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I. ABHANDLUNGEN Aus dem I. Zoologischen Institut der Universitdt GSttingen, Arbeitsgruppe fiir Biorhythmik und vergleichende Horrnonphysiologie, Leitung: Prof. Dr. K. Fischer, und aus dem Institut fiir Wildbiologie und Jagdkunde der Universitdt GSttingen, Direktor: Prof. Dr. A. Festetics Einfliisse experimenteller Ver~inderungen im Jahresgang der Photoperiode auf morphogenetische und physiologische Prozesse beim Damhirsch (Dama dama L.) 1 I. Der Geweihzyklus mit stoffwechselphysiologischen Grundlagen Von K. FISCHEa und H. SCHNARE, G6ttingen 1 Einleitung In unseren bisherigen Untersuchungen zu den stoffwechselphysiologischen Grundlagen des Geweihzyklus bei Damhirschen verschiedenen Alters im Jahresgang konnte gezeigt werden: - Die Abwurf- und Fegetermine und damit auch die Dauer der Schiebephase sowie die Dauer des Tragens der blanken Geweihe liegen bei einzelnen Individuen vom 2. Kopf an sehr stabil, unabh~ingig von der sich bildenden Geweihmasse (Tab. [1]). Dieser Befund steht in gutem Einklang mit Erhebungen am Weiflwedelhirsch (Odocoileus virginianus) [2]. - Der Gesamteiweit~spiegel und die Elektrolyte Calcium, Natrium und Kalium im Blut erwiesen sich im Jahresgang trotz sicherlich hoher Anforderungen in der Geweihbil- dungsphase als konstant [3]. - Eine positive Korrelation zur Schiebephase zeigt die Aktivit~it der Alkalischen Phospha- tase (AP) [4], wie sie auch fiir andere Cerviden schon gefunden wurde [5, 6, 7]. - Die H6hen der Maxima der AP korrelieren positiv mit der entstehenden Geweihmasse [4]. - Eine positive Korrelation zur Schiebephase wies auch der Gesamt-Cholesterin-Spiegel im Plasma [3] auf, ebenso der 1,25 (OH)2-Vitamin-D3-Titer [8]. Tabelle 1. Abwurf-(A-) und Fege-(F-)Termine zweier Damhirsche (W und R) aus natiirlichen Tag-Nacht-Wechselbedingungen Jahr Kopf W R A F A F 1980 1. 18.5. 26.8. 19.5. 15.8. 1981 2. 20.4. 20.8. 28.4. 16.8. 1982 3. 20.4. 29.8. 24.4. 22.8. 1983 4. 28.4. 24.8. 26.4. 22.8. 1984 5. 27.4. 28.8. 25.4. 23.8. In dieser Studie galt es nun zu priifen, ob der Damhirsch den Jahresgang der Photoperiode quasi als Kalender fiir die Festlegung der Abwurf- und der Fegetermine und damit auch fiir die Dauer der Schiebephase sowie fiir die Zeit des Tragens des blanken Geweihs benutzt. Zudem sollte untersucht werden, inwieweit die Maxima der Blutparameter AP, l Teilweise mit Jagdforschungsmitteln des Landes Niedersachsen gef6rdert (113/477301). U.S. Copyright Clearance Center Code Statement: 0044-2887/86/3201-0001 $ 02.50/0 Z. Jagdwiss. 32 (1986), 1-13 © 1986 Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin ISSN 0O44-2887

Einflüsse experimenteller Veränderungen im Jahresgang der Photoperiode auf morphogenetische und physiologische Prozesse beim Damhirsch (Dama dama L.)

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I. A B H A N D L U N G E N

Aus dem I. Zoologischen Institut der Universitdt GSttingen, Arbeitsgruppe fiir Biorhythmik und vergleichende Horrnonphysiologie, Leitung: Prof. Dr. K. Fischer, und aus dem Institut fiir

Wildbiologie und Jagdkunde der Universitdt GSttingen, Direktor: Prof. Dr. A. Festetics

Einfliisse experimenteller Ver~inderungen im Jahresgang der Photoperiode auf morphogenetische und physiologische Prozesse

beim Damhirsch (Dama dama L.) 1

I. Der Geweihzyklus mit stoffwechselphysiologischen Grundlagen

Von K. FISCHEa und H. SCHNARE, G6ttingen

1 Einleitung

In unseren bisherigen Untersuchungen zu den stoffwechselphysiologischen Grundlagen des Geweihzyklus bei Damhirschen verschiedenen Alters im Jahresgang konnte gezeigt werden: - Die Abwurf- und Fegetermine und damit auch die Dauer der Schiebephase sowie die

Dauer des Tragens der blanken Geweihe liegen bei einzelnen Individuen vom 2. Kopf an sehr stabil, unabh~ingig von der sich bildenden Geweihmasse (Tab. [1]). Dieser Befund steht in gutem Einklang mit Erhebungen am Weiflwedelhirsch (Odocoileus virginianus) [2].

- Der Gesamteiweit~spiegel und die Elektrolyte Calcium, Natrium und Kalium im Blut erwiesen sich im Jahresgang trotz sicherlich hoher Anforderungen in der Geweihbil- dungsphase als konstant [3].

- Eine positive Korrelation zur Schiebephase zeigt die Aktivit~it der Alkalischen Phospha- tase (AP) [4], wie sie auch fiir andere Cerviden schon gefunden wurde [5, 6, 7].

- Die H6hen der Maxima der AP korrelieren positiv mit der entstehenden Geweihmasse [4].

- Eine positive Korrelation zur Schiebephase wies auch der Gesamt-Cholesterin-Spiegel im Plasma [3] auf, ebenso der 1,25 (OH)2-Vitamin-D3-Titer [8].

Tabelle 1. Abwurf-(A-) und Fege-(F-)Termine zweier Damhirsche (W und R) aus natiirlichen Tag-Nacht-Wechselbedingungen

Jahr Kopf W R A F A F

1980 1. 18.5. 26.8. 19.5. 15.8. 1981 2. 20.4. 20.8. 28.4. 16.8. 1982 3. 20.4. 29.8. 24.4. 22.8. 1983 4. 28.4. 24.8. 26.4. 22.8. 1984 5. 27.4. 28.8. 25.4. 23.8.

In dieser Studie galt es nun zu priifen, ob der Damhirsch den Jahresgang der Photoperiode quasi als Kalender fiir die Festlegung der Abwurf- und der Fegetermine und damit auch fiir die Dauer der Schiebephase sowie fiir die Zeit des Tragens des blanken Geweihs benutzt.

Zudem sollte untersucht werden, inwieweit die Maxima der Blutparameter AP,

l Teilweise mit Jagdforschungsmitteln des Landes Niedersachsen gef6rdert (113/477301).

