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:Verbundanalyse im Lebensmittelhandel Peter Schnedlitz/Michael Kleinberg Einsatzm6glichkeiten der Verbundanalyse im Lebensmittelhandel 1. Problemstellung Neue Kommunikations- und Informationstechno- Iogien im Handel erbffnen neue M~gltchkeiten for das Forschungsfeld der Sortimentsverbundanalyse. In diesem Zusammenhang sind vor allem die Scan- ner-Technologie und die Entwicklung von geschlos- senen Warenwirtschaftssystemen hervorzuheben (Simon et al. 1982, Zentes 1987, Heidel 1990, Schnedlitz und Kotzab 1994). Der differenzierte und umfangreiche Datenzugang substituiert jedoch nicht die kritische Auseinandersetzung mit definitorischen und meBtechnischen Problemen derVerbundanalyse (Engelhardt 1976, M011er-Hagedom1978, Hruschka 1985, Kleinberg 1992, Kleinberg und Schnedlitz 1994). Die Forschung sieht sich in diesem Kontext verst&rkt mit der Problematik der Datenverdichtung konfrontiert. Dieser Forschungsschwerpunkt gewinnt dar0berhinaus unter der Perspektive der Verwert- barkeit der Forschungsergebnisse for die Praxis der Sortimentsplanung im Handel einen besonderen Stellenwert. Im Gegensatz zu traditionellen wissenschaftlichen Studien zu Sortimentsverbundanalysen operiert die vorliegende Untersuchung nicht mit hypothetischen Zahlenbeispielen und Simulationsmodellen, sondern mit einem realen Datensatz von 15000 untersuch- ten Warenk6rben, die aus eir;er Stichprobe yon Kunden eines deutschen Lebensmittelhandelsunter- nehmens stammen. Im Mittelpunkt steht dabei eine methodenorientierte Diskussion der Praxisrelevanz yon Verbundanalysen. 2. Theoretische Grundlagen 2.1. Definition des Verbundbegriffes Der Verbundbegriff wird in der I iteratur mit unter- Dr. Peter Schnedlitz ist o. Univ.-Prof. am Instttur f0r Absatz- wirtschaft der WirtschaftsuniversIt~t Wien, A- 1090 Wlen 0 Augasse 2-6. DipL-Kfm. Michael Kleinberg ist AbsoIvent der Universit~t Trier, schiedlicher Akzentuierung verwendet. Bei der Vielschichtigkeit der Frage, unter welchen Bedin- gungen von einer Verbundenheit zwischen Sorti- menten oder Sortimentsteilen gesprochen werden kbnne, krlstallisiert sich eine konsensf&hige definito- rische Abgrenzung heraus: Den Ausgangspunkt der Betrachtung bildet das beobachtbare Verhalten der Konsumenten, das dadurch zum Ausdruck kommt, in welchen Ausmal3 Verbundk~ufe get~itigt werden. Der Begriff ,,Verbund" 1&13t sich somit in folgender Systematik zusammenfassend darstellen (BScker 1975, MLiller-Hagedorn 1978): Bedarfsverbund Die Bedarfsverbundenheit beschreibt den Wunsch des Individuums, zu einem bestimmten Zeitpunkt Produkte zu kaufen, die zum gemeinsamen Konsum geeignet sind. Demnach besteht zwischen den in Frage kommenden Produkten ein innerer Verbund (Bedarfsverbund), derdadurch zum Ausdruck kommt, dab die entsprechenden G0ter gemeinsam gebraucht werden bzw. verbraucht werden. Nach~ageverbund Der Nachfrageverbund ist dadurch gekennzeich- net, dab der Konsument vor Betreten der Einkaufs- st&tte den Wunsch hat, mOglichst viele Bed/Jrfnisse in einem Einkaufsakt zu befriedigen (One-Stop-Shop- ping). In welchem AusmaB die bestehenden Bed0rf- nisse dutch konkrete K~ufe tats~ichlich realisiert werden, kann in diesem Stadium nicht verl~l}lich gesagt werden. Kaufverbund Die Kaufverbundenheit ist durch den gemeinsa- men Kauf mehrerer Produkte in Rahmen eines einzi- gen Kaufaktes gekennzeichnet. Er wird durch soge- nannte ,In-Store-Promotions" in Form von Werbe- und Raumverbund unterst0tzt und verst~rkt. Der Kaufverbund beschreibt somit die Situation, de-r mamkr lgg4/l 33. Jahrg.~ng, Nr. 128, Seito 31-39 31

