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Josefine Hirdes, Imke Malek, Marius Kunna, Georg Grethe DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG Psychiatrie – Neuropsychologische Aspekte | PD Dr. Patrizia Thoma | 06.07.2020

DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

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Page 1: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Josefine Hirdes, Imke Malek, Marius Kunna, Georg Grethe

DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Psychiatrie – Neuropsychologische Aspekte | PD Dr. Patrizia Thoma | 06.07.2020

Page 2: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Gliederung

Dissoziative Identitätsstörung2

Störungsbild, Symptomatik und Diagnostik

Ätiologie

Kognition und Neurologie

Therapie

Page 3: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Dissoziative IdentitätsstörungStörungsbild, Symptomatik und Diagnostik

Vorführender
Präsentationsnotizen
 
Page 4: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Symptomatik

Dissoziative Identitätsstörung4

Amnesien/Zeitverlustzwei oder mehr unterscheidbare

Subpersönlichkeiten

Page 5: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Symptomatik

Dissoziative Identitätsstörung5

Amnesien/Zeitverlust

zwei oder mehr unterscheidbare

Subpersönlichkeiten

Kompensations-möglichkeiten

Page 6: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Störungsbild

Dissoziative Identitätsstörung6

ICD-10 (F44.81)

„Multiple Persönlichkeitsstörung“

DSM-V (F44.81)

„Dissoziative Identitätsstörung“

„Dissoziative Störungen sind durch eine Störung und/oder eine Unterbrechung der normalen Integration verschiedener kognitiver Prozesse, z.B. Bewusstsein oder Gedächtnis, gekennzeichnet.“ (DSM-V)

Page 7: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Entstehung der Symptomatik

Dissoziative Identitätsstörung7

Gedächtnis

Wahrnehmung von sich und der Umwelt

Identitätserleben

Page 8: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Entstehung der Symptomatik

Dissoziative Identitätsstörung8

Dissoziative StörungenErkrankungen, bei denen die normalerweise integrierenden Funktionen des

Bewusstseins nachhaltig beeinträchtigt sind

Gedächtnis

Wahrnehmung von sich und der Umwelt

Identitätserleben

Page 9: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Prävalenz

Dissoziative Identitätsstörung9

Gesamtbevölkerung: 0,5% – 1%

Psychiatrische Patientenpopulationen 5%

90% 10%

Problem:Patienten werden gar nicht oder häufig

fehldiagnostiziert

Page 10: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Symptomatik

Dissoziative Identitätsstörung10

Übernehmen wechselweise die Kontrolle über das Erleben und Verhalten des Individuums

Manifestation von verschiedenen Persönlichkeitszuständen

Amnesie zwischen verschiedenen Subpersönlichkeiten möglich

Page 11: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Verschiedene Subpersönlichkeiten

Dissoziative Identitätsstörung11

Anscheinend normale Persönlichkeit (ANP)• Sozial angepasst• Im Alltag funktionierend• Traumatische Erinnerungen vermeidend

Emotionale Persönlichkeit (EP)• Traumatische Affekte und Erinnerungen• Wirken in ANPs hinein• Können für Minuten bis Stunden die

Kontrolle über das Bewusstsein übernehmen

• In der Regel 8 – 10 verschiedene Subpersönlichkeiten

• Grad an Bewusstsein für „die Anderen“ kann individuell unterschiedlich sein und sich im Verlauf der Therapie ändern

Page 12: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Hinweise für die Diagnosestellung• Im Erstkontakt fallen meist zunächst Sekundär-

oder Folgeprobleme auf

• Depressionen, Angst, Beziehungsprobleme• Dissoziative Symptome werden oft erst im Zuge

des therapeutischen Beziehungsaufbaus berichtet

• Vorsicht vor suggestiver Diagnostik

• Umfassendes strukturiertes Interview notwendig (z.B. SKID-D)

Dissoziative Identitätsstörung12

Page 13: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Differentialdiagnostik

Dissoziative Identitätsstörung13

• Schizophrenie: Pseudohalluzinatorischer Charakter der dissoziativen Wahrnehmungen• Abgrenzung: Bei der DIS fehlen die meisten formalen sowie inhaltlichen Denkstörungen

• Borderline-Persönlichkeitsstörung, affektive Störungen, Angststörungen• Wichtig: können allerdings zusätzlich zur DIS vorliegen

• Artifizielle oder vorgetäuschte DIS• Abgrenzung: Symptome des Persönlichkeitswechsels meist sehr plakativ

Page 14: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Dissoziative IdentitätsstörungÄtiologie

Page 15: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

1. Diathese-Stress Modell (Trauma Ansatz)

2. Soziokognitives Modell

Erklärungsansätze

Dissoziative Identitätsstörung

Traumata

Störung der Informationsverarbeitung

Dissoziative Identitätsstörung15

Page 16: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Diathese-Stress Modell

Zentrales integrierendes Bewusstsein

"Normale" Kindheitsentwicklung

Dissoziative Identitätsstörung16

Kind

Aufwachsen

Page 17: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Diathese-Stress Modell

Zentrales integrierendes Bewusstsein

Dissoziative Identitätsstörung17

• Schwere Vernachlässigung

• Seelische, körperliche, sexuelle Misshandlung

TraumaKind

Page 18: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Diathese-Stress Modell

• Schwere Vernachlässigung

• Seelische, körperliche, sexuelle Misshandlung

• Verleugnung & Abspaltung

• Trauma ist „jemand anders“ passiert

Dissoziative Identitätsstörung

Dissoziative Identitätsstörung18

TraumaKind

Vorführender
Präsentationsnotizen
Page 19: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Diathese-Stress Modell – Evidenz?

