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Die Nummer 1 der DVM-Nachrichten erschien im November 1995 unter dem DVM-Vorsitzenden Dr. M. Wilhelm. Die An- regung hierzu stammte von der damaligen Geschäftsführerin Frau L. Maslinski. H. Naundorf, damals Vorstand und später Vorsitzender, übernahm diese Aufgabe mit Leidenschaft. Er bildete ein Team, dem die Herren Prof. J. Bergmann, K. Feitzelmayer und Dr. T. Wimmer angehörten, das die Rubri- ken und das Layout festlegte. Zu erwähnen ist noch H. Reichl, der die ersten fünf Ausgaben auf einem MAC in seiner Freizeit gestaltete. In Nr. 1 steht: „Das Kernfeld der technisch wissenschaftlichen Tätigkeit des DVM liegt auf dem Gebiet der Prüfung von Mate- rialien, Bauteilen und Systemen unter besonderer Berücksich- tigung der Erfordernisse im betrieblichen Einsatz.“ So soll es bleiben. DVM-N 50 • Oktober 2009 Deutscher Verband für Materialforschung und -prüfung e.V. Liebe DVM-Mitglieder, die vor Ihnen liegende Ausgabe der DVM-Nachrichten trägt die Nummer 50. Das bedeutet bei 3 bis 4 Ausgaben pro Jahr keine allzu lange Zeit, und natürlich auch gemessen an dem über hundertjährigen Bestehen des DVM. Die Redaktion möchte dieses Jubiläum aber durchaus zum Anlass nehmen, die Ziele dieser Nachrichten anzusprechen verbunden mit einem kurzen Rückblick. Die DVM-Nachrichten beinhalten stets einen Kommentar. Dabei werden aktuelle Themen der Material- und Bauteilprü- fung behandelt, aber auch angrenzende relevante Themen wie Aus- und Fortbildung, Normung, wirtschaftspolitische Fragen bis hin zu persönlichen Meinungen zu aktuellen Er- eignissen. Es folgen Tagungsberichte, Ehrungen, Personali- en, Verschiedenes und die Ankündigung aktueller Tagungen, Workshops und Seminare. Vielfach gibt es Beilagen, zum Beispiel Kurzfassungen von ausgewählten Tagungsbeiträ- gen oder die Titel von Dissertationen der letzten Jahre. Die Mitglieder sind hiermit aufgerufen, Wünsche zu äußern und auch Kritik zu üben. DVM -Nachrichten Mitteilungen für DVM-Mitglieder H. Naundorf Dr. M. Wilhelm Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Dr.-Ing. Manfred Bacher-Höchst: Perspektiven. . . . . . 2 Dr.-Ing. Martin Brune: Kommentar . . . . . . . . . . . . 3 DVM-Ehrennadel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Betriebsfestigkeit 2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 August Wöhler-Medaille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Biographisches zu E. Siebel . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Empfehlungen der acatech . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Nachruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 DVM-Veranstaltungskalendarium . . . . . . . . . . . . 12 Neue Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 C. Oberwinkler: Tagungsbeitrag . . . . . . . . . . Beilage H. Kollmer: Tagungsbeitrag . . . . . . . . . . . . . Beilage Inhalt Vorwort Die Redaktion DVM

DVM-Nachrichten Ausgabe 50

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Verbandszeitschrift des Deutschen Verbands für Materialforschung und -prüfung e.V.

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Page 1: DVM-Nachrichten Ausgabe 50

Die Nummer 1 der DVM-Nachrichten erschien im November 1995 unter dem DVM-Vorsitzenden Dr. M. Wilhelm. Die An-regung hierzu stammte von der damaligen Geschäftsführerin Frau L. Maslinski. H. Naundorf, damals Vorstand und später Vorsitzender, übernahm diese Aufgabe mit Leidenschaft.

Er bildete ein Team, dem die Herren Prof. J. Bergmann, K. Feitzelmayer und Dr. T. Wimmer angehörten, das die Rubri-ken und das Layout festlegte. Zu erwähnen ist noch H. Reichl, der die ersten fünf Ausgaben auf einem MAC in seiner Freizeit gestaltete.

In Nr. 1 steht: „Das Kernfeld der technisch wissenschaftlichen Tätigkeit des DVM liegt auf dem Gebiet der Prüfung von Mate-rialien, Bauteilen und Systemen unter besonderer Berücksich-tigung der Erfordernisse im betrieblichen Einsatz.“

So soll es bleiben.

DVM-N 50 • Oktober 2009 Deutscher Verband für Materialforschung und -prüfung e.V.

Liebe DVM-Mitglieder,

die vor Ihnen liegende Ausgabe der DVM-Nachrichten trägt die Nummer 50. Das bedeutet bei 3 bis 4 Ausgaben pro Jahr keine allzu lange Zeit, und natürlich auch gemessen an dem über hundertjährigen Bestehen des DVM. Die Redaktion möchte dieses Jubiläum aber durchaus zum Anlass nehmen, die Ziele dieser Nachrichten anzusprechen verbunden mit einem kurzen Rückblick.

Die DVM-Nachrichten beinhalten stets einen Kommentar. Dabei werden aktuelle Themen der Material- und Bauteilprü-fung behandelt, aber auch angrenzende relevante Themen wie Aus- und Fortbildung, Normung, wirtschaftspolitische Fragen bis hin zu persönlichen Meinungen zu aktuellen Er-eignissen. Es folgen Tagungsberichte, Ehrungen, Personali-en, Verschiedenes und die Ankündigung aktueller Tagungen, Workshops und Seminare. Vielfach gibt es Beilagen, zum Beispiel Kurzfassungen von ausgewählten Tagungsbeiträ-gen oder die Titel von Dissertationen der letzten Jahre. Die Mitglieder sind hiermit aufgerufen, Wünsche zu äußern und auch Kritik zu üben.

DVM-NachrichtenMitteilungen für DVM-Mitglieder

H. Naundorf

Dr. M. Wilhelm

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

Dr.-Ing. Manfred Bacher-Höchst: Perspektiven. . . . . . 2

Dr.-Ing. Martin Brune: Kommentar . . . . . . . . . . . . 3

DVM-Ehrennadel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

Betriebsfestigkeit 2009. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

August Wöhler-Medaille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Biographisches zu E. Siebel . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

Empfehlungen der acatech . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Nachruf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

DVM-Veranstaltungskalendarium . . . . . . . . . . . . 12

Neue Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

C. Oberwinkler: Tagungsbeitrag . . . . . . . . . . Beilage

H. Kollmer: Tagungsbeitrag . . . . . . . . . . . . . Beilage

Inhalt

Vorwort

Die Redaktion DVM

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Perspektiven Deutscher Verband für Materialforschung und -prüfung e.V. DVM-N 50 • Oktober 2009

Zur Zukunft des DVM in unsicheren Zeiten

Dr.-Ing. M. Bacher-Höchst DVM-Vorsitzender

Als persönliche Mitglieder stärken Sie unseren Verband ganz besonders. Hierfür meinen Dank, und empfehlen Sie uns weiter!

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Der DVM hat eine über 110-jährige Tradition. Er ist einer der ersten deutschen technisch-wissenschaftlichen Vereine. Über die Jahrzehnte bleibt er seinem Kernthema, der Vermittlung zwischen Wissenschaft und Technik im Bereich der Werkstoff- und Bauteilprüfung treu. Hinzugekommen sind Aspekte der Werkstoffforschung, sofern diese eine Bauteilrelevanz haben. Dieses solide Fundament hat die erfolgreiche Arbeit und die breite Anerkennung des DVM in der technisch-wissenschaftli-chen Community ermöglicht.

Auf dieser Basis haben die Gremien des DVM, also die Pro-grammausschüsse und die Obleute der Arbeitskreise, der Beirat und der Vorstand, die Inhalte und Angebote des DVM beson-ders in den letzten Jahren dynamisch weiterentwickelt. Regel-mäßige Strategie-Workshops tragen dazu bei, das Profil unseres Verband weiterzuentwickeln, um neue Herausforderungen der Technik und der DVM-Kunden anzunehmen.

Neue Arbeitskreise sind entstanden, die einerseits den Be-darf spezieller Kundenkreise aufnehmen, und sich andererseits um neue Technologien kümmern. Hierbei haben Aspekte der Bauteilzuverlässigkeit eine besondere Bedeutung und werden im Rahmen eines Arbeitskreises weiterentwickelt. Ein Beispiel für Angebote an neue Kundenkreise ist der neue Arbeitskreis

„Fahrradsicherheit“, der bereits in den ersten Veranstaltungen auf eine sehr hohe Resonanz gestoßen ist. Die Arbeitskreise

„Kunststoffprüfung und Bauteildiagnostik“ und „Biowerkstoffe“ werden sich vertieft mit der Prüfung und Zuverlässigkeit ent-sprechender Bauteile befassen. Hierbei werden werkstoffbezo-gene Bewertungen der einsatzrelevanten Schädigungsprozesse und deren Simulation bzw. Modellierung sowie Einflüsse der Herstellverfahren mit einbezogen. Weitere Arbeitskreise sind in Vorbereitung bzw. schon in der Gestaltungsphase.

Parallel zu den Tagungen der Arbeitskreise wurde das Ange-bot an Seminaren und Fortbildungsveranstaltungen deutlich erweitert. Neben den sehr gefragten Seminaren unserer beiden zentralen Arbeitskreise „Bruchvorgänge“ und „Betriebsfestig-keit“ bietet der DVM regelmäßig weitere Themen an, z.B. „Bau-teilschäden – Ursachen und Folgerungen“, „Bruchmechanische Prüfmethoden“, „Mechanisch-technologische Prüfmethoden“, „Werkstoff- und Bauteilprüfung“ und „Messunsicherheit“. Wir werden unsere Fortbildungs-Angebote kontinuierlich erweitern. Weiterhin finden Workshops regen Zuspruch, bei denen die Diskussion von aktuellen Themen im Vordergrund steht. Peri-odisch finden statt: “Numerische Simulation in der Betriebsfes-tigkeit”, “Prüfmethodik für Betriebsfestigkeitsversuche in der Fahrzeugindustrie” und “Betriebsfestigkeit im Fahrradbau“.

Internationale Tagungen zeigen die Vernetzung des DVM über Deutschland hinaus. Die bereits zum sechsten Mal vom DVM ausgerichtete Tagung „Sixth International Conference on Low Cycle Fatigue LCF6“ und die Tagung „2nd International Conference on Material and Component Performance under Variable Amplitude Loading VAL2“ waren Highlights der letz-ten Jahre. 2010 werden wir die „18th European Conference on Fracture ECF18“ in Dresden und 2011 die 5. internationale Ta-

gung „Very High Cycle Fatigue VHCF 5“ ausrichten. Durch die Zusammenarbeit mit internationalen Verbänden ist der DVM auch in Ländern sichtbar, in denen wir keine Veranstaltungen anbieten. Beispielsweise bestehen Kooperationen mit ESIS (Eu-ropean Structural Integrity Society), ASTM (American Society for Testing and Materials), FEMS (Federation of European Ma-terials Societies) und SF2M (Société Française de Métallurgie et Matériaux).

