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eigenart #76-80

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Studierendenmagazin der Universität der Künste Berlin

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eigenart #80

Juni 2011

AStA-Studierendenmagazin der Universität der Künste Berlin

Zurück in die Vergangenheit

eigenart

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Intro

Du hast die Gegenwart hinter dir gelassen und befindest dich im Jahr 1991. Ein wun der volles Jahr. Ein ereignisreiches Jahr: Das Rebhuhn ist Tier des Jahres, die ersten ICEs durchkreuzen Deutschland, während sich die deutschsprachigen Schwestern der Perpetuellen Indulgenz gründen. Ein ganzer Haufen Staaten, damals noch Teile der UdSSR, erklären ihre Unabhängigkeit, die Scorpions können daraufhin mit „Wind of Change“ einen Nummer-Eins-Hit landen. Zwangsläufig sterben Serge Gainsbourg und Miles Davis. Dafür erweckt die 5300 Jahre alte Gletschermumie Ötzi in Österreich zu neuem Leben und Nirvana veröffentlichen ihr Album „Nevermind“. Die Schweizer fei ern 700 Jahre Eidgenossenschaft, in Deutschland dagegen fällt wegen des Golfkriegs der Karneval aus. In Berlin findet dafür die erste Mayday-Veranstaltung statt und Diego Maradona wird als Koksnase entlarvt. Außer dem wird das World Wide Web welt weit zur allgemeinen Benutzung frei gegeben und die eigenart gegründet.

Ein kleiner Kreis aus schreib- und kopier-wütigen Studierenden hatte es sich 1991 zur Aufgabe gemacht, mit einem gefalteten Din A3 Blatt – in Xerox-Ästhetik – Informa-tionen unter die Studierenden zu streuen. Sie nannten es EigenArten, wohl im Bezug auf die unzähligen, verwirrten HdK-Stu-dierenden, und legten damit den Grundstein für die hier materialisierte Ausgabe #80.

herzlich willkommen in der vergangenheit.

P.S.: Ausgabe 80? „Könnt ihr nicht

zählen?!“ wird sich der ein oder andere

fragen, denn die letzte Ausgabe zierte

die Zahl 75. Mit einfacher Addition

haben wir keine Schwierigkeiten, nur

hat uns die Vergangenheit in Form von

vier bisher unbekannten Ausgaben ein­

geholt und damit sind wir jetzt weiter

als gedacht.

Das haben wir zum Anlass genommen, nicht nur 20jähriges Jubiläum zu feiern, son -dern auch zu fragen, wie wir die Vergan-genheit gestalten.

Einerseits erschaffen wir diese erst durch die Handlungen in der Gegenwart, andererseits formen wir das Vergangene immer wieder neu. Wie wir erinnern ist identitäts- und kulturstiftend; und damit auch immer Teil der Zukunft. Neben dem kulturellen Aspekt ist Erinnerung und Gedächtnis auch ein neurologischer, biochemischer Prozess im Ge hirn. Elektrische Signale durchlaufen Neuronen; Transmitter übertragen diese Signale an den Synapsen von einer auf die nächste Nervenzelle.

Aus der Gegebenheit heraus eine Kunstuni-versität zu sein, widmen wir uns im Heft vor allem den kulturellen Aspekten. Ihr habt uns Beiträge zum Thema Sammeln und Aus-stellen, zu künstlerischer Intervention und (kunst-)geschichtlicher Auseinandersetzung geschickt. Die biologische Thematik haben wir aufgegriffen, indem wir die Gehirn-forschung des 19. Jahrhunderts zitieren und deren Erkenntnisse im visuellen Teil den künstlerischen Arbeiten gegenüberstellen.Inzwischen sind wir schon lang wieder im Jahr 2011 angekommen, 1991 bleibt und ist Vergangenheit, aber ohne sie könnten wir jetzt nicht Geburtstag feiern. Prost!Eure Redaktion

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inhalt

IntroInhalt

HolzhirnIt‘s called tomorrowFlamethrower / The Ceremony

Homeless

Genesis Raumschiff AntikAuf den Punkt kommen

Meine Chucks als Archiv

„Sammler sind glückliche Menschen.“

Sich bedienen

Kunst zeigen

Viel Zeit Hammer nicht

Kommunikation im Kontext

„Junge war det een zeck“

Aus dem AStA

Brilliant Void

Jubiläum Im Rausch der Seiten

Jubiläum Cover

Jubiläum drucken und pressen

Das Erbe Liebermann

Berlin. Damals Das olympische DorfBücher Termine & Infosmake your own zine

Impressum

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V I S U E L L

T E X T E

U N I V E R S I T Ä T

B E R L I N

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„Ich erinnere mich noch lebhaft. Ich stand auf dem Klo und wollte’ne Uhr aufhängen.

Der Beckenrand war nass; also rutschte ich ab und schlug hart mit dem Kopf auf. Als ich wieder

zu mir kam, hatte ich eine Offenbarung... eine Vision! Ich hatte ein Bild in meinem Kopf! Ein Bild hiervon. Dieser Kasten macht Reisen

durch die Zeit überhaupt erst möglich! Der Fluxkompensator!“

Von was spricht der Doc im Film

„Zurück in die Zukunft“ eigentlich?

Von einer Zeitmaschine oder

von seinem Hirn? Jedenfalls kann man

mit beiden Apparaten in die Vergangen­

heit reisen. Oder in die Zukunft.

Wir haben dazu die Bilder, denen wir

Zitate der Gehirnforschung

aus dem 19. und 20. Jahrhundert

gegenüberstellen.

visuell

V

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Frank Förster, Holzhirn, 2011

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Josephine Hans, it’s called tomorrow, 2011

„Schon wenn wir mittels der Erinnerung an unsere Vergangenheit, jener Fähigkeit, die wir als ein gewolltes und gekonntes Neuauf-leuchten aller der Ganglien bezeichnen müssen, welche bei einem früheren, einmal gegenwärtigen Ereignis direkt in Flammen-zeichen aufglühten, an unser Ich in solch einem rückwärts gelegenen Moment hin- zureichen versuchen, so schwebt schon um dies vergangene Ich ein Nebelschleier, eine verdunkelnde Wolke des Gewesenen herbei zwischen dem Jetzt-Ich und dem von damals.“

Carl Ludwig Schleich: Das Ich und

die Dämonen, Berlin: Fischer Verlag,

1920 S. 28f

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Chie Ying, The Ceremony of Burial, 2010

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Chie Ying, Flamethrower and the Attacking Action in the Distance, 2009

„Das Gedächtnis verbindet die zahllosen Einzelphänomene zu einem Ganzen, und wie unser Leib in unzählige Atome zer-stieben müsste, wenn nicht die Attraktion der Materie ihn zusammenhielte, so zerfiele ohne die bindende Macht des Gedächtnis-ses unser Bewusstsein in so viele Splitter, als es Augenblicke zählt.“ Ewald Hering: Über das Gedächtnis als

eine allgemeine Funktion der organi­

sierten Materie. Leipzig: Akademische

Verlagsgesellschaft, 1870

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Florian Reimann, Homeless, 2009-2010

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www.florianreimann.com

„Das Gehirn, ringsum in Schädelknochen eingemauert, ist das unzugänglichste aller Organe; noch verborgener ist sein inne-rer Bau: am dunkelsten aber ist sein Leben. Denn, selbst ein Körperliches, äussert das Gehirn keine eigenmächtige Bewegung, keine unmittelbare Bildung oder Umwand-lung von Stoffen, kurz, keine materielle Tätigkeit, durch welche es in das Leben der übrigen Organe eingriffe; selbst ein Ge -genstand der äussern Sinne, übt es nur eine innerliche Wirksamkeit aus, die wir teils nur durch Folgerungen aus sinnlichen Beobach-tungen mittelbar erreichen, teils nur in unsrem Bewustseyn inne werden. Dieses Innewerden selbst aber, diese Gemeinschaft unsres Ichs mit einem körperlichen Dasein, diese Verknüpfung des Denkenden mit einem Raumerfüllenden scheint einen Wi derspruch zu enthalten, dessen Lösung vielleicht unsre Kräfte übersteigt.“

Karl Friedrich Burdach: Vom Baue und

Leben des Gehirns. Leipzig: Dyk, 1826

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Am Anfang war das Licht. Dann verlegte Gott Fließestrich. Keine einfache Bodenausgleichsmasse, deren geringe Belastbar-

keit keinesfalls seinen Ansprüchen genügt hätte. Nein. Denn die Sonne, die zuvor entstanden war, schimmerte heilig aus dem Him melszelt und ermunterte Gott zu handwerklich hochgradiger Wertarbeit. Die Mörtelwanne war schon aufbereitet und Gott goss. Wasser goss er in die körnige Masse, die er zuvor aus ihren Säcken befreit hatte und zärtlich schöpfend mit seinen Fingern durchkämmt hatte. Durchkämmt hatte er die Körner und Spaß hatte es gemacht. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, wo man nur noch schluckweise goss. Das tat auch Gott.

Klack und klack. Mit diesen Lauten öffnete Gott den Kunststoff-koffer und entnahm ihm die feuerrote Hilti. Das war kein Kinder-spielzeug. Der Quirl wurde eingespannt. Klackend schnalzte das Bohrfutter, als es das Aufnahmeende des Quirls in sich verschlang.

An dieser Stelle sei festgehalten, dass Gott natürlich den Quirl, der über ein zylindrisches Ende verfügte, keinesfalls direkt in das Bohrfutter der Hilti stecken konnte. Manche Dinge gingen einfach nicht. Schließlich handelte es sich um einen Kombihammer mit SDS-Plus-Aufnahme, der mit zylindrischen Quirlenden über alle Maßen inkompatibel war. Ein Adapter mit Zackenkranzbohrfutter musste her und erfüllte seinen Zweck.

Gott benutzte keinen Betonmischer. Soviel stand fest. Es ging ihm um Hingabe bei der Schöpfung. Und Estrich galt es zu verlegen. Eimer für Eimer. Schluck für Schluck.

Nun quirlte die Hilti in Gottes Händen. Gott, was war das für ein Genuss. Erst hatte Gott überlegt, ob eine andere Maschine es nicht auch getan hätte. Doch jetzt wo er es quirlen ließ, da wusste er,

genesisText: Jonas Hofrichter

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Lola Göller, Raumschiff Antik, 2010

dass er die richtige Wahl getroffen hatte. Irren war ohnehin nicht sein Stil. Gerade bei der Schöpfung bot es sich an, alles richtig zu machen. Und da Gott zu Anfang ja das Licht erschaffen hatte, hatte er eine gesunde Basis für mehr geschaffen. Dieses herrlich helle Licht war wahrlich eine Grundlage für schöpferische Arbeit, die Spaß machte und wach hielt.

In Windeseile hatte sich Gott in eine meditative Arbeitswut hinein begeben, die es ihm ermöglichte, ohne jede Ermüdung und vol ler Eifer fortzufahren. Nicht einmal die Spur von Langeweile schlich sich ein, als Gott eine Mörtelwanne nach der anderen vorbereitete, wässerte und quirlte, um im Anschluss ihren gesamten Inhalt mit göttlicher Gleichmäßigkeit über die Erde zu verteilen. Dunkelgrau schimmerte das wässrige Gemisch und Gott wusste, dass es unbedingt nötig war, den Fließestrich zu verdichten.

Die Rüttelplatte dröhnte, weil Gott sie dröhnen ließ. Es störte ihn dabei kein bisschen, dass die Vibrationen, die durch seine Arme strömten, keinesfalls von ihm selbst ausgingen, sondern von der Rüttelplatte. Denn Gott war genügsam in seinem Schaffen. Hätte er es anders herum lieber gehabt, so hätte er es geschehen lassen.

Sicherlich hätte er die Rüttelplatte tausendmal so stark durchrüt-teln können, wie sie es mit ihm tat. Doch wozu hätte er eine Rüttelplatte verwenden sollen, wenn er derselben an dieser Stelle nicht den ihr eigenen, natürlichen Freiraum zum Rütteln gewährt hätte? Gott war nicht unbarmherzig und ließ die Maschine in ihrem unruhigen Wesen deshalb unangetastet. Er akzeptierte sie in ihrer Nützlichkeit und gab sich selig ihrem Rütteln hin.

Dass Gott vor dem Verlegen des Estrichs natürlich die Erde mit all ihrer Masse und Schönheit geschaffen hatte, dürfte sich wohl von

selbst erklären. Dieser Punkt wurde übergangen, weil sich der kluge Leser ja im Stillen denken kann: Ohne Erde kein Fließestrich und ohne Estrich keine Sonne.

Und wie Gott dort nun schuf unter der Sonne, die da schien, da merkte er in seinem Arbeitseifer um ein Haar nicht, dass er den dünnflüssigen Beton schon auf dem gesamten Teil der Erdoberfläche ausgebreitet hatte, der nicht dem Wasser gehörte. Und Gott sprach, als ihn diese Erkenntnis traf wie ein Donnerschlag: „Jetzt bin ich fertig für heute.“

Sieben Tage brauchte der Estrich, bis er soweit ausgehärtet war, dass er begehbar war, und über alles Weitere nachgedacht werden durfte. Dann kamen die Dinosaurier.

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Daniel Kupferberg, Auf den Punkt kommen, 2008

„Unser vergangenes Ich, der Versuch ihm nachzudenken, scheitert an der Vergeblich-keit, unser Ich aus verzuckten Phasen zu rekonstruieren. Es ist eine Grenze der Erinnerung da, wo eben noch kein volles Ich bestand, resp. wo es scheinbar, wie in Milliarden Fällen, so unbeteiligt war, dass wir keinerlei Erinnerungen an dennoch sicher Erlebtes mehr besitzen […]“

Carl Ludwig Schleich: Das Ich und

die Dämonen, Berlin: Fischer Verlag,

1920, S. 28f

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„Marty! Ich habe die Zeitmaschine nicht erfunden um Profitstreben zu unterstützen. Sondern mein Ziel ist es, neue Erkenntnisse

über die Menschheit zu sammeln. Wo wir waren, wo wir hingehen. Die Probleme und

die Möglichkeiten, die Gefahren und die Versprech ungen. Vielleicht sogar eine Antwort

auf die allumfassende Frage: Warum?“

Diese letzte Frage werden wir dem Doc

aus „Zurück in die Zukunft II“ nicht

beantworten können. Eure Auseinander­

setzungen wie wir unsere Vergangenheit

gestalten, generiert auf den folgenden

Seiten immerhin ein paar Erkenntnisse

über die Menschheit.

texte

T

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Meine zwölf Jahre alten Chucks, in denen ich meine ersten Schritte in der Welt der Erwachsenen getan habe, tragen Wis sen. Sie sind Zeugen einer Zeit, in der erste Zigaretten von mir geraucht wurden und die Welt zur Eroberung offenstand; in der Gerhard Schröder Bundeskanzler werden sollte, Wikipedia gerade im Entstehen begriffen war und so etwas wie ein iPhone Lichtjahre entfernt schien.

Meine Erlebnisse und damaligen Gedanken lassen sich an diesem ausgelatschten Paar Schuhe wortwörtlich ablesen: Zitate und Symbole finden sich überall auf den Schuhen. Die Chucks sind aber mehr als das: Sie haben ihre eigene Geschichte vom Basketball -schuh zu Beginn des 20. Jahrhunderts, über den Punk der 70er bis zur Mainstream-Mode der Gegenwart. Zu der Zeit, als ich sie leidenschaftlich getragen habe, verstand man sie in meinem Umfeld als krude Mischung linker Popkultur und Konsumkritik, Vintage-style und Reminiszenz an Bands wie die Ramones; das Bekritzeln der Schuhe selbst war so ein Zitat. All das sagt schon eine Menge da-rüber aus, wie ich mich damals gesehen habe und wie ich mich heute sehe – in einer anderen Zeit hätte ich zu den Chucks eine andere Geschichte erzählt.

ein ding. viele geschichten — Objekte wie diese könne Wissensträger sein: Sie geben Auskunft über unser Selbst(bild) der Vergangenheit und von heute, aber auch über eine ganze Generation von Chucksträgern. Der Vergleich von vielen persönlichen Ge-schichten zu einem Paar Chucks würde Interessantes zu Tage fördern, das mehr ist als die Summe seiner Teile: Die Befindlichkei-ten einer Konsumentengruppe, zusammengefasst in Gemeinsamkei-ten und Differenzen. Unter erzähltheoretischen Gesichtspunkten ist der Ansatz, Dinge nach ihrem Wissen zu befragen, neu: Schlossen die Strukturalisten in den 60er Jahren alles Nicht-textliche wie Bilder, Filme, Musik und Theaterstücke noch von einer Definition von Erzählungen und damit per se von einer Untersuchung als Wissensträger aus, so ist heute die Leitfrage des zeitgenössischen kulturwissenschaftlichen Diskurses für die Inklusion oder Exklusion von Dingen unter dem Begriff der Erzählung eher, ob ein Ding von einem Gegenüber eine narrative Antwort evozieren kann.

Das heißt, gefragt nach der persönlichen Bedeutung eines Objekts, kann der Antwortgebende eine Geschichte erzählen, in der Ereignisse chronologisch geordnet und kausal miteinander verbunden werden. Meine Chucks erzählen beispielsweise eine Geschichte von Freundschaft, die in der Schule begann, sich bald im Szene viertel der Stadt fortsetzte und bis heute reicht.

