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Aus der Brustklinik, Upsala. (Dir.: Prof. Dr. R. Friberger.) Ein Vergleich zwischen Lungentuberkul6sen und q ge unden hinsichtlich tuberkul6ser Exposition im Kindesalter. Yon Arvid Wallgren, Assistenzarzt. Wie bekannt sein diirfte, war man vor einem Jahrzehnt fast all- gemein der Ansicht, class die Lungenschwindsucht beim erwachsenen Menschen infolge einer direkten Primgrinfektion der Lungen des Er- wachsenen entstehe. Seit dem Jahre 1903, als v. Behring 1) diese Auffassung der Phthise angriff und erklgrte, es fehle jeder Beweis dafiir, dass Tuberkelbazillen jemals durch Einatmen bci einem erwachsenen, zuvor tuberkelfreien Menschen Lungenkrankheit erzeugt hgtten, ist diese Frage oft und viel umstritten worden, v. Behring meinte, dass die Entstehung der Lungenschwindsucht in den Kinderjahren zu suchen sei; er fasste sie als das Endstadium einer Infektion im Kindes- alter auf. v. Behring blieb jedoch nicht lange der einzige Vertreter der Ansicht, dass die Infektion im Kindesalter fiir die Entstehung der Lungenschwindsucht yon grosser Bedeu~ung sei. Eine Reihe yon For- schern haben sich dieser Theorie angeschlossen und sind warm dafiir eingetreten; durch ihre mittelst verschiedener Untersuchungsmethoden gewonnenen Erfahrungen suchen sie die Richtigkeit derselben zu be- weisen. So haben z. B. Tuberkulinuntersuchungen an Kindern ergeben, dass im Pubertgtsalter beinahe alle Fglle positiv reagiert haben, d. h. mit 1) Tuberkulosebekiimpfung. Naturforscherversammlung. Kassel 1903. 12"

Ein Vergleich zwischen Lungentuberkulösen und Gesunden hinsichtlich tuberkulöser Exposition im Kindesalter

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Aus der Brustklinik, Upsala. (Dir.: Prof. Dr. R. Friberger.)

Ein Vergleich zwischen Lungentuberkul6sen und �9 q ge unden hinsichtlich tuberkul6ser Exposition

im Kindesalter.

Yon

Arvid Wallgren, Assistenzarzt.

Wie bekannt sein diirfte, war man vor einem Jahrzehnt fast all- gemein der Ansicht, class die Lungenschwindsucht beim erwachsenen Menschen infolge einer direkten Primgrinfektion der Lungen des Er- wachsenen entstehe. Seit dem Jahre 1903, als v. B e h r i n g 1) diese Auffassung der Phthise angriff und erklgrte, es fehle jeder Beweis dafiir, dass Tuberkelbazillen jemals durch Einatmen bci einem erwachsenen, zuvor tuberkelfreien Menschen Lungenkrankheit erzeugt hgtten, ist diese Frage oft und viel umstritten worden, v. B e h r i n g meinte, dass die Entstehung der Lungenschwindsucht in den Kinderjahren zu suchen sei; er fasste sie als das Endstadium einer Infektion im Kindes- alter auf.

v. B e h r i n g blieb jedoch nicht lange der einzige Vertreter der Ansicht, dass die Infektion im Kindesalter fiir die Entstehung der Lungenschwindsucht yon grosser Bedeu~ung sei. Eine Reihe yon For- schern haben sich dieser Theorie angeschlossen und sind warm dafiir eingetreten; durch ihre mittelst verschiedener Untersuchungsmethoden gewonnenen Erfahrungen suchen sie die Richtigkeit derselben zu be- weisen.

So haben z. B. Tuberkulinuntersuchungen an Kindern ergeben, dass im Pubertgtsalter beinahe alle Fglle positiv reagiert haben, d. h. mit

1) Tuberkulosebekiimpfung. Naturforscherversammlung. Kassel 1903. 12"

:1~0 Arvid Wallgron. [2

Tuberkulose infiziert waren. In l~'bereinstimmung hiermit haben nun verschiedene Sektionsstatistiken ergeben, dass fast alle Menschen in irgend einer Form Tuberkulose irn KSrper haben oder gehabt haben.

Dur(:h Tierexperimente, die yon verschiedenen Forsehern beson- ders yon R5 m e r 1) ausgefiihrt wurden, ist nachgewiesen worden, dass eine gelinde Infektion yon Tuberkulose gegen eine erneute Infektion einen gewissen Schutz bieten kann. Hierauf nun sollte es zuriickzu- fiihren sein, dass die tuberkulSse Infektion bei Erwachsenen in den raeisten F~llen ](eine Tuberkulose zur Folge hat. Die Infektion trifft ja fast immer ein friiher in der Kindheit infiziertes, d. h. gewisser- raassen immunes Individuum. Nur wenn die neue Infektion massenhaft oder sehr virulent ist oder wenn die Imraunit~t schwKcher geworden ist, entsteht Lungenschwindsucht.

