5
Internist 2014 · 55:590–594 DOI 10.1007/s00108-014-3482-1 Online publiziert: 29. März 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 F.-P. Pfabe Klinik für Gefäßmedizin, Asklepios Klinikum Uckermark GmbH, Schwedt Einseitige Beinschwellung bei  einer 57-jährigen Patientin  nach minimal-invasiver  Bandscheibenoperation Anamnese Anfang des Jahres 2013 wurde eine 57-jäh- rige Patientin zur Abklärung einer links- seitigen Beinschwellung in die Klinik für Gefäßmedizin eingewiesen. Anam- nestisch bestand ein Zustand nach Nuk- leo- und Sequestrotomie der Lenden- wirbelkörper 4/5 links im Januar 2012 bei sequestriertem Bandscheibenvorfall. Ein Jahr zuvor war es postoperativ zu einer Beinschwellung links gekommen, die seitdem ambulant als Beckenvenen- thrombose gewertet und behandelt wur- de, ohne dass ein Thrombusnachweis ge- lang. Die klinische Symptomatik war durch Spannungsgefühl, Wadenkrämpfe und akrale Parästhesien links charakterisiert. Anamnestisch waren ein Zustand nach Hysterektomie 1992 und eine antibiotisch behandelte Borreliose 1996 bekannt. Diagnostik Klinischer Befund Es präsentierte sich eine 57-jährige Pa- tientin in gutem Allgemein- und leicht adipösem Ernährungszustand mit einem Gewicht von 62 kg und einer Körper- größe von 153 cm (Body-Mass-Index: 26,5 kg/m 2 ). Die Untersuchung des Thorax und des Abdomens erbrachte keinen patho- logischen Befund. Es wurden eine regel- mäßige Herzfrequenz von 70/min und ein Blutdruck von 115/60 mmHg rechts sowie 110/60 mmHg links gemessen. Die Atemfrequenz betrug 18/min. Der Gefäß- und der neurologische Status waren un- auffällig. Das linke Bein wies eine ausgepräg- te Schwellung auf, der Fuß war ödemfrei und das Hautkolorit livid-zyanotisch ver- färbt. Neben suprapubischen Kollatera- len imponierten Besenreiservarizen am Oberschenkel, das Stemmer-Zeichen war negativ. Es bestand eine Umfangsdifferenz von 5 cm im Waden- und 10 cm im Ober- schenkelbereich im Vergleich zum rech- ten Bein (. Abb. 1). Labor bei Aufnahme Im Aufnahmelabor wurden folgen- de pathologischen Parameter registriert (Normbereich in Klammern): F   Aspartat-Aminotransferase: 0,62 µmol/l•s (0,27–0,52 µmol/l•s) F   Laktatdehydrogenase: 6,59 µmol/l•s (2,5–6,2 µmol/l•s) F   Cholesterin: 6,36 mmol/l (2,50–6,20 mmol/l) F   partielle Thromboplastinzeit: 44,6 s (26–36 s) F   International Normalized Ratio (INR): 2,29 (0,90–1,10; Cumarin- Therapie) Die D-Dimere und die übrigen Werte la- gen im Normbereich. Bildgebende und  funktionelle Diagnostik Duplexsonographisch stellten sich die Beinvenen links dilatiert dar, die Be- ckenvenen waren beidseits links präva- lierend erweitert. Das Pulsed-wave(PW)-- Dopplersignal war iliofemoral links pul- satil, die Atemmodulation aufgehoben und das Valsalva-Manöver pathologisch. Rechts fand sich ein physiologisches PW-Dopplersignal. Bei eingeschränkter Schallbarkeit (Darmgasüberlagerung) wa- ren eine Beurteilung des proximalen Be- ckenvenensegments und der V. cava in- ferior nicht möglich. Im einsehbaren Be- reich war kein Thrombus nachweisbar. a Abb. 18 Beinschwellung links mit Oberschen- kelumfangsdifferenz von 10 cm, lividem Haut- kolorit und kutaner Venenzeichnung Rubrikherausgeber: K. Werdan, Halle (Saale) 590 | Der Internist 5 · 2014 Kasuistiken

Einseitige Beinschwellung bei einer 57-jährigen Patientin nach minimal-invasiver Bandscheibenoperation; Unilateral leg swelling after minimally invasive disc surgery in a 57-year-old