Es kommen Konzerte und durchgetanzte Nächte darin vor, erste Verliebtheiten und gebrochene Herzen, Zigaretten, Alkohol und kleine Notlügen gegenüber den Eltern.

das wissen der dinge — Unter diesen Vorzeichen werden alle semantischen Objekte zu potenziellen Wissensträgern und können einer Analyse unterzogen werden. Also Objekte der Mode wie meine Chucks oder das iPhone, das die halbe Menschheit vor sich her trägt – aber auch Architektur, Websites und vieles mehr. Unsere Gegenwart, in der die Fähigkeit zu konsumieren über die Zugehörigkeit zur Gesellschaft entscheidet und das Kaufen von Gütern mehr denn je über den Wert des Produkts „Selbst“ entscheidet, das an den Markt gebracht werden muss, ist geprägt von einer Dingkultur. Durch die Materialität der von ihr hervorge-brachten Objekte bietet sich uns ein unüberschaubares Repertoire möglicher Wissensquellen.

das ding und das selbst — Daraus ergeben sich mehrere Schlussfolgerungen: Die Dinge, mit denen wir uns umgeben, sind „Schöpfer der Menschen“, wie der Anthropologe Daniel Miller so schön sagt. Ihr Besitz manifestiert durch ihr Produktversprechen unsere Beziehungen zur Welt und dient uns als Instrument der Identitäts konstruktion, Präsentation und Selbstreflexion. Nach der Bedeutung unserer Besitztümer befragt, spiegelt unsere Geschichte zu den Dingen unseren gegenwärtigen Selbstentwurf in Relation zur Vergangenheit wider. Denn diese Besitzgeschichten sind immer retrospektiv, sie beginnen mit dem Erwerb des Objekts oder manchmal sogar davor. Gleichzeitig werden sie von einem Stand-punkt in der Gegenwart erzählt, sodass sich die Geschichten im Er zählen verändern, da Motive und Gedanken von damals im Licht von heute erzählt werden.

mit erzählungen ordnen — Die kognitive Erzählforschung hat in solchen persönlichen Geschichten ein Moment der Glorifizie-rung entdeckt, das durch unser Bedürfnis nach Kohärenz und Kau salität entsteht. Diese Sinngebung und die logische Verknüpfung von Ereignissen, die vielleicht nicht viel miteinander zu tun haben, hilft uns darüber hin wegzusehen, dass die Welt um uns herum chaotisch ist. Mit unseren Geschichten zu den Dingen und zu unseren Erlebnissen ver suchen wir, unserem Dasein im An gesicht des Chaos der Welt Sinn zu geben. Deswegen wird so oft von den

„gu ten, alten Zeiten“ gesprochen, aus denen die Dinge stammen. Sie sind Zeu gen der Zeit ihrer Produktion und Ver wendung, denn hinter dem Rücken des Produ zenten und Verwenders schreibt sich in die Geschichte des Dings unbemerkt die Gegenwart ein. Gesell-schaftliche und persönliche Nutzungskontexte werden ebenso dokumentiert wie die Einschreibungen des Produzenten, der ein Ding mit Bedeutung auflädt und mit einer Nutzungsintention versieht. Unsere narrative Antwort lässt sich dann nicht nur von unserem individuellen Erleben, sondern auch von der Produktions-intention der Dinge leiten, wie beispielsweise dem Produktver-sprechen und der Produktpräsentation. Das Unter nehmen Converse Inc. verkauft heute beispielsweise Chucks, auf denen das Anarchiesymbol der Punks bereits aufgenäht ist. Umwertungs- und Aneignungs prozesse der Marke wie sie in den 70ern durch die Punks stattfand oder in den 90ern von Teenagern wie mir, stehen damit unter stark veränderten Vorzeichen.

meine chucks als archivEIN E R Z Ä H L T H E O R E T I S C H E R

Z U G A N G Z U D I N G K U L T U R U N D

M A T E R I A L W I S S E N

Text: Lea Gimpel

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Illustration: Lasse Wandschneider, 2011

Unter diesen Voraussetzungen wird jedes persönliche Ding zu einem Dokument, welches das Potential einer persönlichen Er zählung birgt. In ihrer Gesamtheit bilden unsere persönlichen Gegenstände individuelle Archive. Da sich Archive nicht durch einen ungehemm-ten Sammelreflex auszeichnen, sondern die Selektion vielmehr eine entscheidende Funktion von Archiven ist, gibt die An- und die Abwesenheit der Dinge bereits eine Auskunft an sich. Wir nennen diese Auswahl dann „Erinnerungsstücke“.

wie wir auswählen — Mit Bezug zur Kunsttheorie von Boris Groys lässt sich unsere Auswahl mit einem Abwägen des Neuen gegenüber dem bereits Vorhandenen erklären. Groys unterteilt die Welt in kulturelle Archive, dem materialisierten Ge dächt nis einer Gesellschaft, und den profanen Raum, der frei von Archiven ist. Ein Ding wird für das kulturelle Archiv ausgewählt, „wenn es nicht ein-fach nur für irgendein bestimmtes indivi duelles Bewusstsein neu ist, sondern wenn es in Bezug auf die kulturellen Archive neu ist“, so wie etwa Duchamps „Fontaine“.

Kunstgeschichte ist deswegen die unendliche Geschichte neuer Aneignungen aus dem unerschöpflichen Raum des Profanen. Das Neue ist dann immer die Übertretung einer vorhandenen Wertgren-ze. Für das Aufbewahren unserer persönlichen Dinge lässt sich da raus ableiten, dass wir etwas gekauft und eventuell aufgehoben haben, weil sie eine neue Geschichte über uns und die Welt er zählen. Andere werden aussortiert, weil sie zu profan sind und eine redun dante Geschichte erzählen.

kontext wissen in museen — Die Museumswissenschaft hat bereits ein Interesse am Wissen der Dinge. In klassischen Heimat museen findet man beispielsweise eine Auswahl von Alltags -gegenständen, die durch ihre Repräsentationsfunktion Auskunft über frühere gesellschaftliche Kontexte und lokale Entwicklungen

geben sollen. Seit einigen Jahren stellt zudem das Museum of Broken Relationships in Zagreb Überbleibsel zerbrochener Bezie-hungen aus – hier werden auch die persönlichen Geschichten der früheren Besitzer zu ihrem Objekt dokumentiert, um die Bedeutung der Dinge im Kontext der Beziehung nachvollziehbar zu machen.

erzählungen erforschen — Das Materialwissen der Dinge, das sich in ihrer Anwesenheit manifestiert und das in nar -rativen Antworten weitergegeben wird, kann aber erst von echtem Interesse sein, wenn sich daraus mehr als eine individuelle Geschich-te gewinnen lässt. Der Vergleich vieler narrativer Antworten auf ein und dasselbe Ding und ihre Einbettung in den gesellschaftlichen Diskurs könnten einen solchen Ansatz fruchtbar machen. Es ließe sich ein Mosaik von Lebensent- und -verwürfen erstellen, das Ant -wort auf eine entscheidende Frage geben kann: Wie sich gesell-schaftlicher Wandel in der Dingkultur vollzieht und in den Lebens -entwürfen der Menschen reflektiert. Eine Nutzbarmachung dieses Ansatzes über die Museumswissenschaft und ihre verwandten Bereiche hinaus wäre dann beispielsweise als Komplement zu den quantitativen Methoden der Sozialwissenschaften zu denken und ließe sich im Kontext der Kulturwissenschaft etablieren.

Weiterlesen:

Moritz Baßler, Die kulturpoetische Funktion und das Archiv. Eine literaturwissenschaftliche Text-Kontext-Theorie. Tübingen: Francke Verlag, 2005 Boris Groys, Über das Neue, München: Carl Hanser Verlag, 1992 Daniel Miller, Der Trost der Dinge, Berlin: Suhr kamp Verlag, 2010

Lea Gimpel studiert Gesellschafts­ und Wirtschafts­

kommunikation und forscht für ihre Diplomarbeit zum Thema

„Erzählungen als Wissensquelle“.

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Zahnspangen-Sammlung von Norbert Jakobsen, Foto: Katrin Gruber

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„sammlersind glückliche menschen.“EIN E X K U R S I N D I E W E L T D E R S Y S T E M A T I S C H E N

A U F B E W A H R U N G

Begegnungen mit Sammlern hinterlassen Spuren. Man beneidet sie ein wenig. Ihr Tun und ihr Leben scheinen erfüllt. Sie sind getriebe-ne und zugleich zufriedene Menschen, denn Sammler haben keinen Zweifel daran, dass das, was sie tun, seine Richtigkeit und seine Berechtigung hat. Trotzdem wirken sie oft zurückhaltend. So als würden sie sich fragen, ob es jemand wert ist, ihre Schätze kennenzulernen.

In das Universum eines Sammlers einzudringen, ist immer Schock und Glück zugleich. Eine Sammlung ist Hort unzähliger Erinnerungen, der rote Faden einer Biografie, das Rückgrat eines Lebens. Sammeln ist eine Leidenschaft, sie ist Sehnen und Bedürf-nis, mitunter gar Besessenheit. Etwas zu finden, zu ordnen und zu bewahren bedeutet, die Dinge zu würdigen und sie vor dem Verschwinden zu retten. Wer systematisiert, setzt die Dinge unter- einander neu in Beziehung, lässt so im Unübersichtlichen eine Ordnung erkennen und verleiht in der Anhäufung auch Wertlosem eine eigene Qualität. Sammeln ist Sisyphusarbeit. Es endet niemals. Und das macht das Glück des Sammlers aus.

ursprung des sammelns — Man könnte sagen, dass der Sammlertrieb tief in den Genen sitzt, da schon in der fernen Urzeit für die kalten Winter gesammelt und gehortet wurde. Wer am meisten gesammelt und gut gelagert hat, konnte sicher den Winter überstehen. Bei der Jagd fielen ausserdem viele Nebenprodukte wie Felle und Knochen an. Die Felle dienten als Kleidung und aus den Knochen konnten Werkzeuge hergestellt werden. So wurden auch Waffen und Felle gesammelt und getauscht. Als Medizin wur -den Kräuter gesammelt. Damit waren diejenigen, die viel angesam-melt hatten, klar im Vorteil und wurden von den anderen geachtet. Bald darauf stellte der Mensch auch Schmuck her. Schmuck war ein Statussymbol, das Menschen, die viel davon hat ten, in ihrer Stellung

innerhalb der Gesellschaft anhob. Schon vor 40.000 bis 60.000 Jahren tauchten die ersten privaten Sammlungen auf. Die Bewohner einer Höhle in Frankreich haben Muscheln, Fossilien und Bleikris-talle in ihrer Höhle zusammengetragen. Nichts von den Dingen hatte einen Gebrauchswert – man konnte sie weder essen, noch als Werkzeug benutzen, aber sie waren schön. Heute ist diese Art der Sammlung nicht mehr nötig, trotzdem lebt es in unseren Genen weiter fort. Evolutionär gesehen unnötig, doch menschlich verhal-tenstypisch und vielleicht sogar notwendig.

akkumulation und ästhetik — Grob lässt sich das Sammeln in zwei Kategorien einteilen. Da wäre zum einen die Samm lung, die einzig damit beschäftigt ist, Gleiches zusammenzu-horten, ohne zu differenzieren, inwiefern sich diese Gleichen unter -scheiden. Frei nach Manfred Sommer, Professor für Philosophie in Kiel, wird dies als akkumulierende Sammlung bezeichnet. So zu finden bei der Müllsammlung oder beim Anhäufen von Klei dungs-stücken. Viele Menschen sind der Meinung, dass sie nicht zur Gruppe der Sammler gehören, weil ihnen gar nicht bewusst ist, wieviel sie im Alltag sammeln. Sei es der Müll im Mülleimer oder Bonuspunkte auf der Payback-Karte.

Die zweite Art des Sammelns, das ästhetische Sammeln, ist eine ganz bewusste Tätigkeit, deren letztendliches Ziel es ist, möglichst viel Gleiches zusammenzutragen. Dabei achtet der Sammler sehr genau darauf, welche Unter schiede zwischen seinen doch gleichen Objekten bestehen. Diese kleinen Unterschiede machen die Objekte für seine Sammlung so begehrenswert und einzigartig. Von jedem Objekt möchte er genau eines seiner Sammlung zuordnen. Zwei völlig Gleiche könnte er nicht gebrauchen, es sei denn, er kennt Menschen, die das Gleiche sammeln wie er, so kann er die Doppel-ten zum Tauschen benutzen. Das was beide Sammlungen miteinan-der verbindet ist die Tatsache, dass Dinge, die sich vorher weit verstreut im Raum befunden haben, nun zusammen sind. Der Unterschied ist die Erhaltung. Während eine akkumulierende Sammlung nur für kurze Zeit erhalten wird – vom Müll trennt man sich und die Bonuspunkte löst man ein – haben ästhetische Samm-lungen das Ziel, alles Gesammelte zu erhalten und vor dem endgültigen Verschwinden zu bewahren. Ein weiterer Unterschied ist der Nutzen. Die akkumulierende Sammlung ist immer von einer Nützlichkeit gekennzeichnet, was man von einer ästhetischen Sammlung nicht behaupten kann. Hier verliert der Sammelgegen-stand seine eigentliche Funktion. Man sammelt keine 1000 Radios, weil man soviel Radio hören möchte, aber man sammelt Bonus-punkte, weil man sie später einlösen möchte.

die kunst des sammelns — Oft sammeln wir Dinge nur, um sie anderen zeigen zu können. Wollen wir dies öfter tun, müssen wir die Dinge mitnehmen, nach Hause tragen und ihnen einen Platz in unserer Nähe geben. Nicht zuletzt, weil wir die Hoffnung in uns tragen, dass auch wir durch das her- und vorzeigen von Absonderli-chem und Kuriosem als beson deres Individuum betrachtet werden.

Doch inwiefern geht es dem Sammler ums Herzeigen und Präsentieren? Werden die Dinge wirklich immer und immer wieder hervorgeholt, um sie zu betrachten und sich an ihrer Schönheit, an ihrem besonderen Wesen, ihrer Abnormität schauend zu berau-

Text: Katrin Gruber

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Waffensammlung von Hans-Peter Schmid, Foto: Katrin Gruber

„Waffensammler sind Menschen wie alle ande -ren auch. Sie wollen nur diese Art von Kultur gütern erhalten. Die Waffen sind Teil der Zeitgeschichte und müssen genauso aufgehoben werden.“ Hans-Peter Schmid

653 Waffen: Hans­Peter Schmid bewahrt

seine Sammlung im Keller auf. Der Raum

ist mit einer 15cm dicken Panzertür

gesichert. Um die Tür zu öffnen, muss

man einen fünfstelligen Code eingeben.

So wie es in Deutschland vorgeschrie­

ben ist. In seiner Sammlung findet man

Waffen aus beiden Weltkriegen, denen

man deutlich ansieht, dass sie dort

auch zum Einsatz kamen. Herr Schmid

verbringt seine ganze Freizeit mit dem

Ordnen, Archivieren und Säubern der

Waffen. Außerdem ist er der Vorsitzen­

de des Kuratoriums zur Förderung von

historischen Waffen, schreibt regel­

mäßig Fachartikel und organisiert

Ausstellungen. Seiner Meinung nach

gehören historische Waffen zum Kultur ­

gut des Menschen, wie Gemälde, Möbel

oder Automobile. Dieses Kulturgut gilt

es zu bewahren und die damit ver­

bundenen geschichtlichen Ereignisse

aufzuarbeiten.

schen? Ist es nicht viel wichtiger zu besitzen?Sammeln und Ordnung sind untrennbar miteinander verbunden. Und Ordnungsprinzipien sind so zahlreich wie die zu ord -nen den Sammlungen, sie sind höchst individuell und verraten über den Ordnungsschaffenden vielleicht mehr als seine eigentliche Sammlung. Auch dem Chaos kann eine Ordnung zu grunde liegen, die nur von ihrem Verwalter begriffen und genutzt werden kann. Am Anfang einer Sammlung ist ein Ordnungssystem noch nicht von Nöten. Aber bald werden es mehr und mehr Sammelobjekte und der Sammler macht sich Gedanken wie er seine Samm -lung am besten ordnen und katalogisieren kann. Wichtig ist dabei, dass das Ding einen Namen hat und eine Nummer. Oft kommen dann noch Kategorien wie Alter, Farbe und Grösse hinzu.

Auch der Faktor Zeit spielt beim Sammler und Sammeln eine grosse Rolle. Zuerst muss der Sammler das Objekt seiner Begierde finden. Sei es auf Flohmärkten, Börsen oder im Internet. Wenn er es erworben hat und nach Hause bringt, wird es erst einmal er forscht. Er hat Fachliteratur zu Hause in der er den Gegenstand nachschlagen und sich darüber informieren kann. Dann wird der Gegenstand katalogisiert und in seine Sammlung eingeordnet.

jeder sammelt anders — Nicht nur die Sammlungsobjek-te können kategorisiert werden, auch Sammler lassen sich in verschiedene Sammlertypen einteilen: Der historische Sammler sammelt aus historischen Gründen. Der Reiz liegt am Erkennen geschichtlicher Zusammenhänge, welche durch die Sammelobjekte veranschaulicht werden. Je älter ein Objekt, desto wertvoller erscheint es in seiner historischen Bedeutung. Der idealistische Sammler sammelt Dinge, die im Laufe der Zeit in einer hochent-wickelten Konsumgesellschaft anfallen, um sie aufzuheben, damit sie aufgehoben sind, denn sonst würden sie in den Müll wandern. Dieser Sammler achtet nicht auf den Wert, er hat einfach Freude am Erhalten eines Objektes, welches einen Teil der Geschichte darstellt. Der Wert-Sammler ist ein Händler, der immer auf der Suche nach einem Schnäppchen ist, um diese dann an oft schon bekannte Sammler mit Gewinn weiterzuverkaufen. Der Wert Sammler kauft eher im Hinblick auf den steigenden Wert als auf den lang andauernden Besitz. Er kann sich leichter vom Objekt lösen, vorrausgesetzt der Gewinn stimmt. Der sentimentale Sammler sammelt eher aus Sehnsucht an die gute, alte Zeit. Sie versuchen, über ihre Sammelobjekte einen ewigen Bezug zu ihrer Vergangenheit, meist ihrer Kindheit, aufrechtzuerhalten. Dass manche Dinge im Laufe der Zeit wertvoller werden, interessiert sie nicht. Der Wert wird eher am Gefühlszustand gemessen: Wie sehr erinnert einen der Gegenstand an früher und wie gut ist er erhalten. Die ästhetischen Sammler sammeln aus Freude am ästhe-tischen Objekt. Dieses Sammelgebiet ist sehr stark von vorherr-

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Wandmasken-Sammlung von Claudia Gailus-Pölloth, Foto: Katrin Gruber

schenden Trends beeinflussbar. Der Wert eines Objektes spielt kaum eine Rolle und so werden diese Sammlungen dann auch diskret entfernt, wenn die Freude am Objekt nachgelassen hat. Der praktische Sammler sammelt praktische Dinge, die man ja vielleicht noch mal gebrauchen kann. Ihnen geht es überhaupt nicht um den Wert ihrer Sammlung. Eher sind sie darum bemüht, praktische Dinge zu besitzen, egal ob man sie oft benötigt oder ob man sie nur einmal benutzt. Ein Vollständigkeits-Sammler ist nie zufrieden zu stellen. Erst wenn eine Sammlung vollständig ist – was heutzutage fast unmöglich ist – sind sie in ihrem Sammeltrieb befriedigt. Die Freude des Sammelns liegt in der Vollständigkeit der Samm-lung. Dazu braucht man meist viel Geduld und Fachwissen. Der chaotische Sammler sammelt von allem ein bisschen. Sie haben kein System und auch kein besonders grosses Interesse am Ordnen.