Eine neue Infektion, raeint R S m e r , brauche nicht yon aussen her zu koramen, sie k~rae vielraehr yon innen, von dera prim~ren Herd der Kinderjahre, d. h. sie w~re eine metastatische Autoinfektion. Die Ursache, weshalb nur gewisse Kinderinfektionen zu einer solchen Re- infektion der Erwachsenen und darait zu Lungenschwindsucht fiihren, sollte in der Quantit~t und Qualit~t der prim~ren Infektion liegen. Ist diese intensiv, so ist die Bedingung fiir eine in sp~teren Jahren auftretende Lungenschwindsueht gegeben, ist sie dagegen weniger be- tr~chtlich, so wird eine Imraunit~t erworben, die einen, wenn auc]~ nur begrenzten Schutz gegen sp~tere Tuberkulose bietet.

Sind nun diese Theorien richtig, so kSnnte man h~ufig intensive Infektionsgelegenheiten- Expositionen - - w~hrend der Kindheit in der Anamnese LungentuberkulSser nachweisen, w~hrend dies bei der Anamnese yon Individuen mit gesunden Lungen nicht dec Fall w~-e, ein deutlicher Unterschied liesse sich hier nachweisen.

Es ist ja allgemein bekannt, wie h~iufig die Anaranese eines lungenschwindsiichtigen Patienten zeigt, dass Lungenschwindsucht in der Familie des Kranken vorgekomraen ist. Damit ist jedoch weder gesagt, dass die Infektion gerade yon dem tuberkulSsen Verwandten iibertragen worden sein muss, noch dass der Kranke mehr der An- steckungsgefahr ausgesetzt worden ist, als vielleicht ein anderer, in dessen Familie lr Tuberkulose vorkara. Ura annehraen zu kSnnen, dass eine Exposition fiir Tuberkulose stattgefunden hat, muss nach- gewiesen werden, dass eine Beriihrung zwischen der eventuellen tuber- kulSsen Ansteckungsquelle und dem Infizierten erfolgt ist.

Welch ein Unterschied zwischen tuberkul5ser Exposition und tuberkulSser Hered i t~ i t - wenn man dieses Wort verwenden darf - -

1) Brauers Beitriige Bd. XI, XIII, XVII und XXII.

3] Ein Vergleich zwischen Lungeniuberkul6sen und Gesunden etc. 181

bestehen k an n, ist aus folgenden, yon Till is c h 1) gefundenen Zahlen zu ersehen. Er hat die Anamnese yon 841 Lun~-enschwindstichtigen (398 3Ignnern und 443 Frauen) mit Rticksicht auf das Vorkommen einer Exposition fiir Tuberkulose w~hrend der Kindheit bearbeitet. Nur in 168 F~llen ----- 20 ~ (17,3 ~ 5[~nner und 22,3 ~ Frauen) konnte er nachweisen, dass der Kranke im Kindesalter der Tuberkulose ausge- setzt war. Dagegen fand sich in 385 Fiillen = 45,8 ~ bei Eltern und Geschwistern Tuberkulose. Die Ursache dieses grossen Unterschiedes zwischen der Exposition eines Kindes und der Familientuberkulose dfirfte teils darin zu suchen sein, dass eine grosse Anzahl yon tuber- kulSsen Krankheitsf~llen in der Familie des Patienten erst vorge- kommen sind, nachdem er die Kinderjahre hinter sich hatte; tells darin, dass bei den Geschwistern die Tuberkulose erst aufgetreten ist, naehdem sie das Elternhaus verlassen hatten, der Patient demnach also nicht mit ihnen in Beriihrung gewesen war. Ferner diirfte es leichter sein, eine positive Familienanamnese eines Lungenschwind- siichtigen als eine positive Exposition in der Kindheit nachzuweisen.

Es ist natiirlich eine heikle Sache aus Angaben in der Anamnese betreffs der Exposition in der Kindheit sichere Schliisse zu ziehen. In wie hohem Grade anamnestische Auskiinfte irrefiihren kSnnen, weiss jeder Arzt "tus eigener Erfahrung. Jede Aufnahme ei/ler wirklich z~lver]iissigen Anamnese stellt grosse Anforderungen sowohl an die Tiichtigkeit als auch an die Geduld und Zeit des Arztes. Es ist selbstverst~ndlicb, dass die Art und Weise, sowie die Griindlichkeit beim Ausfragen eine grosse Rolle spielen. Das Ergebnis der Anamnese ist jedoch auch zu einem gewissen Grad yon dem intellektuellen Niveau des Ausgefragten abhiingig, ferner von seiner F~higkeit, erlebte Momente im Ged~chtnis festzuhalten und besonders schliesslich vonder Affekts- betonung, die die einzelnen friiheren Ereignisse begleitet hat. Diese wiederum diirfte anf einer derzeitigen, allgemeinen Kenntnis des Wesens und der Ursache der Krankheit, besonders der Ansteckungsgefahr, beruhen (Bruch und Ste inberg~)) . Ferner muss man, wie auch R 5 mer 3) betont, in Betracht ziehen, dass der TuberkulSse leicht dazu neigt, seine Krankheit mit einer naheliegenden Ursache in Zu- sammenhang zu setzen, was j~ leicht erkliirlich ist, da jeder Kranke wohl lieber an einer akuten als an einer lange vorhandenen chroni- schen Krankheit leiden will.

