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(Aus dem Pharmakologischen Institut der Universit~t Greifswald.) Die Wirkung der Riintgenstrahlen auf die Durchl~issigkeit der roten BlutkSrperchen fiir Elektrolyte. Vou Fritz Lehmann und Paul Wels. (Ausgefiihrt mit Unterstiitzung der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft. ) Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 14. April 1926.) A. Einleitung. In neuerer Zeit sind nach therapeutischen Bestrahlungen am Men- schen weitgehende Verschiebungen im Mhleralbestand des Blutes ge- funden worden [Kroetzl)], welche eine Ver~nderung des Stofiaustausches zwisehen den bestrahlten Geweben und den KSrpers~ften beweisen. Einige dieser Befunde -- vor allem die Verschiebung des Kationen- gleichgewichts im Blute -- zwingen zu der Annahme, da~ die Durch- lhssigkeit der Zellh~ute fiir Elektrolyte durch die Bestrahlung gesteigert wird. Die prinzipielle MSglichkeit solcher Permeabilit~ts~nderungen hat Tchahochine~) durch einen Versucii yon bestechender Einfachheit er- wiesen: Bringt man mit Neutralrot gef~rbte Seeigeleier in eine alka- lisehe LSsung, so bleiben -- wie Warburg a) gezeigt hat -- die Eier darin rot, weil sie impermeabel fiir OH-Ionen sind. Tchahochine rich- tete auf ein solches Ei einen feinen Strahl ultravioletten Lichtes und sah, wie sich jetzt das Ei yon der ,,radiopunktierten" Stelle aus gelb f~rbte. An dieser Stelle wird also durch die Bestrahlung die Impermea- bilit~t der Eioberfl~che ffir OH-Ionen aufgehoben, diese dringen ein und veranlassen den Farbumsehlag im Eiinnern. In neuester Zeit hat Kroetz 4) an der Froschhaut Versuche mit hhn- lichem Endziel angestellt: Er fiillte Beinhautschl~uche yon Wasser- ffSschen mit RingerlSsung oder Serum, tauchte sie in Wasser und ver- folgte den Chloraustritt am bestrahlten und unbestrahlten Pr~parat. Es zeigte sich, dab aus dem bestrahlten Hautschlauch die 2--5fache 1) Biochem. Zeitsehr. 151, 449. 1924. 2) Cpt. rend. des s~ances de la soc. de biol. 84, 464. 1921. 3) Hoppe-Seylers Zeitschr. f. physiol. Chem. 66, 305. 1910. 4) Hubilitationsschrift, Greifswald 1925.

Die Wirkung der Röntgenstrahlen auf die Durchlässigkeit der roten Blutkörperchen für Elektrolyte

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(Aus dem Pharmakologischen Institut der Universit~t Greifswald.)

Die Wirkung der Riintgenstrahlen auf die Durchl~issigkeit der roten BlutkSrperchen fiir Elektrolyte.

Vou

Fritz Lehmann und Paul Wels.

(Ausgefiihrt mit Unterstiitzung der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft. )

Mit 2 T e x t a b b i l d u n g e n .

(Eingegangen am 14. April 1926.)

A. Einleitung.

I n neuerer Zeit sind nach therapeutischen Bestrahlungen am Men- schen weitgehende Verschiebungen im Mhleralbestand des Blutes ge- funden worden [Kroetzl)], welche eine Ver~nderung des Stofiaustausches zwisehen den bestrahlten Geweben und den KSrpers~ften beweisen. Einige dieser Befunde - - vor allem die Verschiebung des Kationen- gleichgewichts im Blute - - zwingen zu der Annahme, da~ die Durch- lhssigkeit der Zellh~ute fiir Elektrolyte durch die Bestrahlung gesteigert wird.

Die prinzipielle MSglichkeit solcher Permeabilit~ts~nderungen hat Tchahochine~) durch einen Versucii yon bestechender Einfachheit er- wiesen: Bringt man mit Neutralrot gef~rbte Seeigeleier in eine alka- lisehe LSsung, so bleiben - - wie Warburg a) gezeigt hat - - die Eier darin rot, weil sie impermeabel fiir OH-Ionen sind. Tchahochine rich- tete auf ein solches Ei einen feinen Strahl ultravioletten Lichtes und sah, wie sich jetzt das Ei yon der , ,radiopunktierten" Stelle aus gelb f~rbte. An dieser Stelle wird also durch die Bestrahlung die Impermea- bilit~t der Eioberfl~che ffir OH-Ionen aufgehoben, diese dringen ein und veranlassen den Farbumsehlag im Eiinnern.

I n neuester Zeit hat Kroetz 4) an der Froschhaut Versuche mit hhn- lichem Endziel angestellt: Er fiillte Beinhautschl~uche yon Wasser- ffSschen mit RingerlSsung oder Serum, tauchte sie in Wasser und ver- folgte den Chloraustritt am bestrahlten und unbestrahlten Pr~parat. Es zeigte sich, dab aus dem bestrahlten Hautschlauch die 2--5fache

1) Biochem. Zeitsehr. 151, 449. 1924. 2) Cpt. rend. des s~ances de la soc. de biol. 84, 464. 1921. 3) Hoppe-Seylers Zeitschr. f. physiol. Chem. 66, 305. 1910. 4) Hubilitationsschrift, Greifswald 1925.

F. Lehmann und P. Wels: Die Wirkung der R6ntgenstrahlen usw. 629

Chlormenge austrat als aus dem unbestrahlten. Wenngleich diese Versuchsanordnung wesentlich grSBere Fehlerquellen enth~lt, als die yon Tchahochine, so halten wir doch das geschilderte Ergebnis f fir gesichert, weil eine genfigende Zahl fiberzeugender Kontrollversuche beigebracht worden ist.

Die sonstige Literatur fiber den Gegenstand ist noch sp~rlich. Die benutzten Objekte sind meistens sehr komplexer Natur und lassen daher bindende Schlfisse auf die Vorg~nge an den Zellmembranen nicht zu.

