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Hautarzt 2014 · 65:454–457 DOI 10.1007/s00105-013-2724-9 Online publiziert: 23. März 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 S. Gerstner · H. Kneitz · E.-B. Bröcker · A. Trautmann Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie,  Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg Differenzialdiagno- se Angioödem Akut ödematöses Skleromyxödem Anamnese und Befund Eine 69-jährige Patientin wurde uns im Notdienst mit der Diagnose eines thera- pierefraktären Angioödems vorgestellt, weil es auch unter einer hoch dosierten Therapie mit H 1 -Antihistaminika zu kei- ner Besserung kam. Vor etwa 14 Tagen war akut (über Nacht) ein Gesichtsödem aufgetreten. Im Besonderen beunruhig- ten die Patientin ihre ausgeprägten Lid- ödeme, die es ihr kaum mehr ermöglich- ten, die Augenlider zu öffnen. Weiterhin litt sie unter einer teigigen Schwellung von Unterarmen und Händen, die sie in ihren täglichen Aktivitäten behinderte und die an eine obere Einflussstauung denken ließ. Sie gab keinen Juckreiz, sondern ein- schießende radialseitige Schmerzen der Hände an, begleitet von Taubheitsgefühl und Kribbelparästhesien. Internistische Krankheiten waren nicht bekannt. Im Vordergrund des klinischen Bildes standen weiche, eindrückbare (ohne Del- len zu hinterlassen) periorbitale Ödeme ohne wesentliches Erythem (. Abb. 1a) und eine ödematöse Schwellung der Oh- ren. Weiterhin bestanden eine teigige Schwellung und eine tastbare Induration der Stirnhaut bei insgesamt weiß-gelbli- chem Hautkolorit. Am Dekolletee fand sich eine große, unscharf begrenzte, öde- matöse Plaque. Innerhalb dieser Plaque waren bei genauer Inspektion dicht an dicht stehende, weißgelbe Papeln mehr zu erahnen, als wirklich zu erkennen (. Abb. 1b). An Händen und Unterar- men fielen im Vergleich zur Gesichtshaut etwas derbere Ödeme auf (. Abb. 1c). Diagnostik Zunächst wurde eine obere Einflussstau- ung mittels CT-Thorax-Untersuchung ausgeschlossen. In den Laboruntersu- chungen fand sich lediglich ein erhöhtes C-reaktives Protein (1,78 mg/dl, Norm- bereich <0,5 mg/dl). Alle anderen Para- meter wie Nieren- und Leberwerte, Dif- ferenzialblutbild, Glukose und insbeson- dere die Serumelektrophorese waren im Normbereich. Die Histologie einer Biopsie vom De- kolletee zeigte eine regulär geschichte- te Epidermis (. Abb. 2a). Im Korium fand sich in der Muzinfärbung eine Ver- mehrung saurer Mucopolysaccharide (. Abb. 2b). Im muzinösen Stroma fan- den sich sternförmige Fibroblasten und reichlich Makrophagen. Insgesamt war der Befund typisch für einen Lichen my- xoedematosus bzw. ein Skleromyxödem. Eine Schilddrüsenerkrankung als Ursache eines Myxödems konnte bei normwertigen Schilddrüsenhormonen (T3 und T4), TSH, TSH-Rezeptoranti- körpern, TPO-Antikörpern und Thy- reoglobulin-Antikörpern ausgeschlossen werden. Abb. 18 Befund im Notdienst. a Gesichtsödem mit ausgeprägten Lidödemen. b Ödematöse Plaque  am Dekolletee mit diskreten weißgelben Papeln. c Derbe Ödeme der Hände 454 | Der Hautarzt 5 · 2014 Kasuistiken

Differenzialdiagnose Angioödem; Differential diagnose of angioedema;

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Page 1: Differenzialdiagnose Angioödem; Differential diagnose of angioedema;

Hautarzt 2014 · 65:454–457DOI 10.1007/s00105-013-2724-9Online publiziert: 23. März 2014© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

S. Gerstner · H. Kneitz · E.-B. Bröcker · A. TrautmannKlinik und Poliklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, 

Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg

Differenzialdiagno-se AngioödemAkut ödematöses Skleromyxödem

Anamnese und Befund

Eine 69-jährige Patientin wurde uns im Notdienst mit der Diagnose eines thera-pierefraktären Angioödems vorgestellt, weil es auch unter einer hoch dosierten Therapie mit H1-Antihistaminika zu kei-ner Besserung kam. Vor etwa 14 Tagen war akut (über Nacht) ein Gesichtsödem aufgetreten. Im Besonderen beunruhig-ten die Patientin ihre ausgeprägten Lid-ödeme, die es ihr kaum mehr ermöglich-ten, die Augenlider zu öffnen. Weiterhin litt sie unter einer teigigen Schwellung von Unterarmen und Händen, die sie in ihren täglichen Aktivitäten behinderte und die an eine obere Einflussstauung denken ließ. Sie gab keinen Juckreiz, sondern ein-schießende radialseitige Schmerzen der Hände an, begleitet von Taubheitsgefühl und Kribbelparästhesien. Internistische Krankheiten waren nicht bekannt.

