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International Christian Fellowship (ICF) Ein Stück Kirchengeschichte des frühen 21. Jahrhunderts 1. Die Geschichte des ICF 2. Die Merkmale des ICF 3. Arbeit im Wynen- und Seetal? 4. Kommende Herausforderungen

Ein Stück Kirchengeschichte des frühen 21. Jahrhunderts · Ein wichtiges Gefäss für das ICF sind die Smallgroups (Kleingruppen/Hauskreise), in denen die Sonntagspredigt vertieft

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Page 1: Ein Stück Kirchengeschichte des frühen 21. Jahrhunderts · Ein wichtiges Gefäss für das ICF sind die Smallgroups (Kleingruppen/Hauskreise), in denen die Sonntagspredigt vertieft

International Christian Fellowship (ICF)

Ein Stück

Kirchengeschichte des frühen 21. Jahrhunderts

1. Die Geschichte des ICF 2. Die Merkmale des ICF

3. Arbeit im Wynen- und Seetal? 4. Kommende Herausforderungen

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Das ICF Movement

Das ICF Movement streckt seine Fühler ins Wynen- und Seetal aus, - Grund genug, die Bewegung näher kennenzulernen.

1. Die Geschichte des ICF 1.1. Die Anfänge Im Jahr 1990 initiiert Heinz Strupler in der St. Annakapelle in Zürich einen neuarti-gen, überkonfessionellen Lobpreis-Gottes-dienst mit dem Namen ICF (International Christian Fellowship). Sein Ziel ist es, „Kir-che für die Menschen dynamisch, attraktiv und relevant zu gestalten und damit den Glauben an den lebendigen Gott zu feiern“ (www.icf.ch/about/history). Bis zu 300 Be-sucher aus verschiedenen Freikirchen neh-men regelmässig an den Abendveranstal-tungen teil.

Bald bekommen die Gottesdienste institu-tionellen Charakter. Es entstehen mehrere Gemeinden. Auch die Gründung der Bibel-schule IGW („Institut für Gemeindebau und Weltmission“) durch Heinz Strupler geht auf jene Zeit zurück (1991). Im Jahr 1994 übergibt Heinz Strupler die Leitung des ICF an Leo Bigger, der 1996 den Ver-ein „ICF Church“ (später: „ICF Zürich“) gründet. 1.2. Erste Gemeindegründungen Wie es der englische Name verdeutlicht, beabsichtigte man von Anfang an, eine „internationale“ Gemeindebewegung zu werden. 1999 wurden in Basel und Bern die ersten Gemeinden ausserhalb Zürichs eröffnet. Bereits ein Jahr später erfolgte mit einer Niederlassung in Nürnberg der Schritt über die Schweizer Grenze hinaus. Momentan umfasst das „ICF Movement“, so die offizielle Bezeichnung der Gesamt-bewegung, zwanzig Gemeinden in der

Schweiz und zwölf Gemeinden in Deutsch-land. Weitere Kirchen existieren in Prag (Tschechien), Vorarlberg (Österreich), Sa-lamanca (Spanien), Leiden (Niederlande) und Tirana (Albanien).

2. Die Merkmale des ICF 2.1. Anglizismen

Das ICF verwendet mit Vorliebe Anglizis-men. Es übernimmt seine Begrifflichkeit aus der englischen Sprache. Ein kurzer Sprachkurs gefällig?

Church Kirche Location Standort/Örtlichkeit Celebration Gottesdienst Message Predigt Worship Anbetung/Lobpreis Smallgroup Kleingruppe/Hauskreis Church Planting Gemeindebau

