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Burkhard Gniewosz „Einführung in die Allgemeine Pädagogik“ Theorien der Sozialisation

„Einführung in die Allgemeine Pädagogik“

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Burkhard Gniewosz

„Einführung in die Allgemeine Pädagogik“

Theorien der Sozialisation

Der Plan

• Was ist Sozialisation?

• Strukturfunktionalismus

• Rollen in der Adoleszenz

• Die Rolle Der Schule

• Sozialisationstheorie Bourdieu

# 2 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Evaluation

https://www.lehrevaluation.uni-muenchen.de/evasys/online.php?p=allgemeine16

Losung: allgemeine16

# 3 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

SOZIALISATION (Emilie Durkheim, 1907):

Vergesellschaftung des Menschen, Prägung der

menschlichen Persönlichkeit durch gesellschaftliche

Bedingungen.

Sozialisation

# 4 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Individuum handlungsfähig machen

Soziales System über Generationen hinweg funktions- und überlebensfähig machen

Doppelfunktion von Sozialisation (Tillmann, 2006)

Sozialisation

# 5 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

SOZIALISATION „sein wie alle anderen“

PERSONALISATION „sein wie kein anderer“

Fend (1976): „Sozial-Werdung“

Sozialisation

Sozialisation als Interaktion von Individuum und Umwelt (Hurrelmann, 1999):

„Sozialisation bezeichnet den Prozess der Konstituierung der Persönlichkeit in wechselseitiger Abhängigkeit von und in kontinuierlicher Auseinandersetzung mit der gesellschaftlich vermittelten sozialen und dinglichen Umwelt einerseits und der biophysischen Struktur des Organismus andererseits“

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Sozialisation

Drei Perspektiven (Niederbacher & Zimmermann, 2011):

•Kulturbezogene Perspektive: Konstitutive Elemente von Kultur(en) und deren Vermittlung an/Aneignung durch die nachwachsende Generation

• Institutionen-bezogene Perspektive: Zwecke, Funktionsweisen und Effekte von Institutionen im Sozialisationsprozess

• Subjektbezogene Perspektive: aktive Rolle des heranwachsenden Menschen in der Auseinandersetzung mit seiner Umwelt

# 7 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Sozialisation

Zwei Sichtweisen (Abels & König, 2010)

1) wie Menschen zu sozialen Wesen gemacht werden, die sich der gesellschaftlichen Ordnung fügen

2) wie Individuen durch ihr Handeln die gesellschaftliche Wirklichkeit ständig selbst schaffen

# 8 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Erziehung

„Unter Erziehung werden soziale Handlungen verstanden, durch die Menschen versuchen, das Gefüge der psychischen Dispositionen anderer Menschen dauerhaft zu verbessern oder seine als wertvoll beurteilten Komponenten zu erhalten.“

Brezinka (1990, zitiert nach Gudjons 2012)

# 9 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Erziehung

# 10 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Erziehende Psychische Dispositionen

zu verbessern

zu erhalten

zu beseitigen

Der Erziehungsbegriff nach Brezinka (vgl. Gudjons, 2012, S. 195)

versuchen

mit sozialen Handlungen

Sozialisation / Erziehung

Enkulturation / Sozialisation / Erziehung

# 11 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Enkulturation (Erwerb kultureller Basisfähigkeiten)

Sozialisation (= „sozial werden“)

Erziehung (= „sozial machen“)

Individuation (= einzigartiges Individuum werden)

Haben Sie Fragen?

# 12 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Grafic by By Irving Rusinow, Photographer (NARA record: 5307166) (U.S. National Archives and Records Administration) [Public domain]

Strukturfunktionalismus

Talcott Parsons (1902-1979)

Soziologe

# 13 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

© Picture by Lois Lord.