Sie sammeln aus Freude am Sammeln, vermischt mit einer gewissen Besitzfreude. Chaotische Sammler sind nicht bereit, sich von Stücken aus ihrer Sammlung zu trennen. Extreme Formen dieser Sammelwut äussern sich darin, das es in der Wohnung kaum einen Platz zum Stehen gibt.

Texte und Fotografien sind Auszüge aus der Diplomarbeit von

Katrin Gruber. Sie studierte bis 2009 Visuelle Kommunika­

tion an der UdK und entwarf im Rahmen ihrer Abschlussarbeit

ein Magazinkonzept, mit dem Sammlungen und die dahinterste­

henden Persönlichkeiten vorgestellt werden sollten.

Page 22: eigenart #76-80

the atlas group / walid raad (1967) Mit der fiktiven Stiftung The Atlas Group hat der 1967 in Chba-

nieh (Libanon) geborene und heute in New York lebende Walid Raad die libanesische Gegenwartsgeschichte und hierbei vor allem die blutigen Bürgerkriege des Landes von 1975 bis 1991 erkundet. Dazu ist er seit 1999 mit Vorlesungen, Filmen, Fotoausstellungen, Videos und weiterem dokumentarischen Material an die Öffentlich-keit getreten. Walid Raad hinterfragt mit seinem künstlerisch-ima-ginären Archiv die vermeintliche Objektivität der Geschichtsschrei-bung.1 Es sind Fragen nach subjektivem Erleben und persönlicher Erfahrung, nach dem Erinnern und Erfinden von „Geschichte“ durch das Individuum.

Die Atlas Group findet, bewahrt, erforscht und produziert au-diovisuelle, fotografische, literarische und andere Dokumente. Diese sind in einer eigens geschaffenen Einrichtung mit Sitz in Beirut und New York organisiert, dem Atlas Group Archive. Das Archiv ist nach drei Aktenkategorien geordnet: Typ A (einem identifizierba-ren Individuum zugeordnet), Typ FD (aufgefundene Dokumente), Typ AGP (der Atlas Group zugeordnete Dokumente). […] Die Ordnungs- bzw. Verwaltungskriterien des Archivs werden in einem gut nachvollziehbaren Diagramm öffentlich transparent gemacht.2 Walid Raad wählt für das Anliegen der Atlas Group die Form eines staubtrockenen, neutralen Archivsystems, in dem Serien potentiell dokumentierter Ereignisse gehütet werden. Wobei die Dokumente

selbst undurchsichtig sind. [Walid Raad's] Hinweis, die Dokumente erzeugt zu haben, wird kaum wahrgenommen, weil sie ein so über-zeugendes Wirklichkeitspotential enthalten.4 Walid Raad verwies darauf, dass die Dokumente nicht real an die Erinnerung einer konkreten Person gebunden sind, sondern sich aus dem kollektiven Gedächtnis rekrutieren.5

Durch den fiktiven Charakter der Atlas Group formuliert Walid Raad explizit, dass Archive und ihre Dokumente, in welcher Form auch immer, nicht Abbilder einer an sich gegebenen Realität sind. Vielmehr legt er deren Konstruktion am Beispiel des libanesischen Krieges offen.6

Walid Raad ist Mitglied der Arab Image Foundation, einer gemeinnützigen Organisation, gegründet 1997 in Beirut, die es zum Ziel hat Fotografie aus dem Mittleren Osten, Nordafrika und dem arabischen Kulturraum zu sammeln, aufzuheben und zu studieren.

sich bedienenEINE Z U S A M M E N S T E L L U N G

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Text: Flavia Spichtig / Claudia Dorfmüller

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christian boltanski ( * 1944)Christian Boltanski arrangiert in quasi-musealen Anord nungen

scheinbar wertlose Alltagsgegenstände – Fotografien, Kleider, Dosen etc. – und verweist damit auf ihre Funktion als Erinnerungsträger, als Aufbewahrungsorte des persönlichen und kollektiven Gedächt-nisses.1

„Ich glaube, die Kunst ist ein Versuch dem Tod zu entkommen. Dem Fluch der Zeit. Die Kunst ist immer eine Art Scheitern. Ein Kampf den du nicht gewinnen kannst. Man kann nichts konser-vieren. Aber viele Künstler – nicht alle – versuchen es zu tun, wissend, dass es unmöglich ist. Und es ist gewiss, dass die ganze Ar-chivierungsarbeit die ich von Anfang an betreibe, dass dieser Wille Spuren von allem zu erhalten, einem Wunsch dieser Art entspricht. Einem Wunsch den Tod aufzuhalten.

Für mich gibt es keinen Fortschritt in der Kunst. Es gibt nur ei-nen zeitlichen Ablauf. Man verwendet eine andere Sprache als in der Vergangenheit, um die gleichen Fragen zu stellen, aber die Fragen bleiben immer die Gleichen. [...]"2

Christian Boltanski setzt sich in seinen Arbeiten [...] intensiv mit der eigenen Vergangenheit und ihrer Rekonstruktion auseinander. 1967 begann er, Vitrinen mit Objekten wie Zuckerstücken, handge-formten Erdkugeln und Spielzeugwaffen auszustatten, um so eine

typisch bürgerliche Kindheit fragmentarisch zu skizzieren. [...] In den 1970er Jahren arbeitete Boltanski wiederholt an den sogenannten Inventaren – Installationen, in welchen persönliche Gegenstände aus dem Besitz unbekannter, verstorbener Personen arrangiert und ausgestellt wurden.3

Momente seines [eigenen] Lebens konserviert [Boltanski] in beschrifteten Biskuitschachteln [...].4 „Das ist so ein Lieblingswitz von mir: Ich glaube ein Künstler ähnelt mit zunehmendem Alter sei-nem Werk und irgendwann ist er dann nur noch sein Werk. Ich sage immer Giacometti sah aus wie ein Giacometti. Francis Bacon mit seinem vom Alkohol verwüsteten Gesicht sah aus wie Francis Bacon. Und ich sehe aus wie eine Keksdose, weil ich so viel mit Keksdosen gearbeitet habe. Man wird zu seinem Werk. Ja, dem ist nichts hinzu-zufügen. Ich bin mein Werk. Ich bin eine Keksdose.“5

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hanne darboven (194 1 - 2009)[Hanne Darboven] schreibt ab und auf, rechnet und zählt, liest

und eignet sich durch diese Tätigkeit Kulturgeschichte an. Durch Zitate kulturgeschichtlich kanonisierter Quellentexte und deren Zusammenstellung schreibt sie Geschichte, ohne sie zu interpretie-ren. Die von ihr geschriebene Geschichte verlangt nach keiner wissenschaftlichen Objektivität oder Verallgemeinerbarkeit, vielmehr ist sie eingebunden in das komplexe Beziehungsgeflecht von Hanne Darbovens eigener Situation: Der Burgberg, ihre Familie, ihre Kindheit, ihr Leben in der alten und neuen Welt, die politischen Ereignisse, das „Tierleben“ und ihr Befinden geben dem delinearisti-schen Geflecht von Texten und Geschriebenem die Perspektive.1

Hanne Darboven entwickelte ihr eigenes konzeptuelles Schema bereits in den 60er Jahren. In der neutralen Sprache der Zahlen und mit Materialien wie Feder, Bleistift, Schreibmaschine und Millime-terpapier legte sie einfache lineare Ziffernkonstellationen an, die sie als Konstruktionen bezeichnete. Im Lauf der Zeit gelangte Darbo-ven zu einem neuen Verwendungsschema ihrer numerischen

Elemente. Sie erkannte, dass die Ziffern, die im gregorianischen Kalender das Datum markieren, als ein neutrales „grafisches Äqui -valent des im Grunde nicht-visuellen Phänomens Zeit“ herangezo-gen werden können und damit die Möglichkeit bieten, zu schreiben ohne zu beschreiben. Die Aufzeichnung der Zeit, die sich in Darbovens täglicher Datumsnotierung in verschiedenen Schreib-arten (Ziffern, Wörter) konkretisiert und auf einem ständig ver -feinerten, selbst erfundenen System basiert, wurde Schlüsselaspekt ihres künstlerischen Schaffens.2

In diese geordnete Struktur fügt Hanne Darboven literarische, poetische, politische Texte anderer Autoren ein. Die gesetzmässige Struktur ermöglicht es, die Texte so zu integrieren, dass sie nicht einem entwicklungsgeschichtlichen Nacheinander untergeordnet werden, sondern in Relation zu dem Zahlensystem stehen. Das Ge-setz der Zahl, das Hanne Darboven fasziniert, ist dabei kein starres Korsett, vielmehr stellt sie ihm die Relativität der Zahl zur Seite. Darboven erweitert die Perspektive damit, „dass eine 2 plus sein kann und minus sein kann“. Sie spricht so zwei Bewegungen an, die einem linearen Erzählen entgegenstehen.3

Ab 1975 befasste sich Darboven mit ihrem Hauptwerk, der Schreibzeit, in der sie erlebte Geschichte durch Zahlencodierungen, Worttexte, Diagramme und Fotografien festhält, „um sich des weit-gehend unbewußten Zeitflusses mit all seinen Informationen und Nachrichten zu vergewissern.“4

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ilya kabakov (*1933)Ilya Kabakov, der international erfolgreichste Vertreter des Mos -

kauer konzeptualistischen Kreises, ist als bildender Künstler bekannt für seine visuell-narrativen Installationen (post-)totalitärer Befind-lichkeiten im musealen Raum.1 1981 begann [Kabakov] seine Geschichte vom Mann, der niemals etwas wegwarf, eine Installation von verschiedenen Kisten mit Papieren, Notenblättern und allerhand Alltagsmüll.2 Die Installation ist ein schmales, kleines Zimmer, vielmehr ein kleiner Korridor von unregelmäßiger Form, der zwei Türen hat, von denen eine stets geschlossen ist. Das Zimmerinnere stellt eine Art Museum dar, überall sind Sammlungen zahlloser „Müllgegenstände“ zu sehen – Papierschnipsel, Stoffetzen, leere Schachteln und Büchsen, die gebündelt sind; alles ist sorgfältig in Schränken (es sind 2) und Vitrinen aufgebaut sowie auf besondere Papptafeln aufgeklebt, die an den Wänden hängen. Alles, selbst das kleinste Fitzelchen, ist mit Etiketten und Titeln versehen, durch-nummeriert und katalogisiert. Dieses eigenartige Museum ist zugleich ein Zimmer, das bewohnt wird, vom Sammler und Besitzer

dieses Müllmuseums, doch nirgends sind Gebrauchsmöbel zu sehen, weder ein leerer Tisch noch ein Stuhl, nur eine schmale Liege, die in die Ecke hinter dem Schrank unter das Regal mit der Konservendo-sensammlung geschoben ist.3

Kabakov [erfindet] die Person des „kleinen Menschen“, der in seinem Leben nichts wegwirft. „Abfall“ und „Müll“ werden zu einem Synonym für die Geschichte des Lebens. [...] In einem 1991 aufgezeichneten Gespräch definiert Kabakov den Müll:4 „Mit dem Müll assoziiere ich dreierlei. Erstens gibt er ein genaues Bild der sowjetischen Gesellschaft. Die gesamte Wirklichkeit ist ein einziger großer Müllhaufen. Zweitens ist der Müll für mich ein Archiv der Erinnerung, weil jeder weggeworfene Gegenstand immer mit einer bestimmten Lebensphase zu tun hat. Und drittens stellt sich mir unsere gesamte Kultur, die durch Unfertigkeit, Unvollkommenheit in der Form, Undurchdachtheit, Unaufgeräumtheit gekennzeichnet ist, als Müll dar. … Dreck und Müll bleiben konstante Faktoren unseres Lebens.“ 5

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Bürgertums, das seine Emanzipation durch Nachahmung höfischer Repräsentationsformen auszudrücken suchte. Die Ausstellungsme-thodik dieser ersten Museen wie zum Beispiel des British Museum oder des Louvre führte zu düsteren, überhäuften Innenräumen, in denen die Gemälde die gesamte Galeriewand bedeckten. Größere Gemälde wurden dabei auf farbigen Wandbespannungen im oberen Teil der Wand aufgehängt und nach vorn geneigt, damit sie besser zu sehen waren. Als Beleuchtung hatte man vor der Elektrifizierung nur das natürliche Oberlicht, welches durch raffinierte Konstruktionen in die Räume geleitet wurde.

3 — period room — Ab dem 19. Jahrhundert konzentrier-te sich die Zielsetzung der Museen und Ausstellungsinstitute im Wesentlichen auf folgende vier Arbeitsfelder: Sammeln, Bewahren, Forschen und Ausstellen. Der am Ende diese Jahrhunderts durch Wilhelm Bode entstandene Period Room war ein Ausstellungs-kontext, in dem alle Ausstellungsstücke (Gemälde, Möbelstücke, architektonische Fragmente) aus derselben Epoche stammten. Als Vorbild dienten mit Kunstwerken überladene Stadtvillen großbür-gerlicher Kunstsammler. Der Period Room kann als Vorstufe der heutigen Showrooms angesehen werden.

4 — diorama — Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurden die Wunderkammern von den heute üblichen Naturkundesammlungen abgelöst. Als größte Neuerung bei den Visualisierungskonzepten in-nerhalb dieser Sammlungen galt die Erfindung des Dioramas, einer Kombination aus Malerei und Objekten zur realistischen Nachbil-dung natürlicher Lebensräume. Die generelle Illusion von Raum, Distanz und Umgebung entsteht durch die richtige Veränderung des Maßstabs vom Vorder- zum Hintergrund, den scheinbar nahtlosen Übergang von plastischen Landschaftselementen in den gemalten Hintergrund und durch geschickte Beleuchtung. Dadurch kann eine fast perfekte Illusion von räumlicher Tiefe und Wirklichkeitsnähe erreicht werden – eine Art dreidimensionaler Trompe-l’œil-Malerei.

5 — white cube — Die in den 20er Jahren des 20. Jahrhun-derts entstandene Atelierästhetik des White Cube wurde zur modernen Konvention musealer Ausstellungspraxis. Seither ist es

Im Laufe der Jahrhunderte hat sich die Museumswelt stetig ver-ändert und war somit immer auch ein Spiegel sich wandelnder Gesellschaftsstrukturen. Die verschiedenen Ausstellungskonzepte, die sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelten, waren Thema des Blockseminars „Ausstellung ausstellen“ im Sommersemester 2010. Die Studierenden Jochen Moravek, Friederike Delius und Melanie Freier untersuchten und entwickelten Raummodelle von der Wun-derkammer bis zum White Cube im Maßstab 1:20.

1 — wunderkammer — Die in der Renaissance entstandenen Wunderkammern waren die frühesten Formen von Kunstdepots, die nach fester Systematik die fassbare Welt nach Kategorien und Klas -sifizierungen zu vereinen versuchten. Der für diese Sammlungen be nutzte Begriff „Wunderkammer“ bezieht sich sowohl auf das Wunderliche des Betrachtungsgegenstandes als auch auf die Ver-wunderung des Betrachters. Im Zentrum des Interesses stand eine Faszination für Raritäten und Kuriositäten, die teilweise aus mittelalterlicher Volks kunde, humanistischer Wiederbelebung der antiken Geisteswelt und technisch-wissenschaftlichen Neuerungen herrührte.

Die fürstlichen Sammlungen bezweckten, den universalen Zusammenhang aller Dinge darzustellen, mit dem Ziel, eine Welt -anschauung zu vermitteln, in der Geschichte, Kunst, Natur und Wissenschaft zu einer Einheit verschmolzen. Als eigentliche Verdichtung der Ästhetik der Kunst- und Wunderkammern gelten die raumfüllenden Kunstschränke, die zur Aufbewahrung von Sammlungsobjekten dienten, aber ihrerseits Sammlungsobjekt waren; versteckte Schubladen und symbolbeladene Verzierungen luden zum Sich-Wundern, also zur Suche und Deutung ein.

2 — salon de paris — Ein entscheidender Auslöser für den Funktionswandel der privaten Schatzkammern zu bürgerlichen Mu-seen war die Französische Revolution, welche die Institution Muse-um endgültig zu einer Bildungseinrichtung der bürgerlichen Öffent-lichkeit machte. Im 18. Jahrhundert entstand in Frankreich mit dem Salon de Paris die erste reine Ausstellungsinstitution und es wurden allerorts Museen, öffentliche Galerien und Kunstvereine gegründet.Im Ausstellungswesen spiegelte sich das neue Selbstverständnis des

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Text: Maria Fountoukis

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Jochen Moravek, Friederike Delius, Melanie Freier, Raummodelle zu verschiedenen Ausstellungskonzepten, 2010

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üblich, insbesondere zeitgenössische Kunst, in farbneutralem Weiß zu zeigen, um die Ausstellungsarchitektur deutlich hinter das Kunstwerk zu stellen und eine Interaktion zwischen Architektur und Kunstwerk zu vermeiden.

6 — musée sentimental — Das Museum wurde in den 1980er Jahren nicht mehr als ein elitärer Ort der Hochkultur verstanden, sondern als ein Ort im Gesamtsystem eines demokra-tischen Kultur- und Bildungswesens. Deshalb trat neben die klassisch musealen Tätigkeiten des Sammelns, Bewahrens, Erfor-schens und Ausstellens nun auch der Begriff des Vermittelns hinzu und viele Museen gründeten in den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts museumspädagogische Abteilungen, um den Anforderungen und Erwartungen des Publikums – einer bis dahin oft vernachlässigten Kategorie – zu entsprechen. Einerseits führte dies zu einer forcierten Pädagogisierung, Didaktisierung und Verschrift lichung der Museen. Andererseits wurde schnell deutlich, dass Betextung allein nicht ausreichen konnte, um dem Bildungsauf-trag für den ungeführten Besucher gerecht zu werden. In dieser Zeit entstand ein neuer Ausstellungstypus, das Museé Sentimental von Daniel Spoerri. Bei diesem Konzept werden Alltagsgegenstände, die durch eine Geschichte emotional aufgeladen sind, wie museale Exponate behandelt, alphabetisch geordnet und in einem Ausstel-lungskontext präsentiert. Durch die narrative Ebene von personifi-zierten Gegenständen wird der Besucher emotional eingebunden.