2.2. Das jugendliche Zielpublikum Es gibt durchaus auch ältere Leute, die ICF-Gemeinden besuchen. Das unver-kennbare Zielpublikum des ICF sind jedoch die Jugendlichen. Ihnen ist die Gestaltung der Gottesdienste und der Gemeindeaktivi-täten angepasst. Demgegenüber kennt die Bibel keine Gemeinden, die auf ein be-stimmtes Zielpublikum ausgerichtet sind. Im Gegenteil: Dem Wort Gottes ist es ein Anliegen, dass in einer Gemeinde alle Ge-nerationen (Tit 2) und alle sozialen Schich-ten (Gal 3,28) vertreten sind (vgl. auch Röm 12, 1Kor 12), auch wenn dies zu Spannungen führen kann (Apg 6). Paulus ermahnt die Gläubigen immer wieder, dass in einer Gemeinde die Stärkeren auf die Schwächeren Rücksicht nehmen sollen (Röm 14, 1Kor 8-10). 2.3. Die Lehre ICF bezeichnet sich selbst als überkonfes-sionell. Bezüglich der Lehre will es sich

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bewusst nicht festlegen oder in Diskussio-nen verwickeln lassen. Alles, was sich un-ter die evangelikal-charismatische Theolo-gie einordnen lässt, hat seine Berechti-gung. In dieser Hinsicht ist das ICF ein typisches Kind seiner eigenen, postmoder-nen Zeit. Und doch gibt es ein alle ICF-Gemeinden verbindendes Element der Lehre, welches im Bereich der Ekklesiolo-gie (= Lehre von der Kirche/Gemeinde) zu finden ist: Der Gottesdienst muss modern und zeitgemäss gestaltet sein. Dieses Dogma wurde bislang von allen neu ge-gründeten ICF-Gemeinden übernommen, auch wenn es m. E. bislang noch von kei-nem der ICF-Protagonisten biblisch be-gründet wurde. In dieser Hinsicht grenzt man sich auch ganz bewusst von anderen Gemeinden ab. Die skeptische Haltung gegenüber traditionellen Kirchen kommt vielleicht am besten in der Aussage eines ICF-Pastors in einem Promoclip zum Aus-druck: „Kirche bedeutet heute oft: Alte Menschen aus dem 20. Jahrhundert sitzen auf Sitzmöbeln aus dem 19. Jahrhundert, singen Lieder aus dem 18. Jahrhundert mit Musikinstrumenten aus dem 17. Jahrhun-dert, und das Ganze baut auf einer Theo-logie aus dem 16. Jahrhundert.“ Das kriti-sche Verhältnis zu allem Herkömmlichen ist bei ICF das einende Element. 2.4. Gottesdienste Zum Ausdruck kommt das neue Kirchen-verständnis in erster Linie in der Musik. Erlebnis und Unterhaltung stehen im Vor-dergrund. Ein Kernelement eines ICF-Gottesdienstes ist der „Worship“ (= Anbe-tung, Lobpreis), der durch eine Band mit Sängern und Sängerinnen geleitet wird und gut und gerne 80 bis 95 Dezibel errei-chen kann, was weltliche Medien bereits des Öfteren dazu veranlasst hat, von der „Party-Kirche“ oder den „Party-Christen“ zu sprechen. Seit 2005 existiert mit der

ICF Media GmbH ein hauseigener Verlag, der die regelmässig erscheinenden CD’s vermarktet. Jedes Jahr geht ICF mit einem eigenen Musical auf eine Tournee durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Der zweite Schwerpunkt des Gottesdiens-tes liegt erfreulicherweise bei der Predigt. Die Pastoren geben sich bewusst jugend-lich, was vor allem durch Kleidung und Frisur zum Ausdruck gebracht wird. Die Predigt wird möglichst humorvoll mit eini-gen Spässen oder Anekdoten begonnen. Die Sprache ist dem Jugendslang ange-passt, wobei durchaus auch Kraftausdrü-cke verwendet werden. Charakteristisch für das ICF sind Themenreihen, bei denen während mehrerer Wochen ein biblisches Thema oder ein biblisches Buch in Form einer Serie behandelt wird. Das Abendmahl wird nicht mit den bibli-schen Einsetzungsworten als eigenständi-ger Teil des sonntäglichen Gottesdienstes gefeiert. Toastbrot und Traubensaft wer-den auf einem Stehtisch bereitgestellt. Jeder Besucher kann sich dort beim Ver-lassen des Saals selbst bedienen. 2.5. Modernste Technik Das ICF Movement setzt die neuen Medien gekonnt und gezielt ein: Die Videoauf-zeichnung der Predigten, die Übertragung von Gottesdiensten in andere Locations, der einheitliche Internetauftritt oder die Nutzung der Social Media wie Facebook oder Twitter sind nur einige Beispiele. Die Kollekte kann im Gottesdienst direkt per SMS einbezahlt werden. Seit 2010 werden die Predigten von Leo Bigger auf verschie-denen in- und ausländischen Fernsehsen-dern ausgestrahlt: Star TV, Das Vierte, Austria 9, Rheinmain TV, Super RTL, GodTV. In diesem Jahr (2012) wurde die ICF Online Church gegründet.

