkfortsatzes verlaufen. In spRteren Stadien folgt also gleieh auf die Eri~ffnung der Knorpelh~hlen aueh die Knoeheneinlagerung in dieselben, der Knorpel wird zum Gelenktiberzug und damit ist die gr~sste Aehnliehkeit mit dem endoehondralen Typns am Rt~hrenknoehen erreieht.

So erhalten wir aueh beim Gelenkfortsatz des erwaehsenen Thieres sebliesslieh ein ~thntiehes Bild, wie am Kronenfortsatz, nut wird das Knoehenbalkengertist seinem Zweek als Gelenkende entspreehend nieht yon Periost, sondern yon einer sehmalen, klein- zelligen Knorpelsehieht, dem letzten Rest des m:,tehtigen Knorpel- kernes tiberzogen.

VIII. Schluss und Zusammenfassung.

Bevor ieh die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit tibersieht- lieh zusammenstelle, mtiehte ieh noeh einige Bemerkungen tiber die plastisehe Thiitigkeit der Resorption und Apposition an den yon uns besprochenen Theilen des Unterkiefers maehen.

Bekanntlieh waren es gerade die eomplieirten Formbildungs- verh~tltnisse am Unterkiefer, das sehwer zu verstehende Zurtiek- weichen des aufsteigenden Astes, urn der Zahnentwieklung Platz zu maehen, welehe Vi rehow noeh lange an der Annahme eines expansiven Knoehenwaehsthums festhalten liessen. Sp~tter seheint Vi rehow nun selbst eine ausreiehende Erkl~irung daftir in der weehselnden Th~ttigkeit yon Resorption und Apposition gefunden zu haben, indem er sagtl): ,Am vorderen Rande des proe. eoron.

1) BerL klin. Wochenschr. l~r. 1 u. 2, 1875.

Die YerknScherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 369

und eondyl, und incisura erfolgt Resorption, da liegen die Riesen- zellen und fressen den Knoehen auf. Geschieht nun am hintern Umfange beider Fortslitze und am Kieferwinkel iiussere Apposition, so ist allerdings die Mi~glichkeit gegeben, dass der Ast allmiihlich welter naeh hiaten rtickt."

K5 l l i k e r 1) ftthrt fUr den Unterkiefer des Kalbes als typisehe Resorptionsflliehen an: ,Eine am vorderen Rande des proe. coron. bis 3,2 cm Entfernung yon der Spitze und am vorderen Rande des proe. eondyl., an dem an der medialen und lateralen Seite die Resorptionsfiiichen besonders entwickelt sind und hier bis unter die Ineisur, d0rt bis zum Foramen alveolare sieh erstreekeu, auf dessen laterale Wand sie tibergehen. ~

Die wichtigste and yon allen Beobaehtern hervorgehobene Resorptionsstelle ist d i e am v o r d e r n R a n d des p ro e . c o r o n .

So erwlihnt dieselbe ausser K 511 i k e r bereits H u m p h r ey 3), der auf experimentellem Wege beim Schweineunterkiefer fand, dass derselbe ausschliesslieh durch Ansatz neuer Substanz am hinteren Rande und Resorption am vordern Rande des proc. coron, und eondyl, verliingert wird; ausserdem L i e b e r k t t h n a ) , H e n k e 4 ) , B r o c k 5) etc.

Vergegenwiirtigen wir uns wieder die ursprtingliehe Form des Unterkiefers zur Zeit, wo Gelenk- und Kronenibrtsatz bereits kenntlich sind (Fig. 1) und vergleiehen wir damit die des erwaeh- senen Unterkiefers, so wird uns die modellirende Th~ttigkeit der Anlagerung und ZerstSrung leieht verstiindlich werden. Ieh habe sie an Reihen yon tIorizontalsehnitten, wo sie am besten zu tiber- sehen ist, als aueh an den Frontalsehnitten studirt und bin in der Hauptsache kurz zu foIgenden Resultaten gelangt. Der anfangs fast in der Verl~ingerung des Alveolarastes liegende Gelenkast er- f'ahrt seine Aufreehtstellung d. h. seine Umwandlung in den auf- steigenden Ast dureh eine e n e r gi s e h e A p p o s i t i o n a m A n gu 1 n s

u n d d i e e r w a h n t e R e s o r p t i o n am v o r d e r n R a n d e des

1) u d. Wiirzb. phys. reed. Gesellsch. N. F. III. Bd. 2) On the growth of the jaws. Transact. of the Cambrigde philosoph.

society. u IX. 3) Ueber Wachsthum des Unterkiefers und der Wirbel. Marburger

Sitzungsber. 10, 1867. 4) Handbuch der Kinderkrankheiten I. 5) 1. c.