Im Vordergrund des klinischen Bildes standen weiche, eindrückbare (ohne Del-len zu hinterlassen) periorbitale Ödeme ohne wesentliches Erythem (. Abb. 1a) und eine ödematöse Schwellung der Oh-ren. Weiterhin bestanden eine teigige Schwellung und eine tastbare Induration der Stirnhaut bei insgesamt weiß-gelbli-chem Hautkolorit. Am Dekolletee fand sich eine große, unscharf begrenzte, öde-matöse Plaque. Innerhalb dieser Plaque waren bei genauer Inspektion dicht an dicht stehende, weißgelbe Papeln mehr zu erahnen, als wirklich zu erkennen (. Abb. 1b). An Händen und Unterar-men fielen im Vergleich zur Gesichtshaut etwas derbere Ödeme auf (. Abb. 1c).

Diagnostik

Zunächst wurde eine obere Einflussstau-ung mittels CT-Thorax-Untersuchung ausgeschlossen. In den Laboruntersu-chungen fand sich lediglich ein erhöhtes C-reaktives Protein (1,78 mg/dl, Norm-bereich <0,5 mg/dl). Alle anderen Para-meter wie Nieren- und Leberwerte, Dif-ferenzialblutbild, Glukose und insbeson-dere die Serumelektrophorese waren im Normbereich.

Die Histologie einer Biopsie vom De-kolletee zeigte eine regulär geschichte-te Epidermis (. Abb. 2a). Im Korium

fand sich in der Muzinfärbung eine Ver-mehrung saurer Mucopolysaccharide (. Abb. 2b). Im muzinösen Stroma fan-den sich sternförmige Fibroblasten und reichlich Makrophagen. Insgesamt war der Befund typisch für einen Lichen my-xoedematosus bzw. ein Skleromyxödem.

Eine Schilddrüsenerkrankung als Ursache eines Myxödems konnte bei normwertigen Schilddrüsenhormonen (T3 und T4), TSH, TSH-Rezeptoranti-körpern, TPO-Antikörpern und Thy-reoglobulin-Antikörpern ausgeschlossen werden.

Abb. 1 8 Befund im Notdienst. a Gesichtsödem mit ausgeprägten Lidödemen. b Ödematöse Plaque am Dekolletee mit diskreten weißgelben Papeln. c Derbe Ödeme der Hände

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Kasuistiken

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Für eine monoklonale Gammopathie oder ein Plasmozytom ergab sich bei un-auffälligen Befunden für Serumelektro-phorese, Immunfixation und fehlendem Nachweis von Leichtketten im 24-h-Sam-melurin, kein Anhalt. Zusätzlich erfolg-te eine Diagnostik zum Ausschluss einer Organbeteiligung bzw. assoziierter Er-krankungen (Sonographie des Abdomens und der Lymphknoten, transthoraka-le Echokardiographie, CT-Untersuchung der Nasenneben- und -haupthöhlen so-wie Hals) jeweils mit unauffälligem Be-fund. Antinukleäre Antikörper waren mit 1:320 (Muster homogen mit Anfärbung von Mitosen) nachweisbar, Anti-dsDNA oder andere Anti-ENA (extrahierbare nu-kleäre Antigene) dagegen nicht.

Im besonderen Maße belastend für die Patientin waren die einschießenden Schmerzen der Hände. Neurologischer-seits wurde ein durch die Infiltration der Haut verursachtes Karpaltunnelsyndrom diagnostiziert.

Diagnose

Akut ödematöse Manifestation eines ge-neralisierten Lichen myxoedematosus (Skleromyxödem Arndt-Gottron).

Therapie und Verlauf

Nach Ausschluss von Kontraindikationen wurde mit einer Dexamethason-Pulsthe-rapie begonnen mit 100 mg Dexametha-son i.v. an 3 aufeinanderfolgenden Tagen

unter entsprechenden Kontrolluntersu-chungen und Begleitmedikamenten.