U.S. Copyright Clearance Center Code Statement: 0044-2887/86/3201-0001 $ 02.50/0 Z. Jagdwiss. 32 (1986), 1-13 © 1986 Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin ISSN 0O44-2887

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2 K. Fischer und H. Schnare

Gesamt-Cholesterin, High- und Low-Density-Lipoprotein-gebundenes Ch01esterin (HDL und LDL) bei Manipulation des Jahresgangs der Photoperiode ihre positive Korretation zur Geweihbildungsphase beibehalten. Es gait herauszufinden, ob der Jahres- gang der Photoperiode als ,,Zeitgeber" im Sinne ASCnOFFS dient [9].

Angaben fiber die Plasmatiter der HDL und der LDL im natiirlichen Jahresgang liegen in der Literatur fiir m~innliche Hirschartige nicht vor. Es war daher notwendig, hierfiir Werte als Diskussionsgrundlage zu ermitteln.

2 Tiermater ia l und Methoden

Die Untersuchungen begannen am 18. Mai 1984 mit 5 Damhirschen, die ihre Spief~e gerade abgeworfen hatten oder sie kurz nach Versuchsbeginn abwarfen, da von uns der Beginn des Damhirschjahres mit dem Abwerfen definiert wird.

Drei Tiere Nr. 5, 6 und 8 entstammen der eigenen Nachzucht, die Hirsche Nr. 3 und 4 wurden im Januar 1984 aus dem Wildpark des staatlichen Forstamts Neuhaus im Soiling zuerworben. Nr. 3 entkam Anfang Mai 1985, als die Tiere kurzfristig w~ihrend Ausbau- arbeiten im Versuchsstall in ein Freilandgatter gestellt werden mufken.

Bis zum Beginn der Studie Iebten die Hirsche in einem ca. 300 m 2 umfassenden Gatter beim Institut fiir Wildbiologie und Jagdkunde unter natiirlichen Tag-Nacht-Wechsel- bedingungen. Alle Hirsche kamen am 18. Mai 1984 in den ca. 170 m 2 grot~en, gegen ~iuf~ere LichteinfliJsse isolierten Stall (Abb. 1). Der Versuchsraum ist mit 14 Leuchtstoffr6hren (Osram Universal White L 40 W/25) und zum Anbieten von UV-Licht mit weiteren 14 True-Lite-Lampen (duro-lite 40 W power twist), die in Bodenn~ihe ca. 300 Ix erzeugen, ausgestattet. Die Lampen werden fiber eine programmierbare Digitalschaltuhr (Theben TR 601) gesteuert. Biirgerliche und astronomische D~immerung erhalten die Tiere nicht.

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Abb. 1. Versuchsstall; E: Lichtsch|euse am Eingang; B: Befestigungsm6glichkeit fiir Fegeb~iume; F: Fiitterung; L: Zu- und Abluftlichtschleusen; N: Norden; R: Krafffutter; S: Sichtblenden; V: Ventilator; W: Trinkwasser

Die innere Organisation des Stalles ist aus Abb. 1 ersichtlich. Er ist 31 m lang und 5,5 m breit. Hinter dem Eingangstor befindet sich eine 2 m tiefe Lichtschleuse (E). Am Ende des ersten und am Anfang des letzten Viertels ist in der,Mitte je eine h61zerne Sichtblende mit 4 F~ichern (S) eingerichtet, die den Tieren ein ,,Sich-aus-den-Augen-Gehen" erm6glichen und verhindern, dat~ ein Hirsch bei Auseinandersetzungen in eine Ecke gedr~ingt werden kann. Zentral befindet sich eine grol~e Fiitterung (F) fiir Rauhfutter (Heu; Gras w~ihrend der Vegetationsperioden). Wasser steht in 2 Wannen ad lib. bereit, Kraftfutter (Hemo 16 A) wird an 3 Stellen ausgelegt. Die Bodenstreu besteht aus saugf~ihigen Buchensp~inen, die von den Tieren z.T. gefressen werden. Die Liegepl~itze in den F~ichern werden mit Stroh ausgelegt. Zum Fegen sind an der Fiitterung und an 2 Balken junge, ca. 4 m hohe Fichten angekettet. Jeden zweiten Tag wird der Stall ges~iubert; und in etwa 4monatigem Abstand wird den Hirschen ein Breitbandanthelminthicum (Ripercol 10 der Fa. Janssen) i. m. appliziert. Im Winter wird der Stall mit vier 2000 W Radiotorheizk6rpern beheizt, die in 1,5 m H6he h~ingend montiert sind. Die Betiiftung erfolgt bedarfsweise iiber einen Ventilator (V) mit einer ungef~hren Saugleistung von 1000 m3/h; das gew~ihrleistet einen Luftaustausch iJber 2 Lichtschleusen (L, L) innerhalb etwa 1 Stunde.

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Experimentelle Verdnderungen im Jahresgang der Photoperiode beim Damhirsch 3

Die Verdoppelung der Frequenz des Jahresganges der Photoperiode (f = 2/anno) wird dutch Vorprogrammieren der Sonnenauf- und -untergangszeiten entsprechend dem zen- tral gelegenen Ort Kassel (52 ° n. L.) des jeweils iibern~ichsten Tages erreicht. Das subjektive Jahr der Hirsche dauert also 183 Tage gegeniiber 366 Tagen des Schattjahres 1984.

Wie aus den Abbildungen 3 bis 6 (obere gegen untere Kurvenverl~iufe) ersichtlich, hatte der Versuchsbeginn am 18. Mai 1984 eine leichte Phasenwinkeldifferenz beider Sinus- kurven zur Folge. Die Amplituden der beiden Kurven bleiben gleich.

In etwa 3w6chigem Abstand werden die Damhirsche mit 1,8 bis 2,2 ml der ,,Hellabrun- ner Mischung" (50 mg Rompun Trockensubstanz der Fa. Bayer, gel6st in 5 ml Ketavet der Fa. Parke-Davis), iiber ein Druckluftnarkosegewehr der Fa. Telinject i.m. appliziert, an~isthetisiert. Aus der Vena jugularis wird Blut in Serum-, Heparin- und EDTA- Monovetten enmommen. Serum und Plasma werden nach dem Abzentrifugieren des H~imatokrits aliquotiert und bis zur Durchfiihrung der Tests bei ca . - 20 °C aufbewahrt. Die Bluttests laufen iiber die handelsiiblichen Testkits der Fa. Boehringer, Mannheim. Zus~itzlich wird die L~inge jeder Geweihstange vermessen. Die Geweihgewichte werden nach dem Abwerfen ermittelt. Um Forkelverlusten entgegenzuwirken, werden die Spitzen der Aug- und Mittelsprossen gleich nach dem Fegen in der L~inge reduziert. Alle Mef~werte sind fiir den jeweiligen Immobilisationstag gemittelt und mit dem Standardfehler des Mittelwertes in Tabellen und Abbildungen abgetragen.

