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Einführung in die Pädagogik Prof. Dr. Martin Fromm Universität Stuttgart

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Einführung in die Pädagogik

Prof. Dr. Martin Fromm Universität Stuttgart

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 2

Aufbau

2. Begriff „Pädagogik“3. Begründung von Pädagogik/Aufgaben4. Der spezifisch pädagogische Zugang

Selbstverständnis der Pädagogik Menschenbilder in der Pädagogik Erziehungskonzepte Bildungskonzepte Methodenverständnis

5. Arbeitsfelder

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1. Begriff „Pädagogik“

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Pädagogik = Erziehungswissenschaft

Pädagogik = Erziehungswissenschaft

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 5

Praktische Pädagogik vs. Erziehungswissenschaft

Pädagogik als pädagogische Praxis und praxis-bezogene Überlegungen

Vs.

Erziehungswissenschaft als wissenschaftliche Beschäftigung mit Erziehungs- und Bildungs-fragen

(Metaebene)

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Pädagogik vs. Empirische Erziehungswissenschaft

Brezinka‘s Differenzierung Philosophie der Erziehung

(Ziele, ethische Fragen) Erziehungswissenschaft

(empirische Untersuchung pädagogisch relevanter Tatsachen)

Praktische Pädagogik(Handlungskonzepte für die Praxis)

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2.Begründung von Pädagogik

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Aufgaben:Erziehung und Bildung

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 9

Erziehung

„Erziehung, im weiteren Sinne die Entfaltung der Persönlichkeit durch die geistige Einwir-kung anderer (Fremd-E.) und durch eigne Anstrengung (Selbsterziehung); im engeren Sinne die planmäßigen Maßnahmen zu mög-lichst tiefgreifender Prägung, vor allem der Jugend (Jugenderziehung), aber auch der Er-wachsenen (Erwachsenenerziehung).“

(Hehlmann 1967)

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 10

Erziehung

„Erziehung, im weiteren Sinne die Entfaltung der Persönlichkeit durch die geistige Einwir-kung anderer (Fremd-E.) und durch eigne Anstrengung (Selbsterziehung); im engeren Sinne die planmäßigen Maßnahmen zu mög-lichst tiefgreifender Prägung, vor allem der Jugend (Jugenderziehung), aber auch der Er-wachsenen (Erwachsenenerziehung).“

(Hehlmann, 1967)

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Erziehung

„Erziehung, im weiteren Sinne die Entfaltung der Persönlichkeit durch die geistige Einwir-kung anderer (Fremd-E.) und durch eigne Anstrengung (Selbsterziehung); im engeren Sinne die planmäßigen Maßnahmen zu mög-lichst tiefgreifender Prägung, vor allem der Jugend (Jugenderziehung), aber auch der Er-wachsenen (Erwachsenenerziehung).“

(Hehlmann, 1967)

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Bildung

„Der heutige Begriff Bildung umfaßt: 1) den Entfaltungsvorgang eines Menschen im Medium der geistigen Welt; 2) den Grad der inneren Geprägtheit, Durchformtheit und Verarbeitung der Bildungsgüter; 3) das Bewirken dieser Entfaltung durch Erziehung und Unterricht“.

(Hehlmann 1967)

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 13

Bildung

„Der heutige Begriff Bildung umfaßt: 1) den Entfaltungsvorgang eines Menschen im Medium der geistigen Welt; 2) den Grad der inneren Geprägtheit, Durchformtheit und Verarbeitung der Bildungsgüter; 3) das Bewirken dieser Entfaltung durch Erziehung und Unterricht“.

(Hehlmann 1967)

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 14

Bildung/Erziehung

Bildung u.a. Einsicht in

Zusammenhänge

ErziehungHaltungen, die den

Gebrauch von Kenntnissen steuern

Ausbildung Vermittlung von Kenntnissen/Fertigkeiten

Wie weiß ich etwas?

Wie nutze ich mein Wissen?

Was weiß ich?

Ausbildung/Bildung/Erziehung

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Voraussetzungen: Anthropologie und Sozialisation

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Anthropologie: Zugang 1

1. Der Mensch als Krone der Schöpfung/Evolution.

Frage: Was unterscheidet den Menschen vom Tier? Was hat er den Tieren voraus?

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Anthropologie: Zugang 2

2. Der Mensch als Über-Affe

Frage: Was verbindet den Menschen mit dem Tier?

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Anthropologie: Zugang 3

3. Der Mensch als (instinktverunsichertes) Mängelwesen

Frage: Was fehlt dem Menschen im Gegensatz zum Tier?

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 19

Gehlen: Der Mensch als normalisierte Frühgeburt

„In bezug auf die Ausreifung der Organe, der Bewegungsleistungen, der Sinnesleistungen, in bezug auf die Ausbildung der artbesonderen, also menschlichen Kommunikation und Signal-gebung, nämlich der Sprache, muß das neu-geborene Kind als eine normalisierte, typisierte Frühgeburt aufgefaßt werden.“

(Gehlen 1961, S. 20)

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Gehlen: Zurück zur Kultur (1961)

Charakteristika des Menschen:

„Weltoffenheit“ Vs. „Verführbarkeit“

Daher:

„Zurück zur Kultur!“

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Langeveld: Mensch als Aufgabe (1968)

„Der Mensch ist Aufgabe, nicht Naturtatsache.“

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Sozialisation

„Sozialisation ist die Entwicklung der Persön-lichkeit aufgrund ihrer Interaktion mit einer spezifischen und sozialen Umwelt.“

(Geulen 1989)

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Nicht-intentionale Einflüsse

Umgang und Erfahrung (Herbart)

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Nicht-intentionale Einflüsse

Umgang und Erfahrung (Herbart) Einwirkungen, die ohne Absicht im Leben …

geschehen“ (Schleiermacher)