Bereits nach dem ersten Puls war das Gesichtsödem rückläufig (. Abb. 3a). Erst bei der Wiedervorstellung zum zwei-ten Puls nach 4 Wochen hatten sich durch das Abklingen des Ödems am Dekolletee die bis zu 4 mm großen, lichenoiden, der-ben, gelblich-rötlichen, pflastersteinar-tig angeordneten Papeln demarkiert (. Abb. 3b).

Das Karpaltunnelsyndrom wurde zu-nächst symptomatisch mit Pregabalin bis maximal 2-mal 150 mg/Tag behandelt. Zur Schmerzlinderung erhielt die Patien-tin Diclofenac, das im Verlauf auf Para-cetamol umgestellt wurde. Nach endo-skopischer Spaltung des Karpaltunnel- daches kam es zur Besserung der Schmerzsymptomatik. Kribbelparästhe-sien und Taubheitsgefühl bestanden wei-terhin; erst nach dem dritten Dexametha-son-Puls zeigte sich die Weichteilschwel-lung beider Hände und Unterarme rück-läufig (. Abb. 3c), ein Faustschluss war wieder möglich, ebenso kam es zur bei-nahe vollständigen Rückbildung der Krib-belparästhesien und des Taubheitsgefühls.

Wir führten bei unserer Patientin ins-gesamt 5-mal eine Dexamethason-Puls-therapie durch, jeweils mit 100 mg Dexa-methason pro Tag an 3 aufeinanderfolgen-den Tagen im Abstand von 4 Wochen. Be-gleitend erhielt die Patientin eine Chemo-prophylaxe mit Isoniazid über 6 Monate aufgrund eines fraglich positiven Elispot-Tests. Anamnestisch gab es keinen Hin-weis auf eine stattgehabte Tuberkulose. Aktuell, d. h. 3 Jahre (36 Monate) nach Beendigung der Dexamethason-Therapie, befindet sich die Patientin immer noch in kompletter Remission, die zunächst

Abb. 3 8 Befund vor dem dritten Puls mit Dexamethason i.v. a Zurückgebildetes Gesichtsödem. b Nach Rückbildung des Ödems sind am Dekolletee die lichenoiden, derben, gelblich-rötlichen, pflastersteinar-tig angeordneten Papeln deutlich sichtbar. c Zurückgebildete Weichteilschwellung der Hände

Abb. 2 9 Probebiopsie vom Dekolletee. a Die HE-Färbung zeigt eine regu-lär geschichtete Epidermis, eine Abflachung der Re-teleisten sowie koriale öde-matöse Veränderungen. Im Stroma sternförmige Fibro-blasten und eine deutliche Fibroblastenproliferation. b Die Muzinfärbung de-monstriert die ausgeprägte Vermehrung muzinreicher Substanzen in der Dermis

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halbjährlich, dann jährlich durchgeführ-ten Laborkontrollen (Differenzialblut-bild, Serumelektrophorese, Leber- und Nierenwerte) zeigen und zeigten weiter-hin Normwerte und keinen Hinweis auf eine monoklonale Gammopathie bzw. ein Plasmozytom oder eine andere hämato-onkologische Grunderkrankung.

Diskussion

Dermale Muzineinlagerungen mit konse-kutiver Sklerose charakterisieren die kli-nischen und histologischen Kardinalsym-ptome des Skleromyxödems. In der aku-ten Phase kann das Ödem, das ebenfalls in der Bezeichnung Skleromxyödem ent-halten ist, im Vordergrund stehen, sodass – wie in unserem Fall – zunächst ein An-gioödem vermutet wird. Das typische kli-nische Bild mit derb-lichenoiden Papeln demarkierte sich erst nach Rückbildung der Ödeme.

Erstmals beschrieben Dubreuilh 1906 und Reitmann 1908 das Krankheitsbild Lichen myxoedematosus. Im Jahr 1953 grenzten Montgomery und Underwood den Lichen myxoedematosus von der Sklerodermie und dem generalisierten Myxödem ab [1]. Der Begriff Skleromyx- ödem wurde 1954 von Gottron eingeführt; dieser beschrieb ein generalisiertes, liche-noides, papulöses Exanthem [2]. Im Jahr 2001 bezeichneten Rongioletti und Rebo-ra das Skleromyxödem als generalisierte Manifestation des Lichen myxoedemato-sus im Gegensatz zur lokalisierten Varian-te dieser Erkrankung, der papulösen Mu-zinose [3].