Auf nationaler Ebene gibt es beispielsweise gemeinsame Ver-anstaltungen und Gruppen mit dem Forschungskuratorium für den Maschinenbau FKM im VDMA, dem Stahlinstitut VDEh, dem Deutschen Institut für Normung DIN und der Deutschen Gesellschaft für Materialkunde DGM.

Diese Auswahl etablierter und neuer Aktivitäten zeigt meiner Ansicht nach, dass der DVM sich gut diversifiziert aufgestellt hat. Die aktuelle wirtschaftliche Situation, insbesondere im Maschinen- und Fahrzeugbau, wird allerdings auch für den DVM nicht ohne Auswirkung bleiben. Auch wir werden versu-chen, diese Krise als Chance zu nehmen. Hinzu kommt der sich abzeichnende technologische Umbruch im Straßenfahrzeugbau. Die zunehmende Elektrifizierung, aktuell beginnend bei den Personenkraftwagen, hat zur Folge, dass neue Systemkompo-nenten wie beispielsweise die Batterie, die Leistungselektronik und die E-Maschine als leistungsstarke, zuverlässige und kos-tengünstige Lösungen entwickelt werden müssen. Fahrzeug-konzepte werden sich mittelfristig ändern, und es wird eine spannende Frage sein, wie weit sich diese von den heutigen unterscheiden und was dies beispielsweise für die Betriebsfes-tigkeit und Zuverlässigkeit der zyklisch beanspruchten Bauteile bedeutet. Eine der zukünftigen Aufgabe des DVM wird sein, unseren Kunden auch für diese neuen Komponenten und Fahr-zeugkonzepte eine Plattform für den technisch-wissenschaft-lichen Austausch zu bieten. Letztlich wollen wir durch unser Betätigungsfeld zu Innovationen beitragen, welche die derzeit hohe Wertschöpfung und Beschäftigung insbesondere im deut-schen Automobilbau erhalten.

Insofern mangelt es dem DVM sicher nicht an neuen Tätig-keitsfeldern und Herausforderungen. Das sehr große Engage-ment insbesondere der ehrenamtlichen Mitarbeiter in unseren Gremien stimmt optimistisch, dass wir auch zukünftig Erfolg haben werden.

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DVM-N 50 • Oktober 2009 Deutscher Verband für Materialforschung und -prüfung e.V. Kommentar

Im Zeitalter der Computertechnologie und der immer weiter wachsenden Hardware-Performance in immer kürzeren Zeit-intervallen hat die Computersimulation in den Produktent-wicklungsprozessen inzwischen ihren unumstößlichen Platz eingenommen. Insbesondere in der Fahrzeugentwicklung ist sie heute fester Bestandteil des Bauteilauslegungsprozesses. Die Simulation unterstützt in zunehmendem Maße die Kons-truktion bezüglich aller funktionalen Anforderungen, die ein Fahrzeugbauteil erfüllen muss. Sie reduziert auf diese Weise die sonst erforderlichen aufwendigen experimentellen Unter-suchungen auf Prüfständen mit kostspieligen Versuchsbau-teilen. Beispiele für diese funktionalen Anforderungen sind das Crashverhalten, aerodynamische und akustische Eigen-schaften, sowie nicht zuletzt die Betriebsfestigkeit der Bauteile und Bauteilsysteme.

Der Trend in der Entwicklung geht eindeutig dahin, im-mer weniger Prototypen und Versuchsbauteile in Hardware auszuführen, insbesondere in den frühen Phasen. Erst sehr spät im Entwicklungsprozess sollen die durch Simulation op-timierten Bauteile und Systeme in Hardware umgesetzt und die Berechnungsergebnisse durch Versuche bestätigt werden. In Bild 1 ist dieser zukünftige Prozess für die Betriebsfestig-keitsauslegung dargestellt.

Bild 1: Zukünftiger Auslegungs- und Absicherungsprozess

Der Auslegungs- und AbsicherungsprozessLinks im Bild wird die Vision für die nahe Zukunft der Bau-teilauslegungsphase gezeigt. Ein wichtiger Input ist hier die Ermittlung der Fahrzeuglasten, die für die Beanspruchung der einzelnen Komponenten verantwortlich sind. Was heute vielfach durch Fahrbeanspruchungsmessungen mit Proto-typen auf auslegungsrelevanten Prüfstrecken realisiert wird, soll zukünftig in der frühen Entwicklungsphase durch neue

Simulationsmethoden er-setzt werden. Diese so er-mittelten Lastzeitverläufe an den Rädern des Fahr-zeugs dienen als Input für die Mehrkörpersimulation, die wiederum als Ergebnis die Schnittkraftzeitverläu-fe der einzelnen inneren Bauteile liefert. Letztend-lich werden diese Lastver-läufe für die rechnerische Bauteillebensdauerab-schätzung verwendet, mit deren Hilfe eine rein vir-tuelle Bauteiloptimierung erfolgt. Erst nach Ende dieses iterativen Prozesses folgt, rechts im Bild, die Absiche-rungsphase, wo erstmals Bauteil-Hardware gefertigt und expe-rimentell geprüft wird. Mit diesen Hardware-Untersuchungen wird die Bestätigung der Berechnungsergebnisse durchge-führt. Auch die Betriebsfestigkeitsprüfstände benötigen als Input Lastzeitsignale, die wiederum aus der schon erwähnten virtuellen Betriebslastensimulation resultieren.

Simulation – Fluch oder Segen?Der oben beschriebene Prozess klingt in sich schlüssig und nachvollziehbar, und es drängt sich die Frage auf: Warum ist dies noch in vielerlei Hinsicht Zukunftsmusik und nicht schon längst Realität? Anhand der zwei schon genannten Be-rechnungsmethoden, der Lastdatensimulation und der rech-nerischen Lebensdauerabschätzung, lässt sich dies sehr gut erklären.

Um innere Schnittkräfte über die äußeren Lasten am Rad zu ermitteln, ist die Mehrkörpersimulation seit längerem im Einsatz und etabliert. Basis dafür sind bisher allerdings im-mer gemessene Lasten und Momente am Rad. Für die innen liegenden Bauteile, die im Kraftfluss zwischen Rad und Ka-rosserie liegen, wird dann eine entsprechende Berechnung durchgeführt. Mit einer gehörigen Portion Erfahrung führt diese Vorgehensweise zu akzeptablen Ergebnissen, die in der Bauteilauslegung Verwendung finden. Geht man nun einen

Dr.-Ing. Martin Brune, geb. 1959, studierte an der TU Clausthal Allgemeinen Maschinenbau und promovierte dort am Institut für Maschinelle Anlagentechnik und Betriebsfestigkeit. Seit 1991 ist er Mitarbeiter der BMW Group und ist heute dort als Leiter der Numerischen Simulation auf dem Gebiet der Betriebsfestigkeit und Lastdatenermittlung tätig.

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Dr.-Ing. M. Brune, BMW Group, München

Die Rolle der Simulation im modernen Fahrzeugentwicklungsprozess

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Kommentar Deutscher Verband für Materialforschung und -prüfung e.V. DVM-N 50 • Oktober 2009

oder gleich mehrere Schritte weiter, wie oben im Auslegungs-prozess beschrieben, spielt die Mehrkörpersimulation zwar nach wie vor die zentrale Rolle, aber es kommen weitere Be-rechnungsmodule hinzu, die zu einer enormen Komplexitäts-steigerung führen und bei Grundsatzuntersuchungen an die Grenzen der „numerischen Stabilität“ führen. Letztendlich versucht man, die Handlungen von versierten Versuchsfah-rern durch komplexe Umweltmodelle und durch komplexe Reifeneigenschaften auf den Punkt virtuell abzubilden. Hier ist zum Beispiel das Fahrermodell zu nennen, das in der Lage sein muss, an den richtigen Stellen auf der digitalisierten Stra-ße zu lenken, zu bremsen, zu beschleunigen und zu schal-ten. Hierzu kommen hochkomplexe Systeme zum Einsatz, die sich in einer kontinuierlichen Weiterentwicklung befinden. Weitere Punkte sind die Einbindung der entsprechenden Fe-der-/Dämpferabstimmung und neue Fahrwerksregelsysteme, die das Fahrverhalten des virtuellen Fahrzeugs extrem be-einflussen. Nicht zuletzt sei das Reifenmodell genannt, was den Kontakt des Fahrzeugs mit der Straße abbildet. Solch ein Reifenmodell muss entsprechend bedatet werden. Dazu muss der richtige Reifen in Hardware vorliegen, um diese Daten auf dem Prüfstand zu ermitteln.

Die hier genannten Module und einige mehr wirken nun im Simulationsablauf zusammen und sollen das Gesamtergebnis der äußeren und inneren Fahrzeuglasten und -momente lie-fern. Um dies zu bewerkstelligen, sind ein Erfahrungsaufbau und ein intensiver Austausch mit den Kollegen der Fahrzeug-lastenmessung zwingend erforderlich. Aufgrund der bisher vorliegenden Erfahrungen aus Grundsatzuntersuchungen sind noch viele Entwicklungsschleifen notwendig, um den kom-plexen Simulationsverbund so zu ertüchtigen, dass derartige Methoden im Produktivbetrieb eingesetzt werden können.

Das gleiche gilt für die rechnerische Lebensdauerabschät-zung. Die hier zugrunde gelegten Hypothesen basieren nicht auf glasklaren physikalischen Gesetzmäßigkeiten, sondern im Wesentlichen auf fiktiven Größen und Korrelationen, die durch wissenschaftliche Untersuchungen ermittelt wurden. Die erzeugten Ergebnisse unterliegen einer erheblichen Streu-ung, die durch ständige Weiterentwicklung der Methoden zwar reduziert, aber nicht eliminiert wird. Darum spricht man auch von der rechnerischen Lebensdauerabschätzung und nicht von der Lebensdauerberechnung. Trotz all dieser Fakten ist diese Methode im Auslegungsprozess bereits voll etabliert. Dies ist auch möglich, da die rechnerische Lebens-dauerabschätzung für Relativvergleiche, zum Beispiel zur Beurteilung zweier Entwicklungsstände eines Bauteils, recht gut funktioniert. Um die Anwendung noch weiter auszubauen, ist ein kontinuierlicher Abgleich von Berechnungsergebnissen mit Versuchsergebnissen erforderlich, denn dieses Wissen und die Erfahrung des Versuchs- und des Berechnungsingenieurs ist das A und O eines erfolgreichen, weitestgehend virtuellen Auslegungsprozesses.

Nun zu der Frage: Ist die Simulation mehr Fluch oder Segen? Als Berechnungsingenieur hat man manchmal den Eindruck, dass der Fluch überwiegt. Wodurch entsteht dieser Eindruck? Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe.

