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Dr. Martin Höpner Vorlesung „Vergleichende Politikwissenschaft“, Prof. André Kaiser Dienstag, 30. Oktober 2007 Mehrheitsdemokratien und Konsensusdemokratien: Eine Einführung in den Demokratievergleich nach Arend Lijphart

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Dr. Martin HöpnerVorlesung „Vergleichende Politikwissenschaft“, Prof. André KaiserDienstag, 30. Oktober 2007

Mehrheitsdemokratien und Konsensusdemokratien: Eine Einführung in den Demokratievergleich nach Arend Lijphart

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Aus einem Kommentar in der FAZ

„Die historisch beispiellose Vertrauenskrise hat ihren Grund in der Verfassung der Institutionen und der politischen Arrangements. Keiner Kraft wird eine überragende Stellung gegönnt. Das zwingt die Parteien und Sozialpartner zu einer Politik runder Tische. … In einer hochflexiblen, globalen und instabilen Welt haben es überaus stabil errichtete, überentwickelte Systeme schwerer als offene, dynamische und flexible.“

(D. Dettling in der FAZ vom 24.9.2005)

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Lijpharts Typologie demokratischer SystemeAusgangsfrage: Wer regiert? Die Mehrheit – oder aber: so viele wie möglich?

Zwei theoretische Konstrukte:

1. Die Mehrheitsdemokratie. Institutionen begünstigen klare Mehrheiten und geben den Mehrheiten „freie Bahn“ beim Regieren.

2. Die Konsensusdemokratie. Institutionen sorgen dafür, dass alle repräsentiert werden und Problemlösungen untereinander aushandeln müssen. Macht wird auf viele Schultern verteilt.

Übersetzung der theoretischen Konstrukte in messbare Konzepte. Empirische Fälle können zwischen den Polen verortet werden.

Zwei Dimensionen:

1. Die Exekutive-Parteien-Dimension (5 Komponenten).

2. Die Föderalismus-Unitarismus-Dimension (weitere 5 Komponenten).

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Arend Lijpharts "Landkarte der Demokratie"36 Länder, 1945-1996

Daten: Lijphart (1999: 312)

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Exekutive-Parteien-Dimension

Föde

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Bahamas, Trinidad

Barbados, Botswana

Großbritannien

Kanada

Frankreich, Malta

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Spanien

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Costa Rica

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Kolumbien Irland

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Schweiz

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Papua-Neuguinea, Niederlande

Indien

Belgien

ItalienDänemark

IsraelFinnland

Norwegen, SchwedenPortugal

LuxemburgIsland

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Weiterer Aufbau der Präsentation

1. Die Exekutive-Parteien-Dimension (5 Komponenten).

2. Die Föderalismus-Unitarismus-Dimension (5 Komponenten).

3. Zurück zur „Landkarte der Demokratie“.

4. Lijpharts Aussagen zur Leistungsfähigkeit der Demokratietypen.

5. Zwei Tipps zum Weiterleisen.

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Die Komponenten der Exekutive-Parteien-Dimension Konzept IndikatorFragmentierungsgrad des Parteiensystems: Zweiparteien- vs. Vielparteiensystem

Laakso-Taagepera-Indikator:N = 1 / Σ si

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Konzentration der Exekutivmacht: Vermeidung vs. Bildung „übergroßer“ Koalitionen

1. Anzahl Jahre Einparteienregierungen2. Anzahl Jahre „miminal winning

coalitions“

Verhältnis Exekutive und Legislative:Dominanz Exekutive vs. Kräftegleichgewicht

Durchschnittliche Lebensdauer von Kabinetten in Monaten

Wahlrechtsbedingte Disproportionalität:Mehrheits- vs. Verhältniswahlrecht

Gallagher-Index (Höhergewichtung großer Disproportionalitäten)

Interessenvermittlung: Pluralistisch vs. korporatistisch

Siaroffs Korporatismus-Index

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Die Komponenten der Föderalismus-Unitarismus-Dimension Konzept Indikator

Staatsstruktur: Unitarismus vs. Föderalismus

Fünfstufiger Index. 1=zentralisierter Unitarismus, 5=dezentralisierter Föderalismus