Die Ätiologie des Skleromyxödems (oder generalisierter Lichen myxoedema-tosus) ist ungeklärt. Sie betrifft Männer und Frauen gleichermaßen, meistens im mittleren Alter von 30 bis 50 Jahren [3]. Deskriptiv handelt es sich um eine kutane Muzinose ohne ursächliche Schilddrüsen-krankheit, die mit einer vermehrten Fib-roblastenproliferation (Sklerose) und häu-figer mit einer monoklonalen Gammo-pathie assoziiert ist.

Klinisch-morphologisch ist das typi-sche Skleromyxödem durch 2–3 mm gro-ße, wachsartige, gelblich-rötliche, der-be Papeln charakterisiert, die dicht beiei-nander stehen, oft in den Hautlinien an-geordnet sind und plaqueartig konfluie-

ren können. Andererseits kann eine flä-chig glänzende Haut imponieren, die wie bei der Sklerodermie diffus verdickt und verhärtet ist, jedoch fehlen Teleangiekta-sien und Calcinosis [3]. Am häufigsten betroffenen sind Gesicht, Nacken, dista-le Unterarme und Hände, hingegen blei-ben Palmae, Kopfhaut und Schleimhäu-te ausgespart. Augenbrauen, Schambe-haarung und Achselhaare können feh-len [8]. Eine flächig verdickte Gesichts-haut mit mimischer Starre kann bei Pa-tienten als Folge diffuser Muzinablage-rung beobachtet werden [11]. Extrakutane Manifestationen können Herz-Kreislauf-System, Gastrointestinaltrakt, Lunge, Ge-lenke und das zentrale Nervensystem be-treffen und führen zu einer signifikanten Morbidität und Mortalität. Dabei ist eine Dysphagie die häufigste systemische Ma-nifestation des Skleromyxödems, mit Hei-serkeit und möglicher Aspiration als Fol-ge einer Larynxbeteiligung. Beklagt der Patient Dyspnoe, kann dies auch Hinweis auf eine Lungenbeteiligung sein [10, 14, 15]. Im Jahr 2013 veröffentlichten Rongio-letti et al. [9] Daten von 30 Patienten mit Skleromyxödem. Bei 19 Patienten konn-ten extrakutane Manifestationen festge-stellt werden, die folgendermaßen verteilt waren: neurologische 30%, rheumatologi-sche 23,3% und kardiale 20%. In der Lite-ratur werden neurologische Manifestatio-nen wie Enzephalopathie, Koma, Schlag-anfall, Krampfanfälle und Psychosen be-schrieben. Des Weiteren wurde über Ge-dächtnisstörungen, Schwindel, Gangunsi-cherheit und Dysarthrie berichtet [15]. Bei wenigen Patienten tritt ein Karpaltunnel-syndrom auf. Als Ursache wird entweder die Ablagerung von Muzin im Karpaltun-nel oder ein direkter toxischer Effekt auf den N. medianus vermutet [16, 17]. Ein Karpaltunnelsyndrom wurde in 2 Stu-dien bei 3 von 19 bzw. bei 3 von 26 Patien-ten beschrieben [13, 14].

Rongioletti und Rebora [3] beschrie-ben eine histologische Trias, bestehend aus Muzinablagerungen in der oberen und mittleren Dermis, Fibroblastenproli-feration und zellreicher Fibrose. Die Fib-roblasten betroffener Patienten syntheti-sieren eine größere Menge an Hyaluron-säure und Muzin [4]. Untersuchungen haben gezeigt, dass Serum von Sklero-myxödempatienten in vitro die Prolifera-

tion von Fibroblasten stimuliert [5, 6, 7]. Dinnen et al. fanden in ihrer retrospek-tiven Auswertung von insgesamt 26 Pa-tienten mit einem Skleromyxödem bei 83% der Patienten eine Paraproteinämie, vornehmlich vom IgG-λ-Subtyp [14]. Die-

Zusammenfassung · Abstract

Hautarzt 2014 · 65:454–457DOI 10.1007/s00105-013-2724-9© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

S. Gerstner · H. Kneitz · E.-B. Bröcker · A. Trautmann

Differenzialdiagnose Angioödem. Akut ödematöses Skleromyxödem

ZusammenfassungIm Notdienst wurde uns eine Patientin mit der Diagnose therapierefraktäres Angio ödem vorgestellt. Wir sahen weiche, eindrückba-re periorbitale Ödeme sowie etwas derbe-re Ödeme an Händen und Unterarmen. Die-se waren von einschießenden Schmerzen der Hände, Taubheitsgefühl und Kribbelparästhe-sien begleitet. Aufgrund von Anamnese, Ver-lauf und Untersuchungsbefunden konnte ein akutes Histamin- oder Bradykinin-vermittel-tes Angioödem oder eine obere Einflussstau-ung (Vena-cava-superior-Syndrom) ausge-schlossen werden. Der histologische Befund bestätigte ein Skleromyxödem.