1. Sehr hohe Erwartungen an den SimulationseinsatzHäufig wird von den Anwendern der zweite Schritt vor dem ersten gemacht. Bevor die Methoden zum Einsatz kommen, müssen sie zu einer hinreichenden Reife entwickelt werden können. In vielen Fällen heißt das, dass rechnerische und ex-perimentelle Methoden eine gewisse Zeit lang parallel im Ein-satz sein müssen. Ist diese Möglichkeit nicht gegeben, wird die neue, noch nicht vertraute Simulationsmethode zu schnell als nicht brauchbar ad acta gelegt. Hiermit geht dann das Potenzial an Entwicklungskosten und -zeitreduzierung verloren.

2. Skepsis gegenüber neuen MethodenEs liegt in der Natur des Menschen, neuen Dingen zunächst einmal ein gewisses Misstrauen entgegenzubringen. Diesem Phänomen begegnet natürlich auch ein Berechnungsingeni-eur, der auf die Zusammenarbeit mit den Kollegen der etab-lierten Methoden angewiesen ist, um die Simulation in die Prozesse einführen zu können. Der Grund für diese Skepsis ist zum einen das oft fehlende Wissen um die Leistungsfähig-keit der Simulationsmethode und zum anderen auch die Angst der Versuchs- und Messingenieure, dass die Berechnung die etablierten Methoden vollständig verdrängt. Hinzu kommt der Vorwurf der Berechnungsgläubigkeit, der sicherlich in ei-nigen Fällen seine Berechtigung hat. Die Berechnung liefert immer ein Ergebnis, doch gerade bei den hier beschriebenen Simulationsmethoden ist die Interpretation von entscheiden-der Bedeutung. Aber ist es umgekehrt nicht genau so? Muss man bezüglich des Versuchs und der Messmethoden nicht die gleiche Frage nach der Ergebnisgläubigkeit stellen? Wenn ein Berechnungsergebnis nicht mit einem Versuchsergebnis übereinstimmt, welches Ergebnis wird zuerst in Frage gestellt? Die Beantwortung dieser Frage möchte ich dem Leser über-lassen.

FazitTrotz des sehr steinigen Wegs und aller oben angeführten Herausforderungen wird die Simulation bei kontinuierlicher Weiterentwicklung ihren Weg machen. Das Verständnis für das notwendige Miteinander von Messung, Versuch und Si-mulation wächst erfreulicherweise stetig und ist ein absolutes

„Muss“. Hier geht es eben nicht darum, den Versuch oder die Fahrzeugmessung im Entwicklungsprozess zu eliminieren, sondern darum, die jeweils beste Methode zur richtigen Zeit einzusetzen. Alle Disziplinen haben auch zukünftig ihre Berechtigung und der Berechnungsingenieur wird vom Ver-suchsingenieur lernen und umgekehrt. Der Wettbewerb um die beste Methode zur richtigen Zeit stärkt das Miteinander und das Verständnis dafür, dass alle am selben Strang ziehen. Dies macht letztendlich die Simulation zu einem Segen, wo-mit ein erhebliches Potenzial an Entwicklungskosten und an Zeitersparnis gehoben werden kann.

Dr.-Ing. M. Brune, BMW Group, München

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DVM-N 50 • Oktober 2009 Deutscher Verband für Materialforschung und -prüfung e.V. Ehrungen

DVM-Ehrennadel in GoldZum Auftakt der 36. Tagung des Arbeitskeises Betriebsfestigkeit

wurde Martin Brune mit der DVM-Ehrennadel in Gold geehrt

„In der Ankündigung zur diesjährigen Tagung des DVM- Arbeitskreises Betriebsfestigkeit heißt es:

Die Entwicklung von komplexen Bauteilen und Systemen setzt das Verständnis über die gegenseitige Beeinf lussung der einwirkenden, zeitlich veränderlichen Belastungen (me-chanische sowie umweltbedingte), der konstruktiven Gestalt (Funktion und Geometrie), des Werkstoffes und der Ferti-gung zu wettbewerbsfähigen Kosten voraus. Diese werden im Entwurfsstadium der Bauteile und Systeme durch nume-rische Methoden (Finite Elemente- und Mehrkörpersimu-lationen) ausgelotet. Die heute verfügbaren Berechnungs-werkzeuge beziehen sich nicht nur auf die Lastannahmen, sondern schließen auch die Gestalt-, Fertigungs- und Um-weltsimulation unter Berücksichtigung des Werkstoffver-haltens ein.

Diese genannten Themenbereiche der Betriebsfestigkeit beschreiben sehr gut das umfangreiche Arbeitsgebiet von Herrn Dr. Martin Brune. Folgerichtig wird er heute durch den Deutschen Verband für Materialforschung und -prüfung für seine herausragenden Verdienste zur Methodenentwick-lung in der Betriebsfestigkeit insbesondere zur Lebensdau-erberechnung und Lastdatenermittlung geehrt.

Martin Brune wurde 1959 in Riesenbeck (Westfalen) ge-boren. Er studierte allgemeinen Maschinenbau an der TU Clausthal und war anschließend wissenschaftlicher Mitar-

beiter bei Herrn Prof. Zenner am Institut für Maschinelle Anlagentechnik und Betriebsfestigkeit. 1991 promovierte er mit dem Thema Entwicklung eines Belastungsstandards WAWESTA für Walzwerksantriebe. Im Anschluss daran be-gann er seine Karriere in der Automobilindustrie bei der BMW Group, zunächst als Versuchsingenieur (Bauteilab-sicherung, Mehraxiales Rainf low). Ab 1994 beschäftigt er sich als Werkstoffingenieur mit Korrosionsthemen des 5er-BMW und wird 1995 Gruppenleiter „Neue Werkstoffe, Werk-stoffverhalten und Berechnung“ (partikel-/faserverstärkte Metalle, nachwachsende Rohstoffe, funktionale Beschich-tungen). Seit 1998 leitet er bei der BMW AG die Abteilung Numerische Simulation (früher Methoden, Berechnung). Er ist heute verantwortlich für die Methodenentwicklung auf dem Gebiet der Lebensdauerberechnung und der Lastdate-nermittlung für die Bauteilauslegung und -absicherung.

Zudem engagiert er sich in vielen Arbeitskreisen der AiF (FKM, FAT, FVV, DVS) und wirkt im Programmausschuss des Arbeitskreises Betriebsfestigkeit aktiv mit. Bemerkens-wert ist auch, dass er mit zahlreichen Veröffentlichungen (was bei Mitarbeitern in der Industrie häufig schwierig ist) über sein fachliches Wirken berichtet (allein 8 Veröffentli-chungen in den letzten zwei Jahren).

Gestatten Sie mir abschließend noch eine persönliche Be-merkung. Ich habe Martin Brune bereits vor über 20 Jahren, damals selber noch als junger wissenschaftlicher Mitarbei-ter, in „unserem“ Institut (IMAB TU Clausthal) kennenge-lernt. Besonders angenehm war, dass er den jungen Kollegen immer als kompetenter Gesprächspartner zur Verfügung stand und sein fachliches Wissen weitergab. Eine positive Eigenschaft, die ihn auszeichnet, möchte ich besonders er-wähnen, das ist die Zuverlässigkeit, die gerade auch in der Betriebsfestigkeit eine besondere Rolle spielt.

Meine Damen und Herren, ich gratuliere Herrn Dr. Mar-tin Brune ganz herzlich zu Verleihung der DVM-Ehrennadel und wünsche ihm auch für die Zukunft viel Erfolg und dass er der „Betriebsfestigkeits-Familie“ mit seinem kreativen Wirken noch lange erhalten bleibt.“

Auszug aus der Laudatio von Herrn Prof. Dr.-Ing. A. Esderts, IMAB TU Clausthal

„Die DVM-Ehrennadel in Gold ist eine Auszeichnung für Ingenieur- und Naturwissenschaftler nach der Vollendung des 40. Lebensjahres. Sie wird für herausragende technisch-wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der Materialforschung und -prüfung verliehen, aber auch aus einem aktuellen Anlass oder aufgrund einer aktuellen Leistung. Hiermit sollen vor allem Personen ausgezeichnet werden, deren berufliche Leistungen auch für die Zukunft wesentliche Arbeitsergebnisse erwarten lassen.“

Verleihung der Ehrennadel an M. Brunev.l.n.r : M. Bacher-Höchst, C. M. Sonsino, M. Brune und A. Esderts

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Kurzbericht Deutscher Verband für Materialforschung und -prüfung e.V. DVM-N 50 • Oktober 2009

Kurzbericht zu den Veranstaltungen des Arbeitskreises Betriebsfestigkeit 2009 in Darmstadt

Fortbildungsseminar „Simulation in der Betriebsfestigkeit – Perspektiven und Grenzen“ am 7. Oktober 2009 und

Tagung „Einflussgrößen auf die Betriebsfestigkeit bei der Bauteil- und Systementwicklung“ am 8. und 9. Oktober 2009

Sowohl das Fortbildungsseminar am 7. Oktober als auch die Ta-gung am 8. und 9. Oktober 2009 fanden im angenehmen Ambi-ente des Maritim Konferenzhotels in Darmstadt statt.

Die Fortbildungsseminare des DVM zur Betriebsfestigkeit wer-den turnusmäßig seit 1999 angeboten. Das diesjährige Seminar, besucht von 22 Teilnehmern und durchgeführt von 5 Referenten, behandelte den ersten Themenblock der erneut angelegten vierten Runde und umfasste die numerische Simulation in der Betriebs-festigkeit. Am 5. Oktober 2010 wird bei der MAN AG in München die vierte Runde der Fortbildungsseminare mit dem Thema „Von der Betriebsmessung zur Lastannahme“ fortgesetzt.

Die diesjährige 36. Tagung des DVM-Arbeitskreises Betriebsfestigkeit zum Thema „Einflussgrößen auf die Betriebs-festigkeit bei der Bauteil- und Systementwicklung“. Sie gab mit 17 Fachvorträgen und 4 Posterbeiträgen einen guten Überblick zum gegenwärtigen Stand der Technik und Forschung und zeig-te neue Ideen und Entwicklungstendenzen zu der Bauteilbemes-sung mit folgenden Schwerpunkten.

Mechanische und umweltbedingte Belastung,• Werkstoff, Gestaltung und Fertigung,• Methoden der Bemessung und Simulation und• Verifikation und Optimierung des Absicherungsprozesses.•

Die Tagung wurde, trotz der gegenwärtig schwierigen wirt-schaftlichen Situation, von 168 Teilnehmern, überwiegend aus der Fahrzeugindustrie, davon 17 Ausstellern, besucht. Alle Vor-träge dieser Tagung sind im DVM Berichtsband Nr. 136 sowie als CD erhältlich.

Zu einem der Höhepunkte dieser Veranstaltung zählte der Gastvortrag „Hart am Wind Hightechsegeln als Belastungsprobe

Prof. Dr.-Ing. C.M. Sonsino Obmann des DVM Arbeitskreises Betriebsfestigkeit

für Material und Mannschaft“ von Tim Kröger. Dabei berichtete der Hochseesegler über seine Erfahrungen bei der Teilnahme am America‘s Cup und am Volvo Ocean Race (vormals The Whit-bread Round the World Race).

