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Durch Dissipation verursachte Temperatur- felder in RUhrgeflSen* Wilfried Ostendorf und Dieter Mewes** Fur viele in RuhrgefaBen ablaufende Prozesse muB zur Einstellung und Einhaltung gunstiger ProzeBbedingungen eine bestimmte Tem- peratur des Fluids gewahrleistet werden. Zu diesem Zweck ist dem Fluid laufend Warme zuzufuhren oder zu entziehen. Die sich dabei einstellenden zeitabhangigen raumlichen Temperatur- felder sind bisher nur fur den laminaren Bereich der Stromung theo- retisch untersucht worden [l]. Fur Ruhrerdrehzahlen, die jenseits der Stabilittitsgrenze der Schichtenstromung liegen, reichten die bisher eingesetzten Methoden zur theoretischen oder experimentellen Er- mittlung raumlicher Temperaturfelder noch nicht aus, um Aussagen uber deren instationares Verhalten zu machen. Mit der Entwicklung der optischen Tomographie ist es moglich, derartige Temperaturfel- der sowohl fur den laminaren als auch den turbulenten Bereich der Stromung zu messen und mit Hilfe eines Computers die raumlichen Profile zu rekonstruieren. In der vorliegenden Arbeit wird uber denjenigen Teil der Experimen- te berichtet, in dem Temperaturfelder infolge Dissipation im lamina- ren Stromungsfeld vermessen wurden. AuBerdem wird ein Vergleich mit errechneten Temperaturfeldern [l] durchgefuhrt. 1.8 1.6 1.L n P N 1.2 N al 2 1.0 E 8 % .- 0.8 Y 0 0.6 02 0 02 0.L 0.6 0.8 1.0 mdmk Koordu-ate r.=r/R> Abb. 1. Zahl Re* = 20 und die Prandtl-Zahl Pr = 100 (Fo = 5,4 . T* bezogene ortliche Temperatur. Temperaturfeld in einem Ruhrbehalter fiir die Reynolds- [l]; * Vortrag von W. Ostendorf auf der GVC-FachausschuBsitzung ,Mischvorgange" am 3.14. Marz 1986 in Augsburg. ** Dip1.-Ing. W. Ostendorf und Prof. Dr.-Ing. D. Mewes, Institut fur Verfahrenstechnik, Univ. Hannover, Callinstr. 36, 3000 Han- nover 1. 1 Theoretische Untersuchungen der durch Dissipation verursachten Temperaturfelder Beim Ruhren und Mischen von Flussigkeiten wird die uber den Ruhrer eingebrachte mechanische Energie irreversibel in Warme umgewandelt. Die daraus resultierenden Temperaturfelder haben Brauer und Thiele [l] auf numerisch-theoretischem Wege fur den la- minaren Bereich der Stromung bestimmt. Als Ruhrorgan haben sie einen einfachen zylindrischen Modellruhrer angenommen. Bevor sie die in den Abb. 1 und 2 dargestellten Temperaturfelder berechnen konnten, muBten sie die Geschwindigkeitsprofileebenfalls auf nume- rischem Wege ermitteln. Infolge der vereinfachenden Voraussetzun- gen ergeben sich axialsymmetrischeGeschwindigkeits-und Tempera- turfelder. In Abb. 1 sind die Linien konstanter Temperatur fur ein bestimmtes Fluid (Pr = 100) und die Reynolds-Zahl Re* = 20 nach sehr kurzer Ruhrdauer (Fo = 5,4 . dargestellt. In unmittelbarer Nahe der Ruhreroberflache und an der GefaBwand hat sich die Flussigkeit erwarmt. Die hochsten Temperaturen treten sowohl an der Oberfla- che des Ruhrers als auch an der Behaterwand auf. In der Umgebung des Ruhrers wird die mechanische Energie dissipiert, die in das Sy- stem uber den Ruhrer eingeleitet wird. An der Behalterwand erwarmt sich die Flussigkeit, weil ihr durch die Behalterwand Warme zugefuhrt wird. Die Isothermen um den Ruhrer sind in Richtung der Sekundarstromung verformt. Dies W3t auf einen im wesentlichen durch Konvektion bedingten Warmetransport schlieBen. Mit zuneh- mender Ruhrdauer dehnt sich das Temperaturfeld vom Ruhrer in ra- dialer und axialer Richtung aus. 2 Experimentelle Untersuchungen der durch Dissipation verursachten Temperaturfelder In technischen Anwendungsfallen wird zumindest in der naheren Umgebung des Ruhrorgans keine reine Schichtenstromung vorliegen. Deshalb wird sich die lokale Geschwindigkeit des Fluids zeitlich andern. Dadurch ist auch das Temperaturprofil instationar. Die Un- tersuchung der dann vorliegenden zeitabhangigen raumlichen Tem- peraturfelder ist nur mit experimentellen Methoden moglich, die sich z. B. der optischen Tomographie bedienen. Derartige Methoden ge- statten es, instationare Temperaturfelder im gesamten Flussigkeitsvo- lumen verzogerungsfrei und ohne das System zu storen aufzunehmen. Ein derartiges MeBverfahren wurde von Mayinger und Liibbe [2] ent- wickelt und bereits fur das Aufzeichnen instationarer Temperaturfel- der in einem RuhrgefaB verwendet [3]. Die optische Tomographie: Das Prinzip der optischen Tomographie basiert auf dem Durchstrahlen eines MeBvolumens aus verschiede- nen Richtungen. Fur jede Durchstrahlungsrichtung wird das im MeB- volumen vorhandene raumliche Feld in eine Ebene projiziert. Mit Hilfe dieser Projektionen kann das raumliche Feld tomographisch rekonstruiert werden. Fur die Untersuchung von Temperaturfeldern werden die Projektio- nen des Feldes mit der holographischen Interferometrie aufgenom- men. In Abb. 2 ist das Prinzip der holographischen Interferometrie dargestellt. Das von einem Laser ausgesandte monochromatische und koharente Licht wird in eine Objektwelle und in eine Referenzwelle aufgeteilt. Wahrend die Objektwelle das MeBvolumen durchstrahlt, wird die Referenzwelle am MeBvolumen vorbeigefuhrt. Hinter dem MeSvolumen interferieren diese beiden Wellen auf einer Fotoplatte. Wird diese Fotoplatte nach dem Entwickeln nur mit der Referenzwel- le durchleuchtet, wird die gespeicherte Objektwelle wieder freige- setzt. 984 Chem.-1ng.-Tech. 58 (1986) Nr. 12, S. 984-985 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1986 0009-286X/8611212-0984 $ 02.50/0