~) Alb. T i l t i s c h : Omkring spSrg maalet exogen eller e~dogen reinfection red lungetuberkulose. Medicinsk Revue 31 Aarg. M. 5.

e) Bruch und S t e i n b e r g : Die Verbreitung der Lungentuberkulose in Breslauer Familien, Wohnungen und Werkst~tton. Zeitschrift ftir Hygiene und Infektionskrankheiten. Bd. 71.

~) B r a u e r s Beitr~ige Bd. XVII.

182 Arvid Wallgren. [4

In der Literatur finden sich mehrere statistisch anamnestische Untersuchungen, die alle unternommen worden sind, um die Bedeu- tung der Exposition bzw. der prim~ren Kindheitsinfektion fiir eine in spateren Lebensjahren ausgebroehene Lungentuberkulose zu er- forschen.

So haben R i t t e r und V e h l i n g l) ira Sanatorium Edmundstal anamnestische Auskiinfte yon 200 mit Lungentuberkulose behafteten Patienten (100 M~nnern und 100 Frauen) mit Riicksicht auf das even- tuelle Vorkommen einer tuberkulSsen Infektion in der Kindheit be- arbeitet. Als Ausdruck einer solchen Infektion betrachten diese Verfasser chronische Driisenanschwellungen, Knochen-und Gelenk- krankheiten, chronische Katarrhe in den Atmungs0rganen, chroni- schen Eiterfluss aus den Ohren; ferner rechnen sie auch zu den Infizierten die seit der Kindheit schwachen, kranklichen, sowie blut- armen Individuen, besonders wenn sich diese Schwache in unregel- massigem Schulbesuch, in Unfahigkeit fiir kSrperliche Arbeit in spateren Jahren, in Militaruntauglichkeit usw. gezeigt hat. Die For- scher gehen jedoch zu weit darin, alle diese Schwachesymptome als einen Ausdruck der Tuberkutose zu betrachten. Aller Wahrschein- lichkeit nach wiirden sie in ihrer Praxis nicht Tuberkulose bei solchen Kindern festgestellt haben, an denen einige dieser Symptome vor- handen waren.

Von den 200 Patienten waren 41 Manner und 54 Frauen in der Kindheit mit Tuberkulose infiziert worden und batten mit tuber- kulSsen Eltern und Geschwistern zusammengelebt. 37 Manner und 33 Frauen waren in der Kindheit infiziert worden, ohne dass bei Eltern oder Geschwistern Tuberkulose vorgekommen war. 8 Mii, nner und 6 Frauen sind der Ansteckung yon Eltern oder Geschwistern ausgesetzt gewesen, haben jedoch keine Symptome yon tuberkulSser Infektion gezeigt. Schliesslich sind 14 Mi~nner und 7 Frauen weder einer Ansteckung ausgesetzt gewesen noch haben sie in ihrer Kind- heit Symptome yon Tuberkulose gezeigt. TuberkulSse Infektion in der Kindheit ist also bei 165 Fallen, yon welchen 87 Frauen und 78 Manner waren, aufgetreten. 49 Manner und 60 Frauen sind der Ansteckung yon Eltern oder Geschwistern ausgesetzt gewesen.

v. H e It e n s 2) hat aus dem Sanatorium Nummela ein Material yon 1400 Fallen mit Lungentuberkulose gesammelt und bei einer ahnlichen Untersuchung gefunden, dass nur in 16,29 ~ aller Fiille weder das Vorhandensein yon Tuberkulosesymptomen in der Kindheit noch Tuber-

1) Rit ter und Vehling: Berl. klin. Wochenschr. 1909, S. 192~. ~) Finska lfikares/illskapets handlingar. Bd. LV. Nr. 5.

5] Ein Vergleich zwischen LungentuberkulSsen und Gesunden etc. 1S3

kulose bei den niichsten Angeh(~rigen konstatiert werden konnte. Er hat jedoch nicht die AnsteckungsmSglichkeiten in der Kindheit an- gegeben, sondern nur das Vorhandensein von Tuberkulose in der Familie, und zwar bei Eltern und Geschwistern. Seine Arbeit zeigt also, was man die Hereditiit der Lungenschwindsiichtigen ffir Tuber- kulose nennen kSnnte, nicht aber ihre Exposition ffir Tuberkulose in der Kindheit.

B r u c h und S t e i n b e r g 1) haben nach Fragebogen, die sie durch die Gemeindepflegerin in Breslau ausgehen liessen, und nach eigenen Untersuchungen an 300 F~llen mit Lungentuberkulose die Exposition fiir Tuberkulose und die Krankheitssymptome in der Kindheit genau studiert. Sichere Exposition in der Kindheit haben sie in 29,50/o gefunden, in 38,9~ entweder in der Kindheit oder im spiiteren Alter und in 31,6~ im spi~teren Alter.

F r ey m u t h 2) hat die Anamnese yon 510 Phthisikern aufgenom- men, seiner Meinung naeh fanden sich keine Beweise dafiir, dass der grSsste Teil oder auch nut ein erheblicher Teil schon als Kind tuber- kulSs infiziert worden war. Seine Anamnesen sind jedoch nicht mit be- sonderer Riicksicht auf die MSglichkeit einer Exposition im Kindesalter aufgenommen und deshalb will ich hier nicht niiher darauf eingehen.