3 Ergebn i s se

3.1 Gesamt-Cholesterin-, High- und Low-Density-Lipoprotein-gebundenes Chole- sterin im Plasma zweier adulter Damhirsche, gemessen iiber 2 Jahresg~inge unter

natiirlichen Photoperiodebedingungen in GSttingen (51,32 ° n.L.) (f --- 1/anno)

Wie aus Abb. 2 und Tab. 2 ersichtlich, weisen die 3 Blutparameter eine deutliche Jahres- periodik auf. Die Maxima der 3 Kurven sind mit den Geweihbildungsphasen und auch untereinander in beiden Jahren positiv korreliert.

Tabelle 2. Cholesterin-, HDL- und LDL-Werte aus 2 Jahren im Plasma von 2 adulten Damhirschen aus natiirlichen Tag-Nacht-Wechselbedingungen (Werte in rng/dl)

Datum Cholesterin HDL LDL Datum Cholesterin HDL LDL

21. 1.82 49,1 24,9 1,9 11. 1.83 48,0 35,6 1,3 16. 2.82 43,1 26,1 1,9 4. 2.83 53,7 32,7 2,0 9. 3.82 55,2 25,6 12,6 19. 2.83 55,9 34,9 3,3

14. 4. 82 59,8 32,4 11,5 7. 3.83 54,5 35,6 2,3 22. 4. 82 67,0 33,9 t0,8 29. 3. 83 58,3 40,4 2,4 17. 5.82 71,2 41,6 12,8 20. 4. 83 56,8 46,4 3,7 14. 6.82 86,6 64,3 22,2 20. 5.83 80,2 66,3 14,9 22. 7. 82 87,8 54,3 22,0 21. 6. 83 97,7 69,0 27,5 9. 8. 82 91,5 71,4 14,6 12. 7. 83 108,2 65,5 35,4 1. 9. 82 79,3 47,8 12,0 27. 7. 83 104,7 68,0 32,0

16. 9. 82 75,6 45,8 3,0 11. 8.83 86,9 67,9 18,6 15.10. 82 76,5 46,1 2,6 6. 9. 83 66,2 47,7 6,2 2.11.82 59,0 30,6 6,4 28. 9.83 52,3 42,0 3,4

16. 11.82 44,0 30,4 3,6 24. 10. 83 54,6 32,2 3,3 17. 12. 82 42,9 36,2 5,5 8. 11.83 42,5 30,4 2,4

12. 12.83 44,9 34,3 1,7

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4

110

100

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60

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K. Fischer und H. Schnare

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Abb. 2. Cholesterin, HDL und LDL im Plasma, gemessen bei 2 adulten Damhirschen fiber 2 Jahre in GSttlngen (51,32 ° n. L.); I : Abwurf-, ~ : Fegetermine

3.2 Der Einflug der Frequenzverdoppelung des Jahresgangs der Photoperiode (f = 2/anno)

Zur Obersichtlichkeit und um textliche Wiederholungen zu vermeiden, werden in den Tabellen 3 bis 5 die Immobilisationstermine des objektiven Jahres (oJ) den Daten des subjektiven (sJ) unter Frequenzverdoppelung gegenfibergestellt. In den Abbildungen 3 bis 6 sind auf den unteren Abszissen die Monate des oJ aufgefiihrt, auf den oberen die korrespondierenden Monate des sJ mit verdoppelter Frequenz. Die senkrechten Striche auf den Abszissen entsprechen den Terminen der Narkotislerungen in den Tabellen. Im folgenden werden nut die Daten des oJ aufgefiihrt.

Im oberen Tell der Abb. 3 bis 6 sind die Variat~onsbreiten der Abwurf-(A-) und Fege- (F-)Zeiten der Versuchshirsche aufgetragen, im unteren Tell solche aus natiirlichen Bedin- gungen nach UrCKEV, M~N und H~SEN [10]. Die Versuchstiere wurden nicht auf die neuen Tag-Nacht-Wechselbedingungen konditioniert, die Datenaufnahmen begannen mit dem Zeitpunkt der Uberffihrung in die beschleunigten Photoperiodezyklen. Dies erschien opportun, da zu erwartende Transiente Aufschlfisse tiber die Koppelung verschiedener Parameter zueinander und die Geschwindigkeit der Neueinstellung Aussagen fiber die Art des Zeitmegvorgangs erwarten lief~en.

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Experimentelle Verlinderungen im Jahresgang der Photoperiode beim Damhirsch 5

3.2.1 Der Geweihzyklus

Wie aus Tabelle 3 ersichtlich, warfen die Damhirsche Nr. 5, 6 und 8 die ersten Spiei~e zwischen dem 13. und dem 21. Mai ab, die beiden Hirsche aus dem Soiling Nr. 3 und 4 zwischen dem 29. Mai und dem 12. Juni 1984. Die Variationsbreite fiir alle 5 Individuen betrug 31 Tage. Die Abwurfgewichte wurden nicht ermittelt, da die Spief~e gleich nach dem Fegen bzw. nach dem Neuerwerb fiber den Rosen abges~igt worden waren. Die Abwurf- termine zwischen linker und rechter Stange batten eine Bandbreite von 3 bis 18 Tagen.

Die Fegetermine des 2. Geweihs im ersten verkiirzten Photoperiodezyklus lagen zwischen dem 2. und 18. August 1984. Die 5 Hirsche ben6tigten somit im Schnitt 69 Tage fiir die Bildung des 2. Geweihs; die Variationsbreite der Fegetermine betrug nur noch I0 reate Tage.

Tabelle 3. Abwurf- und Fegetermine unter Versuchsbedingungen (jede Geweihstange getrennt aufgefiihrt)

Tier 1. Zyklus Z Zyklus 3. Zyklus Abwuff Fegen Abwurf Fegen Abwuff

oJ (1984) sJ oJ (I984) sj oJ (1984) sj oJ (1985) sJ oJ (1985) sJ

29.5. 10 .6 , 11 .8 . 5.11. 25.12. 3.8. 25.2. 5.12, ++ ++ 3 1.6. 16.6. 11.8. 5.11. 25.12. 3.8. 25.2. 5.12.

12.6. 8.7. 12 .8 . 7.11. 25.12. 3.8. 23.2. 1.12. 14.6. 9.7. 4 17.6. 18 .7 . 12.8. 7.11, 25.12. 3,8. 23.2. 1.12. 16.6. 13,7.