7 — mise en scène — Ein aktueller Begriff des Museums-wesens des 21. Jahrhunderts ist das „Erlebnismuseum”: Der Druck durch die wirtschaftlichen Gegebenheiten eines Kultur- und Freizeitmarktes hat dazu geführt, dass der Begriff der Kunden orien-tierung sich auch in der Museumsszene etablieren konnte. Längst sehen sich auch Museen gezwungen mit besonderen Angeboten und Leistungen am Wettbewerb der Freizeit- und Bildungslandschaft mit ihren vielfältigen Alternativen teilzunehmen und sich dort zu behaupten. Aufmerksamkeit und Ansehen, Besucherzuspruch und Weiterempfehlung hängen in hohem Maße davon ab, wie tief und nachhaltig ein Museum im Bewusstsein und Gedächtnis der Zielgruppen verankert ist. Das wird erreicht, indem nicht nur Dinge

vermittelt werden, sondern auch engagiert an der Erzeugung von Atmosphären, Inszenierungen und Situationen gearbeitet wird.

Die Mise en Scène beschreibt ursprünglich die Inszenierung einer Theater- oder Filmszene, bei der die räumliche Anordnung der Figuren im Verhältnis zum Bühnenbild definiert ist. Übertragen auf die Gestaltung einer Ausstellung führt das zu einer Integration des Besuchers in die Szenografie des Ausstellungsraums, bzw. in das Spektakel der Ausstellung.

8 — virtueller raum — Mit Beginn der 1990er Jahre erhielten erstmals neue Medien Einzug in die Museumslandschaft. Die Menge der angebotenen Informationen war plötzlich an keine räumliche Ausdehnung mehr gebunden. Datentiefe und Informa-tions menge erforderten lediglich Speicherkapazität, keine Ausstel-lungsfläche, sondern nur den virtuellen Raum.

Dadurch verschwimmen Raumgrenzen oder lösen sich vollkom-men auf, während die Vermittlung von Information immer indivi -dueller und komplexer wird.

Maria Fountoukis studierte bis 2009 Industrial Design an der

UdK und realisierte für ihr Diplom eine begehbare Ausstel­

lungsarchitektur. Im Sommersemester 2010 lehrte sie im Rah­

men des Blockseminars „Ausstellung ausstellen” an der UdK.

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Foto: anonym, „El Martillo“ während der Proteste zur Klimakonferenz in Cancún, 2010

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viel zeithammer nichtÜBER G E B U R T U N D T O D

V O N E L M A R T I L L O

Text: Artúr van Balen, Jakub Simcik, Pablo Hermann

Das Künstlerkollektiv Eclectic Electric gibt politischem Aktivismus eine visuelle Seite und produziert damit Bilder, die durch die Medien gehen. Für die 16. UN-Klimakonferenz, die vom 29. November bis 10. Dezember 2010 in Cancún, Mexiko stattfand, entwarfen sie El Martillo, den aufblasbaren Hammer, mit dem sie auf die unverantwortliche Klimapolitik der Vergangenheit und Gegenwart aufmerksam machten.

Als sich die kleine Gruppe Klima-Aktivisten aus dem großen, viel -köpfigen Demonstrationszug loslöste, einen zwölf Meter großen, aufblasbaren Hammer tragend, hatte der Reuters-Journalist Omar Younis endlich seine Story. Die Sonne schien auf die Straßen von Cancún, als sich die glänzende Skulptur in rasender Fahrt dem mehrere Meter hohen Eisenzaun näherte. Dieser war von der Polizei aufgestellt worden, um die Politiker während der Klimakonferenz vor der Masse der Demonstranten zu schützen.

Für einen kurzen Augenblick schien es allen Beteiligten, als ob die Erstürmung dieser Sicherheitshochburg vielleicht doch gelingen könnte: das wollten die Aktivisten, die gekommen waren, um gegen den Klimagipfel zu demonstrieren, weil dieser nur zum Ausbau des grünen Kapitalismus führt und zudem ungerecht und ineffektiv ist. Darüber hinaus waren in Cancún unzählige Journalisten der interna-tionalen Presse, um über die Konferenz-Proteste zu berichten.

Euphorisch und mit unglaublichem Gekrächze und Gelächter stieß die belagernde Masse den Hammer gegen die Wand der Mäch tigen. Aber die Skulptur prallte ab wie ein Strandball. Darauf-hin fingen die Aktivisten an, den Hammer über den Zaun zu heben – zum Vergnügen der versammelten Presse, die, wie Schakale auf Beute lauernd, auf ein Spektakel warteten. Mit hungrigen Kameras filmten und fotografierten die Journalisten der Welt, inklusive Omar Younis, wie dunkelblau gekleidete und wie Militär anmutende Poli-zisten den Hammer mit Messern rasch zerrissen.

Am Tag danach waren diese Bilder auf der ganzen Welt zu sehen. Die Nachrichtensprecher so verschiedener Fernsehsender wie CBC, ITN oder ZDF sprachen alle von einem Hammer, der symbo -lisch den Klimagipfel einstampfen solle. So erreichte unsere Arbeit, die meh rere Monate schlaflose Nächte und Schuften bedeutet hatte, ihr jähes Ende. Unser Baby war tot. Die Luft war raus, aber unser Zeichen des Protests lief auf allen Kanälen.

Insgesamt hatten wir mehr als 1000 Stunden harter Arbeit in das Projekt gesteckt und es war deswegen ein trauriges Gefühl, zu sehen, wie der aufblasbare Hammer innerhalb von Sekunden zerfetzt wurde. Aber ohne Zerstörung keine Medienaufmerksamkeit – damit konnten wir uns ein wenig trösten.

Live in Mexiko mit dabei waren wir allerdings nicht – den Hammer hatten wir in Berlin genäht, zusammengefaltet und im Reisegepäck einer Bekannten zur Klimakonferenz geschickt. Dort wurde er von Cristian Guerrero in Empfang genommen und aufgeblasen. Cristian ist ein engagierter Klima-Aktivist in Mexiko und er erzählte uns nach der Protestaktion niedergeschlagen von den Ereignissen des Tages. Eigentlich war der Plan gewesen, den Hammer Teil des Demonstrationszuges sein zu lassen. Unter den Demonstranten

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Foto: anonym, El Martillo in Cancún (oben) und nach der Fertigstellung im Wedding (unten), 2010

Das Eclectic Electric Collective ist eine autonome Platt ­

form für Projekte an der Schnittstelle zwischen Kunst

und Medien­Aktivismus. Sie wurde im Herbst 2008 von Artúr

van Balen und Jakub Simcik gegründet. Der Idee des Kollek­

tivs liegt zugrunde, medien­ und gestal tungs bewusst

politische Aktionen durchzuführen und so die Menschen auf

einer visuellen und ästhetischen Ebene zu reizen und auf

diesem Weg mit den Inhalten des Protests zu konfrontieren.

ent wickelte sich allerdings eine heftige Diskussion darüber, wieviel der Protest bringe und ob man nicht mehr tun könne. Frustration war auch darüber zu spüren gewesen, dass die mächtigeren Organi-sationen wie die Gewerkschaften oder die ökologisch und sozial engagierte Bewegung Via Campesina eine zurückhaltende Strategie befürworteten. Aus dieser Situation heraus und mit dem Willen ein Zeichen zu setzen, löste sich spontan eine kleine Gruppe von Akti -visten aus dem Demonstrationszug und fing an zu rennen. „Anti-COP! Anti-COP!“ schrien sie. Nach mehreren hundert Metern hatten sie den Zaun erreicht und versuchten den Hammer über die Absperrung zu wuchten, um damit die Klimakonferenz sinnbildlich zu stürmen. Danach wollten sie die Skulptur wieder zurückholen; Cristian selbst musste aber seine Rettungsaktion abbrechen, als ein Polizist ein Gewehr auf seinen Kopf richtete. Wenige Momente spä -ter war von dem Hammer nichts mehr übrig, das man hätte retten können. Ein Freund versuchte ihn deshalb nach der Aktion zu trösten: „Hey, der Stiel ist noch da. Wir können immer noch einen Schraubenzieher daraus machen.”

Die Geburt der Skulptur hatte im Berliner Wedding stattgefunden. Das Eclectic Electric Collective, in Glasgow von Artúr van Balen und Jakub Simcik gegründet, veranstaltete einen dreiwöchigen Work shop im okk/raum29 (Organ Kritischer Kunst). Dies ist ein Projek traum aus dem Verbund von Künstler_innen der Kolonie-Wedding, die ihren Fokus auf Kunst setzt, die an der Schwelle zwischen Politik, Protest und Aktivismus agiert. Die Arbeitsgruppe war groß und mannigfaltig mit einer täglichen Fluktuation der Mitarbeitenden: sie bestand aus Kunststudierenden, Künstler_innen und Theoretiker_innen aus der UdK, der HGB Leipzig und aus dem Bekanntenkreis der Gruppe.

Rafael Ibarra, ein junger mexikanischer Muralismo-Maler, kam die Idee, eine aufblasbare Skulptur zu bauen, da diese in Latein-amerika sehr ungewöhnlich sind und somit die Aufmerksamkeit der internationalen Presse gesichert wäre. Am ersten Tag des Workshops warfen wir verschiedene Ideen durch die Luft, welche Form die Skulp tur haben sollte.

In unseren Köpfen kreisten Ideen von aufblasbaren Globen, von toten Schildkröten, die mit Luft gefüllt sind, und von einem aus Folie zusammengeklebten Scheißekatapult, welches symbolisch den ideologischen sowie den realen Müll der Industrienationen und Energiekonzerne über die hermetischen Mauern des Gipfelcenters schleudern sollte. Und dann war da noch die Idee des Hammers. Jakub erinnerte sich an ein unter Aktivisten oft benutztes Zitat, welches angeblich von Bertolt Brecht, aber wahrscheinlicher von dem russischen Dichter Wladimir Majakowski stammt: „Kunst ist kein Spiegel, der die Welt abbildet, sondern ein Hammer, der sie formt.“ Das Zitat ist aber ganz offensichtlich an die Geburtsperiode des Kommunismus geknüpft. Eine Periode und ein Versprechen von sozialem Aufbegehren, das wir aufblasen und dem wir Form geben wollten.

Momentan arbeiten wir im Kollektiv an einer Publikation auf Spa-nisch und Englisch über das El Martillo-Projekt. Die Publikation wird unterschiedliche klimapolitische sowie kunsttheoretische Hintergründe des Hammerprojektes bearbeiten und wird sowohl in Mexiko als auch in Deutschland vertrieben werden.

Vom 8. bis 17. August 2011 werden wir zusammen mit der Lon -doner Kunst & Aktivismus-Gruppe Laboratory of Insurrectionary Imagination einen offenen Workshop zum Thema Kunst, Akti-vismus und Permakultur halten. Es findet im Rahmen der Über Lebenskunst-Initiative im Haus der Kulturen der Welt statt. Mehr Information zu uns und dem Workshop findet ihr auf unserem Blog: www.eclectic-electric-collective.blogspot.com

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Zeitreisen bringt manchmal die ein

oder andere Schwierigkeit mit sich.

In der außerfilmischen Realität

besteht diese bei Zeitreisen in die

Vergangenheit vor allem darin,

die Schlacht mit den Dokumenten nicht

zu verlieren. Universitäre Archive,

Protokolle und alte Ausgaben der

Eigenart haben wir auf den nächsten

Seiten für euch zusammengefügt und

schicken euch damit auf die Reise.

universität

U

Doc: Sind das meine Uhren, die ich da höre?Marty: Ja, es ist jetzt genau acht.

Doc: Perfekt. Mein Experiment hat funktioniert! Die Uhren gehen alle genau Minuten nach. Marty: Moment mal, einen Moment, Doc.

Heißt das, es ist eigentlich nach acht? Doc: Korrekt.

Marty:Verdammt! Ich komm zu spät zur Schule!

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kommuni­ kation im kontextDIE G E S C H I C H T E D E S S T U D I E N ­

G A N G S G W K O D E R :

VOM KRITISCHEN UMGANG M I T

D E N T E C H N I K E N D E S W E R B E N S

Text: Mirus Fitzner

vom internationalen zum beschränkten zugang — Ab 1936 waren Studenten an der Reichswerbe schule zur Mitgliedschaft im Nationalsozialistischen Studentenbund verpflichtet, das Studium konnte nur mit „Ariernachweis“ begonnen werden. Gleichzeitig stammten allerdings 120 der 583 Studenten, die von 1936 bis 1939 die HRWS besuchten, aus anderen Staaten – die Ausbildung war ein europäisches Novum und wurde von Delega-tionen aus verschiedenen Nationen als vorbildlich gerühmt. Es wird deutlich, dass staatliche und private Einrichtungen nicht immer übereinstimmend urteilten: Zwar wurde 1938 jüdischen Werbeleuten die Tätigkeit gesetzlich untersagt, die Werbe-Formulierungen „arisch seit Gründung“ oder „entjudeter Betrieb“ wurden vom (privaten) Werberat allerdings gerügt.

problematische weiterbeschäftigung der lehrenden — Durchaus bemerkenswert ist, wie die verant-wortlichen Werbetreibenden – zu großer Zahl auch Ausbilder und Lehrkräfte an der HRWS – sowohl im Nationalsozialismus als auch in der Bonner Republik Karriere machten.1 Gerade über diesen Umstand sollte man nicht so einfach hinweggehen: Schließlich betrachtete man die Werbung vor allem als neutrale Technik. Hans Domizlaff nannte sein noch heute zitiertes Hauptwerk im Untertitel Ein Handbuch der Markentechnik.2 Und gerade Domizlaff ist ein Beispiel für die hinter dem technizistischen Verständnis stehende, nur vermeintlich neutrale Haltung: Für Domizlaff sind die Menschen „Masse“, und das heißt „denkunfähig“,„triebhaft“,„anima-lisch“,„brutal“. Brutal ist aber vor allem der auch explizit geäußerte Rassismus Domizlaffs. 1952 schreibt er in Die Seele des Staates:

„Die Schwarzen haben natürliche Regulative (mangelnde Hygiene, schwierige Daseinsbedingungen und intellektuelle Unterworfenheit) verloren [...], so daß die Frage auftaucht, wie lange noch die zwar unzweifelhaft edlere, höher gezüchtete und kulturtragende weiße Rasse den zukünftigen Ansturm der entfesselten primitiven Neger aushalten kann“. Domizlaff lehrte auch an der HRWS. Noch heute erscheinen Auszüge der Schriften Domizlaffs in Lehrbüchern – ohne Kommentar.3

für eine kritische auseinandersetzung — Das zeigt, wie gefährlich das Verständnis von Werbung als reiner Tech -nik sein kann. Nicht zuletzt aus diesem Grund beinhaltet das Curri -culum des Studiengangs GWK die sogenannten Ergänzungsfächer

– Politologie/Soziologie, Wirtschaftswissenschaften, Kunst- und Kulturwissenschaften. Diese sollen den Studierenden vor Augen führen, dass Techniken der Einflussnahme nicht nur der Steigerung des Absatzes dienen, sondern die verfolgten Interessen in einen größeren gesellschaftlichen Kontext eingebettet sind. Ziel ist es, über ein reines „Nie wieder“ hinaus verständlich zu machen, wie Kom -munikation in der Gesellschaft funktioniert. Deswegen sind die Studierenden zur Kritik auch anerkannter Positionen angehalten

– und natürlich zum Hinterfragen ihrer eigenen ProfessorInnen und DozentInnen.

Den Fokus der Werbung hat der Studiengang lang hinter sich ge lassen. Dass er heute an der UdK beheimatet ist, könnte man als institutionellen Zufall bezeichnen. Sowohl die Lehrenden wie auch die Studierenden verstehen es aber als Ansporn und Inspiration, von so vielen Menschen umgeben zu sein, die mit Kreativität, Inter -pretation und Abweichung beschäftigt sind. Die Herausforderung besteht darin, die eigene wissenschaftliche und gestalterische Arbeit mit den – für eine wissenschaftliche Arbeit manchmal ungewöhn-lichen – Einflüssen der direkten Umgebung zu verquicken und zu neuen Erkenntnissen zu gelangen.

Die Universität der Künste bietet die Möglichkeit, in den freien und angewandten Künsten zu studieren, zu arbeiten und zu lehren: es gibt die Bereiche Freie Kunst und Musik, Architektur und Design, Schauspiel und Gesang; selbst Tanz und Jazz sind an die UdK angegliedert. Was aber, so haben sich sicherlich schon zahlreiche Studierende gefragt, hat eigentlich ein Studiengang namens Gesell-schafts- und Wirtschaftskommunikation hier zu suchen?

Um dies zu begründen, muss man etwas weiter ausholen. Die Universität der Künste, bis 2001 „Hochschule“, wurde 1975 aus ver-schiedenen anderen Institutionen gegründet, darunter die Akademie für Grafik, Druck und Werbung. Diese hatte nach dem Zweiten Weltkrieg Studiengänge fortgeführt, die seit 1936 an der Höheren Reichswerbeschule (HRWS) und davor seit 1931/32 an der Höheren Fachschule für Graphik in Berlin angeboten worden waren.

lehrinhalte der privaten Schule — Die HRWS war keine staatliche Schule, sondern ging auf eine private Initiative zurück. Dies dürfte auch der Grund dafür sein, dass die national-sozialistische Regierung sich nicht für eine grundsätzliche Ideologi-sierung der Ausbildung an der HRWS einsetzte. Stattdessen gab es einige – gescheiterte – Versuche, eine staatliche Propagandaschule einzurichten, deren Ausbildung viel stärker am rassistischen Men-schenbild der Nazis orientiert gewesen wäre. 1940 wird die HRWS umbenannt – sie musste den Namensbestandteil „Reichs-“ abgeben.