  • Upload
    f-p

  • View
    221

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Einseitige Beinschwellung bei einer 57-jährigen Patientin nach minimal-invasiver Bandscheibenoperation; Unilateral leg swelling after minimally invasive disc surgery in a 57-year-old

Internist 2014 · 55:590–594DOI 10.1007/s00108-014-3482-1Online publiziert: 29. März 2014© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

F.-P. PfabeKlinik für Gefäßmedizin, Asklepios Klinikum Uckermark GmbH, Schwedt

Einseitige Beinschwellung bei einer 57-jährigen Patientin nach minimal-invasiver Bandscheibenoperation

Anamnese

Anfang des Jahres 2013 wurde eine 57-jäh-rige Patientin zur Abklärung einer links-seitigen Beinschwellung in die Klinik für Gefäßmedizin eingewiesen. Anam-nestisch bestand ein Zustand nach Nuk-leo- und Sequestrotomie der Lenden-wirbelkörper 4/5 links im Januar 2012 bei sequestriertem Bandscheibenvorfall. Ein Jahr zuvor war es postoperativ zu einer Beinschwellung links gekommen, die seitdem ambulant als Beckenvenen-thrombose gewertet und behandelt wur-de, ohne dass ein Thrombusnachweis ge-lang.

Die klinische Symptomatik war durch Spannungsgefühl, Wadenkrämpfe und akrale Parästhesien links charakterisiert. Anamnestisch waren ein Zustand nach Hysterektomie 1992 und eine antibiotisch behandelte Borreliose 1996 bekannt.

Diagnostik

Klinischer Befund

Es präsentierte sich eine 57-jährige Pa-tientin in gutem Allgemein- und leicht adipösem Ernährungszustand mit einem Gewicht von 62 kg und einer Körper-größe von 153 cm (Body-Mass-Index: 26,5 kg/m2).

Die Untersuchung des Thorax und des Abdomens erbrachte keinen patho-logischen Befund. Es wurden eine regel-mäßige Herzfrequenz von 70/min und ein Blutdruck von 115/60 mmHg rechts sowie 110/60 mmHg links gemessen. Die

Atemfrequenz betrug 18/min. Der Gefäß- und der neurologische Status waren un-auffällig.

Das linke Bein wies eine ausgepräg-te Schwellung auf, der Fuß war ödemfrei und das Hautkolorit livid-zyanotisch ver-färbt. Neben suprapubischen Kollatera-len imponierten Besenreiservarizen am Oberschenkel, das Stemmer-Zeichen war negativ. Es bestand eine Umfangsdifferenz von 5 cm im Waden- und 10 cm im Ober-schenkelbereich im Vergleich zum rech-ten Bein (. Abb. 1).

Labor bei Aufnahme

Im Aufnahmelabor wurden folgen-de pathologischen Parameter registriert (Normbereich in Klammern):F  Aspartat-Aminotransferase:

0,62 µmol/l•s (0,27–0,52 µmol/l•s)F  Laktatdehydrogenase: 6,59 µmol/l•s

(2,5–6,2 µmol/l•s)F  Cholesterin: 6,36 mmol/l

(2,50–6,20 mmol/l)F  partielle Thromboplastinzeit: 44,6 s

(26–36 s)F  International Normalized Ratio

(INR): 2,29 (0,90–1,10; Cumarin-Therapie)

Die D-Dimere und die übrigen Werte la-gen im Normbereich.

Bildgebende und funktionelle Diagnostik

Duplexsonographisch stellten sich die Beinvenen links dilatiert dar, die Be-

ckenvenen waren beidseits links präva-lierend erweitert. Das Pulsed-wave(PW)-­Dopplersignal war iliofemoral links pul-satil, die Atemmodulation aufgehoben und das Valsalva-Manöver pathologisch. Rechts fand sich ein physiologisches PW-Dopplersignal. Bei eingeschränkter Schallbarkeit (Darmgasüberlagerung) wa-ren eine Beurteilung des proximalen Be-ckenvenensegments und der V. cava in-ferior nicht möglich. Im einsehbaren Be-reich war kein Thrombus nachweisbar. a

Abb. 1 8 Beinschwellung links mit Oberschen-kelumfangsdifferenz von 10 cm, lividem Haut-kolorit und kutaner Venenzeichnung

Rubrikherausgeber:K. Werdan, Halle (Saale)

590 |  Der Internist 5 · 2014

Kasuistiken

Page 2: Einseitige Beinschwellung bei einer 57-jährigen Patientin nach minimal-invasiver Bandscheibenoperation; Unilateral leg swelling after minimally invasive disc surgery in a 57-year-old

In der Verschlussplethysmographie wurde links ein pathologischer Befund mit aufgehobener venöser Kapazität und pathologischem Abstrom dokumentiert, rechts fand sich eine grenzwertige Be-fundkonstellation (. Abb. 2).