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2.6. Das Rahmenprogramm Die ICF-Gottesdienste sind in ein umfang-reiches Rahmenprogramm eingebaut. Um dieses unterhalten zu können, wurde 2004 die ICF Events GmbH (heute: ICF Services GmbH) gegründet. Diese Gesellschaft be-zweckt laut Statuten den Betrieb von eige-nen Bars und Restaurants, das Catering von Veranstaltungen sowie die Organisati-on und Durchführung von Fest- und Konzertveranstaltungen sowie von Reisen. Allein das ICF Zürich zählt mittlerweile 60 hauptamtliche Mitarbeiter. Das jährliche Budget beträgt 4,5 Millionen Franken. In einem Artikel des Tagesanzeigers („Kann denn Glaube Sünde sein?“) wird deshalb am 14. Juni 2011 bilanziert: „ICF, das wird deutlich, ist ein globales Unternehmen. Religion wird zum Wirtschaftssystem, Glaube ein Produkt.“ 2.7. Der Aspekt der Heiligung Aspekte der biblischen Lehre, die im ICF nur ein Schattendasein führen, sind die Heiligung und die Absonderung von der Welt. Dies erstaunt nicht allzu sehr, ist doch der weltliche Lebensstil ein integrati-ver Bestandteil des Programms. In vielen Bereichen unterscheiden sich ICF-Events kaum oder gar nicht von weltlichen Unter-haltungsangeboten. An der Vision Night vom vergangenen Donnerstag (vgl. unten) wurden vom ICF-Jugendpastor für das Anschlussprogramm an den geplanten evangelistischen Grossanlass bezeichnen-derweise folgende drei Vorschläge unter-breitet: Cüplibar, Disco oder Popkonzert. Der Herr erinnert uns in 1Joh 2,15-16: Liebt nicht die Welt noch was in der Welt ist! Wenn jemand die Welt liebt, ist die Liebe des Vaters nicht in ihm; denn alles, was in der Welt ist, die Begierde des Flei-sches und die Begierde der Augen und der Hochmut des Lebens, ist nicht vom Vater,

sondern ist von der Welt. Oder in Röm 12,2: Und seid nicht gleichförmig dieser Welt. 2.8. Smallgroups Ein wichtiges Gefäss für das ICF sind die Smallgroups (Kleingruppen/Hauskreise), in denen die Sonntagspredigt vertieft wird. Die verschiedenen Gruppen sind weitge-hend frei in der Gestaltung ihrer Zusam-menkünfte. Sie dienen vor allem dem Auf-bau gegenseitiger Beziehungen. Neue Mit-glieder der Kirche werden deshalb mög-lichst schnell in eine bestehende Klein-gruppe integriert. 2.9. Expansion Eines der Hauptanliegen des ICF Move-ment ist es, dass die bestehenden Ge-meinden schnell wachsen und gleichzeitig möglichst viele neue Gemeinden gegrün-det werden können. Die Evangelisation ist ein Herzensanliegen des ICF. Tatsächlich erreicht die Bewegung deutlich mehr Un-gläubige als andere Gemeinden. Leider wird allzu oft mit Begründungen zum Glauben an Jesus Christus aufgerufen wie „… weil es cool ist.“ oder „… weil Jesus dein Leben positiv verändert.“ und selte-ner mit der biblischen Wahrheit, dass der Sünder ohne das stellvertretende Opfer von Jesus Christus für immer verloren geht. Es gibt im ICF deshalb auch Bekeh-rungen, bei denen die Früchte des Geistes in der Folge nicht sichtbar werden. Seit Beginn der Bewegung stammt ein bedeutender Anteil der ICF-Besucher aus anderen Freikirchen. Vielen Jugendlichen erlaubt es die ICF-Kultur, ihren christlichen Glauben einerseits und ihren Wunsch nach weltlicher Unterhaltung andererseits unter einen Hut zu bringen. Oft sind gläubige Eltern dankbar, wenn ihre Jungen zumin-