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Nicht-intentionale Einflüsse

Umgang und Erfahrung (Herbart) Einwirkungen, die ohne Absicht im Leben…

geschehen“ (Schleiermacher) Funktionale Erziehung (Krieck)

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Nicht-intentionale Einflüsse

Umgang und Erfahrung (Herbart) Einwirkungen, die ohne Absicht im Leben…

geschehen“ (Schleiermacher) Funktionale Erziehung (Krieck) hidden curriculum (Jackson)

heimlicher Lehrplan (Zinnecker)

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Aufklärung und Einführung der allgemeinen Schulpflicht

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Aufklärung – Problem1: Unwissenheit und Aberglaube

„Des Landmans Kentniskreis ist äusserst beschränkt, und sein Vorrat von brauchbaren Einsichten unbeschreiblich geringe. Er ist Bürger einer Welt, von der er nicht die geringste Kentnis hat: sogar sein eignes Vaterland ist ihm fremd.“

„Unwissenheit erzeugt in ihm eine sonderbare Mischung von Steifheit und Biegsamkeit, von Leichtgläubigkeit und Mistrauen. So schwer sich der Landman zu nüzlichen Dingen überreden läst, so leicht nimmt er jeden Eindruk von Fabeln und thörigten Erzälungen an. Je weniger seine Vernunft bei dem, was man ihm sagt, in Arbeit gesezt wird, um desto lieber ist es ihm.“

(Aus einer pädagogischen Zeitschrift von 1783)

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Aufklärung – Problem 2: Versagen der Eltern als Erzieher

"Die Kinderzucht ist höchst jämmerlich in dem Bauernstande.

Die einzige Pflicht, welche die Eltern in dieser Rücksicht zu fülen scheinen, ist, daß es ihren Kindern nicht an Essen und Trinken felen möge.

(Aus einer pädagogischen Zeitschrift von 1783)

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 30

Begründung der Schulpflicht 1

Braunschweigische Schulordnung (1753)

"§ 16. Die Kinder kommen überhaupt unwissend auf die Welt, und wenn sie ohne Unterricht und Anweisung aufwachsen sollten, so würde zwischen ihnen und dem Vieh kein großer Unterschied sein. Sie müssen unterrichtet werden, wenn sie in den Stand gesetzt werden sollen, ihre leibliche oder äußere und geistliche oder ewige Wohlfahrt zu befördern.

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Begründung der Schulpflicht 2

Braunschweigische Schulordnung (1753)

§ 17. Nicht alle, ja die wenigsten Eltern sind selbst imstande, ihre Kinder so zu unterrichten, wie es ihre Pflicht mit sich bringt und die Wohlfahrt der Kinder erfordert. Sie haben entweder die dazu notwendige Fähigkeit nicht, oder die äußeren Umstände, in welchen sie stehen, halten sie davon ab und hindern sie an diesem wichtigen und nötigen Geschäfte.

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Begründung der Schulpflicht 3

Braunschweigische Schulordnung (1753)

§ 18. Schulen sind also notwendig

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Entwicklungstendenzender Pädagogik

Säkularisierung

Ausdehnung

Ausdifferenzierung

Flexibilisierung

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Staat und Erziehung/Bildung

Doppelter Zwiespalt

3. Investition vs. Verschwendung

4. Aufklärung vs. Indoktrinierung

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Aufklärung vs. Indoktrinierung 1

Das Ziel:

„Aus allen Schulen…, sollen verständige, gründlich unterrichtete, thätige und arbeit-same, uneigennützige und aufopferungsfähige Mitglieder der menschlichen Gesellschaft, an-hängliche, treue und gehorsame Unterthanen und vor allem Andern fromme und gottes-fürchtige und folglich auch gute, zufriedene und glückliche Menschen hervorgehen.“

(aus den Jahrbüchern des preußischen Volks-Schulwesens 1825)

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Aufklärung vs. Indoktrinierung 2

Die Gefahr:

„an die Stelle ruhiger und glücklicher Genüg-samkeit und einer treuen und emsigen Be-triebsamkeit (könnte) ein unruhiges, zweck-loses und veränderungssüchtiges Treiben“ treten

(aus den Jahrbüchern des preußischen Volks-Schulwesens 1825)

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Aufklärung vs. Indoktrinierung 3

Die Vorsichtsmaßnahme:

"...wir bedürfen daher in der menschlichen Gesellschaft nicht einer künstlichen Gleichheit der Volks-Bildung, sondern einer naturge-mäßen Ungleichheit der Standes-Bildung“

(aus den Jahrbüchern des preußischen Volks-Schulwesens 1825)

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Funktionen der Schule (Fend)

2. Qualifikationsfunktion

3. Selektionsfunktion

4. Integrationsfunktion

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 39

Qualifikationsfunktion

1. Qualifikationsfunktion

a) fachlich (funktional):Kenntnisse, Fertig- keiten

b) überfachlich (extrafunktional):Haltungen, Tugenden

2. Selektionsfunktion

3. Integrationsfunktion

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Selektionsfunktion

1. Qualifikationsfunktion

2. Selektionsfunktion

a) Reproduktion bestehender Positionsver- teilungen

b) Rekrutierung von Personen für Positionen

3. Integrationsfunktion

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Integrationsfunktion

1. Qualifikationsfunktion

2. Selektionsfunktion

3. Integrationsfunktion

a) Darstellung der Legitimität des Gegebenenb) Vermittlung überfachlicher Qualifikationen

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 42

Funktionen: Grafik

Qualifi-kations-funktion

Schulexterne Bereiche

Sozialisations-effekt

Allgemeineund beruflicheQualifikationen

Stellung imSchulsystem

Schulabschluß

System-stabilisierende Normen, Werte und Interpreta-tionssysteme

Schulsystem

Lehre und Unterricht

PrüfungenBerechtigungen

Politisches System

Sozialstruktur(z.B. Klassen-antagonismus)