Die nächste Tagung des DVM-Arbeitskreises Betriebsfestig-keit wird am 6. und 7. Oktober 2010 in München bei der MAN AG unter dem Thema „Auslegungs- und Absicherungskonzep-te der Betriebsfestigkeit – Potenziale und Risiken“ veranstaltet werden.

Teilnehmer des Seminar „Simulation in der Betriebsfestigkeit – Perspektiven und Grenzen“

Referent des Gastvortrags Tim Kröger

Blick ins Auditorium bei der Tagung des Arbeitskreises Betriebsfestigkeits

Page 7: DVM-Nachrichten Ausgabe 50

Schädigungstolerante Auslegung von Aluminiumdruckgussteilen unter Berücksichtigung

der lokalen Defekte im BauteilTagungsbeitrag zur 36. Tagung des DVM-Arbeitskreises Betriebsfestigkeit „Einfussgrößen auf die

Betriebsfestigkeit bei der Bauteil- und Systementwicklung“, 08.-09. Oktober 2009 in Darmstadt

EinleitungAluminium-Druckguss erlaubt eine wirtschaftliche Fertigung von komplexen Bauteilen bei sehr hohen Produktionsraten. Problema-tisch sind jedoch fertigungsinduzierte Fehlstellen, wie Poren, Oxid-häute oder Kaltfließstellen, die die Festigkeit drastisch beeinflussen. Die Verteilung dieser Fehlstellen im Bauteil ist inhomogen und daher für die betriebsfeste Berechnung nur schwer zu erfassen. Konventionelle Berechnungen der Sicherheit gegen zyklisches Ver-sagen oder der Schädigung von Aluminium-Druckgussbauteilen berücksichtigen nur die porenfreie Randschicht zusammen mit einem porenbehafteten Grundwerkstoff. Bei der Berechnung der Bauteilsicherheit gegen zyklisches Versagen führt diese verein-fachte Annahme zu einer deutlichen Unterschätzung des Werk-stoffpotentials. Für eine verbesserte betriebsfeste Auslegung von Aluminium-Druckgussbauteilen muss daher die Verteilung der Poren im Bauteil und deren Einfluss auf die Schwingfestigkeit be-kannt sein.

Im Folgenden soll eine neue Methodik für die betriebsfeste Auslegung von Druckgussbauteilen vorgestellt werden, bei der die Sicherheit gegen zyklisches Versagen unter Berücksichtigung der inhomogenen Porenverteilung ermittelt wird. Der Einfluss der Po-ren auf die Schwingfestigkeit wird anhand des nach El-Haddad [1] modifizierten Kitagawa-Takahashi Diagramms beschrieben [2]. Die Porenverteilung kann über das statistische Porositätsmodell [3] aus den Ergebnissen der Gießsimulation und dem Nachdruck berechnet werden. Durch die Kombination der Ergebnisse aus den beiden Modellen – dem bruchmechanischen Materialmodell und dem statistischen Porositätsmodell – kann die lokale Belastbarkeit in Abhängigkeit der inhomogenen Porenverteilung im Bauteil er-mittelt werden [4].

Einfluss von Poren auf die SchwingfestigkeitFür die Schwingfestigkeitsversuche wurden unterschiedliche Pro-ben aus unterschiedlichen Bereichen einer Druckgussplatte heraus-gearbeitet – porenbehaftete Rundproben aus der Plattenmitte, um den Einfluss der Poren auf die Schwingfestigkeit abzuleiten, und porenarme Flachproben aus dem Randbereich, um die Schwing-festigkeit des porenarmen Materials zu definieren. Weiters wurden auch Single-Edge Bending (SEB) Proben aus dem Randbereich ent-nommen, um Rissfortschrittskurven aufzunehmen.

In jeder porenbehafteten Probe existiert eine kritischste Pore, die zum Versagen der Probe führt. Die Rissinitiierung erfolgt inner-halb kurzer Zeit, weshalb die Rissinitiierungsphase für porenbe-haftete Proben vernachlässigt werden kann. Bei einer bruchmecha-nischen Betrachtung gilt für lange Risse, dass ein Riss nicht mehr wächst, wenn der Spannungsintensitätsfaktor ΔK kleiner als ein

material- und belastungsabhängiger Grenzwert ΔKth ist. Dieser Zusammenhang kommt für Metalle im sogenannten Kitagawa-Diagramm [5] zum Ausdruck. El-Haddad [1] modifizierte das ur-sprüngliche Kitagawa-Diagramm, um das Verhalten kurzer Risse abzubilden. In Abb. 1 sind die Versuchspunkte aus den Proben-versuchen im sogenannten Kitagawa-Diagramm dargestellt. Jede Bruchfläche der porenbehafteten Proben wurde dabei auf die Grö-ße (flächen-äquivalenter Durchmesser d

equ) der anrissauslösenden

Pore untersucht.

Die nach El-Haddad berechnete Grenzkurve stellt die Schwing-festigkeit für 107 Lastwechsel in Abhängigkeit der initialen Defekt-größe dar. Die dargestellten Ergebnisse der porenbehafteten Pro-benversuche zeigen, dass diese mit dieser Formulierung sehr gut in Durchläufer und gebrochene Proben unterteilt werden können.

Berechnung der Porenverteilung im DruckgussbauteilZur Berechnung der Porenverteilung in einem Druckgussbauteil wird das sogenannte statistische Porositätsmodell herangezogen. Dabei wird für einen bestimmten Bereich im Bauteil (definiert über die Temperatur aus der Gießsimulation) und den aufgebrachten Nachdruck die entsprechende Weibull-Verteilung der Porosität in diesem Bereich berechnet.

Wie in [6] gezeigt, ist die Lage einer Pore in einem Bauteil nicht vorhersagbar, sondern nur die statistische Porositätsverteilung innerhalb eines definierten Bereichs. Die statistische Porositäts-verteilung besagt, wie viel Prozent der Elemente innerhalb eines Temperaturbereichs eine gewisse Porosität aufweisen.

Da die Porenlage von Bauteil zu Bauteil unterschiedlich ist (worauf auch die große Streuung der Ergebnisse von Bauteilver-suchen zurückzuführen ist), werden die Poren entsprechend der statistischen Verteilung auf die Elemente innerhalb eines definier-ten Temperaturbereichs zufällig verteilt. Das bedeutet, dass jeder Berechnungsdurchlauf der Porenverteilung eine andere Lage der Poren im Bauteil ergibt – einmal liegt die größte Pore im Bereich höchster Spannung und einmal im Bereich geringster. Dadurch

Abb. 1: Kitagawa-Diagramm für ein

Spannungsverhältnis von R=-1 (Zug-Druck)

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wird die unterschiedliche Porenlage in realen Druckgussbauteilen imitiert.

Die berechnete Porenverteilung ist der gemessenen (computerto-mographische Aufnahme) in Abb. 2 gegenübergestellt.

Abb. 2: Berechnete (links) und gemessene (rechts) Porenverteilung.

Berechnung der Sicherheit gegen zyklisches VersagenBisher wurden zwei Modelle vorgestellt. Das Materialmodell be-schreibt mit Hilfe bruchmechanischer Kennwerte die Abhängig-keit der Schwingfestigkeit von der Defektgröße. Das statistische Porositätsmodell erlaubt eine Abschätzung der Porenverteilung im Bauteil. Eine Kombination der beiden Modelle ermöglicht eine Berechnung der lokalen Belastbarkeit unter Berücksichtigung der inhomogenen Porenverteilung im Bauteil.

Für die Berechnung der Beanspruchbarkeit muss die Porenvertei-lung im Bauteil bekannt sein. Dafür wird mit Hilfe des statistischen Porositätsmodells die Porengröße in jedem Element ermittelt. Der Zusammenhang zwischen Schwingfestigkeit und Porengröße ist durch das bruchmechanische Materialmodell definiert. Mit die-sem kann die lokale Beanspruchbarkeit aus der Porengröße in je-dem Element bestimmt werden. Die Beanspruchung wird mit der Finiten-Elemente Methode berechnet. Das Verhältnis von lokaler Beanspruchbarkeit zu lokaler Beanspruchung ergibt die lokale Si-cherheit für jedes Element im Bauteil.

Die Verteilung der Sicherheit gegen zyklisches Versagen für das oben betrachtete Referenzbauteil ist in Abb. 3 (links) dargestellt.

Abb. 3: Verteilung der Sicherheit gegen zyklisches Versagen im Bauteil (links); Verteilung der Sicherheit für unterschiedliche Nachdrücke (rechts).

Wie bereits oben erwähnt, werden die Poren zufällig, entspre-chend einer Weibull-Verteilung, auf die Elemente verteilt. Das bedeutet, dass die Sicherheit, je nachdem ob die größte Pore in einem Bereich hoher oder geringer Spannung liegt, streut. Das Ergebnis nur einer Berechnung ist dabei gleich aussagekräftig wie das Resultat nur eines Bauteilversuchs. Um die Prozessstreuung abbilden zu können, muss die Berechnung der Porenverteilung mehrmals durchgeführt werden. Im vorliegenden Fall wurde die Berechnung insgesamt 300mal durchgeführt. Jede Berechnung liefert in Abhängigkeit der Porenlage einen Wert für die minimale Sicherheit des Bauteils. Die Verteilung der Sicherheit gegen zykli-

sches Versagen aus den 300 Berechnungen ist in Abb. 3 (rechts) für unterschiedliche Nachdrücke gezeigt.

Damit ist nicht nur eine Sicherheit gegen zyklisches Versagen aus der Berechnung verfügbar, sondern auch deren Verteilung auf-grund der variierenden Porenverteilung im Druckgussbauteil.

SchlussfolgerungenDie Praxis zeigt, dass eine betriebsfeste Auslegung von Druck-gusskomponenten unter Berücksichtigung der porenfreien Rand-schicht und eines porenbehafteten Grundmaterials die Realität nicht ausreichend abbildet. Für eine verbesserte Berechnung muss die Porenverteilung im Bauteil als auch der Einfluss der Größe der Druckgussdefekte auf die Schwingfestigkeit bekannt sein.

Die Kombination der beiden Modelle – des statistischen Poro-sitätsmodells und des bruchmechanischen Materialmodells – er-möglicht die Berechnung der lokalen Sicherheit gegen zyklisches Versagen im Bauteil. Für die praktische Auslegung von hochbe-anspruchten Druckgussbauteilen ist eine Methode verfügbar, die eine Brücke zwischen der Gießsimulation und der betriebsfesten Bauteilauslegung bildet.

DanksagungDer österreichischen Bundesregierung (insbesondere dem Bun-desministerium für Verkehr, Innovation und Technologie und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit), der MAN Nutzfahrzeuge AG sowie dem Land Steiermark, vertreten durch die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft mbH und die Steirische Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH, wird für die finanzielle Unterstützung der Forschungsarbeiten im Rahmen des von der Materials Center Leoben Forschung GmbH abgewickelten K2 Zentrums für „Materials, Processing und Product Engineering“ im Rahmen des Österreichischen COMET Kompetenzzentren Pro-gramms sehr herzlich gedankt.