Durch Dissipation verursachte Temperaturfelder in Rührgefäßen

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Page 1: Durch Dissipation verursachte Temperaturfelder in Rührgefäßen

Durch Dissipation verursachte Temperatur- felder in RUhrgeflSen*

Wilfried Ostendorf und Dieter Mewes**

Fur viele in RuhrgefaBen ablaufende Prozesse muB zur Einstellung und Einhaltung gunstiger ProzeBbedingungen eine bestimmte Tem- peratur des Fluids gewahrleistet werden. Zu diesem Zweck ist dem Fluid laufend Warme zuzufuhren oder zu entziehen. Die sich dabei einstellenden zeitabhangigen raumlichen Temperatur- felder sind bisher nur fur den laminaren Bereich der Stromung theo- retisch untersucht worden [l]. Fur Ruhrerdrehzahlen, die jenseits der Stabilittitsgrenze der Schichtenstromung liegen, reichten die bisher eingesetzten Methoden zur theoretischen oder experimentellen Er- mittlung raumlicher Temperaturfelder noch nicht aus, um Aussagen uber deren instationares Verhalten zu machen. Mit der Entwicklung der optischen Tomographie ist es moglich, derartige Temperaturfel- der sowohl fur den laminaren als auch den turbulenten Bereich der Stromung zu messen und mit Hilfe eines Computers die raumlichen Profile zu rekonstruieren. In der vorliegenden Arbeit wird uber denjenigen Teil der Experimen- te berichtet, in dem Temperaturfelder infolge Dissipation im lamina- ren Stromungsfeld vermessen wurden. AuBerdem wird ein Vergleich mit errechneten Temperaturfeldern [l] durchgefuhrt.

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P N 1.2 N al

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0 02 0.L 0.6 0.8 1.0 mdmk Koordu-ate r.=r/R>

Abb. 1. Zahl Re* = 20 und die Prandtl-Zahl Pr = 100 (Fo = 5,4 . T* bezogene ortliche Temperatur.

Temperaturfeld in einem Ruhrbehalter fiir die Reynolds- [l];

* Vortrag von W. Ostendorf auf der GVC-FachausschuBsitzung ,Mischvorgange" am 3.14. Marz 1986 in Augsburg.

** Dip1.-Ing. W. Ostendorf und Prof. Dr.-Ing. D. Mewes, Institut fur Verfahrenstechnik, Univ. Hannover, Callinstr. 36, 3000 Han- nover 1.