Einsatzmöglichkeiten der Verbundanalyse im Lebensmittelhandel

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:Verbundanalyse im Lebensmittelhandel

Peter Schnedlitz/Michael Kleinberg

Einsatzm6gl ichkei ten der Verbundanalyse im Lebensmitte lhandel

1. Problemstellung

Neue Kommunikations- und Informationstechno- Iogien im Handel erbffnen neue M~gltchkeiten for das Forschungsfeld der Sortimentsverbundanalyse. In diesem Zusammenhang sind vor allem die Scan- ner-Technologie und die Entwicklung von geschlos- senen Warenwirtschaftssystemen hervorzuheben (Simon et al. 1982, Zentes 1987, Heidel 1990, Schnedlitz und Kotzab 1994). Der differenzierte und umfangreiche Datenzugang substituiert jedoch nicht die kritische Auseinandersetzung mit definitorischen und meBtechnischen Problemen derVerbundanalyse (Engelhardt 1976, M011er-Hagedom 1978, Hruschka 1985, Kleinberg 1992, Kleinberg und Schnedlitz 1994). Die Forschung sieht sich in diesem Kontext verst&rkt mit der Problematik der Datenverdichtung konfrontiert. Dieser Forschungsschwerpunkt gewinnt dar0berhinaus unter der Perspektive der Verwert- barkeit der Forschungsergebnisse for die Praxis der Sortimentsplanung im Handel einen besonderen Stellenwert.

Im Gegensatz zu traditionellen wissenschaftlichen Studien zu Sortimentsverbundanalysen operiert die vorliegende Untersuchung nicht mit hypothetischen Zahlenbeispielen und Simulationsmodellen, sondern mit einem realen Datensatz von 15000 untersuch- ten Warenk6rben, die aus eir;er Stichprobe yon Kunden eines deutschen Lebensmittelhandelsunter- nehmens stammen. Im Mittelpunkt steht dabei eine methodenorientierte Diskussion der Praxisrelevanz yon Verbundanalysen.

2. T h e o r e t i s c h e G r u n d l a g e n

2 .1 . Def in i t ion des V e r b u n d b e g r i f f e s

Der Verbundbegriff wird in der I iteratur mit unter-

Dr. Peter Schnedlitz ist o. Univ.-Prof. am Instttur f0r Absatz- wirtschaft der WirtschaftsuniversIt~t Wien, A- 1090 Wlen 0 Augasse 2-6. DipL-Kfm. Michael Kleinberg ist AbsoIvent der Universit~t Trier,

schiedlicher Akzentuierung verwendet. Bei der Vielschichtigkeit der Frage, unter welchen Bedin- gungen von einer Verbundenheit zwischen Sorti- menten oder Sortimentsteilen gesprochen werden kbnne, krlstallisiert sich eine konsensf&hige definito- rische Abgrenzung heraus: Den Ausgangspunkt der Betrachtung bildet das beobachtbare Verhalten der Konsumenten, das dadurch zum Ausdruck kommt, in welchen Ausmal3 Verbundk~ufe get~itigt werden.

Der Begriff ,,Verbund" 1&13t sich somit in folgender Systematik zusammenfassend darstellen (BScker 1975, MLiller-Hagedorn 1978):

Bedarfsverbund

Die Bedarfsverbundenheit beschreibt den Wunsch des Individuums, zu einem bestimmten Zeitpunkt Produkte zu kaufen, die zum gemeinsamen Konsum geeignet sind. Demnach besteht zwischen den in Frage kommenden Produkten ein innerer Verbund (Bedarfsverbund), derdadurch zum Ausdruck kommt, dab die entsprechenden G0ter gemeinsam gebraucht werden bzw. verbraucht werden.

Nach~ageverbund

Der Nachfrageverbund ist dadurch gekennzeich- net, dab der Konsument vor Betreten der Einkaufs- st&tte den Wunsch hat, mOglichst viele Bed/Jrfnisse in einem Einkaufsakt zu befriedigen (One-Stop-Shop- ping). In welchem AusmaB die bestehenden Bed0rf- nisse dutch konkrete K~ufe tats~ichlich realisiert werden, kann in diesem Stadium nicht verl~l}lich gesagt werden.