Wir legen im folgenden einen Beitrag zur Kenntnis der Permea- bilit~tsanderungen durch Strahlen vor, dessen Resultate am roten Blut- k6rperchen des Rindes gewonnen wurden. Die roten BlutkSrperchen sind - - soweit wir die Literatur fibersehen - - ffir das vorliegende Ziel noch nicht benutzt worden. Das ist deshalb auff~llig, weil die seit ]angem bekannte Erscheinung der Strahlenhamolyse ja die letzte Stufe einer Permeabilit~tserhShung darstellt und den Gedanken nahegelegt, da]~ es weir vor dem Eintr i t t der H~molyse zu einer gesteigerten Durch- ]~ssigkeit des BlutkSrperchens ffir Salzionen kommen k6nne, die ja die Zellmembran leichter passieren mfissen als das kolloidale H~moglobin. Unsere Versuche zeigen auch tats~chlich, daft unter dem Ein[lufi der R6ntgenstrahlen die Binnensatze welt leichter aus den roten Blutk6rper. chen austreten, als das beim unbestrahlten Blutk~rperchen der Fall ist.

Die Diskussion dieses Ergebnisses gestaltet sich unserer Meinung nach zwangloser, wenn man sich vorstellt, dal~ der Ery throcyt yon einer geschlossenen Zellmembran umgeben sei, was auch in den vorstehenden Ausffihrungen bereits vorausgesetzt wurde. Beweise ffir die Richtig- keit dieser Vorstellung linden sich in den Arbeiten yon Ege 1) und neuer- dings besonders in einer ausffihrlichen Studie yon Mond 2) fiber den Mechanismus der tt~molyse. Die Frage ist in letzter Zeit Gegenstand tines lebhaften Streites gewesen. Eine kritische Stellungnahme zu diesem Streit ist uns auf Grund unserer Versuche nicht m6glich, indessen glauben wir auch zu einer solchen Stellungnahme nicht gen6tigt zu sein, da uns ffir die Erklarung der Strahlenwirkungen die Tatsache des Salzaustritts aus Zellen zun~chst wichtiger erscheint als ihre Deutung.

B. Methodik. I. Vorbereitung des Materials u~l Bestrahlungstechnik3).

Aus frisch gewonnenem defibriniertem Rinderblut wurden die Blutk6rperchen abzentrifugiert, 2--3 mal mit isotonischer Traubenzuckerl6sung, isotonischer Koch-

1) Biochem. Zeitschr. 115, 109. 1921; 130, 99. 1922. 3) Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiol. 208, 574. 1925 und 200, 499. 1925. 3) Die Bestmhlungen wurden im hiesigen mineralog. Institut vorgenommen.

Herrn Prof. Grofi und Herrn Dr. Leonhard m5chten wir auch an dieser Stelle fiir mehrere wertvolle technische Ratschl~ge herzlich danken.

630 lv. Lehmann und P. Wels: Die Wirkung der RSntgenstrahlen

salzlSsung oder einem Gemisch yon beiden gewaschen und dann in einer der ge- nannten LSsungen aufgeschwemmt. Gleiche Teile der Aufschwemmung wurden in 2 Glasbiichsen gegeben, yon denen die zu bestrahlende an Stelle des Glasdeckels mit einem paraffinierten Kork wasserdicht verschlossen wurde. Die Glasbtichsen wurden in einem Wasserthermostaten so angeordnet, dal3 die zu bestrahlende mit ihrem Korkdeckel gerade aus dem Wasser hervorragte, wi~hrend die Kontroll- biichse in einer Bleidose yon allseitig 10 mm starker Wandung auf den Boden des Thermostaten gesetzt wurde. Die genaue Beschreibung und Abbildung findet sieh in einer frfiheren Arbeitl). Wird das Wasser des Thermostaten wiihrend der Bestrahlung dureh ein Rfihrwerk dauernd durchmischt, so ist eine absolute Tem- peraturgleichheit beider Portionen gew~hrleistet. Die Bestrahlung wurde bei Zimmertemperatur (ca. 20 ~ vorgenommen.

In einem Abstand yon 15 cm fiber dem Wasserspiegel des Thermostaten befand sich der Fokus der RSntgenrShre. Es wurde eine LilienfeldrShre neuester Konstruktion benutzt. Die R6hre wurde an einem Transverter-Apparat der Firma Koch & Sterzel betrieben. Die Effektivspannung der Stromquelle wurde mit Hitfe eines empirisch geeichten Zeigerinstrumentes gemessen und betrug 70 Kilo- volt. An der RShre lag eine Spannung yon 13--15 cm paralleler Funkenstrecke. Die R6hrenstromst~rke betrug 3,8--4,0 Milliamperes. Eine Filterung der RSntgen- strahlen land nicht start. Zwischen der RShre und dem Objekt lag nur der Kork- deckel der Glasbiichse.

Wir bestrahlten 1--3 Stunden lang. Ein sieherer Vergleich der angewandten Str~hlendosis mit therapeutischen Dosen war uns nicht mSglich, da geeignete Mel]vorrichtungen bei unserer App~ratur zun~chst noch fehlen, wir hoffen jedoch die entsprechenden Angaben in sp~teren Arbeiten nachholen zu kSnnen. Jeden- falls war die angewandte Strahlendosis ein Vielfaches der sog. I-Iauteinheitsdosis, die in klinischen R5ntgenbetrieben als Ma~ benutzt wird.

I I . Untersuchungsmethoden. Mit der bestrahlten und der unbestrahlten BlutkSrperchenaufschwemmung

wurden die im folgenden beschriebenen Untersuehungen angestellt. In der Zeit zwischen der Bestrahlung und den Untersuchungen standen die Aufschwemmungen in einem Raume, der eine Temperatur yon ca. 10 ~ hatte.