Viel zitiert worden sind H il I e n b e r g s 3) Untersuchungen. Unter 1000 Fi/llen mit Lungentuberkulose land er in 4 1 % eine siehere In- fektionsquelle, aber nur in 14,3 % war die Ansteckung in der Kindheit erfolgt. Deshalb ist er der Ansieht, dass die Lehre, die Lungenschwind- sucht bei Erwachsenen sei nur ein Produkt einer metastatischen Autoinfektion yon einem infantilen Herd, unhaltbar sei. H il 1 o n b e r g s Untersuchungen weisen jedoch grosse Fehlerquellen auf. Der grSssere Teil seiner Fi~lle bestand z. B. aus bereits Gestorbenen, einige waren sogar schon mehrere Jahre tot. 0 b e r diese nun sichere Auskiinfte betreffs Exposition fiir Tuberkulose zu erhalten, ist natiirlich in den meisten Fiillen unmSglich. Gewisse Schlfisse4), die er gezogen hat, sind jedoch yon Iuteresse. E r meint, dass die Infektionen, wo die Quelle fiir die Infektion nicht bekannt ist, gutartiger Natur sind und bei hSherem Alter nicht zu manifester Tuberkulose fiihren, sondern vielmehr immunisierend wirken.

N i k o I s k i 5) hat eine Anamneseuntersuchnng fiber das Auftreten der Tuberkulose innerhalb der Familie an 113 Patienten ausgeffihrt,

1) Zeitschrlft fiir Hygiene und Infektionskrankheiten. Bd. 71. 2) Beitrligo zur Klinik der Tuberkulose. Bd. 33. a) Zeitschrift fiir Hygiene und Infektionskrankheiten. B:I. 65. ~) Tuberkulosis. 1911. 5) Zeitschrift fiir Tuberkulose Bd. 7.

184 Arvid Wallgren. [6

yon diesen hatten 58 Lnngentuberkulose, die anderen 55 waren nicht tuberkelkrank. Er land Familientuberkulose bei den Lungentuberku- tSsen in 87,900]0, bei den NichttuberkulSsen in 34,5~ Die Eltern waren in 50 ~ bzw. 11 ~ tuberkelkrank, und deshalb nimmt N i k o 1 s k i an, dass die tuberkulSsen Patienten ffinfmal mehr als die nicht- tuberkulSsea Individuen der Infektion ausgesetzt worden sind. Ange- sichts des Unterschiedes, der sich zwischen ,tuberkul5ser Hereditiit" und tuberkulSser Exposition finder, und auf den auch ich aufmerksam gemacht habe, muss man diesen Schlusssatz N ik o 1 s k i s wahrscheinlich als nieht vS15g mit der Wirklichkeit fibereinstimmend ansehen. KSnnte man Hereditiit und Exposition als gleichwertig betrachten, so wiire ja N i k o ls k is Untersuchung als eine Stfitze fiir die R 5 m e rsche Theorie yon der metastatischen Autoinfektion anzusehen.

Betreffs der jetzt besprochenen Untersuchungen kann zu allererst bemerkt werden, dass die extrafamili~re Exposition im Kindesalter oft al[zuwenig beachtet worden ist. Des weiteren hat man oft zwischen ..tuberkulSser Heredit~t :'~ und tuberkulSser intrafamiliiirer Exposition keinen genfigenden Unterschied gemacht. Die Schliisse divergieren auch merklich.

Bei dieser Sachlage habe ich, um das Verhalten der tuberkul5sen Infektion in der Kindheit zur Lungenschwindsucht in spi~teren Jahren zu beleuchten mit Riicksicht auf das Vorkommen sicher nachweisbarer Kindheitsexposition sowohl innerhalb als ausserhalb der Familie einen Vergleich zwischen Individuen mit Lungentuberkulose und solchen mit gesunden Lungen angestellt. Mit der Famitie werden hier sowohl Eltern und Geschwister des Betreffenden als auch die Grosseltern und die Geschwister der Eltern gemein t.

Mein Material yon LungentuberkulSsen bestand aus 100 Patienten, die im Jahr 1914 in der Brustklinik des Akademischen Krankenhauses zu Upsala behandelt wurden. Nur durchaus sichere F~lle yon Lungen- tuberkulose sind aufgenommen worden, und yon diesen nur die, die unter 40 Jahren waren. Was die Zuverli~ssigkeit in den Angaben fiber die Kindheit anbetrifft, so wird diese natfirlich mit zunehmenden Jahren geringer. Bei einem Patienten, der fiber 40, Jahre alt ist, ist es selten, sichere Anskiinftc fiber die Kinderjahre zu erhalten. Die grSsste Anzahl der Patienten stammt aus mehr oder weniger armen Hi~usern, wo die Ansteekungsgefahr sicher grSsser war~ als bei Pa- tienten aus den oberen Klassen, ein Umstand, der jedoch vielleicht dadurch aufgewogen wird, dass man yon ersteren nicht ebenso genaue und zuverli~ssige Auskfinfte fiber die eigene Person verlangen kann, als es bei letzteren der Fall ist. Die Auskiinfte in der Anamnese sind, was die Exposition in den Kinderjahren angeht, soweit es mSg-

7] Ein Vergleich zwischen Lungentuberkulfsen und Gesunden etc. 1S5

lich war, ausser yore Patienten selbst, auch yon den n~chsten Ange- hSrigen desselben eingezogen worden. Oft ist eine yore Patienten selbst abgegebene negative Anamnese nach Ausfragen z. B. yon der Mutter des Betreffenden in eine positive verwandelt worden, da man yon dieser Auskiinfte fiber die Ansteckungsquelle w~hrend der Kinder- jahre erhalten hatte.