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dest noch eine Gemeinde besuchen. Aktiv gefördert wird der Besuch von ICF-Veranstaltungen auch durch die Jugend-pastoren umliegender Freikirchen. Da ihnen die Zeit und die Ressourcen für Ver-anstaltungen in einer ähnlichen Grössen-ordnung fehlen, sehen sie den einzigen Ausweg, um ihre Leute bei der Stange zu halten, darin, mit ihren Jugendgruppen die ICF-Events zu besuchen. Leider war der Besuch des ICF für Jugendliche aus gläu-bigen Elternhäusern auch schon die letzte Station vor ihrem definitiven Ausstieg aus dem Gemeindeleben. 2.10. Fremdsprachige Von Beginn an hatte das ICF das wichtige Anliegen, auch fremdsprachige Menschen erreichen zu können. Deshalb wurde mit der Bezeichnung „International Christian Fellowship“ bereits 1990 ganz bewusst ein englischsprachiger Name gewählt. Seit 2006 bzw. 2008 werden Gottesdienste in Spanisch und Englisch angeboten. 2.11. Leitung Die ICF-Pastoren zeichnen sich durch ein enormes persönliches Engagement aus. Sie setzen sich mit grosser Leidenschaft für ihr Anliegen ein. Oftmals hält ein Pas-tor an einem Sonntag mehrere Predigten an verschiedenen Orten.

Bemängelt werden muss, dass in allen Gemeinden ein kleines Leitungsteam über die Ausrichtung und die Finanzen der Ge-meinde befinden kann. Die Gewaltentren-nung ist äusserst schwach ausgeprägt. Das ICF kennt keine Mitgliedschaft. Des-halb fehlt ein Organ wie eine Gemeinde-versammlung. Die Leitung muss den Mit-gliedern keine Rechenschaft ablegen. Wichtige Entscheidungen müssen nicht genehmigt werden. Auch werden die Pas-

toren weder gewählt noch in regelmässi-gen Abständen in ihrem Amt bestätigt. Ein Grossteil der Macht liegt unkontrolliert in der Hand einiger weniger Personen. Ein überprüfendes Organ wäre deshalb ange-sichts unserer menschlichen Sündhaf-tigkeit und unserer Anfälligkeit für Macht-missbrauch jeglicher Art wünschenswert. 2.12. Ausbildung Seit einiger Zeit wird im ICF der theologi-schen Schulung vermehrte Bedeutung beigemessen. Im Jahr 2008 wurde das ICF College gegründet, welches anfänglich einmal pro Woche eine theologische Vorle-sung in Zürich anbot. Inzwischen kann man eine Vollzeitausbildung mit theologi-scher oder musikalischer Ausrichtung ab-solvieren. Seit 2012 werden auch in Bern und München Vorlesungen gehalten. Zu den Schwerpunkten des Unterrichts gehö-ren „Bible Challenge“ (Bibelstudium), „Leadership Challenge (Leitungsgrundla-gen) und „Life Challenge“ (Selbst- und Sozialkompetenz). Für die Mitglieder des ICF und interessierte Gemeinden wird der-zeit in Form von Videobotschaften eine Kurzversion des Alpha-Live-Kurses mit dem Titel „Entdecke Gott“ ausgearbeitet. Abschliessende kirchengeschichtliche Einordnung: Das ICF Movement ist kir-chengeschichtlich gesehen ein typisches Produkt der 68er-Bewegung. Die dort pro-pagierte Skepsis gegenüber allem Her-kömmlichen, die Separierung der Genera-tionen sowie der grosse Stellenwert der Unterhaltung werden hier in Form einer christlichen Gemeinde konsequent in die Tat umgesetzt. Auch der geringe Stellen-wert der Lehre und die (zumindest vorder-gründig) breite Akzeptanz verschiedenster theologischer Ausrichtungen sind charak-teristisch für die postmoderne Denkweise. Das ICF ist ein typisches Beispiel für eine