1. Bestimmuny des BlutkSrperchenvolumens mit den Hdmatokriten. Wit benutzten U-fSrmige H~matokritrShrchen der Firma E. Leitz. Bei der

Herstellung dieser RShren ~ndert sich offenbar die Capillarweite an der U-Biegung nicht selten so betr~chtlich, da]~ die Graduierung in diesem Bereich unbenutzbar wird. Die RShrchen miissen deshalb geeicht werden. I)iese Eichung fiihrten wit so "aus, dab wir die L~nge einer bestimmten Quecksilbermenge einmal in der Biegung, das andere Mal in einera Schenkel der RShre bestimmten. Hat das R6hr- chen in allen Teilen eine gleiche Weite, so betr~gt die L~nge der Quecksilbers~ule in einem Schenkel ebensoviel Skalenteile wie in der Biegung. Trifft dies nicht zu, so ist die Capillare in der Biegung enger oder welter. Die anzubringende Kor- rektur l~Bt sieh aus den L~ngendifferenzen leieht bereehnen. Bei geniigender (~bung gelingt die Ablesung des Blutk6rperchenvolumens mit einer Genauigkeit yon 0,2 Skalenteilen. Bei den meisten Versuchen wurden Parallelbestimmungen gemacht. In 20 Versuchen betrug die gr613te Abweichung zwischen 2 Parallel- bestimmungen 0,2 Skalenteile. Wir zentrifugierten in einer Zentrifuge, welche in 1 Minute ca. 3000 Touren machte, bis zur Volumkonstanz, Wozu 45--60 MJnuten erforderlich waren.

1) Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiol. 201, 459. 1923.

auf die Durchl~ssigkeit der roten Blutk6rperchen fiir Elektrolyte. 631

2. CMorbestimmungen in der Suspensions/liissigkeit. Die Suspensionsfliissigkeit enthielt nach 1/~ngerer Beriihrung mit den Blut-

k6rperehen immer etwas Eiweil3; dieses wurde mit Uranylacetat entfernt und dann in je 2 ecru der L6sung die Chlorbestimmung nach Volhard mit 1/100 normal Silbernitrat und 1/100 normal Rhodanammonium vorgenommen. In 25 Versuehen betrug die gr6$te Abweiehung zwischen 2 Parallelbestimmungen 6,9% der im titrierten Volumen enthaltenen Chlormenge, die mittlere Abweichung 1,6%.

3. Zuckerbestimmung in den roten Blut~6rperchen. Die Erythrocytensuspension wurde bei ca. 3000 Touren 1 Stunde lang zentri-

fugiert, und die iiberstehende TraubenzuckerlSsung mSglichst vollst~ndig ab- gehoben. Der BlutkSrperchenbrei wurde vorsichtig durchgeriihrt und mit der 10fachen Menge dest. Wassers h~molysiert. /)ann wurde nach den Angaben yon Gutmann und Adler 1) das Eiwei9 mit Sublimat ausgef~llt, das Quecksilber dnrch SchwefeLvasserstoff entfernt und in 20 ccm der eiweiBfreien LSsung der Trauben- zucker nach Bertrand ~) bestimmt. In 5 Versuchen betrug die grSflte Abweichung zwischen 2 Parallelbestimmnngen 4,9% der im titrierten Volumen enthaltenen Zuckermenge, die mittlere 3,2%.

4. Messungen des Leitverm6gens der Suspensions/li~ssigkeit. Die Apparatur bestand in der iiblichen Anordnung nach Kohlrausch. Als

Nullinstrument diente ein Telephon. Bei platinierten Elektroden erhielten wir ein scharf begrenztes Tonminimum. Die Abweichung zwischen 3 Ablesungen betrug in keinem der Versuche mehr als 1/1000 der Me~brtickenl~nge. Die beiden Leitf~higkeitsgef~Be, die wir benutzten, waren U-fSrmige RShren, die sich an der Biegung verengten. Die Widerstandskapazit~t des zwischen den Elektroden liegenden Gef~Braumes war 23,0 bzw. 17,92. Die Gef~Be tauchten in einen Wasser- thermostaten yon 25 ~ ein.

C. Ergebnisse. 1.

Werden R inde rb lu tkSrpe rchen in isotonischer (5,45%) Trauben- zucker lSsung mi t RSn tgens t r ah len bes t r ah l t , so zeigen sie einige Zei t nach der Bes t rah lung eine deut l iche Volumenverminderung. Diese Vo- l umenve rminde rung wi rd un te r sonst gleichen Versuchsbedingungen ge- ringer, sobald m a n der isotonischen Traubenzucker lSsung e twas iso, tonische Kochsalz lSsung zusetz t , und sie bleibt v611ig aus, wenn m a n die B lu tkSrperchcn in re iner i sotonischer Kochsa lz l5sung bes t r ah l t (Tab. 1).

Be t r ach t e t m a n diese Ta t sachen im Zusammenhange , so is t sofort auff~llig, dal~ die durch die Bes t rah lung hcrvorgerufenen Volum- ~nderungen der B lu tkSrperchen von dem Gefalle der Kochsa lzkonzen- t r a t i o n zwischen Innen- und Aul~enfliissigkeit abh~ngen.

Die n~chst l iegende Erk l~rung ffir die beobach te t e Ersche inung is t die folgende: Info lge der Bes t rah lung wird die P l a s m a h a u t der ro ten

1) Bioehem. Zeitschr. 83, 11. 1917. 3) Abderhaldens Handbuch der biologischen Arbeitsmethoden. Abt. IV, ~

Teil 3, Heft 3, S. 631. 1923.

632 F. Lehmann und P. Wels: Die Wirkung der R6ntgenstrahlen

Tab. 1. Abhdngigkeit der Volumverminderung vo~ der Suspensionsfliissigkeit.

Vet- s rah- suchs- lungs-

Nr. zei t Std.

]4a

14b

21

16c

18

16b

I 1

11/2

Z e i t a b s t a n d der / U n t e r s u c h u n g I

v o n d e r I Suspens ions- B e s t r a h l u n g ~ fli issigkeit

Std.