1 Theoretische Untersuchungen der durch Dissipation verursachten Temperaturfelder

Beim Ruhren und Mischen von Flussigkeiten wird die uber den Ruhrer eingebrachte mechanische Energie irreversibel in Warme umgewandelt. Die daraus resultierenden Temperaturfelder haben Brauer und Thiele [l] auf numerisch-theoretischem Wege fur den la- minaren Bereich der Stromung bestimmt. Als Ruhrorgan haben sie einen einfachen zylindrischen Modellruhrer angenommen. Bevor sie die in den Abb. 1 und 2 dargestellten Temperaturfelder berechnen konnten, muBten sie die Geschwindigkeitsprofile ebenfalls auf nume- rischem Wege ermitteln. Infolge der vereinfachenden Voraussetzun- gen ergeben sich axialsymmetrische Geschwindigkeits- und Tempera- turfelder. In Abb. 1 sind die Linien konstanter Temperatur fur ein bestimmtes Fluid (Pr = 100) und die Reynolds-Zahl Re* = 20 nach sehr kurzer Ruhrdauer (Fo = 5,4 . dargestellt. In unmittelbarer Nahe der Ruhreroberflache und an der GefaBwand hat sich die Flussigkeit erwarmt. Die hochsten Temperaturen treten sowohl an der Oberfla- che des Ruhrers als auch an der Behaterwand auf. In der Umgebung des Ruhrers wird die mechanische Energie dissipiert, die in das Sy- stem uber den Ruhrer eingeleitet wird. An der Behalterwand erwarmt sich die Flussigkeit, weil ihr durch die Behalterwand Warme zugefuhrt wird. Die Isothermen um den Ruhrer sind in Richtung der Sekundarstromung verformt. Dies W3t auf einen im wesentlichen durch Konvektion bedingten Warmetransport schlieBen. Mit zuneh- mender Ruhrdauer dehnt sich das Temperaturfeld vom Ruhrer in ra- dialer und axialer Richtung aus.

2 Experimentelle Untersuchungen der durch Dissipation verursachten Temperaturfelder

In technischen Anwendungsfallen wird zumindest in der naheren Umgebung des Ruhrorgans keine reine Schichtenstromung vorliegen. Deshalb wird sich die lokale Geschwindigkeit des Fluids zeitlich andern. Dadurch ist auch das Temperaturprofil instationar. Die Un- tersuchung der dann vorliegenden zeitabhangigen raumlichen Tem- peraturfelder ist nur mit experimentellen Methoden moglich, die sich z. B. der optischen Tomographie bedienen. Derartige Methoden ge- statten es, instationare Temperaturfelder im gesamten Flussigkeitsvo- lumen verzogerungsfrei und ohne das System zu storen aufzunehmen. Ein derartiges MeBverfahren wurde von Mayinger und Liibbe [2] ent- wickelt und bereits fur das Aufzeichnen instationarer Temperaturfel- der in einem RuhrgefaB verwendet [3].

Die optische Tomographie: Das Prinzip der optischen Tomographie basiert auf dem Durchstrahlen eines MeBvolumens aus verschiede- nen Richtungen. Fur jede Durchstrahlungsrichtung wird das im MeB- volumen vorhandene raumliche Feld in eine Ebene projiziert. Mit Hilfe dieser Projektionen kann das raumliche Feld tomographisch rekonstruiert werden. Fur die Untersuchung von Temperaturfeldern werden die Projektio- nen des Feldes mit der holographischen Interferometrie aufgenom- men. In Abb. 2 ist das Prinzip der holographischen Interferometrie dargestellt. Das von einem Laser ausgesandte monochromatische und koharente Licht wird in eine Objektwelle und in eine Referenzwelle aufgeteilt. Wahrend die Objektwelle das MeBvolumen durchstrahlt, wird die Referenzwelle am MeBvolumen vorbeigefuhrt. Hinter dem MeSvolumen interferieren diese beiden Wellen auf einer Fotoplatte. Wird diese Fotoplatte nach dem Entwickeln nur mit der Referenzwel- le durchleuchtet, wird die gespeicherte Objektwelle wieder freige- setzt.