Zweite Kammer: Unikameralismus vs. Bikameralismus

Vierstufiger Index. 1=Unikameralismus, 4=starker Bikameralismus

Konstitutionelle Rigidität: Flexible vs. rigide Verfassung

Vierstufiger Index. 1=einfache Mehrheiten genügen, 4=mehr als 2/3-Mehrheit

Verfassungsgerichtsbarkeit: Schwache vs. starke Überprüfung von Gesetzen

Vierstufiger Index. 1=keine Überprüfung, 4=stark ausgeprägte Überprüfung

Zentralbankautonomie: Abhängige vs. unabhängige Notenbank

Mittelwert aus drei Indizes zur formalrechtlichen und personellen Zentralbankunabhängigkeit

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Arend Lijpharts "Landkarte der Demokratie"36 Länder, 1945-1996

Daten: Lijphart (1999: 312)

-2

-1.5

-1

-0.5

0

0.5

1

1.5

2

2.5

3

-2 -1.5 -1 -0.5 0 0.5 1 1.5 2

Exekutive-Parteien-Dimension

Föde

ralis

mus

-Uni

taris

mus

-Dim

ensi

on

Jamaika

Bahamas, Trinidad

Barbados, Botswana

Großbritannien

Kanada

Frankreich, Malta

Griechenland

Neuseeland

Spanien

Australien

USA

Costa Rica

Venezuela

Kolumbien Irland

Deutschland

Schweiz

Österreich

MauritiusJapan

Papua-Neuguinea, Niederlande

Indien

Belgien

ItalienDänemark

IsraelFinnland

Norwegen, SchwedenPortugal

LuxemburgIsland

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Arend Lijpharts "Landkarte der Demokratie"Ausgewählte Länder, 1945-1996

Daten: Lijphart (1999: 312)

-2

-1.5

-1

-0.5

0

0.5

1

1.5

2

2.5

3

-2 -1.5 -1 -0.5 0 0.5 1 1.5 2

Exekutive-Parteien-Dimension

Föde

ralis

mus

-Uni

taris

mus

-Dim

ensi

on

SchweizÖsterreich

Deutschland

USAKanada

GroßbritannienNeuseeland

SchwedenNorwegenDänemark

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Lijpharts Exekutive-Parteien-Dimension und die Repräsentation von Frauen in Parlamenten

(in Prozent der Sitze im Jahr 1998)Daten: Lijphart (1999: 312), Kenworthy/Malami (1999: 242-243)

0.00

5.00

10.00

15.00

20.00

25.00

30.00

35.00

40.00

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Lijpharts Exekutive-Parteien-Dimension

Proz

enta

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1998

Neuseeland

Spanien

Kanada

GroßbritannienAustralien

JamaikaBahamas

Trinidad, Barbados FrankreichBotswana

Malta Griechenland

USA

Venezuela

Kolumbien

Costa Rica Irland

Portugal

Indien, MauritiusJapan

Papua-Neuguinea

IsraelItalien

Belgien

Schweiz

FinnlandDänemark

Niederlande

Luxemburg

IslandÖsterreich Deutschland

Norwegen

Schweden

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Lijpharts Thesen zur Leistungsfähigkeit der DemokratieformenLijphart gleicht seine Daten zu den Demokratieformen mit 50 (!) unterschiedlichen Indikatoren zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, zur Demokratiequalität und ähnlichen Sachverhalten ab.

Seine Thesen:

1. Mehrheitsdemokratien und Konsensusdemokratien weisen hinsichtlich wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit keine auffälligen Unterschiede auf. Ausnahme: Bessere Inflationsbekämpfung in Konsensusdemokratien.

2. Konsensusdemokratien sind Mehrheitsdemokratien hinsichtlich ihrer Demokratiequalität sogar überlegen (Wahlbeteiligung, Zufriedenheit mit Demokratie, Frauen in Parlamenten…).

„A kinder, gentler democracy.“

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Tipps zum Weiterlesen

Manfred G. Schmidt (2000): Demokratietheorien. Eine Einführung. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. Opladen: Leske+Budrich. Daraus: Kapitel 3.3.

Steffen Ganghof (2005): Normative Modelle, institutionelle Typen und beobachtbare Verhaltensmuster: Ein Vorschlag zum Vergleich parlamentarischer Demokratien. In Politische Vierteljahresschrift 46, 3, 406-431.