5 13.5.* 13.5. 2.8. 18 .10. 23.12. 30.7, 21.2, 27.1t. 8.6. 27,6. 22.5. 27.5. 2.8. 18 ,10. 23.12. 30.7. 21.2. 27.11. 8,6. 27.6.

6 15.5.* 15.5. 2.8. 18 .10. 24.12. 1.8. 22.2. 29,11, 9.6. 29.6. 18.5.* 18.5. 2.8. 18 .10. 24.12. 5.8. 22.2. 29.11. 12,6. 5.7,

8 21.5. 25.5. 2.8. 18.10. 17.12. 18.7, 16.2. 17.11. 6.6. 23.6. 8.6. + 30.6. 2.8. 18. t0. 21.12. 26.7. 16.2. 17.11. 6.6. 23.6.

* vor Untersuchungsbeginn abgeworfen; ++ keine Daten; oJ: objektives Jahr; sJ: subjektives Jahr; + Doppelkopfbitdung

Die Abwurftermine des 2. Geweihs, und damit der Beginn des 2. Zyklus unter verkilrzten Photoperiodebedingungen, lagen zwischen dem 17. und 25. Dezember 1984; die Spannbreite betrug 8 Tage, und fiir den Abwurf der beiden Stangen 3 Tage.

Die Fegetermine des 3. Geweihs im 2. Zyklus lagen zwischen dem 16. und 25. Februar 1985 mit einer Variationsbreite von 9 Tagen. Fiir die Bildung des 3. Geweihs im 2. Zyklus ben6tigten die Hirsche im Schnitt 60 Tage. Der erneute Abwurf am Ende des 2. Zyklus erfolgte zwischen dem 6. und 14. Juni 1985 mit einer Bandbreite von 9 Tagen und 3 Tagen ftir die Abwiirfe der beiden Stangen.

3.2.2 Geweihgewichte und Stangenldngen

Wie aus Tabelle 4 ersichtlich, wurde im 1. Zyklus ein durchschnittliches Abwurfgewicht aller 10 Stangen yon 182 g ermittelt, und im 2. Zyklus eines von 171 g. Die mittlere Stangenl~inge betrug im 1. Zyklus 28,1 cm und im 2. Zyklus 22,6 cm. Geweihgewichte und Stangenl~ingen sind somit zwischen dem 1. Zyklus, der dem 2. Kopf entspricht, und dem 2. verkiirzten Jahresgang der Photoperiode, dem der 3. Kopf zugeordnet werden mut~, statistisch nicht zu unterscheiden.

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6 K. Fischer und H. Schnare

Tabelte 4. Geweih-Mef~werte und Maxima der AP unter Versuchsbedingungen (n = 5; n = 4*)

Mittleres Gesamt- Mittlere Gesamt- Maximum der Gewelhgewicht Geweihgewicht Stangenl~inge Stangenl/inge AP-Aktivit~t

2. Geweih I. Zyklus 182 g 1820 g 28,1 cm 281,5 cm 609 + 182 U/1 3. Geweih 2. Zyklus 171 g* 1707 g* 22,6 cm 226,4 cm 633 4- 123 U/l

3.2.3 Die Aktiviti~'t der Alkalischen Phosphatase (AP) (Abb. 3, Tab. 5)

Die AP der 5 Damhirsche zeigt im Untersuchungszei traum eine ausgepr~igte Periodizitiit mit einer Frequenz von f = 2/anno. Die Maxima weisen eine deutlich positive Korrelation zu den beiden Geweihbildungsphasen auf.

Mit Versuchsbeginn steigt die AP steil an und erreicht im 1. Zyklus von Anfang Juni bis Ende Juli ein Maximum mit Werten iiber 500 U/I . Nach steilem Abfall der Kurve im August wird ein Minimum von Ende August his November mit weniger als 300 U/1 durchschritten. Zu Beginn des 2. Zyklus folgt ein erneuter Anstieg auf Maximalwerte fiber 400 U/I von Dezember bis Mitre Februar. Mit dem Fegen Ende Februar fiillt die AP-Kurve wiederum steii ab auf ein Minimum mit Werten unter 300 U/1 von M~irz bis Ende Mai. Ein Anstieg zum Abwurf termin am Anfang des 3. Zyklus zeichnet sich im Juni 1985 ab.

Tabelle 5. Daten der Blutparameter unter Versuchsbedingungen iiber 2 Zyklen (n = 5; n = 4*)

Datum Datum Aktivit~it Cholesterln HDL LDL oJ sJ der AP (U/l) (mg/dl! (mg/dl) (mg/dl)

18. 5.84 18. 5. 2374- 96 68,04- 8,1 37,8 4- 4,9 16,1 4- 5,6 8. 6.84 30. 6. 522 4- 205 85,3 4- 12,0 45,4 + 7,5 28,8 + 6,3 3. 7.84 19. 8. 6094-182 82,64-12,2 50,14- 8,1 8,64- 2,2

24. 7.84 30. 9. 5234-178 98,4+16,7 47,8+t2,0 28,6_+ 8,2 8. 8.84 30.10. 304 + 61 79,0 + 10,1 37,8 4- 13,0 22,7 + 4,7

30. 8.84 13.12. 165 + 44 55,7 4- 5,9 26,2 4- 6,0 10,2 4- 2,1 20. 9.84 24. 1. 1704- 27 52,6+ 6,1 24,94- 7,9 10,1+ 3,2 10.10.84 4. 3. 194 4- 14 43,6 4- 8,0 23,1 4- 5,5 5,0 4- 2,9 2.11.84 19. 4. 228+ 29 47,5+ 5,5 24,34- 6,3 7,4+ 5,1

I6.11.84 17. 5. 269_ + 36 53,8_+ 7,0 22,24- 6,7 7,9_+ 4,4 7.12.84 28. 6. 353+ 51 97,3+ 9,8 31,34- 5,4 42,34- 5,3

21.12.84 26. 7. 400 4- 126 96,3 4- 15,7 37,5 4- 7,8 37,0 ± 10,2

11. 1.85 6. 9. 534 + 135 127,3 + 15,6 50,5 + 9,6 59,2 + 11,8 25. 1.85 4.10. 5434-t43 108,8+t0,1 45,3+ 4,9 44,24- 9,0 15. 2.85 t5.11. 6334-123 120,1+I7,1 50,8+ 9,4 56,44-13,1 27. 2.85 9.12. 302 + 61 102,7 -+ 22,0 45,0 4- 5,4 45,7 ± 22,0 21. 3.85 22. 1. 255 + 98 63,0 4- 16,0 28,5 4- 9,0 26,3 + 10,6 15. 4.85 11. 3. 230+ 31 44,7+12,0 31,04- 7,7 11,64- 5,9 30. 4.85 I0. 4. 1754- 35 34,04- 8,7 28,84- 5,5 3,04- 2,8 22. 5.85 24. 5. 1744- 70* 36,7+ 3,t* 27,7_+ 4,0* 4,04- 2,6* 12. 6.85 5. 7. 3234- 47* 57,94-11,4" 39,54- 3,T" 8,2+ 7,2*

3.2.4 Der Gesamt-Cholesterin-Spiegel im Plasma (Abb. 4, Tab. 5)

Der Plasma-Cholesterin-Spiegel der 5 Damhirsche zeigt im Untersuchungszei traum eine ausgepriigte Periodizit~it mit einer Frequenz von f = 2/anno. Die Maxima weisen eine deutlich positive Korrelation zu den beiden Geweihbildungsphasen auf.