Die Studiengänge hießen Werbung und Schaufenster- und Aus stellungsgestaltung und waren gewissermaßen Weiter bildungs- Studiengänge: Voraussetzung waren mindestens zwei Jahre prak-tische Tätigkeit im Beruf. Gelehrt wurden unter anderem Betrieb-sanalyse, Marktanalyse, Werbeplanung, Werbemittelgestaltung und Werbeerfolgskontrolle. Hinzu kamen Werbepsychologie, Werbe -recht und Staatsbürgerkunde. Bis auf wenige Vorlesungsverzeichnis-se aus den späten dreißiger Jahren lassen sich allerdings kaum Origi nale im Archiv der UdK, das auch die Unterlagen der Vorgän-gerinstitutionen sammelt, finden. Alle vorhandenen Dokumente pas sen in eine Kiste von der Größe eines Schuhkartons. Das erschwert die genaue Beschreibung der Lehrinhalte.

Gegründet wurden diese Ausbildungsgänge, weil ein großer Be -darf an Fachleuten herrschte: Seit dem Ende des 19. Jahrhundert hatte die Werbung sich immer weiter professionalisiert, es gab aber keine geregelte Ausbildung – d.h. es fehlte ein Nachweis über die Qualifikation von Bewerbern. Gleichzeitig gab es wenig öffentlichen Respekt vor der Werbung als eigenem Berufsstand und Profession; auch dem sollte durch eine formalisierte Ausbildung abgeholfen werden.

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Mirus Fitzner schließt 2011 sein Studium der Gesellschafts­

und Wirtschaftskommunikation an der UdK ab. Der Artikel auf

der gegenüberliegenden Seite beruht auf einem Vortrag, den

er gemeinsam mit Claudia Elm und Gabriel Yoran im WS

2007/2008 in der Veranstaltung „National sozialismus und

Propaganda“ gehalten hat. Gemeinsam diskutierten sie damals

intensiv die Geschichte des Studiengangs und die Ergebnisse

dieser Ausein andersetzung sind auch Teil dieses Beitrags.

Seite 8 aus der Eigenart #31, 1997

1 Vgl. Peer Heinelt: „PR-Päpste“. Berlin 2002.2 Hans Domizlaff: Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens. Hamburg 1982 [1939].3 Manfred Bruhn: Handbuch Markenführung. Band 1, Wiesbaden 2004.

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„junge war det een zeck und een zirkus da.“WAS D A S U D K ­ A R C H I V Ü B E R D E N Z I N N O B E R E R Z Ä H L T

Text: Claudia Dorfmüller

Am 02. November 1953 erscheint im Berliner Montags Echo eine Meldung über einen Beschluss, der an der Hochschule für Bildende Kunst von den Professoren verfasst worden war. Die Zeitung ist entrüstet, denn der beliebte Faschingsball Zinnober soll nicht mehr so wie bisher stattfinden: ‚ Aus sittlichen Gründen‘, so heißt es, sollen zahlreiche Professoren der Hochschule für Bildende Künste in einer Resolution ge for dert haben, dass der jährlich stattfin-dende Faschings-Akademie-Ball - populär geworden unter dem Motto ‚Schräger Zinnober‘ - nicht mehr in der bisherigen Form stattfinden soll... Wie war denn diese ‚bisherige Form‘? Zu schräg? [...] Will man jetzt vielleicht anordnen, dass die Leichtge-schürztheit der Damen einen bestimmten Grad nicht über- bzw. unterschreitet? Oder daß Zärtlichkeiten nur bei Beleuchtungs-körpern ab 25 Watt aufwärts erlaubt sind? [...]“ Der Redakteur hat auch gleich noch einen Vorschlag für den Kundendienst:

„jedem Gast am Eingang einen Sturzhelm verpassen. Zum Schutz gegen die Bier- und Schnapsflaschen, die dort in vorgerückter Stunde nicht immer nur schräg durch die Räume zu segeln pflegen.“Auch ein Jahr zuvor schien es schon überaus wild zugegangen zu sein. In einem Hoch-schulbericht vom 13. März 1952 ist zu lesen:

„Der Besuch des Festes war sehr gut. Am 23.,

25. und 26. waren die Räume überfüllt. Am

25. war der Andrang so stark, dass die Stu-den tenpolizei dem Ansturm nicht gewach-sen war und ich das Überfallkommando alarmierte. Es erschienen 3 Funkwagen, die allein aber nicht genügten. Um ein durch -brechen der Türen zu verhindern, alarmierte ich ein größeres Polizeikommando, das für Ordnung sorgte.“

Noch ein Jahr zuvor, 1951, beschwerte sich Professor W. Tank, der in den Jahren 1919-1937 das Kostümfest geleitet hatte, über die Dekoration und Feierlaune des da- maligen Zinnobers: „Die Gänge, vor allem die Treppen waren kaum funktionell gelöst, die Treppen waren geradzu be drückend quälend; überhaupt alles wenig freudig- festlich. Ich hatte immer den Ein druck eines bedrückenden Kz. Hier konnte man

meiner Meinung nach nur toben, angeben oder saufen. Ich ging daher bald wieder.“ Auch sah er voraus, dass es in den kommen-den Jahren noch wilder werden würde: „Ich fürchte für die Zukunft eine Verschlechte-rung des Publikums. Der Sohn meines Aushilfsportiers in der Charité äußerte sich so: „Ach Herr Professor, jroß -artig war det in Ihrer Hochschule. Haben wir angegeben und getobt und nachher waren wir alle wunderbar blau. Bloß eine Dämlichkeit habe ich gemacht. Ich habe da einem Manne drei Mark vor eine Karte gegeben, der bei det Jedränge am Eingang die Lust verloren hatte. Na, ihm hatte sie ja 10 dm jekostet. Alle meine Freunde waren so rin jekommen. Na, det nächste Mal komme ich och so rin. Da kennen Se Jift druff nehmen. Junge, Junge war det een Zeck und een Zirkus da.“

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oben: Fotografie aus dem Tagesspiegel vom 01. Februar 1955 • unten: Protokoll über die Verletzungen während des Zinnoberballs 1953

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Želimir Žilnik, Filmstills aus „Inventur – Metzstrasse 11“, 1975

Jedes Semester stehen dem AStA 3500 € zur Verfügung, um damit studentische Projekte und Vorhaben zu unterstützen. Das ist euer Geld! Anträge könnt ihr dienstags 19 Uhr auf dem AStA-Plenum in Raum 9 stellen, Formulare für die Projektförderung findet ihr auf www.asta-udk-berlin.de. Außerdem könnt ihr Geld bei der Fachschaftsrätekon-ferenz für eure Projekte bekommen. Diese findet zwei Mal im Semester statt und es gibt insgesamt 4000 € für Projektförderungen. Auch Interflugs stellt Geld für Projektförde-rung zur Verfügung. Projektanträge können montags während des Plenums ab 19 Uhr in Raum 9 gestellt werden.Auch die Fachschaften verfügen über Geld. Die Fachschaftsräte können u.a. Lehraufträ-ge vergeben, Veranstaltungen organisieren und auch Projekte fördern.Fachschaftsräte: Bildende Kunst / Kunst im Kontext / GWK / Architektur / Indus-trial Design / Visuelle Kommunikation bzw. Kunst und Medien / Musikpädagogik / Dar-stellende Kunst / Tonmeister

AStA-Projektförderung im WS /

V E R A N S T A L T U N G Z U M 5 0 . J A H R ­

E S T A G D E R U N A B H Ä N G I G K E I T

A F R I K A S

Die Perspektive afrikanische Studierende Berlin/Brandenburg (PASBB) organisierte vom 17.-19. Dezember 2010 eine Veranstal-tung zum 50. Jahrestag der Unabhängigkeit Afrikas, um über die Themen Beziehung Nord-Süd, Afrika und Demokratie, Afrika und die Frage der Schuld, die neue Part-nerschaft mit China und über Chancen der Zukunft zu diskutieren.Förderungsbetrag: Euro 100,––

W I R S C H L A F E N N I C H T

Studierende der Studiengänge Schauspiel und Bühnenbild führten vom 11.-19. De-zember das Theaterstück Wir schlafen nicht von Kathrin Röggla auf. Darin geht es um die Konteststruktur unserer Leistungsgesell-schaft: Wer hält sich am längsten wach? Wer ist der/die Fitteste? Wer bringt die höchste Leistung? Wer schafft es am besten die ur-eigensten menschlichen Bedürfnisse wie etwa Schlaf, Vertrauen und Zuneigung zu unterdrücken, das Selbst auf ein Minimum zu reduzieren, um somit den größtmöglichen beruflichen Erfolg zu erzielen.Förderunsbetrag: Euro 100,––

T H E S C O T T I S H P U B

In ihrem Klassenraum haben Studieren-de der Klasse Melitopoulos (Fakultät 1) für eine Woche einen Scottish Pub eingerichtet, Bands eingeladen und gefeiert. Über diesen Zeitraum war dieser Ort Anlaufpunkt für alle Studierenden, um sich in echt schotti-scher Manier zu vernetzen.Förderungsbetrag: Euro 60,––

F E B R U A R Y 4 T H

(H Ä T T E K Ö N N T E W Ü R D E )

Die Ausstellung February 4th fand vom 04. bis 07. Februar 2011 in Berlin statt und wid-mete sich dem Möglichen, dem Wahrschein-lichen, dem Utopischen. Das Projekt wurde gemeinsam von Studierenden der UdK Ber-lin und der HfbK Hamburg organisiert.Förderungsbetrag: Euro 150,––

T R A N S K O N T I N E N T A L E E R Ö F F N U N G

Dieses Ausstellungsprojekt war eine Zu-sammenarbeit von UdK Studierenden der bildenden Kunst und japanischen Künstlern. Über drei Wochen stellten sie gemeinsam im Februar und März im Kyoto Art Center aus.Förderungsbetrag: Euro 150,––

I N V E N T U R ­ K O P F S T R A S S E 1 6

Das Videoprojekt Inventur - Kopfstrasse 16 untersucht die Formen einer Selbstbeschrei-bung der Bevölkerungsgruppen im Rollberg-viertel in Neukölln. Den Anstoß zu diesem

Projekt gab den Kunst im Kontext - Studie-renden der Kurzfilm Inventur - Metzstrasse 11 des Filmemachers Želimir Žilnik aus dem Jahr 1975. In dem Film stellen sich Gastarbei-ter verschiedener Nationalitäten vor. Nach der Fertigstellung des Films soll eine Podi-umsdiskussion im Gemeinschaftshaus des Rollbergviertel Morus 16 stattfinden.Förderungsbetrag: Euro 241,30

D E R N E U E M E N S C H

Diese Zusammenarbeit von Studierenden der Gestaltung, bildenden und darstellen-den Kunst sowie Sound Studies widmet sich dem menschlichen Körper und dessen Mu-tierbarkeit. Bestehende Körper werden fil-misch auseinander genommen und in einer 3D-Installation neu zusammen gesetzt. Förderungsbetrag: Euro 100,––

V E R R A T E , W E R D U N I C H T B I S T

Studierende des Studiengangs Rhyth-mik, Tanz/Choreographie und Bilden-de Kunst erarbeiten eine Performance-Produktion, die sich mit Identität und der Verleumdung derselben auseinander setzt. Im Juni wird das Stück in der The-aterkapelle in Friedrichshain aufgeführt. Förderungsbetrag: Euro 150,––

B R I D G E S U N D B A R R I E R S

Gemeinsam mit der Klasse Charlie Stivens des Edinburgh College of Arts plant die Klasse Thomas Zipp ein Austausch- und Ausstellungsprojekt. Der Einladung der Studierenden aus Edinburgh folgt ein Be-such der Berliner in Schottland. Während des Austauschs wird jeweils eine Ausstellung stattfinden.Förderungsbetrag: Euro 120,––

F I V E T O N

Musikstudierende der Vokalband FiveTon realisieren gemeinsam mit einer GWK- und einer Fotografie-Studentin einen Präsentati-onsflyer der Band. Das Ziel ist, den Bekannt-heitsgrad der Band über die Konzertsäle der UdK hinaus zu erweitern.Förderungsbetrag: Euro 100,––

7500 €FÜR E U R E P R O J E K T E

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Unter dem ebenso vielversprechenden wie nichtssagenden Titel „Brilliant Volume“ fand an der UdK, Fakultät Bildende Kunst, im November letzen Jahres ein Symposium zur künstlerischen Lehre statt. Be reits die Wortkombination des Titels gibt erste Rätsel auf: Brilliant (aus frz. „brillant, glänzend, strahlend“) Volume (lat. volumen = Buch, Windung, Krümmung). Worauf dieses Titelkon-strukt hinaus will und wie es mit dem Untertitel „Zur Autonomie künstlerischer Praxis” zusammenhängt, bleibt Spekulation.

„Autonomie“ (altgriechisch autonomía, „sich selbst Gesetzegebend, Eigengesetzlichkeit, selbstständig“)… man denkt an Selbstbestim-mung, an Befreiung von Konvention und Regierung, an soziale Forderungen der neuen Linken. Doch unglücklicherweise gesellt sich die „künstlerische Praxis” hinzu, und schon sieht mensch sich ins Zeitalter verstaubter monographischer Bände der Kunstge schichte zurückkatapultiert. „Autonomie künstlerischer Praxis”: was könnte heute unter einer solchen Androhung, eine Generation nach ihrer postmodernen Dekonstruktion, in einer Universität der Künste zu ver stehen sein?

Auf der Suche nach Antworten fokussieren wir unseren Blick auf Rahmenbedingungen, Programmblättchen und einzelne Aspekte der Vorträge von Bazon Brock und Hartmut Rausch. Doch um auf die inhaltlichen Auseinandersetzung einge-hen zu können, sollte zunächst geklärt wer-den, wie es dazu kam, dass die alte Mensa der technischen Universität zum funkeln ge-bracht wurde. Auskunft hierzu erteilt die Ab-teilung Kommunikation und Marketing der UdK, deren Zuständigkeitsbereich die Real-isierung und Umsetzung der Veranstaltung war (während das inhaltliche Konzept durch den akademischen Lehr körper der Fakultät Bildende Kunst gestaltet wurde ). Zu er-fahren gibt es auf dieser Ebene einiges über die Ansprüche und Wirkungen dieses Sym-posiums – es ginge um die „Ausstrahlung des Events innerhalb der Kunsthochschulsze-ne“.1 Der Präsident, auf dessen Initiative die UdK-Symposienreihe zurückgeht, erhofft sich von den nationalen und internationalen Gästen „vor dem Hintergrund einzelner Disziplinen, die betreffenden Themenfelder zu reflektieren und damit eine weitergehende hochschulinterne Diskussion zu initiieren.“ 2 Aus dem Pressenewslet-ter geht hervor, dass die Fakultät ihre eigene Entwicklung reflek-tieren möchte und das Kollegium mit dem Sym posium „progressive Einschätzungen und kritische Erwartungen an eine Kunstakademie einfangen und sich institutionelle Erfahrungen vergegenwärtigen” will, um „die eigene engagierte Diskussion zur künstlerischen Lehre und zur Bedeutung der Autonomie künstlerischer Praxis weiter zu forcieren.“ 3 Die entstandene Form beschreibt der Präsident so: „In der bildenden Kunst bedeutet das, dass sowohl Testimonials als auch Vorträge, Diskussionen und eine Ausstellung zu dem Konzept ge -hören. Eine große Zahl unserer Kolleginnen und Kollegen werden aktiv beteiligt sein, wie auch Studierende und Personen von außer-halb der UdK.”4

Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, wurden 16.232,59

Euro in die Hand genommen. Derweil lässt sich am Firmament das teilweise lückenhafte Bouquet des Feuerwerks erkennen – „die Stu -dierenden waren im Verlauf des Tages im Programm unterrepräsen-tiert” allerdings wurden „Studierende der bildenden Kunst als Hilfskräfte bevorzugt eingestellt”1 – konkret heißt das: im gesamten Tagesablauf ist lediglich eine Studierende auf der Bühne zu sehen und einige Hilfskräfte verteilen die Pressemappen für die Gäste.

Ebenso fehlen die Stimmen der Alumni. Es existieren keine Proto -kolle, die diesen Zustand nachvollziehbar machen, keine paritätische Arbeitsgruppe erarbeitete das Konzept – kurz: die gewählte Organi-sations form in informellen Treffen unter der ProfessorInnenschaft stand den Ansprüchen diametral gegenüber und die demo kratischen Gremien wie der Fakultätsrat und der Institutsrat wurden in den Ge staltungsprozess nicht einbezogen.5

Den Blick von den Problematiken eines solchen Kontextes ab wendend, konzentrieren wir uns im Folgenden auf das inhaltliche Auf und Ab der Veranstaltung. Den sicherlich beeindruckendsten Vor trag liefert Bazon Brock in Form eines eurozentrischen Galopps auf dem Einhorn der Kunstgeschichte. Bewaffnet mit dem Schwert der Autonomie bahnt er sich seinen Weg durch den Dschungel des Gedachten und schlägt eine Schneise der linearen Geschichte und Funktionsweise der künstlerischen Akademie. Uns interessiert die Entstehung von Sinnhaftigkeit in der künstlerischen Produktion. Laut Brock stehe die Qualität des eigenen Schaffens im Zusammen-hang mit der Betrachtungsfähigkeit der Arbeit anderer, denn

„die akade mische Gemeinschaft ist diejenige, welche sich reziprok der Sinnhaftigkeit ihrer Tuns versichert.“ Wir denken an die öde Leere vieler Klassenbesprechungen und den kaum vorhandenen Austausch

zwischen den künstlerischen Fachklassen und Instituten, der auch in diesem Sympo-sium gerinnt: die Lehrenden der Insti tute Kunstgeschichte und Kunst im Kontext6 sind offensichtlich nicht beteiligt, bzw. unter -repräsentiert – hier beginnt und endet ein Strang der wechselseitigen Versicherung von Sinnhaftigkeit innerhalb der UdK. Der Gedanke muss enden um Brock weiter zu folgen, der im Nebensatz den Islam als

„religiöse Hegemonie“ bezeichnet, welche – so der Unterton – zu autonomen künstler-ischen Handlungen nicht fähig sei. Das Einhorn kollidiert mit al-buraq und unser Muli der Kritikalität kommt nur schwer hinterher. Es folgen noch viele bemerkens-werte Punkte, allen voran die Beschreibung der europäischen Akademietradition als einer, die von der „Autonomie des Individu-ums“ geprägt sei, welches „eigenständige Behauptungen aufstellen“ könne, „ohne von

Papst, Markt oder Professor dazu ermächtigt worden zu sein“. Die von Bazon Brock angeführten humanistischen Ideale der

akademischen Gemeinschaft und der geistigen Autonomie prallen im weiteren Verlauf der Veranstaltung schmerzvoll mit einigen Darstellungen der ProfessorInnen über die Prioritäten und Inhalte ihrer Fachklassen zusammen. Sinnhaftigkeit, bzw. deren reziproke Versicherung stellt sich auch hier leider nur bedingt ein, denn über bloße Berichterstattung hinaus findet kein Austausch auf der Bühne statt. Von einigen hören wir Ausführungen über den gemeinsam geübten Einstieg in die Ausstellungs- und Galerieszene, von anderen eher meditative Einblicke in den existentiellen Status des künstlerischen Materials. Bei anderen wieder geht es um Partys und kollektive Besäufnisse. Uns Unsichtbaren im Auditorium dämmert indessen die Erkenntnis, dass diese Veranstaltung kaum Überschneidungen mit den existierenden und diskussionsbedürfti-gen Fragestellungen unserer Ausbildungssituation und deren institutionellen Bedingungen anbieten wird.