21 { {

{

Traubenzucker NaC1

Tranbenzucker NaC1

Traubenzucker NaC1

Traubenzucker 2 Teile Traubenzucker 1 Tefl NaC1

Traubenzucker 2 Teile Traubenzucker I Teil IqaC1

Traubenzucker 2 Teile Traubenzucker 1 Teil lh~aC1

NaC1

B l u t k S r p e r c h e n v o l u m e n

u n b e s t r a h l t be s t r ah l t

44,0 40,l 45,3 45,2 44,2 39,2 45,6 45,7 42,9 39,7 44,9 45,2 45,0 36,2

} 45,1 40,7

; 44,9 35,3

45,0 39,6

45,4 38,6

44,1 42,6

46,0 46,5

Blutk6rperchen fiir Salze durchl~ssig. Unter dieser Voraussetzung muB um so mehr Kochsalz aus den BlutkSrperchen auswandern, je geringer die Kochsalzkonzentration auBen ist. Wiirde nun das ausgetretene Salz durch osmotisch aquivalente Traubenzuckermengen ersetzt, so kSnnte keine Volumenabnahme eintreten, ist dagegen die Plasmahaut fiir Traubenzucker trotz der Bestrahhmg undurchlassig geblieben, so muB der osmotische Druck des BlutkSrpercheninhalts mit der Aus- wanderung des Salzes sinken und das BlutkSrperchenvolumen sich ver- kleinern. DaB die gemachten Voraussetzungen tats~chlich zutreffen, geht aus den folgenden Versuchsreihen hervor.

2.

Wir bestrahlten die Blutk5rperchen in isotonischer Traubenzucker- ]Ssung, zentrifugierten am n~chsten Tage und mai]en die aus den Blut- kSrperchen in die TraubenzuckerlSsung eingetretenen Chlormengen. Wir fanden diese ill der bestrahlten Portion stets grSBer als in der unbe- str~hlten (Tab. 2). Zugleich wurde an beiden Portionen das BlutkSrper- chenvolumen bestimmt und wieder das bereits beschriebene l~esultat erhalten.

Tab. 2 zeigt, dub auch bei der unbestrahlten Portion eine nicht un- betr~chtliche Menge Chlor in der TraubenzuckerlSsung enthalten ist. Bei l~ngerer Berilhrung mit isotonischer Traubenzuckerl5sung tr i t t also auch aus den unbestrahlten Blutk6rperchen Chl0r aus, wenn auch in wesentlich geringerem MaBe als aus den bestrahlten. Es ist daher, yon

auf die Durchl~ssigkeit der roten BlutkSrperchen fiir Elektrolyte. 633

Tabelle 2. Volum- und Chlorbestimmungen, Suspensions/liisslgkeit iiberall isotonisch e TraubenzuckerlSsung.

Versuchs- Nro

22 23 24 27 28

Be~ strahlungs-

zeit Std.

21/2

3114 21/2 131/2

Zeitabstand der Un- tersuchung yon der

Bestrahlung Std.

16 14 14 22 22

BlutkSrperchen- volumen

unbestrahlt bestrahlt

32,0 29,7 37,7 33,1 33,5 31,1 45,6 39,4

mg Chlor im ccm der Susp ensionsflttssigkeit

unbest rahl t bastrahlt

0,37 0,67 0,42 0,70 0,43 0,69 0,33 0,51 0,48 0,76

Tabelle 3. Zeitlicher Verlau] der Volumabnahme und des Chloraustritts.

Versuchs- Nr.

31

32

]3e- strahlungs-

Zeit Std.

Zeitabstand der Un- ] tersuchung yon der I

i

Bestrahlung Std,

BlutkSrperchen- Volumen

mg Chlor im ccm der Suspensionsflfissigkeit

1/2 21/2 41/2

10 20

z/2 2 4

10 2O 26

unbestrahlt bestrahlt

47,1 46,0 46,2 44,6 45,7 42,7 43,2 40,1 41,8 37,6

49,3 47,2 48,8 44,9 48,3 44,0 47,7 42,7 46,3 40,1

unbestrahlt I bestrahlt

0,35

0,50 0,57 0,65

0,16 0,24 0.21 0,25 0,39 0,39

0,45

0,63 0,79 0,92

0,30 0,46 0.65 0,66 0,73 0,70

vornherein zu erwarten, dab auch unbestrahlte BlutkSrperchen in iso- tonischer TraubenzuckerlSsung allmghlich an Volumen abnehmen, und das zeigt sich auch sofort, wenn man den zeitlichen Ablauf des Chlor- austritts und der Volumenverminderung nebeneinander verfolgt. Wir haben das in den Versuchen 31 und 32 getan (Tab. 3). Die Zahlen der Tabelle und die kurvenm~ige Festlegung der Resultate des einen Ver- suchs (Abb. 1) zeigen, dal3 sowohl in der bestrahlten wie in der unbe- strahlten Portion der Zunahme des Chloraustritts eine fortschreitende Volumenverminderung parallel geht. Zugleich wird deutlich, dab Chlor- austritt und Volumenverminderung bei den bestrahlten BlutkSrperchen rascher wachsen als bei den unbestrahlten.

Der Befund, dab unter den gegebenen Bedingungen auch aus den unbestrahlten BlutkSrperchen Chlor austritt , steht im Widerspruch zu einer Reihe yon Angaben in der Literarurl). Diese besagen, dal3 die

x) Zusammenstellung bei H6ber, Physikalische Chemie der Zelle und der Gewebe.

634 F. Lehmann und P. Wels: Die Wirkung der l~Sntgenstrahlen

Plasmahaut der Erythrocyten nur for Anionen dagegen nicht ffir Kat- ionen durchl~ssig sei. Aus dieser Feststellung ergibt sich, dab nur dann Chlor aus den BlutkSrperchen austreten kann, wenn das zuriickblei- bende Kation an Stelle des auswandernden Chlors ein anderes Anion erh~lt, d. h. wenn die AuSenflfissigBeit eine ElektrolytlSsung ist. Diese MSgliehkeit ist natorlieh nicht gegeben, wenn die BlutkSrperchen in einer TraubenzuekerlSsung aufgeschwemmt sind. I n diesem Milieu muB vielmehr die Undurchlassigkeit fiir Ka~ionen auch die Undurchl~ssig- keit for Anionen zur Folge haben, da keine M5glichkeit eines Anionen- austausches gegeben ist. Tri t t also in unseren Versuehen Chlor aus den

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S/unden

m~C/ pro cm J

o,85

o,75

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5

Abb. 1. (zu Vers. 31, Tab. 3).