SchlüsselwörterLichen myxoedematosus · Dexamethason-Pulstherapie · Karpaltunnelsyndrom ·  Lidödem · Gesichtsödem

Differential diagnose of angioedema. Acute edematous scleromyxedema

AbstractA woman presented in the emergency room with the diagnosis of angioedema refractory to treatment. She had soft, compressible peri-orbital edema, as well as edema of her hands and lower arms. She also complained of se-vere pain in her hands including sensations of numbness and tingling. The history, course and examination results eliminated sever-al possible differential diagnostic consider-ations like an acute histamine- or bradykinin-mediated angioedema or superior vena ca-va syndrome. Histological examination con-firmed the diagnosis of scleromyxedema.

KeywordsLichen myxedematosus · Dexamethasone pulse therapy · Carpal tunnel syndrome  ·  Periorbital edema · Face edema

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se kann in 10% der Fälle in ein multiples Myelom übergehen [14].

Das Skleromyxödem hat Ähnlichkei-ten mit anderen Bindegewebserkrankun-gen wie systemischer Sklerodermie, Der-matomyositis oder rheumatoider Arth-ritis. Überschneidungen zwischen syste-mischer Sklerodermie und Skleromyxö-dem beinhalten in manchen Fällen Skle-rodaktylie, Raynaud-Phänomen, ösopha-geale Dysfunktion, Lungenbefall (pulmo-nale Hypertension und Cor pulmonale) und selten eine eingeschränkte Mundöff-nung. Zumindest ein Fall von Skleromy-xödem ist mit Teleangiektasien beschrie-ben, ähnlich wie es beim CREST-Syn-drom gesehen wird [12].

Üblicherweise kommt es zu einem chronischen und progredienten Verlauf. Es gibt Berichte über Skleromyxödeme, die sich nach 10 Jahren Krankheitsverlauf spontan zurückgebildet haben, dies ist je-doch eher ungewöhnlich [14]. Aufgrund der möglichen extrakutanen Manifesta-tionen (Komplikationen wie Broncho-pneumonie, kardiovaskuläre oder zereb-rovaskuläre Insulte) hat das Skleromyx- ödem eine signifikante Mortalität.

Aktuell gibt es kein standardisiertes Behandlungskonzept für das Skleromyx- ödem, kontrollierte klinische Studien für dieses seltene Krankheitsbild liegen nicht vor. In einer Übersichtsarbeit von Desai et al. [18] wird Melphalan als Mittel der ers-ten Wahl vorgeschlagen, ist aber wegen des Nebenwirkungsprofils problematisch [19]. Unspezifische intravenöse Immunglobu-lingaben werden als effektive und neben-wirkungsarme Therapiemöglichkeit von mehreren Autoren beschrieben [20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27]. Kreuter et al. [28] stell-ten in ihrer Veröffentlichung von 2012 den Verlauf von 4 Patienten mit Skleromyx- ödem in Assoziation mit einer monoklona-len Gammopathie vor. Ein Patient konnte nach 6 frustranen Vortherapien erfolgreich mit dem Proteasominhibitor Bortezomib, zugelassen für das multiple Myelom, be-handelt werden. Wir haben bei unserer Pa-tientin eine Glukokortikoid-Pulstherapie durchgeführt, die auch im Langzeitverlauf sehr gut wirksam war.

Korrespondenzadresse

Dr. S. GerstnerKlinik und Poliklinik für Dermatologie,  Venerologie und Allergologie,  Universitätsklinikum WürzburgJosef Schneider Str. 2, 97080 Wü[email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  S. Gerstner, H. Kneitz, E.-B. Brö-cker und A. Trautmann geben an, dass kein Interessen-konflikt besteht.   Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren. Alle Patienten, die über Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts zu identifizieren sind, haben hierzu ihre schriftliche Ein-willigung gegeben. Im Falle von nicht mündigen Pa-tienten liegt die Einwilligung eines Erziehungsberech-tigen oder des gesetzlich bestellten Betreuers vor.

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