Kaufverbund

Die Kaufverbundenheit ist durch den gemeinsa- men Kauf mehrerer Produkte in Rahmen eines einzi- gen Kaufaktes gekennzeichnet. Er wird durch soge- nannte ,In-Store-Promotions" in Form von Werbe- und Raumverbund unterst0tzt und verst~rkt.

Der Kaufverbund beschreibt somit die Situation,

de-r mamkr lgg4/l 33. Jahrg.~ng, Nr. 128, Seito 31-39 31

Peter Schnedlitz/Michael Kleinberg

dab an einem Ort zu einer bestimmten Zeit mehrere Artikel (Produkte) gleichzeitig erworben werden. Im Gegensatz dazu zeich net sich der Nachfrageverbund dadurch aus, dab im Rahmen eines Einkaufsvor- ganges GLiter nachgefragt werden, wobei es nicht notwendigerweise zum Kauf kornmen muB. Der Bedarfsverbund beschreibt die VerknLipfung einzel- ner Produkte hinsichtlich ihres Gebrauchs bzw. Ver- brauchs. W~hrend Nachfrageverbund und Bedarfs- verbund somit st~trker den Erkl~irungsaspekt von Verbundk~iufen ansprechen, beschr~inkt sich der Kaufverbund-Ansatz auf die Beschreibung des be- obachtbaren Verhaltens.

2.2. B e s t i m m u n g s f a k t o r e n des Kaufverbundes

Die Ursachen f/Jr den gleichzeitigen Erwerb mehre- rer Produkte in einer Verkaufstelle kSnnen unter- schiedlich sein. In der Literatur werden sowohl sortimentsinteme als auch sortimentsexteme Fak- toren diskutiert (Engelhardt 1976, Bordemann 1985):

Komplement~rer Verbund

Unter dem komplement&ren Verbund werden Verbundsbeziehungen verstanden, die sich aus an- wendungstechnischen GrLinden zwangsl&ufig erge- ben. So ist der Gebrauch verschiedener Produkte nur in Verbindung mit anderen G~em m6glich.

Verbundbeziehungen aufgrund besonderer Pro- duktmerkmale

Verbundbeziehungen zwischen GStem aufgrund bestimmer Warenmerkmale kSnnen in Form von gemeinsamen Materialeigenschaften vorliegen. Das verwendete Material begr~ndet demnach in man- chen F&llen die Verbundbeziehungen zu anderen G/3tern, die aus dem gleichen Material gefertigt sind.

Verhaltensbedingte Verbundbeziehungen

Verbundwirkungen im Sortiment sind in vielen F~il- len dadurch bestimmt, da8 die men~chlichen Be- dLirfnisse nicht durch ein einziges Gut befriedigt werden kSnnen, sondern nur durch G~erkombi- nationen. Auch kann der Konsum eines Gutes weite- re Bederfnisse hervorrufen. Die Verbundenheit zwi- schen mehreren G~em kann dabei z.B. durch mo- dische Einstellungen sowie Qualtt~tsbewuBtsein hervorgerufen werden.

Verbundbeziehungen aufgrund gesellschaftlicher Konventionen

Verbundbeziehungen aufgrund gesellschafllicher Konventionen dokumentieren sich besonders in der Verfolgung bestimmter Lebensstile. Der Lebensstil veranlaBt die Gruppenmitglieder Produkte mit be- stimmten Eigenschaften (z.B. bestimmte Qualit&ts- standards oder Preisklaesen) zu erwerben.

Verbundbeziehungen und Kaufentscheidungs- prozeB

Verbundbeziehungen zwischen G(Jtern ergeben sich zudem aus dem KaufentscheidungsprozeS. Die Bedeutung wird, je nach Produktart und empfunde- nero Kaufrisiko, unterschiedlich beurteilt.

Verbundbeziehungen aufgrund absatzpolitischer MaBnahmen

0ber die Frage, von welchen Waren oder Waren- gruppen Kaufimpulse f~r andere Waren ausgehen und ob diese kausal absatzpolitischen MaBnahmen zuordenbar sind, finden sich in der Literatur theore- tische Ausgangs~bedegungen (Berekoven 1990, S. 127). Mit der vorliegenden Studie soil jedoch eine empidsche Kontrolle derartiger Ursache-Wirkungs- Zusammenh~nge erfolgen.