Literatur[1] El Haddad M.H., Smith K.N., Topper T.H.: „Fatigue crack propagation of

short cracks“, ASME transactions, vol. 101, 1979.[2] Oberwinkler C., Leitner H., Eichlseder W.: ”The Definition of the Influence

of Pore Size on the Fatigue Limit Using Short Crack Growth Experiments”, Journal of ASTM International, Vol. 6, No. 10, Paper ID JAI102541, 2009.

[3] Oberwinkler C., Leitner H., Eichlseder W.: ”Estimation of the local porosity of aluminium high-pressure die casting components from casting simulation results using self-organizing maps”, International Foundry Research, p. 22-33, 3/2009.

[4] Oberwinkler C., Leitner H., Eichlseder W.: ”Computation of Fatigue Safety Factors for High-Pressure Die Cast (HPDC) Aluminium Components Taking into Account the Pore Size Distribution”, SAE World Congress 2009, Detroit, 2009.

[5] Kitagawa H., Takahashi S.: „Applicability of fracture mechanics to very small cracks or the cracks in the early stage“, Proceedings of the Second Interna-tional Conference on Mechanical Behavior of Materials, ASM, Metals Park, 1976.

[6] Oberwinkler C., Schönfeld F., Schmidt S., Leitner H., Eichlseder W.: „Betriebsfeste Auslegung von Aluminiumdruckgussteilen unter Berücksich-tigung der Porenverteilung im Bauteil“, VDI Wissensforum Gießtechnik im Motorenbau, Magdeburg, 2009.

Ch. Oberwinkler*, F. Schönfeld**, S. Schmidt**, H. Leitner*, W. Eichlseder*

*) Montanuniversität Leoben, Lehrstuhl für Allg. Maschinenbau **) MAN Nutzfahrzeuge AG, Nürnberg

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Schädigungsbewertung von stochastischen Fahrbahnunebenheiten

Tagungsbeitrag zur 36. Tagung des DVM-Arbeitskreises Betriebsfestigkeit „Einfussgrößen auf die Betriebsfestigkeit bei der Bauteil- und Systementwicklung“ am 08.-09. Oktober 2009 in Darmstadt

Festigkeitsanforderungen an das FahrwerkDie deutschen Automobilhersteller können auf ihren Hauptab-satzmärkten kaum noch Umsatzzuwächse verbuchen. Daher werden neben den etablierten Märkten auch verstärkt so genann-te Schwellenländer bzw. Emerging Markets bei der Entwicklung von Marketing-Strategien berücksichtigt. Insbesondere zur Be-triebsfestigkeitsabsicherung im Bereich Fahrwerk müssen da-bei Anforderungsprofile vorliegen, die den Straßenverhältnissen und dem marktüblichen Kundenverhalten gerecht werden. Mit diesem Beitrag wird eine Möglichkeit gezeigt, welche Betriebs-lasten für unterschiedliche Absatzmärkte objektiv ermittel- und vergleichbar macht. Transiente Fahrbahnanregungen wie etwa in Form von Schlaglöchern werden hier nicht betrachtet.

Betriebslasten beinhalten statische Lasten, Manöveranteile und gewöhnliche, d.h. stochastische Fahrbahneinflüsse. Typi-sche Fahrwerkkomponenten wie Quer- und Längslenker werden in den Materialeigenschaften, den Radien und der Oberflächen-güte wesentlich von diesen beeinflusst. Besitzt ein Lenker bei-spielsweise eine zu raue Oberfläche oder zu scharfe Radien, so begünstig dies den vorzeitigen Ausfall unter Dauerbelastung. Die Kenntnis der im Betrieb auftretenden Belastungen ist also entscheidend für die kundengerechte Konstruktion, Erprobung und Fertigung einzelner Komponenten.

Zur systematischen Erfassung der stochastischen Fahrbahn-einf lüsse wurden vom Institut für Fahrzeugtechnik reprä-sentative Stadt-, Landstraßen- und Autobahnstrecken in den Absatzmärkten Deutschland, Osteuropa und China mit Hilfe eines Unebenheitsmess-Systems vermessen. Die Kenntnis der gemessenen Fahrbahnunebenheiten erlaubt Aussagen über die Fahrwerkbetriebslasten im Kundenbetrieb.

Unebenheitsmessungen auf unterschiedlichen MärktenDas Unebenheitsmess-System basiert auf der linienförmigen Abtastung der Fahrbahn im Bereich vor den beiden Vorderrä-dern. Die Unebenheitsmessungen liefern ein zunächst fahr-zeugunabhängiges Ergebnis.

Bei den Unebenheitsmessungen wurden in allen drei Absatz-märkten repräsentative Strecken berücksichtigt, die nach den-selben Kriterien ausgewählt wurden. Der Begriff „repräsentativ“ bezeichnet in dem Zusammenhang Strecken, die von Pkw in nicht zu vernachlässigender Häufigkeit befahren werden. Bei der Stadtstrecke beispielsweise umfasst diese Definition unter ande-rem Fahrten zwischen dem Stadtzentrum und dem Flughafen, dem Bahnhof, den Wohngebieten, dem Diplomaten-Viertel, den Schulen und den Industriegebieten. Um hinreichend genaue Aussagen zur Verteilung der Fahrbahnqualitäten der untersuch-ten Absatzmärkte treffen zu können, wurden Messfahrten über jeweils mehrere tausend Kilometer durchgeführt.

Zur Auswertung werden die Fahrbahnprofile zunächst auf äquidistante Wegstützstellen umgerechnet und anschließend für jeweils 500 m lange Messabschnitte in den Wegkreisfre-quenzbereich überführt. Für jeden Messabschnitt wird die so erhaltene Spektrale Unebenheitsdichte durch eine Braun’sche Gerade [1] angenähert. Dadurch ist eine effiziente Beschreibung von stochastischen Fahrbahnunebenheiten in Form von Wellig-keit w und Unebenheitsmaß Φh(Ω0) möglich. Die Identifikation der Fahrbahnqualitäten wird systematisch für jeden Streckentyp eines Absatzmarktes durchgeführt, sodass im Ergebnis jeweils die Häufigkeitsverteilung der beiden belastungserzeugenden Parameter Unebenheitsmaß und Welligkeit vorliegt.

Schädigungsbewertung mit der 3F-KundensimulationZur Entwicklung einer Schädigungsbewertung der vermesse-nen Fahrbahnunebenheiten wird die 3F-Methode [2] verwen-det, welche es erlaubt, Fahrzeug-, Fahrer- und insbesondere Fahrumgebungseinflüsse auf die Fahrwerkbetriebslasten sys-tematisch zu variieren (Bild 1). Die praktische Umsetzung der 3F-Methode besteht in der Simulation des Kundenbetriebs mit dem Programmpaket MOVE3F (Modulare, variantenbasierte Entwicklungsplattform für 3F-Simulationen). Unterschiedliche Kundentypen fahren dabei ein Fahrzeugmodell über mehrere tausend Kilometer auf unterschiedlichen Streckentypen. Zur Abbildung der vertikalen Fahrwerklasten wird ein komplexes Zweispurmodell verwendet, welches statische, manöver- und fahrbahninduzierte Radlasten reproduziert.

In diesem Kontext stellt das Fahrumgebungsmodell einen wichtigen Punkt zur Entwicklung der Schädigungsbewertung für stochastische Fahrbahnunebenheiten dar. Im Fahrumge-bungsmodell erzeugt ein Unebenheitsgenerator für beide Fahr-

Bild 1: Entwicklung der Methode

Schädigungsbewertung für Fahrbahnunebenheiten

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Diesen Beitrag und viele weitere finden sie im Tagungsband, den sie als CD-Version beim DVM beziehen können.Diese und weitere Puplikationen können Sie direkt auf unser Website www.DVM-Berlin.de unter Puplikationen bestellen.

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spuren ein zunächst gleichverteiltes und wegdiskretes Zufalls-signal (Weißes Rauschen). Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass alle Frequenzen von null bis unendlich mit gleich großem Energiegehalt enthalten sind. Da reale Fahrbahnen jedoch keine gleichverteilte Folge von stochastischen Unebenheiten besitzen, zeigt deren Spektrum eine lineare, wegkreisfrequenzabhängige Verteilung der Leistungsdichte (Farbiges Rauschen), was durch die Braun’sche Gerade beschrieben wird.

Zur synthetischen Generierung von Fahrbahnunebenheiten wird das Weiße Rauschen derart verändert, dass Farbiges Rau-schen entsteht. Dies gelingt durch die Verwendung so genann-ter Formfilter. Sie verändern das Ausgangssignal des Rauschge-nerators, indem die Leistung in einzelnen Frequenzbereichen abgesenkt wird. Innerhalb des Fahrbahnmodells sind eine Viel-zahl unterschiedlicher Formfilter verfügbar, die jeweils definier-te Wertekombinationen von Welligkeit und Unebenheitsmaß erzeugen. Es können Fahrbahnen mit Welligkeiten von 0,25 bis 4 in Kombination mit Unebenheitsmaßen zwischen 0,1 cm³ und 1000 cm³ generiert werden.

Zur Ermittlung der Fahrwerkbelastung wird ein Zweispur-Fahrzeumodell, welches in der 3F-Kundensimulation von einem

statistischen Fahrermodell bewegt wird, verwendet. Der Vorteil dieser Methode besteht darin, dass repräsentative Geschwin-digkeitsprofile zusammen mit Beschleunigungs-, Brems- und Kurvenmanöver berücksichtigt werden. Diese werden direkt aus den für den jeweiligen Markt und den Streckentyp vorliegen-den Messdaten abgeleitet. Da die dynamische vertikale Radkraft wesentlich von der Fahrbahnqualität und der gefahrenen Ge-schwindigkeit abhängt, werden bei der Schädigungsbewertung unplausible Zusammenhänge beider Größen ausgeschlossen. Die Auswertung der Messdaten zeigt, dass extrem schlechte Fahrbahnqualitäten (mit beispielsweise Φh(Ω0) > 100 cm³) im Kundenbetrieb nicht mit Geschwindigkeiten größer 70 km/h befahren werden.

Zur Ermittlung einer Belastungs-Matrix für stochastische Fahrbahnunebenheiten werden je Absatzmarkt und Streckentyp 12 Welligkeitsklassen mit 12 Unebenheitsklassen kombiniert, sodass 144 einzelne Simulationsläufe mit MOVE3F durchge-

führt wurden. Jede Simulation des Kundebetriebs basiert auf einer definierten Art von stochastischen Fahrbahnunebenhei-ten. Im Ergebnis liegen 144 Kundenkollektive der vertikalen Radkraft vorne rechts vor. Jedes Kundenkollektiv wird durch eine Schädigungsrechnung nach der linearen Schadensakku-mulationshypothese in eine Schädigungszahl überführt. Da dabei eine Standard-Wöhlerlinie der Steigung k = 5 verwendet wird, wird im Ergebnis von der Belastungszahl anstelle der Schädigungszahl gesprochen. Die systematische Ermittlung der Belastungszahlen für alle modellierten Fahrbahnqualitä-ten führt zu einer Abhängigkeit der Belastungszahl von der Welligkeit und dem Unebenheitsmaß, welche in Form einer Belastungs-Matrix dargestellt wird.