984 Chem.-1ng.-Tech. 58 (1986) Nr. 12, S. 984-985 0 VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim, 1986 0009-286X/8611212-0984 $ 02.50/0

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Durchleuchtet man zusatzlich das MeBvolumen, so interferiert hinter der als Hologramm bezeichneten Fotoplatte die momentane Objekt- welle mit der durch die Referenzwelle freigesetzten rekonstruierten Objektwelle. Wird nun die Temperatur im MeBraum geandert, so andert sich damit auch der Brechungsindex. Die momentane Objekt-

Aufnahme

erste Aufnahme der Objektwelle

. ,- T w = TUmgebung Fdtoplatte

Rekonstruktion

Wiedergobew

Hologrumm

Messung-

Tw>Tumgebung Interferenz d. rekonstr. ersten Objektwelle mit der zweit. momentonen Objektwelle

Abb. 2. Das Prinzip der holographischen Interferometrie am Bei- spiel der Echtzeit-Methode.

welle ist dann gegeniiber der rekonstruierten Objektwelle phasenver- schoben. Es entsteht hinter dem Hologramm ein Interferenz- Streifenmuster. Seine zeitlichen und ortlichen hderungen konnen laufend beobachtet, fotografiert oder mit einer Filmkamera aufge- zeichnet werden. Diese Interferenzbilder enthalten Informationen uber die entlang des Lichtweges aufsummierten hderungen des Brechungsindexes bzw. der Temperatur. Zeichnet man die Projektionen des Feldes fur verschiedene Durch- strahlungsrichtungen gleichzeitig auf, konnen zeitabhkgige raumli- che Temperaturfehler rekonstruiert werden. Fur eine ausreichende Rekonstruktionsgute ist es notwendig, das MeBvolumen aus vier um 45O versetzten Richtungen zu durchstrahlen.

Ergebnisse der experimentellen Untersuchungen: Die durch Dissipation verursachten Temperaturfelder sind in einem zylindrischen Ruhrbe- halter mit dem Durchmesser D = 98 mm untersucht worden. Als Ruhrorgan wurde ein zylindrischer Modellriihrer und als Ver- suchsfliissigkeit 99,5proz. Glycerin verwendet. Infolge der hohen Viskositat des Glycerins ist bereits fur den laminaren Bereich der Stromung die Erwarmung des Glycerins durch dissipative Vorgslnge so groR, daB sie mit der optischen Tomographie erfaBt werden kann. Die minimal meBbare Erhohung der Temperatur betragt AT= 0,Ol K. In Abb. 3 ist beispielhaft das rekonstruierte Temperaturfeld fur die Reynolds-Zahl Re* = 16 dargestellt. Die Ruhrdauer betragt t = 40 s. An der Mantelflache des Ruhrers tritt die maximale Erwarmung des Glycerins von AT= 0,05 K auf. In Hohe des Riihrers sind die Isother- men in Richtung der Sekundarstromung verformt. Diese Struktur des Temperaturfeldes laBt erkennen, daB die durch die Sekundarstro- mung erzwungene Konvektion maageblich am Warmetransport be- teiligt ist. Oberhalb des Riihrers hat sich ein groBeres Flussigkeitsvo- lumen erwarmt als unterhalb des Riihrers. Dieser Unterschied resul-

1.0 t I I I I Ruhrdauer t= LO s

0 0.2 0,L 0.6 0.8. Radius R

Abb. 3. Temperaturfeld fur die Reynolds-Zahl Re* = 16, Ruhr- dauer t = 40 s.

tiert aus den vergleichsweise groBen lokalen Gradienten der tangen- tialen Geschwindigkeiskomponente entlang der Ruhrerwelle. Der beschriebene Verlauf der Isothermen in Abb. 3 deckt sich prinzi- piell mit dem in Abb. 1 dargestellten Temperaturfeld in der Nahe des Ruhrers.

Eingegangen am 19. Juni 1986

Forrnelzeichen

a d D

t P D

R2

V w Re* = Fo = Pr =

Temperaturleitfahigkeit Durchmesser des Riihrers Durchmesser des Ruhrbehalters Radius des Ruhrbehalters Ruhrdauer Dichte dynamische Viskositat kinematische Viskositat Winkelgeschwindigkeit des Riihrers Reynolds-Zahl Fourier-Zahl Prandtl-Zahl

Literatur

[l] Brauer, H.; Thiele, H.: Verfahrenstechnik (Mainz) 5 (1971) Nr. 10,

121 Mayinger, F.;Lubbe, D.: Warme Stoffiibertrag. 18 (1984) S. 49/59. [3] Ostendorf, W.; Maves, D.: CHISA, Prag 1984, Paper V 3.55. [4] Thiele, H.: Dissertation, TU Berlin 1972.

Schliisselworte: Temperaturfelder, Dissipation, optische Tomogra- phie.

S. 4201428; Nr. 11, S. 4481452.

Chem.-1ng.-Tech. 58 (1986) Nr. 12, S. 984-985 985