370 Josef Schaffer:

proe. eoron, und an dem stumpfeu Winkel, den dieser mit dem Alveolarast bildet.

Am proe. eoron, findet ausserdem R e so r p t i o n a m h in t e r n R a n d e und A p p o s i t i o n an de r S p i t z e u n d an don obe r - s t en T h e i l e n des v o r d e r e n R a n d e s statt, welehe Combination seine endliche, vertieale Stellung bedingt. Man kann sich den ganzen Vorgang grob versinnbilden dnrch die abwechselnde oder eombinirte Th~itigkeit einer schiebenden und ziehendeu Kraft an einem schiefliegenden Stabe. Vergleicht man die Resorption der sehiebenden, die Apposition der ziehenden Kraft, so muss der Stab, wenn yon unten vorne und oben rtickw~rts geschoben und vorne oben gezogen wird, endlieh senkrecht steben.

Dies erklart aueh seine Entfernung yore vorderen Rande des proc. glenoid.

Ausserdem weicht aber der Kronenfortsatz sp~iter aueh yon der medianen Sagittalebene, die man sieh zwischen beiden Kiefer- ~tsten denkt naeh aussen ab, was dutch eine an de r m e d i a n e n Fl~iehe s t a t t f i n d e n d e n R e s o r p t i o n u n d d u r e h A p p o s i t i o n an der Aussen f l l i ehe , vergleiehsweise Druek yon innen, Zug yon aussen bewerkstelligt wird.

Im grossen Ganzen sind die Verh~ltnisse am Gelenkfortsatz dieselben, nur erfahren sie hier bedeutende Complicationen dureh die Ausbildung des Gelenkkopfes. Aueh das Auseinanderweichen der Gelenk~ste naeh rtiekw~rts zu wird dutch Resorption an der Inneni]~tehe und Apposition an der Anssenfi~iehe bewerkstelligt und dureb Resorption an seiner vorderen Flache yon der Ineisnr aufw~irts und Apposition an der hinteren Kante riiekt er zurtick, entsteht die tiefe ineisura semilunaris, wiihrend das Hi~henwachs- thum dureh die Entwieklung und Verkniieherung des Knorpel- kernes stattfindet.

Wir sehen also sehon aus dieser oberfiiiehlichen Darstellung, dass a b w e c h s e l n d e A p p o s i t i o n und R e s o r p t i o n , wobei selbstverstiindlieh eine in die andere tibergehen kann, wodurch dann eine indifferente Fliiehe im Sinne K t i l l i k e r ' s entsteht, d i e F o r m g e s t a l t u n g des U n t e r k i e f e r s h i n l a n g l i c h e rk l i i r t .

Die Ansehauungen, zu welehen ieh dutch vorliegende Arbeit gelangt bin, lassen sich nun kurz in folgende Siitze zusammen- fassen :