10 I5 2 0 ~~

Blutk6rperchen aus, so kann es das nur zusammen mit dem zugeh6rigen Kation tun, etwa in Form yon Natrium- oder Kaliumehlorid. Es mug also die Plasmahaut bei langerer Versuehsdauer auch ohne Bestrahlung durchlassig for Kationen werden. Tatsachlieh land auch Siebeckl), dab man roten BlutkSrperchen durch Waschen mit RohrzuckerlSsung einen betrachthchen Tell ihres Chlors entziehen kann, wenn nur die Wasch- flfissigkeit lange genug einwirkt, eine Voraussetzung, die bei tier langen Dauer unserer Versuehe sicher gegeben ist. Die Siebecksehen Versuehe w~ren ohne weiteres verst~ndhch, wenn man annimmt, da$ das Chlor zusammen mit seinem Kat ion als Salz austrit t , doch hebt Siebeck aus- driicklich hervor, dab die dann zu erwartende Abnahme des osmo- tischen Druckes im Innern der BlutkSrperchen nieht eintritt. I n un- seren Versuchen dagegen zeigt sieh diese Druckabnahme sehr deutlich in der Volumenverminderung der BlutkSrperchen, welche mit dem

1) Arch. f. exp. Pathol. u. :Pharmakol. 214 85, 1920.

auf die Durchl~ssigkeit der roten BlutkSrperchen fiir Elektrolyte. 635

Chloraustritt fortschreitet. Wir haben daher kein Bedenken, unsere Versuehe wie folgt zu deuten: Bei l~ingerem Verweilen in Traubenzuclcer- 15sung bel einer Temperatur von ca. 10 ~ werden die BlutkSrperchen /i~r Chloride durchlSzsig. Diese an sich schon eintretende Durehtdssigkeit wird dutch vorau/gegangene R6ntgenbestrahlung beschleunigt.

3,

Um zu beweisen, dab die BlutkSrperchen fiir Traubenzucker im- permeabel bleiben, haben wir Zuckerbestimmungen im BlutkSrperahen- sediment vorgenommen. Wir bestrahlten die Erythrocyten wieder in TraubenzuckerlSsung und zentrifugierten am n~chsten Tage. Mit unserer Zentrifuge gelang es nicht, das BlutkSrperenensediment frei von Zwischenfliissigkeit zu bekommen, was sich schon balm AusgieBen des Sediments aus den Zentrifugengl~sern an der Konsistenz arkennen lieB. Es muBte daher grSBter Weft darauf gelegt werden, in den zu ver- gleichenden Proben wenigstens dasselbe Verh~iltnis yon Zellmasse zu Zwischenfliissigkeit zu erreiehen. Es ist das in geniigendam MaBe der Fall, wenn man je 2 zu vergleichende Proben zugleich zentrifugiert, und wenn man bei der Abhebung der Flfissigkeit sorgf~ltig verfiihrt. Allerdings ist zu bedenken, dab die bestrahlten BlutkSrperchen kleiner sind als die unbestrahlten, dab sie sieh infolgedessen auch dichter zusammenlagern kSnnen und weniger Fliissigkeit zwischen sich einsahlieBen. Hier handelt es sich ja aber darum, au'szuschlieBen, dab Traubenzuckermengen in die BlutkSrperchen eintreten, welche den ausgetretenen Kochsalzmengen osmotiseh ~quivalent sind, und diese Traubenzuckermengen sind -- wie sparer noch durch Reehnung gezeigt werden soll -- so groB, dab die ge- nannte Fehlerquelle kaum ins Gewicht fallen kann. Die Versuche zeigen, daft in gleichen Sedimentvolumina bestrahlter und unbestrahlter Erythrocyten die gleiche Traubenzuckermenge enthalten ist (Tab. 4). Die gefundene Traubenzuckerkonzentration betr~gt ungefi~hr den 10. Tail der Konzen- t rat ion in der Waschfliissigkeit. Wir warden kaum fehlgehen, wenn wir die gefundene Traubenzuekermenge nicht auf die BlutkSrperchen be- ziehen, sondern auf die Zwischenfliissigkeit.

Tabelle 4. Traubenzuckerbestimmungen in den BlutkSrperchen.

Versuchs- Nr.

38 40 41 42

Be- Zei tabstand der Un- strahlungs- tersuchung yon der

Zeit Bestrahlung Std. Std.

3 16 16 16

3 151/2

BlutkSrperchen- Volumen

unbestrahlt bestrahlt

53,0 47,0 43,6 38,8 44,0 39,8 43,8 37,8

mg Traubenzucker im cm a BlutkSrperchen-

s ed iment

unbestrahlt i bestrahlt

4,56 4,30 5,66 5,66 6,89 6,79 6,58 6,52

636 Y. Lehmann und P. Wels: Die Wirkung der RSntgenstrahlen

Die urs~ehliehe ZusammengehSrigkeit des Chloraustritts und der Volum- verminderung geht zwar schon aus dem zeitlichen Verlauf beider Erscheinungen hervor, immerhin erschien es nicht wertlos, die Riickfiihrung der dureh die Be- strahlung gesetzten Volumenverminderung auf rein osmotisehe Verh~ltnisse auch noch durch den Naehweis zu stiitzen, dab kein Ausgleieh des osmotischen Druck- verlustes durch Zuckereintritt in die BlutkSrperehen stattfinden kann. Wfirde das n~mlich der Fall sein, so mtil3te auch die Erkl~rung der Volumenverminderung ge~ndert werden, und es w~re dann wohl die entquellende Wirl~ung der R6ntgen- strahlen auf Eiweil3kSrper mit heranzuziehen, die in 2 friiheren Arbeiten z) 2) nachgewiesen wurde. Wir haben daher tibersehlagsweise fiir einige der Chlor- versuche die Traubenzuckermenge errechnet, die der ausgetretenen Chlormenge osmotisch ~tquivalent ist, wenn wit annehmen, dab das gesamte Chlorals Koch- salz austritt. Im Versuch 28 (Tab. 2) ist z. B. in der Suspensionsfliissigkeit der bestrahlten BlutkSrperchen pro Kubikzentimeter 0,28 mg Chlor mchr enthalten als in der Suspensionsfltissigkeit der unbestrahlten BlutkSrperehen. Das Blut- kSrperchenvolumen der unbestrahlten Portion - - aus welehem ja das Plus an Chlor stammen mul3 - - betr~gt 45,6% des Gesamtvolumens; das Volumen der Suspensionsfliissigkeit betr~tgt mithin 54,4~ . Wird das Plus an Chlor, das im Versuch auf ein Fltissigkeitsvolumen yon 100 - - 39,4 = 60,6 bezogen wurde, auf das Volumen yon 54,4 umgereehnet, so betragt es pro Kubikzentimeter 0,31 mg, was einer Kochsalzmenge yon 0,515 mg entsprieht. Das Fliissigkeitsvolumen yon 54,4 ccm bekommt also dureh die Bestrahlung einen NaC1-Zuwachs yon insgesamt 28,0 mg, der aus 45,6 ccm BlutkSrperchen st~mmt. 9 Gewiehtsteile Kochsalz geben in demselben Volumen den gleichen osmotischen Druck wie 54,5 Gewiehtsteile Traubenzueker, iolglich sind den 28,0 mg Kochsalz 169 mg Traubenzueker in gleichem LSsungsranm osmotiseh ~quivalent. Diese 169 mg Traubenzueker miil3ten also in 45,6 ccm BlutkSrperchen eintreten, nm einen osmotischen Ausgleich fiir den NaC1-Verlust zu schaffen. Da sich dieses BlutkSrperchenvolumen dutch die Bestrahlung auf 39,4 ccm verringert, so miiitten jetzt die 169 mg Tranbenzucker in 39,4 ccm BlutkSrperchen enth~lten sein. 2'olg-