Strukturfunktionalismus

Annahme:

soziale Ordnung kann dann erhalten werden wenn die Individuen dazu motiviert werden, sie freiwillig mitzutragen

soziale Ordnung = Struktur von Werten, Normen und Regeln

# 14 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Strukturfunktionalismus

System = Zusammenhang von sozialen Tatsachen, Ereignissen und Prozessen, die wechselseitig aufeinander wirken. Erhalt des Systems

Struktur = Ordnung der Beziehungen zwischen Einheiten harmonisches Gleichgewicht zwischen den Einheiten

Funktion = Beitrag zur Erhaltung der Struktur. Abstimmung einzelnen funktionalen Leistungen Stabilität

# 15 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Strukturfunktionalismus

Kulturelles System:

• System der Werte und Normen einer Gesellschaft

Soziales System:

• Ort des Handlungsvollzug

• z. B. Familie, Gesellschaft

Persönlichkeitssystem:

• verinnerlichte Werte Formen des Handels

• Sozialisation Einstellung auf Rollen

• Rollenverpflichtungen stabiles Orientierungsmuster (Identität)

# 16 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Strukturfunktionalismus

# 17 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Eigene Darstellung

Strukturfunktionalismus

Sozialisation

• Internalisierung des kulturellen Systems / Normen Handlungsleitung (automatisch)

• Passive Einstellung nicht ausreichend Ziel zustimmen WOLLEN = Motivation

• Aufgabe der Sozialisation:

• Schaffung Motivation zur Teilnahme an sozial

akzeptierten Handlungsformen

• sprich: Erzeugung vorgegebener Rollen

• Rollenvermittlung durch Familie & Schule

# 18 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Strukturfunktionalismus

• beiläufige Sozialisation soziale Erfahrungen und die Praxis des täglichen Handelns

+

• organisierte Sozialisation in der Schule

stabile Wertbindung

„Sie lässt die Individuen das tun wollen, was sie tun sollen.“

# 19 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Strukturfunktionalismus

• Sozialisation = Internalisierung kultureller Werte; Lernen von gesellschaftlicher Rollen

• Sozialisation als lebenslanger Entwicklungsprozess

• „Sozialisation vermittelt (Heranwachsenden) die Fähigkeit und die Bereitschaft, in immer komplexer werdenden Rollen zu handeln und diese zu internalisieren.“

# 20 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Haben Sie Fragen?

# 21 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Grafic by By Irving Rusinow, Photographer (NARA record: 5307166) (U.S. National Archives and Records Administration) [Public domain]

Rollen in der ADOLESZENZ

# 22 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Strukturfunktionalismus

• Probleme des Übergangs von der Familie in die Gesellschaft

• Familie – andere Strukturprinzipien als in gesellschaftlichen / öffentlichen Systemen (Wirtschaft, Politik, Verwaltung)

# 23 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Strukturfunktionalismus

Rolle der Peer-Group (Gleichaltrigengruppe):

• Neue Interaktionsformen erproben und erlernen

• Übergang von emotionalen zu sachlichen Beziehungen erleichtern (individuelle Ebene)

• Motivation für die Zustimmung zu den Rollen der Erwachsenengesellschaft evozieren (gesellschaftliche Ebene)

# 24 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Strukturfunktionalismus

• Transiträume

emotionale Bedürfnisbefriedigung Erprobung sachlicher Beziehungen, ohne negative Konsequenzen

• Soziale Status von Individuen nicht mehr zugeschrieben wird (wie z. B. in der Familie oder in der Schule), sondern in dem er von persönlichen Leistungen abhängt (Ausdruck davon sind beispielsweise Gruppenhierarchien)

# 25 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Strukturfunktionalismus

Rolle der Schule

# 26 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Strukturfunktionalismus

Funktionen von Schule

Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung

1. Vermittlung von Rollenerwartungen (Bereitschaft

& Fähigkeiten)

2. Verteilung der Heranwachsenden auf

verschiedene Rollen

Selektionsfunktion

# 27 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Strukturfunktionalismus

• Rollenveränderung in der Adoleszenz

z.B. meritokratischer Statuserwerb

Leistungsprinzip Bewertungssystem in der Schule Vermittlung dieser Rollenerwartungen