2.3. MeBmodel le f~r Kaufverbun- denheit

Ausgangsbasis fOr die Ermittlung der Kaufverbun- denheit sind Warenk~rbe. Aufgrund von Interpre- tations- und Auswertungsproblemen bei mehrdimen- sionalen Matrizen ist es sinnvoll, Mehrfachk~iufe in Zweierbeziehungen aufzuspalten und in eine zweidi- mensionale Frequenzmatdx zu Liberffihren (Hruschka 1985). So wird beispielsweise der Kauf von drei Produkten A, B, C in Zweierbeziehungen AB, AC und BC transformiert und in die Frequenzmatrix eingele- sell.

AIs VerbundmaB dienen/3,hnlichkeitskoeffizienten, die folgende Kriterien zu erfellen haben:

(1) Unabh&ngigkeit des VerbundmaBes vonder Anzahl der K~ufe im Restsortiment

(2) Proportionalit&t des Koeffizienten

32 ~ ]~J~,kt 199411

Verbundanalyse im Lebensmi[telhandel

(3) Ber0cksichtigung yon Zufallsk~ufen

(4) Vergleichbarkeit der Verbundkoeffizienten 0ber mehrere Perioden.

Schnedlitz und Kleinberg (1994) entwickeln einen MeBansatz, der diese Basiskriterien erf011t. In die- sere Zusammenhang wird welters der Beweis ge- fOhrt, dab Verbundkoeffizienten, die in der IJteratur h&ufig zitiert werden, die oben angef(3hrten Bedin- gungen nicht erfgllen. Ausgehend von einer Vier- feldertafel (Zelle a: Anzahl der Verbundk~ufe zwi- schen den Produkten i und j; Zelle b: Anzahl der Verbundk~ufe von Produkt i ohne Produkt j; Zelle c: Anzahl der Verbundk&ufe von Produkt j ohne Pro- dukt i; Zelle d: Kaufakte, die weder des Produkt i noch das Produkt j enthalten) wird folgenderVerbund- koeffizient (VBK) ermittelt:

ablauf?

(3) Wie wirken absatzpolitische MaBnahmen auf das Verbundverhalten?

Insgesamt orientiert sich die Forschungskonzep- tion der vorliegenden Studie an einer explorativen Zielsetzung. Aufgrund des Theoriedefizites ist im vorliegenden Forschungsfeld ein hypothesenpr0- fender Untersuchungsansatz nur in beschr~nktem Umfang mSglich.

Das empirische Projekt setzt sich aus drei Teil- projekten zusammen:

(1) Erfassung der Kaufverbundenheit eines vierwS- chigen Untersuchungszeitraumes in einer Filiale des Handelsunternehmens. Die Datenbasis bil- den 15.000 WarenkSrbe.

Abbildung 1: Verbundkoeffizient nach Schnedlitz und Kleinberg (1994)

Der Verbu nd koeffizient kan n Werte zwisc hen 0 u n d 7.5 annehmen, wobei der Wert 0 besagt, dab keine Kaufverbundenheit vorliegt. Eine Koeffizient yon 7.5 bringt hSchste Verbundwirkung zum Ausdruck.

(2) Untersuchung der Dynamik yon Verbundbe- ziehungen auf der Basis wSchentlicher Analy- sen. Im Rahmen dieser Untersuchung werden vier Perioden berecksichtigt und getrennt aus- gewertet. Jede Periode enth~lt 3000 Waren- kSrbe. Ein Vergleich der einzelnen Perioden soil Auskunft dan3ber geben, ob die ermittelten Ver- bundstrukturen einer Dynamik unterliegen oder nicht.

3. Empirische Untersuchung

3.1. Ziel und Ablauf der Untersuo chung

Die vorliegende empirische Studie zur Problematik von Verbundanalysen bezieht sich auf ein Filialunter- nehmen der Lebensmittelbranche. Die Verkaufsda- ten werden mittels Scanner-Kassen erfaBt. Hinsicht- lich der analysierten Warengruppen erfolgt eine Ein- schr~nkung auf Nahrungs- und GenuBmittel. Der Nonfood-Bereich bleibt in dieser Projektphase un- berLicksichtigt.