Mit Versuchsbeginn steigt der Cholesterinspiegel an und erreicht im 1. Zyklus Anfang Juni 1984 Maximalwerte iiber 90 mg/dl . Anfang August f~illt die Kurve steil ab auf ein Minimum zwischen Ende August und November mit Werten unter 55 mg/dl. Ab

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Experimentelle Verlinderungen im Jahresgang der Photoperiode beirn Damhirsch 7

t.~_~J t,~ I~i Io I ,t D i.__,.._Za IFlulAIMi~iJ tAIs loI , Io ] I ! IFI'~I~I.IJ I___~

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Abb. 3. Verlauf der Aktivit~it der Alkali- schen Phosphatase (II) mit Mittelwert (dicke Kurve) und Standardfehler des Mittelwertes (diinne Kurven) im 6mona- tigen Photoperiodezyklus (I), (f = 2/ anno) ohne D~immerungsphasen. III: korrespondierender natiirlicher Jahres- gang der Photoperiode (Kassel, 52 ° n.L.), (f = 1/anno). Untere Abszisse: objektives Jahr; A und F: Abwurf- und Fegetermine nach UECKE~MANN und HANSEN [10]. Obere Abszisse: Monate des verkiirzten Jahres mit Abwurf-(A-) und Fege-(F-)Terminen aus 2 Zyklen. ' , i ', : Blutabnahmetermine

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Dezember folgt ein erneuter Knstieg bis Ende Februar auf ein Maximum im 2. Zyklus mit fiber 90 mg/dl. Nach einem steilen Abfall im M~irz 1985 durchschreitet die Cholesterin- kurve von April bis Mai ein weiteres Minimum unter 45 mg/dl. Im Juni 1985 zeichnet sich mit 57,9 mg/dl ein erneuter Anstieg zum 3. Zyklus hin ab.

3.2.5 Der HDL-Spiegel im Plasma (Abb. 5, Tab. 5)

Der HDL-Spiegel der 5 Damhirsche zeigt im Untersuchungszeitraum eine ausgepriigte Periodizit~it mit einer Frequenz yon f = 2/anno. Die Maxima weisen eine deutlich positive Korrelation zum Gesamt-Cholesterin-Spiegel, zum LDL-Spiegel und zu den beiden Geweihbildungsphasen auf.

Mit Versuchsbeginn steigen die HDL im 1. Zyklus auf ein Maximum iiber 45 mg/dl von Juni bis Juli. Mit dem Fegen im 1. Augustdrittel f~illt die Kurve ab. Das Minimum wird von Ende August bis November mit weniger als 26 mg/dl durchschritten. Es folgt ein erneuter Anstieg im Dezember zu Beginn des 2. Zyklus auf Maximalwerte fiber 45 mg/dl im Januar und Februar 1985. Nach dem Fegen im letzten Februardrittel f~illt die Kurve erneut ab auf Minimalwerte unter 31 mg/dl. Im Juni 1985, zu Beginn des 3. Zyktus, weisen die HDL wiederum eine steigende Tendenz auf.

3.2.6 Der LDL-Spiegel im Plasma (Abb. 6, Tab. 5)

Der LDL-Spiegel der 5 Damhirsche zeigt im Untersuchungszeitraum eine ausgepr~igte Periodizit~it mit einer Frequenz von f = 2/anno. Die Maxima sind deutlich positiv korreliert zum Gesamt-Cholesterin-Spiegel, zum HDL-Spiegel und zu den beiden Ge- weihbildungsphasen.

Page 8: Einflüsse experimenteller Veränderungen im Jahresgang der Photoperiode auf morphogenetische und physiologische Prozesse beim Damhirsch (Dama dama L.)

8 K. Fischer und H. Schnare

i

t

IMIJIJIAIsIoINIDIJIFIMIAIMIJIJIAISlOINIDIJIFI~IIAIMIJIJ Abb. 4. Plasmaspiegel des Gesamt-Cho- lesterins (II) im 6monatigen Photoperio- dezyklus (f=2/anno). Ert/iuterungen: siehe Abb. 3

. . . . . . . . . . , , , , , . . . . . . .

M I J ] J I A I S I O I N I D I J I F I M I A I M I J

M I J I J [ A t S l O I N L O I J I F I M I A I M I J [4 I A I S l O I N ] D t J I F i i ~ ] A I M I J iJ

II.

M I ~ L J I J I ~, I ~ I 0 1 N - I 0 I S I F I ~ I A I M IJ

Mit Versuchsbeginn am 18. Mai 1984 steigen die LDL im 1. Zyklus von 16,1 auf 28,8 mg/dl am 8. Juni und fallen zum 3. Juli auf 8,6 mg/dl ab. Danach erfolgt ein erneuter An- sfieg auf 28,6 mg/dl am 24. Juli. Mit dem Fegetermin Anfang August 1984 f~illt die Kurve erneut ab, und von Ende August bis November werden nur noch Minimalwerte un- ter 10,2 mg/dl erreicht. Zu Beginn des 2. Zyklus erfolgt ein weiterer Anstieg auf ein Maximum von De- zember bis Ende Februar mit Wer- ten iiber 42 mg/dl. Nach dem Fegen im letzten Februardrittel 1985 f~illt die LDL-Kurve wieder steil ab und durchl~iuft im April/Mai ein Mini- mum von weniger als 12 mg/dl.

4 Diskussion

Seit den wegweisenden Untersu- chungen von ROWAN [11] an dem amerikanischen Finkenvogel Junco hyemalis ist bekannt, datg vielen warmbliitigen Wirbeltieren der Jah- resgang der Photoperiode als ,,Ka- lender" fiir Beginn, Dauer und Be- endigung art- und individuumerhal- tender Aufgaben dient. Unter dem Begriff Photoperiode wird dabei die Ver~inderung des Tag-Nacht-Ver- hiiltnisses pro 24 Stunden im Jahres- gang verstanden, wie sie in den ge- miit~igten und arktischen Zonen be- sonders auffiillig ist.