Die Anamnesen, die zum Teil von dem friiheren Assistenten, Dr. Er i k E r i c s s o n und zum grSssten Tell yon mir selbst herriihren, sind alle nach einem einheitlichen Plan und mit besonderer Riicksicht auf eventuelle Expositionen in der Kindheit aufgenommen worden. Nur in den F~llen, wo man mit Sicherheit nachweisen konnte, dass der Patient w/~hrend seiner Kindheit wirklich einer intimen Beriihrung mit einem hustenden Lungenkranken ausgesetzt war, habe ich ge- glaubt annehmen zu diirfen, dass eine Exposition fiir Tuberkulose vorgelegen hat. Als eine Ansteckungsquelte, d. h. als hustende Schwindl siichtige betrachtete man solche Personen, die an ]angwierigen Husten- krankheiten gestorben sind, die an langwierigem Husten mit Lungen- blutungen gelitten haben, oder yon denen die Patienten selbst an- geben, dass sie an Lungenschwindsucht, Blutsturz oder Kehlkopf- schwindsucht gelitten haben oder daran gestorben sind. Nun kSnnte die MSglichkeit vorhanden sein, dass dieser oder jener der Hustenden, der Ms eventueIle Ansteckungsquelle angesehen wurde, nicht an Lungen- schwindsucht, sondern an einer anderen chronischen Hustenkrankheit z. B. Emphysembronchitis, Bronchiektasien etc. gelitten hat; ich habe reich jedoch so viel wie mSglich bemtiht, diese Fehlerquellen unter meinem Material zu vermeiden.

Einen ganz sicheren Zeitpunkt fiir die Infektion festzustellen st5sst auf grosse Schwierigkeiten. Man bekommt z. B. die Auskunft, die Mutter sei an der Schwindsucht gestorben, als der Patient 14 Jahre alt war, seit etwa 5 Jahren vor ihrem Tode h~tte sie ge- hustet. Das Kind ist demnach Zwischen dem 9. und 14. Lebens- jahre der Ansteckung yon seiten der Mutter ausgesetzt gewesen, in welchem Jahre nun die Infektion eingetreten ist, ist natiirlich schwie- riger zu bestimmen. Ich habe angenommen, dass die zu einer In- fektion fiihrende Exposition zu der Zeit stattgefunden hat, wo das Kind zum ersten Male der Ansteekung ausgesetzt gewesen ist, in diesem Falle also im 9. Lebensjahre.

Beim Aufnehmen der Anamnese betreffs der Exposition babe ich mich zuerst danach erkundigt, ob ein Fall yon Lungentuberkulose in der Familie des Patienten vorgekommen war. Wurde diese Frage positiv beantwortet, so habe ich nachgeforscht, wann der Lungen- schwiudsiichtige zu husten angefangen habe, und ob der Patient mit

]86 Arvid Wallgren. [S

ibm in Berfihrung gewesen war, und wenn dies der Fall war, wann. Ferner babe ich den Patienten nach allen Personen ausgefragt, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt w~hrend seiner Kindheit in seinem Elternhause aufgehalten haben, wer diese Personen waren, und ob einer yon ihnen gehustet oder Tuberkulose gehabt hat. Hatte sich eine hustende Person im Elternhaus des Patienten aufgehalten, so habe ich zu erkunden gesucht, ob dieser Hustende an Lungen- tuberkulose gelitten hat. Auf gleiche Weise ist der Patient fiber seine Nachbarn, seine Spiel- und Schulkameraden etc. ausgefragt worden. Ich habe reich erkundigt, wann der Patient sein Elternhaus verlassen hat, wo er sich dann aufgehalten hat, ob sich hustende Personen in seiner Umgebung befunden haben usw.

Die Personen mit gesunden Lungen, an denen ich ~hnliche ana- mnestische Untersuchungen fiber das Vorkommen einer Exposition ftir Tuberkulose w~hrend der Kindheit unternommen habe, waren 100 Personen bis zum 40. Lebensjahre; teils gehSrten sie dem Kranken- hauspersonal an, teils den Patienten der Poliklinik und tells den jungen Medizinern, die im Krankenhause arbeiteten. Letztere hatten den Auftrag, sich w~hrend der Ferien bei ihren AngehSrigen fiber eine InfektionsmSglichkeit in der Kindheit zu erkundigen und bei ihrer Riickkehr sehriftliche Angaben hierfiber zu machen.

Betreffs der MSglichkeit eines Vergleiches zwischen den anamne- stischen Angaben der Lungenschwindsiichtigen mit entsprechenden An- gaben der Gesunden, mag darauf aufmerksam gemacht werden, dass ein lungenschwindsfichtiger Patient in seiner Umgebung dem Auftreten der Krankheit, an der auch er leidet, mehr Beachtung schenkt als ein Gesunder. Dieses kSnnte nun dazu beitragen, die Frequenz des positiven anamnestischen Befundes jener Kategorie zu erhShen. Es muss jedoch andererseits darauf hingewiesen werden, dass eine grosse Anzahl der in Frage kommenden Gesunden mehr als der Durchschnitt der iibrigen dazu fiihig waren, vollst~ndige Angaben zu liefern. Besonders gilt dies yon den unter das Material aufgenommenen Medizinern und den 38 Krankenpflegerinnen.