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Trendkirche, die innert kurzer Zeit grösse-re Menschenmengen anzusprechen ver-mag. 3. Arbeit im Wynen- und Seetal? 3.1. Church Planting Das erklärte Ziel von Leo Bigger ist es, in ganz Europa dreihundert ICF-Gemeinden zu gründen. Deshalb wird der Aufbau von neuen Kirchen gezielt gefördert. Im ICF ist es so, dass mehrere Standorte (Locations) zusammen eine Gemeinde (Church) bil-den. Das ICF Zürich beispielsweise – Vor-bild aller anderen Gemeinden - rühmt sich mittlerweile mit dem Slogan: 1 CHURCH – 6 LOCATIONS. Zur Gemeinde in Zürich zählen also auch Niederlassungen in Win-terthur, Rapperswil, im Zürcher Oberland, in Brugg sowie neuerdings die Online Church. Ausgelöst durch die ehrgeizige Zielsetzung und den Wetteifer unter den Pastoren ist im ICF in den vergangenen Jahren ein regelrechtes Gemeindegrün-dungsfieber ausgebrochen. Allein in den letzten zwei Jahren sind mehr als zehn Gemeinden entstanden. Paulus, der bekannteste biblische Gemein-degründer, sagt in Röm 15,20: So aber setze ich meine Ehre darein, das Evangeli-um zu verkündigen, nicht da, wo Christus genannt worden ist, damit ich nicht auf eines anderen Grund baue. Demgegen-über gründet das ICF seine Gemeinden nicht dort, wo das Evangelium noch kaum oder gar nicht verkündigt ist (z.B. in ka-tholischen Gebieten), sondern in Regio-nen, aus denen eigene Gemeindeglieder mit einem längeren Anfahrtsweg stam-men. Diese bilden den Kern der neuen Gemeinden. Da sie oftmals aus anderen Freikirchen stammen, sind in der Regel solche Orte vom ICF-Church Planting be-troffen, in denen bereits eine oder mehre-

re Freikirchen existieren, was bei anderen Gemeinden in der Vergangenheit nicht nur Begeisterung ausgelöst hat. 3.2. Die ICF-Gemeindebaustrategie Um die momentanen Aktivitäten in Rein-ach zu verstehen, muss man zuerst die Church-Planting-Strategie von ICF kennen, welche schweiz- und europaweit stets nach einem ähnlichen Muster verläuft. Drei Elemente prägen die Vorbereitungsphase für eine Gemeindegründung: 1) Vision Nights, an denen die Aufbaupläne mit In-teressierten durchdacht und ausgearbeitet werden, 2) ein evangelistischer Grossan-lass, zu dem die Gemeinden der Region und Aussenstehende eingeladen werden (in der Regel um Weihnachten herum), sowie 3) anschliessende Alphakurse, zu denen am Grossanlass eingeladen wird. Die bereits in der Region ansässigen ICF-Mitglieder und die interessierten Alphateil-nehmer dienen als Grundstock der neuen Gemeinde, der in der Folge zusammen mit der Muttergemeinde eine geeignete Loca-tion sucht. Ist ein passendes Veranstal-tungslokal gefunden, wird die Gemeinde mit einem aufwändig gestalteten Eröff-nungsanlass - dem sogenannten „Big Bang“ - offiziell eingeweiht. Ab diesem Zeitpunkt werden regelmässige Celebrati-ons (= Gottesdienste) angeboten. Nach diesem Muster wurden in den letzten Jahren auch in der Schweiz zahlreiche ICF-Kirchen gegründet. So findet sich etwa in einem im Internet veröffentlichten Doku-ment des ICF Chur, das in Davos einen Ableger gründen möchte, folgende Zielset-zung für das Jahr 2012: „Ein tragfähiges Fundament für das ICF Davos ist mit Kligruppa, Worship- and Visionnight und Weihnachtsmusical gelegt. Vorbereitungen für Big Bang im 2013 und ab dann regel-mässige Celebrations.“