169 lich mi~flte in 1 ccm der beztrahlten Blutk6rperchen ~ , 4 = 4,3 mg Traubenzucker

mehr ge/unden werden als in I ccm der unbestrahlten Portion. In Versuch 41 (Tab. 4), bei dem etwa die gleichen Volumenverh~ltnisse vorliegen, wfirde man also in der bestrahlten Portion rund l l m g Traubenzucker pro Kubikzentimeter Blut- kSrperchensediment zu erwarten haben, gegeniiber rund 7 mg in der unbestrahlten Portion. Man sieht, dal3 bei einem osmotischen Druckausgleich dutch Trauhen- zucker in den bestr~hlten BlutkSrperchen ein Plus an Traubenzucker gefunden werden mfil3te, welches 10 real so grol] ist als der hSchste Fehler der angewandten Untersuchungsmethode.

4 . L

N a c h d e m Aus fa l l de r C h l o r b e s t i m m u n g e n w a r es u v o r n h e r e i n

zu e r w a r t e n , d a b das Leitvermggen ]iir den elektrischen S trom in de r

Suspens ionsf l i i s s igke i t de r b e s t r a h l t e n B l u t k a r p e r c h e n grSl~er sein wi i rde

als in de r Suspens ions f l i i s s igke i t de r u n b e s t r a h l t e n . D ie in de r Tab . 5

z u s a m m e n g e s t e l l t e n Ve r suche ze igen dieses V e r h a l t e n r ech t d e u t l i c h u n d

e rgeben f e rne r das ebenfa l l s zu e r w a r t e n d e l {e su l t a t , dab der Le i t f ah ig -

1) Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiol. 199, 226. 1923. 2) Pflfigers Arch. f. d. ges. Physiol. 209, 49. 1925.

'/o/~ 58

56

5-2

56

auf die Durchl~ssigkeit der roten Blutk6rperchen fiir Elektrolyte. 637

keitszuwachs sowohl in der bestrahlten wie in der unbestrahlten Portion einen ~hnlichen zeitlichen Verlauf nimmt wie die Volumenverminderung und der Chloraustritt (Kurven der Abb. 2). Mit zunehmender Differenz des Blutk6rperchenvolumens und des Chlorgehalts in der Aul~enflfissig- keit w~chst demgem~I~ auch die Differenz des Leitverm6gens zwischen den Aul~enfliissigkeiten der bestrahlten und unbestrahlten BlutkSrper- chen. In dem Auseinanderweichen je zweier zusammengeh6riger Kurven der Abb. 2 kommt dieses Verhalten deutlich zum Ausdruck.

~x I ~9'c - - - -

pro crn~

Bestra/z/f~x~ 3..Io~ ! Bes,'|~h#r~ i .x. o,~ i i r ~o j /

o,6 40 x, - - j ~ f x " , ~ ~ X -

S 10 15 20 d r 15 20 5 lO r 20 8funden 8funden Sfunden

Abb. 2 (zu Vers. 44, Tab. 5).

Die Messungen des Leitverm6gens haben vor den Chlorbestimmungen den Vorteil, da{~ sie eine summarische Erfassung s~mtlicher aus den Blutk6rperchen ausgetrctenen Ionen erm6glichen. Die Aufl6sung des summarisch erfai~ten Vorganges setzt aber voraus, dal~ das Mengen- verh~ltnis der die Leitf~higkeit bedingenden Ionen durch chemische Analysen ermittel t wurde. Will man z. B. nach den Zahlen der Tab. 5 entscheiden, inwieweit die gemessene Leitf~higkeit durch den Chlor- gehalt der Fliissigkeit erkl~rt wird, so mul~ man das Mengenverh~iltnis der Kationen kennen, an welche das Chlor gebunden ist. I m vor- stehenden wurde der Einfachheit halber angenommen, dal~ das gesamte Chlor an Natr ium gebunden sei. Auf den bier vorliegenden Zweck iiber- tragen mfil~te indessen dieses vereinfachte Verfahren zu erheblichen Fehlern fiihren, da sicher ein nicht unbetr~chtlicher Teil des Chlors an andere Kationen, vor allem an Kalium, gebunden ist und das Ka- ]iumchlorid wegen der gr6{~eren Wanderungsgeschwindigkeit des Ka- liumions eine wesentlich hShere Leitf~higkeit hat als das Natr ium- chlorid. Da wir das Verhaltnis zwischen Kalium und Nat r ium in un- seren Versuchen nicht ermittelt haben, so mtissen wir vorl~ufig auf die Errechnung genauer Beziehungen zwischen Leitf~higkeit und Chlor- gehalt verzichten.