Beruf- und Beschäftigungs-

system(Produktionssektor)

"Schulleben"Rollen-

erwartungen

Gesellschaftl. Herr-schaftsverhältnisse

Integra-tions-funktion

Selektions-funktion

Gesellschaftliche Funktionen der Schule

nach: Fend, H.: Gesellschaftliche Bedingungen schulischer Sozialisation, Weinheim/Basel 1974, S. 67

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3. Der pädagogische Zugang

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 44

Selbstverständnis der Pädagogik

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 45

Pädagogik – Staat: Schleiermacher

Jahrbücher des preußischen Volks-Schulwesens (1825):

"...wir bedürfen … einer naturgemäßen Ungleichheit der Standes-Bildung“

Dagegen Schleiermacher (1826): Es „darf durch absichtliche Verschließung einer

höheren Entwicklung kein einzelner zurück-gehalten werden von einem Punkt, der ihm den Übergang in die leitende Klasse erleichtert.“

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 46

Pädagogik – Staat: Ziller

Ziller (1856):

Der Staat „betrachtet die Menschen nothwendiger Weise nur in ihrem Verhältnis zum Ganzen, rücksichtlich des Nutzens oder Schadens, den sie diesem bringen können..."

"So bleibt der beste Theil des Menschen, ja sogar der beste Theil seines Wissens unberück-sichtigt. Schon darum ist es nicht wünschens-werth, daß der Staat die Schule beherrscht."

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 47

Pädagogik – Staat: Dilthey

Dilthey (ca. 1888):

"Die Erziehung hat sonach zwei getrennt auftretende Zielpunkte. Sie will den Individueneine sie befriedigende wertvolle Entwicklung, und sie will den Gemeinschaften den höchsten Grad von Leistungskraft verschaffen."

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Pädagogik – Staat: Nohl

„was immer an Ansprüchen aus der objektiven Kultur und den sozialen Bezügen an das Kind herantreten mag, es muß sich eine Umformung gefallen lassen, die aus der Frage hervorgeht: welchen Sinn bekommt diese Forderung im Zu-sammenhang des Lebens dieses Kindes für seinen Aufbau und die Steigerung seiner Kräfte“

„...das Kind ist nicht bloß Selbstzweck, …und das Kind darf nicht bloß sich erzogen werden, sondern auch der Kulturarbeit, dem Beruf und der nationalen Gemeinschaft“ (ca. 1930)

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 49

Pädagogik - andere Disziplinen

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 50

Pädagogik - andere Disziplinen Der Konflikt zwischen den Idealen der Bezugs-

wissenschaften: Theologie Philosophie Psychologie Naturwissenschaften

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 51

Pädagogik – Theologie 1

Kirchenschulen des Mittelalters

Praxisorientierte, normative Pädagogik Theoretisch, empirisch und methodisch vor-

wissenschaftlich, erfahrungsbasiert

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 52

Pädagogik – Theologie 2

Ausbildung von Geistlichen

Inhalte Lesen, Schreiben, Schriftaus-legung, Musik,

Liturgie

Methode

Vormachen/Nachmachen, Katechese

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 53

Pädagogik – Philosophie Akademische Pädagogik/Philosophie in Aufklärung

und Neuhumanismus

Normenkritische, konzeptionelle Pädagogik Ethische und gesellschaftspolitische Grund-

fragen

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 54

Pädagogik – Psychologie Akademische Pädagogik um 1820 (v.a. Herbart)

Grundlegung einer systematischen Pädagogik Empirische Fundierung in der (Kognitions- und

Lern-)Psychologie

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 55

Pädagogik – Naturwissenschaften

Um 1900 (v.a. Meumann, Lay)

Programm der Pädagogik als einer exakten Wissenschaft

Vorbild experimenteller empirischer Forschung in den Naturwissen-schaften

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 56

Meumann (1911)

„Das ist es nun, was der herkömmlichen Päda-gogik, die als Begriffs- und Normwissenschaft auftritt, zum Vorwurf gemacht werden muß: es fehlt ihr der empirische Unterbau an Kennt-nis der rein tatsächlichen Verhältnisse, auf welchen alle pädagogischen Vorschriften und Normen aufgebaut werden müssen.“

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 57

Binet (1927/1912)

"Man darf nicht nur mit schönen Worten an den allgemeinen guten Willen appellieren“.

Der "ewige Fehler" der Methode der Pädagogik bestehe darin, daß "in der Pädagogik zwar alles gesagt, aber nichts bewiesen" sei.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 58

Brezinka (1971) Brezinka kritisiert 1971 die Pädagogik als eine "tatsachenarme Pädagogik, die lediglich

Grundbegriffe erörtert, philosophierend das Dasein auslegt und in gefälligen Wendungen unverbindlich an das Berufsethos erinnert“.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 59

Geistes- vs. Naturwissenschaften

Dilthey (ca. 1900): Geistes- und der Naturwissenschaften haben

verschiedene Wissenschaftsgegenstände und Erkenntnisinteressen.

Sie benötigen daher verschiedene Methoden.

Verstehen vs. Erklären

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 60

Geisteswissenschaften Verstehen (im Sinne Dilthey‘s):

Nacherleben und Deuten innerer Vorgänge einer anderen Person

auf der Basis eigener Erfahrungen.

Hermeneutik

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 61

Naturwissenschaften Erklären (im Sinne Dilthey‘s):

Untersuchung von Kausalbeziehungen zwischen (beobachtbaren) Vorgängen.

Abstraktion vom Einzelfall.