• Erfüllung der Selektionsfunktion:

Sozialisation & Selektion soziales Gleichgewicht sichert soziale Ordnung

# 28 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Strukturfunktionalismus

Doppelfunktion des Sozialisationsprozesses

• Gesellschaft wird reproduziert und stabilisiert

• Heranwachsenden Orientierung in sozialen Feldern Entwicklung der eigenen Wertvorstellungen und Handlungsweisen

# 29 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Funktionen der Schule nach Fend (1974)

• Qualifikationsfunktion

• Selektions- und Allokationsfunktion

• Legitimations- und Integrationsfunktion

# 30 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Qualifikationsfunktion

• Vermittlung der notwendigen Qualifikationen für den späteren Alltag

• Funktionale Qualifikationen

• Rechnen

• Schreiben

• … Kompetenzen

# 31 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Qualifikationsfunktion

• Extrafunktionale Qualifikationen

• Fleiß

• Ausdauer

• Teamarbeit

• Konzentrationsfähigkeit

• Ordnungssinn

# 32 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Selektions- und Allokationsfunktion

• Zuordnung zu weiterführenden Schulen

• Zuordnung zu beruflichen Positionen

• Heranwachsende nach Schultypen / Abschlüssen sortiert (Selektion)

Zuordnung zu den Ebenen im Beschäftigungssystem (Allokation)

Reproduktion von Ungleichheiten

# 33 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Legitimations- und Integrationsfunktion

• Politisches System Schule

• „die Schüler in einer Weise zu beeinflussen, dass sie die bestehenden politischen Verhältnisse erkennen, sie akzeptieren und sich ihren Forderungen gemäß verhalten lernen“ (Fend 1974, S. 174)

• Politik- und Sozialkundeunterricht

# 34 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

35 Prof. Dr. Thomas Eckert

Sozialisationsfunktion von Schule

Bereitschaft und Fähigkeit zur Erfüllung von

Erwachsenenrollen

Verteilung der menschlichen Ressourcen innerhalb der

Rollenstruktur der Gesellschaft

Bereitschaft zur

Verwirklichung

allgemeiner Werte

Bereitschaft zur

Erfüllung eines

spezifischen

Rollentypus innerhalb

einer Gesellschaft

Fähigkeit, den

Erwartungen anderer

hinsichtlich der der

Rolle angemessenen

Verhalten zu

entsprechen

Fähigkeit zur

Erfüllung

rollenspezifischer

Aufgaben

Gym

HS

+ -

+

-

Leistung

Status

Einführung in die Allgemeine Pädagogik

Strukturfunktionalismus

Haben Sie Fragen?

# 36 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Grafic by By Irving Rusinow, Photographer (NARA record: 5307166) (U.S. National Archives and Records Administration) [Public domain]

Pierre Félix Bourdieu (1930-2002)

Soziologe & Sozialphilosoph

# 37 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Picture by Alicia Gaudi / CC BY 2.0 via Wikimedia Commons

Bourdieu

• Entstehung und Erhaltung gesellschaftlicher Ungleichheit über Kapitalien (4 Arten)

• Gesellschaftliche Positionen ergeben sich aus dem Kapitalprofil und der –höhe. Sie müssen mit Handlungskompetenzen und Dispositionen korrespondieren.

# 38 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Bourdieu

• Ökonomisches Kapital: in Geld konvertierbare Eigentumsform

• Kulturelles Kapital: Qualifikationen und Dispositionen (inkorporiert), erworbene Titel (institutionalisiert), Besitz kultureller Güter (objektiviert).

• Soziales Kapital: dauerhaftes Netzwerk von Beziehungen gegenseitigen Kennens & Anerkennens

• Symbolisches Kapital: Prestige oder Renommee, was sich u.a. in einer bestimmten Ästhetik (Geschmack) und daran gebundenen Distinktionsformen äußert.