Man kann jedoch eine ~berschlagsrechnung anstellen, welche wenigstens ann~herungsweise einen Schlul~ darfiber zul~t~t, ob die gemessenen Leitf~higkeits-

638 F. Lehmann und P. Wels: Die Wirkung der R6ntgenstrahlen

werte der AuBenfliissigkeit durch deren Chlorgehalt erkli~rt werden k6nnen. Wir haben dabei die in den Blutk6rperehen vorhandene geringe Magnesiummenge vernaehliissigt und angenommen, dab das Chlor im Blutk6rperchen nur als Natrium- und Kaliumehlorid vorhanden sei. Wir haben ferner vorausgesetzt, dab Natrium- und Kalium in demselben Verh~ltnis als Chloride austreten, in welchem sie im Blutk6rperehen vorhanden sind.

Nach Abderhalden 1) kommen im Blutk6rperehen des Rindes auf 0,7266 g Natron (Na20) 0,2356 g Kali (K~O). Dann kommt auf 1 Grammatom Natrium 0,107 Grammatom Kalium und folglieh aueh auf ein Mol. Natriumchlorid 0,107 Mol. Kaliumchlorid. Eine einfaehe Rechnung ergibt, dab dann von jedem Gramm gefundenen Chlors 0,905 g an Natrium und 0,097 g an Kalium gebunden sind. Man kann also ftir jeden in der Tabelle 5 enthaltenen Chlorwert die entsprechenden

Tabelle 5. Zeitlicher Verlau] der Volumverminderung, des Chloraustritt8 und der Leit/fihigkeitszunahme in der Aufien/liissigkeit.

B Zeitabs~and e- I des Zentri-

= _ g '] der Be- ~elt I strahlung Std. Std.

Blutk6rperchen- volumen

unbestrahlt bestrahlt

mg Chlor im cm 3 der Leitf~thigke!.t .der.

unbo~tra~;~/u ~ b e ~ r ahlt

44 11/2 21/4 56,9 56,0 0,32 8

18

2 6

17

4 9

19

55,6 55,0

50,3 48,8 48,0

47,6 46,8 44,8

52,9 50,2

48,9 47,0 43,5

45,6 43,2 40,9

0,51 0,63

0,35 0,40 0,52

0,27 0,33 0,47

45

46

1]/2

1]/2

0,44 0,68 0,94

0~40 0,63 0,89

0,44 0,52 0,78

1 1~36.10 -3! 1,99.10- 3! 2,50" 10 -3

1,37.10 -3 1,64-10 -3 2~14.10- 3

1,03.10- 3 1,33.10 -3 1,67.10 -3

1,87" 10- 3 2,91-10 -3 3,88" 10 -3

1,73" 10 -3 2,26" 10- 3 3,24" 10- 3

1~53.10 -3 2,05" 10- 3 2~75" 10- 3

molaren Konzentrationen von ~atr ium- und Kaliumchlorid errechnen. Die zu- geh6rigen Leitf~higkeitswerte errechnet man nach der Formel:

molare Konzentration • Jxquivalent-Leitf~higkeit Leitf~higkeit =

1000 Die Werte fiir die _~quivalent-Leitf~higkeit erh~lt man durch graphische Inter- polation aus den Landolt-B6rnsteinschen Tabellen. Die Summe der beiden fiir einen Chlorwert errechneten Leitf~higkeiten wird mit der gemessenen Leitfi~hig- keit verglichen.

T a b . 6 w i e d e r h o l t in de r 2. S p a l t e die f i ir d e n Ve r such 46 (Tab. 5)

be re i t s a n g e g e b e n e n tatsdchlich gemessenen Le i t f~h igke i t swe r t e . S p a l t e 1

g ib t die aus den C h l o r w e r t e n errechneten L e i t f h h i g k e i t s w e r t e an, S p a l t e 3 die Di f fe renz .

1) Entnommen aus einer Tabelle in Humarsten, Lehrbuch der physiologischen Chemie, S. 260.

auf die Durchl~ssigkeit der roten BlutkOrperchen fiir Elektrolyte. 639

Tabelle 6. Vergleich zwischen der ge/undenen und berechneten Leit/dhigkeit.

44

Be- Ze i t abs t and der s t rah- Un te r suchung lungs-/ yon der ]3e-

zei t st r ah lung

Std. Std.

Leitf~ihigkeit (O - ~ �9 c m - ~ )

unbes t rah l t I bes t r ah l t

berechnet i gefunden ~j Differenz '1 berechnet i gefunden i Differenz

21/4 0,96-10 -3 1,36" 10 -3 0,40" 10-311,31.10-a11,87.10-a]0,56.10 -~ 8 1,51.10 -31,99-10 -~0,48 10 -~2~00 10 -3 %9! .10-a10,91"10 -3

18 1~85"10 -32,50.10 ~30,65 10 -32~73 10 -~3~88'10 -31,15.10 -3

Man sieht, dal] die gemessene Leitf~higkeit fiberall grSBer ist als die aus den Chlorwerten errechnete. Bei den erhaltenen Differenzen ist indes zu berficksichtigen, dab unsere TraubenzuckerlSsung eine eigene Leitf~higkeit yon 0,08.10- a besaB, die wohl durch Verunreinigung des Ausgangsmaterials oder des Wassers mit Elektrolyten hervorgerufen war. Um diesen kleinen ]3etrag verringern sich also die gefundenen Differenzen, doch betrggt die Verringerung im ItSchstfall 20%.

Wit ziehen aus der angestellten ~berschlagsrechnung den SchluB, daft die ge/undenen Leit](~higkeitswerte dutch die Chloride allein nicht erkliirt werden, sondern daft aus den BlutkSrperchen neben dem Chlor auch noch andere Anionen austreten. Als solche kommen in Betracht: das HPO4-Ion, das HePO4-Ion und das HCOo-Ion.