Belassen wir es also dabei und wenden uns dem Vortrag von Hartmut Rausch zu. Rausch ist Hausmeister an der Frankfurter Stä delschule. Unklar sind die Beweggründe für dessen Einladung zu

„Brilliant Volume”. Hier spricht nun ein „Original“, ein echter

bril­liantvoid

Text: Naomi Hennig und Markues

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Mensch und kein mit akademischen Phrasen programmierter Roboter des Kunstdiskurses. Etwas ungeübt, doch nicht ohne Stolz, präsentiert Herr Rausch dem Publikum die Fotos einer Kunst-sammlung, deren Eigentümer er ist. Bedeutend ist das deshalb, weil diese Sammlung aus Werken ehemaliger Studierender einer Stars produzierenden Kunsthochschule besteht, welche die Studierenden Hartmut Rausch über die Jahre geschenkt haben. Eine Kunst-sammlung als Momentaufnahme Frankfurter Kunstsoziologie, ähn -lich den zwischendrin gezeigten Fotos von Grillparties im Städel-garten – die Konstellation ruft leise Empörung hervor. (Oder ist es nur der Neid im Angesicht der altbekannten Old-Boys-Networks und einer zufällig zusammengewürfelten Sammlung, die sich un ver-sehens an den Wänden der Portikus-Galerie und der Berliner Kunst -werke wiederfindet?) Hartmut Rausch selbst trifft dabei keinerlei Vorwurf, sondern vielmehr diejenigen, die ihn auf die UdK- Bühne bestellt haben; diejenigen, die auf den Kontext der informellen Kunst hochschulnetzwerke als Karriere-Katalysator setzen und die diese Kultur des gegenseitigen Schulterklopfens und Vorteile-Zuschanzens nicht als Probleme thematisieren, sondern durch Herrn Rauschs kuriosen „Fall” anekdotisch aufbereiten.

Im weiteren Verlauf nehmen zwei VertreterInnen von Berliner Galerien zu der Frage nach künstlerischem Erfolg Stellung, wobei Giti Nourbakhschs radikal ehrliches Statement, dass Galerien nichts an der Kunsthochschule zu schaffen hätten und dass die Studierenden sich keine großen Illusionen über die Galeriewelt dort draußen machen müssten, noch am gradlin-igsten daher kommt. Auch die Forderung nach einer fundierteren Ausbildung im Hin-blick auf Kunstkritik ist in Person von Lud-wig Seyfarth vertreten, der ein überzeugen-des Plädoyer für die notwendige Arti ku-lationsfähigkeit der Studierenden in Bezug auf die eigene Arbeit im Kontext sowohl der Gegenwartskunst als auch kunstgeschichtli-cher Grundlagen hält. Die in der Struktur der künstlerischen Ausbildung an der UdK angelegte strikte Trennung von Praxis und Theorie wird leider ausschließlich durch die-sen Gast reflektiert, der kaum Einblick in diese anachronistische und ärgerliche insti-tutionelle Praxis der Fakultät Bildende Kunst hat. An dieser Stelle vermissen wir ein Panel mit Mitarbeiter_innen und Studierenden der Fakultät, die diese Unzulänglichkeit ausführlich und auch im Ver -gleich mit anderen internationalen Kunsthochschulen hätten erör -tern können. Offenbar war diese Problemlage jedoch kaum auf der programmgestaltenden Ebene artikuliert worden. Dies zeigt sich im Rahmen dieses Symposiums auch in der Marginalisierung der theoriebasierten oder theorienahen Institute der Fakultät zugunsten einer Diskussion über Materialkultur und Distributions-konventionen.

Von einigen Andeutungen abgesehen, wurden die Probleme, die wir als Studierende in der Fakultät Bildende Kunst täglich vor Augen haben, fast vollständig ignoriert, auch fehlte jegliche Selbst -kritik der künstlerischen Lehrinstitution. Bei dem vielen Sprechen über Kunstmarkt und Galerien wurde vergessen zu erwähnen, wie viele der UdK AbsolventInnen tatsächlich von künstlerischer Produktion Bauch und Kopf ernähren können. Hilfreich wäre eine strukturelle Kritik des Kunstsystems und darin eine progressive und zeitgemäße Umrandung des künstlerischen Arbeitsfeldes gewesen. Es hätte in diesem Zusammenhang nicht geschadet, eine solche Übersicht bspw. von einem Vertreter / einer Vertreterin des Berufs-

verbandes Bildender KünstlerInnen zu bekommen. Dass die Hoch- schule solche Erhebungen nicht selbständig vornimmt, liegt nahe. Geradezu zynisch erscheint es in diesem Hinblick, dass die Diskussionsrunde zum Thema „Was ist Erfolg?“ die einzige Gelegen-heit bietet, eine Studierende auf der Bühne zu sehen und dass dieser Austausch am Ende des Symposiums stattfindet. Eine Diskussion über den Studienerfolg zu Beginn der Veranstaltung könnte ihn als selbstgewählte Kenngröße der Ausbildung definieren und „Erfolg“ nicht als zufällig eintretendes Zusammenspiel der Kräfte des Marktes und kuratorischer Diskurse erscheinen lassen: bezeichnenderweise hat die Fakultät BK hierzu wenig anzubieten.

Auch die in den letzten Jahren erfahrenen Zurichtungen der Kunsthochschulausbildung (oder sollte man gar vom Verlust künst-lerischer und akademischer Autonomie sprechen?) bei den Kunst-pädagogInnen durch die Einführung des BA/MA-Modus wird nicht diskutiert. Stattdessen werden mit den Mythen von Autonomie, Materialverliebtheit, Studio-Individualismus und dem hartnäckigen Glauben an größtenteils männlich geprägte Buddy-Netzwerke weitere Blasen reproduziert. Zu gute halten möchten wir, dass wir die Gesichter und Stimmen aller Lehrenden der Fachklassen (mit Ausnahme der GastprofessorInnen) zu sehen und zu hören

bekommen, und mit allerlei Informationen zu den „closed shops” der Fachklassen versorgt werden. Dass diese Berichte teils erfreulich und teils haarsträubend ausfallen würden, war sicherlich schon im Vorfeld abzusehen. Doch genau diese Art von Diver -sität hätte zumindest eine Grundlage für eine interessantere Diskussion als diejenige bieten können, die über den Tag geführt wird. Es gibt viele Gesichter zu sehen, doch um welchen Preis: auf Grund der fehlenden studentischen Mitgestaltung, lückenhafter Repräsentation der Lehrenden, fehlender Partizipationsmöglichkeiten und fehlendem Follow-Up stellt sich die Frage, ob Veränderungen in der Fakultät überhaupt eingeplant waren. Die insgesamt diskurs-feindliche Gestaltung des Tagesprogramms legt nahe, dass diese Art von Veranstaltung reinen Repräsentations-Zwecken dient und weit davon entfernt ist, eine Akademie als

Potenzial zu verstehen.7

Anmerkungen:

1 – zitiert aus einem persönlichen Gespräch mit Dehning/Scheffler vom Referat Kommunikation und Marketing am ..

2 – Bericht des Präsidenten im Akademischen Senat am ..

3 – Pressenewsletter der UdK November

4 – Bericht des Präsidenten im Akademischen Senat am ..

5 – lediglich zweimal wird das Symposium in den Protokollen des Institutsrats am .. und im Fakultätsrat am .. erwähnt – das erste mal, um nach Zustimmung zum Titel zu ersuchen, das zweite mal, um einen Tag vorher daran zu erinnern6 – nur Michael Fehr tritt in Form eines wenig aufschlussreichen Testimonials und in der Rolle des Kurators der begleitenden Ausstel- lung in Erscheinung7 – zur Akademie als Potenzial siehe Irit Rogoff „Academy as Potentiality“, http://summit.kein.org/node/, abgerufen am ..

Literaturempfehlung:

Jaques Derrida, „The University Without Condition”, in: Alibi, Stanford University Press, .Publikationsreihe „Unbedingte Universitäten”, Diaphanes Berlin

die evalua­

tion des nichts

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Herzlich Willkommen zu unserer kleinen Revue, mach es dir be-quem, falls dein Bewußtsein noch nicht erweitert ist, wer den wir das jetzt tun, zumindest im Hinblick auf das eine: die eigenart.

Wir fangen gleich an und wollen beginnen mit einem alten Lied. So, wie es heute gesungen wird, dieses Stück von der studentischen Mitbestimmung in Sachen Hochschule, so sang man es auch schon vor 20, 40, 60 Jahren. 1992 besonders laut und erfolgreich: ein Student hatte sich fast bis ganz oben, bis ins Nest des Präsidenten hochgeträllert.

Im Juni berichtet die eigenart in Ausgabe 7 über den Architektur-studenten Jo Panne, der den Willen hatte, Vizepräsident zu werden. Für seine Bewerbung schrieb er ein ausführliches Konzept, mitdem damals noch futuristischen Namen HdK 2000. „Eine verant-wortungs bewußte Studentenvertretung, die sich und ihre Aufgabe ernst nimmt, kann aber mit ihrem Engagement und Beitrag zur aka demischen Selbstverwaltung nicht brav halt machen vor den Zim mern der Hochschulleitung! Nur mit einem studentischen Vize-präsidenten wäre eine echte Mitgestaltung der Hochschulpolitik möglich; gewissermaßen, so drückt sich Jo Panne aus: Ein ständiger Fuß in der Tür des Präsidenten.“ Er lässt sich 1991 für die Wahl aufstellen und wird auch vom akademischen Senat für die Bewer-bung zugelassen. Die Wahl sollte dann erst ein Jahr später stattfin-den und wieder berichtet die eigenart, inzwischen in Ausgabe ıı:

„Die Wahl der Vizepräsidenten wurde dann im Juni 1992 im Konzil durchgeführt. Der Favorit der Studentenschaft liegt im ersten Wahlgang zwei Stimmen vor dem vom Präsidenten vorgeschlagenen konservativen Professor, und es fehlt Jo Panne 1 Stimme zur absoluten Mehrheit. Ein Raunen geht durch den Wahlraum. Die Hochschulleitung scheint besorgt. In der Pause zum zweiten Wahlgang findet dementsprechend starker atmosphärischer Druck, seitens des Präsidenten und Kanzlers auf bestimmte Mitglieder des Wahlgremiums statt. In der anschließenden Stichwahl kann sich der Professor dann knapp gegen den Studenten durchsetzen. Um ein Haar wäre die Sensation für die HdK dagewesen!“

Zehn Ausgaben später ist das hochschulpolitische Hoch abgeflaut und ein Autor nähert sich in Heft 21 den geschriebenen Hinterlas-senschaften auf den Toiletten der UdK. „Eßt mehr Ohren!“ lautet da ein Hinweis am Einsteinufer. Naja, denken wir uns, andere Zeiten andere Sitten. Schließlich war die Wende erst fünf Jahre her, da wa-ren Lebensmittel anscheinend knapp. Auch der Hausmeister schien sich öfter damit auseinandersetzen zu müssen, denn er brachte folgenden Hinweis in den Toiletten an: „Es ist verboten, die Kacheln in den Mund zu nehmen. Der Hausmeister.“

Aber Toiletten sind nicht das einzige, was die Studierenden um-treibt. Schließlich ist es inzwischen Mitte der 90er und Ausgabe 26 der eigenart. Auch wenn es heut noch nicht allen klar ist: das mit dem Analogen, das war einmal. Schon damals begann die große Di-gitalisierung. 1995 – das verbinden viele von uns mit dem Eintritt in eine neue Welt. Das Betriebssystem Windows 95 zog das Interesse der Gesellschaft auf sich. Fasziniert von den Möglichkeiten widmet sich auch die eigenart diesem Thema: „Where do you want to go today? Wenn man der aufstrebenden Softwarefirma Microsoft Glauben schenken darf, dann hat uns unsere Zukunft endlich einge-holt. Mit dem massiv beworbenen Windows 95 soll die Theorie der weltweiten Computervernetzung, die das vielbeschworene globale Dorf für jeden zugänglich macht, endlich in die Praxis umgesetzt werden. Mit einem Klick ins Internet! Oder vielmehr ins MSN, das Microsoft Network, einer der vielen neuen Online-Dienste, die momentan aus dem Boden schießen. Überall schallt es aus den virtu-ellen Wäldern heraus. Wer sich jedoch als einfacher User mal kurz einloggen will, [...] der wird bald feststellen müssen, daß der Server des Providers, den man ausgewählt hat, leider den Hyperlink in die

Staaten nicht aufrecht erhalten konnte. In der Regel handelt es sich dann um Netzwerküberlastungen, die durch die übermäßige globale Kopplung der größtenteils noch analogen Übertragungswege zustan-de kommt.“ Neue Welten zu erobern, das war noch nie leicht, aber wer sagts denn, inzwischen gibt es sogar ein W-Lan-Netz in den Gebäuden der UdK. Hat zwar ein bisschen gedauert, aber wie gesagt, das mit der neuen Welt. Visionär wurde in jenem Artikel auch von den neuen Möglichkeiten für die Kunst gesprochen. Das ist jetzt 16 Jahre her, das klang damals aufregend und ist es auch heute noch, im Lehrangebot der UdK ist dazu leider noch nicht allzuviel Neues angekommen: „Das spannende ist, das hierarchische Strukturen passé sind. Filme erzählen keine Geschichte im ursprüng lichen Sinn mehr, sondern liegen als komplexer Schwamm von Bildern vor. Im Internet entsteht eine neue anarchistische Kunstform. Ein Autor kann beispielsweise ein Gerüst für einen Roman vorgeben und den Leuten, die seinen Computer besuchen, die Möglichkeit einräumen, diesen Roman selbst weiterzuschreiben. Schon nach kurzer Zeit verschmelzen die lesende und die schreibende Masse.“

Verschmelzung, das klingt nach einem Urinstinkt, und so wahn-sinnig analog. Ja, es klingt so schön, dem konnte sich selbst die HdK nicht entziehen. Und so verschmolzen zum WS 97 /98 ihre elf Fachbereiche zu vieren zusammen. Dummerweise hat die Hoch-

im rausch der seiten

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schule ‚verschmelzen‘ mit ‚einschmelzen‘ verwechselt, die großen Gefühle blieben aus und das ist auch einen Kommentar in der Ausgabe 29 wert: „Seit vielen Jahren gibt es studentische Vorschläge zur Neustrukturierung der HdK, die von einer Zusammenlegung von einzelnen Studiengängen zu Bereichen ausgehen. Arbeitsgrup-pen wie die VerfasserInnen des ‚Sauenpapiers‘ von 1993 waren immer dafür Fachbereiche zusammenzufassen, natürlich um die Kommuni-kation zu fördern und nicht um zu sparen, wie wir es jetzt erleben.“

1996 wird das Geld großzügig für die Hochschulen gestrichen. Da blieben natürlich die Proteste nicht aus und im Mai machten sich dazu auch die HdKler auf. Am Montag den 20. Mai gab es den Startschuß für eine Woche mit über 50 Aktionen im öffentlichen Raum. „Demonstrieren – aber anspruchsvoll!“ war das Motto unter dem kleine Aktionsgruppen an allen möglichen Stellen der Stadt auf die Bildungsschräglage in Berlin aufmerksam machten. Zirka zwan-zig Studierende eines Aktzeichenseminars blockierten die Kreuzung Kleistpark und entblößten sich – zum Schrecken aller anwesenden Polizisten – bis weit über das letzte Hemd hinaus. Das Büro für außerordentliche Maßnahmen stürmte Castorf-Inszenierungen und erschreckte saturierte Baselitzanhänger bei der Eröffnung der Aus-stellung des Künstlers in der Neuen Nationalgalerie. In einer Nacht- und Nebelaktion verhüllte eine Gruppe von Studierenden

des Fachbereichs 3 alle Skulpturen entlang der Straße des 17. Junis, damit unsere Kulturstifter nicht das Banausentum der Heutigen mit anschauen mußten.“

Nach diesem kreativen Ausbruch zurück zur Geschichte. 1999 jährte sich zum zehnten Mal der Berliner Mauerfall. Die Öffnung der Grenzen hatte zur Folge, dass es in einer Stadt plötzlich zwei Unis für die künstlerische Ausbildung gab. Eine in Weißensee, eine in Charlottenburg. Die Unterschiede der beiden Schulen werden in der eigenart reflektiert:

„Solides Kunsthandwerk im Osten, konzeptionelles, abgehobe-nes Künstlertum im Westen bildeten – klischeehaft reduziert – die gegensätzlichen Pole nach der Wiedervereinigung. Heute, 10 Jahre nach der Wende, gibt es im wiedervereinigten Berlin immer noch zwei Auffassungen von Kunst, ausgedrückt auch in den Kunsthoch-schuldoppelungen in Ost und West und ihren unterschiedlichen Lehrkonzepten. […] Auch HdK-Professor Jörg Funhoff, Spezialist für Kunstdidaktik, will Weißensee erhalten.“ Denn er mag die „Ost-pädagogen: ‚Die haben so ein Art ‚preußische‘ Zuverlässigkeit‘, lautet sein verschmitztes Urteil.‘ […] Und: Die Studenten seien politischer, besäßen mehr Engagement für Gemeinsinn als die Westler. Auch im Bereich der bildenden Kunst sieht Prof. Funhoff die aus dem Osten stammenden Studenten näher dran an der sozialen Realität, während die Westler nach wie vor zur Nabelschau tendierten.“

Von der Sprengung der Grenzen zur Explosion der Hochhäuser: Der ıı. September 2001 ist einer der historischen Momente, zu dem fast jeder sagen kann, was er gerade machte, als er davon erfuhr. Die Welt sollte sich grundlegend ändern, aber auch im Kleinen sind die Auswirkungen zu spüren. Nur drei Monate nach dem Anschlag sind auch Studierende der UdK betroffen. Die eigenart berichtet in der Ausgabe 01 /2002: „Wie Präsident Romain auf der letzten Sitzung des Akademischen Senats, am 05. Dezember, bekannt gab, hat nun auch die UdK Daten ihrer Studenten im Rahmen der Rasterfahn-dung herausgegeben. So wurden die Akten von 18 französischen, 16 israelischen und 14 arabisch-stämmigen Studierenden an das Lan-deskriminalamt (LKA) ausgehändigt. Die Betroffenen werden, so der Präsident, in den nächsten Tagen darüber informiert. Nachdem die erste Welle der Fahndung noch an der UdK vorüberging, sucht das LKA nach Ausweitung der umstrittenen Kritierien auf rund 30 Nationen auch unter den Studenten der Universität der Künste nach potenziellen Terroristen.“ Die UdK eine Keimzelle des Terrorismus? Kunst-Terror. Wenn überhaupt.