Der Unterkiefer wird sehr frlihe als Deekknoehen des Meeke l -

Die YerknScherung des Unterklefers uncl die Mer 371

sehen Knorpels angelcgt und ist im ersten Beginne keiner seiner Theile knorpelig vorgebildet. Das Bildungsgewebe, in welehem er entsteht, ist embryonales Zellgewebe, welches dureh die vorbe- reitenden Vorgiinge einer lcbhaften Zelltheilung uud GeFassneu- bildung zur osteogenen Substanz wird; die embryonalen Bildungs- zellen werden in ihrem Bereiehe zu Osteoblasten. Der junge Knoehen besitzt grosse, dichtgedr~ingte ZellenhShlen und reagirt auf Farhstoffe ~thnlich wie Knorpel; wit bezeichnen ihn daher wegen dieser morphologischen und fiixberischen Aehnliehkeit als chondroiden Knoehen. Frtihzeitig tritt im Oelenkfortsatz cine Aenderung des Gewebetypus ein, indem die Bildungszellen nicht mehr Knoehen, sondern in engstem, riiumlichem Zusammenhange mit dicsem ein Uebergangsgewebe zu Knorpel und endlich hya- linen Knorpel bilden. Diescr hyaline Knorpelkern an der Spitze des Gelenkfortsatzes iibernimmt ibrtan das Wachsthum des Gclenk- kopfes, wird dureh Resorption you unten her immer niedriger und endlich ganz an die Oberfiiiche gedrlingt, wo er den knorpeligen Gelenkiiberzug bildet. Der Knorpelkern im Gelenkkopf reieht bis in die incisura semilunaris; diese besitzt also keinen selbststiin- digen Knorpelkern. Wohl aber besitzt einen solehen der angulus, unabhiingig yon dem des Gelenkkopfes.

Aueh im Kronenfortsatz tritt ein sehmaler, langer, hyaliner Knorpelkcrn auf, aber erst relativ split und vollendet derselbe seine Function noch wiihrend des FStallebens, so dass gegen das Ende desselben keine Spur yon Knorpel mehr im Kronenfortsatz gefun- den wird. Wahrscheinlich ist bei den meisten Si%ugethieren der Grad seiner Entwieklung und die Dauer seines Vorhandenseins abh~ngig yon der GrSsse des fertigen Kronenfortsatzes.

Der Knorpel im Unterkiefer hat den Charakter eines soge- nannten Parenchymknorpels, d. h. seine Grundsubstanz ist sehr spiirlieh, die Zellen gross, dicht gedriingt, ohne Spur einer be- stimmten hnordnung.

Sie ftillen im frischen Zustande ihre Kapseln anscheincnd vollsti~ndig aus, wie die Zellcn anderer hyaliner Knorpel; dennoch mtissen wir zwisehen ihnen und der Kapsel eine Spur freier Fltissig- kci{ annehmen, die beim Hiirten des Prli.parates in C hromsalzen in Form eines mit Hiimatoxylin fih'bbaren :Netzwerkcs una die ge- schrumpfte Zelle gerinnt. Gegen die Peripherie und die Knorpel- kan~ile zu werden die Zellen kleiner, gegen die Verkalkungs-, resp.

372 J o s e f S c h a f f e r :

Ossifieationsgrenze vergr~ssern sie sigh uud tritt hier eine physio- logisGhe Sehrumpfung derselben auf.

Der Knorpelkern besitzt you der Ghrondroffenen Zone her ein appositionelles und ausserdem in den oberen Theilen ein inter- stitielles Waehsthum und finden bier wahrscheinlich Kernthei- lunffen start.

Gegen die Verkalkungs- und Er~tfnunffsgrenze zu erseheinen die Zellen offenbar dem Untergange verfallen.

Sowohl an den seitliehen Oberflttchen des unverkalkten Knorpel- kerns, als aueh an den Buckeln und Buehten des verkalkten la~ern sigh bald naeb seinem Entsteben Osteoblasten an.

Der verkalkte Knorpel Rhnelt einem ffrossblasigen Knochen, kann daber in diesem Zustande passend als osteoider Knorpel be- zeichnet werden.

In der Ossification der Knorpelkerne lassen sigh zwei Typen untersebeiden, deren Extreme wohl charakterisirt sind, die aber, einer aus dem andern hervorffebend, eine Reihe yon allmS.hlichen UebergRnffen zwisehen sieh fassen.

Der zuerst vorherrschende Modus ist der der Aufiafferunff, der periehondrale Typus.