Phlebographisch wurde der Verdacht auf ein Abflusshindernis links proximal der Iliosakralfugen geäußert, distal da-von konnte eine Venenthrombose ausge-schlossen werden. Durch gezielte Auskul-tation gelang der Nachweis eines Maschi-nengeräuschs im linken Unterbauch.

Das Ruhe-EKG, die transthorakale­Echokardiographie, die Röntgenaufnah-me­des­Thorax und der Knöchel-Arm-In-dex ergaben eine unauffällige Befundkon-stellation.

Verdachtsdiagnose

F  Beinschwellung links bei venöser Hypertonie durch arteriovenöse Fistel (AV-Fistel) im Bereich der Beckengefä-ße als Komplikation nach minimal-in-vasiver Bandscheibenoperation

Weiterführende Diagnostik

Mittels kontrastmittelverstärkter Com-putertomographie (CT) wurde der Nach-weis eines Aneurysmas der V. iliaca com-munis links (50×30 mm) geführt und eine hochgradige narbige Stenose am Über-gang in die V. cava inferior diagnostiziert (. Abb. 3).

Eine AV-Fistel konnte erst angiogra-phisch visualisiert werden, dabei wurde ein Beckenvenensporn von Typ II demas-kiert. Die Objektivierung der venösen Hä-modynamik erfolgte mittels direkter digi-taler Substraktionsvenographie der Be-ckenvenen durch Nachweis eines Kon-trastmittelstopps distal der AV-Fistel so-wie mittels intravenöser Druckmessung und Oxymetrie (. Abb. 4a,b).

Der maximale venöse Druck im Be-reich der AV-Fistel im Liegen von 71 mmHg, der Mitteldruck von 53 mmHg und die venöse O2-Sättigung von 98,0% bewiesen, dass die fistelbedingte Druck- und Volumenbelastung das entscheiden-de venöse Strömungshindernis darstellte (. Abb. 4c).

Diagnose

F  Chronische Beinschwellung links bei komplexer, arteriovenöser Gefäßpa-thologie mit AV-Fistel, narbiger Ste-nose, Beckenvenensporn Typ II und Aneurysma der V. iliaca communis als Komplikation nach minimal-invasiver Bandscheibenoperation

Therapie und Verlauf

Der Verschluss der AV-Fistel erfolg-te durch Implantation eines ballon-expandierenden ummantelten Stents (10/38 mm) in die A. iliaca communis. In-folge des Fistelverschlusses kam es inner-halb von 14 Tagen zu einer Rückläufigkeit des Oberschenkelumfangs um 5 cm und einer Reduktion des maximalen venö-sen Drucks um 52 mmHg. Der verbliebe-ne venöse Druckgradient von 10 mmHg indizierte die Implantation eines Venen-stents (16/60 mm) bei unverändertem Be-stehen der Beckenvenenstenose und des Beckenvenensporns Typ II (. Abb. 5).

Nach Stentimplantation kam es mit Beseitigung des Druckgradienten zu einer

Abb. 2 9 Verschluss-plethysmographie. a Linkes Bein mit aufge-hobener venöser Ka-pazität (rote Pfeile) und pathologischem Ab-strom (blauer Pfeil), pulsatiles Pulsed-wave-Dopplersignal; b rechtes Bein mit grenz-wertigem Befund. SGP Strain-gauge-Venen-verschlussplethysmo-graphie

Abb. 3 8 a Venenaneurysma (1) in 3-D-Rekonstruktion von ventral; b Venenaneurysma (1) und nar-bige Beckenvenenstenose (2) von dorsal

591Der Internist 5 · 2014  | 

Page 3: Einseitige Beinschwellung bei einer 57-jährigen Patientin nach minimal-invasiver Bandscheibenoperation; Unilateral leg swelling after minimally invasive disc surgery in a 57-year-old