Experiment

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 62

Verstehen vs. Erklären

Hermeneutisches Verstehen soll erkennbar machen, wie Erfahrungen lebendig in einer Person zusammenhängen (Nohl 1959),

wo das erklärende Verfahren der Naturwissen-schaften nur zeigen kann, daß Phänomene zu-sammen auftreten (Kontingenzen).

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 63

Hermeutisches Verfahren 1. Beobachtung einer anderen Person.

2. Schluß vom Beobachteten auf

‚dahinter‘-liegende psychische Prozesse. Basis der Deutung: Eigene Erfahrung.

3. Einordnung des Einzelfalls in größere Zu-sammenhänge: Was ist für die Zeit, diese Personengruppe usw. typisch, was wäre stattdessen möglich usw.?

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 64

Hermeutischer Zirkel Der Interpret tritt mit einem bestimmten

Vorverständnis an Phänomene heran.

In der Auseinandersetzung mit den Phäno-menen, durch seine Deutungsarbeit, verändert sich dieses Vorverständnis.

An folgende Deutungen wird der Interpret also mit einem veränderten Vorverständnis heran-treten.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 65

Zirkel vs. Spirale

Vorverständnis und Deutung entwickeln sich also im hermeneutischen Prozeß weiter.

Der sogenannte „hermeneutische Zirkel“ ist daher eher eine Spirale.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 66

Aussageabsichten

Was ist?

(Beschreibung des Status Quo)

Survey-Untersuchungen (Demoskopie usw. )

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 67

Aussageabsichten

Was wirkt wie?

a) Quasi-Experiment - Variablen werden nachträglich statistisch zueinander in Beziehung gebracht

b) Experiment- Variablen werden variiert und Effekte kontrolliert herbeigeführt

(Erklärung von Veränderungen, wenn-dann-Aussagen)

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 68

Forschungs-typen

Variable 1

Fall 3Fall 1 Fall 2

Variable 2

Variable 3

Idiographische Forschung: Einzelne Fälle/viele Variablen

Nomothetische Forschung: Viele Fälle/ einzelne Variablen

Idiographische

vs. nomothetische

Forschung

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 69

Experiment

Experiment

- Wiederholbarkeit- Kontrollierbarbeit (der relevanten Variablen)- Variierbarkeit (der unabhängigen Variablen)

Vorgänge werden durch den Forscher initiiert

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 70Störvariable

Störvariable

Störvariable

UnabhängigeVariable

Abhängige Variable

Einfluß wirdvariiert

Einfluß wird konstant gehalten

Experiment

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 71Lehrerverhalten

Motivation

Vorwissen

LehrbücherA, B, C

WissenGeographie

Einfluß wird konstant gehalten

Experiment: Beispiel 1

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 72

Motivation

Intelligenz

Schulerfolg

Design: Beispiel 1Hypothese: Intelligenz und Motivation sind die Hauptfaktoren, die zum Schulerfolg beitragen

Frage: Wie läßt sich diese Hypothese durch Experiment und/oder Ex-Post-Facto-Untersuchung prüfen?

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 73A mußte nicht

aufräumen

Ich gehe mit A ins Kino

Ich gehe mit A ins Kino

A hat gute Laune

A hat gute Laune

Design: Beispiel 2

X Y

Problem:- Was wirkt? Das Kino (usw.) oder ich? - Wie war die Laune vorher?

Experimentell

Ex-Post-Facto ?

?

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 74

Erkenntnis und Wahrheit

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 75

Relativität von Normen:Dilthey

Es „hat sich jede inhaltliche Formel über den letzten Zweck des Menschenlebens als historisch bedingt erwiesen“.

„So hat kein Versuch, das sittliche Ziel der Menschheit zu definieren, das Ziel der Erzie-hung daraus abzuleiten, auf Allgemeingül-tigkeit Anspruch. Die pädagogische Wissen-schaft muß Bescheidenheit bei der histo-rischen Schule lernen.“ (ca. 1900)

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 76

Relativität von Normen 1

Kurz: Was wir als (selbstverständlich) ‚gut‘, ‚sittlich‘,

‚lebenswert‘ usw. ansehen und akzeptieren, ist Vereinbarungssache.

Und: Andere (Gruppen, Kulturen) treffen andere

Vereinbarungen. Und: Diese Vereinbarungen werden über die Zeit

ständig geändert.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 77

Relativität von Normen 2

Ergebnis:

Was wir für ethisch hochstehend halten, ist für Andere unsittlich und verwerflich – und umge- kehrt.

Was wir heute für gut und normal halten, kann gestern noch kriminell, psychisch krank o.ä. gewesen sein – und morgen wieder sein.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 78

Legitimierung von Normen

Wenn nichts ‚an sich‘ und für alle Zeiten gut oder richtig ist, nichts selbstverständlich, entsteht das

Problem der Legitimierung von Normen (Sollenssätzen):

Warum soll es so sein, wenn es doch auch ganz anders sein könnte?

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 79

Relativität und Handlungssicherheit ?

Das Dilemma: Pädagogik als Wissenschaft sieht die Bedingt-

heit und Relativität jeder normierenden Fest-legung.

Pädagogik als Praxis muß sich aber festlegen und Alternativen ausschließen, um handeln zu können.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 80

Pädagogik und Gesellschaft

Ergebnis:

Pädagogik als Wissenschaft kann nicht die verbindliche normative Orientierungssicherheit liefern, die Einzelne und gesellschaftliche Gruppen insbesondere in Krisenzeiten von ihr erwarten.