Er finder sich bei der VerknScherung des Kronenfortsatzes, wo er g'eradezu sehematisGh abl:~i~uft fast aussehliesslich und im ersten Stadium tier Verkn~)eherung beim Gelenkfortsatz. Er ist ausffezeichnet dureh: Auflafferung osteoblastisGhen KnoGhens auf verkalkten, wie aueh unverkalkten, intaeten oder bereits der Re- sorption verfallenen Knorpel; gRnzliehe Zerst~runff des Knorpels in toto yon einer freien Seite her dureh Osteoklasten, wobei der aufg'elafferte Knoehen stehen bleibt oder auch theilweise derselben Resorption verfallen kann.

Daher finder man tiberall direkte, rRumliche UebergRnffe yon osteoidem Knorpel in ehondroiden KnoGhen und in den tieferen Partien hS, ufiff einzelne uner~t~nete Knorpelkapseln oder ffanze Nester yon solehen, welehe spRter ebenfalls yon einer freien Seite her resorbirt werden.

Beim Kronenfortsatz tritt an die Stelle des axialen Knorpel- kems durch Resorption desselben ein ffrosser Markraum.

Beim Gelenkfortsatz ist die Markraumbildunff in Folffe der tibetans reieben Vaseularisation eine b~ehst unreffelmRssige und dieses Ossificationsffebiet geht ffanz allmRhlieh tiber in alas Knoehen-

Die Verkn~cherung des Unter~efers und die Metap|asiefrage. 373

balkenwerk der tieferen Partien. Weiter mangelt beim Gelenk- fortsatz in diesem Stadium eine Ossificationslinie; der osteoide Knorpel geht ganz allmahlich in den Knochen tiber.

Der zweite Modus der Verkn~eherung ist ein modificirt endo- chondraler (Typus tier Einlagerung) und entwickelt sieh derselbe am Gelenkfortsatz ziemlieh bald aus dem periehondralen.

Er beginnt mit der Ausbildung einer ziemlieh geraden Ossi- fieationslinie, an der eine regelreehte ErSffnung der KnorpelhShlen und theilweise molekul~trer Zerfall und Resorption tier verkalkten Knorpelgrundsubstanz ohne Osteoklasten stattfindet. Diese er~ff- neten Knorpelh~hlen, welehe sich alsbald mit Markzellen fallen, bilden anfangs eine ziemlieh breite Zone (ErSffnungszone) und erst tiefer unten findet Anlagerung neuer Knoehensubstanz an die eha- rakteristiseh geibrmten Knorpelgrundsubstanzreste nach endochon- dralem Typus start. Dabei bleiben auch hier noeh geschlossene Knorpelzellen und Gruppen yon solehen stehen, gerathen oft tier in das Ossifieationsgebiet, wo sic ebenfalls der Resorption anheim- fallen.

Dutch das Stehenbleiben dieser Knorpelinseln, die naeh perichondralem Typus verknSchern, und dutch den Mangel einer ,Richtung" der Knorpelzellen ist nebst Anderem aueh der Unter- schied yon der endoehondralen Ossification an R~hrenknoehen ge- geben, der abet immer mehr schwindet.

Die Er~ffnung der Knorpelh~hlen geschieht in der chondro- lytisehen Zone and geht der Knorpel unter dem Einfluss der Blut- ge~,isse dutch einen eigenthtimliehen L~sungsprocess zu Grunde, der durch Entkalkung, farblos werden, molekul~tren Zerfall und endliehe Resorption ausgezeiehnet ist (Chondrolyse).

Auch die im endoehondralen Knoehen eingeschlossenen Knorpel- reste werden sammt dem Knoehen durch Osteoklasten resorbirt. Die Knorpelzellen gehen gr~sstentheils sehon an der ErSffnungs- grenze zu Grunde, einzelne gerathen vor ihrem ganzliehen Unter- gang noeh mit in das Markgewebe, haben jedoeh nicht die geringste active Theilnahme an der Markbildung.

Die Markzellen und Osteoblasten werden aus der Bildungs- schiehte des Periostes auf der reiehliehen Gef'~tssbahn eingeftihrt und bilden mit den Ueberresten der embryonalen Bildungszellen, welche fortwuchern, alas junge Markgewebe.

Die Bildung yon Knoehensubstanz wird dutch eine partielle

374 J o s e f S c h a f f e r :

und zwar oberfliichliche Differenzirung des Plasmas der Osteo- blasten bedingt; der Zellkern wird mit einem Reste entwicklungs- fithigen Protoplasmas zur Knochenzelle.