Schädigungsbewertung von stochastischen FahrbahnunebenheitenDie oben erläuterte Methode zur Darstellung der Auftretenshäu-figkeit identifizierter Fahrbahnparameter eines Absatzmarktes wird nun mit der Belastungs-Matrix für den Kundenbetrieb in eine markt- und fahrzeugspezifische Belastungszahl überführt. Dazu werden die Belastungszahlen der einzelnen Welligkeits- und Unebenheitsklassen mit der Auftretenshäufigkeit am Ab-satzmarkt gewichtet und anschließend aufsummiert (Bild 2). Die resultierende strecken- und marktbezogene Belastungszahl beinhaltet die Fahrbahnunebenheiten, das kundenrelevante Geschwindigkeitsprofil, die Fahrzeugbeladung, sämtliche im Fahrzeug modellierten Einf lüsse (beispielsweise die Feder-Dämpfer-Abstimmung, die Fahrwerkkinematik etc.) und den Fahrstil des Kunden.

Für die drei oben genannten Absatzmärkte wurde mit dieser Methode ein relativer Betriebslastvergleich durchgeführt. Es zeigte sich, dass am osteuropäischen Markt die vertikale Be-lastungszahl für Stadtstrecken um +220 % über dem Wert für Deutschland liegt (Chinesische Städte +116 %). Auf Landstraßen sind die relativ schlechten Fahrbahnqualitäten in China ursäch-lich für den Anstieg der Belastungszahl um +170 % gegenüber Deutschland (Osteuropäische Landstrassen +26 %). Bei den Autobahnstrecken ist Deutschland der Markt mit der höchsten Fahrwerksbelastung (Osteuropa -70% und China -54%).

[1] Braun, H.: Untersuchungen von Fahrbahnunebenheiten und Anwendungen der Ergebnisse, Institut für Fahrzeugtechnik, TU Braunschweig 1969

[2] Janssen, A., Dlugosch, A., Küçükay, F.: Simulation of Representative Load Collectives for Chassis Components. FISTIA World Automotive Congress 2004, Barcelona, Technical Paper F2004F064, 2004

Bild 2: Anwendung der Methode

H. Kollmer (Bild), F. Küçükay Institut für Fahrzeugtechnik der TU Braunschweig

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DVM-N 50 • Oktober 2009 Deutscher Verband für Materialforschung und -prüfung e.V. Ehrung

Prof. Dr.-Ing. J. W. Bergmann , MFPA an der Bauhausuniversität

August-Wöhler-MedailleAuf der 36. Tagung des Arbeitskreises Betriebsfestigkeit wurde

Paul Heuler die August-Wöhler-Medaille verliehen.

Mit Paul Heuler wird ein Fachmann geehrt, der nicht nur über längere Zeit, sondern in seinem gesamten beruf lichen Leben herausragende Leistungen im o. g. Gebiet erbracht hat. Seine herausragende Qualität hat der DVM bereits im Jahre 1990 erkannt und mit der ersten DVM-Ehrennadel gewürdigt. Die damit verbundene Erwartung, dass seine

„beruf lichen Leistungen auch für die Zukunft wesentliche Ar-beitsergebnisse erwarten lassen“ (Textausschnitt für die Eh-rennadel) hat sich erfüllt.

Es ist sicher von Interesse, den Werdegang von Paul Heuler kurz zu verfolgen. Geboren 1952, studierte er in Darmstadt konstruktiven Ingenieurbau, erwarb hier gediegene Kennt-nisse der Mathematik und Mechanik, entscheidende Grund-kenntnisse für einen Betriebsfestigkeitsmann. Als wissen-schaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Werkstoffmechanik von Professor Seeger entwickelte er die experimentelle Kerbdehnungssimulation. Für verschiedene Standardlast-folgen wurden die örtlichen Dehnungslastfolgen berechnet, dann auf glatte Proben aufgebracht. Die experimentellen Lebensdauern konnten so mit den Lebensdauervorhersa-gen verglichen werden ohne die übliche Übertragbarkeits-problematik. Seine Dissertation zu diesem Thema kommt zu dem experimentell sauber herausgearbeiteten Ergebnis, dass die Schadensakkumulation unter Beanspruchung mit variablen Amplituden ein reines Werkstoffproblem ist.

Weitere Arbeiten galten dem Weglassen kleiner Schwing-spiele bei Betriebslastenversuchen. Hier schlug er einen mittelspannungsbewerteten Omission-Level von 50% der Dauerfestigkeit vor – für die von ihm untersuchten Kollek-tivformen. Sein Vorschlag hat heute noch, 25 Jahre später, volle Gültigkeit.Mit dem geistigen Rüstzeug aus der Forschung trat er 1984 in die IABG (Ottobrunn) ein, wo er sich in Forschung, Ent-wicklung und Dienstleistung mit Werkstoffen, Lastannah-men und Auslegungskonzepten befasste, vorwiegend in den Bereichen Flugzeuge, Fahrzeuge und Turbinen. 5 Jahre ge-hörte er dem AGARD Structures & Materials Panel der Nato an, dem weltweit wohl exklusivsten Kreis der Betriebsfestig-keitsfachleute. 1998 verließ er als Abteilungsleiter für Be-triebsfestigkeit und Schadensanalyse die IABG und wurde Leiter Festigkeit Karosserie/Gesamtfahrzeug mit den Auf-gaben Ableitung/Definition Festigkeit Gesamtfahrzeug bei der Audi AG, Ingolstadt, experimenteller und numerischer Festigkeitsnachweis und Freigabe.

Paul Heuler ist seit 1998 L e h r b e a u f t r a g t e r f ü r Betriebsfestigkeit an der TU München, seit 2009 Lehr-beauftragter am Steinbeis-Transferzentrum für Test Engineering, Mitglied im Editorial Board des Journal of Fatigue and Fracture of Engineering Materials and Structures, Reviewer wich-tiger Zeitschriften, und im-mer aktiv im DVM (Beirat, Programmausschuss des AK Betriebsfestigkeit), wo-für ihm unser besonderer Dank gilt.

„Die August-Wöhler-Medaille wird für herausragende Leistungen auf dem Gebiet der Werkstoffmechanik, Schwing festigkeit und Bruchmechanik sowie deren Umsetzung im beruf lichen Umfeld verliehen. Es ist nicht daran gedacht, Einzelarbeiten auszu-zeichnen, sondern Leistungen, die über längere Zeit hinweg auf hohem Niveau zur Lösung eines Problemkreises erbracht wurden. Dabei steht die praktische Anwendung im Vordergrund.“

Verleihung der August-Wöhler-Medaillev.l.n.r : C. M. Sonsino, M. Bacher-Höchst, P. Heuler und J. W. Bergmann

Dr.-Ing. P. Heuler, Audi AG, Ingolstadt

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Mitgliedschaft in zahlreichen technisch-wissenschaftlichen Vereinen, Verbänden und Gesellschaften. Genannt seien: Vereini-gung der Großkesselbetreiber, Verein Deutscher Eisenhüttenleute, Deutsche Gesellschaft für Materialkunde. Besondere Positionen:

Präsident des Deutschen Normenaus-schusses, wissenschaftlicher Beirat und Geschäftsführer des Deutschen Verbandes für Materialprüfung, Vor-sitzender der Gesellschaft zur För-derung zerstörungsfreier Prüfver-fahren, Vorstandsmitglied des TÜV Stuttgart, Vorstand des Verbandes der Materialprüfämter, Kurator und wissenschaftlicher Beirat des Vereins Deutscher Ingenieure und Vorsitzen-

der des Württembergischen Ingenieurverein.Ehrungen: Ehrenplakette des Württembergischen Ingenieur-

vereins im Verein Deutscher Ingenieure, DIN-Ehrenring des Deutschen Normenausschusses, Guilleaume-Gedenkmünze der Vereinigung der Großkesselbetreiber, Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, Dr.-Ing. E.h. der TH Darmstadt, Ehrenvorsitzender des Deutschen Verbandes für Materialprüfung, Ehrenmitglied des Verbandes der Material-prüfungsämter, Grashof-Denkmünze des Vereins Deutscher In-genieure.

E. Siebel kann als Vater der Materialprüfung und Umformtech-nik gelten. In den Fachgebieten Werkstoffmechanik, Elementare Plastizitätstheorie und Materialprüfung hat er bedeutende wis-senschaftliche Leistungen erbracht. Als Einzelergebnisse können genannt werden: Spannungszustand und Formänderungsver-mögen bei spröden und zähen Stoffzuständen, Fließkurven und Formdehngrenzen, die dynamische Stützziffer, die Berechnung der Gesamtkraft beim Tiefziehen von Blechen und die Ermittlung des Niederhalterdruckes zur Vermeidung von Faltenbildung. Die von ihm entwickelten Ergebnisse sind noch heute Basis für die Forschung und die industrielle Anwendung.

Ihm zu Ehren verleihen der Deutsche Verband für Materialprü-fung und -forschung e. V. (DVM) und die Europäische Forschungs-gesellschaft für Blechverarbeitung (EFB) die Erich-Siebel-Gedenk-münze, eine der wichtigsten Auszeichnungen der deutschen Werkstofftechnik.

Ein Liste aller mit der Siebel-Gedenkmünze Geehrten ist auf der DVM-Website zu finden.

Quellen:[1] Nachruf auf E. SiebeI, Z. Stahl und Eisen, 1962, S. 252[2] D. Blind: Geschichte der Staatlichen Materialprüfungsanstalt an der Universität

Stuttgart, 1971[3] W. Ruske, G. W. Becker, H. Czichos: Die Chronik. Bundesanstalt für Material-

forschung und -prüfung.[4] Wirtschaftsverlag NW, Bremerhaven, ISBN 3-89429-714-X

E. Siebel Deutscher Verband für Materialforschung und -prüfung e.V. DVM-N 50 • Oktober 2009

Erich Siebel, geboren am 17.5.1891 in Solingen, studierte Hütten-maschinen- und Walzwerkskunde an der TH Berlin-Charlotten-burg und promovierte zum Thema „Grundlagen zur Berechnung des Kraft- und Arbeitsbedarfs beim Schmieden und Walzen“. Im Anschluss an das Studium arbeitete er 1920 bis 1925 als Betriebsingeni-eur in der Grundstoffindustrie und in eisenverarbeitenden Werken des Ruhrgebietes (Dortmunder Union, Krefelder Stahlwerke). 1925 wurde er Abteilungsleiter im Kaiser-Wil-helm-Institut für Eisenforschung, Düsseldorf, mit dem Schwerpunkt „Bildsame Formgebung des Stahles“. Nebenamtlich hielt er an der Berg-akademie Clausthal im Harz die Vorlesung „Bildsame Formung und Festigkeit“. E. Siebel führte umfangreiche Untersuchungen an Kesselböden durch, die zu einer neuen Berechnungsformel führten. Die Neugestaltung der Werkstoff- und Bauvorschriften für den Großkesselbau in dieser Zeit gehen vor allem auf seine Forschungsarbeiten zurück.