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3.3. Das ICF Mittelland Im Jahr 2001 wurde in Zofingen ein erster ICF-Grossanlass mit anschliessenden Visi-on Nights durchgeführt. Daraufhin konnte im Jahr 2003 das ICF Zofingen gegründet werden, welches seit 2009 den Namen ICF Mittelland trägt. Mit der Namensänderung verbunden war der Bezug neuer Lokalitä-ten in Oftringen. Die Gemeinde wird von Pastor Philippe Sternbauer geleitet. Die „Vision Mittelland“ wurde laut eigenen Angaben im Jahr 2006 geboren. Erklärtes Ziel der Gemeinde ist es, in jeder Stadt im östlichen Mittelland eine Location zu eröff-nen. Im Jahr 2008 konnte mit den ersten Celebrations in der Location Langenthal ein erster Schritt in diese Richtung getan werden. Die dortigen Gottesdienste finden am Abend statt und werden wie die Mor-genpredigt in Oftringen von Phil Sternbau-er abgehalten. Am 28. Oktober 2012 wird in Solothurn der Big Bang für die dritte Location des ICF Mittelland stattfinden.

3.4. Suche nach neuen Standorten Kürzlich erreichte die EG Wynental das beiliegende Schreiben von ICF Mittelland, mit dem Philippe Sternbauer alle Gemein-den der Region zum geplanten Weih-nachtsanlass einlädt, der am 21. Dezem-ber im Saalbau Reinach stattfinden soll. Ausserdem wird angekündigt, dass ICF ab dem kommenden Jahr vor Ort Alphakurse anbieten wird. Durch dieses Schreiben und die beiliegen-den Einladungen hellhörig geworden, ha-ben die beiden Prediger der EG Wynental am vergangenen Donnerstag die Einla-dung zur ersten von zwei Vision Nights (Infoveranstaltungen) im Restaurant Cent-ral in Reinach angenommen. Dort wurden die geplanten Aktivitäten vorgestellt und dazu ermutigt, die Weihnachtsveranstal-tung im Saalbau als evangelistischen An-

lass für die eigene Gemeinde zu nutzen. Da Vision Nights, Weihnachtsevent und Alphalivekurse ein unverkennbarer Hinweis auf eine geplante ICF-Gemeindegründung sind, wurde Philippe Sternbauer von den Vertretern der EG Wynental darauf ange-sprochen, ob denn auch für unsere Region ein ICF geplant sei. Um ehrlich zu sein, wolle er diese Frage bejahen, so der ICF-Pastor, wobei eine Gemeindegründung vom Erfolg der geplanten Anlässe abhän-gig gemacht werde. Das ICF Mittelland habe verschiedene Besucher aus dem Wy-nen- und Seetal, denen die Region ein wichtiges Anliegen sei. Mit anderen Wor-ten: Es ist damit zu rechnen, dass in den kommenden Jahren in Reinach oder Um-gebung eine ICF-Location als Ableger des ICF Mittelland aufgebaut wird. Ein weite-res Element in der reichhaltigen Kirchen-landschaft der Agglomeration (Reformierte Kirche, katholische Kirche, Chrischona, Heilsarmee, EG Wynental, Herrnhuter-Sozietät, Freie Christengemeinde, Adven-tisten, WTL Swiss, Neuapostolische Kirche und Zeugen Jehovas). Es ist der Gemeindeleitung der EG Wynen-tal ein Anliegen, dass diese ganze Entwick-lung im Gebet begleitet wird, so dass in allem der Wille des Herrn geschehen darf, sei es nun mit oder ohne ICF. 4. Kommende Herausforderungen Es wird interessant sein, die weitere Ent-wicklung des ICF als äusserst spannenden Teil der Kirchengeschichte des frühen 21. Jahrhunderts auch in Zukunft mitzuverfol-gen, denn die grossen Herausforderungen des Gemeindebaus stehen der Bewegung erst noch bevor. 4.1. Generationenwechsel Bereits befinden sich die Pastoren der Pio-nierzeit in einem fortgeschrittenen Alter.