Der Knorpel hat bei der UnterkieferverknSeherung eine pro- visorisehe Bedeutung; er dient gleichsam als Modell, um welches die Knoehenform gegossen wird und das dann zur Resorption ge- langt, um dem definitiven Ausgusse mit Knochen Platz zu machen. Eine w i r k l i e h e , m e t a p l a s t i s e h e Oss i f i c a t i on ist am Unter- k i e f e r n i e h t n a c h z u w e i s e u . Ein genetiseher Zusammenhang yon Knorpel und Knochen wird abet vielfaeh vorgetiiuscht und zwar dureh folgende Momente:

Dureh die direkte Auflagerung yon chondroiden Knoehen auf osteoiden Knorpel, zwei sehr iihnliche Gewebe, welche weder mor- phologiseh noeh farberiseh eine seharfe Grenze zwisehen sieh er- kennen lassen und daher im innigsten, riiumliehen Zusammenhang stehen.

Dureh den Umstand, dass sich junger Knochen der Fiirbung gegenUber iihnlicher dem Knorpel verhitlt, als fertigem Knoehcn,

Dutch die reiehliehe Vascularisation und h~ehst unregelmiissige Markraumbildung am Gelenkfortsatz.

Dutch den Umstand, dass beim perichondralen Typus der verkalkte Knorpel nach Art des Knoehens dureh Osteoklasten re- sorbirt wird. Durch die Bildung yon globulis osseis, welche durch den Schnitt hii, ufig so getroffen werden, dass sie rings yon Knorpel grundsubstanz umgeben erscheinen.

Endlieh dureh alas Stehenbleiben gesehlossener Knorpelkapseln oder yon Gruppen derselben im Ossifieationsgebiete.

Die Formgestaltung des Unterkiefers wird hinreichend durch die Vorgiimge tier Apposition und Resorption erkliirt.

Erkliirung der Abbildungen auf Tafel IX--XII.

Taft IX. Alle Figuren dieser Tafel sind mit dem Zeichenapparate yon W i n k e l

bei einer beil~iufig 6 fachen VergrSsserung gezeichne~. Fig. 1. Sagittalschnitt dutch das hin~ere Ende der Unterkieferanlage des

Embr. 4,2 cm. K Kronen-, G Gelenkfor~satz. T Musc. temp.

Die YerknScherung des Unterkiefers und die Metaplasiefrage. 375

Fig. 2w12 stellen Frontalsehnitte yore Gelenkfortsatz einer Reihe yon Schaf- embryonen dar und geben ein sohematisches, aber in den Maassver- h~ltnissen richtiges Bfld der Entwicklung des Knorpelkernes, der Ossifcationsgebiete und der Ossifcationsliuie.

Fig. 2--7. ])as Gebiet der perichondralen Ossification schwarz. Fig. 8--12. Das Gebiet der modifcirt endochondralen Ossifi-

cation grau. Die der Figurennummer beigesetzte Zahl bedeutet die L~nge

des betreffeaden Embryo. K prim~re Lamelle, B osteogenes Bias- tern, P Periost u. Periehondrium, Kp Knorpel, M Meckel ' scher Knorpel.

Fig. 13. Frontalsehnitt durch den Gelenkfortsatz eines ca. 10 Tage alten Lammes. Der Knorpelkern hat bier die Gelenkoberfl~iche erreicht und bildet den diinnen Gelenkiiberzug. Das Goblet der modificirt endochondralen Ossification (grau) ist sehr sehmal, die Markr~ume verwischt und durchs~t yon Osteoklasten~ die durch Tuschpunkte markirt sind.

Tar. X.

S~immtliehe Fig. dieser Tafal sind mittelst der Camera yon O b e r - h ~i u s e r entworfen. V.D. bedeute~ die u des Prisma's yon cler Zeiehenfl~che. Fi~. 14. Sagittalschnitt durch das hintere Ende des Unterkiefers vom Embr.