Das Ziel dieses ersten Analyseschrittes besteht in der Kl~rung folgender Forschungsfragen:

(1) Welche Verbundbeziehungen existieren im be- trachteten Sortiment?

(2) Ver&ndem sich die Verbundbeziehungen im Zeit-

(3) Bestimmung des Einflusses absatzpolitischer MaBnahmen auf das Verbundkaufverhalten. In Abstimmung mit dem Handelsuntemehmen wird die Wirkung von Marketinginstrumenten experi- mentell untersucht. Folgende Bedingungen wer- den systematisch variiert: �9 Preispolitik (Sonderangebote) �9 Out-of-StoreWerbung (Zeitungswerbung und

Zeitungsbeilagen) �9 In-Store-Werbung (Displayplazierung)

3.2. Untersuchungsergebnisse

3.2.1. Identifizierung von Verbund- strukturen

Die Analyse der bestehenden Verbundbeziehungen bildet die Grundlage f0r alle weiterfShrenden Unter- suchungen. Im Rahmen der vodiegenden Verbund- analyse werden insgesamt 26 Warengruppen und

der mn.rkt 1~:]t411 33

Peter Schnedlitz/Michael Kleinberg

15.000 Warenk6rbe ber~cksichtigt. Aufgrund der groBen Datenmenge ist es ohne den Einsatz daten- verdichtender statistischer Verfahren nicht m0glich, das Geflecht der vielf~ltigen Verbundbeziehungen transparent zu machen. Um die grundlegenden Strukturmerkmale und Interaktionsbeziehungen zwi- schen den Warengruppen aufzudecken, wird in der vorliegenden Untersuchung eine Clusteranalyse durchgefi3hrt.

Bei einer Anzahl yon 26 Warengruppen kOnnen demnach insgesamt 26 Verbundprofile mit dem Restsortiment gebildet werden. Mit Hilfe einer Clusteranalyse wird es m0glich, eine Klassifikation dieser Warengruppen vorzunehmen (Backhaus et al. 1994, S 260-290). Einordnungskriterium ist deren /3,hnlichkeit im Verbundprofll. Die Clusteranalyse be- rechnet die.~hnlichkeit aller Warengruppen hinsicht- lich deren Kaufverbundenheit. AIs Proximit~tsma8 dient im vorliegenden Fall die quadrierte Euklidische Distanz, die jeweils paarwetse for zwei Warengrup- pen berechnet wird. AIs Fusionierungsalgorithmus wird das Ward-Verfahren herangezogen, das in der Literatur for &hnliche Fragestellungen empfohlen wird, da es eine sehr gute Partitionierung und Clu- ster-Zuordnung erm6glicht (Backhaus et al. 1994, S. 298). Nach dem Elbow-Kriterium und unter Ber0ck- sichtigung der Fehlerquadratsumme ergibt sich for die analysierten Daten eine Vier-Clusterl6sung (sie- he Tabelle 1).

Die einzelnen Verbundgruppen (Cluster) zeichnen sich durch unterschiedliche Verbundintensit&t aus, wobei Cluster 2 mit den Warengruppen 2 und 4 die st&rkste, bzw. Cluster 4 mit den Warengruppen 9, 12, 15, 20. 21, 22, 23, 25 und 26 die geringste Verbundintensit~t aufweist. Die Verbundprofile von Cluster 2 und 4 werden in Abbildung 2 und 3 darge- stellt. Das Ergebnis belegt einmal mehr die massive Verbundwirkung der Frische-Sortimente Obst/Ge- m0se und Milch/Milchprodukte, zwei Warengrup- pen die sich beinahe in jedem Warenkorb finden.

Neben dieser Analyse, die erste Anhaitspunkte hinsichtlich der Verbundenheit zwischen jeweils zwei Warengruppen zum Ausdruck bringt,' sollte zus&tz- lich eine simultane Betrachtung aller Verbundbe- ziehungen erfolgen. An dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, dab sich die Profilanalyse nur mit zweiseitigen Beziehungen besch&ftigt. Will man dagegen das gesamte Dependenzgef~ge der Ver- bundmatrix simultan darstellen, bedarf es einer wei- terf0hrenden Strukturanalyse.