Es fragt sich ferner, ob die beiden Kategorien - - die Lungenkranken und die G e s u n d e n - gleich situierten Klassen angehSrt haben, so dass ein Vergieich mSglich ist. Unter der ~rmeren BevSlkerung bieten sich ja grSssere MSglichkeiten fiir eine Exposition als unter den reichen. Ungef~ihr die H~lfte meines Materials yon Gesunden bestand aus solchen Personen, die derselben Klasse angehSrten, wie meine lungenkranken Patienten. Die andere H~lfte, die Pflegerinnen und die Mediziner, hat sicher den gr5ssten Tell ihrer Kindheit in besser situierten Familien zugebraeht als diese. Dass dieser soziale Unter-

9] Ein Vergleich zwischen LungentuberkulSsen und Gesunden etc. 187

schied doch nicht allzuviel zu sagen hat, geht daraus hervor, dass nicht weniger als 6 yon den 20 Medizinern Angaben fiber Exposition in der Kindheit gemacht haben.

A]le als mit gesunden Lungen Angegebenen sind einer Unter- suchung der Lungen unterzogen worden. Nur diejenigen, deren Lungen bei einer gewShnlichen physikalischen Untersuchung ein vSllig physio- logisehes Verhalten zeigten, und die subjektiv keine Lungensymptome gehabt haben, sind zu der Gruppe der Gesunden gereehnet worden. Ergab die physikalische Untersuchung zweifelhafte ResuItate, so wurde eine RSntgenuntersuchung zu Hilfe genommen. Von den 100 Per- sonen mit gesunden Lungen bestand die eine H~tlfte aus M~innern, die andere aus Frauen, yon den Lungenkranken waren 46 MS~nner und 5J. Frauen.

Tabelle 1.

L u n g e n t u b e r k u l S s e .

Die tuberkulSse Exposition geschah zwischen 0--5 Jahren 5--10 Jahren 10--15 Jahren

Infektionsquelle M~inner Frauen M~tnner Frauen Manner Frauen Eltern 7 4 1 3 7 5 Geschwister 1 -- -- 1 4 - -

Andere Verwandte 1 1 2 4 1 2 Ausserhalb der Familie

Stehende 1 -- 1 1 2 2

Summa 27 6

11

10 5 4 9 14 9 51

Tabelle 2.

I n d i v i d u e n m i t g e s u n d e n L u n g e n .

Die tuberkul6se Exposition gescbah zwischen 0--5 Jahren 5--10 Jahren

Infektionsquelle M~nner Frauen M~tnner Frauen Eltern . . . . Geschwister . . . . Andero Verwandte -- 3 - - Ausserhalb der Familie

Stetlende 1 - - 1 2 1 0 4 2

10--15 Jahren M~inner Frauen Summa

2 -- 2 1 1 2

- - - - 3

2 -- 6 5 1 13

Betreffs obiger Tabellen, in denen die Ergebnisse vorliegender Untersuchung zusammengefasst worden sind, mag zuerst auf ein paar D e t a i l s aufmerksam gemacht werden. Es ist in die Augen fallen& dass die M~inner hSmfiger eine positive Anamnese als die Frauen ab- gegeben haben; im Gegensatz zu dem, was ~ndere Forseher gefunden haben und was sie dahia erklis dass die von M~nnern abge- gebenen anamnestischen Angaben sehr oft unvollstiindiger sind als die

1 ~ Arvid Wallgren. [10

yon den F rauen . Von den L u n g e n k r a n k e n haben 60,9~ der M~nner

und 42,6~ der F r auen , yon den Gesunden 200/o der M~nner und

60/0 der F r a u e n fiber Expos i t i on fi ir Tuberkulose in de r K indhe i t

Angaben gemach t . Die Ans teckungsque l l en waren un te r den L u n g e n k r a n k e n in 27 F~l-

len die E l t e rn , in 6 F~l len die Geschwis ter , in 11 F~l len andere

AngehSr ige und in 7 F~l len ausse rha lb de r F a m i l i e s tehende Personen.

Die Ind iv iduen m i t gesunden Lungen waren in 2 F~l len yon den

E l te rn , in 2 FMlen yon den Geschwis tern , in 3 F~l len yon ande ren AngehSr igen und in 6 F~l len yon L u n g e n k r a n k e n ausserhMb der

Fami l i e e iner Expos i t i on ausgese tz t . Auffa l lend is t die grosse Expo-

s i t ionszahl durch ausse rha lb de r Fami l i e S t ehende sowohl bei den L u n g e n k r a n k e n als bei den Gesunden, zus~mmen n ich t weniger als

13 F~lle. Ich habe ke ine Angaben fiber diese ex t r a fami l i~ re Expo-

s i t ion in de r K i n d h e i t yon a n d e r e r Se i te gefunden, was wahrscheinl ich d a r a u f zur i ickzuf i ihren ist, dass diese MSgl ichkei t n i ch t h inre ichend

b e a c h t e t worden ist. Es kann dahe r v ie l le ich t yon In t e re s se sein,

diese F~l le als Beispie le solcher Expos i t i on n~her zu beschre iben :

1. A. H., 23 Jahre alt, lungentuberkulSs. Nummer des Krankenjournals 58: 1914. Die Mutter ist an Krebs gestorben; der Vater an einer unbokannten Krank- heir, als Pat. ein kleines Kind war. Ein Bruder ist gesund. Als Pat. 14 Ja~re alt war', wohnte er in demselben Hause, wie ein lungenschwindsiichtiger Mann in mittleren Jahren, mit dem er zuweilen in Ber~ihrung war.