Doch auch darin gilt es sich als junger Künstler zu behaupten, seine Positionierung zu finden. Wie kann das gehen? Bei einem Gespäch mit Siegfried Zielinski, Professor an der UdK, findet manin der Ausgabe von Juli 2009 eine Antwort: „Indem sie zunächst ein-mal voll auf Risiko fahren und auch in Kauf nehmen, dass es ihnen einige Jahre ökonomisch nicht so wahnsinnig gut geht. Man braucht, um seinen Weg zu finden ungefähr fünf bis sieben Jahre nach dem Studium – bis man viel besser ist als andere, bis man sich absetzen kann und bis man das Gefühl hat: Das ist das Ding, mit dem ich mich wirklich den Rest meines Lebens beschäftigen will. Das geht nicht sprunghaft, man ist nicht sofort bekannt, die Welt schreit nicht sofort nach einem und bezahlt einen gut, auch wenn man noch so tolle Arbeit als junger Mensch macht.“

Auch die eigenart befindet sich trotz ihrer 20 Jahre noch auf dem Weg des Bekanntwerdens, der eine oder andere Preis wurde schon eingeheimst, aber eingebrannt in das kulturelle Gedächtnis der UdK-Studierenden, das sind wir noch nicht. Egal, denken, wir uns, denn nicht jedes Hirn ist entflammbar. Wir machen lieber eine kleine Revue, rauschen durch die vergangenen 80 Ausgaben und ver-neigen uns vor diesen vielen Seiten bedruckten Papiers.

EIN R E D A K T I O N S ­ R E M I X

A U S 2 0 J A H R E N E I G E N A R T

Text: Claudia Dorfmüller

Geburtstagstisch

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drucken und pressen20 JA H R E E I G E N A R T

Die Studierendenschaft, dieser Körper aus sich immer wieder erneuernden Zellen – besitzt Organe, die nicht jeder Studierende kennt und doch mit ihnen ver bunden ist – indirekt als Teil des Ganzen. Eines dieser Organe, vielen unbekannt, anderen ans Herz gewachsen, gibt es seit nunmehr 20 Jahren. Die Eigenart. Klein war dieses Organ am Anfang und schwarz-weiß. Es

gab eine Vorder- und eine Rückseite. Und zwei Seiten, die sich dazwischen befanden. Aber durch eingehende Fürsorge und Liebe wuchs es heran zu einem vielfarbigen Magazin; mehr und mehr Seiten reiften heran zwischen Cover und Backcover. Inzwischen ist das Organ ausgewachsen und presst heraus, was sich im Körper der Studierendenschaft ereignet. 1991 war das Jahr, in dem das Organ ins Leben fand, EigenARTen hieß es damals noch und in der ersten Ausgabe, im Juni ’91, schrieb sie über sich selbst: „Die HdK hat eine Zei tung! Wir sind das studierende Volk. Die Zeitung erscheint monatlich während der Vorlesungszeit […] Wir hoffen, es entsteht ein interessanter Quer-, nicht Durchschnitt, der einer ‚Hochschule der Künste‘, wie es sie vielleicht noch gar nicht gibt, würdig ist. Die Redaktion“. Nach nur drei Ausgaben

wird das noch junge Organ einer ersten Ana-lyse unterzogen und die Redaktion kommt zu einer bedeutsamen Diagnose: „Auch wenn die Resonanz der trägen Masse bisher hauptsächlich aus Kritik und sogar Zu-spruch aus dem Bekanntenkreis besteht“, sollte man dieses Experiment fortführen. Denn schließlich: „Früher oder später kom-men Leserbriefe, ein paar begnadete HdK-Künstler schreiben was von politischer Trag-weite oder schicken eine kleine Zeichnung und schon ist man ein vom Markt nicht mehr wegzudenkendes Kulturblatt – könnte man jedenfalls sein, bei einer Kunsthoch-schule, an der sogar die Kommunikations-wirtschaftler schon furchterregend kreativ sind.“

Dieses Blättlein, es lebt und atmet, und der Aufruf von damals aus dem November 1991, der könnte auch von heute sein:

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Doc: Wir seh’n uns in der Zukunft!Marty: Sie meinen in der Vergangenheit!

Doc: Präzise!

Äh, wo jetzt genau?

Bleiben wir einfach in Berlin,

es heißt, dort sind sie gegenwärtig.

Die Zukunft und die Vergangenheit.

berlin

B

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Am Wannsee engagiert sich eine Bürgerini-tiative für den Erhalt der inzwischen denk-malgeschützten Sommerresidenz des Malers Max Liebermann (1847-1935). In den vergangenen Jahrzehnten wurde das Haus Zeuge der Berliner und der deutschen Geschichte und als Wohnraum, Lazarett und Vereinsheim genutzt. Seit 2002 ist es öffentlich zugänglich.

Als der Berliner Impressionist Max Liebermann ab 1909 ein Sommerhaus mit Garten nach seinen eigenen Vorstellungen am Wannsee bauen ließ, war er sich unsicher, wie die neue Umgebung sein Werk beein-flussen würde. Noch bei seinem Einzug schrieb er einem engen Freund: „[…] es frägt sich nun blos, ob ich hier werde arbeiten können.“ Bereits einige Jahre später sollte das Motiv des Gartens für ihn zu einem wichtigen Thema seiner Malerei werden – wie für viele andere impressionistische Künstler. Claude Monet (1840-1926) hatte sich in den 1880er Jahren seinen Künstlergar-ten in Giverny angelegt. Allerdings schuf sich Monet, im Gegensatz zu Liebermann,

bewusst ein botanisches Experimentier- und Inspirationsfeld für seine Freiluftmalerei.

Am Ende des 19. Jahrhunderts hatte der Bankier Wilhelm Conrad am Wannsee etliche Hektar Land erworben, erschlossen und parzellieren lassen. Industrielle, Künstler und andere erwarben die Grundtücke der

„Colonie Alsen“ und errichteten jenseits der Großstadthektik ihre Ferienhäuser. Als eines der bekanntesten Häuser der Kolonie dürfte die Villa Marlier gelten, in der 1942 die Wannseekonferenz abgehalten wurde.

1909 begannen die Bauarbeiten für den Zweitwohnsitz Max Liebermanns, der die Sommermonate mit 62 Jahren nicht mehr in Holland, sondern am nahegelege-nen Wannseeufer verbringen wollte. Die Architektur von Haus und Garten ließ er nach seinen eigenen Bedürfnissen und ästhetischen Idealen durch den Architekten Paul Otto Baumgarten gestalten. Nach nur einjähriger Bauzeit konnte Liebermann mit Frau und Tochter den ersten Sommer fernab des Hauptwohnsitzes am Pariser Platz ver- bringen. Das Haus im Grünen – bis dahin kaum in den künstlerischen Arbeiten

thematisiert – sollte zu dem wichtigsten Sujet des Spätwerkes werden und seinen Niederschlag in mehr als 400 Arbeiten finden.

Seit 2002 ist der Entstehungsort der Bilder öffentlich zugänglich und befindet sich seit 2006 nahezu wieder in seinem ursprünglichen Zustand. Nach Jahrzehnten der Zweckentfremdung ist die Liebermann Villa durch bürgerliches Engagement zu einem Raum geworden, in dem ein Zugang zu künstlerischen Prozessen und einem kul- turellen Erbe ermöglicht wird, das eng mit der Geschichte des Kaiserreiches, der Weimarer Republik und der NS-Herrschaft verknüpft ist.

In der Weimarer Republik wurde die Villa am Wannsee zu dem harmonischen Gegenpol der bitteren Realität einer unter- gehenden Epoche, in der Max Liebermann als Secessions- und Akademiepräsident ver - stärkt antisemitischen Diffamierungen aus- gesetzt war. Nach dem Tod des Künstlers 1935 wurde seine Frau Martha von den Natio- nalsozialisten drangsaliert und ausgeraubt: Sie durfte das Haus am Brandenburger Tor,

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Clemens Jahn, Endzeit (Villa Liebermann), 2011

das erbe liebermannGESCH I C H T E U N D R E K O N S T R U K T I O N

E I N E S B E R L I N E R K Ü N S T L E R H A U S E S

Text: Pay Matthis Karstens

in der sogenannten „Bannmeile“ um den Reichstag gelegen, als Jüdin nicht mehr betreten und musste die Villa 1940 zwangs-verkaufen – mit sämtlichem Inventar. Wenige Monate nach ihrem Selbstmord vor der drohenden Deportation im März 1943 wurde der verbliebene Besitz Martha Liebermanns von den Nationalsozialisten inventarisiert und abtransportiert; darunter zahllose Bücher aus der Bibliothek des Ehepaars und neben den Resten der bedeutenden Gemäldesammlung Lieber-manns auch etliche seiner Papierarbeiten und einige Ölgemälde. Ob diese Werke, wie die der „entarteten“ Künstler gewinnbrin-gend an ausländische Käufer veräußert worden sind, lässt sich heute nicht mehr in Gänze nachvollziehen.

Aus dem privaten Refugium am Wann - see wurde ein Schulungslager der Deutschen

Reichspost, in den letzten Kriegsmonaten ein Lazarett und anschließend die Chirurgi-sche Abteilung des Städtischen Kranken-hauses. In dieser Zeit verlieren sich nicht nur sämtliche Spuren der ehemaligen Einrichtung: Der prächtige Bauerngarten musste einem Parkplatz und die besondere Atmosphäre des Ateliers einem Operations-saal weichen. Zuvor sind mit den Hecken-gärten und dem Birkenhain bereits jene Gartenflächen abgeholzt worden, die Liebermann als Themen seiner Freiluftma-lerei besonders schätzte.

Nach der Restitution des Anwesens und dem Verkauf durch die Enkeltochter Max Liebermanns ging die Villa 1958 in den Besitz des Landes Berlin über. Doch bis ein Bewusstsein für die historische Dimension des Ortes entstehen sollte, mussten weitere Dekaden verstreichen, in denen die teils leer

stehende, als schwer vermietbar einge -stufte Immobilie lediglich als Last empfun-den wurde. Wenngleich ein Schriftzug an der Fassade an den ehemaligen Bewohner erinnerte, wurde über den Fortbestand des Hauses diskutiert. Letztlich wurde die Sportnutzung präferiert und die Villa ver-pachtet: Aus dem Atelier des Malers wurde nun der Vortragssaal eines Tauchclubs.

Als Liebermanns Oeuvre etwa ab den 1990er Jahren – insbesondere in Berlin – verstärkt von kunst- und kulturhistorischen Ausstellungen thematisiert wurde, entstand ein besonderes Interesse an seinem Erbe in seiner Heimatstadt. Vermehrt setzten sich Bürger für sein Landhaus ein und forderten die Kommunalpolitik zu einem Um-denken auf, so dass Villa und Garten ab 2002 sukzessive zu einem Raum wechseln-der Ausstellungen und einer ständigen

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Clemens Jahn, Endzeit (Villa Liebermann), 2011

Dokumentation zu Leben und Wirken des Malers werden konnten. In enger Abstim-mung mit dem Denkmalschutz wurde die Villa von den baulichen Veränderungen der Fremdnutzungen befreit. Dabei konnte unter anderem der originale Fassadenputz des Architekten Baumgartens wieder freigelegt werden, der ursprünglich viele seiner Bauten zierte – etwa auch die der Villa Marlier. Das bislang einzige bekannte Wandgemälde Liebermanns, ein antikes Paradiesgartenmotiv in Kombination mit seinen eigenen Bildschöpfungen, wurde ebenfalls entdeckt.

Bei der Rekonstruktion des Gartens griff man auf Briefe Liebermanns und seines Beraters Lichtwark, sowie auf fotografische und filmische Aufnahmen zurück, denn von dem ursprünglichen Eindruck des Re-formgartens zeugten nur noch wenige

Hecken und Bäume. Durch die ausführliche Dokumentationen der Planungsphase und die künstlerischen Arbeiten Liebermanns ließen sich bisweilen selbst genaue Be-pflanzungen und die Farben einzelner Stau-den rekonstruieren, die der Künstler teil-weise bei stundenlangen Besuchen in der Gärtnerei Foerster seinem Farb- und Bild-konzept entsprechend ausgewählt hatte.

Wenngleich die Stadt Berlin das Ge-bäude für den Museumsbetrieb zur Ver-fügung stellt, fällt ihr Bekenntnis zu Liebermanns Erbe verhalten aus. Sie hält keinerlei monetäre Unterstützung für den Umgang mit ihm bereit. Sämtliche Arbeit an und in der Villa wird durch das Engage-ment der Mitglieder der Max-Liebermann-Gesellschaft e.V. ermöglicht. Noch immer liegt die Pflege des Denkmals damit ausschließlich in den Händen verantwor-

tungsvoller Bürger, für die es als nächstes gilt, den Garten zu vervollkommnen: Noch immer kann ein Gartenbereich, aufgrund einer 1941 abgetrennten und seitdem anderweitig verpachteten Fläche, nicht in Gänze wiederhergestellt werden.

Pay Matthis Karstens ist Student der

Kunstgeschichte in Berlin, Mitarbei­

ter des Deutschen Historischen Museums

und Mitglied der sich im März 2011

gegründeten Initiative „Junge Freunde

der Liebermann­Villa“. Stoße dazu

und entwickle zusammen mit der Initia­

tive einen eigenen Umgang mit dem Erbe

Liebermanns. Mehr Infos: www.lieber­

mann­villa.de oder bei facebook.

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Fritz Eschen, Rotes Rathaus (oben), Paar (unten) © Deutsche Fotothek

Mit der Ausstellung Berlin unterm Notdach erinnert das Ausstel-lungshaus C/O Berlin an den Fotografen Fritz Eschen. Dessen Aufnahmen dokumentieren das Leben im Nachkriegsberlin und zeigen Bilder vergangener Zeiten.

Wir sehen eine zerstörte Häuserfront. Mehrere Männer stehen auf einer Leiter, ein paar drum herum. Der Wiederaufbau hat begonnen. Und auch der Alltag scheint zurück zu kehren. Eine Frau sitzt lächelnd auf dem Fahrrad, ihre Beine zur Seite geschlagen, während er mit den Füßen in den Pedalen steht. Wer ist das auf dem Bild? Ein Dozent und eine hübsche Studentin am helllichten Tage auf einer der vielen Straßen Berlins? Und wer ist der Mann hinter der Kamera?

Der Beobachter dieser und ähnlicher Szenen wird von seinem Sohn als der bestvergessene Fotograf der Stadt bezeichnet. Das C/O Berlin will ihn nun wieder ins Gedächtnis rufen: Fritz Eschen. Geboren 1900 in Berlin in einem jüdischen Elternhaus, begann er eine Karriere als freier Fotograf im Alter von 28 Jahren. Er foto-grafierte für zahlreiche Agenturen bevor die Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 eine Zäsur für sein Schaffen bedeutete. Seine erste Frau, eine jüdische Unternehmertochter, und zwei seiner Söhne wurden in Auschwitz ermordet. Er selbst konnte sich vor der Deportation nur auf Grund seiner zweiten Ehe mit einer Nichtjüdin retten, nicht jedoch vor Verfolgung durch die Gestapo und dem Berufsverbot.

Nach dem Ende des Krieges nahm er seine Arbeit als freier Fotograf wieder auf; seine Bilder waren sehr gefragt und wurden sowohl in der Neuen Zeitung als auch in der FAZ abgedruckt. Eschen hat die Fotografie nie erlernt und bezeichnet sich selbst als Autodidakt mit einem großen Interesse für Land und Leute.

Vor allem das kulturelle und öffentliche Leben seiner Heimat-stadt Berlin hat Eschen mit Faszination erkundet – mit erstaunlichen Resultaten. Manche bezeichnen Eschen auch als Chronist der Vier -Sektoren Stadt. Entstanden sind Fotografien der ersten zehn Nachkriegsjahre in Berlin. Die Aufnahmen zeigen eine Trümmer -topographie bekannter Straßenecken in Mitte und im westlichen Berlin; sie halten die Ruinen Berlins fest, aber auch wiedererstande-ne Kaufhäuser, Bahnhöfe und die Wohnpaläste in der Stalinallee. Neben diesen Stadtszenen entstanden auch Porträts von Politikern, Industriellen und Künstlern. Es sind wichtige zeithistorische Dokumente, die an eine vergangene Zeit erinnern – an eine Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, in der der Alltag langsam wieder in das Leben der Bevölkerung zurückkehrte. Beim Betrachten der Fotografien wird für Momente der Alltag früherer Generationen sichtbar. Sie sind nicht nur Mittel der Information, sondern auch der Erinnerung und der Illustration.