Fiir Paarhufer ist die Zahl der Untersuchungen zum photoperio- disch gesteuerten Jahreskalender bis- lang noch nicht sehr grog, und die meisten Autoren priiften lediglich die Abh~ingigkeit einzelner Lebens-

Abb. 5. Plasmaspiegel der HDL (II) im 6monatigen Photoperiodezyklus (f = 2/ anno). Erl~iuterungen: siehe Abb. 3

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Experimentelte Verdnderungen im Jahresgang der Photoperiode beim Dambirsch 9

Abb. 6. Plasmaspiegel der LDL (II) im 6monatigen Photoperiodezyklus (f = 2/ anno). Erl~iuterungen: siehe Abb. 3

phasen von der Photoperiode. OR- TAVANT und PELLETIER [12] z.B. konnten beim Hammel zeigen, dag die Herbstbriinstigkeit durch die ab- nehmende Tagesl~inge ausgel6st wird. JAcz~wsI<I [13] fand woht als erster beim Rothirsch einen Einflufl der Tagesl~inge auf die Geweihbil- dungsphase.

Der erste Versuch, den annualen Lebensrhythmus eines Warmbliiters durch Ver~inderungen des Photope- riodenprogramms zu beeinflussen, kommt WOLFSON [14] zu. Er konnte durch Beschleunigung der Photope- riodezyklen bei einem Finkenvogel in 2 Jahren 5real Zug- und Fort- pflanzungsverhalten ausl6sen. Nor- malerweise briitet der Vogel nur einmal/anno.

Unter den Cerviden hat Goss [15] fiir den Sikahirsch als erster ge- zeigt, daft eine Verdoppelung der Frequenz des Jahresganges der Pho-

t III.

' M I ' ~ I' J ' l A I S I 0 I N I O I J I F I M I A I M IJ

toperiode (f = 2/anno) zu 2 Geweihzyklen und eine Verdreifachung (f = 3/anno) zu 3 Geweihzyklen fiihren kann. LXNCON et al. [16] konnten fiir den Hammel in einem 8monatigen Photoperiodezyklus den Nachweis erbringen, daft die Schilddriisenhormon- konzentrationen im Plasma, das Woll- und Hornwachstum und die Gonadenaktivit~it sich solch einem Jahresrhythmus anpassen k6nnen. Das heif~t, der photoperiodische Jahreska- lender greift tier in die Physiologie des Organismus ein.

In den hier vorgestellten Untersuchungen galt es, wie eingangs erw~ihnt, zu priifen, ob und wie sich der Geweihzyklus mit seinen Phasen Abwerfen, Schieben, Fegen und Tragen des blanken Geweihs beim Damhirsch auf eine Verdoppelung des annualen Photoperiode- ganges einstellt. Die Ergebnisse best~itigen die Befunde von Goss weitgehend. Bereits im 1. Zyklus war eine Verkfirzung der Geweihbildungsphase um 21,7% zu registrieren (Tab. 6), bezogen auf die 2. Geweihbildungphase von Hirschen aus dem Naturtag.

TabeUe 6. Prozentuale Verkiirzung der einzelnen Phasen des Geweihzyklus der Damhirsche unter Versuchsbedingungen (f = 2/anno) im Vergleich zu 2 Tieren aus dem Normaltag (f = 1/anno; Tab. 1).

AI: Abwurf der Spiefle; Fz: Fegen des 2. Geweihs etc.

f = l/anno f = 2/anno Verkilrzung in %

A1 --~ F2 94 Tage AI ~ F2 73,6 Tage 21,7 F2 ~ A2 247 Tage F2 --~ A2 139,4 Tage 43,6 (1. Zyklus) A1 --~ Az 341 Tage At --~ A2 213 Tage 37,5 A 2 ~ F3 116 Tage A2 --~ F3 60,2 Tage 48,1 F3 -+ A3 247 Tage F3 --~ A~ 1 t0,25 Tage 55,4 (2. Zyklus) A2 ~ A3 363 Tage A, --~ A3 170,45 Tage 53,2

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10 K. Fischer und H. Schnare

Wie aus Tab. 6 ersichtiich, war die Zeitspanne, in welcher das Geweih blank getragen wurde, bei den Stallhirschen um 43,6 % kiirzer als bei den Freilandhirschen. Der Gesamt- jahresgang des 1. Zyklus unter Versuchsbedingungen war von Abwurf zu Abwurf um 37,5 % verkiirzt. Hiitten die Hirsche im Stall sich sofort voll auf den aufgezwungenen verkiirzten annualen Photoperiodezyklus eingestellt, w~ire in allen Phasen eine Beschleuni- gung um 50 % zu erwarten gewesen. Die Abweichungen sind als Einschwingprozesse, wie sie in der Biorhythmik durchaus von Lichtphasen-Sprung-Experimenten her bekannt sind, anzusehen. Im 2. Zyklus unter Versuchsbedingungen ist die Schiebephase um 48,1% kiirzer als bei den altersentsprechenden Freilandhirschen (Tab. 6). Die Zeit, in der das blanke Geweih getragen wird, ist jetzt um 55,4 % und das gesamte subjektive Jahr von Abwurf zu Abwurf um 53,2 % kfirzer. Im 2. Zyklus schiefen die Versuchstiere iiber die 50-Prozent-Marke hinaus. Dies k6nnte zuriickzufiihren sein auf die Lage der Abwurf- und Fegetermine im aufgezwungenen Photoperiodezyklus. Wie z.B. aus Abb. 3 ersichtlich, liegen beide Termine im Bereich abnehmender Tagesliingen. Im Freiland aber werfen unsere Damhirsche das 2. und die folgenden Geweihe stets im letzten Aprildrittel ab, also in der Zeit zunehmender Tagesliingen (Tab. 1). Sollten sich jedoch in den n~ichsten kfinstlichen Jahreszyklen die Abwurftermine nicht auf den aufsteigenden Schenkel der Photoperioden zuriickverschieben, dann miissen neue Vorstellungen fiber die Art des Zeitmefvorgangs entwickeh werden. Es bleibt auch abzuwarten, ob sich alle 3 Phasen des Geweihzyklus in gleicher Weise auf die verkfirzten annualen Photoperiodezyklen einstel- len. Goss [17] konnte beim Sikahirsch zeigen, daft sich die Schiebephase bis auf h6chstens 2 Monate verkiirzen l~ift. Solch eine Tedenz zeichnet sich auch fiir den Damhirsch ab, wenn man die Reaktionen der einzelnen Phasen des Geweihzyklus auf die beschleunigten Photoperiodebedingungen betrachtet. Nach Tabelle 6 iiberschreitet nur die Phase vom Fegen bis hin zum Abwurf im 2. Zyklus deutlich die 50-Prozent-Marke.