Zusammenfassung · Abstract

Internist 2014 · 55:590–594DOI 10.1007/s00108-014-3482-1© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

F.-P. Pfabe

Einseitige Beinschwellung bei einer 57-jährigen Patientin nach minimal-invasiver Bandscheibenoperation

ZusammenfassungDie einseitige Beinschwellung infolge einer venösen Hypertonie beruht meist auf einer tiefen Venenthrombose. Die Verdachtsdia-gnose einer Beckenvenenthrombose erfor-dert einen Thrombusnachweis sowie den dif-ferenzialdiagnostischen Ausschluss ande-rer Ursachen der venösen Hypertonie, insbe-sondere nach beckenchirurgischen Eingrif-fen. Es wird von einer einseitigen Beinschwel-lung bei komplexer arteriovenöser Gefäßpa-thologie nach minimal-invasiver Bandschei-benoperation berichtet. Die Differenzialdiag-nostik und interventionelle Therapie werden beschrieben.

SchlüsselwörterArteriovenöse Fistel · Venenstenose · Venöse Hypertonie · Beckenvenensporn · Endovaskuläre Verfahren

Unilateral leg swelling after minimally invasive disc surgery in a 57-year-old woman

AbstractUnilateral leg swelling is most frequently the result of venous hypertension based on deep vein thrombosis. The suspicion of a pelvic vein thrombosis requires direct thrombus de-tection and exclusion of the spectrum of dif-ferential diagnoses, especially after pelvic sur-gery. In this paper we report a case of unilat-eral leg swelling with complex arteriovenous vascular pathology after minimally invasive disc surgery. The differential diagnosis and in-terventional therapy are discussed.

KeywordsArteriovenous fistula · Vein stenosis · Hypertension, venous · Pelvic vein spur · Endovascular procedures

Abb. 4 8 a Angiographischer Nachweis der AV-Fistel (1) und des Venenaneurysmas (2); b Demas-kierung des Beckenvenensporns Typ II und der Venenstenose (3); c Objektivierung der hämodyna-mischen Relevanz der AV-Fistel durch venöse Oxymetrie und Druckmessung, Nachweis eines Kon-trastmittelstopps (roter Pfeil) und pubisch-pudendaler Kollateralen (schwarzer Pfeil). AV Arteriovenös

Abb. 5 8 a Digitale Substraktionsvenographie der Beckenvenen mit intravenöser Druckmessung nach AV-Fistel-Verschluss bei Beckenvenensporn und Venenstenose (Pfeil); b abschließendes Interven-tionsergebnis. AV Arteriovenös; DSA digitale Substraktionsangiographie

592 |  Der Internist 5 · 2014

Kasuistiken

Page 4: Einseitige Beinschwellung bei einer 57-jährigen Patientin nach minimal-invasiver Bandscheibenoperation; Unilateral leg swelling after minimally invasive disc surgery in a 57-year-old

Thrombosierung des Venenaneurysmas und einer Normalisierung der venösen Drainagefunktion. Zusätzlich zur dualen Plättchenaggregation mit täglich 75 mg Clopidogrel und 100 mg Acetylsalicylsäu-re wurde eine orale Antikoagulation mit Phenprocoumon für 6 Monate begonnen (Ziel-INR: 2,5–3,0). Die bestehende The-rapie mit manueller Lymphdrainage, Ve-nengymnastik und Kompression (Klas-se I) wurde fortgeführt.

Während nach 4 Wochen bei unauf-fälliger Funktionsdiagnostik eine Ober-schenkelumfangsdifferenz von nur noch 2 cm verblieb, wurden 5 Monate später seitengleiche Beinumfänge bei subjektiver Beschwerdefreiheit gemessen (. Abb. 6).

Diskussion

Die Differenzialdiagnose der unilateralen Beinschwellung stellt klinisch eine He-rausforderung dar. Der akuten einseiti-gen Beinschwellung liegt häufig eine tie-fe Venenthrombose zugrunde, während die Chronizität des Befundes ein Leit-symptom des postthrombotischen Syn-droms ist. Das pathophysiologische Kor-relat der unspezifischen Klinik ist die ve-nöse Hypertonie mit Störung der Mikro-zirkulation und Entwicklung eines Ge-websödems.