Denn: Man kann immer alles auch ganz anders sehen…

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 81

Der Markt der Sinnverkäufer

Folge:

Den (zunehmenden) Bedarf an Orientierungs-sicherheit decken die, denen die von Dilthey geforderte historische ‚Bescheidenheit‘ fehlt:

Rezepteschreiber, Gurus, politische und reli-giöse Gemeinden, Journalisten und ‚Experten‘ aller Art.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 82

Legitimierung von Normen

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 83

Legitimierung 1: Zukünftiger Sinn(Herbart)

Begründung von Anforderungen:

Pädagogische Verantwortung ist es, den „zu-künftigen Mann beim Knaben“ zu vertreten (Herbart 1826)

„Der Erzieher betrachtet sich dem Zögling ge-genüber als denjenigen, der dessen geistiges Vermögen zu seinem Nutzen und Frommen während der Zeit verwaltet, wo der Besitzer es noch nicht selbst thun kann“ (Ziller 1856)

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 84

Vormundschaft: Die Denkfigur

Dem Pädagogen/Erziehern wird zugetraut zu wissen, was für den Zögling gut ist.

Das Verhältnis Erzieher/Zögling wird als ein Vormundschaftsverhältnis verstanden, in dem der Erzieher berechtigt und verpflichtet ist, im Interesse des Klienten/Zöglings zu handeln, Forderungen zu stellen usw.

Der Pädagoge rechtfertigt sein Handeln durch die antizipierte Zustimmung des Zöglings.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 85

Problem: Antizipierte Zustimmung

Pädagogische Arbeit setzt voraus, daß der Schüler veränderbar/bildsam ist. (z.B. Herbart)

Wenn der Schüler sich verändern läßt, muß er eine „innere Bereitschaft, sich erziehen zu lassen“, besitzen (Lichtenstein 1978, S. 299).

Wenn der Schüler bereit ist, sich erziehen zu lassen, dann besitzt er das Bedürfnis, erzogen zu werden (Süssmuth 1970).

Da nur bedingt nachweisbar, muß es sich um ein unbewußtes Bedürfnis handeln (Bollnow 1964,

S. 32).

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 86

Legitimierung 2: Erfüllte Gegenwart (Schleiermacher)

„Die Lebenstätigkeit, die ihre Beziehung auf die Zukunft hat, muß zugleich auch ihre Befriedigung in der Gegenwart haben; so muß auch jeder pädagogische Moment, der als solcher seine Beziehung auf die Zukunft hat, zugleich auch Befriedigung sein für den Menschen wie er gerade ist.“ (1826, S. 84)

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 87

Legitimierung 3: Übereinstimmung mit der Natur (Otto)

„Wir wollen den Kindern ganz und garnichts beibringen; wir wollen in erster Linie von ihnen lernen.“ (1903, S. 322)

„Mein Unterrichtsprinzip war nun also, das

ganze Unterrichtsverfahren lediglich auf das Interesse der Kinder zu begründen, das heißt also, den kindlichen Geist vollkommen frei wachsen zu lassen“ (1908, S. 75).

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 88

„Führen“ oder „wachsen lassen“ (Litt)

Jedes (pädagogische) Tun beeinflußt. „Wachsen-lassen“ ist daher Illusion, die auf Reflexion der gewollten oder ungewollten Beeinflussung ver-zichtet.

Das Ergebnis in Litt‘s Worten: „...so kommt es dahin, daß ein pädagogisches Evangelium, welches mit der Losung ´Wachsen-lassen´ jede erzieherische Initiative zu untersa-gen scheint, an einer bestimmten Stelle in den entschlossensten Enthusiasmus gestaltenden Tuns umschlägt.“ (1927, S. 21)

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 89

Menschenbilder

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 90

Die Tendenz zum Bösen: Ziller

,,der geistigen Natur des Menschen liegt das Verkehrte, Unvernünftige, das Geschmacklose, das Böse immer viel näher und gelangt immer viel früher zu einem Grade von Stärke als sein Gegenteil. Jenes ist wirklich an und für sich das Stärkere„.

(21884, S. 102)

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 91

Die Tendenz zum Guten: Otto

Für Otto ist das Kind von Natur aus prosozial, kreativ und wählt in der Tendenz die positive Entwicklung. Er geht davon aus, daß sich das Interesse des Kindes nicht

,,ausschließlich auf Alotria richtet, auf Sachen richtet, die dem Kind zu erfahren nicht gut sind"

(1913, S. 122)

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 92

Menschbilder: Die Extreme

„Animal educandum“ vs. „Edler Wilder“

Erzieher- vs. Zöglingspädagogik

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 93

Polarität der Charakterzüge: Nohl

Nichtfestgelegtheit des Menschen:

,,Die Grundlage der Arbeit ist das tapfere und geduldige Bejahen jedes Menschen…. Und wir können das, - nicht weil wir wie Rousseau an die ursprüngliche Güte der menschlichen Natur glauben, wohl aber an die ursprüngliche Totalität jedes Menschen, in dem zu jedem Laster auch sein contrarium schlummert."

(1929, S. 49)

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 94

Menschenbilder: Fazit

Der Mensch ‚an sich‘ ist nicht empirisch vor-findbar, sondern gedankliches Konstrukt.

Die Legitimierung von Erziehung mit der angeb-lichen ‚Natur des Menschen‘ ist daher unzu-reichend.

Anzugeben ist vielmehr, wer welche Normen und Maßnahmen warum für gerechtfertigt hält.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 95

Erziehungskonzepte

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 96

Erziehungskonzepte

2. Zur Möglichkeit von Erziehung

3. Zur Notwendigkeit von Erziehung

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 97

Diskussion ‚funktionaler‘ Erziehung

Frage 1: Kann der Mensch ‚Funktion‘ von etwas sein?

Determinierung

vs.

Entscheidungs-/Handlungsfreiheit

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 98

Diskussion ‚funktionaler‘ Erziehung

Frage 2: Ist die Auseinandersetzung mit Umweltein-flüssen bereits ‚Zutun‘?