Die hier vorgestellten Befunde geben auch auf die zweite, eingangs gestelhe Frage eine eindeutige Antwort. Alle Parameter im Blut, die im natiirlichen Tag-Nacht-Wechsel eine positive Korrelation ihrer Maxima zur Geweihbildungsphase aufwiesen, behahen diese Beziehung bei und zeigen eine Frequenzverdoppelung. Nach dem bisher Bekannten war das Weiterbestehen der positiven Korrelation der Alkalischen-Phosphatase-Aktivitiit zur Schiebephase zu erwarten; gilt doch die AP als Leitenzym der Knochenbildungszellen. Der Kurvenverlauf ist im 1. Zyklus noch v611ig normal, sein Maximum tiegt deutlich vor dem Fegetermin. Der Geweihbitdungsprozef ist im 1. verkiirzten Photoperiodezyklus auch nur um 21,7% beschleunigt. Wachstum und Mineralisierung der Stangen verliefen noch normal. Im 2. Zyklus dagegen f~illt die Kurve erst mit dem Fegezeitpunkt steil ab, und dieses Mal war die Mineralisierungsphase der Geweihe noch nicht beendet. Die Oberftiiche der Stangen war relativ gut verkn6chert, nicht aber deren Inneres und die Enden. Diese waren por6s, und noch lange Zeit nach dem Fegen traten Serum und Residualblut aus. Das bedeutet, daft offensichtlich der Geweihbildungsproze8 durch einen anderen Faktor abrupt unterbrochen wurde. Hierfiir kommt in erster Linie ein Androgen aus der Gonade in Frage. In einer Studie zum Pubert~itsverlauf konnten FISCHER et al. [18] bei einem sp~it gesetzten Damhirschkalb zeigen, daf eine iiberstiirzte Beendigung der Bildung der Spiefe mit dem Ansteigen der Gonadenaktivitiit verbunden war.

Die Maxima der AP liegen in beiden Zyklen auf identischer H6he. Nach den Vorstel- lungen von EIBEN und FISCHER [4] war dies nach den in Tab. 4 vorgestelhen Abwurf- gewichten und den Stangenl~ingen zu erwarten. Die beiden Autoren konnten eine deutlich positive Korrelation aufstellen zwischen dem Geweihgewicht und der H6he der AP. Mit durchschnittlich 182 bzw. 171 g und einer L~inge yon 28,1 bzw. 22,6 cm haben die Geweihe aus beiden Zyklen die gleiche Gr6fenordnung.

Das Cholesterin spieh im tierischen Organismus eine wichtige Rolle u.a. als Baustein zellul~irer und subzelluliirer Membranen. Da es in der Regel bei Pflanzen nicht vorkommt, mfissen Pflanzenfresser ihren Bedarf selbst synthetisieren. Der Transport des Cholesterins erfolgt im Blut durch die Lipoproteine HDL und LDL. Alle 3 Substanzen k/Snnen

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Experimentelle Ver~'nderungen im Jahresgang der Photoperiode beim Damhirsch 11

demnach im Blut als physiologisch miteinander in Beziehung stehende Gr6f~en angesehen werden. Messungen der HDL und LDL konnten fiir m~innliche Hirschartige in der Literatur nicht gefunden werden, so daft die in Abb. 2 vorgesteltten Kurven erstmalig fiir einen Cerviden erstens eine Jahresperiodik der beiden Komponenten vorstellen und zweitens eine positive Korrelation aller drei Gr6flen zueinander aufzeigen.

Fiir das Cholesterin haben EIBEN und FIsc~trg [3] eine positive Korrelation der Maxima zur Geweihbildung diskutiert. MORRIS und BU~F.NIg [6], die fiir den Weitgwedelhirsch ebenfatls eine Jahresperiodik des Cholesterinspiegets aufgezeigt haben, diskutieren ihre Befunde jedoch eher mit Ver~inderungen im Nahrungsangebot und in der Nahrungsauf- nahme im Jahreslauf, obwohl, ebenso wie beim Damhirsch, eine deuttich positive Korrela- tion zur Geweihbildungsphase bei dieser Hirschart besteht. Von den Autoren angefiihrte Kastrationsversuche k6nnen nicht zur Kl~irung der Alternativen herangezogen werden, da das Entstehen einer Periicke ebenfalls mit lebhaftem Zellwachstum verbunden ist. Geeig- neter erscheinen uns Versuche an Hirschen, denen die Geweihanlage von Anfang an entfernt wurde, und die zudem fiber 2 Jahre als adulte Hirsche eine standardisierte Digit erhalten.

Im verdoppelten Jahresgang der Photoperiode kommt es auch zu einer Verdoppelung der Frequenz des Cholesterinspiegels und der Konzentration der HDL und LDL. Die Zyklen der 3 Blutparameter bleiben auch unter diesen experimentellen Bedingungen positiv korreliert. Es bleibt zudem die positive Korrelation der Maxima der Triade zu den beiden Geweihbildungsphasen bestehen. Auch hier ist eine weitere Diskussion zur Zeit nicht m6glich, da vergleichbare Messungen an anderen Hirsch-Spezies fehlen.

Auff~iltig ist bei den Kurvenverl~iufen aller in dieser Studie vorgestellten Blutparameter, sowohl unter experimentellen Bedingungen als auch aus dem natiirlichen Jahresgang der Photoperiode, daft die Kurven des Cholesterins,. der HDL, der LDL sowie auch die Aktivitiit der AP bereits vor dem Abwerfen steigende Tendenzen aufweisen. Eine Aussage fiber die Koppelung der Prozesse bzw. iiber ihre Steuerung ist bislang nicht m6gtich. Auff~illig ist auch die zweigipflige Tendenz im Verlauf des 2. Zyklus unter verdoppeltem Jahresgang der Photoperiode bei Cholesterin, HDL und LDL. Auch hier k6nnen nur weiterf/ihrende Untersuchungen zur Kliirung beitragen.

Danksagungen

Herrn Prof. Dr. A. FESTETICS sei wiederum gedankt f~ir das Gastrecht, das er unserem Damwild in den Gattern des Instituts fiir Wildbiologie und Jagdkunde gew~ihrt. Gedankt sei der Verwaltung und den betriebstechnischen Einrichtungen der Universit~t G&tingen ftlr das Zur-Verfiigung-Stelten des Versuchsstalles und dessen Ausbau fiir unsere Versuche. Dank gilt ferner Herrn Prof. Dr. FR.-W. SCHMIDT, Abteilung Hygiene der Rinderproduktion am Tier~irztlichen Institut der Universitiit G6ttingen, in dessen Labors wir die Blutuntersuchungen durchfiihren diirfen. Gedankt sei ferner der Fa. Boehringer, Mannheim, die uns einen betr~ichtlichen Tell der Testkits fiir die Blutanalysen kostenlos zur Verftigung stellte. Unser Dank gilt nicht zuletzt dem Herrn Niedersiichsischen Minister fiir Ern~ihrung, Landwirtschaft und Forsten fiir die teilweise F6rderung unseres Dammwildprojektes aus dem Landesanteil an Jagdscheingebiihren; unser Dank sei auch an die Nieders~ichsische J~iger- schaft ausgesprochen.