Die Diagnose einer Beinvenenthrom-bose ist kompressionssonographisch si-cher zu stellen. Liegt eine Beckenvenen-thrombose vor, die mit 2,4% aller Throm-bosen selten ist, ist ein direkter Throm-busnachweis meist schwierig [1].

In der vorgestellten Kasuistik gelang es ambulant und stationär sowohl sonogra-phisch als auch phlebographisch nicht, bei einem Verdacht auf Beckenvenenthrom-bose einen Thrombus nachzuweisen. Das pulsatile venöse Strömungssignal am ilio-femoralen Übergang sprach für eine AV-Fistel, deren exakte anatomische Lokalisa-tion aufgrund unzureichender Schallbe-dingungen nicht bestimmt werden konn-te, mit der farbcodierten Dopplersonogra-phie anhand von Turbulenzen und einem fistelbedingten hohen diastolischen Fluss aber prinzipiell möglich ist.

Der Befund der Verschlussplethysmo-graphie war charakteristisch für ein pro-ximales venöses Strömungshindernis, be-deutete aber hinsichtlich der Genese kei-nen Informationsgewinn.

Aufgrund dieser Befundkonstellation erschien eine kontrastmittelverstärkte CT indiziert, da sie zusätzliche Informationen über extravaskuläre Pathologien und Ge-fäßanomalien liefert. Mit dem CT-Nach-weis einer proximalen Venenstenose und eines Venenaneurysmas war eine Inter-

pretation des pulsatilen PW-Dopplersig-nals jedoch nicht möglich. Das Venenan-eurysma, das Ödem und die Hyperther-mie erhärteten den Verdacht auf eine AV-Fistel. Ein auskultierbares Maschinenge-räusch – wie bei unserer Patientin – und ein palpabler pulsierender Tumor sind ebenfalls wegweisend.

D Eine Fisteldokumentation gelingt in der Regel angiographisch durch Darstellung des Kontrastmittelübertritts.

In diesem Fall wurde zusätzlich ein Be-ckenvenensporn Typ II demaskiert.

Eine Beschreibung der venösen Hä-modynamik ist durch eine direkte digita-le Substraktionsvenographie der Becken-venen mit Druckmessung und Oxyme-trie möglich. Der typische Kontrastmit-telstopp und eine Kollateralzirkulation beweisen die hämodynamische Relevanz ebenso wie der venöse Druck- und Sätti-gungssprung im Fistelbereich. Im geschil-derten Fall wurde die lokale Druck- und Volumenbelastung (Strömungsbarriere) durch die Venenstenose und den Becken-venensporn verstärkt.

Eine Quantifizierung des Fistelvolu-mens ist im Allgemeinen schwierig, eine angiographische Beurteilung des Kon-

Abb. 6 9 a Klinischer Be-fund 2 Wochen nach Ent-lassung; b normale Ver-schlussplethysmographie und physiologisches Pul-sed-wave-Dopplersignal beidseits (s. Abb. 2). SGP Strain-gauge-Venenver-schlussplethysmographie

593Der Internist 5 · 2014  | 

Page 5: Einseitige Beinschwellung bei einer 57-jährigen Patientin nach minimal-invasiver Bandscheibenoperation; Unilateral leg swelling after minimally invasive disc surgery in a 57-year-old

trastverlusts in der Arterie als Maß der hämodynamischen Relevanz nicht ge-bräuchlich. Die Bestimmung des Shunt-volumens ist, ausreichende Schallbe-dingungen vorausgesetzt, mit der Farb-duplexsonographie orientierend mög-lich; gemessen werden in diesem Zusam-menhang die durchschnittliche Blutströ-mungsgeschwindigkeit und der Gefäßra-dius. Im geschilderten Fall sprachen die kardiovaskuläre Befundkonstellation und fehlende Symptome gegen ein systemisch wirksames Shuntvolumen von mehr als 25–30% des Herzminutenvolumens.

Eine Druckreduktion um 52 mmHg, die rückläufige Klinik und der Verlust der pubisch-pudendalen Kollateralfunktion (Spontan-Palma) bestätigten nach Fistel-verschluss die entscheidende Bedeutung der AV-Fistel als venöses Strömungshin-dernis.