1931 wurde E. Siebel als Ordentlicher Professor für Werkstoff-kunde, Materialprüfung und Festigkeitslehre an die TH Stuttgart berufen. In dieser Zeit befasste sich E. Siebel intensiv mit Fragen der Materialprüfung und der Berechnung, wobei er über die tra-ditionell geprägten Vorstellungen der Elastizitätslehre durch Ein-bindung der Plastizitätstheorie hinausging. 1940 wurde E. Siebel zum Präsidenten des Staatlichen Materialprüfungsamtes MPA in Berlin-Dahlem (heute Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, BAM) ernannt. Zugleich war er Ordinarius an der TH Berlin. Er hat das MPA, das von seinem nationalsozialistischen Vorgänger in eine schwierige Lage gebracht worden war, organisa-torisch konsolidiert und durch kluge Personalentscheidungen die Grundlage für den Weiterbestand nach 1945 geschaffen. Maßgeb-lich war er an dem Zusammenschluss des MPA mit der Chemisch-Technischen Reichsanstalt CTR nach dem Krieg beteiligt.

Von 1947 bis zu seiner Emeritierung 1957 nahm er wieder seinen alten Lehrstuhl ein und leitete die Staatliche Materialprüfungsan-stalt an der Stuttgarter TH. 1950/51 war er Rektor. Intensiv setzte er sich ein für die Weiterführung und Gründung von Ausschüssen und Verbänden, in denen die Arbeiten aus der Vorkriegszeit fortge-führt werden konnten. Genannt seien der Fachnormenausschuss Materialprüfung (1947), der Deutsche Dampfkesselausschuss (1949) und der Deutsche Verband für Materialprüfung (1954). Wesentliche Arbeiten im Institut waren die Weiterführung der Werkstoff- und Bauvorschriften insbesondere für Dampfkessel, wobei die Schweißtechnik einen neuen Schwerpunkt bildete. Auch nachhaltige Untersuchungen zur Bauteilermüdung (Stützwirkung, Oberflächenrauheit) fallen in diese Zeit. 1953 hatte E. Siebel das

„Versuchsfeld für bildsame Formgebung“ gegründet, das sich den Verfahren der Blechumformung widmete. Hier wurden wesentli-che Modelle zu Umformvorgängen entwickelt und überprüft.

Erich SiebelFestigkeitsforscher, Materialprüfer und Umformtechniker

Erich-Siebel-Gedenkmünze des DVM und der EFB

Prof. Dr.-Ing. H. Zenner, TU Clausthal

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DVM-N 50 • Oktober 2009 Deutscher Verband für Materialforschung und -prüfung e.V. Empfehlung

acatech Empfehlungen zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit

von Materialwissenschaft und Werkstofftechnik in Deutschland

Dr. M.-D. Weitze 15. September 2009

Ohne gut funktionierende Werkstoff-Infrastruktur kann der In-novationsstandort Deutschland nicht funktionieren. Rund 70 Prozent aller neuen Produkte basieren auf neuen Werkstoffen. Werkstoffe sind ein „heimlicher Riese“, ein Wirtschaftszweig, des-sen Bedeutung in Deutschland vielfach unterschätzt wird, obwohl die werkstoffbasierten Branchen in Deutschland mehr als eine Billion Euro umsetzen. Die Deutsche Akademie der Technikwis-senschaften (acatech) nimmt mit Empfehlungen zu Materialwis-senschaft und Werkstofftechnik1] Stellung zu diesem Thema, das angesichts seiner wirtschaftlichen Relevanz in der Öffentlichkeit viel zu wenig präsent ist. Die Empfehlungen betreffen fünf Hand-lungsfelder:

1. Die öffentliche Wahrnehmung der Bedeutung von WerkstoffenUm die öffentliche Wahrnehmung der Werkstoffe zu erhöhen, bedarf es einer verstärkten Öffentlichkeitsarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft. Werkstoffe und ihre herausragenden, mitunter überraschenden Eigenschaften sowie ihre Beziehung zu Produk-ten und insbesondere zu Produktinnovationen des täglichen Ge-brauchs müssen für die Öffentlichkeit sichtbar gemacht werden.

2. Die Kette „Vom Material zum Produkt“Der Wissenstransfer entlang der gesamten Kette „Vom Material zum Produkt“ sollte durch eine stärkere Vernetzung und Koope-ration zwischen den beteiligten Akteuren gefördert werden. Hier ist der Austausch „über Köpfe“, insbesondere über Forscher aus Wissenschaft und Wirtschaft, besonders effektiv.

3. Lehre und StudiumMaterialwissenschaftliche und werkstofftechnische Studiengän-ge müssen ein klares Profil haben, aus dem ihre Zukunftsorien-tierung hervorgeht, damit die Studierenden auf sie aufmerksam werden. Dabei ist auch auf die Berufsaussichten hinzuweisen. Die Hochschulen sollten materialwissenschaftliche und werkstoff-

1] acatech (Hrsg.): Materialwissenschaft und Werkstofftechnik in Deutschland, Stuttgart, Fraunhofer IRB Verlag 2008.

technische Studiengänge „Vom Material zum Produkt“ gestalten. Die Lehrinhalte müssen ständig bedarfsorientiert weiterentwi-ckelt werden. Diesbezügliche Aktivitäten des neu gegründeten Studientags Materialwissenschaft und Werkstofftechnik sind zu unterstützen.

4. ForschungMaterialwissenschaftler und Werkstofftechniker müssen stärker zusammenarbeiten. Eine Vernetzung auf Verbandsebene schafft die neu gegründete Bundesvereinigung MatWerk, deren Aktivitä-ten zu unterstützen sind. Forschungsprojekte sollten interdiszip-linär gestaltet werden, ohne dabei Nischenbereiche für Fachleute auf Spezialgebieten zu vernachlässigen. Sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene sollte die Erarbeitung von Leitbildern und Roadmaps als koordinative Instrumente gefördert werden. Dies kann auch auf Projektebene eine Orientierung bieten und zwar über verschiedene Entwicklungsstufen und Entwicklungs-partner hinweg.

5. ForschungsförderungDie Förderorganisationen sollten ihre Programme möglichst flexibel gestalten und gleichzeitig untereinander besser abstim-men, um eine durchgängige Förderung von der Grundlagenfor-schung bis zur Produktentwicklung sicher zu stellen. Bei der themenseitigen Fokussierung der Forschungsförderung sollten sie den traditionellen Werkstoffen ebenso Gewicht beimessen wie den sogenannten Hightech-Werkstoffen.

Damit die Empfehlungen nicht in Schubladen verschwinden, son-dern auf ihrer Basis verändert und verbessert werden, verfolgt acatech verschiedene Kooperationen und stimmt sich mit weiteren Akteuren (wie der Bundesvereinigung MatWerk und dem Studien-tag MatWerk) ab. Gemeinsam mit dem Fraunhofer-Verbund Werk-stoffe, der die Erstellung des Promotorenbeitrags „Zukunftsfeld Werkstofftechnologien“ der Forschungsunion unterstützt hat, soll die internationale Situation der Materialwissenschaft und Werk-stofftechnik analysiert werden, einschließlich eines kontinuierli-chen Monitorings der strategischen Aktivitäten.

Weitere Informationenhttp://www.acatech.de/themennetzwerk-m+w

KontaktDr. Marc-Denis Weitze / Referent Projektzentrumacatech - DEUTSCHE AKADEMIE DER TECHNIKWISSENSCHAFTEN [email protected]

GeschäftsstelleResidenz München, Hofgartenstraße 2, 80539 MünchenT +49(0)89/5 20 30 970 / F +49(0)89/5 20 30 99

www.acatech.de

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Nachruf Deutscher Verband für Materialforschung und -prüfung e.V. DVM-N 50 • Oktober 2009

Nachruf auf Walter Schütz von Helmut Naundorf

Walter Schütz lernte ich 1972 bei einem Vortrag an der TU München kennen. Ich war damals Leiter der kleinen Abteilung

„Gestaltfestigkeit“ innerhalb des „BMW-Laborversuchs“. Von dem Vortrag habe ich nur wenig verstanden. Als ich zwei Jahre später die Leitung

„Laborversuch“ übertragen be-kam, änderte ich den Namen in „Betriebsfestigkeit“, nach-dem ich mit Walter Schütz ers-te Kontakte hatte und über ihn Ernst Gaßner kennen gelernt hatte. Die Betriebsfestigkeit war fortan mein Thema. Ich hatte viele lehrreiche Gespräche mit ihm - und verstand nun auch, was man mit dem „Relativen Miner“ alles machen kann.

Ab ca. 1975 beauftragte BMW externe Institute, um die eige-nen Ergebnisse „abzusichern“. Es boten sich das LBF (Gaßner und Nachfolger) und die IABG (Walter Schütz) an. Mein erster BMW-Industrieauftrag an die IABG beinhaltete eine Unter-suchung an Pleuelschrauben. Sein damaliger „Jungingenieur“ Manfred Hück erinnert sich noch heute mit Begeisterung an diesen Auftrag. Auf Grund von Platzmangel wurde bei BMW entschieden, daß für das Labor extern die Möglichkeit genutzt werden sollte, Prüfstände aufzustellen und betreiben zu lassen (wegen der örtlichen Nähe bevorzugt bei der IABG). So wurde über viele Jahre in neue (z. B. Fahrdynamischer Räder-prüfstand) oder die Erweiterung vorhandener Prüfeinrichtungen investiert. Dadurch stiegen Walter Schütz und seine Mitarbeiter in Pkw-prüftechnisches Know-How ein. Hinzu kam, daß er die Gabe und das Glück hatte, hervorragende Mitarbeiter um sich zu scharen. Diese sind heute in verantwortungsvollen Positio-nen und in der Szene jedem bekannt: u. a. Joachim Bergmann, Paul Heuler, Michael Vormwald und Harald Zenner. Und nicht zu vergessen: Seine hervorragende Sekretärin Frau Woitschach. Die IABG bot diese Pkw-spezifischen Dienstleistungen auch anderen Firmen an. In rascher Folge bekam Walter Schütz‘ Abteilung Aufträge von weiteren Pkw-Herstellern und auch von Pkw-Zulieferern. Durch seine neutrale Kooperation kamen die Protagonisten dieser Firmen untereinander in Kontakt - nicht als Wettbewerber - sondern als Kollegen zum gleichen spannenden Thema „Betriebsfestigkeit“.

Und dieses Fachgebiet war auch Walters großes Engagement beim DVM. Er war von Anfang an im Programmausschuß des DVM-AK Betriebsfestigkeit (Gründungs-Obmann Erwin

Haibach, 1976) und hat bis 1998 sehr aktiv die Planungen der Jahrestagungen mitgestal-tet. Bei den Tagungen selbst trat er oft als Referent auf. Als Diskussionsteilnehmer war er bei anderen Referenten ob sei-ner präzisen und fundierten Nachfragen gefürchtet. Der DVM bedankt sich bei Walter Schütz für viele herausragende Tagungsbeiträge.