• Traumata wurden bisher nur retrospektiv festgestellt--> Unklar, ob immer Trauma vorliegen und ob diese ursächlich für die DIS sind

Dissoziative Identitätsstörung19

Neuronale Veränderungen beobachtbar

90% der Patient*innen berichten Trauma

Gute Erinnerung traumatischer InhaltePTBS

Keine Erinnerung traumatischer Inhalte?DIS

Page 20: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Soziokognitives Modell

Attribution der Problembereiche auf Subpersönlichkeiten

DISPatienten

Soziokulturelle Einflüsse

Therapeuten Medien

Dissoziative Identitätsstörung20

Kognitive Probleme

Labiler Schlaf-Wach Rhythmus erhöhte

Dissoziation

Probleme Fantasie & Realität zu

unterscheiden

Emotionale Probleme & Impulsivität

Page 21: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Soziokognitives Modell – Evidenz ?

DIS entsteht durch Behandlung

Anzahl Persönlichkeits-zustände erhöht sich während der Behandlung

Fall Sybil: DIS & Anzahl Persönlichkeitszustände deutlich zugenommen

Dissoziative Identitätsstörung21

Kulturelle Unterschiede in DIS abhängig von der Darstellung im Land

Vorführender
Präsentationsnotizen
Page 22: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Dissoziative IdentitätsstörungKognition und Neurologie

Page 23: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Einseitiger Amnesie

Beidseitiger Amnesie

Gegenseitiges Bewusstsein

Amnesien

Dissoziative Identitätsstörung23

Page 24: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Befunde zur Amnesie

Transfer von expliziten und Impliziten Inhalten

Dissoziative Identitätsstörung24

Page 25: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Befunde zur Amnesie

Kein Transfer von expliziten und bedingter Transfer von impliziten Inhalten

Dissoziative Identitätsstörung25

Vorführender
Präsentationsnotizen
Page 26: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Gelernte Informationen

Emotionen

Befunde zur Amnesie

Dissoziative Identitätsstörung26

Page 27: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Autobiographisches Gedächtnis

DIS Patienten rufen weniger Erinnerungen aus früher Kindheit ab, als gesunde Probanden

Wechsel in jüngere kindlichere Persönlichkeiten möglich

Befunde zur Amnesie

Dissoziative Identitätsstörung27

Page 28: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Geringere Aktivierung in Hirnarealen, die für autobiographische Gedächtnis zuständig sind

Dysfunktionalität in Amygdala Hippocampus Komplex

Atrophie im Hippocampus, im Gyrus parahippocampalis und der Amygdala

Neuroanatomische Besonderheiten

AmygdalaHippocampus

Dissoziative Identitätsstörung28

Page 29: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Unterschiede in den Hirnaktivitäten der Subpersönlichkeiten

Neuroanatomische Besonderheiten

Anscheinend normale

Persönlichkeit

Emotionale Persönlichkeit

Dissoziative Identitätsstörung29

Page 30: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Unterschiede zwischen den Subpersönlichkeiten

Dissoziative Identitätsstörung30

Page 31: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Dissoziative IdentitätsstörungTherapie

Page 32: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Therapieziele

Integration Fusion Final Fusion/Unification

Dissoziative Identitätsstörung32

Page 33: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Rahmenbedingungen

Phasenorientiertes Vorgehen (3 Phasen)

• Psychodynamische PT

• KVT

• Zusätzlich:• EMDR• Hypnose• Familientherapie• Expressive Therapien

Individuelle ambulante Therapie

Notfall: Hospitalisierung• Krisenintervention und Stabilisierung

Dissoziative Identitätsstörung33

Page 34: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Primäres Ziel:Sicherheit und Stabilität

Therapeutische Allianz Psychoedukation

Risikoverhalten minimieren

Dissoziative Identitätsstörung34

Phase 1: Sicherheit, Stabilisierung und Symptomreduktion

Page 35: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Kontrolle der PTBS-Symptome

Skills Training • Emotionsregulation • Stresstoleranz• Soziale

Kompetenzen

Arbeit mit verschiedenen Teilidentitäten• Bewusstsein • Akzeptanz• Kommunikation

Dissoziative Identitätsstörung35

Phase 1: Sicherheit, Stabilisierung und Symptomreduktion

Page 36: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Phase 2: Konfrontation und Integration des Traumas

Erinnern

Tolerieren

Verarbeiten

Integrieren

Kohärentes Narrativ • Erinnerungen • Affekte • Physiologie

FusionDissoziative Identitätsstörung36

Page 37: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Phase 3: Integration und Rehabilitation

Kooperation Integration Kohärente Autobiographie⇒ Stabiles Selbst

Fokus auf Gegenwart und Zukunft• Aktuelle Probleme• Alltagsfunktion • Beziehungen• Zukunftsperspektive

Dissoziative Identitätsstörung37

Page 38: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Pharmakologische Therapie

Nicht kurativ verwendet

Additives Element zur Behandlung von….

PTBS-SymptomenKomorbiditäten -> affektive Störungen und Angststörungen Schlafstörungen

Dissoziative Identitätsstörung38

Page 39: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Not-to-dos in der Therapie

Favoriten auswählen und unsympathische Teilidentitäten ausschließen oder “loswerden wollen“

Suggestiv zusätzliche Subpersönlichkeiten kreieren

Grenzüberschreitungen

Dissoziative Identitätsstörung39

Page 40: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Page 41: DISSOZIATIVE IDENTITÄTSSTÖRUNG

Bildquellen• https://filmpluskritik.files.wordpress.com/2017/10/split-movie-james-mcavoy-ending.jpg

Dissoziative Identitätsstörung41

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Literatur

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Literatur

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