Das Dilemma, die Mündigkeit der Menschen zu unter- oder überschätzen.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 99

Diskussion ‚funktionaler‘ Erziehung

Gefahr a): Unterschätzen der Mündigkeit

Übertriebene Gängelung/Bevormundung Übersehen von individuellen Lernprozessen Überschätzen der Einflußmöglichkeiten geplanter

Erziehung

Beispiel: Medienerziehung – Der Mensch als Opfer der Medien (Bücher, Zeitschriften, Fernsehen und Computer)

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 100

Diskussion ‚funktionaler‘ Erziehung

Gefahr b): Überschätzen der Mündigkeit

Sorglosigkeit, was erzieherische Wirkungen angeht Verzicht auf Unterstützung Verzicht auf Kontrolle und Beschränkung

erzieherischer Einflüsse Individualisierung von Problemen

Beispiel: Medienerziehung – Der Mensch als souveräner Nutzer der Medien.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 101

Diskussion ‚funktionaler‘ Erziehung

Wichtig: Die Betonung der Selbstbestimmungs-fähigkeit der Menschen kann eine höchst be-denkliche Funktion erfüllen, wenn sie

das ‚Opfer‘ zum Mittäter

macht!

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 102

Notwendigkeit von Erziehung:

Schleiermacher (1826)

„Je größer die Vollkommenheit des Gesamt-zustandes (der Gemeinschaft, M.F.) ist, desto weniger ist erforderlich, daß die Unterstützung absichtlich und methodisch sei. (…)

die Einwirkung wäre der der Idee der Sittlichkeit gemäße Umgang der älteren Generation mit der jüngeren.“

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 103

Erziehungs-traditionen

Erziehungs- ideal

Gottesfurcht Gehorsam

Erzieher/ Erzogener Subjekt/Subjekt Subjekt/Objekt

Erziehungs- mittel Ermutigung, Lob Belehrung, Strafe

Autonome sittliche Vervollkommnung

Vervollkommung der Menschheit

griechische Tradition

jüdische Tradition

Erziehungskonzepte

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 104

Katechese (1526)

F.: Was betest du?A.: Das Vater Unser.F.: Was ist‘s denn, das du sprichst, Vater Unser im Himmel?A.: Das Gott nicht ein irdischer, sondern ein himmlischer

Vater ist, der uns im Himmel reich und selig machen will.F.: Was heißt denn, ,Dein Name werde geheiliget‘?A.: Daß wir seinen Namen ehren und schonen sollen, damit er

nicht geschändet werde.F.: Wie wird er denn geschändet und entheiligt?A.: Wenn wir, die seine Kinder sein sollen, übel leben, unrecht

tun und glauben.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 105

Katechese (1960)

125. Warum müssen wir alle Menschen lieben?

Wir müssen alle Menschen lieben, weil jeder Mensch als Gottes Ebenbild erschaffen, durch Christi Blut erlöst und zur ewigen Seligkeit berufen ist.

(Aus: Katholischer Katechismus, Münster 1960, S. 159)

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 106

Katechese (1960)

126. Mit welchen Worten verlangt Jesus, daß wir auch unsere Feinde lieben?

Jesus sagt: „Liebet eure Feinde, tut Gutes denen, die euch hassen, und betet für die, welche euch verfolgen und verleumden; dann werdet ihr Kinder eures Vaters sein, der im Himmel ist, der seine Sonne aufgehen läßt über Gute und Böse und regnen läßt über Gerechte und Ungerechte.

(Aus: Katholischer Katechismus, Münster 1960, S. 159)

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 107

Katechese: Schritte

2. Lehrinhalt in Lehrsätze umformen

4. Lehrsätze und dazugehörige Fragen beibringen (vorsprechen-nachsprechen)/auswendig lernen

6. Abrufen der Lehrsätze mit den dazugehörigen Fragen

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 108

Erziehung durch KatecheseGewöhnung daran,

auf eigenes Denken zu verzichten,

sich den Anforderungen einer Autorität zu unterwerfen

und in der Gruppe aufzugehen.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 109

Orbis Pictus

Comenius 1658

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 110

Orbis Pictus Comenius

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 111

Orbis Pictus1658

Alles, was nötig ist, um richtig zu verstehen, zu tun und zu reden.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 112

Orbis Pictus Einleitung

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 113

Orbis Pictus Einleitung

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 114

ABC-oder Namenbüchlein 1744

Nützliches und rechter Glaube.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 115

Erziehung

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 116

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 117

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 118

Der Kinderfreund

Rochow 1776

„Vorbereitungen zur christlichen

Tugend“

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 119

Der Kinderfreund (1776)

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 120

Der Kinderfreund:Geschichten

Von den Vorzügen der Obrigkeit

Von den Vorzügen des Landlebens

Es ist mehr Gutes als Böses in der Welt

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 121

Der Kinderfreund: Die Lehre einer Geschichte

„Des Lasters Bahn ist anfangs zwarein breiter Weg durch Auen;Allein sein Fortgang wird Gefahr,sein Ende Nacht und Grauen :Der Tugend Pfad ist anfangs steil,Läßt nichts als Mühe blicken;Doch weiter hin führt er zum Heil,und entlich zum Entzücken.“

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 122

Erziehung durch moralisierende Geschichten

1. Der Lehrinhalt wird in eine Geschichte gekleidet.

3. Die Geschichte wird vorgelesen und gelesen.

4. Die (Lehre der) Geschichte wird besprochen.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 123

Erziehung durch moralisierende Geschichten

Vernünftige und tugendhafte Haltungen sollen gefördert werden durch:

Klare moralische Normen, die in einleuchtenden Geschichten aus dem Erfahrungskontext der Kinder als lebenspraktisch relevant dargestellt

werden.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 124

Erziehender Unterricht der Herbartianer (ab ca. 1850)

Ziel ist, den Zögling zu ,,einem sittlichen, wahrhaft guten, zu einem einsichtsvollen, für alles Löbliche empfänglichen und geschickten, zu einem gewissenhaften und ... zu einem aus voller Überzeugung religiösen Menschen heran(zu)bilden“.