Als ich in den Ruhestand trat, bot mir Walter das Du an, worauf ich heute noch stolz bin. Wir hatten viele gemein-same Aktivitäten. So machten wir, teilweise gemeinsam mit anderen Betriebsfestigkeitlern, Städtereisen in Süddeutschland, Südtirol und der Schweiz.

Eines seiner Hobbys ist be-sonders hervorzuheben: Walter liebte klassische Musik über al-les und er war ein eingefleisch-ter Wagnerianer. Er hatte alle Wagneropern, auf Platte und auf CD und jeweils in un-terschiedlichen Aufnahmen.

Wenn er von Wagner und Bayreuth schwärmte, kam er immer wieder auf einen berühmten Live-Mitschnitt der Oper Parsifal zurück: die Aufnahme Bayreuth 1951 mit Hans Knappertsbusch (Dirigent), Martha Mödl (Kundry) und Wolfgang Windgassen (Parsifal) war für ihn der absolute musikalische Höhepunkt.

In den letzten Jahren wurde Walter dann noch Sammler von Schiffsmodellen (1:1250 Neptun). Er hatte an die 100 Modelle von Schiffen aus aller Herren Länder, eine großartige Sammlung.

Abschließend möchte ich noch seinen trockenen Humor er-wähnen, der meist völlig unerwartet in einer Gesprächsrunde auftauchte. So werden Dich, Walter, Deine Freunde in Erinne-rung behalten.

Lieber Walter, Du wirst uns fehlen.

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Nachruf auf Walter Schütz von Harald Zenner

DVM-N 50 • Oktober 2009 Deutscher Verband für Materialforschung und -prüfung e.V. Nachruf

Mit dem Tod von Walter Schütz hat das Fachgebiet Betriebsfestig-keit einen bedeutenden Nestor verloren. Wer ihn persönlich kennen gelernt und erlebt hat, wird von seinem Tod betroffen sein, denn seine Stimme hatte besonderes Gewicht.

Walter Schütz wurde am 15.1.1929 in Nürnberg geboren und machte dort 1949 am Humanistischen Gymnasium sein Abitur. Nach einer Facharbeiterlehre studierte er von 1953 bis 1957 an der TH München Maschinenbau. Es folgte eine kurze Industrietätigkeit bei der Deutsche Shell AG in Hamburg. Entscheidend für ihn war seine Tätigkeit im Laboratorium für Betriebsfestigkeit (LBF) Darm-stadt als wissenschaftlicher Mitarbeiter von Ernst Gaßner.

Wenn man den Beginn der Betriebsfestigkeit auf 1938 datiert, d.h. auf die Durchführung der ersten Schwingversuche mit variabler Amplitude durch Ernst Gaßner, so fällt die Tätigkeit von Walter Schütz im LBF von 1957 bis 1968 in eine frühe Entwicklungs-phase dieses Fachgebietes, in der entscheidende Weichenstellun-gen erfolgten. Walter Schütz war daran maßgeblich beteiligt. 1965 promovierte er an der TH München mit dem Thema „Über eine Beziehung der Lebensdauer bei konstanter und bei veränderlicher Beanspruchungsamplitude und ihre Anwendbarkeit auf die Bemes-sung von Flugzeugbauteilen“.

1969 wechselte er zur Industrieanlagen Betriebsgesellschaft mbH (IABG), Ottobrunn, wo er als Leiter die neue Abteilung „Schwing-festigkeit und Bruchmechanik“ aufbaute. Diese Abteilung hat sich durch ihre wissenschaftlichen Arbeiten und die enge Zusammen-arbeit mit der Industrie ein hohes Ansehen erworben. Insbesondere ist es ihm gelungen, eine Gruppe hervorragender Fachleute mit unterschiedlichen Schwerpunkten um sich zu versammeln.

1994 ist er, also nach 25jähriger Tätigkeit in der IABG in den Ruhestand gegangen. Über viele Jahre ist er seinem Fachgebiet verbunden geblieben. Am 1.10.2009 ist er nach längerer Krankheit verstorben. Im Mittelpunkt seines Interesses stand die rechnerische und experimentelle Lebensdauerabschätzung von Bauteilen unter realistischen Betriebsbeanspruchungen. Über Jahrzehnte hinweg hat er immer wieder kritisch zu den rechnerischen Verfahren (Nennspannungskonzept, Örtliches Konzept, Rissfortschrittskon-zept) und zur Schadensakkumulation bei schwingender Beanspru-chung Stellung genommen. Typisch für ihn ist die Unterscheidung zwischen wissenschaftlicher und industrieller Lebensdauervorher-sage. Den Begriff „relative Lebensdauervorhersage“ hat er wesent-lich geprägt. Das Thema „Übertragbarkeit“ hat in seinen Arbeiten einen großen Raum eingenommen, d.h. die Frage inwieweit mit an Probestäben ermittelten Kennwerten das tatsächliche Bauteilverhal-

ten beschrieben werden kann. Das Thema „Standardisierung von Last-abläufen“ hat er mit großem Engagement betrieben. Nahezu alle heute vorliegenden Standards (GAUSS, FALSTAFF, HELIX-FELIX, WASH, WAWESTA, CARLOS usw.) sind auf seine Initiative, oft auch mit seiner Beteiligung, zurückzuführen. Weitere wichtige Themen waren seine Arbeiten zur Erhöhung der Schwingfestig-keit durch Randschichtbehandlung und die Schwingfestigkeit von Luftfahrtwerkstoffen unter korrosiven Umgebungsbedingungen. Er dürfte als erster in Deutschland Bruchmechanikversuche durch-geführt haben (Veröffentlichung 1969).

Die Anzahl seiner Vorträge und Veröffentlichungen ist nicht genau feststellbar, sie dürfte aber jeweils über 200 liegen. Unbe-dingt zu nennen ist die hohe Qualität der Untersuchungsberichte, die in seiner Abteilung entstanden sind und die eine lehrreiche Schule für seine Mitarbeiter darstellten. 1992 ist seine „Geschichte der Schwingfestigkeit“ bis 1990 erschienen, die in Deutsch und Englisch vorliegt. Hierbei handelt es sich um eine außerordent-lich kenntnisreiche, lebendige aber auch subjektive Darstellung der Schwingfestigkeitsforschung seit Albert und Wöhler. Diese Subjektivität ist ehrlich, da er die Kriterien für seine Bewertung von Forscherpersönlichkeiten und Schulen klar definiert: „War das Ergebnis der Arbeiten später nutzbar oder nicht? Handelt es sich um Einzelbeobachtungen oder wurden daraus Schlussfolgerun-gen gezogen?“. – Die „Geschichte der Schwingfestigkeit“ wurde inzwischen von ihm unter Mithilfe von Paul Heuler bis 2006 er-weitert.

Walter Schütz war tätig in zahlreichen Verbänden, Forschungs-vereinigungen und Arbeitskreisen. Auf internationaler Ebene sind zahlreiche Konferenzen zu nennen, so wie die AGARD (Advisory Group for Aerospace Research & Deveopment) und ICAF (Interna-tional Committee on Aeronatical Fatigue). Wer ihn in technischen Diskussionen erlebt hat, wird dies nicht vergessen. Ihm stand ein außerordentliches Fachwissen in allen Details zur Verfügung und er kam sehr schnell auf das Wesentliche eines Problems.

1993 wurde ihm vom DVM die Erich-Siebel-Gedenkmünze ver-liehen. In seiner Laudatio kommt Erwin Haibach zu folgender Charakterisierung: „Es wäre ein ungeeigneter Versuch, die Verdienste von Dr. Walter Schütz auf bestimmte herausragende Arbeiten zurückführen zu wollen. Eine ihm angemessene Würdigung muss die Gesamtheit seines Wirkens berücksichtigen …

Immer wieder bezeichnend für ihn ist die Ehrlichkeit seiner Kritik, die er auch auf sich selbst anwendet …“.

Impressum Die DVM-Nachrichten sind die Verbands-mitteilungen des Deutschen Verbandes für Materialforschung und -prüfung e. V.

DVM-Geschäftsstelle: Unter den Eichen 87, 12205 Berlin Tel. (030)8113066 / Fax (030) 8119359E-Mail: [email protected]

Geschäftsführung: Kathrin Leers, Dipl.-Kfm.

DVM-Redaktion: Joachim W. Bergmann, Prof. Dr .-Ing.MFPA an der BauhausuniversitätCoudray-Str. 9, 99423 WeimarTel. (03643)564301 / Fax (03643) 564201

Harald Zenner, Prof. Dr.-Ing. Narzissenhang 1, 01328 DresdenTel. (0351) 2632516 / Fax (0351)2631852

Jan Kallweit, Dipl.Ing.,DVM-Geschäftsstelle

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Veranstaltungen Deutscher Verband für Materialforschung und -prüfung e.V. DVM-N 50 • Oktober 2009

TAGUNGEN

23.+24.02.2010, PaderbornDVM-Arbeitskreis Bruchvorgänge „Bruchmechanische Werkstoff -und Bauteilbewertung:Beanspruchungsanalyse, Prüfmethoden und Anwendungen“

14.+15.04.2010, Darmstadt3. Tagung des DVM-Arbeitskreises Zuverlässigkeit mechatronischer und adaptronischer Systeme

28.-30.04.2010, BerlinDVM-Tag 2010 „Die Eisenbahn und ihre Werkstoffe - Neue Entwicklungen in der Bahntechnik“

16.+17.06.2010, DarmstadtTagung in Zusammenarbeit mit dem Forschungskuratorium Maschinenbau des VDMA „Neue Entwicklungen für die Bauteilfestigkeitsnachweise“

30.08.-03.09.2010, Dresden18th European Conference on Fracture (ECF 18)

06.+07.10.201037. Tagung des DVM-Arbeitskreises Betriebsfestigkeit „Auslegungs- und Absicherungskonzepte der Betriebsfestigkeit – Potenziale und Risiken –“

FORTBILDUNGSSEMINARE

22.02.2010, PaderbornDVM-Arbeitskreis Bruchvorgänge „Ingenieurmäßige Bewertung fehlerbehafteter Bauteile bei kombinierter Belastung“

04.+05.03.2010, Berlin„DIN EN ISO/IEC 17025 für Anwender: Die Berechnung der Messunsicherheit“

15.+16.03.2010, Stuttgart„Mechanisch-technologische Prüfmethoden“

17.+ 18.03.2010, Esslingen„Bauteilschäden – Ursachen und Folgerungen“

05.10.2010, MünchenDVM-Arbeitskreis Betriebsfestigkeit „Von der Betriebsmessung zur Lastannahme“

WORKSHOPS

27.+28.01.2010, Ulm„Prüfmethodik für Betriebsfestigkeitsversuche in der Fahrzeugindustrie“

Weitere Informationen unter

www.dvm-berlin.dei