CLUSTER

Cluster I

WARENGRUPPE

(1) Fleisch/Wurst (Bedienung) (5) K~.se (SB)

(10) Tiefk0hlkost (11) N~hrmittel (13) Gew0rze/Feinkost (16) Obst-/Gem0sekonserven

Cluster 2 (2) Obst/GemOse (4) Milch/Molkereiprodukte

Cluster 3

Cluster 4

(3) Fleiscl'VWurst (SB) (6) K~ise (Bedienung) (7) Butter (8) Ole/F~e

(14) Fleisch-/Fischkonserven (17) Schokolade (18) S08waren (19) Geb~ck

(9) Frischgefl0gel (12) Suppen/Fertiggerichte (15) Rsch/Feinkost (20) Weine (21) Sekt (22) Spirituosen (23) Bier (25) Tabakwaren (26) Kaffee

Tabelle 1: Verbundgruppen auf der Grundlage der Clusteranalyse

3.3. D y n a m i k der V e r b u n d b e . ziehungen

Im zweiten Auswertungsschdtt wird der Frage nach- gegangen, inwieweit sich die ermittelten Verbund- strukturen im Laufe einer Beobachtungsperiode ver- &ndern. Die Datenmengen, die daf0r analysiert wer- den m0ssen, sprengen jedoch die Kapazit~t her- k6mmlicher Rechenanlagen. Aus diesem Grund er- folgt der zweite Auswertungsschritt unter BerOck- sichtigung von nur 12 Warengruppen. Die Selektion der einzubeziehenden Warengruppen erfolgt in Form eines Querschnittes der einzelnen Cluster. Aus je- dem Cluster werden anteilig Warengruppen mit ho- hen, mittleren und schwachen Verbundwirkungen ausgew~ihlt (siehe Tabelle 2).

Zur Analyse der Verbundbeziehungen unter dem zeitlichen Aspekt wurde das Verfahren der dynami- schen nichtmetrischen Multidimensionalen Ska- Iierung eingesetzt (Backhaus et al. 1994,433-496).

34 dec ~ k t , 1994/1

Verbundanalyse im Lebensmittelhandel

Abbildung 2: Verbundprofile des Warengruppen-Clusters 2

Abbildung 3: Verbundprofile des Warengruppen-Clusters 4

tier m~lPIL1; 1994./1 35

Peter Schnedlitz/Michael Kleinberg

CLUSTER

Cluster I

W A R E N G R U P P E

(1) Reisch/Wurst (Bedienung) (10) Tiefk~ihlkost (13) GewLirze/Feinkost

Cluster 2 (2) Obst/Gem0se L. (4) Milch/Molkereiprodukte

Cluster 3

Cluster 4

(3) Fleisch/Wurst (SB) (7) Butter

(17) Schokolade (19) Geb&ck

(12) Suppen/Fertiggerichte (15) Fisch/Feinkost (23) Bier

T a b e l l e 2: Stichprobenstruktur der Mehrperioden- analyse

Die Grundlage der Analyse bilden dabei die zu vier Zeitpunkten 0"=4) erfaBten Verbundintensit~iten der 12 Warengruppen. In einem weiteren Analyseschritt werden diese tnforrnationen zu vier Distanzmatdzen (Euklidische Metrik) DI, D2, D3 und D4 aggregiert.

Das Ergebnis stellt die optimalen Konfigumtionen, simultan for alle vier Perioden, dar. Die Abbildung 4 beschreibt die Situation for die 12 ausgew~hlten Warengruppen. Insgesamt wurden zwei Dimensio- nen zur Abbildung der Warengruppen im Merkmals- raum benbtigt.

Ein Blick auf die vorliegende Ergebnisdarstellung I~iBt erkennen, dal3 sich die Verbundbeziehungen im Laufe der Zeit ver~ndert haben. Da die Warengrup- pen innerhalb der einzelnen Pedoden unterschied- lich starken Schwankungen hinsichtlich ihrer Ver- bundenheit unterliegen, mu8 ein Kriterium festgelegt werden, mit des.sen Hilfe diese Ver'anderungen beur- teilt werden kSnnen.

Aus diesem Gru nd wird fOr jede Periode eine Cluster- analyse durchgefohrt. Im Mittelpunkt steht die Fra- ge, ob bestlmrnte Warengruppen zwischen den Pe- rioden eine .Clusterwanderung = vollziehen. Sollte dies der Fall sein, so wird im Rahmen der vodiegen- den Arbeit der Begriff Strukturverschiebungen im V e r b u n d g e f i 3 g e gepr~gt. In Analogie wird von dyna- mischen Verbundbeziehungen gesprochen, wenn Strukturverschiebungen im Verbundgef0ge vorlie- gen.