Aus der Tab. 6 l~Bt sich noch folgendes entnehmen: 1. Die Differenz zwischen der errechneten und der gefundenen Leit-

fahigkeit ist in der bestrahlten Portion grSBer als in der unbestrahlten. 2. Je langer die BlutkSrperchen mit der AuBenfliissigkeit in Be-

rfihrung waren, desto grSBer ist die Differenz. 3. Dieses Anwachsen der Differenz in Abhangigkeit yon der ]3eriih-

rungsdauer ist in der bestrahlten Portion starker als in der unbestr~hlten. Diese Tatsachen stfitzen den oben gezogenen SchluB. Wir haben die l~echnung auch ffir die Versuche 45 und 46 durchgeffihrt. Es

~ergab sich das gleiche Resultat, allerdings war der zeitliche Verlauf der Differenz kein so regelm~Biger, da 2 Werte herausfielen. Wir mSchten annehmen, dab dies auf methodische Unzul~ngliehkeiten zurfickzufiihren ist und an der prinzipiellen :gichtigkeit der aus den Versuchen gezogenen Folgerungen nichts gndert.

6.

Zur Erg~nzung der vorstehenden Mitteilungen fiihren wir noch fol- gendes an:

Wurden RinderblutkSrperchen in isotonischer Kochsalzl5sung be- strahlt, so zeigte sich in einigen Versuchen, dab die bestrahlten Blut- kSrperchen ein gr6[3ere8 Volumen hat ten als die unbestrahlten. Das war besonders d~nn der Fall, wenn die Untersuchungen sehr ]ange fort- geffihrt wurden. In einem Versuch hat ten die bestrahlten BlutkSrper-

Pfliigers Arch iv f. d. ges. Physiol . Bd. 213. 41

640 F. Lehmann und P. Wels: Die Wirkung der R6ntgenstrahlen

chen 43 Stunden nach der Bestrahlung ein Volumen yon 49,1%, wgh- rend die unbestrahlten ein Volumen yon 44,5% einnahmen. In iso- toniseher Traubenzuekerl6sung oder in einem Gemisch yon isotonischer TraubenzuckerlSsung und isotoniseher Kochsalzl6sung t ra t die Er- seheinung bei gleichlanger Fortfiihrung des Versuchs nieht ein, sondern es zeigte sicht stets die bereits ausfiihrlich beschriebene Volumenver- minderung in der bestrahlten Portion.

Nun haben die sch6nen Untersuchungen yon Ege 1) gezeigt, dab rote Blutk6rperchen in isotonisehen Salzl6sungen mit einwertigem Anion in den ersten Stunden etwas anschwellen und dann erst ein konstantes Volumen einnehmen. Ege hat diese Erscheinung durch weitere Ver- suehe dahin geklgrt, dab ein Austausch des einwertigen Anions der AuBenfliissigkeit mit zweiwertigen Anionen des Blutk6rpereheninhalts stattfindet. Ftir jedes austretende zweiwertige Anian mfissen dann 2 einwertige Anionen in das Blutk6rperchen eintreten. Infolgedessen steigt der osmotisehe Innendruck und damit aueh das Volumen des Blutk6rperehens. Dieses ,,Naehschwellen" der Blutk6rperel/en in iso- tonisehen Salzl6sungen mit einwertigem Anion geht nun ]e naeh der Art dieses Anions mit verschiedener Gesehwindigkeit vor sich. In iso- tonischer KC1-L6sung sehwellen die Blutk6rperchen z. ]3. raseher als in isotonischer KNO~-LSsung. Die Geschwindigkeit des Ansehwellens hgngt von der Durehl~tssigkeit der Plasmahaut ffir die auszutausehenden Ionen ab. Wird die Durchlgssigkeit der Plasmahaut gesteigert, so mul~ die Gesehwindigkeit des Anionenaustausehes vergr6Bert werden. Man kann sich ferner gut vorstellen, da[~ aueh das endgtiltig erreiehte Gleichgewieht dahin versehoben wird, dab ein st~rkerer Austauseh zwisehen mono- und divalenten Ionen stattfindet, und dab demgem~tB aueh ein gr6Beres Endvolumen des Blutk6rperehens resultiert. Dadureh wtirde die Volumenvergr6Berung nach R6ntgenbestrahlung in den an- gefiihrten Versuehen verst~ndlieh.

Besteht umgekehrt die AuBenfliissigkeit aus einer Salzl6sung mit divalentem Anion und tr i t t dieses in einen Austausch mit monovalenten Anionen des Blutk6rpereheninhalts, so miissen fiir jedes eintretende divalente Anion 2 monovalente Anionen aus demBlutk6rperehen aus- treten. Der osmotisehe Innendruck mug also sinken und das B h t - k6rperehenvolumen sieh verkleinern. Das hat schon vor langer Zeit Koeppe ~) nachgewiesen. Wird nun unter diesen Versuehsbedingungen eine RSntgenbestrahlung des Blutk6rperehens vorgenommen und da- durch wieder die M6gliehkeit gegeben, dab der Anionenaustauseh rascher oder aueh welter fortsehreitet als in der Norm, so ist zu er- warten, dab das bestrahlte Blutk6rperehen ein kleineres Volumen haben

1) Bioehem. Zeitsehr. 115, 109. 1921. 2) Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiol. 6~, 189. 1897.

auf die Durchlgssigkeit der roten BlutkSrperchen fiir Elektrolyte. 641

wird Ms das unbestrahlte. DaB auch dies tatsachlich zutrifft, zMgte nns ein Versuch, bei welchem wir die Erythrocyten in isotoniseher Natriumsulf~tlSsung bestrahlten.

Wir mSchten jedoch betonen, daf~ die in diesem Abschnitt mit- geteilten Versuehe vorlhufig mehr orientierenden Wert h~ben und durch weiteres Tats~chenmaterial erg~nzt werden miissen. Wit teilen sie jetzt schon mit, weil unsere gemeinsame Arbeit dureh den Fortgang des einen yon uns abgebrochen wird.

Zusammenfassung. 1. Werden l~inderblutkSrperchen in isotonischer Traubenzucker-

]6sung mit RSntgenstr~hlen bestrahlt, so verringert sich ihr Volumer. 2. Die Ursache dieser Volumenverringerung ist eine gesteigerte

Permeabilit~t des bestrahlten roten BlutkSrperehens ffir Salze.

Herrn Prof. t'redenhagen und Herrn Dr. Liebster vom hiesigen In. stitut ffir physikMisehe Chemie danken wit fiir die leihweise ~berlassung der Leitf~higkeitsapparatur und fiir manchen freundlichen Rat.

41"