Die hämodynamische Wirksamkeit des Beckenvenensporns und der Steno-se konnte nach Fistelverschluss durch die Beschreibung des Druckgradienten ob-jektiviert werden. Die identische anato-mische Lokalisation verhinderte eine iso-lierte Quantifizierung beider Pathomor-phologien.

»  Interventionelle Be-handlungsstrategien sind bei AV-Fisteln heute die Therapie der Wahl

Da die hämodynamische Bedeutung eines Beckenvenensporns unter Ruhebe-dingungen meist gering ist und eine prä-operative, klinisch latente Existenz in die-sem Fall anzunehmen war, wurde der Ve-nenstenose die entscheidende flusslimi-tierende Bedeutung beigemessen. Ein Druckgradient von 10 mmHg in Ruhe stellt bei einem physiologischen venösen Strömungsdruck von 5–7 mmHg eine In-dikation zur stentgestützten Venoplastie dar [3].

Interventionelle Behandlungsstrate-gien sind bei AV-Fisteln, bei venösen Obs-truktionen, dem May-Thurner-Syndrom und beim schweren postthrombotischen Syndrom heute die Therapie der Wahl [2, 4, 5, 6]. Die primäre Langzeitoffenheit von 69–72% und die geringe Komplikations-rate venöser Interventionen sind überzeu-

gend. Ein weiterer Vorteil ist die Möglich-keit einer kombinierten Anwendung mit operativen Standardverfahren [7, 8, 9].

Fazit für die Praxis

Die Beinschwellung ist das Leitsymp-tom einer venösen Obstruktion. Die Ver-dachtsdiagnose einer Beckenvenen-thrombose erfordert einen Thrombus-nachweis. Nach operativen Eingriffen und Interventionen stellen Gefäßverlet-zungen im Beckenbereich eine poten-zielle Komplikation dar und müssen dif-ferenzialdiagnostisch berücksichtigt wer-den. Eine AV-Fistel kann sich unter dem klinischen Bild einer Beinschwellung bei venöser Hypertonie manifestieren. Die farbcodierte Duplexsonographie und die CT besitzen einen hohen diagnostischen Stellenwert und ergänzen die Angiogra-phie. Interventionelle Techniken ermögli-chen einen nachhaltigen Fistelverschluss und die Beseitigung einer venösen Obs-truktion.

Korrespondenzadresse

Dr. F.-P. PfabeKlinik für Gefäßmedizin, Asklepios Klinikum Uckermark GmbHAuguststr. 23, 16303 [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  F.-P. Pfabe gibt an, dass kein Inte-ressenkonflikt besteht.   Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur

1.  Hummel T, Asciutto G, Geier B et al (2009) Deep vein thrombosis, vena cava inferior stenosis in combination with May-Thurner Syndrom. Phlebo-logie 38:172–175

2.  Jöres APW, Diehm N (2013) Einseitige Beinschwel-lung post partum. Radiologe 53:341–345

3.  Weber J (2001) Ballondilatation und Stentimplan-tation bei malignen und gutartigen Stenosen im zentralen Venensystem. Zentralbl Chir 126:450–455

4.  Neglen P, Hollis KC, Olivier J, Raju S (2007) Stenting of the venous outflow in chronic venous disease: Long-term stent-related outcome, clinical, and he-modynamic result. J Vasc Surg 46 979–990

5.  Koshu CG et al (2009) Endovascular management of posttraumatic arterio-venous fistulae. Cardio-vasc Intervent Radiol 32:1042–1052

6.  Mickley V (2001) Stent oder Bypass? Behandlungs-ergebnisse bei benignen zentralvenösen Obstruk-tionen. Zentralbl Chir 126:445–449

7.  Wohlgemuth WA, Weber H, Loeprecht H et al (2000) PTA and stenting of benign venous stenosis in the pelvis: long-term results. Cardiovasc Inter-vent Radiol 23:9–18

8.  Hartung O, Loundou AD, Barthelemy P et al (2009) Endovascular management of chronic disabling ilio-caval obstructive lesions: long-term results. Eur J Vasc Endovasc Surg 38:118–124

9.  Wölfle KD, Wohlgemuth WA, Loeprecht H (2001) Endovaskuläre Therapie bei Beckenvenensporn. Deutsche Gesellschaft für Chirurgie, Kongress-band, S 482–485

594 |  Der Internist 5 · 2014

Kasuistiken