A b b i l d u n g 4: Darstellung tier Verbundbeziehung Im Verlauf von vier Perioden

36 dez, ma, z,kt, 1994/1

Verbundanalyse im Lebensmittelhandel

Wie der Abbildung 4 deutlich wird, konnte im Rahmen der durchgefohrten Clusterananlyse lrotz sichtbarer Ver~inderungen kein statistisch signifi- kanter Gruppentausch festgestellt werden. Die Verbundbeziehungen untediegen im Zeitablauf einer beschr~inkten Dynamik. Diese Ver~inderungen sind allerdings nicht so gravierend, dab die groben Verbundstrukturen dadurch aufgelOst werden. Wie zu erkennen ist, bewegen sich die Warengruppen Qber alle vier Perioden in ihrem jeweiligen Cluster. Trotz partieller Ver~inderungen des Beziehungs- geflechts besteht im Untersuchungszeitraum yon vier Wochen Konstanz hinsichtlich der Grundstruk- turen der Verbundbeziehungen.

3.4. Bestimmung des Einflusses absatzpolitischer MaGnahmen auf das Verbundkaufverhalten.

Der dritte Schritt der Analyse von Kaufverbund- effekten setzt sich mit der Wechselwirkung im ab- satzpolitischen Instrumentarium auseinander. Zwei Forschungsfragen sollen dabei einer ersten Analyse unterzogen werden (vgl. S{;hnedlitz 1994):

(1) Wie ver~indert sich die Verbundintensit&t der beworbenen Warengruppen aufgrund der er- griffenen VerkaufsfSrderungsaktionen?

(2) Welche Warengruppen liefem unter Berticksich- tigung der ergriffenen Mat3nahmen den gr6Be- ren Beitrag zur Steigerung der Verbundkauf- rate?

Zur Beantwortung dieser Fragen ist ein differen- ziertes expedmentelles Untersuchungsdesign not- wendig: In vier vergleichbaren Filialen des Untemeh- mens werden zu einem Zeitpunkttl unterschiedliche Verkaufsf~rderungsaktionen fLir die umworbenen Warengruppen durchgefOhrt. Dabei handelt es sich im einzelnen um folgende Mal3nahmen:

Filiale 1: Preisreduzierung in den entsprechenden Waren- gruppen um 20%

Filiale 2: Preisreduzierung um 20% in Verblndung mit Out- of-Store Werbung (Zeitungswerbung)

Filiale 3: Preisreduzierung um 20% in Verbindung mit In- Store Werbung (Display/Zweitplazierung)

Filiale 4: Preisreduzierung um 20% in Verbindung mit Out- of-Store Werbung und In-Store Werbung

Die Untersuchungsperiode betr~gt eine Woche. Den Bezugspunkt zur Messung des Aktionserfolges in Form einer Vorher/Nachher-Messung bitdet die Pedode to, in der keine Aktionen durchgefohrt wer- den. Dieser Pedode wird der Basisindex von 100 zugeordnet. Bei den umworbenen Warengruppen handelt es sich um alkoholfreie Getr.~nke (Waren- gruppe 24), vonder relativ starke Ausstrahlungs- effekte ausgehen, sowie um Produkte der Abteilung K&sebedienung (Warengruppe 6), vonder mittel- starke Verbundbeziehungen ausgehen. Die Berech- nung des Aktionserfolges orientiert sich an dem Preis-Promotion-Modell yon Nielsen (Milde 1986, Heidel 1990). Die Variable Preis ist in diesem Modell metrisch skaliert, Die Merkmale Werbung und Pla- zierung gehen als Dummy-Variable mit den Auspr&- gungen ,0" fOr ,nicht vorhanden" und ,1" fOr ,vor- handen" in das Rechenmodell ein.