(Ziller 1884)

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 125

Erziehender Unterricht

1. Regierung der Kinder

Schafft Rahmenbedingungen fürdie eigentlich erzieherischenMaßnahmen:

Bewußtlose Gewöhnungen, mittelbare Tugenden (Stillesitzen, Aufpassen usw.).

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 126

Erziehender Unterricht

2. Vorbild des Lehrers

Soziale Beziehungen werdenim Hinblick auf die erzieherischeWirkung geprüft/eingesetzt:

- Lehrer als Vorbild

- Klasse als Brutstätte unsittlicher Neigungen

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 127

Erziehender Unterricht

Gesinnungs-unterricht

Fach2

Fach3

Fach4

Fach5

Fach6

Fach1

3. Konzentration

Der Unterricht in allen Fächernist auf den Gesinnungs-unterricht abgestimmt.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 128

Erziehender Unterricht

4. Kulturstufentheorie

Auswahl der Unterrichtsstoffe nachdem biogenetischen Gesetz:

Entwicklung des einzelnen Menschenin den Schritten, in denen sich auchdie Menschheit als Ganze entwickelt.

1. Märchen2. Robinson3. Patriarchen4. Richter (Moses)5. Königszeit in Israel6. Leben Jesu7. Apostelgeschichte8. Reformation (Luther)

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 129

Erziehender Unterricht

5. Formalstufen

1. Analyse2. Synthese3. Association4. System5. Anwendung

Ziller: Rein: 1. Vorbesprechung2. Darbietung3. Vergleichung4. Zusammenfassung5. Anwendung

Der Stoff wird in den Schrittenbearbeitet, denen der natür-liche Lernprozeß (nach Meinungder Herbartianer) folgt.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 130

Erziehender Unterricht

6. Erzeugen von Vorstellungen

Annahmen der Assoziations-psychologie über streng gesetz-mäßige (hemmende und fördernde) Wirkungen von Vorstellungsinhalten.

Auch zum Übergang von Kognitionen in Emotionen!

Vorstellungsinhalte werden sodargeboten, daß die erzieherischeWirkung optimiert und der "Gedankenkreis" gleichmäßig durchgebildet wird.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 131

„Emil“ (1762) Rousseau

„Die Natur oder die Menschen oder die Dinge erziehen uns. (…) Wir haben also dreierlei Lehrer. Widersprechen sie sich, so ist der Schüler schlecht erzogen und wird immer uneins mit sich sein. Stimmen sie aber überein und streben sie auf ein gemeinsames Ziel hin, so erreicht er sein Ziel und lebt dementsprechend. Er allein ist gut erzogen.“

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 132

„Emil“ (1762) Rousseau

„Von den drei Arten der Erziehung hängt die Natur gar nicht, die der Dinge nur in gewisser Hinsicht von uns ab. Die der Menschen ist die einzige, die wir in unserer Gewalt haben; und auch da nur unter gewissen Voraussetzungen, denn wer kann hoffen, die Reden und und die Handlungen derer überwachen zu können, die das Kind umgeben?“

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 133

„Emil“ (1762) Rousseau

Annahme: Der Mensch hat von Natur aus gute Anlagen, die unter den Händen des Menschen ‚entarten‘.

Konsequenz: Die Erziehung durch den Men-schen beschränken bzw. so kontrollieren, daß sie mit der Erziehung durch die Natur übereinstimmt.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 134

„Negative Erziehung“ (Rousseau)

„Die erste Erziehung muß … rein negativ sein. Sie darf das Kind nicht in der Tugend und in der Wahrheit unterweisen, sondern sie muß das Herz von Laster und den Verstand vor Irrtümern bewahren. Wenn es euch gelingt, nichts zu tun und zu verhindern, daß etwas getan werde, den Zögling gesund und stark bis ins zwölfte Lebensjahr zu bringen, selbst wenn er links von rechts nicht unterscheiden kann, so würde sich nun sein Geist von der ersten Lektion an der Vernunft öffnen.“

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 135

„Pädagogische Provinzen“

Aufwachsen in einer erzieherisch arrangierten Umwelt, z.B.:

Rousseau: Emil Goethe: Wilhelm Meister Lietz: Landerziehungsheime Neill: Summerhill

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 136

Ethikunterricht?

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 137

Bildung/Erziehung

Bildung Wissen und Einsicht in Zusammenhänge

ErziehungHaltungen, die den

Gebrauch von Kenntnissen steuern

Wie weiß ich etwas?

Wie nutze ich mein Wissen?

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 138

Bildung-theorien

material

methodischfunktional

formal

BildungstheorienUnterscheidung nach Klafki

Bildung als Aneig-nung von Inhalten/Kultur-gütern

Bildung alsFormunggeistiger undseelischer Kräfte

Bildung als Verfügung über Methodenzur AneignungvonInhalten

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 139

Bildungsbegriffe (nach Schwenk) ‚weltliche‘ Variante:Formen und veredeln

der menschlichen Seele. Bildung ist machbar

emphatisch, quasi-religiöse‘ Variante: Annäherung an einen Idealzustand durch (göttliche) Gnade.

Bildung ereignet sich

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 140

Bildung: Mißverständnisse

Bildungsgut?

Bildungskanon?

Bildungspolitik?

Bildung durch neue Medien?

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 141

Bildung:Utilitarismus

Deutsche Aufklärung

Gebrauch der Vernunft

+ Gesellschaftliche Nützlichkeit

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 142

Bildung:Utilitarismus

Gesellschaftliche Brauchbarkeit begrenzt die individuelle Entfal-tung.

+Individuelles Glück setzt gesell-schaftliche Nützlichkeit voraus!