Für manche ist es in Vergessenheit geraten: Das Nicolai Viertel liegt in Ruinen, das Rote Rathaus wurde stark beschädigt. Besonders spannend ist die Gegenüberstellung der damaligen Ansicht mit der heutigen. Um dies zu ermöglichen entwickelte das Berliner Start-Up Culturetouch eine gleichnamige i-Phone App. Die ausstellungsbe-gleitenden, multimedialen Inhalte wurden gemeinsam vom C/O Berlin, einem Stadthistoriker und dem Start-Up erarbeitet; dadurch werden zusätzliche Informationen zu den Orten von damals anschaulich gemacht und es kann ein direkter Vergleich mit dem heutigen Ort gezogen werden. Der Besucher kann den Guide mit nach Hause nehmen und so die Ausstellung noch einmal Revue passieren lassen.

Neben dem C/O Berlin wird außerdem das Schokoladenmuseum in Paris die Applikation einsetzen. Und auch zur Biennale in Venedig wird es eine Tour geben, die verschiedene Museen und Ausstel-lungen während des Festivals vorstellt.

Fritz Eschen. Berlin unterm Notdach –– Das C/O Berlin prä­

sentierte vom 7. Mai bis 19. Juni 2011 in Zusammenarbeit mit

der Deutschen Fotothek Dresden ca. 120 Fotografien aus dem

Gesamtwerk von Fritz Eschen. Mit Fritz Eschen setzte

C/O Berlin seine Serie zeithistorischer Fotografien fort,

in der schon das Lebenswerk von Roger Melis gezeigt wurde.

berlin. damals.BILDE R A U S D E R

T R Ü M M E R S T A D T

Text: Sandra Yvonne Richter

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das olympischedorfLOCHK A M E R A ­ A U F N A H M E N V O N T E R E S A B E S S E R

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THE YES MEN

A guerrilla communication operation in pinstripes, The Yes Men have been posing as representatives of global companies and govern-ments, and carrying out so-called “identity corrections” by means of exaggerated declarations and absurd campaigns for years now. The group cooperates with a number of international activists, but is essentially a duo: Jacques Servin (alias Andy Bichlbaum) and Igor Vamos (alias Mike Bonanno), both of whom are also lecturers at New York universities. On December 3, 2004, which was the 20th anniver-sary of the chemical catastrophe in Bhopal in India, Bichlbaum ap-peared on the BBC World channel posing as a representative of Dow Chemical, apologizing for the accident and announcing that the vic-tims would finally receive compensation. The company’s share price immediately fell dramatically—and, after years of obscurity, an ac-cident that left up to 25,000 people dead and 500,000 people in-jured was finally brought to renewed public attention. In 2006, The Yes Men posed as representatives of the military supplier Hallibur-ton, presenting the SurvivaBall, a huge, round protective suit that they claimed would protect managers from climate change. In 2007 they posed as representatives of ExxonMobil at a gas and oil indus-try trade fair, presenting the product Vivoleum—oil extracted from corpses. To quote: “With more fossil fuels comes a greater chance of disaster, but that means more feedstock for Vivoleum.” In 2008, they achieved their greatest coup so far by putting out around 1.2 million copies of a counterfeit New York Times newspaper that not only announced the end of the Iraq war, but also the indictment of George Bush for high treason.

“AT ONE POINT WE CALLED IT IDENTITY CORRECTION. WHERE CRIMINALS USE IDENTITY THEFT TO PREY ON THE POWERLESS AND MAKE MONEY, WE PREY ON THE POWERFUL AND USE THEIR IDENTITIES AND POSITION TO GET THE WORD OUT ABOUT SOMETHING THAT NEEDS TO BE FIXED”

Beyond the Golden Parachute2001, Tampere, SwedenIn 2001, Andy and Mike presented a short history of textiles at a conference in Fin-land, describing how the U.S. Civil War was a waste of money because slavery was replaced by remote sweatshop labor, such as we have today. The only problem now is the efficiency of the sweatshops and a lack of control over workers. Their answer was the management solution of the future: a shimmering golden leotard, whose crotch sports a three-foot-long golden phallus, or the Employee Visualization Ap-pendage. The audience gave a round of applause, but asked no questions—only a few people admitted to being mystified, but no one was bothered by the content of the speech. If the conference attendees could so blithely follow The Yes Men down such paths, real business leaders could convince these “experts” of anything.

THE HUMAN ELEMENT THE YES MEN72 THE HUMAN ELEMENT 73

A R T & A G E N D A

Kann Kunst politisch sein? Kann Kunst gesellschaftliche Kontexte beeinflussen und sie verändern? Die Antwort darauf gibt das Buch Art & Agenda. Auf 280 Seiten werden mehr als 100 zeitgenössische, internationale Künstler und Künstlerinnen vorgestellt, die mit ihrer Kunst ein Anliegen haben, das gesellschaftliche und politsche Relevanz in sich trägt. Das Buch faßt dabei verschie-dene Strömungen zusammen und schafft damit einen Überblick über die zahlreichen künstlerischen Ansätze. Gregor Schneider ist mit seinen Strandkäfigen genauso dabei wie die Voina-Gruppe, die gern mal vor der russischen Präsidentschaftswahl ins Muse-um kopulieren geht. KünstlerInnen werden jeweils auf ein bis zwei Doppelseiten in Text und Bild vorgestellt, den einzelnen Kapi-teln sind Einführungstexte vorangestellt, in denen Bezüge zur Kunstgeschichte gezogen werden. Die Zusammenhänge, die zwischen Kunst, Politik und Aktivismus aufgezeigt werden, sind dabei nicht nur eine Doku-mentation aktueller künstlerischer Positio-nen, sondern verweisen auch auf zukünftige Formen politischer Auseinandersetzung.

Klanten, Hübner u.a.: Art & Agenda.

Political Art and Activism. Gestalten

2011. ISBN 978­3­89955­342­0

H E U T E I S T D E R L E T Z T E T A G

V O M R E S T D E I N E S L E B E N S

Die Illustratorin und Comic-Zeichnerin Ulli Lust brachte einen Teil ihrer Vergan-genheit in Form eines autobiographischen Comics zu Papier. 460 Seiten dick. Es ist die Geschichte zweier Punk Mädchen und Freundinnen, die als Siebzehnjährige bis nach Sizilien reisen, ohne Geld und ohne Papiere; die ein Leben kennenlernen, das die absurden, scheußlichen und unglaubli-chen Menschen hervorbringt. Sie geraten in Situationen mit der Mafia, kommen in Kontakt mit Drogen, werden belästigt und mißbraucht. Ulli Lust war dabei wichtig, dass Handlungen und Abläufe so geschil-dert werden, wie sie passiert sind; ihren dokumentarischen Comic-Stil erweitert sie mit Erinnerungsstücken wie Notizzettel, Bettelschilder und Tagebuchnotate, die sie damals auf der zweimonatigen Reise an-gefertigt hatte. Diese Detailtreue erweitert sie mit surrealen Zeichnungen: emotional grenzwertige Momente und Zustände bekommen so ihre eigene Form. Der Comic wurde inzwischen mehrfach ausgezeichnet; außerdem publiziert Ulli Lust seit 2005 eBooks und Comicstrips internationaler ZeichnerInnen auf ihrem Blog und Online-Verlag electrocomics.com

Ulli Lust: Heute ist der letzte Tag vom

Rest deines Lebens. Avant­Verlag 2009.

ISBN 978­3­939080­36­7

D I E F A R B E D E R W A H R H E I T

„Der dauerhafte Zweifel, die nagende Un-sicher heit darüber, ob das, was wir sehen, wahr, realitätsgetreu oder faktisch ist, begleiten dokumentarische Bilder wie ihr Schatten. Dieser Zweifel ist kein Mangel, der verschämt verborgen werden muss, son-dern die Haupteigenschaft zeitgenössischer dokumentarischer Bilder.“ Diesen Zweifel an der Wahrheit der Bilder untersucht Hito Steyerl in ihrem Buch Die Farbe der Wahr-heit. Als künstlerische Methode erlebte das Dokumentarische seit den 1990er Jahren ein Revival, auch im Zuge dessen, dass Kunst an einer anderen gesellschaftlichen und politischen Einflussnahme interessiert ist. Dokumentarische Bilder scheinen dies glaubwürdiger transportieren zu können, aber welche Politik der Wahrheit drückt sich tatsächlich in den dokumentarischen Bildern und Tönen aus? Welche Rhetoriken der Wahrheit, Aufrichtigkeit, Objektivität oder Echtheit werden artikuliert? Wel-che Rolle spielen dabei gesellschaftliche Übereinkünfte, Machtverhältnisse und Vorstellungen von Subjektivität? Unter Zu-hilfenahme von Beispielen aus dem neueren Kunstgeschehen geht Hito Steyerl diesen Fragen nach und skizziert die Entwicklung verschiedener dokumentarischer Stile.

Hito Steyerl: Die Farbe der Wahrheit.

Dokumentarismen im Kunstfeld.

Turia + Kant Verlag: Wien 2008/2010.

ISBN 978­3­85132­517­1

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S E L B S T O R G A N I S I E R T E L E H R E A N

D E R F A K U L T Ä T N U L L

Fakultät Null/Studies ist ein Vorlesungsver-zeichnis für Seminare, Lectures, Workshops, usw., die für jede/n öffentlich zugänglich sind. Die Veranstaltungen können in Universitäten, Kulturinstitutionen, Galerien, Projekträumen, in einer Wohnung in Berlin oder auch auf anderen Erdteilen stattfinden. Die Idee hinter Fakultät Null ist, dass Bildung nicht durch modulare Studienpläne reglementiert sein sollte, sondern frei wähl-bar sein muss. Um die vielen existierenden Bildungsangebote zusammenzubringen, wurde die Plattform gegründet: Jeder kann sich registrieren und öffentlich zugängliche Veranstaltungen, selbstorganisiert oder institutionell, in das Vorlesungsverzeichnis eintragen. Der Name Fakultät Null verweist auf zwei Dinge: Als Fakultät verweist sie auf sich als Ort der Ausbildung. Mit der Null wird sie zur Meta- bzw. Anti-Institution, die sich an bereits existierende Fakultäten parasitär anhängen kann. Damit erweitert sie das Bildungsangebot und ermöglicht das selbstorganisierte und selbstbestimmte Studium.

www.fakultaetnull.interflugs.de/

studies

F E S T I V A L Ü B E R L E B E N S K U N S T I M

H A U S D E R K U L T U R E N D E R W E L T

Über Lebenskunst sucht in künstlerischen und kulturellen Initiativen – mit Imagina-tionskraft und Sinnlichkeit – nach zeit-gemäßen Lebensmodellen. Das Projekt setzt sich mit den konkreten Lebenswelten der Städtebewohner_innen auseinander. In Kooperation mit Künstler_innen, Wissen-schaftler_innen und Aktivist_innen werden Projekte in den Bereichen Nahrungsproduk-tion, Mobilität, Ressourcenverbrauch und Bildung entwickelt. Sie zeigen, dass eine nachhaltige Lebensführung nicht für Ver- zicht steht, sondern für mehr: für eine Lebensqualität, die der Natur nicht schadet,

sowie für Besonnenheit und Aufmerksam-keit im täglichen Umgang mit Ressourcen. Das mehrteilige Programm setzt sich zuammen aus einer Veranstaltungsreihe, Aktionen und Installationen im Stadtraum und einem Festival vom 17. bis 21. August und macht Berlin damit zum Schauplatz für künstlerische Projekte, die Kultur und Nachhaltigkeit verbinden.

www.ueber­lebenskunst.org/contents/

home

S Y M P O S I E N I N P O R T U G A L : U R B A N

S K E T C H I N G U N D A N I M A T I O N O F

P U B L I C S P A C E

Vom 21.– 23. Juli 2011 findet in Lissabon das 2. International Urban Sketching Sympo-sium statt. Organisiert wird es von der Non-Profit-Organisation Urban Sketchers, die sich dem Zeichnen vor Ort verschrieben haben. Während des Symposiums wird es Zeichen-Workshops im historischen Lissaboner Stadtzentrum geben und an der Fakultät Bildende Kunst der Universität Lissabon werden Lectures abgehalten. Dafür wurden KünstlerInnen und Illustra-torInnen unter anderem aus Portugal, England, Schweden, USA und Argentinien eingeladen.

Ebenfalls in Portugal, in Coimbra, findet vom 28.– 30. September 2011 das Symposium Animation of Public Space through the Arts statt. Es geht um die Frage, inwieweit künstlerische Intervention an öffentlichen Orten mit dazu beitragen kann nachhaltige und zukunftsfähige Städte zu gestalten. Während des Forums werden künstlerische Ansätze untersucht und entwickelt, die sich unter anderem mit nachhaltiger Stadt- planung, Interaktion von urbanem und Naturraum, künstlerischer Intervention sowie Nachhaltigkeit in Verbindung mit kreativer Bildung auseinandersetzen.

http://symposium.urbansketchers.org

www.encatc.org/cult­management­city

termine & infos

KUNST ­ S T O F F E ­ Z E N T R A L S T E L L E

F Ü R W I E D E R V E R W E N D B A R E M A T E ­

R I A L I E N

Die Idee hinter Kunst-Stoffe ist einfach: Es können Rest- und Gebrauchtmaterialien abgegeben werden, welche dann wieder für andere zur Verfügung und zur Weiternut-zung bereit stehen. Gerade für Kulturschaf-fende ist der Zugang zu allen Arten von Material wichtig. Bei Kunst-Stoffe steht ein großer Fundus von verschiedenen und permanent wechselnden Stoffen und Mate-rialien zur Verfügung – eher zu Flohmarkt als zu Einzelhandelspreisen. In diesem

„Umverteilungszentrum“ finden sich Farben, Stoffe, Pappe, Acrylgras, Metall- und Holzreste, Fliesen, Folien, usw. Ergänzend zum Materiallager bietet Kunst-Stoffe offene Werkstätten für Metall-, Holz- und Textilverarbeitung sowie Ateliers an. Im Rahmen von Workshops werden unter-schiedliche Zielgruppen mit der Praxis ökologischer Gestaltung vertraut gemacht.

www.kunst­stoffe­berlin.de

K O L O N I E W E D D I N G : O K K / R A U M 2 9

Der Zusammenschluss von Projekt- und Ausstellungsräumen führte 2001 zur Gründung der Kolonie Wedding. okk/raum29 ist ein Teil der Kolonie und versteht sich als Plattform für lokale und internatio-nale KünstlerInnen, die an der Schnittstelle von Kunst und Politik arbeiten, und gesell -schafts kritische Themen aufgreifen. Im okk/raum29 werden, wie in der gesamten Kolonie, regelmäßig Veranstal tungen durch -geführt: Vom 30. September – 20. Oktober wird die Ausstellung „Teilen statt Kriegen. Kunst im Frieden des Krieges oder im Krieg des Friedens?“ von Wolfram Kastner präsen-tiert. Vom 28. Oktober – 20. November widmet sich der Projektraum in Koopera-tion mit verschiedenen KünstlerInnen dem Thema Bedingungsloses Grundeinkommen.

www.koloniewedding.de

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Als RedaktionsleiterIn der eigenart bist Du verantwortlich für die Inhalte des Maga-zins; dabei hast Du Gestaltungsfreiheit und kannst Deine Vision eines studentischen Magazins umsetzen.Die eigenart lebt vom stetigen Wandel und Deinen Ideen sind (fast) keine Grenzen ge-setzt. Welche Projekte willst Du vorstellen, welche Kunst zeigen? Mit wem möchtest

planen und organisieren // viele

e­mails schreiben // Kontakte knüpfen

// diese Uni ein bisschen lieben //

immer ein offenes Ohr für interessante

Projekte // Arbeit sinnvoll auf

andere verteilen // (journalistisch)

Schreiben

noch besser planen und organisieren //

(journalistisch) Schreiben // Ideen in

Magazinform umsetzen // Magazinkonzept

entwickeln // Organisation redaktio­

neller Abläufe (Workflow zwischen dir,

Autoren, Lektorat, Layout) // Verant­

wortung tragen

Als RedaktionsleiterIn der eigenart bist Du auch Teil des Allgemeinen Studierenden Ausschuss (AStA) und nimmst an den wöchentlichen Sitzungen teil. Außerdem bist Du AStA-Vertreter/in in ein bis zwei Gremien, deren Sitzungen mit Sitzungsgeld vergütet werden. Für Deine Tätigkeit als RedaktionsleiterIn und AStA-Referent/in erhältst Du für 40 Stunden im Monat eine angemessene Aufwandsentschädigung.

Du bewirbst Dich persönlich auf der Sit-zung des StuPa am 06.07.2011 um 18.15 Uhr (Hardenbergstr. 33, Raum 110). Sende Deine Bewerbung (Motivationsschreiben und Leb-enslauf ) bitte spätestens bis zum 04.07.2011

an [email protected]! Bei weiteren Fragen kannst Du Dich gerne persönlich an die jetzige Referentin Claudia Dorfmüller, oder per Mail an [email protected] wenden. Online findest du das Magazin unter www.eigenart-magazin.de

Du Interviews führen? Welche Themen beackern?Mit den 4+1 Fakultäten der UdK kannst Du aus einem reichen Fundus schöpfen, um über die aktuellen Entwicklungen aus Design, Kunst, Musik, Architektur, Kom-munikation, Theater und Tanz in Wort und Bild zu berichten.

Wir freuen uns auf Dich. Bewirb Dich beim AStA der UdK Berlin!

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Herausgeber:

Allgemeiner Studierenden-Ausschuss (AStA)Universität der Künste BerlinHardenbergstr. 33

10623 Berlin

Redaktionsleitung / Anzeigen / Lektorat

Claudia Dorfmüller, [email protected]

Layout

Marius Förster, [email protected] Robert Preusse, [email protected] Dank Simone van Eldik

Typografie

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Autoren Text / Bild

Artúr van Balen, Teresa Besser, Claudia Dorfmüller, Mirus Fitzner, Frank Förster, Maria Fountoukis, Lea Gimpel, Lola Göller, Katrin Gruber, Josephine Hans, Naomi Hennig, Pablo Hermann, Jonas Hofrichter, Clemens Jahn, Pay Matthis Karstens, Daniel Kupferberg, Markues, Florian Reimann, Sandra Yvonne Richter, Jakub Simcik, Flavia Spichtig, Lasse Wandschneider, Chie Ying

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Die eigenart ist das AStA-Studieren-denmagazin der Universität der Künste Berlin und erscheint einmal im Semester. Veröffentlichungen stellen die persönliche Meinung des Verfassers dar. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion.

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