Zusammenfassung

Beim adulten Damhirsch konnte erstmalig fiir einen m~innlichen Vertreter der Cervidae im Blut eine Jahresperiodik des HDL- und LDL-gebundenen Cholesterins nachgewiesen werden. Die Jahreskur- yen yon Gesamt-Cholesterin, HDL und LDL korrelieren positiv miteinander. Ihre Kurvenmaxima zudem mit den Geweihbildungsphasen.

Die Verktirzung des Jahresganges der Photoperiode yon 12 auf 6 Monate fiihrte bei 5 Damhirschen zu 2 Geweihzyklen in einem objektiven Jahr. Der Aktivitiitsverlauf der Alkalischen Phosphatase sowie die Verl;,iufe yon Gesamt-Cholesterin, HDL- und LDL-gebundenem Cholesterin verdoppelten ebenfalts ihre Frequenz; die Maxima der Kurven behalten die positive Korrelation zu den Schiebepha- sen bei. Die Cholesterin-, die HDL- und die LDL-Kurven bleiben auch unter diesen Versuchsbedin- gungen positiv zueinander korreliert.

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12 K. Fischer und H. Schnare

S u m m a r y

The influences of experimental changes in the photo-periodic year on morphogenetic and physiological processes in fallow deer

I. The antler cycle and its metabolic-physiological bases

In an adult fallow deer there was traced, for the first time in the blood of a representative of the Cervidae, a yearly periodic cycle of high (HDL-) and low-density lipo-proteine (LDL-) bound Cholesterol. The annual curves of Total-cholesterol, HDL- and LDL-bound Cholesterol are posi- tively correlated with each other and their curve-maxima with the phases of antler formation.

The reduction of the annual cycle of the photoperiod to 6 months led, in the case of five fallow deer, to two antler cycles in a calendar year. The courses of activity of the alkaline-phosphatase, of the Total-cholesterol and HDL- and LDL-bound Cholesterol levels also doubled in frequency; the maxima of the curves retained the positive correlation with the antler formation phases. The Total- cholesterol, HDL- and LDL-bound Cholesterol curves also remained positively correlated under these experimental conditions. Transl.: SHEI/.A MtrrcH

R~sum~

Influence de modifications exp~rirnentales du photop~riodisme annuel sur les proeessus morphog~n~ti- ques et physiologiques chez te Daim (Dama darna L)

I. Le cycle des bols et ses fondements m&aboliques et physiologiques

Chez le Daim adulte, on a pu mettre en ~vidence dans le sang - ce qui constitue une premiere pour un repr~sentant des Cervid~s - une p~riodicit~ annuelle du transport de Cholest~rine aux lipoprot~ines de haute (LHD) et faible densit~-(LFD). Les courbes annuelles de Cholest~rine, des LHD et LFD r~v~lent une correlation positive, leurs maxima colncidant en outre avec les phases de croissance des bois.

La r~duction du rythme annuel ~ une p~riode de 6 mois provoqua, chez cinq daims, deux cycles de bois au cours d'une annie objective. La fr~quence du d~roulement de l'activit~ de la phosphatase alcaline, de la plasma-cholest~rine, des niveaux des LHD et LFD est doubl~e; la correlation positive des maxima des courbes avec les phases de refait fur maintenue. Les courbes de Chotesttrine, des LHD et LFD gardent ~galement leurs correlations positives dans ces conditions exp~rimentales.

Trad.: S. A.DE CROMUXUGGHE

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ExperimenteUe Verlinderungen im Jahresgang der Photoperiode beim Damhirsch 13

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Aus dem laboratoire d'dthologie, F.P.S.E. Genf Direktorin: Prof. Dr. A. Etienne

Zum sozialen Verhalten eines Rotwildrudels (Cervus elaphus) am Winterfiitterungsplatz: R~iumliche Verteilung

am Futterplatz

Von SUSANN~ LmN, Genf

1 E in l e i t ung

Obwohl es keine allgemeingiiltige Theorie fiber r~iumliche Beziehungen in Tiergruppen gibt, kann man wohl mit McBRIDE (1971) annehmen, daft haupts~ichlich zwei Faktoren das Raumverhalten beeinflussen: Einmal steht das r~iumliche Verhalten in bezug zu anderen Arten. Bei gesetligen Huftieren betrifft dies vor allem die Feindvermeidung, wie z. B. am verbreiteten Ph~inomen der engeren Gruppenformation angesichts eines Beutegreifers erkenntlich (Lit. in HAMILTON 1971). Zum anderen gibt es einen Einfluft innerartlicher sozialer Beziehungen auf die r~iumliche Verteilung in Tiergruppen, was auch an verschiede- nen Huftierarten nachgewiesen wurde ( D o w et al. 1974; SYME et al. 1975; McCoRT et al. 1982). Insbesondere bei weiblichem Rotwild zeigte HALL (1983) die Tendenz ranghoher Tiere, an der Peripherie des Rudels zu stehen, und suchte dies im bisher wenig beachteten Zusammenhang mit der Feindvermeidung zu deuten.

Diese Arbeit untersucht die r~iumliche Verteilung eines nach Alter und Geschlecht gemischten Rotwildrudels am Winterfiitterungsplatz. Obgleich bereits auf eine evidente Bevorzugung bestimmter Pl~itze in Abh~ingigkeit ihrer Lage hingewiesen wurde (PFEIFFER und HARTFIEL, 1984), erschien uns eine systematische Untersuchung zur Platzverteilung unter gleichen Futterbedingungen in Hinblick auf Studien zum sozialen Verhalten am Futterplatz notwendig. Ziel dieser Arbeit ist es, an den Trogpl~itzen einer Fiitterung die unterschiedliche Platznutzung hinsichtlich der Feindvermeidung aufzuweisen. Anderer- seits soll die fiiumliche Verteilung verschiedener sozialer Klassen des Rudels untersucht werden.

2 M e t h o d e

Die Studie wurde an einem Futterplatz (Abb. 1) auf ca. 800 m ii. d. M. in den Bayerischen Voralpen an einer nicht gegatterten, bejagten Population durchgefiihrt.

U.S. Copyright Clearance Center Code Statement: 0044--2887/86/3201-0013 $ 02.50/0 Z. Jagdwiss. 32 (1986), 13-21 @ 1986 Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin ISSN 0044-2887