2. A. A., 36 Jahre alt, lungentuberkulSs. 102: 1914. Die Eltern starben an einer unbekannten Krankheit, als Pat. drei Jahre air war. Drei Geschwister sind gesund. Naeh dem Tode der Eltern kam Pat. in eine Versorgungsanstalt, wo er mit einem hustenden Manne zusammengewohnt und oft aus demselben Glase wie dieser getrunken haben soll.

3. M. N., 28 Jahre al~, lungentuberkulSs. 81:1914. Die Eltern sind am Leben. Die Mutter hat unget~.hr seit dem 10. Lebensjahre des Patienten gehustet. Der Arzt hat sie jedoch nach wiederholten Untersuchungen ffir tuberkulosefrei erkl~rt. Zwei Geschwister sind gesund. Pat. war wahrend seiner ganzen Kind- heir taglich mit einem M~dchen zusammen, das viel gehustet hat und an $chwind- sucht gestorben ist.

4. A. S., 29 Jabre alt, lungentuberkulSs. 117: 1914. Eltern und drei Geschwister sind gesund. Als der Patient den Konfirmandenunterricht besuehte, wohnte er in einer schwindsfichtigen Familie.

5. N. J., 20 Jahre alt. lungentuberkulSs. 118: 1914. Eltern und neun Ge- schwister sind gesund. Als Pat. die Schule besuchte, hatte er einen hustenden Schulkameraden, der sptiter an Lungenschwindsucht gestorben ist.

6. F. K., 36 Jahfe alt, lungentuberkulSs. 132: 1914. In der Familie ist keine Tuberkulose. Ein Schulkamerad, mit dem Pat. verkehrt hat, war hmgen- krank.

7 E. F., 17 Jahre air, lungentuberkulSs. 141: 1914. Eltern und vier Ge- schwister sind gesund. Ein Bruder ist an Lungenentziindung gestorben. Als Pat.

11] Ein Vergleich zwischen Lungentuberkul0sen und Gesunden etc. IS9

15 Jahre alt war, wohnte er ein Jahr lang in ether lungenschwindsiichtigen Familie. Eine andere Infektionsquelle ist nicht bekannt.

S. T. O., cand. reed., gesund. In der Familie ist keine Tuberkulose. Ein Schtiler in seiner Klasse starb an Sehwindsucht, als T. O. 12 Jahre alt war.

9. A. T., 21 Jahre alt, cand. reed., gesund. Eltern und Gesehwister sind gesund. Keine Lungenschwindsucht in der Familie. Als A. T. 5--6 Jahre alt war, hielt sich eine hmgenkranke Person in der Familie auf.

10. A. B., 17 Jahre alt, G~irtnerlehrling, lungengesund. In der Familie ist keine Schwindsucht vorgekommen. AIs A. B. 14 Jahre alt war, besuchte er 5fters einen alten husienden Mann, der ~vahrscheinlich lungenkrank war.

11. J. P., Schiller, lungengesund. Pat. war zwisciJen seinem 5.--15. Lebens- jahr hiiufig mit einem Mitdchen zusammen, das 17 Jahr air an einer tuber- kuliisen Meningitis gestorben ist, und in dessen Elternhaus mehrere der Familien- mitglie~?er an Tuberkulose gelitten und gehustet haben sollen. Pat. war oft in dieser Familie.

12. A. A., 33 Jahre alt, Krankenpflegerin, gesund. Die Eltern sind gesund. Pat. bat elf Geschwister gebabt, von denen sieben tot sin& Eins derselben starb an einer Darmkrankheit, mehrere an akuten Lungenkrankheiten nach Masern; eins infolge yon ~Schlag ", eina an unbekannter Krankheit. Im Jahre 1889 pflegte die Mutter eine lungenkranke Frau, und bekam yon dieser eine Decke, die nicht desinfiziert worden war. Dasselbe Jahr starb eta elf Monat aires Kind an Meningitis. 18S9--1894 war A. A. fiir Tuberkulose ausgesetzt. Sie half zu der Zeit bet der Pflege eines lnngenkranken Madchens, das spater an Tuberkulose starb. Eine Schwester, 1884 geboren, hustete als Kind viel und hat jetzt eine Spitzenaffektion. Ein Bruder, 1887 geboren, bat Lungenbluten und Pleuritis gehabt.