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Werden sie ihrem Motto einer „Kirche von Jungen für Junge“ treu bleiben und ihre Position an jüngere Prediger abtreten oder sich an ihre Pfründe klammern? Denkbar ist, dass sie sich mit der Zeit auf neu zu schaffende strategische Positionen zurück-ziehen und die Organisation von dort aus leiten werden.

Auch die Gottesdienstbesucher des ICF werden älter werden. Wie wird es dem ICF gelingen, die momentan weitgehend noch fehlende ältere Generation in die Gemein-den zu integrieren? Werden sich Senioren neue Gemeinden suchen müssen? Oder wird man das Angebot entsprechend an-passen? Bereits im Jahr 2009 hat ICF ei-nen ersten Schritt in diese Richtung getan, als es (vor allem auch für werdende oder junge Mütter) die Unplugged-Celebrations mit ruhigerer und leiserer Musik einführen musste (unplugged = ausgesteckt). Vor allem aber interessiert, wie es dem ICF gelingen wird, die mittlerweile heran-wachsenden eigenen Kinder nachzuziehen, stossen sich Teenager und Jugendliche doch bekanntlich vor allem an jenen Er-wachsenen, die in ihren Augen nicht au-thentisch und glaubwürdig erscheinen. Wie werden also die eigenen Kinder auf Eltern reagieren, die darum bemüht sind, einen möglichst jugendlichen Eindruck zu erwecken? Zudem ist bekannt, dass be-sonders Trendkirchen gefährdet sind, ihre Mitglieder bald schon an die Trendkirchen von morgen abtreten zu müssen. Wird also auch ICF zu einer herkömmlichen Kirche werden und eine Stagnation oder einen Besucherrückgang erleben?

4.2. Lehrmässige Defizite Besonders spannend wird es sein, mitzu-verfolgen, wie ICF mit den lehrmässigen Defiziten umgehen wird. Wie wird man den Aspekt der Heiligung miteinbeziehen können? Wie wird man bei der grossen Freiheit in den Smallgroups verhindern können, dass falsche Lehren um sich grei-fen. Die verstärkten Bemühungen um eine lehrmässige Unterweisung der Gläubigen und der Leiterschaft deuten darauf hin, dass man zukünftig vermehrt in diese Richtung arbeiten wird. 4.3. Die Zeit nach dem Boom Wie wird sich ICF weiterentwickeln, wenn die momentan noch anhaltende Erfolgs-welle langsam abklingen wird? Wird die kommende Pastorengeneration die Ju-gendlichen zu einem Zeitpunkt, in dem das ICF-Kirchenmodell nicht mehr neuartig und trendig ist, in ähnlicher Weise begeis-tern können wie die Gründerväter, die vom Bonus des Neuen profitierten? Was geschieht, wenn die Finanzen nicht mehr im Überfluss vorhanden sind und das grosse Imperium, das man aufgebaut hat, aufrechterhalten werden muss? Spätes-tens dann werden auch – gerade in der direkt-demokratischen Schweiz – Forde-rungen unter den Mitgliedern nach einer stärkeren Partizipation auftauchen, sei es bei der Bestimmung der Verantwortungs-träger oder bei der Verwendung der finan-ziellen Mittel.

20. Oktober 2012

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