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 143

Bildung:W. v. Humboldt (1792)

Bewiesen halte ich demnach durch das Vorige, daß die wahre Vernunft dem Menschen keinen andren Zustand, als einen solchen wünschen kann, in welchem … jeder Einzelne der ungebundensten Freiheit genießt, sich aus sich selbst, in seiner Eigenthümlichkeit, zu entwikkeln.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 144

Bildung: W. v. Humboldt

Individuelle Entwicklungsfreiheit

Gleiche Rechte für alle

Ergänzung allgemeiner und spezieller Bildung

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 145

Allgemeine und spezielle Bildung:Wilhelm v. Humboldt

Alle Schulen … müssen nur allgemeine Menschenbildung bezwecken. - Was das Bedürfniß des Lebens oder eines einzelnen seiner Gewerbe erheischt, muß abgeson-dert, und nach vollendetem allgemeinen Unterricht erworben werden. (…)

Durch die allgemeine (Bildung) sollen die Kräfte, d.h. der Mensch selbst gestärkt, geläutert und geregelt werden; durch die specielle soll er nur Fertigkeiten zur An-wendung erhalten.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 146

Bildung und/oder Gymnasium?

Das neuhumanistische Gymnasium als Standesschule

Kritik der Nützlichkeit

Gelehrsamkeit statt gelehrter Bildung (in der Begrifflichkeit Humboldt‘s)

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 147

Bildung/Ausbildung: Feindbilder

Kritik des ‚Nur‘-Nützlichen

vs.

Kritik des emphatisch stilisierten Unnützen

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 148

Theorie-Praxis: Gesellschaftliche Erwartungen

Die gesellschaftliche Erwartung: Pädagogik sollte Handlungs-

anweisungen für konkretes Handeln liefern

Technologisches Verständnis

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 149

Theorie-Praxis Verhältnis: Ziller

Die Pädagogik liefert: „Bestimmte Imperative“, d.h.

eindeutige Normen und Zieleund das (empirische) Gesetzeswissen,

wie diese Ziele sicher erreicht werden können.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 150

Theorie-Praxis Verhältnis: Brezinka

Die Philosophie der Erziehung liefert Ziele,

und die empirische Erziehungswissen-

schaft beantwortet „technologische Fragen“: Was kann getan werden, um das Ziel x zu erreichen?

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 151

Theorie-Praxis Verhältnisals technologisches Verhältnis

Die Annahme:

Vorstellung der Technologie als angewandter Wissenschaft

Rationalitätskontinuum von wissen-schaftstheoretischen Regelsystemen bis hin zum praktischen Handeln

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 152

Theorie-Praxis Verhältnis:Das Problem

Praktisches Handeln ist weder durchgängig rational begründet, noch linear aus Normvorgaben pädagogischer Theorien ableitbar.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 153

Theorie-Praxis Verhältnis: Drei Schwierigkeiten

1. Widerspruch Direktiven vs. Mündigkeit

3. Ableitungsproblematik

5. Komplexität pädagogischer Situationen

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 154

Theorie-Praxis Verhältnis: Direktiven vs. Mündigkeit

Normative Vorgaben, wie jemand handeln muß, sind mit dem Anspruch, Mündigkeit zu fördern, nicht zu vereinbaren.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 155

Theorie-Praxis Verhältnis: Ableitungsproblematik

Aus allgemeinen Basisnormen sind konkrete Handlungsanweisungen nicht linear abzuleiten.

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 156

Ableitung 1?

?

? ?

Basisnorm

Unternormen

Handlungs-anweisungen

Legitimation: Ableitung

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 157

Ableitung 2/1

Bildung ist wichtig?

Basisnorm

Legitimation: AbleitungBeispiel: Günther Jauch

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 158

Ableitung 2/2

Ein gebildeter Mensch sollte ein Instrument spielen

Bildung ist wichtig?

Basisnorm

Unternormen

Legitimation: AbleitungBeispiel: Günther Jauch

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 159

Ableitung 2/3

30 Minuten Klavierüben pro

Tag

Ein gebildeter Mensch sollte ein Instrument spielen

Bildung ist wichtig?

??

Basisnorm

Unternormen

Handlungs-anweisungen

Legitimation: AbleitungBeispiel: Günther Jauch

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 160

Ableitung 3/1

Gemeinsinn!?

Basisnorm

Legitimation: AbleitungBeispiel: Angela Merkel

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 161

Ableitung 3/2

Markenwahn vermeiden!

Gemeinsinn!?

Basisnorm

Unternormen

Legitimation: AbleitungBeispiel: Angela Merkel

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 162

Ableitung 3

Markenwahn vermeiden!

Schuluniform tragen!

Gemeinsinn!?

Basisnorm

Unternormen

Handlungs-anweisungen

Legitimation: AbleitungBeispiel: Angela Merkel

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 163

Ableitung 4/1

Lebensfreude!?

Basisnorm

Legitimation: AbleitungBeispiel: Martin Fromm

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 164

Ableitung 4/2

Unmittelbare Erfahrung!

Lebensfreude!?

Basisnorm

Unternormen

Legitimation: AbleitungBeispiel: Martin Fromm

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 165

Ableitung 4/3

Unmittelbare Erfahrung!

Socken mit der Hand waschen!

Lebensfreude!?

Basisnorm

Unternormen

Handlungs-anweisungen

Legitimation: AbleitungBeispiel: Martin Fromm

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Martin Fromm: Einführung in die Pädagogik 166

Theorie-Praxis Verhältnis: Generelle Wenn-dann-Sätze

Generelle Wenn-dann-Sätze/ Gesetzesaussagen sind für die Arbeitsfelder der Pädagogik weder vorhanden, noch zu erwarten.

Deterministische vs. probabilistische Gesetzesaussagen.