51Is era. Die Anlage des Gelenkkopfes in der Fliiche, die des Kro- nenfortsatzes ffillt theilweise ausserhalb des 8ehnittes. K Anlage des Kronen-, G des Gelenkfortsatzes, i iatermembran6ser Knochen, u Uebergangsgewebe, bl Knochenbildungsgewebe, m Markraum, b BlutgeI~sse, o 0steoklasten am vorderen Rande des Kronenfort- satzes. Bartnack obere Linse des Obj. II u D. 25cm.

Fig. 15. Querschnitt durch das obere Ende des Kronenfortsatzes des Embr. 61/s cm. Kn primiire Knoehenlamelle, bl Knoehenbildungsgewebe, v. vaeuolisirte Kerne, b Blutgef'~sse. Hartnaek Obj. II, ausgezogener Tubus.

Querschnitt desselben Pr~iparates in der Niveauh~he des proc. glen. F spindelzelliges Bildungsgewebe, o 0steoklasten. Sonst wie oben. Eine scheinbare Metaplasiestelle aus einem Querschnitt dutch die tiefere Region des aufsteigenden Kieferastes vom Embr. 61/sere. o Kp verkalkter (osteoider) Knorpel, Kn aufgelagerter Knochen, Kn I unverkalkte Knochenschicht, Ok Osteoklast, der eine Zunge unter den in Resorption begriffenen Knorpel hineinsendet und bei S noeh einige BlutkSrperehen enth~ilt. Hart. Obj. V. V.D. 21 cm. Frontalschnitt dutch den Gelenkfortsatz des Embryo yon 6 ~/~ cm. Erstes Auftreten eines wohlcharakterisirten Knorpelkerns Kp. Kn osteoblastische Knoehenablagerung auf denselben. C ehondrogene

Fig. 16.

Fig. 17.

Fig. 18.

376 J o s e f 8 c h a f f e r :

Fig. 19.

Fig. 20.

Fig. 21.

Zone, Ko beginnende Verkalkung (osteoider Knorpel), Kk Knorpel- kanal, b Blutgef~sse. Hart. Obj. II, eingeschobener Tubus. Querschnitt durch den aufsteigenden Unterkieferast des Embryo yon 61/~ cm etwas unterhalb der Incisura semilunaris. G Gelenkkopf, K Verbindung mit dem Kronenfortsatz, Kp Knorpelkern gegen die Incisur geriickt, Kn Knochenlamelle im Gelenkkopf, 0 0steoblasten- beleg des Knorpelkerns, Kk Knorpelkanal, M Meckel ' scher Knorpel. Das iibrige Detail unausgeffihr~. Hart. Obj. II. V.D. 22 I/2 cm. Frontalschnitt durch den proc. coron, des Embr. 15 era. Kk axialer Knorpelkern, welcher yon den Markr~umen M her resorbirt wird und sich links deutlich (g) gegen den aufgelagerten Knochen Kn ab- grenzt, Mihrend rechts eine solche Grenze nicht sichtbar ist, der Knochen vielmehr direkt in den Knorpel iiberzugehen scheint. Ok 0steoklasten in Laeunen, Ok' ein Osteoklast in direktem Zusammen- hang mit elnem BlutgeF~sse, b BlutgeFdsse, 00steoklastenbeleg, u unverkalkte Knochenzone, a ap]astische Stelle, bei d ein osteo- klasten~ihnlicher Protoplasmaibrtsatz des GeFdsses b,. Hart. Obj. V. V. D. 21 cm. Frontalschnitt durch den proc., coron, yore Embr., 15 cm Ctlefere Partie). Die Ausfiihrung etwas sehematisch. Giebt ein iiber- sichtliches Bild der Ossifieationsvorg~inge am Kronenfortsatz. Re- sorption des axialen Knorpelkernes Kk durch die einbrechenden Gei~dsse E und die zahlreichen Osteoklasten Ok. Kn auf Knorpel aufgelagerter (periehondraler) Knoehen, Kn, osteoblastisch gebildete Parallelbalken, u unverkalkte Knochenschicht, 00steoblastenbelag, 0 ' 0steoblasten in der Fl~che, M Markraum, b Blutgef'dsse. Hart- hack Obj. H. V. D. 25cm.