Die Abbildung 5 zeigt den wSchentlichen Verbund- index der Warengruppe 24 (6) in Relation zu den durchgefohrten Marketingaktivit~iten. Der Verbund- index 100 kennzeichnet eine norrnale Absatzwoche (normales Verbundaufkommen) ohne Preisredu- zierung und Promotion.Alle Promotionkombinationen sind in Relation zu diesem Index dargestellt. Eine Preisreduzierung um 20 Prozent erhSht die Verbund- wirkung der Warengruppen 24 in Richtung Rest- sortiment um 20 Prozent. Der entsprechende Pro- zentsatz for die Warengruppe 6 Ilegt bei 5 Prozent. Eine 20-prozentige Preisreduzierung in Verbindung mit einer Zeitungswerbung I~iBt den Verbundindex um 50 Prozent (15 Prozent bei Warengruppe 6)) ansteigen. Eine Preisreduzierung in Verbindung mit einer Sonderplazierung (Display) zeigt noch st~rkere Ver~nderungen im Verbundindex. Es kann ein Zu- wachs des Verbundindex um 90 Prozent (35 Prozent bei Warengruppe 6) ermittelt werden. Der st~kste Indexzuwachs von 170 Prozent (75 Prozent bei Warengruppe 6) erfolgte bei der Kombination Preis- reduzierung in Verbindung mit Anzeigenwerbung und Displaywerbung.

Vergleicht man die Ergebnisse der gefSrderten Warengruppen, so ist zu erkennen, dab die Waren- gruppe 24 (alkoholfreie Getr&nke) hinsichtlich der ergriffenen MaBnahmen st~rkere Verbundeffekte aufweist, als die Warengruppe 6 (K~sebedienung). Die Interpretation dieser Ergebnisse relativiert die Erkl~irungskraft von Verbundanalysen, die auf der

der m.a~kl; 1~34/I 37

Peter Schnedlitz/Michael Kleinberg

Grundlage von Warenk5rben erfolgen. Hinter dem Konstrukt Kaufverbund stehen die intervenierenden Variablen Kauffrequenz und I~uferreichweite ei- nes bestimmten Artikels oder einer Warengruppe. Artikel, die von vielen Konsumenten h~iufig gekauft werden, erhalten automatisch einen hSheren Ver- bundindex-Wert. Kausalinterpretationen von Aus- strahlungseffekten zu anderen Warengruppen sind nach dem MeSkritedum .Koinzidenz" nicht statthaff.

Igien im Handel ermSglichen neue Untersuchungs- designs zur Analyse der Wechselwirkungen im Mar- keting-Mix. Die differenzierte Besch~ftigung mit der Verbundproblematik stellt dabei einen ersten Schritt dar. Im Gegensatz zu den Innovationen im technolo- gischen Bereich stagniert allerdings die Theorie- bildung in diesem Forschungsfeld mit wenigen Aus- nahmen seit etwa 20 Jahren. Der vorliegende Beitrag versucht in einem explorativen rnethodischen Um- feld, drei zentrale Entwicklungspfade moderner Verbundanalysen an einem realen Datensatz von 15000 Warenkbrben aufzuzeigen.

In einem ersten Schdtt geht es um die Entwick- lung robuster MeBmethoden, die eine theoretisch abst0tzbare Datenverdichtung und Interpretation er- lauben./Ms zweiter Aspekt kommt die dynamische Komponente einer Mehrperiodenbetrachtung dazu. Damit r~ckt verst&rkt der Wirkungproze8 von Marke- tingaktivitw in den Mittelpunkt. Erst in einem drit- ten Schritt sind letztlich experimentelle oder quasi- expedmentelle Marktreaktionstests mOglich.

Die vodiegende Untersuchung zeigt nicht zuletzt auch die Grenzen der beobachtungsorientierten Marketingforschung auf. Die Beschreibung der Ko- inzidenz von Kaufakten liefert in sich noch keine Erkl~irung for das GleichzeitigkeitsphSnomen. Auf- bauend auf derartige Analysen sind persOnliche Inverviews zur Kl~irung des motivationalen Zusam- menhanges und zur Weiterentwicklung der Theode- bildung unverzichtbar. Wenn beispielsweise Obst und Milch h~ufig gemeinsam im Warenkorb landen, so handelt es sich dabei im oben definierten Sinne noch keinesweg um einen Verbundkauf.

Abbildung 5: Verbundorientierter Aktlonserfolg for die Warengruppen K~sebedienung (6) und alkoholfreie Getr&nke (24).

4. Zusammenfassende SchluSbe- trachtung

Neue Inforrnations- und Kommunikationstechno-

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der m~.~'k't, 1994,'1 39