13. K. P., 25 Jahre alt, can& med., gesund. Eltern und Geschwister leben, alle stud vollkommen gesund. Kein Fall von Lu,~genkrankheit in der Familie. Im Alter yon 2~/'~ bis zu 15 Jahren war Pat~ oft in einer Familie, wo sich eiue lungenkranke Person aufhielt. Diese kannte die Ansteckungsgefahr und benutzte ein Taschenspuckgef~ss, beobachtete auch andere Vorsichtsmassregeln, um einer Ansteckung vorzubeugen. Als Pat. sechs Jahre alt war, kam eine vSllig gesunde Erzieherin ins Haus. Nach 21/2 Jahren bekamen alle Geschwister Keuchhusten, auch die Erzieherin ring zu husten an, wurde nach zwei Monaten vom hrzte unter- sucht, der gallopierende Schwindsucht feststellte, kurze Zeit darauf starb sie. W$ihrend dieser Zeit war K. P. jedoch in keiner Beriihrung mit ihr gewesen.

Was nun die H a u p t f r a g e selbst angeht, so geht aus den

Tabel len hervor, dass sich eine tuberkulSse Expos i t ion in der Kind-

heir in 5 1 % der Fs un te r den Lungenkr~nken , aber n u t in 13~

unter den Gesunden nachweisen liess. Es vers teht sich yon selbst,

dass es sich hinsicht l ich be ider Kategor ien um Min imumzah len h~ndel t ;

fiir die Pa t i en ten sind nat i i r l ich 5fter Expos i t ionen fiir Tuberkulose ,

als nachgewiesen werden konnte , vorhanden gewesen; die hier ange-

gebenen kSnnen jedenfal ls fiir so gut wie sicher be t r ach te t werden.

Der Unterschied zwischen den Gesunden und den K r a n k e n ist

~uffallend; das Verh~l tnis ist ungef~thr wie 1:4. Biete t n u n auch

eine Unte rsuchung wie diese in manche r Hins ich t viel leicht , n icht

190 A.Wallgren : Ein Vergleich zwischen LungentuberkulSsen u. Gesunden etc. I12

vSllige Sicherheit, so diirfte jedoch ein so ausgepr~gtes Resultat nicht ausschliesslich dem Zufall zuzuschreiben sein. Im Gegenteil scheint man nach vorliegender Untersuchung berechtigt zu sein, auf d as V o r k o m m e n e i n e s Z u s a m m e n h a n g e s z w i s c h e n d e r t u b e r - k u l S s e n E x p o s i t i o n w ~ h r e n d der K i n d h e i t und der L u n g e n - s c h w i n d s u c h t im s p ~ t e r e n A l t e r zu schliessen. Worin nun dieser Zusammenhang besteht, erl~utert die Untersuchung nicht n~her. Es ist jedoch wohl ausgeschlossen, mit Hinsicht darauf, was oben fiber die Beschaffenheit des Materials gesagt wurde, sich diesen Zu- sammenhang als einen rein ~usseren vorzustellen, z. B. hygienische und soziale Verh~ltnisse, das Gebundensein an sine gewisse Umgebung usw. Man miichte vielmehr den Zusammenhang in mehr oder weniger strengem Anschluss an die yon R S m e r angegebene Theorie deuten.

Wie schon erw~hnt, meint RSm e r, dass die besonders intensiven Expositionen fiir Tuberkulose in der Kindheit zur Lungenschwindsucht in sp~teren Jahren ffihren. P o l l a k 1) hat in einer Untersuchung yon Kindern zu finden geglaubt, dass die Periods der Kindheit, wo die Infektion geschieht, fiir ihre Folgen wenigstens ffir die n~chsten Jahre bestimmend ist. Geschieht die Infektion w~hrend der ersten vier Lebensjahre, so ffihrt sis zu weit ernsteren, unmittelbaren Ph~nomenen als wenn sie spi~ter geschieht. Mit Riicksicht hierauf ist es yon grossem Interesse, dass ich sine Exposition vor dem 5. Lebens- jahre in 15 ~ der F~lle unter den Schwindstichtigen habe nachweisen kSnnen, dagegen abet nur in 1~ unter den Gesunden. Wollte man nun hieraus einen Schlusssatz ziehen, so diirfte es der sein, class s i n e f r f i he I n f e k t i o n w ~ h r e n d der K i n d h e i t auch f i i r die s p ~ t e r e Z u k u n f t v e r h i i n g n i s v o l l e r ist als sine Infektion, die geschieht, wenn das Kind etwas iilter ist.

Zusammenfassung.

Die U n t e r s u c h u n g b e s t e h t aus e i n e m V e r g l e i c h z w i s c h e n A n g a b e n h i n s i c h t l i c h t u b e r k u l S s e r E x p o s i t i o n in d e r K i n d h e i t yon 100 L u n g e n s c h w i n d s i i c h t i g e n und 100 P e r s o n e n o h n e S c h w i n d s u c h t . A l l e U n t e r s u c h t e n w a r e n u n t e r 40 J a h r e n .

T u b e r k u l S s e E x p o s i t i o n f t tnd s i c h in 5 1 % bei den L u n g e n k r a n k e n , in 13~ bei den G e s u n d e n ; s i n e E x p o - s i t i o n vor d e m 5. J a h r e in 15~ de r L u n g e n k r a n k e n u n d n u t in 1~ de r G e s u n d e n .

~) B r a u e r s Beitriige. Bd. XIX.