Taf. XI.

Drei Schnitte yon Safraninpr~paraten mit der Camera gezeichnet. Die Farben geben die Wirkllchkeit, so weir es mSglich ist, naturgetreu wieder. Fig. 22. Frontalschnit~ durch den Kronenfortsatz des Embryo, 15 cm. Kp axia-

lerKnorpelkern mlt den eharaeteristisch vorragenden Knorpelkapseln, Kn aufgelagerter Knochen, C chondrogene Spitze, b Blutgef~sse. Hart. Obj. H, elngeschobener Tubus.

Fig. 23. Frontalschnitt durch den proc. coron, des Embryo, 191/~cm, an dem man das Herausmeisseln des axialen Knorpels sieht. Kk Rest des axialen Knorpelkernes, der yon zwei Seiten her resorbirt wird. Kn aufgelagerter Knochen, Ok 0steoklasten in Th~itigkeit, 0 0steo- blastenschieht, b Blutgef~sse, S hellere Grenzschieht des Knorpels, welche der 0ssificationsgrenze beim Gelenkfortsatz entspricht, oK beginnende Knochenauflagerung yon innen her. Hartn. Obj. Y~ ein- geschobener Tubus.

Fig. 2-t. 0ssifieationspar~ie aus der tie feren Region eines Frontalsehnittes

Die VerknScherung des Unterklefers und die Metaplasiefrage.

Fig. 25.

Fig. 2(~.

Die rung der

377

durch den Gelenkfortsatz yore Embr., 121/2 cm. Knorpelreste orange' Knoehen farblos, Markgewebe uncl Osteoblasten roth. Kg Knorpel- grundsubstanzreste, Kn aufgelagerter Knochen~ Kn, Knochenein- lagerung im Profil mit einem bereits eingeschlossenen Knoehen- kSrperchen, Kz isolirte, yon Knochen eingeschlossene Knorpelzellen, Ok Osteoklast an einem Knorpelgrundsubstanzbalkem Hartnack V. V.D. 141/2 cm.

Tar. XII.

Frontalschuitt dureh den Gelenkfortsatz des Embryo, 121/2 cm. Delafield's H~matox.-Eosin. Einmiindung eines Knorpelkanals Kn an der 0ssificationsgrenze. S helle (ehondrolytische) Zone an der 0ssificationsgrenze, r fast farblose Reste der untergehenden Knorpel- kapseln, K freigewordene Knorpelzellen mit undeutlichem Kern, K' stehenbleibende Knorpelzellen sammt Kapsel, Kg verkalkte Knorpel- grundsubstanzreste, Kn beginnende Anlagerung osteobl. Knochens, m andringendes Markgewebe, b Blutgef'~sse, a geronnene Pericellular- substanz. Hart. Ob. V. V.D. 21 cm. Efiue andere Stelle desselben Pr~parates. Er6ffnung der Knorpel- h6hlen, Zerfall und Resorption der Knorpelgrundsubstanz an der 0ssificationsgrenze, Kk Knorpelkern, Kg Reste der verkalkten Knorpelgrundsubstanz, die durch den Resorptionsprocess oft wie arrodirt aussehen, die F~rbbarkeit mit H~matoxylin verlieren und an Volum bis zum Sehwinden abnehmen (Kg,), m Markzellen in einer erSffneten KnorpelhShle, Kz freigewordene Knorpelzellen b Blutgefasse. Hart. Obj. II. V.D. 25 era.

Fig. 20, 25 u. 26 beanspruchen volle Genauigkeit in der Ausfiih- Details.

N a c h t r i i g l i e h e B e m e r k u n g : Bei Fig. 25 wurde als blauer Farb- stoff eine Anilinfarbe benutzt, welche bis zur Zeit der kiinstlerischen Repro" duetion leider etwas verblasste und einen stark violetten Ton annahm, statt des urspriinglichen dunkler blauea, der m~Sglichst der Fi~rbung der Pri~parate entsprach.

Archiv f. mikrosk . Anatomie . Bd. 32. 2 4

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