# 39 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Bourdieu

Der individuelle Habitus

• typische Denk-, Wahrnehmungs-, Urteils- und Handlungsmuster

• in aktiver Auseinandersetzung mit der jeweiligen dinglichen und sozialen Umwelt erworben

• Produkt der Existenzbedingungen

• Kinder sind daher Objekt ihrer Verhältnisse, da diese vorgegebene Realität sie prägt sowie deren Subjekt, da ihre erworbenen Kenntnisse diese Realität stützen. Der Habitus reproduziert somit die „Vorgänger in den Nachfolgern“.

# 40 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Bourdieu

• Bildungsinstitutionen Selektions-, Legitimations- und Qualifikationsfunktion nach neutraler Leistungskriterien

• Chance auf Bildungserfolge wenn familiäre und schulische Habitusformen übereinstimmen

• Verwissenschaftlichung, Ver(hoch)sprachlichung und Intellektualisierung schulischen Lehrens und Lernens im Verbund mit dem Leistungsprinzip schichtenspezifische Hürden

• Differenzierung nach Leistungsprinzip Reproduktion gesellschaftlicher Hierarchien, zur Legitimation & subjektiven Anerkennung der bestehenden Unterschiede

# 41 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Was haben Sie heute gelernt?

• Begriffe Sozialisation & Erziehung

• Die Rolle der Rollen

• Die Rolle der Schule

• T. Parsons

• P. Bourdieu

# 42 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Haben Sie Fragen?

# 43 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Grafic by By Irving Rusinow, Photographer (NARA record: 5307166) (U.S. National Archives and Records Administration) [Public domain]

Evaluation

https://www.lehrevaluation.uni-muenchen.de/evasys/online.php?p=allgemeine16

Losung: allgemeine16

# 44 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

# 45 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Literatur

Abels, H. & König, A. (2010). Sozialisation - Soziologische Antworten auf die Frage, wie wir werden, was wir sind, wie gesellschaftliche Ordnung möglich ist und wie Theorien der Gesellschaft und der Identität ineinanderspielen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Bourdieu, P (2006): Die drei Formen kulturellen Kapitals. In: Bourdieu, P.: Wie die Kultur zum Bauern kommt Hamburg: VSA, S. 112-120.

Fend, H. (1976). Sozialisierung und Erziehung. Eine Einführung in die Sozialisierungsforschung. Weinheim: Beltz.

Gudjons, H. (2012). Erziehung und Bildung. In Pädagogisches Grundwissen (S. 183-218). Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.

Hurrelmann, K. (1999). Sozialisation. In G. Reingold, G. Pollak & H.Heim (Hrsg.), Sozialisationsforschung (S. 481-486). München: Oldenbourg.

Niederbacher, A. & Zimmermann, P. (2011). Grundwissen Sozialisation - Einführung zur Sozialisation im Kindes- und Jugendalter. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften

Parsons, T. (1968): Die Schulklasse als soziales System. In: Parsons, T.: Sozialstruktur und Persönlichkeit. Eschborn: Klotz. S. 161-193

Parsons, T. (1968): Sozialstruktur und Persönlichkeit. Eschborn: Klotz.

Tillmann, K.-J. (2006). Sozialisationstheorien - Eine Einführung in den Zusammenhang von Gesellschaft, Institution und Subjektwerdung. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch-Verlag.

# 46 15.06.2016 Burkhard Gniewosz

Abbildungen

https://en.wikipedia.org/wiki/File:Talcott_Parsons_(photo).jpg

http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Pierre_Bourdieu.jpg

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Charles_County,_Maryland._Upper-grade_pupils_in_the_Waldorf_Negro_elementary_school_are_ready_to_ans_._._._-_NARA_-_521562.jpg

# 47 15.06.2016 Burkhard Gniewosz